Symeon der neue Theologe (949 – 1022)
Byzantinischer
Asket und Hymnendichter, wohl der bedeutendste Mystiker der orthodoxen Kirche. Symeon war ursprünglich
kaiserlicher Beamter, wurde dann aber 977 Mönch des Studion-Klosters und 991 Abt des benachbarten
Mamas-Klosters. 1003 wurde er nach Chrysopolis verbannt, wo er auch nach Aufhebung seiner Verbannung blieb. Hier schrieb er die »divini amores«, die als
ein bedeutendes Zeugnis mystisch-religiöser Dichtung der byzantinischen
Zeit gelten. Seine unter dem Einfluss seines geistlichen Lehrers Symeon
Studites (Eulabes) stehende Christus-Mystik beeinflusste die orthodoxe Mystik, die Christus-Mystik des
Bernhard von Clairvaux und den Hesychasmus (=
Gebetspraxis des ostkirchlichen Mönchtums, die durch Kontemplation
und Jesusgebet zu göttlicher Ruhe und der »unio mystica« führen soll). - Heiliger (Tag: 12. 3., Ostkirche). Siehe auch Wikipedia, Heiligenlexikon und Kirchenlexikon |
Inhaltsverzeichnis
Aus den Liebesgesängen an Gott (»divinis amore«)
Gott allein ist groß
>>>Christus
Leben in Christus
Christus, der Lebensgrund
Aus
den Liebesgesängen an Gott (»divinis amore«)
Mich liebt Er, der nicht in dieser Welt ist. Und inmitten meiner Zelle sehe
ich Ihn, der außer der Welt ist. Auf meinem Bette sitze ich, der geboren
und doch ewig ist, ich sehe Ihn, und rede mit Ihm und wage zu sagen: Ich liebe!
denn Er liebt mich. Ich nähre mich von der Betrachtung, ich kleide mich
darein; Ihm vereint, übersteige ich die Himmel. Und dass dies wahr
und gewiss ist, weiß ich. Wo aber dann dieser Leib ist, erkenne ich
nicht, Ich weiß, dass hinabsteigt, der unbewegt ist. Ich weiß,
dass von mir geschaut wird, der von Natur unschaubar ist. Ich weiß,
dass Er, der aller Kreatur weit entrückt ist, mich in Sich aufnimmt
und mich in Seinen Armen verbirgt, und ich finde mich außer der ganzen
Welt. Hinwieder schaue ich Sterblicher, und in der Welt ein Geringer, den ganzen
Schöpfer der Welt in mir: und dieweil ich im Leben bin, umfange ich in
mir das ganze blühende Leben und weiß, dass ich nicht sterben
werde. Als Er mich mit himmlischer Freude erfüllt hatte, entflog Er und
nahm meinen Geist, meinen Sinn und aller irdischen Dinge Begier mit sich. Und
Ihm folgend verlangte mein Geist den geschauten Glanz zu umfassen, aber er fand
ihn nicht mehr, als Kreatur, und es gelang ihm nicht, aus den Kreaturen zu gehen,
um jenen unerschaffenen und unerfaßten Glanz zu umfangen. Dennoch umzog
er alles und strebte, Jenen zu schauen, durchforschte die Luft, umwandelte den
Himmel, überschritt die Abgründe, und durchspähte, wie ihm schien,
die Enden der Welt. Aber in alledem fand er nichts, denn geschaffen war alles.
Und ich klagte und trauerte und brannte...
Und als ich Ihn noch mühevoll suchte, erfuhr ich jählings, dass
Er in mir selber war, und in der Mitte meines Herzens erschien Er wie das Licht
einer kreisrunden Sonne. Als Er so sich offenbarte und ich Ihn erkannte und
empfing, trieb Er den Wirbel der Dämonen in die Flucht, stieß die
feige Scheu zurück, gab die Stärke ein, entblößte mein
Gemüt vom irdischen Sinn und umkleidete mich mit den Sinnen des Geistes.
Von den Dingen, die gesehen werden, schied Er mich ab, und mit denen, die nicht
gesehen werden, verband Er mich. Er gewährte mir, das Unerschaffene zu
schauen, und mich dessen zu erfreuen, dass ich vom Erschaffenen, vom Sichtbaren,
vom Schnellvergänglichen gesondert war — vereinigt dem Unerschaffenen,
dem Unsterblichen, das des Anfangs bar ist und von Keinem erblickt werden kann.S.80f.
Enthalten in: Christliche Geisteswelt, Band II, Die
Welt der Mystik . Herausgegeben von Walter Tritsch Holle Verlag , Darmstadt
Gott allein ist groß
Wie könnte ein Mensch gegen Gott obsiegen?
Job 9, 2
Komm, nach dem meine arme Seele von je verlangt! Komm, der Du uns die Sehnsucht
eingibst, Du, dem niemand aus Eigenem zustrebt! Du unerklärliche Speise,
die nie verzehrt wird und die doch unablässig die Lippen meiner Seele labt!
Du Tag ohne Abend, Sonne ohne Untergang, Du, der sich nie vor einem verbirgt
— nur wir verbergen uns vor Dir. Dich schauend, lebe ich Toter auf, Dich
besitzend, werde ich Armer reich; mit Dir bin ich stärker als alle Fürsten,
da ich essend und trinkend Dich genieße— und zuweilen umhüllt
mich Deine unsagbare Freude. S.303
Aus: Otto Karrer, Jahrbuch der Seele . Aus der Weisheit der christlichen Jahrhunderte.
Verlag Ars Sacra Josef Müller München