Bernhard von Clairvaux (1091-1153)
Kirchenlehrer,
der aus burgundischem Adel stammte und 1112 Mönch in Citeaux wurde. 1115 wurde Bernhard
als Abt zur Gründung eines Klosters in
Clairvaux ausgesandt. Er brachte seinen Orden (die Zisterzienser) zu hoher Blüte: viele neue Niederlassungen wurden gegründet (zu seinen Lebzeiten von Clairvaux aus 68, insgesamt 350). Die Zisterzienser heißen nach ihm auch Bernhardiner. Durch
Beredsamkeit und Frömmigkeit beherrschte Bernhard
seine Zeit, gewann Ludwig VII. und
Konrad III. für den 2. Kreuzzug (1147/48).
Er betonte die Reinheit der katholischen Lehre gegenüber der
Dialektik Abaelards; von seiner Kontemplation wurde die mittelalterliche Christus-Mystik und Marienverehrung bestimmt.
Bernhards Mystik besteht nicht darin, wie bei Anselm,
Einsicht aus der Liebe wachsen zu lassen und schon gar nicht darin,
wie bei den byzantinischen Vätern, Liebe aus Furcht zu züchten,
sondern umgekehrt, Erschütterung und Furcht aus dem Übermaß an lebender Gegenwart. Und genau dies ist auch die Quelle der Wunder, die
aus den Predigten dieses wie ein Sturmwind einherbrausenden Erstaunlichen
(»das größte Wunder war er selbst«) den Menschen
immer wieder von Gott geschenkt worden sind. Seine Schriften wirkten auf
Ignatius und Luther. - Heiliger
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Inhaltsverzeichnis
Aus
den Predigten zum Hohen Lied Salomos
Bernhard von
Clairvaux Predigt am Oberrhein
Aus den Predigten zum Hohen Lied Salomos
(Dies ist die Stelle, durch welche
die mystische Lehre Maximus des Bekenners wieder-aufgenommen
wird: von der Einigung des liebenden Willens in Gott)
Hüte dich gut davor, das Heilige Wort Gottes in Seiner Vereinigung mit
der Seele irgendwie versinnlicht zu denken oder Es gar irgendwie verkörpert
vorzustellen. Entsinne dich dessen, was der Apostel sagte: »Wer sich dem
Herrn ganz hingibt, ist nur Geist . . . « Wir können es nur von fern
angenähert ausdrücken, nur in unserer armseligen Sprache, was in der
reinen Seele vorgeht, wenn sie in Gott aufgenommen wird — oder wenn Gott
in solch ein geheiligtes Seelengefäß einzudringen geruht: wir müssen
das Geistige auch wirklich rein geistig zu sagen versuchen, denn diese Vereinigung
findet immer nur im Geiste statt, da Gott nur Geist ist, nicht Leib, und da
Er eine Seele nur liebt, wenn sie ganz und gar geistig geworden ist, und dadurch
rein geworden ist, schön geworden ist, Seiner Liebe nicht ganz unwürdig
geworden ist, und das heißt, Wenn sie allem Willen des Leibes entsagt
hat und vor lauter Liebe zu Gott ganz und gar lichterloh brennt ... (Sermo
in Cantica 31, 6).
Wenn ihr einer Seele begegnet, die alles, alles verlassen hat, um sich mit all
ihrer Kraft dem Ewigen Worte Gottes hinzugeben und nur noch für das Ewige
Wort Gottes ganz und gar zu leben, nur noch von Ihm bewegt und geleitet zu sein,
nur noch in Erwartung und Empfängnis dessen lebt, was das Wort Gottes in
ihr zeugen mag und was sie Ihm gebären soll — so dass sie mit
Recht ausrufen darf, »Christus ist mein Leben und der Tod ist mir Gewinn«
— dann wisset, dass eine solche Seele dem Ewigen Worte Gottes wie
eine echte Gemahlin ist: sie hat sich Ihm im Geiste vermählt ... (85,
12).
Ja, eine solche Hingabe an den Willen Gottes vermählt die Seele mit Ihm,
und dann erst wird sie im Geiste Ihm ähnlich, und Ihm nicht weniger ähnlich
auch im Willen, und ebenso in der Liebe, mit der sie vollkommen und grenzenlos
nur Gott und Gott allein liebt: so ist sie Ihm also eine Gemahlin . . . Der
Name der Liebe kommt aber vom Lieben und nicht vom ehrfürchten oder bewundern.
Man ehrt, wenn man staunt und bewundert, oder wenn man fürchtet und bewundert
— aber alles Staunen und Fürchten verschwindet, verdampft in der
reinen Flamme, geht auf im reinen Jubel bewundernder Liebe. Nur die Liebe genügt
sich selbst vollkommen... Und der Geliebte ist die Unendliche Liebe Selbst ...
(83, 3)
Enthalten in: Christliche Geisteswelt, Band II, Die
Welt der Mystik . Herausgegeben von Walter Tritsch (S.99-100)
Holle Verlag , Darmstadt
Bernhard
von Clairvaux Predigt am Oberrhein
Aus dem lateinischen Protokoll seiner Reise
im Winter 1146
Berichtende Augenzeugen:
Hermann, BISCHOF von Konstanz; EBERHARD, Kaplan des
Bischofs Hermann; BALDWIN und FROWIN, zwei Äbte; GAUFRED und GERHARD, zwei Mönche aus Clairvaux; PHILIPP,
ein Archidiakon aus Lüttich; OTTO und FRANCO, zwei Kleriker;
ALEXANDER, ein Kleriker aus Köln.
DER BISCHOF: Am Freitag wurde in Basel, als er gepredigt
und das Kreuz ausgeteilt hatte, eine stumme Frau vor den Gottesmann gebracht.
Er berührte ihre Zunge, und sogleich löste sich die Fessel ihres Mundes,
und sie sprach richtig. Diese Frau habe ich gesehen und mit ihr gesprochen;
wer von euch sah aber den Lahmen, den er vor ihr empfing und über den das
Volk so laut jubelte?
OTTO: Wir alle haben ihn gesehen.
EBERHARD: Ich und die Ritter meines Herrn sahen am selben Tag, das
ist am Freitag, einen Knaben, den seine Mutter als Blinden zur Herberge des
heiligen Mannes geführt hatte und als Sehenden zurückbrachte.
GERHARD: An diesem Tag geschah sehr vieles, was wir des Getümmels
wegen nicht in Erfahrung bringen konnten. Ich hörte jenen Knaben sagen,
der Vater habe an diesem Tag Blinde berührt, und er glaube, sie seien ganz
sehend geworden oder hätten bald darauf das Augenlicht wieder erhalten.
DER BISCHOF: Am Samstag wurde bei der Stadt Rinfeld ein lahmer Knabe
aufgerichtet. Als ich das Geschrei hörte — denn ich ging voraus —,
kehrte ich zurück und fand den wandelnden Lahmen inmitten des frohlockenden
Volkes.
EBERHARD: Als der Gottesmann am Samstagabend in Seckingen die Kirche
betrat, wurde ein Knabe gebracht, dessen Nackensehnen verhärtet waren und
der den Kopf nicht heben oder drehen konnte, und als er den Segen empfangen
hatte, ging er mit gelösten Sehnen hinweg, hob den Kopf und blickte frei
umher. Mein Bedienter, der in der gleichen Herberge nächtigte und den Knaben
sah, meldete mir dies mit andern von meinen Gefährten.
GAUFRED: Es ist die gleiche Stadt, wo einem Knaben am frühen Sonntagmorgen
die Hand geheilt wurde, wo ein von Geburt an Hinkender den Gang wieder erhielt
und zwei Lahme, ein Mann und eine Frau, am Ausgang der Stadt aufgerichtet wurden,
die Krücken wegwarfen und Gott lobpreisend frei einhergingen. Nicht lange
waren wir weitergezogen, da wurde die kranke Hand einer Frau gesegnet und geheilt.
Wir alle sahen es, und jedesmal entstand Geschrei und großer Jubel. Ferner
sahen wir, wie in derselben Stadt ein Wahnsinniger, über dem der Vater
das Segenszeichen machte, sogleich ruhig wurde, vernünftig redete und seinen
Dank bezeugte, und vernahmen, er sei seither gesund geblieben. Als wir wieder
zu dieser Stadt zurückkamen, unterhielten wir uns mit dem Priester, und
er erzählte uns von einigen Menschen, von denen man sicher wußte,
daß sie an jenem Tag daselbst aufgerichtet oder sehend gemacht worden
sind. Am Abend, als uns Herzog Konrad entgegenkam, gewann ein lahmer Knabe vor
seinen und der Ritter Augen den Gang zurück, und auch wir haben das gesehen.
DER BISCHOF: Ebenda begab sich etwas, was ich jetzt verschweige, aber an
seinem Ort von euch gern erwähnt wissen möchte.
EBERHARD: Am gleichen Tag sahen wir, wie beim Betreten der Kirche zu
Doningen ein anderer Lahmer sich aufrichtete und wandelte. Am Montag früh
erhielt am Eingang jener gleichen Kirche ein vom Mutterleib an Gelähmter
den Gang zurück; ich war dabei und sah es. Auch begann ein Knabe, den wir
frühmorgens in unserer Herberge stumm gesehen hatten, vor unsern Augen
zu reden. Ferner bezeugte uns unsere Wirtin, daß ihre Enkelin, die seit
ihrem vierten Lebensjahr vierzig Jahre lang blind gewesen war, am gleichen Tag
sehend geworden sei.
GERHARD: Ich selbst habe an diesem Tag in der Herberge einen geheilten
blinden Knaben gesehen.
PHILIPP: Und ich ein blindes Mädchen, das in der Nähe der
Stadt geheilt wurde; viele von den Unsern und vom Volk haben sie gesehen.
GAUFRED: Wir haben an diesem Tag vieles gesehen, woran wir uns nicht
mehr erinnern können. Etwas aber ist geschehen, was mir wegen der großen
Freude, die ich mit ansah, wieder zu Sinn kommt. Ich meine die Frau, die in
dem Dorf, durch das wir kamen, lange als Lahme gelebt hatte und die wir alle
aufstehen sahen.
EBERHARD: Ich habe mit den Rittern meines Herrn die Begebenheiten gesammelt,
und aus dem, was diese sahen und was ich selbst gesehen habe, haben wir sechsunddreißig
Wundertaten zusammengezählt, die an diesem Tag vorgefallen sind. Elf Blinde
wurden sehend gemacht, achtzehn Lahmen wurde der Gang gegeben, elf Verkrüppelten
wurden die Hände geheilt, ein Tauber erhielt das Gehör. Wenn es im
Ganzen mehr sind als sechsunddreißig, so rührt es daher, daß
ich vorher die Personen gezählt habe, jetzt die Zeichen. Denn an einem
einzigen Mädchen, das blind, an beiden Füßen lahm und dazu stumm
war und das eine verdorrte Hand hatte, sind viele Zeichen geschehen; und wir
hörten das Volk, das uns folgte, noch über viel anderes lobsingen,
aber weil wir nicht umkehren konnten, sahen wir es nicht.
PHILIPP: Am Dienstag in Schaffhusen entging uns vieles, weil das Getümmel
unerträglich und der Vater auf die Segnung der Kranken gänzlich verzichten
und fliehen mußte, so sehr drängte sich das Volk durcheinander.
EBERHARD: Ich selbst bat ihn am Altar flehentlich er möchte niemandem
die Hand auflegen, da ich schlechterdings nicht wußte, auf welche Weise
man ihn dann hinausbringen könnte.
PHILIPP: Aber am Eingang der Kirche hatte eine Lahme den Gang zurückerlangt,
ich war dabei, und den Gesang des Volkes habt ihr alle gehört. Noch eine
andere Lahme sahen wir, als wir aus der Stadt über die Anhöhe hinauszogen,
wie sie gesegnet wurde und sofort mit gelösten Gliedern frei umherging.
EBERHARD: Ich sah selbst in dieser Stadt, wie ein Tauber das Gehör
erhielt und ein Weib, das an beiden Füßen gelähmt gewesen war,
das Gehvermögen. Ich vernahm auch von einem Ritter meines Herrn, der den
Heiligen Gottes in der Menge beschützte und jederzeit bei ihm war, daß
jemandem der vertrocknete Arm geheilt worden sei und ein Lahmer wieder habe
gehen können.
DER BISCHOF: Am Mittwoch früh sah ich mit dem Volk und unsern
Brüdern am Eingang der Kirche, wie ein Mensch, der an beiden Füßen
gelähmt war und eine welke Hand hatte, von diesen beiden Gebrechen befreit
wurde, frei umherging und die Hand bewegte.
PHILIPP: Ich habe einen blinden Knaben gesehen, der daselbst sehend
gemacht wurde. ...
Nach dem von L. Kästle bearbeiteten Teildruck
des Reiseprotokolls im Freiburger Diöcesan-Archiv III. S288f
Auch enthalten in: Mystische Texte aus dem Mittelalter, (S.21-25) Herausgegeben
von Walter Muschg Diogenes Taschenbuch 21444