Rudolf
Eisler (1873 – 1926)
Österreichischer
Philosoph, der eine von Immanuel Kant und
Wilhelm Wundt beeinflusste Erkenntnistheorie vertrat.
Seine philosophischen Lexika, insbesondere das dreibändige »Wörterbuch
der philosophischen Begriffe«, aus dem die folgenden Abschnitte
entnommen sind, zählen zu den unverzichtbaren philosophischen Standardwerken.
Siehe auch Wikipedia
Inhaltsverzeichnis
Auswahl aus dem »Wörterbuch
der philosophischen Begriffe«
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zur Gesamtausgabe
Gott
,
Absolut
, Achamoth , Agnostizismus
, All , Allbeseelung
, Allbewusstsein
, Alleinheit , Allgegenwart
, Allheit , Allmacht
, Allweisheit/Allwissenheit
, Altruismus , Analogie
, Analogieschluss
, Anderssein , Animismus
, An-sich , An-sich-sein
, Antinomie , Äon
, Apprehension
, Atheismus , Äther
, Ätherleib
, Atman , Ausdehnung
Bedingung
, Begründen
, Beharrlichkeit
, Beharrung , Bejahung
, Bewegung , Böse
, Brahman , Buddhismus
,
Chaos ,
Dämonen
, Darwinismus
, Deismus , Demiurg
, Dialektik , Dualismus
,
das Eine , Einfachheit , Einheit
, Einsicht , Ekstase
, Emanation , Empiriokritizismus
, Empirismus , Endlich
, Ensoph , Entelechie
, Etwas , Evolution
, Ewigkeit ,
Freiheit
,
Ganzes
und Teile , Gegensatz
, Geist , Gesetz
, Gnosis , Grad
, Gut ,
Harmonie
, Henotheismus
, Hylozoismus ,
Idee , Individuation
, Intelligenz ,
Intelligibel ,
Intelligible Welt
, Introjektion
, Intuition ,
Kabbala
, Karma , Kontemplation
, Kontinuität
, Kosmos ,
Licht ,
Logos ,
Macht
, Maya
, Mechanistische
Weltansicht , Meditation
, Monade(n) , Monismus
, Monotheismus
, Mystik ,
Naturgesetz
, Nichts
, Nihilismus , Nirwana
, Notwendigkeit
,
Offenbarung
, Okkultismus
, Optimismus ,
Panentheismus
, Panlogismus ,
Panpsychismus
, Pansatanismus
, Pantheismus ,
Pessimismus , Pleroma
, Pneuma , Polarität
, Positivismus
, Prädestination
, Prädeterminismus
, Präexistenz
, Psychologismus
, Pythagoreismus ,
Quellgeister
,
Schein ,
Schicksal , Schöpfung
, Seele, Seelensitz
, Seelenwanderung
, Sensualismus
, Soliipsismus ,
Sophia , Spekulation
, Spiritismus ,
Spiritualismus
, Stetigkeit , Sufismus
,
Tabula
rasa , Tao
, Teil , Teilbarkeit
, Teleologie , Telepathie
, Theismus , Theodizee
, Theogonie , Theologie
, Theophanie , Theosophie
, Tod ,
Übel
, Übermensch , Unendlich
, Ungrund , Unio
mystica , Unsterblichkeit
, Upanishad , Urkraft
, Ursprung , Urtatsache
,
Verbindung
, Vermögen ,
Vielheit
, Vision , Vitalismus
, Volksgeist , Vollkommenheit
, Vorsehung ,
Wechselwirkung
, Weisheit
, Welt , Weltgeist
, Welträtsel
, Weltseele , Werden
, Widerspruch ,
Wille zur Macht
,
Zahl , Zufall
.
Gott
(theos deus) S.1106f.
Siehe auch bei Kirchner
ist ein Name für das höchste
Wesen, das Absolute, für die ewige Einheit
aller Dinge, die von der Summe derselben
wohl zu unterscheiden ist, für den Urgrund alles Geschehens; für
die höchste, geistige, wollend-vernünftige Kraft, die im
All sich offenbart, kein Einzelding unter Einzeldingen ist. Die Dinge und deren
Summe, die Welt, sind in Gott, Gott wirkt in der Welt. Diese Auffassung des
Verhältnisses von Gott und Welt heißt
Panentheismus. Der
Pantheismus setzt Gott
und All als eines, der
Theismus setzt
Gott außer der Welt als ein Wesen für
sich, das er als persönlich auffaßt.
Der Atheismus
leugnet die Existenz einer Gottheit überhaupt. Der Begriff
Gottes entspringt einem Postulate des den Erfahrungsinhalt verarbeitenden, begründenden
Denkens, sowie Forderungen des Gemütes und dem Dichten der Phantasie. Mythus
, Religion und Philosophie bestimmen mit verschiedenen Erkenntnismitteln die
Gottesidee.
Aus dem
Polytheismus, der dem Animismus
und Fetischismus
entspringt, geht einerseits der religiöse Theismus,
erst als
Henotheismus, dann als Monotheismus
hervor (Hebräer, esoterische Religion der Ägypter,
Griechen), anderseits der Pantheismus
als Religion (Inder)
und als Philosophie
(Griechen), indem
die verschiedenen Götter in Dienern, bezw.
Modificationen einer Urgottheit werden,
die schließlich als das einzige Göttliche bleibt.
Das Altertum weist, ohne
allzu scharfe Abgrenzung der Begriffe, einen Wechsel
von Pantheismus und Theismus,
inbegriffen der Emanationslehre,
auf.
Die Inder (Vedas, Upanishads)
bestimmen die Gottheit als
das Brahman
oder Âtman ,
die in allen Dingen identische, ewige
Urkraft,
die aus sich heraus Welten schafft und wieder in sich
zurücknimmt und die allein wahre Realität hat, an sich als
»prajapâti«, als
»Herr der Geschöpfe«, als Vater
der Götter und Menschen (vgl. DEUSSEN,
Allg. Gesch. d. Philos. I 1, S. 261 u. a., I 2, 36 ff.).
Bei den Chinesen sieht LAO-TSE
im Tao das (göttliche) Ursein.
Nach HOMER ist Zeus patêr
andrôn te theôn te (Odyss.
s' 135). Er wirkt in den Geistern der Menschen
(Iliad. y' 242).
HESIOD gibt eine Theogonie.
Die »Orphiker« sehen in
»Zeus« den Weltgrund: Zeus
kephalê, Zeus messa, Dios d' ek panta tetyktai (Stob. Ecl.
I 2, 40).
ANAXIMANDER bezeichnet Gott
als das apeiron ,
ANAXAGORAS als den »Geist« , den
noun kosmopoion (Stob.
Ecl. I 2, 56).
Die Pythagoreer sehen in der »Einheit«
(monas) die Gottheit
(Stob. Ecl. I 2, 58). Gott
wird als der ewige, unbewegte Weltgrund bestimmt nach PHILOLAUS:
ho hêgemôn kai archôn hapantôn
theos eis, aei ôn, monimos, akinêtos, autos hautô homoios,
heteros tôn allôn (bei PHILO,
De mundi opif. 23 A).
Nach HERAKLIT ist Gott das
vernünftige, ewige, rastlose Weltfeuer (pyr
aidion), der
logos, der in den Welten sich entfaltet
(Stob. Ecl. I 2, 60).
Die Einheit Gottes spricht energisch aus
XENOPHANES: heis theos
en te theoisi kai anthrôpoisi megistos, oute demas thnêtoisi homoiios
oute noêma (Mull., Fragm. I, p. 101). Das
göttliche Eine ist das All, das All ist göttliche Einheit:
hen to on kai pan (Simplic.
ad Phys. Aristot. fol. 5b; Stob. Ecl. I 2, 60). Xenophanês
de prôtos toutôn henisas... eis ton holon ouranon apoblepsas to
hen einai phêsi ton theon (Aristot.,
Met. I 5, 986b 24). Gott ist das Beste von allem
(Simplic. a. a. O.), die
Einheit des Weltganzen (Sext.
Empir. Pyrrh. hypot. I, 224). Er ist unbegrenzt,
aber materiell, von »runder« Gestalt (sphairoeidê
onta) Sext. Empir. Pyrrh. hypot. I, 224,
zugleich allwissend: ganz Auge,ganz Ohr, ganz Denken
(oulos hora, oulos de noei, oulos de t' akouei) Sext.
Empir. adv. Math. IX, 144; Diog. L. IX, 19; apaneuthe
ponoio noou phreni panta kradainei (Simpl.
ad. Arist. Phys. fol. 6 A). »Unum esse omnia
neque id esse mutabile et id esse deum neque natum unquam et sempiternum, conglobata
figura« (CICERO, Acad. II, 118; vgl.
Simplic. ad Aristot. Phys. 22 Diels). Die Menschen
stellen sich ihren Gott anthropomorph vor, wie die Tiere sich ihn tierähnlich
vorstellen würden (Clem. Alex., Strom.
V,601e, VII, 711 b; Euseb., Praepar. evang. XIII, 13); sie
schreiben ihm menschliche Leidenschaften zu
(Sext. Empir. adv. Math. IX, 193, 289; Aristot., Rhetor. II 23, 1399b 6; 1400b
5).
Nach PARMENIDES ist Gott
das eine, ewige, unbewegte, leidlose Sein .
EMPEDOKLES soll die Menschenähnlichkeit der Götter
negiert haben (Clem. Alex., Strom. V, 644).
Einige Sophisten
bezweifeln die Existenz der Götter. Nach KRITIAS
ist der Götterglaube eine Erfindung kluger Staatsmänner
(Sext. Empir. adv. Math. IX, 54); ähnlich
PRODIKOS.
Skeptisch scheint sich gegenüber dem Götterglauben
PROTAGORAS verhalten zu haben (peri
tôn theôn ouk echô eidenai, outh' hôs eisin, outh' hôs
ouk eisin. polla gar ta kôlionta eidenai, hê d' adêlotês
kai brachys ôn ho bios tou anthrôpou (Diog.
L. IX, 51).
SOKRATES glaubt an eine
göttliche, allwissende, zweckmäßig
wirkende Vernunft und Vorsehung
(phronêsis) im
All (ho ton holon kosmon syntattôn te
kai synechôn; - panta men hêgeito theous eidenai) Xenoph.,
Memorab. I, 1, 19; IV, 3, 13.
PLATO bestimmt die (unpersönliche) Gottheit als
höchste der Ideen , als die »Idee des Guten«, das »Gute
an sich«, also ethisch. Sie ist ewig einzig, erhaben über alle Dinge
(auto kath' hauto meth' hauton monoeidesaei
on) Sympos. 211 B,
jenseits alles Seienden (epekeina tês
ousias), Republ. VI, 209 B, also
völlig transcendent. Sie ordnet alles aufs beste (diakosmôn
panta kai epimeloumenos) Phaedr.
246 E als der gute Demiurg, Weltbildner (Tim.
28 ff., 29 E; Republ. X, 597; Phileb. 22 C). Gottes
Güte ist der Daseinsgrund der Dinge.
XENOKRATES betrachtet die
Monas (Einheit) als höchsten Gott und stellt ihm die Dyas als weibliche
Gottheit zur Seite, wie er auch eine Vielheit göttlicher Kräfte annimmt
(Plut., Plac. I,7, 30; Dox. 304).
Als von der Welt geschieden (kechôrismenê
tôn aisthêtôn), also als übersinnlich,
faßt ARISTOTELES die Gottheit
auf. Sie ist einfach, leidlose, unstoffliche, reine »Form«,
Intellect, selbstbewußtes Denken (hê
noêsis hê kath' heautên tou kath' heauto aristou),
Met. XII 7, 1072 b 19; amerês
kai adiairetos, Met. XII 7, 1072 b 6,
sie denkt sich selbst, ist noêseôs
noêsis (Met. XII 9, 1074 b 34),
ist das ewig Unbewegte zôon aidion ariston,
Met. XII 7, 1072 b 29; ousia
tis aidios kai akinêtos kai kechôrismenê tôn aisthêtôn,
Met. XII 7,1073 a 4, der »erste Beweger«
der Welt to prôton kinoun,
(Met. XII 7, 1073 a 27); sein
Wirken besteht im Streben nach ihm, das die Dinge empfinden kinei
de hôs erômenon, kinoumenô de talla kinei,
Met. XII7, 1072 b 3.
STRATO gestaltet den Aristotelischen Gottesbegriff
zu einem naturalistischen: »Omnem vim divinam in
natura sitam esse censet, quae causas gignendi, augendi, minuendi habeat, sed
careat omni sensu et figura« (CICERO,
De nat. deor. I, 12, 35).
Pantheistisch wird der Gottesbegriff bei den Stoikern.
Nach ihnen ist Gott das pneuma , die
Kraft des Alls, die zugleich feinster Stoff und Vernunft (logos) ist
und sich in der Welt entfaltet und entwickelt, die Weltseele. Gott
ist das All (kosmos) in dessen Einheit, die Welt
ist der differenzierte Gott (Diog. L. VII,
139, 148; Plut., De Stoic. rep. 41; Cicer., De nat. deor. I, 14). Alles
ist beseelt, göttlicher Herkunft; Gott wirkt in der Welt. Theon
d' einai zôon athanaton, logikon, teleion ê noeron en eudaimonia,
kakon pantos anepidekton, pronoêtikon kosmou te kai tôn en kosmô.
mê einai mentoi anthrôpomorphon. einai de ton men dêmiourgon
tôn holôn kai hôsper patera pantôn koinôs te kai
to meros autou to diêkon dia pantôn, ho pollais prosêgoriais
prosonomazesthai kata tas dynameis (Diog.
L. VII 1, 147). Gott ist das gestaltende, ätherische
Feuer, pyr technikon, das
vernünftig (durch die spermatikoi logoi)
und zugleich notwendig-causal, gesetzmäßig
(kath' heimarmenên) wirkt,
alles durchdringend (Stob. Ecl. I 2, 66). Gestaltlos
ist die Gottheit, aber zahllose Gestalten nimmt sie an (pneuma
noeron kai pyrôdes ouk echon men morphên, metaballon de eis ho bouletai
kai synexomoioumenon pasin (Plut., Epit.
I, 6, Dox. 292 a).
Gott (Zeus) ruft KLEANTHES so an: Kydist'
athanatôn polyônyme pankrates aiei, Zeu physeôs archêge,
nomou meta panta kybernôn (Stob.
Ecl. I 2, 30; Cicer., De natur. deor. I, 14, 37).
Nach SENECA ist Gott »prima
omnium causa, ea qua ceterae pendent« (De
benefic. IV, 7). »Quid est Deus? Quod vides
totum, et quod non vides totum. Sic demum magnitudo sua illi redditur, qua nihil
maius excogitari potest; si solus est omnia, opus suum et extra et intra tenet«
(Quaest. nat. I, praef. 12; vgl. MARC AUREL,
In se ips.).
Die Epikureer halten die Götter
für ätherische Wesen (aus den feinsten Atomen bestehend); sie wohnen
in den »Intermundien« , führen
ein seliges Leben, kümmern sich nicht um die Schicksale der Sterblichen,
erscheinen aber zuweilen den Menschen (Diog.
L. X, 123).
Die Skeptiker halten die Existenz
Gottes für unbeweisbar (Sext. Empir. Pyrrh.
hypot. III, 1, 9).
Eine Vereinigung griechischer mit orientalischen (jüdischen) Anschauungen
findet sich schon bei ARISTOBULUS. Nach ihm ist
Gott eine das All beherrschende, unsichtbare, außerweltliche
Kraft (diakrateisthai theia dynamei ta panta
kai genêta hyparchein kai epi pantôn einai ton theon; - saphôs
oimai dedeichthai, hoti dia pantôn hê dynamis ton theon
(Euseb., Praep. XII, 12).
PSEUDO-ARISTEAS unterscheidet den höchsten Gott (ho
kyrieuôn hapantôn theosaprosdeês) und dessen Macht
(dynamis), die überall wirkt (dia
pantôn estin,panta topon plêrei). Ähnlich das zweite
Buch der Makkabäer (2, 39), während das Buch der Weisheit die
Weisheit als Ausfluß der Gottheit, als hagion
pneuma, bestimmt (vgl. ÜBERWEG-HEINZE,
Gr. d.Gesch. d. Philos. I9, 354).
PHILO bestimmt Gott als das
(persönlich) Seiende (to on),
als die ewige einzig-einfache Einheit (ho
theos monos esti kai hen, ousynkrima, physis haplê Leg.
alleg. II, 1; legesthai gar ou pephyken
alla monon einai to on, De somn. I, 39.
Er ist noch über »das Gute« erhaben
(De mundi opif. I, 2); to gar on hê on estin,
ouchi tôn pros ti, auto gar heautou plêres kai auto heautô
hikanon (De nom. mutat. I, 582).
Er ist allseiend, überall (De
linguar. conf. I, 425), er ist der Ort der Dinge
(De somn. l). Selig ist
er (De Cherub. I, 154) und allwissend
theô de ouden adêlon, ouden amphisbêtoumenon,
hos kai allois ta gnôrismata tês alêtheias enargôs epidedeichs,(De
sacrif. 28).
Neupythagoreer und pythagoreisierende
Platoniker betonen die Transcendenz, Überweltlichkeit
Gottes.
APOLLONIUS VON TYANA unterscheidet den einen, jenseitigen
Gott von den Göttern (Euseb., Praep. ev.
IV, 13).
NIKOMACHUS bestimmt die Gottheit
als monas; (Theol. Arithm. p. 44).
Nach PLUTARCH VON CHAERONEA ist
Gottes innerstes Wesen uns unbekannt (De Pyth.
orac. 20; De Is. et Osir. 75). Gott ist Einheit
ohne Anderheit, das Seiende (De Is. et Osir.
78). Der Gottheit steht das Böse als Weltprincip
gegenüber (Platon. quaest. II, 1, 2).
NUMENIUS unterscheidet vom
höchsten Gott den Demiurg als den zweiten Gott (ho
deuteros theos) der an dem ersten teilhat
(metousia) und die Welt bildet als geneseôs archê; die Welt ist
der »dritte Gott«. - Der höchste Gott
ist Geist (nous), Seinsprincip
(ousias archê), Euseb.,
Praep. ev. XI, 22; ho theos ho men prôtos
en heautô ôn estin, haplous dia to heautô syngignomenos diolou
mêpote einai diairetos, (l.c. XI,
18, 3).
Die Neuplatoniker
bemühen sich, die Gottheit über alles endliche
Sein hinauszuheben, anderseits aber die Welt, durch Mittelwesen, aus ihr (emanatistisch)
abzuleiten.
Nach PLOTIN ist Gott das Überseiende,
Eine, Bestimmungslose, Ewige (Enn. V, 5, 3
ff.), absolut Größte (l.c.
VI, 7, 32), Übergeistige, Überweltliche
(l.c. III, 8, 8; VI, 7, 32; V, 4, 2).
Die Dinge stammen aus ihm (l.c. VI, 7, 32),
so aber, daß Gott unverändert bleibt
(l.c. III, 8, 9; V, 1, 9).
JAMBLICHUS nennt Gott den
unnennbaren Urgrund (pantê arrhêtos
archê), der noch über das hen erhaben
ist (Damasc., De princ. 43).
Nach PROKLUS ist Gott die
Ureinheit, das Urprincip (Instit. 4 ff.),
anaitiôs aition
(Plat. theol: III, p. 101 ff.), pasês
sigês arrhêtoteron kai pasês hyparxeôs agnôstote-ron
(l.c. II, 11).
BOËTHIUS bestimmt Gott
als das Eine, Gute, als Vorsehung (Cons. phil.
III).
Das Christentum faßt Gott
als den liebenden Vater auf, der durch den logos;, seinen »eingeborenen
Sohn«, in der Welt wirkt; er ist die ewige, absolutseiende, geistige,
überweltliche Persönlichkeit (vgl.
Paul., 1. Cor. 12, 6; pneuma ho theos,
Joh. 4, 24; vgl. 5, 26; vgl. HARNACK, Dogmengesch. I3, 485 f.).
Das Dogma von der Dreieinigkeit Gottes (eine Substanz
in drei Personen) wird von den Kirchenvätern
ausgebildet.
Die (häretischen) Gnostiker
unterscheiden einen höchsten
Gott (die Gottheit) und den Demiurgen
(Weltbildner, manchmal mit dem Judengott identificiert und sogar als böses
Princip aufgefaßt, als Lucifer.
BASILIDES nennt Gott
den Nichtseienden (ho ouk ôn theos),
d. h. Überseienden, VALENTINUS
die monas agennêtos, aphthartos, akatalêptos
(Hippol. VI, 29), die
Urtiefe (bythos), den
Urvater (propatôr), den teleios aiôn.
-
ARNOBIUS bestimmt Gott als
ewig, unendlich, als den »Ort« aller Dinge
(Adv. gent. I, 31); ähnlich
TERTULLIAN (Adv. Marc.
I, 23 ff.; II, 6 ff.).
Nach JUSTINUS ist Gott unnennbar
anônomastos, (Apoll.I,
63), agennêtos
(l.c. II, 6), überweltlich en
tois hyperouoaniois aei menontos, (Dial.c.
Tryph. 56). Ähnlich lehrt CLEMENS
ALEXANDRINUS (Strom.V, 11 f.) und ORIGENES
(De princ. II, 184; I, 96 ff.; I, 1).
Die Transcendenz Gottes schildert MINUCIUS
FELIX: »Parentem omnium deum nec principium
habere nec terminum..., sibi ipse pro mundo: qui universa, quaecunque sunt,
verbo iubet, ratione dispensat, virtute consummat. Hic non videri potest: visu
clarior est; nec comprehendi: tactu purior est; nec aestimari: sensibus maior
est, infinitus, immensus et soli sibi tantus, quantus est, notus«
(Octav. 18, 7 ff.).
Nach AUGUSTINUS ist der
dreieinige Gott (De civ. Dei XI, 24) das
höchste Sein (»ens realissimum«),
die Wahrheit (De ver.
relig. 57; De trin. VIII, 3), das höchste
Gut »summum bonum«, (De
trin. VIII, 4), die höchste Wesenheit
(»summa essentia«),
die höchste Schönheit und Weisheit, der Seinsgrund (De
ver. relig. 21; De lib. arbitr. II, 9 ff.; De trin. XIV, 21). Er
schuf, um Gutes zu wirken, die Welt aus nichts
(De civ. Dei XI, 21 ff.; XIV, 11; Confess. XII, 7).
Pantheistisch gefärbt oder panentheistisch ist die (an DIONYSIUS
AREOPAGITA, der Gott »esse omnium«
nennt, sich anlehnende) Lehre des JOHANN. SCOTUS ERIUGENA.
Gott ist nach ihm die Einheit des Alls, die »universitas«
(De divis. natur. II, 2), to
pan (l.c. I, 24), »totum
omnium« (l.c. I, 74), »omnium
essentia« (l.c. I, 3), »omnia
in omnibus« (l.c. I, 10).
Gott ist in allem, alles ist in Gott.
»Nam et creatura in Deo est subsistens, et Deus
in creatura mirabili et ineffabili modo creatur, se ipsum manifestans«
(l.c. III, 17). Gott
ist die Substanz der Dinge »essentiam omnium
subsistere« ( l.c. I, 72). »In
Deo immutabiliter et essentialiter sunt omnia, et ipse est divisio et collectio
universalis creaturae« (l.c. III, 1).
»Deus in se ipso ultra omnem creaturam nullo intellectu comprehenditur«
(l.c. I, 3). Gott
ist der Urgrund der Dinge, »principalis causa
omnium, quae ex ipso et per ipsum facta sunt« (l.c.
I, 11), er ist »principium, medium et finis«.
»Principium, quia ex se sunt omnia, quae essentiam participant, medium
autem, quia in se ipso et per se ipsum subsistunt omnia, finis vero, quia ad
ipsum moventur quietem motus sui, suaeque perfectionis stabilitatem quaerentia«(l.c.
I, 12). Gott ist »informe principium«
(l.c. II, 1). Er ist »super
ipsum esse« (l.c. I, 39), ein
»nihil« (l.c.
II, 28), er manifestiert sich in den Dingen
(l.c. III, 19 f.), so daß alles Sein eine
Theophanie ist
(l.c. III, 4). Durch seinen Willen geschieht alles
(l.c. I, 12). »Deus
non erat prius, quam omnia faceret« (l.c.
I, 12, 68, 74). Gott ist die »bonitas«
(l.c. I, 24). »Unum
dicitur, quia omnia universaliter est«
(l.c. III, 8). Gott ist dreieinig
(l.c. II, 31 ff.). Er weiß sich nichtwissend:
»Nescit igitur, quid ipse est, h. e. nescit se quid
esse,« »intelligit se super omnia esse« (l.c.
II, 28 f., III, 1).
AMALRICH VON BENE nennt Gott die »essentiam
omnium creaturarum et esse omnium«. »Asseruit Amalricus, ideas,
quae sunt in mente divina, et creare et creari... Dixit etiam, quod Deus ideo
dicitur finis omnium, quia omnia reversura sunt in ipsum, ut in Deo incommutabiliter
conquiescant, et unum individuum atque incommutabile in eo perma-nebunt«
(bei STÖCKL I, 290).
DAVID VON DINANT erklärt: »Manifestum
est unam solam substantiam esse, non tantum omnium corporum, sed etiam omnium
animarum, et hanc nihil aliud esse quam ipsum Deum, quia substantia, de qua
sunt corpora, dicitur hyle, substantia vero, de qua omnes sunt animae, dicitur
ratio vel mens. Manifestum est igitur Deum esse substantiam omnium corporum
et omnium animarum. Patet igitur, quod Deus et hyle et mens una sola substantia
est« (bei Alb. Magn., Sum. th. II, 72,
4, 2; vgl. HAURÉAU II, 1, p. 78, 80).
Emanatistisch ist die Lehre der Kabbalâ, sowie
die verschiedener arabischer und jüdischer Philosophen: RAZI,
AL-KINDI, AL-FÂRÂBI, IBN
SINA (Avicenna).
Nach AL-GAZALI hat Gott
einen ewigen, freien Willen.
Nach IBN ROSCHD (Averroës) ist
Gott das Weltprincip, die Urform, die Urvernunft, der Endzweck aller Dinge
(vgl. S. MUNK, Mélanges de philos. juive et
arabe 1859; DE BOER, Gesch. d. Philos.im Islam 1901). Die
Motakallimûn schreiben Gott alle Causalität
in der Welt zu (Maimon.,
Doctor. perplexor. I, 73). -
Nach IBN GEBIROL wirkt und ist Gott in allem; nach
IBN ESRA ist er das absolut Eine, das bestimmungslose
Subject; nach MAIMONIDES ebenfalls
(vgl. MUNK, Mélang., u. M. EISLER, Vorles. üb. d. jüd. Philos.
d. Mittelalt. I u. II; SPIEGLER, Gesch. d. jüd. Philos.).
Die christliche Scholastik verbindet
den evangelischen Gottesbegriff mit Platonisch-Aristotelischen Elementen.
ANSELM bestimmt Gott
als das Absolute, als das »per
se ipsum« Seiende (Monol.
1 ff.), »ens per se«, als
das denkbar Höchste »summum omnium,
quae sunt«, »id quo maius cogitari nequit«, »summum
ens«,( l.c. 1, 4, 6, 16, 26; Proslog.
2).
Nach BERNHARD VON CLAIRVAUX ist
Gott »esse omnium non materiale, sed causale«
(bei Alb. Magn., Sum. th. II, 3, 3).
ALBERTUS MAGNUS bestimmt Gott
als »causa efficiens, finalis et formalis«
(Sum. th. II, 2), »principium omnium«
(l.c. II, 72, 4), das
in allem ist »in omnibus est«
(l.c. II, 98).
Nach THOMAS
ist Gott das
Absolute, weil er das Höchste
ist, in sich besteht (Sum. th. I, 2,
1 ob. 2; I, 85, 3). Er hat Aseïtät, seine
Natur ist »per se necesse esse«
(Contr. gent. I, 80), denn
er ist die »prima causa essendi non habens
ab alio esse«(Pot. 10, Tob. 6).
Er ist zeitlos (»extra
ordinem temporis« (1 perih. 14 f.),
wirkt in allem »Deus
est in omnibus rebus, sicut agens adest ei, in quo agit intime«
(Sum. th. I, 8, 1). Gott ist die »causa
universalis essendi« (Contr. gent. II,
16). Er ist »actus purus« (l.c.
II, 8, l).
Nach DUNS SCOTUS wird
Gott aus seinen Wirkungen erkannt (Op. Ox.
I, d. 42).
R. LULLUS erklärt: »Deus
est ens, quod est summe et infinite bonum et bonitas, magnum et magnitudo, aeternum
et aeternitas, virtuosum et virtus, verum et veritas, gloriosum et gloria: habens
in se omnem perfectionem infinitam in summo absque aliqua imperfectione«
(bei STÖCKL II, 940).
Zum Pantheismus
neigt wieder
ECKHART. Nach ihm ist Gott
das »Sein der Dinge«,
zugleich »Ichts« und »Nichts«,
kein Individuum; er ist allen Dingen immanent, »weselich,
würkelich«, an sich aber eine »gruntlose substantie«,
»urgruntliche Wesenheit«, ein »insitzen in sich selber«,
ein »gewaltig instan«. Gottes
Wesen ist die »Gottheit«, der »Quell«, aus dem alles
Sein fließet.
Nach PATRITIUS ist
Gott »unomnia«.
Nach CAMPANELLA ist er das Unbegreifliche,
Überseiende (Univ. philos. VII, 6; VIII,
1; VII, 6, 1).
NICOLAUS CUSANUS nennt
Gott das Absolute »absolutum«
(Doct. ignor. II, 9). Gott
ist in allem, alles ist in ihm »sunt ab absoluto.
Omnia sunt in eo et eum in omnibus« (I.
e. I, 2). Gott ist alles in allem »quodlibet
in quolibet« ( l.c. II, 5), »actus
omnium« (l.c. II, 9), »essentia
omnium essentiarum«, die Complication aller
Dinge und die »coincidentia oppositorum«,
das »maximum« und
»mininum«,
das »possest« (Können-Sein),
die »forma essendi«,
»ratio totius universi« (Weltgrund),
das »centrum mundi« und die »infinita
circumferentia« (l.c. I, 4; I, 8; I,
22 f.; III, 1). »Tolle deum a creatura: et
remanet nihil«(l.c. II, 3). Die
Welt ist eine Entfaltung Gottes. Wir wissen Gott nur
durch »docta ignorantia«.
Nach ANDREAS CAESALPINUS
ist Gott
die Weltseele
(»anima universalis«).
GIORDANO BRUNO identificiert Gott
mit der All-Natur. Gott ist die Einheit
aller Dinge, deren Substanz, Princip, Ursache, er ist die Urmonade »monas
monadum«(De min. I, 4). Gott
lebt und wirkt in der Welt, er ist die Einheit aller Gegensätze
(De la causa..., Dial. III). Er
ist »überall und in allem ganz«
(l.c. II). Gott ist einheitlich-ganz in allen Dingen,
diese sind nur vergängliche Erscheinungsweisen des Einen. »Geradezu
nichts ist alles, was außer diesem Einen ist.« »Das eine höchste
Wesen, in welchem Vermögen und Wirklichkeit ungeschieden sind, welches
auf absolute Weise alles sein kann und alles das ist, was es sein kann, ist
in unentfalteter Weise ein Einiges, Unermeßliches, Unendliches, das alles
Sein umfaßt; in entfalteter Weise dagegen ist es in den sinnlich wahrnehmbaren
Körpern« (l.c. V).
Gott ist die Natur der Dinge.
Einen strengen, logisch bestimmten Pantheismus
lehrt SPINOZA.
Gott ist ihm das All, die ewige, unendliche Einheit, das
absolute Sein, die Substanz, die schaffende Natur (»natura
naturans«); die Einzeldinge, deren Summe
die Welt (die »natura naturata«) bildet,
sind nur »modi« der göttlichen
Substanz, die sowohl Geist (Denken) als Materie (Ausdehnung) ist. Gott ist das
Absolute, »causa
sui« , alles Geschehen folgt mit logischer
Notwendigkeit aus Gottes Wesen. Gott ist »ens
absolute infinitum, hoc est substantiam constantem infinitis attributis, quorum
unumquodque aeternam et infinitam essentium exprimit«
(Eth. I, def. VI). Er hat ein notwendiges Sein
»necessario existit« (l.c.
I, prop. XI), ist einzige Wesenheit (1.
e. I, prop. XIV), enthält alles:
»Quicquid est in Deo est, et nihil sine Deo esse neque concipi potest«
(I. e. I, prop. XV). Er
ist der Welt immanent: »Deus est omnium rerum
causa immanens, non vero transiens« (l.c.
I, prop. XVIII). »Res particulares nihil
sunt nisi Dei attributorum affectiones, sive modi, quibus Dei attributa certo
et determinato modo exprimuntur« (l.c.
I, prop. XXV, coroll.). Gott
ist die wirkende Ursache alles Geschehens (l.c.
I, prop. XVI, cor.). In Gott sind Wesen und Dasein
eins »Dei existentia unum et idem sunt«
(l.c. I, prop.
XX). Gott handelt frei und zugleich notwendig,
d.h. seiner Natur gemäß»Deus ex
solis suae naturae legibus et a nemine coactus agit« (l.c.
I, prop. XVIII).»His
Dei naturam eiusque proprietates explicui, ut quod necessario existat; quod
sit unicus; quod ex sola suae naturae necessitate sit et agat; quod sit omnium
rerum causa libera et quo modo; quod omnia in Deo sint et ab ipso pendeant,
ut sine ipso nec esse nec concipi possint; et denique quod omnia a Deo fuerint
praedeterminata« (l.c. I, append.; vgl.
De Deo I, 1 ff.).
Panentheistisch ist der Gottesbegriff bei MALEBRANCHE.
Gott ist »l'être universel«,
das All-Umfassende, der »Ort der Geister«
und der Ideen . Das Universum ist in Gott. »Dieu
voit... au dedans de lui-même tous les êtres, en considérant
ses propres perfections qui les lui représentent« (Rech.
II,5). »Dieu est tout être, parcequ'il
est infini et qu'il comprend tout, mais il n'est aucun être en particulier,
celui qui renferme toutes les choses dans la simplicité de son être«
(l.c. II, 6). »Dieu
est très-étroitement uni à nos âmes par sa présence,
de sorte qu'on peut dire qu'il est le lieu des esprits, de même que les
espaces sont en un sens le lieu des corps« (l.c.
II, 6).
FÉNÉLON erklärt:
»Dieu... est en luimême tout ce qu'il y a de réel et de positif
dans les esprits... Il n'est pas plus esprit que corps« (De
l'exist. de Dieu p. 155).
GEULINCX betont: »Sumus...
modi mentis, si auferas modum, remanet Deus« (Met.
p. 56). –
Nach J. BÖHME ist Gott
»Herz oder Quellbruun der Natur«; aus ihm rührt alles her
(Aurora C. 1, S. 22). Die
Natur ist Gottes Leib; Gott hat sich in ihr creatürlich gemacht
(l.c. C. 2, S. 31). Gott
ist »ein Geist, in dem alle Kräfte sind«. In Gott ist auch
das Böse, als»bittere Qual«, die aber »ewig währende
Kraft, Freudenquell« ist (l.c.
S. 31). Gott ist alles in Ewigkeit, »außer
ihm ist nichts« (l.c. S. 34 f.).
Das »Zornfeuer«in Gott, der Wille, ist der Grund alles Geschehens.
Der Sohn ist »das Herz in dem Vater«, von Ewigkeit immer geboren
(l.c. S. 37). Von ihm und vom Vater geht der heilige
Geist aus (l.c. S. 39). Ein
Gleichnis der Dreifaltigkeit ist der Mensch (l.c.
S. 40).
R. FLUDD unterscheidet in
Gott die Macht (»Finsternis«)
und die Weisheit
(»Licht«).
Gott ist der Seinsgrund (Philos.
mos. I, 3, 6).
ANGELUS SILESIUS sagt:
»Ich weiß, daß ohne mich Gott nicht
ein Nun kann leben; Werd' ich zu nicht, er muß vor Not den Geist aufgeben«
(Cherub. Wandersm.
I, 8). Gott kommt
im Menschen zum Wissen seiner selbst (l.c.
I, 105).
Zum Emanatismus
neigen die englischen Platoniker
(H. MORE, R. CUDWORTH).
Theistisch faßt Gott
DESCARTES auf. Gott
ist nur durch die Vernunft erfaßbar (Epist.
I, 67), er ist eine geistige, allgegenwärtige
Substanz (l.c. I, 69, 72). Der
Gottesbegriff ist uns angeboren, er enthält als göttliche Eigenschaften:
Ewigkeit, Allwissenheit,
Allmacht, Vollkommenheit,
Güte und Wahrheit (Princ.
philos. I, 22). Gott
ist der Schöpfer aller Dinge, der Erhalter des Seins.
LUTHER: »Ein
Gott heißet das, wozu man sich versehen soll alles Guten und Zuflucht
haben in allen Nöten, also daß einen Gott haben nichts anderes ist,
als ihm vom Herzen trauen und glauben, wie ich oft gesagt habe, daß allein
daß Trauen und Glauben des Herzens machet beide, Gott und Abgott«
(Catech. maior, Erklär. d. erst. Gebot.).
HOBBES sieht in
Gott die letzte Ursache aller Dinge (Leviath.
XXI).
Nach LOCKE ist
Gott unendlicher Geist (Ess.
II, ch. 23, § 21).
LEIBNIZ nennt Gott das Absolute
(Opp. Erdm. p. 138 ff.). Gott
ist der Seinsgrund, unendlich, allmächtig, allweise, allgütig, leidloses
Wirken (»actus purus«), der
»Ort der Ideen«(»regio idearum«)
(l.c. p. 506, 678, 725), »la dernière
raison des choses« (Princ. de la nat.
et de la grâce § 7 f.). Er ist die höchste
Monade, die mit klarstem Bewußtsein das All erkennt, das sie in sich einschließt:
»Dieu contient l'univers éminement« (Gerh.
III, 72). Gott ist eine »substance nécessaire«
(Monadol. 38, Gerh. VI, 613). Er ist »principe,
cause des substances«, Schöpfer und
Herrscher, »chef de toutes les personnes
ou substances intellectuelles, comme le monarque absolu de la plus parfaite
cité ou république« (Gerh.
IV, 460). Gott ist »le plus juste, débonnaire
des monarques« (l.c. p. 461 f.).
Er ist die Ursubstanz, aus der die Monaden, die Einzelwesen,
emanieren: »Ainsi Dieu seul est l'unité
primitive ou la substance simple originaire, dont toutes les monades créées
ou dérivatives sont des productions et naissent... par des fulgurations
continuelles de la divinité« (Monadol.
47, Gerh. VI, 614).
Nach BERKELEY
ist Gott der ewige,
unendliche, vollkommene Geist, der alles in allem
wirkt, durch den alles besteht (Princ.
CXLVI), er ist der Träger und das Band aller
Dinge und Geister (l.c.
CXLVII). Er offenbart
sich uns in seinen Werken, indem er in uns die Natur als gesetzmäßigen
Zusammenhang von Vorstellungen produziert; in Gott leben, weben und sind wir
(l.c. CXLIX).
Nach G. VICO
ist Gott das
unendliche »posse, nosse,velle«.
Nach CHR. WOLF
ist Gott »ein
selbständiges Wesen, darinnen der Grund von der Wirklichkeit der Welt und
der Seelen zu finden: und ist Gott sowohl von den Seelen der Menschen, als von
der Welt unterschieden« (Vern. Ged. I,
§ 945). Gott ist das Absolute (l.c.
I, § 929, § 938; vgl. Theolog. natural.).
Nach CRUSIUS
ist Gott »eine verständige
und notwendige d. i. ewige Substanz, welche von der Welt unterschieden wird
und die wirkliche Ursache der Welt ist« (Vernunftwahrh.
§ 205).
Nach FEDER ist
Gott »dasjenige
Wesen, welches den Grund von dem Dasein in dieser Welt in sich enthält«
(Log. u. Met. S. 393 ff.),
er ist der vollkommenste Geist (l.c. S. 404
ff.). -
HOLBACH erklärt, Gott
sei nur »la nature agissante, ou la somme
des forces inconnues qui animent l' univers« (Syst. de la nat.
II, 6).
Eine pantheistische
Gottesauffassung hat GOETHE.
Ihm ist Gott das Ewige im
Wechsel der Dinge (WW. XXXIV, 207),
die der Natur immanente schöpferische Kraft; die
Natur ist »der Gottheit lebendiges Kleid«.
Gott ist unpersönliche Weltseele
(l.c. II, 224; III, 268). -
KANT versteht unter Gott ein
Wesen, das durch Verstand und Wille die Ursache der Natur ist (Kr.
d. pr. Vern. I. T1., II. B., 2. Hptst. V). Der
Gottesbegriff ist kein theoretischer, sondern gehört zur Moral, d.h. er
wird durch die Moral gefordert. Gott wird als vollkommenstes Wesen gedacht,
indem wir den Gottesbegriff »aus der Idee« haben, »die
die Vernunft a priori von sittlicher Vollkommenheit entwirft und mit dem Begriffe
eines freien Willens unzertrennlich verknüpft« (WW.
IV, 257). Zwar ist Gottes Wesen an sich unbekannt,
aber wir müssen ihn uns als unendlichen Geist und Willen denken
(WW. VI, 476).
Dem »moralischen Theismus« zufolge,
welcher »kritisch« ist, steht Gottes
Existenz zweifellos fest; Gott muß allwissend,
allmächtig, heilig und gerecht sein
(Vorles. üb. d. philos. Religionslehre, hrsg. von Pölitz, 2. A. 1830,
S. 31 ff.). Rein theoretisch genommen ist das »Ideal
des höchsten Wesens« »nichts anderes als ein regulatives Princip
der Vernunft, alle Verbindungen in der Welt so anzusehen, als ob sie aus einer
allgenugsamen notwendigen Ursache entspränge« (Kr.
d. r. Vern. S. 486).
JACOBI glaubt an einen persönlichen, von
der Welt verschiedenen Gott (Von
den göttl. Dingen 1811).
KRUG meint: »Das
höchste Wesen heißt die Gottheit oder Gott,
weil es das Gute in höchster Potenz und gleichsam personificiert ist«
(Handb. d. Philos. I, 74). Gott
ist das »allervollkommenste Urwesen«, der Schöpfer der Welt
(l.c.II, 362 ff.).
Von J. G. FICHTE
an beginnt eine (qualitativ verschiedene) pantheistische
Auffassungsweise Platz zu greifen. Fichte selbst
betrachtet Gott als die (active
»sittliche Weltordnung« (»ordo
ordinans«), als absolutes, unendliches Ich,
als absolute, freie, vernünftig-sittliche Tätigkeit (WW.
V, 182 ff., 210 ff.), später als ein Sein.
SCHELLING bestimmt als
das Princip das »Absolute«, die »Indifferenz«
aller Dinge, die »Identität« von
Subjekt und Objekt, von Natur und Geist; es ist ein ewiges Produzieren
(Id. zu e. Philos. d. Nat. I2, S. 71 ff.). Das
Absolute ist Gott als »ein solches, welches sich selbst absolut affirmiert
und also von sich selbst das Affirmierte ist« und das »unmittelbar
durch seine Idee auch ist« (WW. I 6,
148 f.). Durch intellectuale
Anschauung wird Gott unmittelbar erkannt (l.c.
S. 150 f., 153 f.). »Gott und Universum sind
eins oder nur verschiedene Ansichten eines und desselben. Gott ist das Universum,
von der Seite der Identität betrachtet, er ist alles, weil er das allein
Reale, außer ihm also nichts ist« (WW.
I 4, 128). In der Natur und in der Geschichte offenbart
sich Gott (Syst.
d. tr. Ideal. S. 439). Als Vorsehung wird Gott
erst ganz sein (l.c. S. 441). Später
wird Schellings Gottesbegriff
ein mehr theistischer. Gott ist nun »lebendige
Einheit von Kräften«, »Persönlichkeit«, »Geist
im eminenten und absoluten Verstande« (WW.
I 7, 395 ff.). Gott
ist »die Ursache, die allgemein und im ganzen Weltprozeß
zunächst dem Subjectiven über das Objective, entfernter also dein
Idealen über das Reale den Sieg verleiht« (WW.
I 10, 265). Gott hat »drei
Angesichte«, in ihm sind drei Momente, Formen, deren Einheit er
ist (l.c.
S. 245 ff.). Gott
ist aber nicht nur im Weltprozeß, sondern
er ist die Potenz vor und zu aller Tätigkeit (l.c.
S. 252 f.). In Gott ist ein »Urgrund«.
Nach HEGEL
ist das Absolute
die Weltvernunft, der ewige dialektische Proceß, der zum Selbstbewußtsein
des Absoluten führt (Encykl.
§ 87; Log. III, 327; Phänom. S. 16).
Gott ist »der
lebendige Prozeß, sein Anderes, die Welt, zu setzen« (Naturphilos.
S. 22). In der »absoluten
Religion« manifestiert sich Gott als
absoluter Geist (Encykl.
§ 564). »Gott ist nur Gott, insofern
er sich selber weiß; sein Sich-wissen ist ferner sein Selbstbewußtsein
im Menschen, und das Wissen des Menschen von Gott, das fortgeht zum Sich-wissen
des Menschen in Gott« (l.c. S. §
564). »Daß der Mensch von Gott weiß,
ist nach der wesentlichen Gemeinschaft ein gemeinschaftliches Wissen, d. i.
der Mensch weiß nur von Gott, insofern Gott im Menschen von sich selbst
weiß« (WW. XII, 496).
Das göttliche
Wesen stellt sich dar: »a) als in seiner
Manifestation, bei sich selbst bleibender, ewiger Inhalt; b) als Unterscheidung
des ewigen Wesens von seiner Manifestation, welche durch diesen Unterschied
die Erscheinungswelt wird, in die der Inhalt tritt; c) als unendliche Rückkehr
und Versöhnung der entäußerten Welt mit dem ewigen Wesen, das
Zurückgehen desselben aus der Erscheinung in die Einheit seiner Fülle«(Encykl.
§ 566).
Von den Hegelianern nimmt
die sog. »Rechte« einen
theistischen oder vermittelnden Standpunkt ein (GABLER,
HINRICHS, GÖSCHEL, K. ROSENKRANZ, VATKE, SCHALLER u. a.). –
Nach SCHLEIERMACHER
ist Gott die »volle Einheit« der Welt,
Gott und Welt sind Correlate (Dial. S. 162,
165, 16l, 432 ff., 476). Das Absolute ist die »reine
Identität« von Sein und Denken (l.c.
S. 326), ist ewiges Leben (l.c.
S. 531), aber unpersönlich (1.
e. S. 525 f., 599). »Jedes einzelne Sein
ist als solches eine bestimmte Form des Seins der absoluten Identität,
nicht aber ihr Sein selbst, welches nur in der Totalität ist«
(WW. I 1, 131)
.
SCHOPENHAUER bestimmt
das (ungöttliche) Absolute als (alogischen) Willen.
Nach E. V. HARTMANN
ist Gott unbewußter Geist, unpersönlich
(Relig. d. Geist. S. 161), die
Substanz der Dinge, welche zwei Attribute hat: Idee und Willen, Logisches und
Alogisches (Kategorienlehre S. 538 ff.).
Gott ist Einheit in der Vielheit, Vieleinheit »concreter
Monismus« (S. Mon.).
So auch A. DREWS. Nach
R. HAMERLING ist Gott
das allgemeine Sein (Atomist.
d. Will. I, 126).
SCHELLWIEN betont:
»Der wahre Pantheismus ist die Einheit, die in der
Vielheit nicht aufhört, die Einheit zu sein« (Wille
u. Erk. S. 94).
H. SPENCER bezeichnet das
göttliche Absolute als »unknowable«,
als absolut transcendent, wenn auch in der Welt sich manifestierend.
Nach D.
F. STRAUSS ist
Gott nicht Person, sondern das Unendliche, das in den Individuen sich personificiert
(Der alte u. d. neue Glaube).
M. MESSER faßt
Gott als »Allseele«
auf (Mod. Seele S. 41).
Bald theistisch, bald vermittelnd,
panentheistisch, stellt sich der Gottesbegriff
bei folgenden Denkern dar. Zunächst bei der Hegelschen
»Rechten«(s. oben). Ferner
in der französischen »theologischen Schule«
(DE BONALD, J. DE MAISTRE, LAMMENAIS).
Dann bei BENEKE,
dem Gott unendliche Person ist, ferner
bei HERBART, STEFFENS,
TROXLER, CHR. WEISSE,
dem Gott selbstbewußte Urpersönlichkeit ist
(Phil. Dogm. I, 336 ff.), CHALYBAEUS
(Syst. d. Wiss. S. 285), BRANISS (Syst.
d. Met. S. 170 ff.), MICHELET (Vorles.
üb. d.Pers. Gott. S. 160 f), WIRTH, TRENDELENBURG,
DROBISCH (Religionsphilos.
1878), W. ROSENKRANTZ u. a.
Nach HILLEBRAND ist
Gott absoluter Geist, der
allen Substanzen übergeordnet ist (Philos.
d. Geist. I, 69). Gott ist eine Substanz, welche
alle endlichen Substanzen in der Einheit ihres Systems auf sich bezieht (l.c.
II, 321), er ist absolute
Subjectivität (ib.), den
einzelnen Dingen gegenüber transcendent, aber immanent dem System des Seins
(l.c. S. 322). Gott
hat Bewußtsein, Selbstbewußtsein, Persönlichkeit
(l.c. S. 325 f.). Er
ist nicht ohne die Welt, sondern in ewiger Selbstbeziehung auf sie (l.c.
S. 327).
Nach HEINROTH
ist Gott
die »Urkraft«,
er ist Einheit von Wille und Gedanken, der Schöpfer der Welt aus nichts
(Psychol. S. 194 ff., 203).
Eine »Alleinheitslehre«
begründet CHR. KRAUSE.
Ihm ist Gott
(»Wesen«) eine die Welt einschließende
Einheit, ein »Vereinwesen von Selbheit und Ganzheit«,
unendliche, absolute, selbstbewußte Persönlichkeit
(Vorles. üb. d. Syst. d. Philos. II, 46; Rechtsphilos.
S.14 ff., 16, 22; vgl. Religionsphilos.). So
auch AHRENS (Naturrecht
I, 316).
F. BAADER bestimmt Gott
als formende, »aktuose«
Einheit, lebendige
Tätigkeit (WW. I, 195 ff.). Gott,
Sohn, Heiliger Geist bilden einen
»Ternar«; der Sohn entfaltet sich aus der Selbstanschauung
des Vaters zum Geist. In Gott ist eine ewige Natur (WW.
I, 226).
Nach GÜNTHER denkt
sich Gott selbst und setzt sich damit selbst, unterscheidet
sich von sich und verbindet in sich die drei Personen zu einem Selbstbewußtsein.
Die Welt ist eine Entgegensetzung, die Gott sich erschaffen.
Einen »konkreten Theismus« lehrt
J. H. FICHTE. Gott
ist eine transzendente, die Welt in sich einschließende Einheit,
schöpferisches Denken, er hat Selbstbewußtsein und Persönlichkeit
(Specul. Theol. S. 77 ff., 160; Psychol.
II, 28 f., 82).
Ähnlich ULRICI,
dem Gott
die geistige, unterscheidende, schöpferische, bewußte, freie
Urkraft ist
(Gott u. d. Nat. S. 554 ff.; vgl. Log. S. 56), das
»Prius alles andern Seins« (ib.).
Nach LOTZE ist
Gott ein unendlich Tätiges, das allen Dingen zugrunde
liegt, aber bewußter absoluter Geist ist, Persönlichkeit, die alles
in sich einschließt, lebendiger Gott ist (Mikrok.
III2, 545 ff., 559 ff., 571 ff.; vgl. Gr. d. Religionsphilos.).
Einen »transzendenten
Pantheismus« vertritt FORTLAGE.
Panentheistisch ist die Lehre FECHNERS.
Gott ist ein unendlicher
Geist, der alle
Veränderungen in sich einschließt (Üb.d.
Seelenfr. S. 117). Sein Leib ist die Welt
(l.c. S. ll8). Gott ist
der »Allgeist«, der alle anderen Geister
einschließt, umfaßt (Zend-Avesta
I, 202), er ist »ein einiges, höchst
bewußtes, wahrhaft allwissendes, d. i. alles Bewußtsein der Welt
in sich tragendes und hiermit auch das Bewußtsein aller Einzelgeschöpfe
in höheren Bezügen und höchster Bewußtseinseinheit verknüpfendes
Wesen« (l.c. II, 181; I, 258 f.).
»Es ist ein Gott, dessen unendliches und ewiges
Dasein das gesamte endliche und zeitliche Dasein nicht sich äußerlich
gegenüber noch äußerlich unter sich, sondern in sich aufgehoben
und untergeordnet hat« (Tagesans.S. 65).
Er »sieht mit dem Lichte
und hört mit dem Schalle seiner Welt alles, was in der Welt ist und geschieht«
(ib.).
Ähnlich K. LASSWITZ,
BR. WILLE u. a.
Nach PAULSEN
ist Gott »die
Einheit alles Geistigen«. »Der unendliche
Inhalt des göttlichen Wesens ist für unser Erkennen transzendent«
(Syst. d. Eth. I5, 207).
M. CARRIERE betrachtet
Gott als »Einheit in
der Allheit«, als »Ich des Universums«,
als freien Geist, Persönlichkeit; er waltet in allen Geistern, diese sind
»seine einzelnen Willensakte, die sich in ihm zur
Selbständigkeit erheben, weil er nach seiner Freiheit nur in freien Wesen
offenbar werden kann« (Ästh.
I, 46; Die sittl. Weltordn.).
Einen christlichen Theismus
lehrt THRANDORFF.
Nach O. PFLEIDERER ist
Gott absoluter Geist, Persönlichkeit, das
absolute Ich, welches die Welt einschließt
und in ihr vernünftig wirkt (Religionsphilos.).
Ähnlich R. SEYDEL
(Die Relig. 1872), KIRCHNER
(Metaph. 1880), G.
TIEHLE.
Nach SIGWART
ist Gott der
Weltgrund, die »reale
Macht eines zwecksetzenden Wollens« (Log.
II, 758).
Nach KAFTAN ist
Gott »die höchste
Energie des persönlichen Willens« (Christent.
u. Philos. S. 12). –
VOLKELT sieht in
Gott das unendliche All-Eine. Die
Welt weist darauf hin, daß im Absoluten ein »Prinzip
der Negation und Verkehrung innewohne«(Ästh.
d. Trag. S. 430). »Einerseits ist die Welt
in der Vernunft, im Sein-sollenden, im Positiven gegründet. Aber zugleich
hat das ewig Vernünftige, Sein-sollende, Positive es ebenso ewig mit seinem
Gegenteil zu schaffen,es leidet am Irrationellen, Nicht-sein-sollenden, Negativen,
und es trägt das Gepräge dieses Leidens« (l.c.
S. 432). Das Absolute gleicht dem tragischen Helden, der es »in
seinem eigenen Innern mit einer herabzerrenden Gegenmacht zu tun hat«(l.c.
434).
Nach G. SPICKER
ist Gott Grund und Zweck der Welt
(Vers. e. n. Gottesbegr. S. 160), er
hat Wissen, Vernunft, Bewußtsein (l.c.
S. 150 f.), ist nicht einfach, aber die Einheit
von Geist und Materie (1.
G. S. 153), hat Persönlichkeit (l.c.
S. 263). Die Natur ist nicht Gott, aber göttlicher
Art (l.c. S. 150). Gott
ist »causa eminens« (l.c.
S. 125). In Bezug
auf sich hat er keinen Willen (l.c. S. 150
f.).
WUNDT bestimmt Gott als
»schöpferischen Willen«, höchsten
Gesamtwillen (Eth.2,
S. 462), den absolut transzendenten Weltgrund
(Syst. d. Philos.2, S. 668 ff.), als
den dem Weltinhalt adäquaten Grund, der als übergeistig, übersittlich,
als die transcendente Einheit von Natur und Geist gedacht wird (l.c.
S. 392 ff.). Zu Gott
führen die kosmologischen und ontologischen Ideen.
Gott wird durch die letzteren als »Weltwille«, die Weltentwicklung
als Entfaltung des göttlichen Willens und Wirkens in der Welt bestimmt;
die Welt ist, (wie bei LESSING), in Gott, nimmt
an ihm teil, ohne daß die Einzelwillen ihre Selbständigkeit einbüßen
(l.c. S. 433 f.).
Als Weltwillen faßt
Gott W. JERUSALEM
auf (Urteilsfunct.).
Nach REINKE
ist Gott »ein
Symbol für die Summe jener intelligenten und gestaltenden Kräfte,
die transcendent und immanent zugleich sind, aus der Transzendenz die Immanenz
erzeugend« (Welt als Tat, S. 464).
Einen Panentheismus
vertritt W. v. WALTHOFFEN
(Die Gottesidee).
HÖFFDING
erklärt: »Von einem rein theoretischen
(erkenntnistheoretisch-metaphysischen) Standpunkt aus kann der Gottesbegriff
nur das Princip der Continuität, mithin der Verständlichkeit des Daseins
bedeuten. Von einem religiösen Standpunkt aus bedeutet Gott - als Object
des Glaubens - das Princip der Erhaltung des Wertes durch alle Schwankungen
und alle Kämpfe hindurch, - wenn man so will, das Princip der Treue im
Dasein« (Religionsphilosoph. S. 120).
Gott ist ein Einheitsprinzip,
das allem Zusammenhange der Dinge zugrunde liegt (I.
e. S. 51).
A. DORNER faßt
Gott als Substanz,
absoluten, selbstbewußten Geist, der über die Welt erhaben und zugleich
ihr immanent, Einheit von Vernunft und Wille ist (Gr.
d. Religionsphilos. S. 27 ff.). -
MONRAD betrachtet Gott
als sich selbst denkenden Gedanken (Arch.
f. system. Philos. II, 205), BOSTRÖM
als absolute Persönlichkeit.
RENOUVIER erklärt:
»Dieu est la conscience morale parfaite, c'est-à-dire
la souveraine justice, et la souveraine bonté qui veut la justice et
qui la fait« (Nouv. Monadol. p. 460).
Gott ist »la
personne parfaite« (l.c. p. 401)
Nach EMERSON
ist Gott die »Überseele«.
Naturalistisch oder atheistisch
sind die religionsphilosophischen Auffassungen
verschiedener Denker.
Nach L. FEUERBACH
ist Gott
das menschliche Wesen, das
der Mensch aus sich heraus projiciert, das offenbare
Innere des Menschen, ein »Wunschwesen«
(WW. VII, 39 ff.). Die
Götter sind »die
verwirklicht gedachten Wünsche der Menschen« (WW.
VIII, 257; IX, 56 ff.). Das Absolute ist die Natur.
A. COMTE will als Gottheit (»grand
être«) die Menschheit verehrt wissen.
M. STIRNER ist absoluter Atheist.
Atheistisch denken auch BAHNSEN, MAINLÄNDER,
E. DÜHRING, L. BÜCHNER, E.
HAECKEL, der unter Gott
nur »die unendliche Summe aller Naturkräfte«
versteht (Der Monism. S. 33; Die Welträtsel),
NIETZSCHE, dem die
Existenz eines Gottes
ein unerträglicher Gedanke ist (WW. XV,
315). Unter »Gott«
kann man nur die Kulmination des »Willen
zur Macht« verstehen (l.c. XV,
318 f.). -
Absolut
(absolutus) S.
15ff.
Siehe auch bei Kirchner
losgelöst von jeder Bestimmtheit, jeder Verbindung,
jeder Abhängigkeit; in und durch sich bestehend, uneingeschränkt,
beziehungs- und bedingungslos, unbedingt, in jeder Beziehung.Gegensatz:
relativ .
»Absolut« entspricht dem kath'
hauto (an sich) bei
PLATO, ARISTOTELES,
PLOTIN.
Bei den Scholastikern bedeutet
»absolutum« das
»purum«, »sine ulla conditione«,
»non dependens ab alio« (GOCLEN,
Lex. phil. p. 9).
Gott
wird das »absolutum«
genannt von NICOLAUS
CUSANUS (Doct. ignor. II, 9).
Bei SPINOZA u. a. finden wir
den Gegensatz von »absolute« und »respective«
(Cog. met. I, 6, P. 60).
COLLIER gebraucht das Wort
im Sinne von independent (Clav.
univ. p. 2).
Nach TETENS ist
absolut, »das
auf nichts anderes sich Beziehende, das Unbezogene« (Phil.
Vers. I. 145).
Zur Zeit Kants bedeutet
absolut »daß
etwas von einer Sache an sich selbst betrachtet und also innerlich gelte«
oder »daß etwas in aller Beziehung
(uneingeschränkt) gültig ist« (Kr.
d. r. V. S. 281).
Bei J. G. FICHTE heißt
absolut so viel wie »gänzlich
unbeschränkt«, »schlechthin« (Gr.
d. g. Wiss. S. 97). Er spricht
von einem absoluten Ich
.
Von SCHELLING an wird »das
Absolute« für den Urgrund der Dinge, die Gottheit, häufig
gebraucht.
SCHOPENHAUER eifert gegen
diesen Gebrauch, das Wort bezeichne nichts als das »An-nichts-geknüpft-sein«
(Neue Paral. § 96).
Als absolut wird
Gott übrigens schon von THOMAS
»Absolutum, secundum quod in se est« (Sum.
th. I, qu. 85, 3), ferner
auch von LEIBNIZ (Erde.
p. 138 ff.) bezeichnet.
CHR. WOLF definiert
das Absolute als »dasjenige Ding, welches den Grund
seiner Wirklichkeit in sich hat und also dergestalt ist, daß es unmöglich
nicht sein kann«, d.h.ein »selbständiges
Wesen«, das »von allen Dingen unabhängig ist«
(Vern. Ged. I, § 929, § 938).
Vgl.
Gott.
Achamoth
S. 36 Siehe
auch bei Kirchner
= die niedere Weisheit
im System des Gnostizismus.
Agnostizismus
S. 62f.
Ansicht, daß es von dem an sich Seienden, von den
Dingen an sich, den transzendenten Faktoren, vom Absoluten
kein Wissen gebe und geben könne - die Kehrseite zum Positivismus,
Relativismus, Subjektivismus.
Das »Ignorabimus«
DU BOIS-REYMONDs
(Üb. d. Grenzen d. Naturerk. 7, S. 40 ff.)
kennzeichnet diesen Standpunkt.
Das Wort »Agnostiker«
(»Agnoëten«) kommt, als Bezeichnung
für die »Monophysiten«, schon
in der Kirchengeschichte vor.
HUXLEY setzt das
Wort »Agnostiker« dem Terminus
»Gnostiker«
entgegen. »Der Agnostizismus
ist in Wirklichkeit kein Glaubensbekenntnis, sondern eine Methode, deren Kern
in der strengen Anwendung eines einzigen Grundsatzes liegt....
Positiv läßt sich der Grundsatz so ausdrücken:
in Verstandesdingen folge deiner Vernunft, soweit sie dich eben trägt,
ohne einer andern Erwägung ein Ohr zu leihen.
Und negativ: in Verstandesdingen gib Folgerungen, die weder nachgewiesen noch
nachweisbar sind, nicht für sicher aus« (Sociale
Essays XXXV).
Agnostiker nennen sich auch CH.
DARWIN und CARNERI (Empf.
u. Bew. S. 28).
H. SPENCER, nach welchem das Absolute unerkennbar
ist, lehrt einen »agnostischen Monismus«
(PAULSEN, Einl. in d. Phil.).
Metaphysisch sind Agnostiker auch
die Kantianer (z.B.
F. A. LANGE) und
Positivisten (auch
R. WAHLE).
All
(to pan) S.68f.
Siehe
auch bei Kirchner
zum Unterschied von holon:
ARISTOTELES,
Met. V 26, 1024a 38, Stoiker
(Plut., Ep. II): das Weltganze,
Universum, der Inbegriff des Seienden.
Allbeseelung S.69
siehe: Panpsychismus.
Allbewusstsein
S.69
das göttliche Gesamtbewusstsein (FECHNER,
PAULSEN,
auch WUNDT, RÜLF u. a.).
Alleinheit
(hen kai pan) S.69
Siehe
auch bei Kirchner
das als göttliche Einheit gedachte All der Dinge
bei XENOPHANES (Simpl.,
Arist. Phys. fol. 56, Diels, p. 22), PATRITIUS
(»Un-omnia«, Panarch. 7)
und den Pantheisten.
Allgegenwart
(omnipraesentia) S.69f.
Siehe auch bei Kirchner
und den Bonus-Themen
Eigenschaft
Gottes, bezeichnet
dessen Sein
und Wirken in allem und jedem,
dessen Unabhängigkeit vom Raume.
Allheit
(Totalität) S.
90 Siehe
auch bei Kirchner
ist, nach KANT, »Vielheit
als Einheit betrachtet«
(Kr. d. r. V. S. 99).
Allmacht
(omnipotentia) S.90
Siehe auch bei Kirchner
und den Bonus-Themen
das unbedingte Können
Gottes,
die unbeschränkte Verwirklichungsmöglichkeit
des göttlichen Willensinhaltes.
Allweisheit/Allwissenheit
(omniscientia) S.91
Siehe auch bei Kirchner
und den Bonus-Themen
das unmittelbare
unendliche
Wissen
Gottes um den
Weltinhalt (vgl.
FECHNER, Zendav. I, 258)
Altruismus (von
alter, der andere) S.92ff.
Siehe auch bei
Kirchner
Gegensatz zum Egoismus,
zur Selbstsucht,
bedeutet Uneigennützigkeit, Denken
an und Handeln für anderer Wohl, Selbstaufopferung
im Sinne des Christentums.
Auch SENECA erklärt:
»alteri vivas oportet, si vis tibi vivere«
(Ep. 48, 2; vgl. 60, 4).
Der Terminus »Altruismus«
stammt von COMTE,
der im Altruismus die Bedingung
aller Kultur und Sittlichkeit erblickt.
Den Altruismus als ethisches
Prinzip vertreten in verschiedener Weise
CUMBERLAND, SHAFTESBURY, HUTCHESON,
BUTLER, PALEY, HUME,
A. SMITH, LEIBNIZ,
CHR. WOLF u. a.
H. SPENCER nennt altruistisch
jede Handlung, »welche im normalen
Verlauf der Dinge anderen Nutzen schafft statt dem Handelnden selbst«
(Pr. of moral. § 76).
Der
Altruismus ist ebenso ursprünglich
wie der Egoismus
(ib.). Übertriebener
Altruismus ist schädlich (l.c.
§ 73f.).
Nach LIPPS
ist Altruismus
»das Abzielen auf Verwirklichung fremder
Güter, d.h. auf Verwirklichung solcher sachlicher Werte, d.h. anderen Befriedigunggewähren«
(Eth. Gr. S.11).
Der Altruismus ist etwas
Ursprüngliches, er beruht auf natürlicher
Sympathie, auf der inneren Einheit meiner selbst mit fremden Persönlichkeiten,
von denen ich weiß (l.c. S. 15
ff., 23).
Nach SIMMEL ist der
Altruismus ein
vererbter Instinkt (Einl. in d. Mor.
I, 92), er ist
»Gruppenegoismus« (I,
113, wie IHERING).
Nach O. AMMON entspringen
die altruistischen
(sozialen) Triebe dem
Schutztriebe (Gesellschaftsordn.
S. 67).
P. RÉE erklärt:
»Nachdem der Instinkt, die Nachkommenschaft
zu lieben, durch Auslese und Vererbung seine Stärke erlangt hatte, zweigte
sich von ihm durch Ideenverknüpfung der Nächstenliebeinstinkt ab«
(Philos. S. 14).
A. MEINONG nennt ein Begehren altruistisch,
»wenn dabei das Wohl des andern als solches
entscheidend ist«(Werttheor. S.
99); es ist »selbstisch-altruistisch«
(z.B. Familienliebe) oder
»unselbstisch-altruistisch«
(allgemeine Menschenliebe) (l.c.
S. 103).
Nach WUNDT
ist der Altruismus
erst im Dienste der Idee sittlicher Entwicklung
sittlich.
H. CORNELUS betont: »nur
die Rücksicht auf das dauernd Wertvolle, nicht aber die Rücksicht
auf die einzelnen Gefühlserlebnisse darf für unser Handeln ausschlaggebend
sein« (Einl. in die Phil. S. 351
f.). Ein Gegner des schwächlichen
Altruismus ist NIETZSCHE
Analogie
(analogia) S. 96f.
Siehe auch bei Kirchner
Proportionalität, Ähnlichkeit, Gleichheit
der Beziehungen, Übereinstimmung.
So bei ARISTOTELES (Eth.
Nic. V 6, 1131 a 31; Phys. IV 8, 215 b 29). So
auch bei QUINTILIAN.
Die Scholastiker
unterscheiden »analogia proportionis«
und »analogia attributionis«.
TETENS definiert
Analogie als »Einerleiheit
in den Verhältnissen der Beschaffenheit« (Phil.
Vers. I, 20).
Analogie ist nach
KANT »eine vollkommene
Ähnlichkeit zweier Verhältnisse zwischen ganz unähnlichen Dingen«
(WW. IV, 106).
Nach LIPPS sind Analogien
»Urteilsübertragungen oder Übergänge einer Vorstellungsnötigung
von Ähnlichem auf Ähnliches« (Gr.
d. Seel. S. 459).
HÖFFDING bestimmt
die Analogie als »qualitative
Beziehungsgleichheit« (Relig. S. 63).
JERUSALEM: »Oft
erweckt eine Beziehung zwischen Vorstellungen den Gedanken an eine früher
bemerkte ähnliche Beziehung. Die Identifikation solcher Beziehungen nennen
wir Analogie« (Lehrb. d. Psych.3, S.
79).
Dass die Analogie allem poetischen
und philosophischen Schaffen, ja schon unserer naiven Weltkonzeption zugrunde
liegt, betont besonders A. BIESE. »Was
wir an uns und in uns erleben, gibt uns den Maßstab für alles von
außen auf uns Eindringende«(Ph.
d. Metaph. S. 72). Die Analogie,
das »Metaphorische«, baut
die Brücke zwischen Außen- und Innenwelt
(l.c. S. 74). Diese
Nötigung, unser Innensein auf die Dinge der Außenwelt zu übertragen,
ist das Metaphorische im engeren Sinne, das Anthropozentrische, ein Gesetz unserer
seelischen Organisation (l.c. S. 218). So
ist denn auch die Sprache metaphorisch (l.c.
S. 40; so auch NIETZSCHE,
MAUTHNER).
Vergleiche Introjektion,
Analogieschluss.
Analogieschluss
S. 98f. Siehe
auch bei Kirchner
ist ein »Schluss per
analogiam« (»ratiocinatio per analogiam«),
d.h. von der Übereinstimmung zweier Objekte in mehreren wesentlichen Punkten
auf die Gleichheit oder Ähnlichkeit auch in anderen Merkmalen. –
Als paradeigma kommt diese Schlussart schon bei
ARISTOTELES (Anal.
pr. II, 24; Rhet. I, 2, 1357 b 25 sq.) vor. Ferner
als syllogismos kata to analogon in der pseudogalenischen
Eisagôgê (Prantl,
G. d. L. I, 608), nachdem THEOPHRAST
mit diesem Terminus einen Schluss
aus hypothetischen Prämissen bezeichnet hatte
(l.c. I, 381, 391).
Das paradeigma kommt als »exemplum.« bei
BOËTHIUS
vor (Opp.
p. 864).
Die Epikureer sehen im
Analogieschluss (ho
kata, tên homoiotêta tropos) den
Weg von den Erscheinungen zu dem Unbekannten (vgl.
GOMPERZ, Herculan. Stud.h. 1).
HUME rechnet die Analogieschlüsse
zu den Wahrscheinlichkeitsschlüssen
(Treat. III, sct. 12),
WUNDT zu den Subsumtionsschlüssen
(Log. I, 309). Vgl. HAGEMANN, Log. u. Noet. S. 104 ff.
Anderssein
S.106
bei HEGEL, ein
Ausdruck für die Natur als äußere Form, Veräußerlichung
der Idee, des Absoluten.
»Die Negation, nicht mehr das abstracte Nichts,
sondern als ein Dasein und Etwas, ist nur Form an diesem, sie ist als Anderssein«
(Encykl. § 91).
Animismus:
S.116f.
1) der Glaube an Seelen,
Geister in Menschen und Naturobjecten als primitive Religion.
2) Ansicht, daß die Seele
(das Seelische) das Princip des Lebens und Lebendigen
sei.
Diese Auffassung findet sich bei den ionischen
Naturphilosophen (s.
Hylozoismus), bei ARISTOTELES (s.
Seele), den Stoikern (s.
Pneuma), bei den Scholastikern.
In der Renaissance-Philosophie
wird das Leben auf einen »spiritus«,
»archeus« u. dgl. zurückgeführt,
so von PARACELSIUS, AGRIPPA
VON NETTESHEIM, VAN HELMONT, CARDANUS,
TELESIUS u. a.
Auch LEIBNIZ vertritt
den Animismus.
Vorzugsweise heißt Animismus
die Lehre des G. E. STAHL,
der die Seele als
Bildnerin des Leibes betrachtet. »Corpus
hoc verum et immediatum animae organon.... Anima praesens omnium actuum in homine«
(Disqu. de mech. et organ. div. p. 44). Ähnliche
Lehren in der SCHELLINGschen
Naturphilosophie. –
WUNDT versteht unter Animismus
»diejenige metaphysische Anschauung, welche,
von der Überzeugung des durchgängigen Zusammenhangs der psychischen
Erscheinungen mit der Gesamtheit der Lebenserscheinungen ausgehend, die Seele
als das Princip des Lebens auffaßt«.
Die Seele ist nach ihm eins mit dem Lebensprincip, Leben und Beseelung sind
Wechselbegriffe; die physische Entwicklung ist schon die Wirkung der psychischen
Entwicklung.
An-sich
S.47 Siehe
auch bei Kirchner
= dem eigenen Sein nach, unabhängig vom erkennenden
Bewußtsein und dessen Formen, in metaphysischer Wirklichkeit und Wahrheit.
Gegensatz: Erscheinung, Für-uns-sein,
Objektivation. Das »An-sich«
der Dinge = der jeder Erscheinung zugrunde
liegende, »transzendente«
Faktor.
Der Gegensatz von »An sich«
(svagam-bhu) und Erscheinung
findet sich schon in der indischen Philosophie.
DEMOKRIT lehrt, die Atome
seien in Wahrheit, an sich (eteê),
die Sinnesqualitäten nur in unserer Meinung (nomô).
Die Scholastiker unterscheiden
das »esse in re« (dingliche Sein) vom
»esse in intellectu« (Gedachtsein).
Nach DESCARTES erfahren
wir durch die Sinne nicht, wie die Dinge »in se
ipsis« sind
(Pr. phil. II, 3).
MALEBRANCHE spricht geradezu von den »choses
en elles-mêmes« (Rech.
I, préf.); so
auch FÉNELON (De
l'ex. d. Dieu p. 195 ff.).
SPINOZA versteht unter der
»intuitiven« Erkenntnis ein Erfassen des Wesens der Dinge,
während die »imaginatio« uns die
Dinge von einem beschränkten Standpunkt aus zeigt
(Eth. II, prop. XL, schol. II).
LEIBNIZ stellt die Verstandeserkenntnis der Dinge
ihrer bloß »verworrenen« Vorstellung
durch die Sinne gegenüber.
BONNET: »chose
en soi« - »ce que la chose parait être« (»chosepar
rapport à nous«) (Ess.
d. Psych. C. 36).
LAMBERT: »Die Sache
an sich« - die Sache, »wie wir sie
empfinden, vorstellen« (Organ.
Phän. I, § 20, § 51).
KANT bringt den Gegensatz von
»Ding an sich« und »Erscheinung«
zu fundamentaler Bedeutung. »An sich«
ist nach ihm das Sein, unabhängig sowohl von den Anschauungsformen als
auch von den Formen des Denkens, es ist das positiv durchaus Unbestimmbare,
Unerkennbare, nicht bloß ein »ens rationis«
gegenüber den Sinnesobjecten. Später wird diese Bedeutung des
»An-sich« beibehalten (Neukantianer,
die teilweise ein An-sich negieren, nur Bewußtseinsinhalte kennen) oder
dahin modificiert, daß als »An sich«
das vom erkennenden und wollenden Subjecte unabhängig Existierende betrachtet,
aber doch auf positive Weise etwa analog dem eigenen Ich bestimmt wird (z.B.
WUNDT).
Im Sinne SCHELLINGs meint u. a.
CARRIERE: »Indem sich mittelst unserer Empfindung
die Natur zur Welt der Töne und Farben steigert, wird das An-sich der Dingeverwirklicht;
es bringt sich in der eigenen Lebensgestaltung hervor und wird dadurch zugleich
für andere« (Ästh.
I, 100). (Ähnlich
FECHNER, BR. WILLE.)
Nach GUTBERLET kann das An-sich der Dinge durch
die Erscheinungen, in denen es sich manifestiert, erkannt werden, wenn auch
nicht vollkommen (Kampf
um d. Seele, S. 14);
so schon THOMAS. Vgl.
Ding an sich, Erscheinung, An-sich-Sein.
An-sich-sein
S.141
= das Sein in seiner Unmittelbarkeit, Ursprünglichkeit,
Absolutheit, Begrifflichkeit, Wesenhaftigkeit im Gegensatze zum beziehungsweisen
Sein.
Schon bei den Pythagoreern kommt
der Begriff des kath'
hauto, auto to hen vor (ARISTOTELES,
Met. I, 5).
Dann bei PLATO, der
das wahre Sein der Ideen
als auto kath' hauto, ontôs on
bestimmt (Phaedo
78 D, Parm. 129 A, K 9 B, D, 130 B etc.).
Nach ARISTOTELES
ist das im Begriff erfaßte Sein der Dinge (to
ti ên einai), ihr Wesen, das kath'
hauto, und dieses physei
proteron, das in Wirklichkeit Primäre,
während es im erkennenden Bewußtsein (pros
hêmas) das Spätere ist (Eth.
Nic. I 3, 1096b 20).
Die Stoiker unterscheiden kath'
hauta - pros ti.
Die Scholastiker halten an der Aristotelischen
Begriffsbestimmung des An-sich-seins fest.
Sie wird erneuert von HEGEL,
der unter »An-sich«
die in sich betrachtete, unentfaltete Wesenheit im Unterschiede von der
»Beziehung auf anderes« versteht, das »Sein
der Qualität als solches«
(Encykl. § 91). An-sich
ist der Begriff in seiner »Unmittelbarkeit«
(l.c. § 83).
Die Eichel z.B. ist das An sich des Eichbaumes.
»An-sich« - »Für-sich«
- »An und-für-sich« bedeuten
die drei Stadien des dialektischen
Processes.
Antinomie
S. 149ff. Siehe
auch bei Kirchner
Widerstreit zweier Gesetze
(nomoi), zweier Urteile oder Schlüsse,
welche (anscheinend) von gleicher Überzeugungskraft
und Geltung sind, wiewohl sie einander widersprechen.
Der Terminus »antinomia«
wird nach GOCLEN gebraucht »pro
pugnantia seu contrarietate quarumlibet sententiarum seu propositionum«
(Lex. phil. p. 110).
BONNET hat ihn in die
natürliche Theologie
eingeführt (vgl.
EUCKEN, Termin.).
Der Begriff der Antinomie findet
sich schon bei dem Eleaten ZENO
(s. Bewegung),
PLATO (Phaedo 102; Rep. 523 ff., Parm. 135 E),
ARISTOTELES und den
Skeptikern.
Der eigentliche Begründer der philosophischen
Antinomienlehre ist KANT. Unter Antinomien
versteht er »Widersprüche, in die sich
die Vernunft bei ihrem Streben, das Unbedingte zu denken, mit Notwendigkeit
verwickelt, Widersprüche der Vernunft mit sich selbst« (Kr.
d. r. V. S. 340). »Den Begriff eines absoluten
Ganzen von lauter Bedingtem sich als unbedingt zu denken, enthält einen
Widerspruch; das Unbedingte kann also nur als Glied der Reihe betrachtet werden,
welches diese als Grund begrenzt, der selbst keine Folge aus einem andern Grunde
ist, und die Unergründlichkeit, welche durch alle Klassen der Kategorien
geht, sofern sie auf das Verhältnis der Folgen zu ihren Gründen angewandt
werden, ist das, was die Vernunft mit sich selbst in einen nie beizulegenden
Streit verwickelt, solange die Gegenstände in Raum und Zeit für Dinge
an sich und nicht für bloße Erscheinungen genommen werden«
(Üb. d. Fortschr. d. Met. S. 130).
Den »dialektischen Schein«, welcher
auf unkritischem Boden entsteht, hat die Kritik der Vernunft aufzulösen.
Vier Antinomien entstehen nämlich, indem die Vernunft nach dem Grundsatze:
»wenn das Bedingte gegeben ist, so ist auch die ganze Summe der Bedingungen,
mithin das schlechthin Unbedingte, gegeben«, die absolute Totalität
der Erscheinungen fordert. Jede Antinomie besteht
aus einer »Thesis« (Behauptung) und
»Antithesis« (Gegenbehauptung).
1) »Die
Welt hat einen Anfang
in der Zeit und ist dem Raum nach auch in Grenzen eingeschlossen.« - »Die
Welt hat keinen Anfang und keine Grenzen im Raume, sondern ist, sowohl in Ansehung
der Zeit als des Raumes, unendlich«
(l.c. S.304 ff.).
2) »Eine jede zusammengesetzte
Substanz inder Welt besteht aus einfachen
Teilen, und es existiert überall nichts als das Einfache oder das,
was aus diesem zusammengesetzt ist.« - »Kein zusammengesetztes Ding
in der Welt besteht aus einfachen Teilen, und es existiert Überall nichts
Einfaches in derselben« (l.c. S. 360
f.).
Das sind die mathematischen Antinomien. Bei ihnen
sind, vor dem Forum der Kritik, sowohl Thesis als Antithesis falsch, weil Raum,
Zeit, Einfachheit, Zusammengesetztheit nicht Bestimmungen von Dingen an sich,
sondern nur von Erscheinungen sind. »Man mag nämlich...
annehmen, die Welt sei dem Raume und der verflossenen Zeit nach unendlich oder
sie sei endlich, so
verwickelt man sich unvermeidlich in Widersprüche
mit sich selbst. Denn ist die Welt, so wie der Raum und die verflossene Zeit,
die sie einnimmt, als unendliche Größe gegeben, so ist sie eine gegebene
Größe, die niemals ganz gegeben werden kann, welches sich widerspricht.
Besteht jeder Körper oder jede Zeit in der Veränderung des Zustandes
der Dinge aus einfachen Teilen, so muß, weil Raum sowohl als Zeit ins
Unendliche teilbar
sind,... eine unendliche Menge gegeben sein, die doch ihrem Begriff nach niemals
ganz gegeben sein kann, welches sich gleichfalls widerspricht«
(Üb. d. Fortschr. d. Met. S. 132).
Mögliche Erfahrung hat weder eine Grenze noch kann sie unendlich sein;
die Welt als Erscheinung ist aber nur das Objekt möglicher Erfahrung
(l.c. S. 133). –
3) »Die Kausalität nach Gesetzen
der Natur ist nicht die einzige, aus welcher die Erscheinungen der Welt insgesamt
abgeleitet werden können. Es ist noch eine Kausalität durch Freiheit
zur Erklärung derselben anzunehmen notwendig.«
- »Es ist keine Freiheit, sondern alles in der Welt geschieht lediglich
nach Gesetzen der Natur« (Kr. d. r. V.
S. 368 f.).
4) »Zu der Welt gehört etwas, das entweder
als ihr Teil oder ihre Ursache ein schlechthin notwendiges Wesen ist.«
- »Es existiert überall kein schlechthin notwendiges
Wesen, weder in der Welt, noch außer der Welt, als ihre Ursache«
(l.c. S. 374 f.).
Das sind die dynamischen Antinomien. Hier gilt
die Thesis für die Welt der Dinge an sich, die Antithesis für die
Erscheinungen, beide sind also wahr (l.c. S. 432 ff.).
-
Allgemein beruhen die Antinomien auf einer »natürlichen
Täuschung«, weil man »die Idee
der absoluten Tolalität, welche nur als eine Bedingung der Dinge an sich
selbst gilt, auf Erscheinungen angewandt hat« (l.c.
S. 411). Als »regulatives Prinzip«
enthalten aber die Antinomien die berechtigte Forderung,
daß, »soweit wir auch in der Reihe der empirischen
Bedingungen gekommen sein mögen, wir nirgends eine absolute Grenze annehmen
sollen« (l.c. S. 420). Aus den
mathematischen Antinomien folgert
KANT auch (nochmals) die Idealität
(Subjektivität) von Raum und Zeit
(Kr. d. r. V. S. 411 f.; vgl. VON HARTMANN, G. d. Met. II, 4). An Garve
schreibt er: »Nicht die Untersuchungen vom
Dasein Gottes u.s.w., sondern die Antinomie der
reinen Vernunft war es, welche mich aus dem dogmatischen Schlummer zuerst aufweckte
und zur Kritik der Vernunft selbst hintrieb«(vgl.
A. STEIN, Üb. d. Bez. Chr. Garves zu Kant 1884, S. 44 f.). Es gibt
drei Antinomien, die alle die Vernunft zwingen,
die Objekte der Sinne für Erscheinungen zu halten
(Kr. d. Urt. § 57, Anmerk. II): erkenntnistheoretische,
ästhetische, ethische Antinomie (ib.).
Bezüglich des ästhetischen Geschmacks behauptet die Thesis, das Geschmacksurteil
gründe sich nicht auf Begriffen, die Antithesis: es gründe sich auf
solchen, sonst ließe sich nicht über den Geschmack streiten
(l.c. § 56 f.). Auch bezüglich der teleologischen
Urteilsskraft besteht eine Antinomie (l.c.
§ 69 ff.). In der Ethik gibt es eine Antinomie
zwischen Tugend und Glückseligkeit als Motiven (Kr.
d. pr. Vern. 1. T., 2. B., 2. Hptst.).
FRIES legt auf den Beweis der
Idealität von Raum und Zeit aus den Antinomien großes Gewicht
(Neue Krit. I2, Vorr.).
FICHTE, SCHELLING,
HEGEL (auch HERBART)
haben das antinomische Verfahren
verwertet.
Nach HEGEL gibt
es eine Antinomie in allen Vorstellungen, Begriffen
und Ideen (Encykl. § 48).
SCHOPENHAUER erklärt
die Kantschen Beweise für die Thesen als »Sophismen«,
während die Antithesen berechtigt seien (W.
a. W. u. V. Bd. I).
WUNDT führt die mathematischen
»Antinomien« Kants auf die Vertauschung
des »Infiniten« und »Transfiniten«
zurück. Da die Thesen die vollendete Unendlichkeit, das Transfinite, die
Antithesen aber die unvollendbare Unendlichkeit, das Infinite, im Auge haben,
so haben in Bezug auf Raum
und Zeit Thesis und Antithesis recht (Log.
II2, 1, S. 153, 461 f.; Ess. 3, S. 70; Syst. d. Phil.2, S. 340 ff.). Vgl. HODGSON,
Phil. of Refl. II, 88 ff.
Vergleiche Unendlich,
Teilbarkeit.
Apprehension
(apprehensio):
S. 187 ff.
Erfassung, Auffassung
eines Vorstellungsinhalts,
Erhebung desselben ins erkennende Bewusstsein,
Begreifen.
Die Scholastiker sprechen von einem »actus
apprehensivus« (PRANTL, Gesch. d.
Log. III, 333). Die »simplex apprehensio«
ist stets wahr, weil sie noch kein Urteil
enthält (l.c. IV, 15).
»Apprehensio absoluta«
(= simplex) und »apprehensio inquisitiva«
unterscheidet
THOMAS (Sum.
th. I, II, 30, 3 ad 2).
SUAREZ unterscheidet
eine sinnliche und intellektuelle
»simplex apprehensio« (De
an. III, 6).
Die Logik von PORT-ROYAL erklärt: »apprehensionem
dicimus simplicem rerum, quae menti sistuntur, contemplationem«
(Einl.).
CHR. WOLF bestimmt die »apprehensio
simplex« als »attentio ad rem sensui vel imaginationi praesentem
seu rnenti quomodocunque repraesentatam« (Log.
§ 33).
KANT nennt Apprehension
die »unmittelbar an den Wahrnehmungen
ausgeübte Handlung« der produktiven
Einbildungskraft
(Kr. d. r. V. S. 130), die a
priori ausgeübt wird, indem sie die Raum-
und Zeitvorstellung erst erzeugt (l.c. S. 116).
Sie ist also eine Bedingung
aller Erfahrung
(l.c. S. 133). »Jede Anschauung
enthält ein Mannigfaltiges in sich, welches doch nicht als ein solches
vorgestellt werden würde, wenn das Gemüt nicht die Zeit in der Folge
der Eindrücke aufeinander unterschiede: denn als in einem Augenblick enthalten
kann jede Vorstellung
niemals etwas anderes als absolute
Einheit sein. Damit nun aus diesem
Mannigfaltigen Einheit der Anschauung werde
(wie etwa in der Vorstellung des Raumes), so ist erstens das Durchlaufen
der Mannigfaltigkeit und dann die Zusammennehmung derselben notwendig, welche
Handlung ich
die Synthesis
der Apprehension nenne, weil sie
geradezu auf die Anschauung
gerichtet ist, die zwar ein Mannigfaltiges darbietet, dieses aber als ein
solches, und zwar in einer Vorstellung
enthalten, niemals ohne eine dabei vorkommende
Synthesis bewirken kann« (l.c.
S. 115). Vergleiche
Wechselwirkung
Äon
(aiôn,
aevum = to aei einai) S. 157
Siehe auch bei Kirchner
1) Beständige Dauer.
Schon EMPEDOKLES
spricht von einem
empedos aiôn (Aristot., Phys.
VIII 1, 251a 1).
Im Sinne des ARISTOTELES
(De coel. I, 9, 279a 25)
nennen die Scholastiker
die unveränderliche Dauer »aevum«
(SUAREZ, Disp. met. 50, sct. 6, 9). -
2) Göttliche Wesenheit, göttliche Kraft,
die personificiert wird von den
Gnostikern. So bezeichnet VALENTINUS
Gott als
den vollkommenen Äon
(teleios aiôn),
aus dem 30 niedere Äonen entspringen, deren
jüngster die Weisheit
(sophia)
ist. Der Inbegriff der Äonen
= das Pleroma .
Vgl. Gnostizismus.
Atheismus
S. 276 Siehe
auch bei Kirchner
Gottlosigkeit,
Leugnung der Existenz eines göttlichen Prinzips,
Annahme, daß die Welt in und durch sich selbst besteht.
Ausgesprochene Atheisten sind
LAMETTRIE, HOLBACH,
nach dem Atheist ist »un
homme qui détruit des chimères nuisibles au genre humain pour
ramener les hommes à la nature, à l'expérience, à
la raison« (Syst. de la nat. II,
ch. 11, p. 320), FEUERBACH,
STIRNER, DÜHRING,
NIETZSCHE, MAINLÄNDER (Phil. d.
Erlös. S. VIII) u. a.
F. BACON meint: »leves
gustus in philosophia movere fortasse ad atheismum, sed pleniores haustus ad
religionem reducere« (De augm.
sc. I, 5). Vgl.
Gott.
>>Haeckel Atheismus
Äther
(aithêr, aether)
S. 277ff. Siehe
auch bei Kirchner
die schwerlose, widerstandslose, unwägbare, feinste
Materie, die als Substrat der strahlenden Wärme, des Lichtes und der elektromagnetischen
Energien gedacht wird, als ein alle Körper durchdringender,
den Weltraum erfüllender Stoff, der sich in Elemente,
Äther-Atome, gliedert.
In mythischer Form tritt der Äther
auf bei HESIOD als Sohn
des Erebos (Finsternis)
und der Nyx
(Nacht).
In den orphischen Dichtungen erscheint
er als
Weltseele , als Zeus
(Stob. Ecl. I, 2, 42). Später gilt der Äther
als einer der Grundstoffe, als eine Art
feinster Luft, immer noch als etwas »Göttliches«(
aitheradian, EMPEDOKLES: Aristot., De an. I 2, 404 b 14).
Bei den Pythagoreern (Philolausfragment)
kommt der Äther als fünftes Element vor,
so besonders bei ARISTOTELES. Nach ihm ist der
Äther der feinste, leichteste Stoff, der den
Himmelskörpern als Substrat dient (De coel. I 3; De gen. et corr. II, 2
f.; Diog. L. V, 1). Er ist der Qualität nach das erste Element (Meteor.
I, 3; De gen. an. II, 3), derZahl nach aber das fünfte (später
pempton stoicheion, quinta essentia genannt).
Die Stoiker bestimmen den Äther
als Feuerhauch, in welchem die Himmelskörper sich bildeten: anôtatô
men oun einaito pyr ho dê aithera kaleisthai, en hô prôtên
tên tôn aplanôn sphairan gennasthai, eita tên tôn
planome-nôn (Diog. L. VII, 1); er ist
die unmittelbare, reine Form des Pneuma
.
CICERO, (De nat.
deor. VII,137) LACTANTIUS
(Inst. V, 5; STEIN, Psych. d. Stoa I, 26 ff.).
ZENO, KLEANTHES (Min. Fel., Octav. 19,
10) und BOËTHIUS
rufen im Äther die
Gottheit an (Stob.
Ecl. I, 2, 60).
Als feinsten Stoff bestimmt den Äther PHILO
JUDAEUS.
Bei PROCLUS ist
er eins mit der alles durchdringenden Weltseele,
ein Lichtstoff.
Ähnlich lehren die Naturphilosophen
der Renaissance, so AGRIPPA,
für den der Äther der »spiritus
mundi«, das fünfte Element, die samenentfaltende
Kraft der Dinge bedeutet.
G. BRUNO sieht im Äther,
den er dem leeren Raum gleichsetzt, das einigende Band der Körperelemente
(De min. I, 2), zugleich den »spiritus
universi«, das Wärmend-Belebende
(De immenso IV, 421; De monade p. 69;
LASSWITZ, Gesch. d. Atom. I, 388 f.).
Als feinste Materie
im physikalischen Sinne ohne occulte Qualitäten bestimmen den Äther
HOBBES, R. HOOK,
MALEBRANCHE, LEIBNIZ,
NEWTON, BERNOULLI, HUYGENS
(der ihn als Ursache der Schwere betrachtet)
u. a.
K. ROSENKRANZ bestimmt
den Äther als »die
allgemeine, gestaltlose Materie«, »das
universelle, absolute Continuum« (Syst.
d. Wiss. S. 199).
Nach R. HAMERLING
bestehen die Körper aus »verschieden
verdichtetem Äther« (At.d.
Will. II, 86). -
Nach OKEN ist
der Äther »die
erste Realwerdung Gottes, die ewige Position desselben. Gott und Äther
sind identisch«. Er ist die Urmaterie,
der »göttliche Leib, blie Ousia oder
die Substanz« (Naturph. I, 44).
SPILLER erblickt im
Äther die Urkraft, Gott;
den reinen Monotheismus nennt er
»Ätherismus« (D. Urkr. d.
Weltalls 1876).
Ätherleib
S.279f.
Siehe auch bei
Kirchner
Pneumatischer Leib bei PAULUS,
Astralleib bei PARACELSUS:
Seelenleib, feinste, unsterbliche Hülle der Seele.
Bei PORPHYR, ORIGENES,
AGRIPPA
»aetherum animae vehiculum«,
(De occ. phil. III, 36), LEIBNIZ, PRIESTLEY,
FR. GROOS, J. H. FICHTE (Anthrop. S. 273 f.),SPILLER.
LASSON unterscheidet den inneren, wahren Leib als
lebendige Tätigkeit, Entelechie von der äußeren Erscheinung
desselben (Der Leib 1898).
Atman
S.280
Hauch, Odem, Lebenshauch, das Selbst, das Wesen, die Seele
das An-sich des Ich
und der Dinge, die göttliche Urkraft,
das Weltprincip (Vedische Philosophie). (Vgl.
DEUSSEN, Allg. Gesch. d. Phil. I, 1, S. 285 ff.).
Ausdehnung
S. 312 ff. Siehe
auch bei Kirchner
ist eine Grundeigenschaft der optischen und taktilen Wahrnehmungsinhalte,
die Räumlichkeit der Körper. Im weiteren
Sinne ist Ausdehnung (extension)
das Erfülltsein von Raum und Zeit durch einen
Wahrnehmungsinhalt.
DESCARTES sieht in ihr das
Wesen der Materie, ebenso SPINOZA, dem
sie als eines der Attribute der »Substanz«
gilt (Eth. II, prop. II). »Extensio
est id, quod tribus dimensionibus constat« (Ren.
Cart. pr. ph. II, def. I).
Nach LEIBNIZ
ist die Ausdehnung nur eine
»verworrene Vorstellung« von inneren
Verhältnissen der Monaden.
Ein »phaenomenon«
ist sie nach CHR.
WOLF, welcher erklärt:
»Si plura diversa adeoque extra se invicem existentia tanquam in uno nobis
repraesentamus: notio extensionis oritur: ut adeo extensio sit multorum diversorum,
aut, si mavis, extra se invicem existentium coëxistentia in uno«
(Ont. § 548).
PLATNER erklärt die
Ausdehnung aus dem »Zusammenfließen
verworrener Vorstellungen einfacher Substanzen« (Phil.
Aph. I, § 903).
Nach BERKELEY ist
die Ausdehnung nur eine Idee,
nach HUME ist
die »idea of extension« eine »idea
of visible or tangible points distributed in a certain order«(Treat.
I, p. 358), einer Ordnung von Empfindungen.
Nach REID
besteht zwischen der objektiven Ausdehnung und
der Ausdehnung der Empfindungsinhalte keine Kongruenz
(Inqu. p. 120).
KANT erklärt die Ausdehnung
für eine apriorische Anschauungsform ; sie
ist rein subjektiv.
So der gesamte Idealismus
im Gegensatze zum Realismus,
der die Dinge an sich für ausgedehnt hält
oder die Ausdehnung als eine Wirkung
dieser Dinge selbst ansieht.
So ist nach ULRICI (ähnlich
J. H. FICHTE) die Ausdehnung
»Folge einer den Raum einnehmenden und gegen das
Eindringen eines andern Widerstand leistenden Kraft«
(Leib u. Seele S. 36).
E. v. HARTMANN betont, daß sie den primitiven
Empfindungen
nicht zukommt (so auch HERBART
u. a.), diese ist
erst (wie bei LOTZE)
das Produkt einer raumsetzenden Seelenfunktion. »Was
als Ausdehnung des Dinges erscheint, ist nur der von diesem Kräftesystem
und Kraftäußerungsformen okkupierte, beziehungsweise gesetzte und
produzierte Raum« (D. Probl. d. Erk.
S. 20).
Nach CZOLBE ist
die Ausdehnung nicht nur eine Eigenschaft,
sondern auch »Subjekt,
Substanz sowohl
der Atome als des
sie durchdringenden Raumes«
(Gr. u. Urspr. d. m. Erk. S. 78 f., 95, 253).
Nach H. SPENCER ist
Ausdehnung ein sekundäres Attribut der Dinge.
Wir erkennen sie nur »vermöge einer
Kombination von Widerständen« (Psych.
II, § 348, S. 233).
Nach UPHUES
ist Ausdehnung »eine
Summe gleichartiger, gleichzeitiger, wechselseitig zusammenhängender, aber
nicht einander bedingender Teile, die wir uns in Empfindungen vergegenwärtigen«
(Psych. d. Erk. I, 208).
Bedingung
(conditio) S.
342 ff. Siehe
auch bei Kirchner
ist ein Umstand, ohne den ein Kausalverhältnis nicht
statthaben, ein Ereignis nicht stattfinden kann. Das »Bedingende«
ist das, was die Abhängigkeit eines (physischen,
psychischen, logischen) Vorganges, Zustandes setzt, das »Bedingte«
das, was als abhängig bestimmt wird. »Conditio
sine qua non« =
absolute unerläßliche Bedingung.
Nach GOCLEN ist
»conditio« »qualitas ea, qua aliquid
condi, id est, fieri aptum est« (Lex.
phil. p. 435).
KANT sieht in den Anschauungsformen
subjektive »Bedingungen« aller Erfahrung.
Der Bedingungsbegriff ist eine der Kategorien .
»Bedingen« ist
nach SCHELLING »die
Handlung, wodurch etwas zum Ding wird«, »bedingt« ist
»das, was zum Ding gemacht ist, woraus zugleich
erhellt, dass nichts durch sich selbst als Ding gesetzt sein kann«
(Vom Ich S. 11).
Nach HEGEL ist
Bedingung »das
Unmittelbare, auf das der Grund sich als auf seine wesentliche Voraussetzung
bezieht« (Log.
II, 107).
J. ST. MILL nennt
Bedingung eines Phänomens »das
Ganze der Umstände«, unter denen es
statthat (Log. I,388).
HODGSON gebraucht statt »Ursache«
den Terminus »real condition«
(Met. of Exper. 1898).
Nach O. SCHNEIDER
ist Bedingung kein
»Stammbegriff«. »Das Bewusstsein der
Bedingung und Bedingtheit ist nur eine Vorstufe des Bewusstseins der Ursache
und der Ursächlichkeit, ist das noch, unentwickelte, gleichsam das noch
knospende Ursächlichkeitsbewusstsein« (Transcend.
S. 197).
Nach SIGWART
ist Bedingung »etwas,
was die Wirksamkeit des hervorbringenden Grundes möglich macht«
(Log. II2, 157). Die
Summe der Bedingungen ist »Ursache«;
so auch SCHUPPE (Log.
S. 73),
dagegen WUNDT :
Bedingung ist der weitere Begriff; die Erde z.B.
ist die permanente Bedingung der einzelnen Fallerscheinung,
deren »Ursache« in der Erhebung in
eine bestimmte Höhe besteht (Log. I2,
S. 597 ff., 103 ff.; Syst. d. Phil.2, S. 290 f.).
OSTWALD versteht unter Bedingung die zeitliche
oder räumliche Regelung eines energetischen Verlaufes
(Vorles. üb. Naturph.2, S. 299).
Einige Forscher wollen den Kausalbegriff durch den der Bedingtheit
ersetzen.
Begründen
S.378
heißt, den Grund eines Urteils
dartun, etwas als Folge eines andern nachweisen
(RIEHL, Phil. Krit. II 1, 237), den Denkzusammenhang
herstellen, aus dem die Notwendigkeit eines Satzes erhellt.
Nach WUNDT
ist das begründende Denken das eigentliche
Erkennen (Syst. d. Phil.2, S. 80 ff., 167 f.).
Beharrlichkeit
S.378
ist Ausdauer im Ertragen und Überwinden
von Schwierigkeiten.
Sie ist nach PAULSEN
eine Form der Tapferkeit, die Kraft
des Willens, Beschwerden aller Art zu ertragen (Syst.
d. Eth. II5, 25; vgl. SCHLEIERMACHER, Phil. Sittenl. § 315 ff.).
Beharrung
S. 378 ff
ist das Bleiben in der Zeit, im
Raume, im Wirken, die Permanenz (Konstanz)
einer Substanz, Aktivität, eines Geschehens, einer Beziehung, eines Gesetzes.
Das Beharrende im Raume ist
die Materie und Energie,
das Beharrende im Geistigen ist
die Ichheit, das Subjekt, das Einheit setzende Prinzip im Lebewesen.
Absolute Permanenz kommt
keinem Einzelding, nur dem All
als Einheit aller Seinsbeziehungen
zu. Ein »Beharrungsvermögen«
(»vis inertiae«) wird den Körpern zugeschrieben.
Nach HERAKLIT beharrt
nur das Werden.
Nach den Eleaten das Sein.
Nach DEMOKRIT
nur die Atome.
Nach PLATO nur
die Ideen ,
nach ARISTOTELES die
»Formen«.
Nach anderen beharrt nur
die Substanz, oder beharren die Substanzen schlechthin.
Nach den Relativisten
beharrt nur der Wechsel, das Gesetz
im Wechsel; so spricht SIMMEL vom
»absoluten Bewegungscharakter«
der Welt, in der nur die Gesetze als solche beharren
(Phil. d. Geld. S. 552).
Nach NIETZSCHE
gibt es nur scheinbar
Beharrung (WW. XV, 280, VIII, 2, 5).
Das Beharrungsvermögen der Körper leitet
DESCARTES metaphysisch
aus der Unveränderlichkeit Gottes ab. »Ex
hac eadem immutabilitate Dei regulae quaedam sive leges naturae cognosci possunt,
quae sunt causae secundariae ac particulares diversorum motuum, quos in singulis
corporibus advertimus. Harum prima est, unamquamque rem, quatenus est simplex
et indivisa, manere quantum in se est in eodem semper statu, nec unquam mutari
nisi a causis externis« (Princ. phil.
II, 37).
Auch SPINOZA begründet
das Beharren der Dinge aus der Natur der göttlichen
Substanz. »Unaquaeque res, quantum
in se est, in suo esse perseverare conatur.« »Res enim sigulares
modi sunt, quibus Dei attributa certo et determinato modo exprimuntur, hoc est
res, quae Dei ptentiam, qua Deus est et agit, certo et determinato modo exprimunt.
Neque ulla res aliquid in se habet, a quo possit destrui, sive quod eius existentiam
tollat« (Eth. III, prop. VI).
Alle Dinge haben ein Streben (conatus),
in ihrem Sein zu verharren (l.c. prop. VII,
IX).
NEWTON lehrt: »Jeder
Körper beharrt in seinem Zustande der Ruhe
oder der gleichförmigen Bewegung in gerader Richtung, außer sofern
er von eingedrückten Kräften gezwungen wird, jenen Zustand zu verändern«
(Princ. math. p. 12; vgl. SPINOZA: »Corpus,
quod semel movetur, semper moveri pergit, nisi acausis externis retardetur«
Ren. Cart. II, prop. XIV, Corol.).
Nach KANT ist
beharrlich, »was eine
Zeit hindurch existiert, d. i. dauert« (Met.
Anf. d. Naturw.WW. IV, 374). Der »Grundsatz
der Beharrlichkeit« ist: »Alle
Erscheinungen enthalten das Beharrliche (Substanz) als den Gegenstand selbst
und das Wandelbare, als dessen bloße Bestimmung, d.h. eine Art, wie der
Gegenstand existiert« (Kr. d. r. Vern.
S. 174). Dieses Prinzip ist ein Gesetz für
alle Erfahrung, die dadurch erst ermöglicht wird.
»Wir können nur in dem, was beharrt,
das Wechseln bemerken...« Die
Beharrlichkeit »drückt
überhaupt die Zeit, als das beständige Korrelatum alles Daseins der
Erscheinungen, alles Wechsels und aller Begleitung aus. Denn der Wechsel trifft
die Zeit selbst nicht« (l.c. S. 176).
DÜHRING spricht von
»beharrlichen Elementen«, »ruhenden
Allgemeinheiten« des Seins (Curs.
d. Phil. S. 24).
LIPPS bemerkt:
»Indem wir unsere Beharrlichkeit oder
Denkkonsequenz anthropomorphisierendin die Inhalte der Wahrnehmung verlegen,
schreiben wir diesen Beharrungsvermögen zu«
(Gr. d. Seel. S. 434).
Nach HERBART beharrt
jede Vorstellung nach ihrem Verschwinden unbewusst in der
Seele weiter. So auch nach STEINTHAL (Einl.
in d. Psych.S. 114).
REHMKE formuliert das »Gesetz
der Beharrung« so: »Im
Gegebenen überhaupt verschwindet nichts, es sei denn ein anderes mit, welches
verschwinden soll, zugleich, aber selber in einer anderen konkreten Einheit
gegeben als die notwendige Bedingung«(Allg.
Psychol. S. 107).
Die englischen Psychologen verstehen unter
geistigem Beharrungsvermögen (»retentiveness«)
die Eigenschaft des »primären«
Gedächtnisses; es beruht auf der Erzeugung funktioneller Dispositionen
(SULLY, Handb.
d. Psychol. S. 157 f.).
Bejahung
(Affirmation) S.
382 ff.
ist die Zustimmung des Denkwillens
zu einem Urteil, die Annahme eines Etwas als gültig, wirklich, wertvoll.
Nach BERND bedeutet bejahen
oder verneinen »einen Beifall geben
oder keinen Beifall geben« (Abh. von
Gott 1742, S. 287, bei DESSOIR, Gesch. d. Psychol. I2, 426).
Nach SCHOPENHAUER
»bejaht« der
Wille das Leben, obgleich es ihm Unheil bringt; denn der Wille ist alogisch.
Nach NIETZSCHE ist das Leben
um jeden Preis zu bejahen. -
Nach FORTLAGE ist
Bejahung »ein
Begriff, welcher bezeichnet, daß mit einem gegebenen bestimmten Vorstellungsinhalt
aus einer gewissen Sphäre ein Inhalt aus einer andern Sphäre eins
und ununterschieden sei, ohne daß damit über die Beschaffenheit des
Identischen irgend etwas ausgesprochen würde« (Psych.
I, S. 91). Das »Ja«
bedeutet die »Aktivität«, das
»Nein« »die
Suspension der Aktivität eines vorhandenen Begehrens oder Triebes«.
»Ja und nein sind Triebkategorien«
(l.c. S. 92).
LOTZE betont: »Man
kann weder Dinge noch Ereignisse, sondern nur eine Beziehung zwischen zwei Beziehungspunkten,
also den Inhalt eines Satzes bejahen«
(Gr. d. Met. S. 10).
Während WUNDT erklärt,
alles Urteilen sei »ursprünglich und
seiner Natur nach affirmierend« (Log.
I, 187),
meint JERUSALEM,
es gehe der Bejahung die
»Zurückweisung der möglichen Negation«
voraus.»Die Sprache bildet erst dann ihr
'Ja' aus, welches die Geltung eines Urteils gegenüber allen Anfechtungen
aufrecht hält. Dieses 'Ja' bleibt ein vom Urteilsakte selbst verschiedener
und auch im Bewußtsein getrennter Ausdruck der Zustimmung«
(Urteilsfunkt. S. 185).
Vgl. Negation.
Bewegung
S. 394 ff.
ist der (aktuelle) Wechsel
der Lage eines Körpers in Beziehung zu anderen
Körpern oder zu einem gedachten Koordinatensystem. Alle Bewegung
ist relativer Art, auch die sogenannte »absolute«
Bewegung. Die scheinbare Bewegung ist die
dem Augenschein oder dem statischen Sinne unmittelbar sich
darstellende Bewegung, sofern sie nicht mit der wahren, mathematisch-physikalisch
bestimmten, konstanten, objektiven, notwendig
zu denkenden Bewegung übereinstimmt. Die
Bewegung gilt als ursprüngliche Eigenschaft
der Materie.
Man spricht auch von einer geistigen Bewegung,
von einer Gemüts- und einer Denkbewegung (s.
Dialektik).
Nach HERAKLIT und PROTAGORAS
ist alles in beständiger Bewegung, alle
Ruhe ist nur Sinnenschein (phasi tines kineisthai
tôn ontôn ou ta men ta d' ou, alla panta kai aei, alla lanthanein
touto tên hêmeteran aisthês in ARISTOTELES,
Phys. VIII 3, 253 b 10).
ZENO von Elea dagegen bestreitet
die Realität der Bewegung. Diese sei in Wahrheit
unmöglich, denn das Bewegte bewegt sich weder da, wo es schon ist, noch
da, wo es nicht ist, also überhaupt nicht
to kinoumenon out' en hô esti topô kineitai out' en hô mê
esti, (Diog. L. IX 11, 72). Vier
Argumente (logoi) bringt er vor.
Bewegung kann nicht stattfinden: 1)
wegen der unendlichen Zahl von Distanzen, die durchlaufen werden müssten,
2) wegen des »Achilleus«,
3) wegen des Ruhens des
»fliegenden Pfeils«, 4)
wegen der Gleichheit der Geschwindigkeit auf dem halben wie auf dem ganzen Wege,
gemessen an der entgegengesetzten Bewegung eines Körpers (ARISTOTELES,
Phys. VI 9, 239 b 33).
Gegen diese Antinomien
rekurriert DIOGENES der Zyniker
auf die Evidenz der Sinne (Diog.L.
VI, 39; Sext. Emp. Pyrrh. hyp. III, 66),
während ARISTOTELES
betont, dass die
Stetigkeit der Zeit und der Bewegung verkannt
werde; diese besteht nicht aus Teilen,
so auch jede andere Größe, sondern sie läßt sich stetig
teilen (Phys. VI 9, 239 b 8; vgl. SPINOZA,
Epist. 29; LEIBNIZ, WW. Gerhard I, 403; J. ST. MILL, Examin. p. 474; DÜHRING,
Krit. Gesch. d. Phil. 1869, S. 40 ff.; GOMPERZ, Griech. Denk. I, 159; ÜBERWEG,
Logik3, S. 409; KÜHNEMANN, Grundl. d. Philos. S. 83 ff.). –
DEMOKRIT erblickt in der
Bewegung eine primäre Eigenschaft der Atome.
Sie ist (nach Stob. Ecl.
I, 18, 394) geradlinig von Natur.
Die Megariker behaupteten, es gäbe an
sich keine Bewegung
(mê einai kinêsin, Sext.Emp. adv.
Math. X, 85 squ.).
PLATO unterscheidet
zwei Arten der Bewegung: qualitative Veränderung
(alloiôsis) und
Ortsbewegung (periphora,
Theaet. 181). Die
primäre Bewegung ist Selbstbewegung (Leg.
894 B, D, 895A), diese
aber ist Leben, Beseelung (l.c. 896 C).
Im Organismus sind die Körperbewegungen von den inneren,
seelischen Bewegungen
(prôtourgoi kinêseis)
abhängig (l.c.
897 A). Die sich selbst bewegende
Weltseele
ist das Prinzip aller kosmischen
Bewegungen (Tim. 43 ff.).
ARISTOTELES versteht unter
kinêsis Veränderung
überhaupt, deren er vier
(De an. I 3, 406 a 12 squ.)
oder sechs
(Categ. 14)
unterscheidet. Sie ist die Verwirklichung des Möglichen als solchen
(hê tou dynatou, hê
dynaton, entelecheia phaneron hoti kinêsis estin,
Phys. III 1, 201 b 4), Übergang aus der Potenzialität
in die Aktualität. Eigentliche Bewegung ist
nur die Ortsbewegung (kinêsis
kata topon, phora, Phys. III 8, 208 a
31). Die Bewegung
ist stetig (synechês,
Phys. IV 11, 219 a 10). Zur
Bewegung bedarf es keines leeren Raumes (gegen die Atomisten),
sondern sie besteht in einer Ortsvertauschung im
Vollen (antiperistasis,
Phys. VIII 10, 267 a 18). Jedem Körper kommt
konstant Bewegung zu (anankê
de aei kinêsin echein sôma pan physikon, De
coel. I 1, 274 b 4). Die
Bewegung ist die Ursache des Werdens
(hê gar phora poiêsei tên
genesin, De gen. et corr. II 9, 336 a
17). Es gibt geradlinige,
kreisförmige, gemischte Bewegung (eutheia,
kyklô, ek toutôn miktê, De
coel. I 1, 268 b 17). Die vollkommenste
ist die kreisförmige Bewegung, sie
kommt dem Äther
und dem Sternhimmel zu (De
gen. et corr. II 11, 338 a 18 squ.). Da alle Bewegung
in der Verwirklichung eines Potentiellen besteht, so muß es zuletzt einen
selbst unbewegten ersten Beweger der Welt (prôton
kinoun akinêton auto, Met.
IV 8, 1012 b 31), Gott
(s. d.), geben; dieser bewegt
erômenos, durch
das Streben der Dinge nach ihm.
Als (geistige) Bewegung
fassen THEOPHRAST und STRATO
das Denken auf (Simpl. Phys. 225 a).
Die Stoiker definieren die
Bewegung (kinêsis)
als metabolên
kata topon ê holô ê merei ê metallagên ek topou.
Es gibt ursprünglich geradlinige
und gewundene Bewegung (eutheian
kai tên kampylên, Stob. Ecl.
I 19, 404, 406).
Nach EPIKUR gibt
es Bewegung kata
stathmên kai kata parenklisin (Stob.
Ecl. I 18, 394)
PLOTIN definiert die Bewegung
im Sinne des Aristoteles
(Enn. VI, 3, 22). Sie
ist kein Seiendes,sondern die Wirksamkeit desselben, dessen Natur sie gleichsam
vollendet (als energeia,
l.c. VI, 2, 6).
Die Scholastiker bestimmen das
Wesen der Bewegung in der Weise des Aristoteles.
AVICENNA: »Motus est
exitus de potentia ad actum in tempore continuo, non subito«
(bei ALBERTUS, Sum. th. I, 73, 2).
ALBERTUS MAGNUS bestimmt
ganz allgemein: »Moveri est aliter se habere
quam prius« (Sum. th. I, 74, 1).
Das prôton kinoun
übersetzt er mit »motor
primus« (l.c. I, 18, 1).
THOMAS nennt die Bewegung
(motus) einen
»actus imperfecti«
(3 an.12 a). »Moveri est exire de potentia
in actum... movens dat id quod habet mobili, inquantum facit ipsum esse in actu«
(Sum. th. I, 75, 1). Es
gibt »motus alterationis« (= »m.
secundum qualitatem«), »m. augmenti et decrementi«, »m.
secundum locum«, »m. appetitus«, »m. affectus«
(Contr. gent. III, 151), »m.
animalis oder sensualis«, »m. intellectualis oder rationis«,
»m. naturalis«, »m. animi«, »m. voluntatis«
(Sum. th. I, 81, 1 C; Contr. gent. III, 23; Sum. th.
I, II, 17, 9, I, II, 22, 2 C.).
SUAREZ bestimmt die Bewegung
als Weg und Fließen (Disp. met.
49, 4).
KOPERNIKUS, KEPLER, GALILEI
verbreiten richtige Anschauungen über die Natur
der kosmischen(quantitativ zu bestimmenden) Bewegungen.
DESCARTES betont, es gäbe
nur Ortsbewegung als Zustand der Materie, den jeder
Körper von außen erleidet. »Non
admitto varia motuum genera, sed solum localem, qui corporum omnium tam animatorum
quam inanimatorum communis est« (Ep.
II, 11; Princ. phil. II, 23). Und zwar ist die
Bewegung »actio,
qua corpus aliquod ex uno loco in alium migrat« (Princ.
phil. II, 24), Ortswechsel. Ruhe ist Aufhören
der Tätigkeit. Genauer bestimmt ist die Bewegung
Übertragung eines Körpers aus der Nachbarschaft der ihn berührenden,
ruhenden Körper in die Nachbarschaft anderer (»dicere
possumus esse translationem unius partis materiae, sive unius corporis, ex vicinia
eorum corporum, quae illud immediate contingunt et tanquam quiescentia spectantur,
in viciniam aliorum« Pr. phil. II, 25).
Jedem Körper kommt in einem Momente nur eine
Bewegung zu (»non possumus isti mobili
plures motus eodem tempore tribuere, sed unum tantum«,
Princ. phil. II, 28). Es gibt keinen leeren
Raum, daher muss ein Körper bei seiner Bewegung andere aus ihrem Orte verdrängen
(l.c. II,
33). Von Natur aus ist jede Bewegung
geradlinig, strebt es zu sein (l.c.
II, 39). Gott hat
die Bewegung erschaffen und erhält ihre Menge
(die »Bewegungsgröße« mv) konstant.
»Nam quamvis ille motus nihil aliud sit in materia
mota quam eius modus, certam tamen et determinatam habet quantitatem, quam facile
intelligimus eandem semper in tota rerum universitate esse posse, quamvis in
singulis eius partibus mutetur« (l.c.II,
36).
Auch nach Spinoza erhält
jeder Körper seine Bewegung von außen
her. »Corpus motum vel quiescens ad motum
vel quietem determinari debuit ab alio corpore, quod etiam ad motum vel quietem
determinatum fuit ab aliquo, et illud iterum ab alio, et sic in infinitum«
(Eth. II, prop. XIII).
Nach TSCHIRNHAUSEN
ist alle Materie in steter Bewegung
(Med. ment. II, 180).
Nach HOBBES
ist alles Naturgeschehen auf
Bewegung zurückzuführen, diese ist »continua
unius loci relictio et alterius acquisitio«
(El. phil. VIII, 10).
LOCKE erklärt, die Bewegung
könne und brauche nicht definiert zu werden (Ess.
II, ch. 4, § 8 ff., II, ch. 18).
NEWTON definiert die
absolute Bewegung als Ȇbertragung
eines Körpers aus einem absoluten Ort in einen andern absoluten Ort«,
die relative als Übertragung
aus einem relativen Ort in einen andern relativen Ort (Princ.
math. 6, IV). Die wahren Bewegungen beruhen auf
Kräften in den Körpern (l.c. p. 8).
Nach BERKELEY ist
alle Bewegung relativ, ein einziger, isolierter
Körper wäre notwendig unbewegt (Principl.
CII); in den Körpern, die nur Vorstellungen
sind (Idealismus) gibt es keinerlei bewegende Kräfte.
Nach LEIBNIZ besteht
alle Bewegung in einer wahrnehmbaren
Lageveränderung der Körper. Wirklich ist die Bewegung,
wenn die unmittelbare Ursache der Veränderung im Körper selbst liegt.
An sich ist die Bewegung Kraftimpuls, deren Erscheinung
das »wohlbegründete Phänomen«
des Ortswechsels darstellt.
»Ce n'est qu'un phénomène réel,
parceque la matière et la masse, à laquelle appartient le mouvement,
n'est pas à proprement parler une substance. Cependant il y a une image
de l'action dans le mouvement, comme il y a une image de la substance dans la
masse; et à cet égard on peut dire que le corps agit, quand il
ya de la spontanéité dans son changement«
(Nouv. Ess. II, ch. 21).
Nach CHR. WOLF
ist Bewegung »continua
loci mutatio« (Ont. § 642; Vern.
Ged.I, § 57).
CRUSIUS: »Bewegung
ist derjenige Zustand einer Substanz, da dieselbe ihren Ort
verändert« (Vernunftwahrh.
§ 391).
HOLBACH: »Le mouvement est un effort, par lequel
un corps change ou tend à changer de place« (Syst.
I, ch. 2, p. 12).
BONNET: »Si l'âme considérant une
étendue comme immobile voit un corps s'appliquer successivement à
différents points de cette étendue, elle se formera la notion
du mouvement« (Ess. de Psych. C. 14).
Nach KANT
ist Bewegung eines Dinges »die
Veränderung der äußeren Verhältnisse desselben zu einem
gegebenen Raum«; Ruhe ist
»die beharrliche Gegenwart (praesentia
perdurabilis) an demselben Orte« (Met.
Anf. d. Naturw. S. 5, 10). Alle erfahrungsmäßig
konstatierbare Bewegung ist relativ
(l.c. S. 3).
Bewegung ist kein apriorischer, sondern ein Erfahrungsbegriff,
weil er außer Raum und Zeit die Wahrnehmung eines
beweglichen Etwas voraussetzt (l.c.
S. 4; Kr. d. r. Vern. S. 66). Die Bewegung
besteht nicht an sich,
sondern ist Erscheinung, objektiver Erkenntnisinhalt; so auch der Idealismus.
Für SCHOPENHAUER
ist die Bewegung Objektivation
des Willens.
Für HERBART ist
sie »objektiver Schein«, »ein
natürliches Mißlingen der versuchten räumlichen Zusammenfassung«,
während im An-sich
der Dinge sich nichts verändert (Met.
II, §295).
HEGEL bestimmt die Ortsbewegung
als »Vergehen und Sich-wieder-erzeugen des
Raums in Zeit und der Zeit in Raum, daß die Zeit sich räumlich als
Ort, aber diese gleichgültige Räumlichkeit ebenso unmittelbar zeitlich
gesetzt wird« (Naturphil. § 261).
Die dialektische
»Bewegung« liegt
dem Seienden zugrunde.
HILLEBRAND erklärt die Bewegung
für die »allgemeine Grundform
der erscheinenden Wirklichkeit«, sie ist
»der positive Ausdruck der ursprünglichen
Kraftstellungen der Substanzen für die Anschauung« (Phil.
d. Geist. I, 108).
TRENDELENBURG nimmt
Bewegung im weiteren Sinne als »das
Allgemeinste, was im Denken und Sein vorkommt«
(Log. Unt. I, 143). Sie
erzeugt die Formen der Dinge (l.c. S. 266).
Die »konstruktive«
Bewegung ist die »allgemeine
Bedingung des Denkens, eine geistige Tat, welche nicht erst von der Erfahrung
abhängt, aber diese möglich macht«,
das a priori des Erkennens (Gesch. d. Kat.
S. 365 ff.).
CZOLBE hält die Bewegung
nicht für eine passive Wirkung, sondern für eine »ursprüngliche
Tätigkeit« (Gr. u. Ursp. d. m. Erk.
S. 80). »Anziehung und Abstoßung sind
nicht Ortsveränderung selbst, sondern ihre Ursache« (ib.).
Nach L.
NOIRÈ ist die Bewegung
eine Grundeigenschaft der Dinge (neben der
Empfindung), »objektive Kausalität«
(Einl. u. Begr. e. mon. Erk. S. 135). »Ihr
Grund- und Urwesen ist aber nur räumliche Differenz, die Zeit gibt ihr
erst das beobachtende, erkennende Objekt« (ib.).
R. HAMERLING betont, die Bewegung
sei ein Leiden, ein Passives (Atom.
d. Will. II, 62) (ähnlich schon v.
HARTMANN).
Nach HELMHOLTZ ist
alle Veränderung in der empirischen Welt Bewegung,
diese ist die »Urveränderung«.
Alle elementaren Kräfte sind »Bewegungskräfte«
(Vortr. u. Red. I4, 379 ff.).
H. SPENCER erklärt, die Darstellung aller objektiven
Tätigkeiten in Ausdrücken der Bewegung sei
nur symbolische Erkenntnis (Psychol. I, §
63; First Princ. § 16).
HODGSON definiert
Bewegung als
»change in percepts of sight, touch, or both«
(Phil. of
Reflect. I, 266).
Nach RIEHL ist
die Bewegung, auf die wir die Sinnesqualitäten
zurückführen, nur ein in der Form der Gesichtswahrnehmung gedachtes,
gedeutetes Geschehen (Phil. Krit. II, 2, S.
35).
Nach NIETZSCHE ist
Bewegung Vorstellung, nur ein Bild des Wirklichen
in der Sinnensprache des Menschen, »Folgeerscheinung«
nicht Urkraft (WW. XV,
297).
Nach WUNDT
besteht die Bewegung
in der »relativen Lageänderung
gegebener Raumgebilde«. Die Ordnung unserer
Vorstellungswelt setzt, soweit sie quantitativ ist, die
Bewegung voraus (Log. I2, S. 518 ff.;
Syst. d. Phil.2, S. 124 ff.). Die objektiven Relationen
der Körper führen auf Bewegungen der Substanzelemente zurück
(Syst. d. Phil.2, S. 437 ff.).
Von den inneren Eigenschaften der Dinge
wird dabei geflissentlich abstrahiert (Syst.
d. Phil.2, S. 459ff.). In das Reich des
»An-sich« fällt die Bewegung als
räumlicher Vorgang nicht, obgleich sie objektiv begründet ist wie
der Raum.
Nach REHMKE heißt
Bewegung »in
aufeinander folgenden Augenblicken an verschiedenen Orten sein«
(Gedenkschrift f. R. Haym S. 109 f.).
SCHUPPE versteht unter Bewegung
»die wahrnehmbare Tatsache, dass ein Subjekt sich
in einem folgenden Zeitpunkte an einem anderen Orte befindet als vorher, also
das andere Wo in einem andern Wann« (Log.
S. 108). Sie ist »keine
Tätigkeit, die verschieden wäre von der Ortsveränderung selbst«
(l.c. S. 109).
SCHUBERT-SOLDERN erklärt
alle Bewegung für relativ (Gr.
e. Erk. S. 297). Sie ist nur denkbar als
»räumliche Beziehung, Änderung der Lage
eines Raumteiles zum andern« (l.c. S.
300).
Nach R. WAHLE präsentiert
sich uns die Bewegung »in
der Sukzession der Erscheinung einer Fläche an verschiedenen Orten«.
Dieses »Durch-den-Raum-durchgleiten«
ist etwas »Unverstandenes
sui generis« (D. Ganze d. Phil. S. 01
ff.). Die Bewegung ist
keine metaphysische Kraft, kein »Faktor«.
Böse
S.441ff.
Siehe auch bei Kirchner
ist das Gegenteil des Guten
, der Gegensatz dazu,
sofern er als solcher bewußt wird; jede Handlung, die dem sittlichen Willen
zuwider ist; alles zwecklos und willentlich Zerstörerische, Negative, brutal
Gewalttätige, unser Fühlen absichtlich Verletzende; alles, was der
Lust am Schlechten, Verwerflichen, Grausamen entspringt.
Das Böse wird zuweilen
als ein dämonisches Princip dem göttlichen,
guten Geiste entgegengesetzt, so im Typhon der
Ägypter, im Ahrimân des Parsismus,
im Satan des späteren Judentums und noch mehr
des Christentums. Als selbständiges Princip wird das Böse
auch von den Manichäern aufgefaßt.
Nach ANTISTHENES ist das
Böse ein dem menschlichen Wesen Fremdes xenikon,
allotrion, (Diog. L. VI, 12, Plat., Conviv.
205 C).
PLATO leitet das Böse
aus der Natur des Körperlichen, aus der Unbestimmtheit, Unordnung des Materiellen,
noch nicht Geformten, ab (Tim. 68 E),
auch aus der »bösen
Weltseele«
(Leg. 896 E). Das Böse
ist ungöttlich, widerstrebt dem Ordnungsprincip (Theaet.
776 A; Polit. 269 D; Tim. 47 E); die gute
Gottheit kann des Bösen Urheber nicht
sein (Rep. II, 379 C).
Die Stoiker setzen das Böse
nur in die Teile des Alls, nicht in den
Kosmos selbst teleon
men ho kosmos sôma estin, outelea de ta tou kosmou merê,
(Plut. de Stoic. rep. 44, 6). Durch das Böse
kommt erst das Gute zur Geltung (l.c.
36, 1). Jenes ist nur ein Mittel zur Beförderung
des Guten
(KLEANTHES, Hymn. v. 18 f.).
Nach PHILO geht das
Böse aus der Verbindung der
Seele mit der unreinen Materie hervor, die nach PLOTIN
selbst schon etwas Böses (kakon)
ist. Das Böse ist nicht im Seienden, es stammt
aus der »alten Natur«, der Materie
(Enn. I, 8, 3, I, 7). Der
Anfang des Bösen der Seele ist das Vergessen
der göttlichen Herkunft, das Verlangen, sich
selbst anzugehören (Enn. V, 1),
ähnlich schon ANAXIMANDER;
PLUTARCH betrachtet das Böse
als eine dem Guten entgegenwirkende Kraft
(De Isid. 46 squ.), die
aus der »bösen Weltseele« stammt
(De an. procr. 3).
Die
Gnostiker verlegen das Böse wiederum in
die Materie (vgl. HARNACK, Dogm. I3, 246).
Nach BOËTHIUS hat das
Böse keine positive Wirksamkeit und Wirklichkeit, es veranlaßt
indirect das Gute
(De cons. phil. IV).
Auch nach CLEMENS
ALEXANDRINUS ist es keine Wesenheit, ist nicht von Gott
geschaffen (Strom. IV, 13).
Es ist nach ORIGENES eine »Beraubung«
(privatio) des wahren, guten Seins, ein Negatives (De
princ. I, 109), eine
Notwendigkeit für die Verwirklichung des Guten. (Contr.
Cels. VI, 53).
AUGUSTINUS sieht im Bösen
die Folge einer verkehrten Willensrichtung, eines Abfalles von Gott
(Enchir. 23); es ist
nur Beraubung, Mangel (amissio) des
Guten, hat nur relatives Sein (De civ.
Dei XI, 22).
DIONYSIUS AREOPAGITA
und JOH. SCOTUS ERIUGENA nennen das Böse
ein »innaturale«, »incausale«
(De div. nat. IV, 16). Letzterer bemerkt: »Non
ergo in natura humana plantatum est malum, sed in perverso et irrationabili
motu rationabilis liberaeque voluntatis est constitutum«
(l.c. IV, 16).
Nach ALEXANDER VON HALES
ist das Böse
»privatio boni« (Sum.
th. I, 18, 9), so auch nach ALBERTUS
MAGNUS (Sum. th. I, 27, 1) und
THOMAS, nach
welchem Gott das Böse
nur als Beförderer des Guten zugelassen
hat (Sent. 32).
Nach J. BÖHME ist
das Böse die negativ-treibende, zum Leben
anreizende Kraft im All,
der »Gegenwurf« des Guten,
als »Zornfeuer« in
Gott selbst enthalten (Aurora).
LEIBNIZ leitet das Böse
aus der Beschränktheit der
endlichen Wesen ab; es dient nur der Vollkommenheit des Ganzen, da nichts
von allem Möglichen fehlen darf. Gott läßt
das Böse zu, weil sonst vieles Gute
verhindert würde (Theod.
Il, Anh. IV, § 34).
Nach CHR. WOLF
ist böse,
»was uns und unsern Zustand unvollkommener
macht« (Vern. Ged. I, § 425).
KANT nimmt ein »radicales«
(ursprüngliches) Böses an, einen
Hang zum Bösen, »welcher,
da es nur als Bestimmung der freien Willkür möglich ist, diese aber
als gut oder böse
nur durch ihre Maxime beurteilt werden kann, in dem subjectiven Grunde der Möglichkeit
der Abweichung der Maximen vom moralischen Gesetze bestehen muß«
(Relig. S. 28). Mit
dem Guten besteht das Böse
ursprünglich im Menschen, es ist ihm angeboren, in seiner Selbstliebe
begründet, entsteht durch eine »transcendentale
Handlung«, ist unausrottbar und verdirbt die reine Moralität
des Menschen (l.c. S. 31).
Es ist eine »angeborene Schuld« (l.c.
S. 38). Es entstand,als der Mensch aus dem Stande
der Unschuld in den der Sünde geriet (l.c.
S. 43); vgl. das Dogma von der »Erbsünde«.
Das Böse ist das, was vom vernünftigen Willen verabscheut werden muß,
was dem moralischen Gesetze entgegen ist (Kr.
d. pr. Vern. I. T., 1. B., 2. Hptst.).
Von einem »Urbösen« in der Seele
spricht HEINROTH (Psychol.
S. 463).
Ein radicales Böses,
d.h. den Egoismus, nimmt auch EUCKEN an
(Kampf um e. geist. Lebensinh. S. 223 f.).
SCHELLING leitet das Böse
aus einer vorzeitlichen Willenshandlung ab, es gehört zum Sein
(WW. I, 7, 403), nachdem
schon BAADER das Böse
als in der »ewigen Natur in Gott« begründet
angesehen hatte; VOLKELT
nimmt etwas Ähnliches an (Ästh.
d. Trag.).
Über das Böse handeln
HERBART (Gespräche
üb. d. Böse 1818), BLASCHE
(Das Böse im Einklang mit d. Weltordn.
1827), H. RITTER (Üb.
d. Böse 1869) u.
a. –
Nach HILLEBRAND ist
das Böse »der
seiner bewußte moralische Widerspruch«. Es
ist ein dialektisches Moment in der Weltordnung, hat keine wesenhafte Wirklichkeit
(Phil. d. Geist. II, 128 f.).
FECHNER meint, das Böse
entstehe wohl in Gott, aber nicht durch seinen
Willen (Zendav. I, 247). Nur
im »Gebiete der Einzelheiten« taucht das Böse
(Übel) auf, das zugleich Quelle des Guten
wird (l.c. I, 244 f.). Das
Böse hat vermöge des Gegenstrebens in Gott
»keinen Gipfel, Zusammenschluß
und Abschluß« (Tagesans. S. 48
ff.).
LIPPS erklärt: »Das
Böse ist ein Verhältnis zwischen der Stärke von Motiven. Es ist
ein Überwiegen von an sich guten oder berechtigten Motiven und ein Zurücktreten
anderer« (Eth. Grundfr. S. 53). »Nicht
das Wollen des Menschen ist böse, sondern sein Nichtwollen«
(l.c. S. 55). Es ist das Böse,
wie der Irrtum, ein Negatives Zwei Quellen des Bösen gibt es, »die
Schwäche von Motiven und den Irrtum oder die Täuschung, vor allem
die Selbsttäuschung« (l.c. S. 56).
PAULSEN betont:
»Was aber das sittlich Schlechte oder das Böse
anlangt, so wird die Ethik es construieren, wie die medicinische Diätetik
Störungen, Schwächen, Mißbildungen construiert; wie hier diese
Vorkommnisse als Folge von äußeren Hemmungen und Störungen angesehen
werden, die der Tendenz der Anlage zu normaler Entwicklung zuwider waren, so
wird die Ethik dasSchlechte
und Böse nicht auf den eigentlichen Willen
des Wesens selbst..., sondern auf ungünstige Entwicklungsbedingungen zurückführen,
unter denen die Anlage verkümmerte und Mißbildungen erlitt«
(Einl. in d. Phil.2, S. 435). Nur
im Kampfe mit dem Bösen kann auf Erden das
Gute Kraft gewinnen. Das
Böse ist um des Guten willen da, als
Reiz, Widerstand, Folie; es ist an sich ein Nichtiges, Negatives (Syst.
d. Eth. I5, 306 ff.).
Der Utilitarismus
bestimmt das Böse (Schlechte)
als das, was die (sociale) Wohlfahrt bewußt
schädigt.
Nach NIETZSCHE entsteht
der Begriff »böse« aus dem »Ressentiment«
der Schwachen gegen den Machtwillen der »Herren«
(Jens. von Gut u. Böse2, S. 228
ff.).
Vgl. Gut,
Übel, Theodicee.
Brahman
S.446
das schöpferische, erhaltende
Prinzip, das Absolute,
das Weltwesen (Veden)
(vgl. DEUSSEN, Allg. Gesch. d. Philos. I 1,
S. 242, 261).
Buddhismus
S. 446
die Lehre BUDDHAS (des
»Wissenden, Erleuchteten«). Prinzipien:
Einheit des Alls, Nichtigkeit und Unwirklichkeit des individuellen Daseins,
der Außenwelt
(»Schleier der Mâja«),
Wiedergeburt, Seelenläuterung, Askese, Mitleidsmoral,
Nirvana
Chaos
(von chainein, gähnen) S.
498 Siehe
auch bei Kirchner
ungeordneter Weltzustand ohne Bestimmtheit, Gesetzmäßigkeit,
Harmonie der Vorgänge,
Urzustand des noch ungeformten Weltstoffes, Weltraumes.
In noch mythischer Weise lehrt
HESIOD, von allem sei zuerst das Chaos entstanden
pantôn men prôtista chaos genet', autar
epeita Gai' eurysternos, (Theog. V, 116);
ek chaeos d' 'Erebos te melaina te Nyx egenonto
(l.c. V, 123).
Nach ANAXAGORAS wird das
Chaos durch den Geist
(nous), (Diog.
L. II, 6) gestaltet.
PLATO nimmt (im
Tim. 30 A ff.) eine chaotische Masse (kinoumenon
plêmmelôs kai ataktôs) und (im
Philebus) ein Unbestimmtes (apeiron)
an.
Gegen die Annahme eines ursprünglichen
Chaos erklärt sich ARISTOTELES
(De coel. 2).
OVID spricht von der »rudis
indigestaque moles« (Met. I, 7).
Nach NIETZSCHE
ist die Welt an sich ein
Chaos von Vorgängen ohne Zwang und Gesetze (WW.
V, 109, vgl. XV, 319).
P. MONGRÉ erblickt
in der empirischen Welt einen von unserem Bewußtsein vollzogenen
»Ausschnitt aus dem gesetzlosen
Chaos« (Das Chaos in kosm. Ausl.
1898).
Dämonen
S.541f.
Geister, insbesondere böse, schädliche. Der
Dämonenglauben bildet einen Bestandteil wohl
aller primitiven Religionen, besonders des »Animismus« (im
Sinne Tylors).
An Dämonen glaubten auch die
Perser, Juden u. a.
Auch in die Philosophie ist die »Dämonologie«
eingedrungen, indem man hier unter Dämonen
geistige Kräfte versteht, welche zwischen der Gottheit
und den Menschen vermitteln. Als Anhänger solchen Glaubens sind besonders
zu nennen:
XENOKRATES (Plut. De
Is. et Osir. 26; De def. orac. 14), die Stoiker
(vgl. ZELLER, Phil. d. Griech. III, 13, 319),
Neupythagoreer (l.c.
III, 23, 91), PLUTARCH (l.c.
III, 23, 176), PHILO JUDAEUS (De
somn. I, 22), PLOTIN
(Enn. VI, 7, 6: esti mimêma
theou daimôn, eis theon anêrtêmenos), AMBLICH,
PROCLUS, BOËTHIUS, PORPHYR
(De abstin. II, 37 ff.),
TATIAN (»hylische Geister«, Orac.
ad Graec. 4).
Darwinismus
S. 542f.
heißt die Lehre des CHARLES
DARWIN (On the origin of species 1859) von
der Variabilität der Arten, vom Kampfe ums Dasein und der natürlichen
Auslese, von der allmählichen Entwicklung der Arten durch diese Faktoren,
durch passive, von außen erreichte Anpassung ohne Zielstrebigkeit und
Teleologie. Vgl. Evolution.
Deismus
S. 560f. Siehe
auch bei Kirchner
Vernunftreligion, Annahme einer
Gottheit, die aber nicht in den Lauf der Natur eingreift, keine Wunder
tut, sich nicht direct offenbart.
Die bekanntesten Deisten
(»Freidenker«, freethinker) des
17.-18. Jahrhunderts sind: HERBERT VON CHERBURY,
CH. BLOUNT, J. TOLAND, M. TINDAL, A. COLLINS, BOLINGBROKE,
SHAFTESBURY, VOLTAIRE,
ROUSSEAU, H. S. REIMARUS.
»Deist« kommt schon bei
BLOUNT, TOLAND und SHAFTESBURY
(The moral. I, 2) vor. (Vgl.
G. V. LECHLER, Gesch. d. engl. Deismus, 1841.)
CRUSIUS bezeichnet
als »Deisten« oder
»Universalisten« eine
»Art von Atheisten«
nach welchen »alles, was wir sehen und hören,
mit zu Gott gehöret«, also die
Pantheisten (Vernunftwahrh.
§ 236).
Nach KANT glaubt der »Deist«
an einen Gott überhaupt (Kr. d. r. Vern.
S. 496). »Der so allein eine transcendentale
Theologie einräumt, wird Deist, der, so auch eine natürliche Theologie
annimmt, wird Theist genannt. Dererstere gibt zu, daß wir allenfalls das
Dasein eines Urwesens durch bloße Vernunft erkennen können, aber
unser Begriff von ihm bloß transcendental sei, nämlich nur als von
einem Wesen, das alle Realität hat, die man aber nicht näher bestimmen
kann. Der zweite behauptet, die Vernunft sei imstande, den Gegenstand nach der
Analogie mit der Natur näher zu bestimmen, nämlich: als ein Wesen;
das durch Verstand und Freiheit den Urgrund aller andern Dinge in sich enthalte«
(l.c. S. 494 f.). »Der
deistische Begriff ist ein ganz reiner Vernunftbegriff, welcher aber nur ein
Ding ist, das alle Realität vorstellt, ohne deren eine einzige bestimmen
zu können« (Prolegom. § 57).
Vgl. Theismus.
Demiurg
(dêmiourgos) S.
201 Siehe
auch bei Kirchner
Weltbildner, Weltbaumeister, Gott
als Gestalter der Welt
aus dem Chaos
oder der Materie,
als Ordner des Weltalles.
So bei PLATO,
der ihn »Allvater«
(patêr toude tou pantos, Tim. 28 C,
29 A) nennt, der Demiurg
ist das Gute an sich, der alles im Sinne der Ideen
gut gestaltet.
Die Gnostiker
nennen Demiurg
den vom höchsten Gott unterschiedenen,
teilweise mit dem Judengotte identificierten, teilweise
sogar als bösartig betrachteten Weltbildner.
NUMENIUS unterscheidet den
Demiurgen als zweiten Gott
(ho deuteros theos, ho dêmiourgos theos) von
der höchsten Gottheit.
Jener bildet in Anschauung, der Ideen die
Welt, den dritten Gott (Prokl.
in Tim. II, 93; Euseb. Praep. ev. XIV, 5). Der
Demiurg wird auch mit dem
Logos identificiert.
Dialektik
(dialektikê) S.593ff.
Siehe
auch bei Kirchner
Unterredungskunst, Methode der Unterredung, begriffliches
Verfahren (durch Entwicklung von Sätzen oder Wahrheiten
aus Begriffen), logische Bewegung des Denkens von
einem Begriff zum anderen mittelst Aufhebung von Widersprüchen.
Im schlechten Sinn bedeutet »dialektisch«
ein auf Überredung hinzielendes Argumentieren ohne stichhaltige Erfahrungsgrundlagen.
Ein dialektisches Verfahren
machte sich schon der Eleate
ZENO zu
eigen (Diog. L. VIII, 57: Aristotelês
en tô Sophistê phêsi prôton Zênôna dialektikên
heurein, vgl. IX, 25).
Die Sophisten begründen eine Dialektik
im schlechten Sinne, die darauf ausgeht, ton hêttô
logon kreittô poiein, durch Scheinbeweise, Sophismen
den Schein der Wahrheit zu erzeugen (vgl.
ARISTOTELES, Rhet. II 24, 1402a 23).
Die Unterredungskunst zum Zwecke der Begriffsbestimmung
übt SOKRATES aus. Im Zusammen-Denken glaubt
er das Wahre, Objective finden zu können: Ephê
de kai to dialegesthai onomasthênai ek tou syniontas koinê bouleuesthai
dialegontas kata genê ta pragmata
(XENOPHON, Memor. IV, 5, 12).
Bei den Megarikern artet die Dialektik
in Eristik aus.
PLATO versteht unter
Dialektik die Kunst des logischen, philosophischen Verfahrens, d.h. des
Verfahrens, durch Analyse und Synthese der Begriffe, durch Fortgang des Denkens
von niederen zu höheren, allgemeineren Begriffen zur Erkenntnis des Seienden,
der Wirklichkeit, der Ideen
zu gelangen hê tou dialegesthai
dynamis ist die
Erkenntnis [gnôsis] peri to on kai to
ontôs kai to kata tauton aei pephykos, sie ist makrô alêthestatê
(Phileb. 58 A, 57 E). Vom Eros, von der Liebe zum
Forschen, ergriffen, sucht der Dialektiker das
Wesen der Dinge zu bestimmen dialektikon kaleis
ton logon hekastou lambanonta tês ousias (Republ.
534 B; vgl.Soph. 253 Phaedr. 265, 266, 276 E).
ARISTOTELES nennt dialektikê
das Beweisverfahren aus überlieferten Sätzen
ex endoxôn (Top.
I 1, 100a 27); dialektikôs
= auf syllogistische Weise (Top. I 14, 105b
31), auch - sophistisch (De
an. I 1, 403a 2); dialektikai protaseis
- Wahrscheinlichkeitsurteile (Anal.
pr. I 1, 24a 22).
Die Stoiker verstehen unter
Dialektik teils die Grammatik, teils die Logik und Erkenntnistheorie.
Das logikon meros zerfällt in Rhetorik
und Dialektik
(Diog. L. VII, 41). Letztere, ist die Wissenschaft tou
orthôs dialegesthai peri tôn en erôtêsei kai apokrisei
logôn; hothen kai houtôs autên horizontai, epistêmên
alêthôn kai psendôn kai oudeterôn
(Diog. L. VII, 42 ff.; vgl. PRANTL,
G. d. Log. I, 413; L. STEIN, Psychol. d. Stoa II, 101).
CICERO spricht über
Dialektik im Sinne der Stoa
(De orat. II, 38, 157; Brut. 41, 152; Disp. Tusc.
V, 25, 72; Acad. II, 28, 91; Top. 2, 6).
SENECA: Dialektikê
»in duas partes dividitur, in verba et significationes i.e. in res quae
dicuntur et vocabula quibus dicuntur«
(Ep. 1, 1; vgl. 89, 9).
EPIKUR ersetzt die Dialektik
durch die »Kanonik«.
JOHANNES SCOTUS versteht unter Dialektik
die Forschung nach dem Wesen der Dinge durch logisches,
speculatives Verfahren. Sie ist »communium
animi conceptionum rationabilium diligens investigatrixque disciplina«(Div.
nat. I, 27), die »mater
artium.« (l.c. V, 4). Sie
geht vom Allgemeinen zum Besonderen und gewinnt aus diesem das Allgemeine.
»Illa pars philosophiae, quae dicitur dialectica,
circa horum. generum divisiones a generalissimis ad specialissima iterumque
collectione a specialissimis ad generalissima versatur« (l.c.
I, 16). »Inchoat per genera generalissima
mediaque genera usque ad formas et species specialissimas« (l.c. V, 4).
»Dialecticae proprietas est rerum omnium, quae intelligi possunt, naturas
dividere, coniungere, discernere, propriosque locos unicuique distribuere atque
ideo a sapientibus vera rerum contemplatio solet appellari« (l.c.
I, 46). Die Dialektik
ist im Wesen der Dinge gegründet »in
natura rerum ab auctore omnium artium, quae vere artes sunt, condita«
(l.c. IV, 4).
Nach ABAELARD
ist die Dialektik die
begriffliche Feststellung der Wahrheit oder Falschheit von Urteilen,
»veritatis seu falsitatis discretio«
(Dial. p. 435).
JOHANN VON SALISBURY erklärt:
»Dialctices intentio, ut sermonum vim aperiat et
ex eorum praedicatione examinandi veri et statuendi scientiam assequatur«
(PRANTL, G. d. Log. II, 236).
Nach LAMBERT VON AUXERRE
ist Dialektik
»ars artium ad principia omnium methodorum viam
habens« (l.c. S. 26).
Nach THOMAS
gibt es eine »dialectica
docens« und »dialectica
utens« (4 met. 4b).
Gegen die scholastische Wertschätzung des dialektischen
Verfahrens wenden sich LUDOVICUS VIVES, NIZOLIUS
und besonders PETRUS RAMUS.
Ihm ist die Dialektik nichts als Disputierkunst.
»Dialectica virtus est disserendi, quod vi
nominis intelligitur: dialegesthai enim et disserere unum idemque valent, idque
est disputare, disceptare atque omnino ratione uti« (Dial.
inst. p. 1). Sie ist »doctrina
disserendi« (l.c. p. 6).
BOVILLUS nennt die dialektische
Denkbewegung »antiparistasis«
.
Nach MELANCHTHON
ist die Dialektik »ars
et via docendi«, »consistit in definiendo, dividendo et argumentando«
(Dial. I, p. 1).
KANT erklärt, die
Dialektik sei nur eine »Logik des Scheins«
(Kr. d. r. Vern. S. 83), eine »ars
sophistica, disputatoria«, die aus einem Mißbrauch der Logik
entspringt (Log. S. 11). Denn
»da sie uns gar nichts über den Inhalt der Erkenntnis lehret, sondern
nur bloß die formalen Bedingungen der Übereinstimmung mit dem Verstande...,
so muß die Zumutung, sich derselben als eines Werkzeugs (Organon) zu gebrauchen,
um seine Kenntnisse, wenigstens dem Vorgeben nach, auszubreiten und zu erweitern,
auf nichts als Geschwätzigkeit hinauslaufen, alles, was man will, mit einigem
Schein zu behaupten, oder auch nach Belieben anzufechten«
(Kr. d. r. Vern. S. 84). Kant selbst will
unter Dialektik nur »eine
Kritik des dialektischen, Scheins« verstanden wissen. Auf dem Gebiete
des Erkennens zunächst besteht eine in der Natur des Denkens liegende
»transcendentale Dialektik«, die zu einer Verwechselung subjectiver
Notwendigkeit mit objectiver Realität führt. Sie »beruht
auf ursprünglichen, natürlichen Illusionen, auf einem transcendentalen
Schein, dessen Folge es ist, daß in unserer Vernunft... Grundregeln und
Maximen ihres Gebrauches liegen, welche gänzlich das Ansehen objectiver
Grundsätze haben und wodurch es geschieht, daß die subjective Notwendigkeit
einer Verknüpfung unserer Begriffe zugunsten des Verstandes für eine
objective Notwendigkeit, der Bestimmung der Dinge an sich selbst, gehalten wird«
(Krit. d. r. Vern. S. 263). Die »transcendentale
Dialektik« als Kritik begründet den »Schein«,
ohne ihn zerstören zu können (l.c. S. 263
f.). »Da aller Schein darin besteht, daß
der subjective Grund des Urteils für objectiv gehalten wird, so wird eine
Selbsterkenntnis der reinen Vernunft in ihrem transcendentalen (überschwenglichen)
Gebrauch das einzige Verwahrungsmittel gegen die Verirrungen sein, in welche
die Vernunft gerät, wenn sie ihre Bestimmung mißdeutet und dasjenige
transcendenterweise aufs Object an sich selbst bezieht, was nur ihr eigenes
Subject und die Leitung desselben in allem immanenten Gebrauche angeht«
(Proleg. § 40; vgl. § 45). Die transcendentale
Dialektik besteht in der Untersuchung der Paralogisme, Antinomien und
Ideale der reinen Vernunft. Es gibt auch eine Dialektik der praktischen Vernunft,
indem diese unter dem Namen des höchsten Gutes
ein Unbedingtes sucht (Kr. d. pr. Vern. I.T., 2. B.).
So auch in der Urteilskraft, nämlich betreffs der Antinomien des Geschmacks
(Kr. d. Urt. § 55 ff.).
J. G. FICHTES philosophische
Methode, nach welcher in Entgegengesetztem das übereinstimmende Merkmal
aufgesucht und der Dreischritt: Thesis, Antithesis, Synthesis gemacht
wird, ist dialektisch (»synthetisch«,
Gr. d. g. Wiss. S. 31; ähnlich HEGEL, S. weiter
unten).
SCHLEIERMACHER versteht unter Dialektik
eine »Kunstlehre
des Denkens«, die Kunst des Begründens
(Dialekt. S. 8), die
philosophische Principienlehre (Metaphysik
und Erkenntnistheorie). Dialektik
ist die Philosophie,
weil das Wissen ein Product des gemeinsamen Denkens ist (l.c.
S. 66). Sie ist »die
Idee des Wissens unter der isolierten Form des Allgemeinen« (l.c.
S. 309, vgl. S. 22, 315).
SCHOPENHAUER versteht unter
Dialektik »die Kunst des auf gemeinsame Erforschung
der Wahrheit, namentlich der philosophischen, gerichteten Gespräches«
(W. a. W. u. V. II. Bd., a.9).
SPICKER erklärt:
»Unter Dialektik verstehen
wir nicht bloß eine Begriffszergliederung, sondern zugleich auch eine
Begriffserzeugung. Beides zusammen fassen wir unter den Ausdruck: 'Begriffsentwicklung'.
Die zwei Hauptmomente der Dialektik sind also: Analyse und Synthese. In jener
wird gezeigt, was ein Begriff ist und was er nicht ist; in dieser, was er sein
soll« (K., H. u. B. S. 165).
WUNDT versteht unter dialektischen
Methoden »alle diejenigen philosophischen
Methoden..., bei denen aus gegebenen Begriffen vermittelst einer rein logischen
Entwicklung andere Begriffe abgeleitet werden« (Phil.
Stud. XIII, 68).
Auf die Wirklichkeit selbst
wendet zuerst PROKLUS den Begriff der
Dialektik an. Der Weltprozess macht eine triadische Entwicklung durch:
aus der Einheit oder Ursache, in der das Erzeugte vermöge seinerÄhnlichkeit
verharrt (monê) tritt es heraus
infolge seiner Unähnlichkeit (proodos),
um dann wieder zu ihr zurückzukehren (epistrophê)
(Procli stoicheiôsis theologikê,
c. 31 ff.).
Später überträgt
HEGEL die
dialektische Entwicklung, die nach ihm das logische Denken beherrscht,
auf das Sein. Die Dialektik ist »die
wissenschaftliche Anwendung der in der Natur als Denkens liegenden Gesetzmäßigkeit«
(Encykl. § 10) und zugleich diese
Gesetzmäßigkeit selbst. Diese besteht in der immanenten Bewegung
des »Begriffs«, der infolge des in
ihm steckenden »Widerspruchs«
sich selbst aufhebt, um wieder zu sich, auf einer höheren Stufe,
zurückzukehren. Der Begriff schlägt in sein Gegenteil um, geht mit
diesem in einem höheren Begriff zusammen, wodurch der Widerspruch »aufgehoben«
wird. »Das dialektische Moment ist das eigene Sich-aufheben
solcher endlichen Bestimmungen und ihr Übergehen in ihre entgegengesetzte«
(Encykl. § 81. So entwickeln sich die
Begriffe auseinander »in unaufhaltsamem, reinem,
von außen nichts hereinnehmendem Gange«(Log.
I, 41). Der Geist ist hierbei nicht productiv, sondern sieht der Selbstentwicklung
des Begriffs zu (Rechtsphil. S. 65). Die Dialektik
ist »die eigene, wahrhafte Natur der Verstandesbestimmungen,
der Dinge und des Endlichen überhaupt« (Encykl.
§ 81). Die geistige Entwicklung geht vom An-sich-sein durchs Für-sich-sein
zum An- und Für-sich-sein.
HILLEBRAND: »Alles,
Geistige hat Form und Inhalt... nur in der Dialektik seines eigenen Tuns«
(Phil. d. Geist. II, 95).
SCHASLER erklärt
den dialektischen Proceß als »Fortgang
vom abstract Allgemeinen durch die Differenz und Besonderung zum Individuellen,
worin der in der Besonderung enthaltene Gegensatz zu einer höheren Einheit
aufgehoben, d.h. die abstracte Einheit des Allgemeinen zur concreten erhoben
wird« (Kr. Gesch. d. Ästh. S. 8).
J. E. ERDMANN überträgt
die Dialektik auf
die Psychologie (Psychol. Briefe3, 209, 250,
256).
BAHNSEN nimmt nur eine
»Realdialektik«, eine
(antilogische) dialektische
Entwicklung des Seins an (s. Widerspruch).
R. HAMERLING betrachtet die
Seins-Dialektik als logisch, zweckmäßig, er kennt auch eine Dialektik
des Denkens und der Anschauung (Atom. d. Will.
I, 73 ff.).
Im Sinne Hegels lehrt
CARNERI (Sittl.
u. Darwin. S. 12). Vgl. E. DÜHRING, Natürl.
Dialektik 1865.
Dualismus
S.651 Siehe
auch bei Kirchner
Zweiheit (z.B. von Principien).
Der Ausdruck »dualitas« schon
bei BOËTHIUS. -
Ein »Princip der ursprünglichen
Dualität« in den Tatsachen kennt M.
DE BIRAN (Essai sur les fondem. de Psychol., Introd.
gén. II).
Nach WUNDT findet der
discursive Charakter des Gedankenverlaufs im »Gesetz
der Zweigliederung oder logischen Dualität« seinen
Ausdruck. Es wird nämlich durch die apperceptive Analyse der Inhalt einer
Gesamtvorstellung anerkennt die Verschiedenheit der Daseins- oder Erscheinungsformen
des Wirklichen, ist aber mit einem metaphysischen Monismus verträglich;
der metaphysische Dualismus ist kosmologischer
und anthropologischer Art.
Die ältere Bedeutung von »Dualismus«,
die auch heute noch neben der angeführten besteht, ist die einer ethisch-religiösen
Weltanschauung. der zufolge zwei Principien im
All einander gegenüberstehen: das Gute, der Lichtgeist,
das Göttliche, und das Böse, die Finsternis,
der Satan, wobei aber in der Regel doch
die Superiorität des guten Princips betont wird. In diesem Sinne wird das
Wort »Dualismus« gebraucht bei THOMAS
HYDE (Histor. rel. vet. Pers. 1700, c. 9; nach
EUCKEN, Terminol.).
Durch BAYLE findet es seine Verbreitung. Die neuere
Bedeutung hat das Wort schon bei CHR. WOLF.
»Dualistae sunt, qui et substantiarum materialium
et immaterialium existentiam admittunt« (Psychol.
rat. § 39).
Der »Dualist« glaubt, nach MENDELSSOHN,
»es gäbe ebensowohlkörperliche als geistige
Substanzen« (Morgenst. I, 6).
Nach KANT ist »Dualism«
auch »die Behauptung einer möglichen Gewißheit von Gegenständen
äußerer Sinne« (Krit. d. r. Vern. S. 311).
Den »religiösen« Dualismus lehren
die Perser (Ahuramazda
- Ahriman), PLUTARCH, die Manichäer
, in gewissem Sinn auch J. BÖHME, R.
FLUDD (Phil. mosaïc. 1, 3, 6),
SCHELLING. Vgl.
Gott.
Einen ethischen Dualismus bekunden die Stoiker,
nach denen Naturnotwendigkeit und (sittliche) Freiheit
des Willens einander gegenüberstehen, und KANT
mit seiner Lehre vom absoluten Gegensatze zwischen Sinnlichkeit und Geistigkeit
(dem vernünftig-moralischen Gesetze).
Der metaphysische Dualismus kommt in reinen und
unreinen Formen vor. Zuerst bei ANAXAGORAS, der
dem passiven Stoffe den ordnenden, gestaltenden »Geist«
(nous) gegenüberstellt, der zu jenem hinzukommt eita
ho nous elthôn auta diekosmêse (Diog.
L. II, 6).
PLATO scheidet die Welt in zwei voneinander gesonderte (chôrista)
Bestandteile: die Sinnendinge, die immer werdend, nicht seiend,
und die Ideen, die seiend
sind.
ARISTOTELES bringt mit der Unterscheidung von
»Form« und »Stoff«
der Dinge ein dualistisches Moment in seine Philosophie.
Noch abgeschwächter ist dieser »Dualismus«
bei den Stoikern.
Dagegen kommt er bei den Neuplatonikern wieder
zum Ausdruck; Geist (Seele) und Materie stehen
einander hier schroff gegenüber; die Sinnenwelt ist von der »intelligiblen«
ganz verschieden.
Anthropologische Dualisten (s.
Seele) sind (wie PLATO, ARISTOTELES u. a.)
einige Kirchenväter, AUGUSTINUS,
THOMAS und andere Scholastiker, auch Mystiker,
wie BONAVENTURA, welcher bemerkt: »Facit
Deus hominem ex naturis maxime distantibus (corpore et anima) coniunctis in
unam personam et naturam« (Breviloqu.
II, 10).
Eine neue, schroffe Formulierung erfährt der Dualismus
durch DESCARTES. Vom »Cogito,
ergo sum« ausgehend, bestimmt er die Seele
als rein geistige, vom Leibe toto genere verschiedene Substanz, als »res
cogitans« im Gegensatz zur »res extensa«.
Zwischen Leib und Seele besteht Wechselwirkung, die freilich nur mit
Gottes Beistand (»concursus, assistentia
Dei«) möglich ist. Zwei Substanzarten, Geist und Körper,
constituieren die Welt. Die Verschiedenheit beider sowie von Seele und Leib
ist »klar und deutlich«, daher objectiv
gewiß. »Substantias - percipimus a se mutuo
realiter esse distinctas, ex hoc solo, quod unam absque altera clare et distincte
intelligere possimus. - Itemque ex hoc solo, quod unusquisque intelligat se
esse rem cogitantem, et possit cogitatione excludere a se ipso omnem aliam substantiam,
tam cogitantem quam extensam, certum est unumquemque sic spectatum, ab omni
alia substantia cogitante atque ab omni substantia corporea realiter distingui«
(Princ. philos. I, 60).
Die Occasionalisten nähern diesen Dualismus
dem Monismus, in den er fast ganz bei SPINOZA übergeht,
der Geist und Materie als bloße Attribute eines Wesens, der Substanz ,
ansieht.
Dualistischer ist LEIBNIZ,
obgleich er im Materiellen nur die Erscheinungsform des Geistigen erblickt aber
er bestimmt die Seele als eine Einzelmonade,
die vom
Leibe verschieden ist.
Eine Erneuerung des scholastischen Dualismus findet
sich bei den modernen katholisch denkenden Philosophen, z.B. bei
GUTBERLET.
Den Cartesianischen Dualismus erneuert
GÜNTHERS »creatürlicher Dualismus«.
Einen anthropologischen Dualismus (zum
Teil in Annäherung an LEIBNIZ) vertreten HERBART,
VOLKMANN, LOTZE, J.
H. FICHTE, ULRICI, MARTINEAU, JAMES,
G. THIELE, L. BUSSE, KÜLPE, REHMKE,
W. JERUSALEM u. a.
das
Eine S.666
siehe
Einheit.
Einfachheit
S. 666f.
bedeutet Freisein von Teilen
und Ausdehnung. Einfach ist der geometrische, der dynamische
Punkt, das Atom, einfach ist die Ichheit in ihrer (abstrakten) Reinheit.
Von einigen wird die Seele für
ein einfaches Wesen gehalten.
CHR. WOLF definiert: »Ens
simplex dicitur quod partibus caret«
(Ontol. § 673), »extensum non est«
(l.c. § 675), »est
indivisibile« (l.c. § 670),
»nulla
praeditum est figura«(l.c. § 677),
»caret magnitu-dine« (l.c. §
678), »nullum spatium implere potest«
(l.c. § 679). Das Einfache
ist das schlechthin Teillose,
Größelose, Formlose u.s.w. (Vern. Ged.
I, § 81). Wie LEIBNIZ (S.
Monaden) erklärt er: »Wo zusammengesetzte
Dinge sind, da müssen auch einfache sein« (Vern.
Ged. I, § 76).
KANT betont, »dass, wenn
unsere Sinne auch ins Unendliche geschärft würden, es doch für
sie gänzlich unmöglich bleiben müsste, dem Einfachen auch nur
näher zu kommen, viel weniger endlich darauf zu stoßen, weil es in
ihnen gar nicht angetroffen wird; da alsdann kein Ausweg übrig bleibt,
als zu gestehen: dass die Körper gar nicht Dinge an sich selbst, und ihre
Sinnenvorstellung, die wir mit dem Namen der körperlichen Dinge belegen,.nichts
als die Erscheinung von irgend etwas sei, was, als Ding an sich selbst, allein
das Einfache. enthalten kann, für uns aber gänzlich unerkennbar bleibt«
(Üb. e. Entdeck. S. 29). »Ein
Objekt sich als einfach vorstellen, ist ein bloß negativer Begriff, der
der Vernunft unvermeidlich ist, weil er allein das Unbedingte zu allem Zusammengesetzten...
enthält, dessen Möglichkeit jederzeit bedingt ist.« Ob
das Ding an sich einfach oder zusammengesetzt ist,
können wir nicht wissen (gegen die Monadologie) (l.c.
S. 29). -
FECHNER erklärt: »Das
psychisch Einheitliche und Einfache knüpft sich an ein physisch Mannigfaltiges,
das physisch Mannigfaltige zieht sich psychisch ins
Einheitliche, Einfache oder noch Einfachere zusammen« (Elem.
d. Psychoph. II, 526).
R. WAHLE: »Der Begriff, des Einfachen ist
die vernünftig nicht fassbare Verkörperung des Wunsches, den Gegensatz
von demjenigen zu begreifen, an dem wir Teile wahrnehmen können«
(Das Ganze d. Philos. S. 90).
Vergleiche Monaden,
Teilbarkeit, Unendlichkeit.
Einheit
S. 668 ff. Siehe
auch bei Kirchner
ist ein Fundamentalbegriff, der aus der Reflexion auf
die verbindend-zerlegende Tätigkeit des Bewußtseins, des Ich entspringt.
Das Ich ist die Quelle aller Einheitsbegriffe, es ist
(sich und Objecte setzende) Einheitsfunction, faßt Erlebnisse,
Inhalte in einem Act, in einem Complex, in einer Synthese zusammen und trennt,
unterscheidet einen Inhalt, einen Complex von Inhalten von anderen Inhalten
oder Objecten. Die Einheit des Bewußtseins
(der Apperception) ist das Formal-Apriorische alles
Erkennens, die subjective Quelle der Kategorien und Anschauungsformen sowie
der Setzung von Objecten -
»Einheit« ist
sowohl das Als-eins-gesetzt-sein als auch, im engeren
Sinne, das, was als eins gesetzt wird, das Eine, die Eins.
Einheit ist nicht mit Einfachheit identisch, sie schließt die Vielheit
nicht aus, kann sie einschließen. Die Einheit
des Vielen, Mannigfaltigen ist anschaulich oder begrifflich, mathematisch
(numerisch), causaldynamisch oder teleologisch, je nach der Art der Zusammenfassung,
Verbindung. Die subjective Einheit ist die des
Ich, die objective die des Dinges, die kosmologische die der Welt, von der noch
die göttliche Einheit unterschieden werden kann. - Der Terminus »Einheit«
stammt von LEIBNIZ (für
unitas, unité), früher sagte man »Einigkeit«.
Zunächst betrachten wir die verschiedenen Bestimmungen des Begriffs Einheit
im allgemeinen.
ARISTOTELES unterscheidet
das schlechthin Eine (hen
kath' hauto) und die
relative Einheit (hen kata symbebêkos);
ersteres besteht im Stetigen und Unteilbaren (Met.
V 6, 1015 b 16 squ., III 3, 999 a 2). Einheit ist
nicht Zahl (Met.
XIV 1, 1088 a 6), sondern die Quelle
aller Zahl (Met. V 6, 1016 b 18), sie
ist kein Gattungsbegriff (Met. VIII 6, 1045
b 6), ist nicht mit Einfachheit zu verwechseln
esti to hen kai to haploun ou to auto (Met.
XII 7, 1072 a 32; vgl. V 6, 1016 b 25).
Der Mathematiker EUKLID bestimmt:
monas estin, kath' hên hekaston tôn ontôn
hen legetai (Elem. VII).
Nach BOËTHIUS ist
in der wahren Einheit keine Zahl.
Die Scholastiker betrachten
die Einheit (unitas) als Attribut jedes Dinges
(»omne ens verum, unum, bonum«). »Unitas
igitur singulis rebus forma essendi est; unde vere dicitur: omne quod est ideo
est quia unum est« (bei HAURÉAU
I, p. 402).
ALBERTUS MAGNUS erklärt:
»unitas est qua quaelibet res una est«
(Sum. th. I, 22, 1). Zu
unterscheiden sind: »unitas puncti, corporis,
homogenii, principiorum substantiae, componentium quidcumque compositum, et
intelligibilium« (l.c. 20, 2).
THOMAS unterscheidet
»unitas numeralis« und »unitas
transcendens« (metaphysische Einheit, Einheitlichkeit)
(Sum. th. III, 2, 9 ad 1; 1 sent. 31, 3, 1c); »ratio
unitatis consistit in indivisione« (l
sent. 24, 1, 2c). Die »unitas
formae«ist das, vermöge dessen
»nihil est simpliciter unum, nisi per formam unam,
per quam habet res esse« (Sum. th.I,
76, 3). »Unum nihil aliud significat quam
ens indivisum« (l.c. I, 11, 1).
Unter »unitas essentialis«
verstehen die Scholastiker die
Einheit der Wesenheit, der Natur eines Dinges.
Nach den Formalisten gibt es nur eine Einheit in
vielen Individuen.
SPINOZA betont, daß
die Einheit dem Wesen nichts hinzufüge
(»unitatem... enti nihil addere«),
sie ist (wie nach DESCARTES)
bloß ein Begriff »tantum
modum cogitandi esse, quo rem ab aliis separamus, quae ipsi similes sunt, vel
cum ipsa aliquo modocoveniunt« (Cogit.
met. I, 5).
LEIBNIZ sagt im scholastischen
Sinne: »Ce qui n'est pas véritablement
un estre, n'est pas nan plus véritablement un estre«(Gerh.
II, 97). »Il n'y a point de multitude sans
des véritables unités« (l.c.
IV, 482) s. Monaden.
CHR. WOLF: »Inseparabilitas eorum, per quae
ens determinautr, unitas entis appellatur« (Ontol.
§ 328).
BONNET erklärt
die Vorstellung der Einheit
so: »L'âme
ne considérant dans chaque objet que l'existence et faisant l'abstraction
de toute composition et de toute attribut, elle acquerra l'idee d'unité«
(Ess. de Psychol. C). 14).
BERKELEY erklärt Einheit
für eine gegenstandslose, abstracte Idee (Princ.
XIII, CXX).
HUME bertrachtet als Einheit
nur das Unteilbare (Treat.
II, sct. 2).
Von nun an wird die Einheit der
Objecte (und des Bewußtseins) vielfach aus
dem Selbstbewußtsein abgeleitet. So zunächst von KANT.
Die Einheit des (reinen)
Selbstbewußtseins, die Einheit
der synthetischen Function des Subjects ist die
Quelle aller Einheit in der Erkenntnis,
die formale Bedingung aller Erfahrung, d.h. sie ist transcendental.
Nichts kann ein Erkenntnisobject werden, ohne in die Einheit
des Bewußtseins, der »Apperception«
gefaßt worden zu sein. Es ist »die Einheit,
welche der Gegenstand notwendig macht, nichts anderes..., als die formale Einheit
des Bewußtseins in der Synthesis des Mannigfaltigen der Vorstellungen«
(Krit. d. r. Vern. S. 119).
Die »transcendentale Einheit«
der productiven, verknüpfenden Einbildungskraft ist
»die reine Form aller möglichen Erkenntnis«
(l.c. S. 129). Die »Einheit
der Apperception« besteht in der Identität
des Ich mit sich selbst durch alle Modificationen hindurch, in dem »ich
denke«, das
alle Vorstellungen des Ich begleiten muß können (l.c.
S. 659). Alle Bewußtseinsinhalte werden,
um objectiv zu sein, auf die allbefassende, reine Apperception bezogen
(l.c. S.133). Die »transcendentale
Einheit der Apperception« macht aus den Erfahrungsinhalten einen
gesetzmäßigen, Zusammenhang; das Subject legt seine eigene Einheit
in die Objecte hinein (l.c. S. 121).
Als Betätigungen der Einheitsform des Bewußtseins
überhaupt bringen die Kategorien Einheit in
die Anschauungsobjecte (l.c. S. 129).
Nach FRIES sind die Einheitsvorstellungen
»das reine Eigentum unsrer Selbsttätigkeit
im Erkennen« (Syst. d. Log. S. 54). Es
gibt eine »analytische«
Einheit (Allgemeinheit) und
eine »synthetische«Einheit,
welche »viele Vorstellungen in sich enthält«
(l.c. S. 95).
Nach SCHLEIERMACHER liegt
die Quelle der Einheit von Objecten in der Vernunfttätigkeit
(Dial. S. 63).
Nach HERBART besitzt der psychische
Mechanismus eine ursprüngliche Einheit.
»Die Einheit der Seele selbst ist der tiefe Grund,
aus welchem in unser Vorstellen diejenige Einheit kommt, die wir hintennach
im Vorgestellten vermissen« (Lehrb. z.
Psych.3, S. 135 f.). Was im Vorstellen nicht durch
»Hemmungen« getrennt
wird, »das bleibt
beisammen und wird vorgestellt als eins«
(Psychol. a. Wiss. II, S. 115).
Nach LOTZE ist die dingliche Einheit
kein Gegenstand der Erfahrung (Gr. d. Met.
S. 17). Die Seele ist eine
Einheit, setzt denkend Einheiten (Med.
Psychol. S. 15; Mikrok. I, 174).
Nach FECHNER knüpft sich
die Einheit des Bewußtseins »an
einen wechselwirkenden Zusammenhang« der Weltelemente«
(»synechologische« Ansicht, Tagesans.
S. 246). »Das psychisch Einheitliche und
Einfache knüpft sich an ein physisch Mannigfaltiges, das physisch Mannigfaltige
zieht sich psychisch ins Einheitliche, Einfache oder doch Einfachere zusammen«
(Elem. d. Psychophys. II, 526).
Nach LIPPS besteht alle Einheit
»in der Einheit des zusammenfassenden
Denkens. Dagegen gibt es keinen Sinn,die Einheit als etwas zu fassen, das wir
in den Dingen fänden und anerkennten«
(Gr. d. Seelenleb. S. 590). Einheit bezeichnet
»die einfache Setzung eines Mannigfaltigen«,
Einzelheit aber »die einfache Setzung von
bestimmten Inhalt im Gegensatz zur Setzung weiterer Objecte« (Gr.
d. Log. S. 99).
Nach EBBINGHAUS
wird die Einheit eines Ganzen
nicht erst durch das Denken gesetzt, sondern kann unmittelbar wahrgenommen werden
(Gr. d. Psychol. I, 481 ff.).
SIGWART unterscheidet äußerliche
und zufällige, causale und teleologische Einheit
(Log. I2, 258 ff.).
E. v. HARTMANN erklärt:
»Jede Einheit ist Einheit
mehrerer oder Vieleinigkeit, jede Vielheit ist Getrenntheit oder Vereinzelung
eines irgendwie Geeinten« (Kategor. S.
231). Zu unterscheiden sind: substantielle und
functionelle Einheit, dynamisch thelistische und
logisch ideale Einheit, causale und teleologische Einheit
(l.c. S. 234 f.). Die
Einheit des Bewußtseins entsteht durch das
Vergleichen gegenwärtiger mit vergangenenVorstellungen
(Philos. d. Unbew. II10, 62). Das individuelle
Ich ist nicht das eine, absolute Subject, sondern eine Summe von Tätigkeiten,
die von einer »Centralmonade« dirigiert
werden (l.c. II, 481, 404 f.;Mod. Psychol.
S. 287 ff.).
Nach WUNDT beruht die Einheit
des Ich auf der Einheit des Wollens, des
Appercipierens (Vorles. üb. d. Mensch.2,
S. 271, 250). Der Wille (die
Apperception) ist eine Einheitsfunction, das Denken ist Willenshandlung
und damit auch die Quelle der objectiven Einheitsvorstellungen (Log.
I, 417; Grundz. d. ph. Psychol. II4, 499; Phil. Stud. X, 119). »Einheit
der Apperception« ist »die
Tatsache, daß jeder in einem gegebenen Augenblick appercipierte Inhalt
des Bewußtseins ein einheitlicher ist, so daß er als eine einzige
mehr oder minder zusammengesetzte Vorstellung aufgefaßt wird«
(Völkerpsych. I 2, 466).
RIEHL erblickt im Ich
die formale Einheit aller Bewußtseinsvorgänge,
die auch das Objective erst zur Einheit verknüpft
(Phil. Kritic. II 1,234; vgl. Identität).
SCHUPPE findet die numerische
Einheit darin, daß »positive
Bestimmtheit als solche bewußt wird, ohne in sich Unterschiede erkennen
oder beachten zu lassen« (Log. S. 104)
Der Einheitsbegriff gehört dem Identitätsprincip
an. Einheit ist »niemals
unmittelbares Sinnesdatum..., sondern immer hinzugedacht« (l.c.
S. 105) Sie ist das, was den Dingcharakter ausmacht
(l.c. S. 120).
H. CORNELIUS bemerkt: »Wenn
wir... von einer Zusammensetzung unseres gesamten Bewußtseinsinhaltes
aus Teilen und von einheitlichen Teilen im Gegensatze zu den daraus gebildeten
Mehrheiten sprechen, so führt uns dazu die Erfahrung, daß wir eben
diese Teile nicht immer bloß in der betreffenden Zusammenstellung, nicht
bloß als Glieder gerade dieser Mehrheit, sondern auch abgesondert bez.
in anderer Umgebung kennen lernen« (Einl.
in d. Philos. S. 173).
HUSSERL erklärt:
»Alles wahrhaft Einigende... sind die Verhältnisse
der Fundierung«. Einheit
ist ein »kategoriales Prädicat« (Log.
Unt. II, 272 f.).
Nach VOLKELT
ist die Einheit des Bewußtseins unmittelbar
gegeben, sie ist Product einer unbewußten Tätigkeit (Psychol.
Streitfr. II; Z. f. Philos. Bd. 92, S. 80, 99 f.; vgl. Bd. 112 u. 118)
NATORP betrachtet die Bewußtseinseinheit
als eine ursprüngliche
Tatsache (Einl. in d. Psychol. S. 11 ff.,
112).
SO auch REHMKE; das
Bewußtsein selbst ist Einheitsgrund
(Allg. Psychol. S. 152 ff., 452 ff.).
So auch L. BUSSE,
nach welchem sie kein Analogon im physischen Organismus
hat (Geist u. Körp. S. 226; gegen HÖFFDING,
Psychol.2, S. 62). »Die Einheit
des Bewußtseins bedeutet nicht eine besondere Vorstellung, die
zu den anderen Vorstellungen gelegentlich noch hinzuträte, sie bedeutet
ebensowenig eine Summation der einzelnen, mit der Eigentümlichkeit der
Bewußtheit ausgestatteten 'Psychome' oder 'Psychosen', sondern sie stellt
eine dieselben zusammenfassende und sie in Beziehung zueinander setzende formale
und allgemeine Eigentümlichkeit alles Bewußtseins überhaupt
dar.« »Und für diese Grundeigentümlichkeit des seelischen
Lebens mangelt es... an einem physischen Analogon« (G.
u. K. S. 226).
Nach HÖFFDING
ist die Einheit des Bewußtseins
ein Product synthetischer Tätigkeit in der Vielheit der Zustände
(Psychol. S. 64). Ähnlich ARDIGÓ
(Unità della conscienza 1898),
G. VILLA (Einl.
in d. Psychol. S. 469).
Nach G. SPICKER setzt
die Einheit des Bewußtseins die reale Einheit
des Organismus voraus (Vers. e. n. Gottesbegr.
S. 165)
Nach SIMMEL ist
die Einheit der Seele »offenbar
nur der Name für das empirisch normale Zusammenbestehen ihrer Inhalte«(Einl.
in d. Moralwiss. II, 370).
Nach CLIFFORD ist
die »Einheit der
Apperzeption«»nicht in dem augenblicklichen,
einigenden Bewusstsein
vorhanden, sondern in seiner nachträglichen Reflexion auf dasselbe«;
dieses besteht in der Fähigkeit, »einen
gewissen Zusammenhang zwischen den Erinnerungen zweier Empfindungen herzustellen,
die wir in demselben Augenblick gehabt haben« (Von
d. Nat.d. Dinge au sich S. 38 f.).
E. MACH meint: »daß
die verschiedenen Organe, Teile des Nervensystems, miteinander physisch zusammenhängen
und durcheinander leicht erregt werden können, ist wahrscheinlich die Grundlage
der, psychische' Einheit« (Anal. d. Empfind.4,
S. 21, 22f.).
Nach der Associationspsychologie ist die
Bewußtseinseinheit das Product der Verbindung und Wechselwirkung
der Bewußtseinsinhalte, bezw. der Oganismus-Teile und -Functionen.
Bezüglich der kosmologisch-göttlichen
Einheit, des Einheitsprincips der Dinge
ist die pantheistische,
theistische, atheistische
Auffassung zu unterscheiden.
Als eine Einheit betrachtet das All
PARMENIDES hen kai
pan, siehe Pantheismus.
PYTHAGORAS sieht in der
Einheit (monas) das Princip der
Dinge und deren Wesenheiten (der »Zahlen«,
s. d.): archên men hapantôn monada
(Diog. L. VIII, 25; Stob. Ecl. I, 2, 58; vgl. I, 308).
PLATO nennt die »Ideen«
Einheiten (monades, henades);
die höchste Einheit
ist die Idee des Guten.
MODERATUS erblickt in der
Eins die Ursache der Harmonie
der Dinge (Porphyr., Vit. Pythag. 48 ff.; Stob.
Ecl. I 1, 18; vgl. 306).
PLOTIN bezeichnet die überseiende, übergeistige
(epekeina nou), übervernünftige göttliche Wesenheit, aus der
alles emaniert, als das Eine (hen). Es ist nicht das All selbst, sondern pro
pantôn (Ennead. III, 8, 8), aber
es enthält alles (l.c. VI, 7, 32). Von
ihm geht alles aus, und es ist das Ziel aller Dinge (l.c.VI,
2, 11, vgl. VI, 2, 21 f.; s. Gott).
JAMBLICH nimmt
eine erste und zweite überseiende Einheit
an (Stob. Ecl. I, 184; vgl. ZELLER III 23,
688, 793 ff.).
NICOLAUS CUSANUS
nennt ( s.Gott)
die »unitas absoluta«
(Doct. ignor. II, 4); so auch G.
BRUNO. Nach ihm und nach SPINOZA
ist das All eine Einheit göttlicher
Art.
SCHELLING erklärt:
»Alles ist absolut eines,
und alle Totalität quillt unmittelbar aus der absoluten Identität
hervor« (Naturphilos. S. 276).
Nach SCHOPENHAUER
liegt allem Sein ein einheitlicher
Wille zugrunde.
Nach R. HAMERLING ist
die ewige Einheit eins und vieles zugleich
(Atom. d. Will. I, 145). Vgl.
Gott, Monaden
Einsicht
S. 679
Wissen um das Richtige,
Verständnis, Beurteilungsvermögen theoretisch-praktischer Art,
von den Stoikern u. a. als Quelle aller Tugenden
betrachtet. Sie ist epistêmê agathôn
kai kakôn kai oudeterôn oder epistêmê hôn poiêteon
kai ou poiêteon kai oudeterôn (Stob.
Ecl. II, 102; Sext. Empir. adv. Mathem. XI, 170, 246).
Ekstase
(ekstasis) S.
684ff. Siehe
auch bei Kirchner
Außer-sich-sein, Verzückung, Entrückung
der Seele von den Eindrücken
der Sinne, Steigerung des
Bewusstseins über alles Normale hinaus zur erregten, phantasievollen,
gefühlsmäßigen Erfassung geistiger Inhalte in einer lebendigen
Vision. Die Zustände
der Ekstase sind von hoher psychologischer, socialer,
religiöser, ethischer, ästhetischer Bedeutung (vgl.
ACHELIS, Die Ekstase S. 24 ff., 113 ff., 184 ff., 196 ff., 208 ff.).
In der mystischen
Philosophie spielt die Ekstase
als derjenige Zustand, in den die Seele durch Übung (Askese)
und Reinigung (Katharsis) von allen Begierden,
durch beständige Concentration der Aufmerksamkeit auf die Inhalte der produktiven
Phantasie gerät,
als (vormeintliche) unmittelbare Erfassung des
Göttlichen,
eine große Rolle.
Die Keime zur Lehre von der Ekstase
in diesen Sinne finden sich schon bei PLATO
und ARISTOTELES
(vgl. Problem.30, 1); die
künstlerische Ekstase, Begeisterung, ist besonnen,gehört
zur künstlerischen Phantasie; (vgl. Poët.
17, 2).
Aber erst bei PHILO, und noch
viel mehr bei PLOTIN ist sie ausgebildet. Nach letzterem
ist die Ekstase ein Zustand, der durch katharsis
und askêsis zuweilen
erreicht werden kann, ein Zustand des Ruhens in
Gott, der unmittelbar erfaßt wird haplôsis,
haphê, (Enn. VI, 9 11). Im
Innern, bei sich weilend, versunken im
reinen Schauen, weiß die Seele nichts von sich, da sie nicht denkt, sondern
sie ist eins mit dem Göttlichen
(Enn. VI, 9, 7; VI, 9, 11; VI, 7, 25).
Die späteren Mystiker sprechen wiederholt
von der Ekstase (»ecstasis,
raptus mentis«)
So RICHARD von ST. VICTOR: »Cum
per mentis excessum supra sive intranosmet ipsos in divinorum contemplationem
rapimur, exteriorem omnium statim, immo non solum eorum, quae extra nos, verum
etiam eorum quae in nobis sunt, omnium obliviscitur« (De
cont. IV, 23).
Nach BERNHARD
vos CLAIRVAUX ist sie, »prima
et maxima contemplatio« (De cons. V,
14, 42).
BONAVENTURA definiert
die Ekstase: »Ecstasis
est, deserto exteriore homine, sui ipsius supra se voluptuosa quaedam elevatio,
ad superintellectualem amoris
fontem, mediantibus sursum activis virtutibus pro viribus se extendens«
(De sept. gradib. cont. p. 97 a).
JOH. GERSON: »Ecstasis
est raptus mentis cum cessatione omnium operationum, in inferioribus potentiis«
(De myst. theol. spec. cons. 36).
Den Zustand der Ekstase kennen und schildern
NICOLAUS CUSANUS, ECKHART,
Suso, TAULER, J.
BÖHME, L. VIVES (De
all. III, p. 173), G. BRUNO, auch
SCHLEIERMACHER: »So
oft ich aber ins innere Selbst den Blick zurückwende, bin ich zugleich
im Reich der Ewigkeit; ich schaue des Geistes Leben an«
»Es schwebt schon jetzt der Geist über der zeitlichen Welt, und solches
Schauen ist Ewigkeit und unsterblicher Gesänge himmlischer Genuß«
(Monol. 1). Vgl.
MANTEGAZZA, Die Ekstasen...
Emanation
(Ausfluss):S.696ff.
Siehe
auch bei Kirchner
Hervorgehen des Niederen, Unvollkommenen aus dem Höheren,
Vollkommeneren, wobei das Urprincip selbst, aus dem alles sich herausentwickelt,
beharrlich-unveränderlich, eine Einheit bleibt. Die Emanation
ist das Gegenstück zur Evolution.
Die Lehre von der Emanation der Dinge aus der göttlichen
Einheit heißt Emanationssystem oder
Emanatismus.
XENOKRATES betrachtet das
höchste Sein als das Eine und Gute, von dem alles
Geringere abstammt (ARISTOTELES,
Met. XIV 4, 1091 b 16), wie schon die Pythagoreer
die Zahlen,
PLATO die Ideen
auf eine höchste Einheit zurückführen.
Die Stoiker nennen
die Seele , PLUTARCH
die Welt
einen »Ausfluß« (apospasma)
der Gottheit.
Auch bei PHILO sind Keime
zum Emanatismus enthalten,
dieser aber kommt erst bei
PLOTIN zur Ausbildung. Aus dem Einen, Überseienden,
Vollkommenen, in sich Verbleibenden geht durch Emanation,
durch Hervorstrahlung (perilampsis)
die Welt hervor (dei
de labein ekeino, ouk ekreousan, alla menousan men tên en autô tên
de allên hyphistamenên) Enn.
V, 1, 3. Das Eine ist zu denken wie die strahlende
Sonne (Enn. V, 16), deren
Strahlen mit der Entfernung an Intensität abnehmen (Enn.
II, 4, 10 squ.). Aus dem Vollkommenen findet ein
»Überfließen« (hyperrhoê)
statt, durch Überfalle desselben
(to hyperplêres autou pepoiêken allo) Enn.
V, 2, 1; vgl. III, 8, 10. Aus
dem Einen (hen) emaniert
der Geist (nous)
aus diesem die
Ideenwelt (kosmos noêtos),
aus dieser die
Weltseele (psychên
genna nous) und damit die Einzelseelen, die
aus sich die Körperwelt herausbilden. Die Materie ist das Geringste in
den Producten der Emanation, denn von oben nach
unten nehmen die Kräfte ab (Enn. VI, 7,
9). Die Kräfte, die vom Einen ausgehen, erfüllen
das All, und doch bleibt das Eine bei sich (Enn.
VI, 4, 3).
Nach JAMBLICH geht
aus dem Urgrunde (archê) das
Eine (hen), aus
diesem die intelligible Welt (kosmos noêtos),
aus dieser die intellectuelle Welt (kosmos
noeros) mit dem Geiste (nous),
aus diesem die Seele, aus dieser die Sinnenwelt hervor.
Nach PROKLUS ist
die Reihe der Emanationen: Urgrund,
Henaden,Triaden (intelligible, intelligibel-intellectuelle,
intellectuelle Welt), Hebdomaden, Seele, Materie.
Die neuplatonische Emanationslehre tritt
in verschiedener Form bei den Gnostikern,
bei DIONYSIUS
AREOPAGITA, SCOTUS ERIUGENA auf.
Nach diesem geht aus der ungeschaffen-schaffenden Natur
die geschaffen-schaffende Ideenwelt (Logos),
aus dieser die geschaffen-nichtschaffende Welt der endlichen Wesen hervor. Auf
diesem Wege (processio) bleibt
die Welt in Gott, Gott mit seinem Wirken in der Welt. »Nam
et creatura in Deo est subsistens, et Deus in creatura mirabili et ineffabili
modo creatur, se ipsum manifestans« (De
div. nat. III, 17). Die Welt ist eine Selbstoffenbarung
Gottes (Theophanie).
Emanationslehre ist auch
der arabische Sufismus. -
Unter »emanatio« versteht
NICOLAUS CUSANUS die
Entfaltung des göttlichen Seins in der Welt.
»Emanatio in divinis duplex est, una per modum naturae et haec est generatio,
alia per modum voluntatis« (De doct.
ignor. II, 27). »Per simplicem emanationem
maximi contracti a maximo absoluto universum prodiit in esse« (l.c.
II, 4).
Emanatistisch sind
die Lehren der Mystiker,
wie ECKHART, J.
BÖHME u. a. LEIBNIZ
sieht in den
Monaden »Fulgurationen« (fulgurations)
Gottes; die Dinge fließen beständig
aus der göttlichen Einheit »effluunt«,
(Erdm. p. 147 f.).
Emanatistisch ist die spätere Philosophie
SCHELLINGS (Einfluß
J. Böhmes).
Empiriokritizismus
S.729f.
heißt das von R.
AVENARIUS begründete System der »reinen
Erfahrung«, das ein »kritischer«,
d.h. die Erfahrung von allen metaphysischen Zutaten reinigender Empirismus
sein will (vgl. Vierteljahrsschr. f. wiss. Philos.
22, S. 53 f.). Er will die Philosophie auf die Bestimmung des allgemeinen
Erfahrungsbegriffs nach Form und Inhalt beschränken. Das System stellt
sich in Gegensatz zu allem Apriorismus, will realistisch
und positivistisch sein. Einen prinzipiellen Unterschied zwischen psychisch
und physisch, Subjekt und Objekt, Bewusstsein und Sein gibt dieses System nicht
zu, alle »Introjektion«
wird perhorresziert. Die Erkenntnis besteht aus »Aussagen«
über Inhalte, die vom menschlichen Individuum in der Form der »Erfahrung«
»abhängig«
sind. Das Ideal des Erkennens ist die Gewinnung des rein
empirischen »Weltbegriffs«, die Beseitigung jedweden Dualismus,
die Elimination aller metaphysischen Kategorien. Der Charakter der empiriokritischen
Erkenntnistheorie ist ein biologischer (AVENARIUS,
Philosophie als Denken der Welt... 1876; Kritik der reinen Erfahrung 1888, 1890;
Der menschliche Weltbegriff 1891; Vierteljahrsschr. f. wiss. Philos. 18 u. 19;
CARSTANJEN, R. Avenarius' biomechan. Grundleg.... 1894; R. WILLY in Vierteljahrsschr.
f. wiss. Philos. 16, S. 206 ff.; 20, S. 55 ff., 191 ff., 261 ff.; J. PETZOLDT,
Einführ. in d. Philos. d. r. Erfahr. I, 1899).
Empirismus
S.723ff. Siehe
auch bei Kirchner
(von empeiria): Erfahrungsstandpunkt.
Psychologisch bedeutet Empirismus die Ableitung
aller Bewußtseinsinhalte aus psychischen Elementen und deren Zusammensetzung;
so z.B. gibt es eine empiristische Raum- und Zeittheorie.
Empirist ist in diesem Sinne jeder, der (in der Psychologie
und Erkenntnistheorie) alle Begriffe (Erkenntnisinhalte)
auf Erfahrung zurückführt, der nichts Angeborenes,
Apriorisches annimmt, sondern glaubt, daß alle Begriffe Abstraktionen
von konkreten Erlebnissen, Vorkommnissen sind. Im logischen Sinne bedeutet Empirismus
die Wertung der Erfahrung als einzige Quelle alles Erkennens; es gibt danach
entweder keine andere als empirische Erkenntnis, oder »wahre«
Erkenntnis ist nur da zu finden, wo Erfahrung (und
Induktion aus Erfahrungen) gegeben ist. Der Grundsatz des Empirismus
lautet: nichts ist im Denken (in unseren Begriffen),
was nicht aus der Erfahrung stammt. Wird die Erfahrung als sinnliche Wahrnehmung
aufgefaßt, dann gestaltet sich der Empirismus
zum Sensualismus.
Der dogmatische Empirismus setzt die empirische
Grundlage alles Erkennens, den unbedingten, ausschließlichen Wert
der Erfahrung ohne weiteres voraus; der kritische Empirismus
kommt zu seinen Ergebnissen erst nach Prüfung des Erkenntnisinhaltes und
der Erkenntnismittel.
Gegensatz zum psychologischen Empirismus ist der
Nativismus, zum logischen der Rationalismus
und der Apriorismus . In der Gegenwart besteht
vielfach eine Synthese von Empirismus und Apriorismus,
mit Überwiegen bald des einen, bald des anderen Bestandteiles, so
daß es oft schwer fällt, die Lehre eines Philosophen unter einen
der Begriffe zu subsumieren. Vielleicht ließe sich der vermittelnde Standpunkt
als kritizistischer Empirismus oder als
Kritizismus im weiteren Sinne bezeichnen.
Gegenüber den rationalistischen Systemen vorsokratischer Philosophen,
(mit Ausnahme der Kyrenaïker) sowie denen
PLATOS und ARISTOTELES' haben die Erkenntnislehren
der Stoiker und Epikureer
einen mehr empiristischen Charakter.
Im Mittelalter neigen dem Empirismus teilweise
zu WILHELM VON OCCAM, ROGER
BACO, zur Zeit der Renaissance L. VIVES, NIZOLIUS,
GALILEI, CAMPANELLA,
L. DA VINCI.
Den neueren Empirismus begründet
F. BACON.
Bei HOBBES, reiner bei LOCKE
ist er zu finden, auch bei BERKELEY, in »skeptischer«
Färbung bei HUME, sensualistisch
gestaltet bei CONDILLAC u.
a.
KANT überwindet die Einseitigkeiten
des Empirismus und des Rationalismus
durch seinen Kritizismus.
Einen »rationellen Empirismus«
vertritt GOETHE (vgl.
SIEBECK, Goethe als Denker S. 23).
Einen »induktiven« Empirismus
begründet J. ST. MILL.
Einen kritischen (oder kritizistischen)
Empirismus lehren
BENEKE, ÜBERWEG, COMTE, O.
F. GRUPPE, C. W. OPZOOMER, E. DÜHRING, C. GÖRING, LAAS,
auch noch RIEHL,
WUNDT, NIETZSCHE,
H. SPENCER, O. CASPARI (Zusammenh.
d. Dinge S. 192), HARMS, F. VON BÄRENBACH
(Grundleg. d. krit. Philos. I, 1873),
E. V. HARTMANN.
Eine Theorie der »reinen Erfahrung«
gibt R. AVENARIUS,
ähnlich lehren KIRCHHOFF, HERTZ,
E. MACH, R. WAHLE und
H. CORNELIUS. Dieser unterscheidet den
»konsequenten« oder »erkenntnistheoretischen«
vom »naturalistischen Scheinempirismus«
(Einl. in d. Philos. S. 335). Wahrer
Empirismus ist die Art des wissenschaftlichen Betriebes, welche die Erfahrung,
von allen dogmatischen Voraussetzungen geläutert, begrifflich für
die Erklärung der Tatsachen verarbeitet (l.c.
S. 86)
Endlich
S.736
ist, was ein Ende, eine Grenze
in Raum oder Zeit oder in beidem hat. Endlich,
d.h. Anfang und Ende des Daseins habend, kann sein ein Ding, ein Geschehen,
ein Wirken, eine Kraft. Vgl.
Unendlich.
Ensoph
S. 754
nach der Lehre der
Kabbalâ das unendliche, unbestimmte Urnichts,
das göttliche »Licht«, aus dessen
Contraction die Welt entstand (FRANCK, La cab.
p. 173 ff.).
REUCHLIN spricht
vom Ensoph als der »infinitudo,
quae est summa quaedam res secundum se incomprehensibilis et ineffabilis«
(De art. cabbal. I, 21a).
Entelechie
(entelecheia)
S. 754 Siehe
auch bei Kirchner
nennt ARISTOTELES die
vollendete Wirklichkeit, das Ziel des Verwirklichens, die Actualität. Die
energeia , die Wirksamkeit eines Dinges, gestaltet sich zur entelecheia
(synteinei pros tên entelecheian),
(Met. IX 8, 1050 a 23). Die »Entelechie«
bezeichnet das durch das Wirken selbst erreichte Ziel
(De an. II 4, 415 b 15 squ.).
Die entelecheia ist zugleich
der logos des dynamei
des dynamei Seienden (De an. II 2, 41 a 25
squ.). Die Seele
ist prôtê
entelecheia des Organismus
(De an. II 1, 412 a 27).
Bei HERMOLAUS BARBARUS
wird die entelecheia zur
»perfectihabia«.
Die Scholastiker
halten an dem Begriffe der Entelechie
fest, der auch als »endelechia«
vorkommt, so auch bei MELANCHTHON:
»Endelechia id est agitatio« (De
an. p. 8 a).
LEIBNIZ nennt die Monaden
Entelechien, weil sie
aus eigener Kraft ihre Zustände herausentwickeln und ihr Sein so verwirklichen.
Sie haben eine gewisse Vollkommenheit in sich (echousi
to enteles), eine Selbstgenügsamkeit (autarkeia),
die sie gleichsam zu unkörperlichen Automaten macht (Monadol.
18).
WUNDT betrachtet die Seele
als Entelechie.
Etwas
(aliquid) S. 879
= unbestimmtes Objekt,
unbestimmter Inhalt eines Denkens, eines Bewusstseins.
Nach CHR. WOLF ist »aliquid«
das, »cui notio aliqua respondet«
(Ontol. § 59).
Nach BAUMGARTEN
ist es »possibile, res« (Met.
§ 8).
HEGEL definiert: »Das
Dasein als in dieser seiner Bestimmtheit in sich reflektiert, ist Daseiendes,
etwas« (Encykl.
§ 90). »Was in der Tat vorhanden ist,
ist, dass etwas zu anderem, und
das andere überhaupt zu einem andern wird. Etwas
ist im Verhältnis zu einem andern selbst schon ein anderes gegen dasselbe«
(l.c. § 95). Gegensatz:
Nichts
Evolution
S.319ff.
Siehe auch bei Kirchner
Entwicklung von niederen, einfacheren zu höheren,
complicierteren, vollkommener angepaßten Seins- und Lebensformen. Es
gibt eine physische und eine psychische
(geistige), ferner eine
ethische, sociale, sprachliche, philosophische, religiöse Entwicklung.
Die biologische Entwicklung beruht auf inneren
und äußeren Factoren; zu den ersteren
gehören: Organbetätigung, Übung, Willensintentionen aller
Art, Vererbung allmählich erworbener und eingewurzelter Eigenschaften,
zu den äußeren: Wechsel der Lebensbedingungen, Kampf ums
Dasein und Auslese. Die Auffassung der Dinge unter dem Gesichtspunkte
der Entwicklung heißt Evolutionismus. Die
biologische Entwicklungstheorie überhaupt heißt
Descendenztheorie (Transmutationshypothese),
die in verschiedenen Formen (Lamarckismus, Darwinismus
u. a.) auftritt. -
»Evolutio« kommt
bei NICOLAUS
CUSANUS vor, im mathematischen Sinne (»Linea
est puncti evolutio«).
»Auswickelung« findet sich bei J.
BÖHME, »evolution«
und »involution«
(im psychischen Sinne) bei LEIBNIZ.
Der Entwicklungsgedanke, dem in letzter Linie das
Postulat der Continuität des Geschehens zugrunde liegt, ist sehr alt, wenn
es auch zu einer Entwicklungstheorie erst spät
kommt.
Im »ewigen Werden«
des HERAKLIT ist
der Entwicklungsgedanke schon enthalten.
Aus Feuer wird Wasser, aus diesem Erde, dann wird alles
wieder Feuer u.s.w. in infinitum (Diog. L.
IX, 9). Der Kampf ist der treibende Factor der
Entwicklung polemos patêr pantôn
(Fragm. Mull. I, 44, 62).
Nach EMPEDOKLES traten
durch Urzeugung erst die Pflanzen, dann die Tiere
auf, und zwar so, daß sie stückweise entstanden (Tiere
mit Augen allein, Armen allein u. dgl.). Viele Mißbildungen
entstanden durch zufällige Vereinigungen;
diese gingen zu Grunde, während die lebensfähigen Formen sich erhielten
und fortpflanzten (Plut., Plac. V, 19, 26;
Aristot., De coel. III 2, 300b 28; Simplic. Comm. zu De coel. 587 Heib.).
Nach DEMOKRIT und ANAXAGORAS
entstanden die Organismen aus Schlamm (Diog.
L. II, 9); so auch nach ARISTOTELES.
Nach ANAXIMANDER ist der
Mensch aus einer Tierart entstanden ex alloeidôn
zôôn ho anthrôpos egennêthê (
Plut., vgl. Euseb., Praep. ev. I, 8, 2). Landtiere
und Menschen gingen aus dem Wasser hervor (wo sie
fischartig lebten), indem sie sich den neuen Lebensbedingungen
anpaßten en ichthysin engenesthai to
prôton anthrôpous - kai praphentas - kai genomenous hikanous eautois
boêthein ekblêthê-nai tênikauta kai gês labesthai
(Plut., Quaest. symp. VIII, 1, 4; Plac.
V, 19, 4).
SPEUSIPP betrachtet
das Gute, Vollkommene als Höhepunkt der Entwicklung to
kalliston kai ariston mê en archê einai Arist.(Met.
XII 7, 1072 b 32).
Eine beständige Weltentwicklung lehren die
Stoiker.
Von den Neuplatonikern und
den von ihnen beeinflußten
Philosophen (PLOTIN, DIONYSIUS
AREOPAGITA, SCOTUS ERIUGENA, ECKHART,
NICOLAUS CUSANUS, G.
BRUNO, J. BÖHME u. a.) wird
eine Emanation
gelehrt. -
SWAMMERDAM, LEEUVENHOEK, MALPHINGI stellen
eine »Präformationstheorie« für
die individuelle Entwicklung auf (Ovulisten,
Animalculisten).
Dagegen lehrt C. F. WOLF die
»Epigenese«. Er
erklärt: »Evolutio phaenomenon est,
quod, si essentiam eius et attributa species, omni quidem tempore, at inconspicuum,
existit, denique vero, speciem prae se ferens, si nunc demum oriatur, quomodocunque
conspicuum redditur« (Theor. gener. §
50).
Den Begriff der psychischen Entwicklung von inneren Zuständen
der Monaden führt LEIBNIZ ein
(Monadol. 11, 22). Überall gibt es Entwicklung
und Einwicklung. »Il semble qu'il n'y a ni
generation ni mort à la rigurur, mais seulement des développements,
augmentations ou diminuations des animaux déjà formés«
(Gerh. IV, 474; Monad. 73; Theod. § 30; Princ.
de la nat. § 6).
Eine stufenmäßige Entwicklung
nimmt ROBINET an;
auch LESSING und HERDER
machen sich den Entwicklungsgedanken zu eigen als historische,
culturliche Evolution.
KANT nimmt eine Entwicklung der Erde und des Sonnensystems
aus einem Gasballe an (Allg. Naturgesch. u.
Theor. d. Himm. 1755) ähnlich LAPLACE,
(Exposition du système du monde 1796).
Kant erklärt ferner,
die Analogie der Lebensformen verstärke »die
Vermutung einer wirklichen Verwandtschaft derselben in der Erzeugung von einer
gemeinschaftlichen Urmutter, durch die stufenartige Annäherung einer Tiergattung
zur andern, von derjenigen an, in welcher das Princip der Zwecke am meisten
bewährt zu sein scheint, nämlich dem Menschen, bis zum Polyp, von
diesem sogar zu Moosen und Flechten, und endlich zuder niedrigsten uns merklichen
Stufe der Natur, zur rohen Materie: aus welcher und ihren Kräften nach
mechanischen Gesetzen... die ganze Technik der Natur, die uns in organisierten
Wesen so unbegreiflich ist, daß wir uns dazu ein anderes Princip zu denken
genötigt glauben, abzustammen scheint« (Krit.
d. Urt. § 80). Man kann hypothetisch
»den Mutterschoß der Erde, die eben aus ihrem
chaotischen Zustande herausging (gleichsam als ein großes Tier), anfänglichGeschöpfe
von minder zweckmäßiger Form, diese wiederum andere, welche angemessener
ihrem Zeugungsplatze und ihrem Verhältnisse untereinander sich ausbildeten,
gebären lassen« (ib.).
GOETHE lehrt eine »Metamorphose«,
bedingt durch den »Bildungstrieb« und
äußere Einflüsse (WW. Hempel
II, 230). »Alles, was entsteht, sucht sich
Raum und will Dauer; deswegen verdrängt es anderes von seinem Platz und
verkürzt seine Dauer« (WW. XIX,
212; XXXIII, 121). Den höheren Typen liegt
ein »Urbild« zugrunde (l.c.
XXX, 261).
ERASMUS DARWIN erklärt:
»Wenn wir die große Ähnlichkeit
des Baues bedenken, welche bei allen warmblütigen Tieren schon in die Augen
fällt..., so kann man sich des Schlusses nicht enthalten, daß sie
alle auf ähnliche Art aus einem einzigen lebenden Filamente entstanden
sind.« »Von diesem ersten Rudimente bis zum Ende ihres Lebens erleiden
alle Tiere eine beständige Umbildung.« »Sollte es wohl zu kühn
sein, sich da vorzustellen, daß alle warmblütigen Tiere aus einem
einzigen Filamente entstanden sind, welches die erste
große Ursache mit Animalität begabte, mit der Kraft, neue Teile zu
erlangen, begleitet mit neuen Neigungen, geleitet durch Reizungen, Empfindung,
Willen, und Associationen, und welches so die Macht besaß, durch seine
ihm eingepflanzte Tätigkeit sich zu vervollkommnen, diese Vervollkommnung
durch Zeugung der Nachwelt zu Überliefern« (Zoonom.
sct. XXXIX, 4, 8). Die veränderten Lebensbedingungen
wirkten anpassend auf die Lebewesen (Templ.
of nat.). Infolge
der »Überproduction« an Lebewesen herrscht ein Kampf um die
Existenz (Zoonom. XXXIX, 4 u. Templ. of nat.).
LAMARCK nimmt
an, daß die höheren aus niederen Arten abstammen. Die Ursachen der
Transformation sind: directe Wirkung der äußeren Lebensbedingungen,
Kreuzung, besonders aber Gebrauch und Nichtgebrauch der Organe, welche durch
Übung verändert werden (Philos. zool.
1809).
G. ST. - HILAIRE erklärt
die Umwandlung der Arten aus dem Einflusse der Umgebung, dem »monde
ambiant«.
Eine Entwicklung der Lebewesen lehrt in speculativer Weise
die Naturphilosophie der SCHELLINGschen Schule,
besonders L. OKEN und STEFFENS.
SCHELLING selbst
erklärt: »Der gemeine Weltproceß
beruht auf einem fortschreitenden... Sieg des Subjectiven über das Objective«
(WW. I 10, 231).
Eine dialektische, logische
»Entwicklung« lehrt HEGEL.
Alles Endliche ist nur ein Moment im dialektischen Processe
der Begriffsevolution des Absoluten. Vom
»An-sich« durch das »Anderssein«
zum »Für-sich« und »An-und-für-sich«
entwickelt sich der Geist (Encykl. § 442).
Das Treibende in allem ist der »Widerspruch«,
von einer Entstehung einer Form aus einer andern ist nicht die Rede, das wäre
eine »nebulose Vorstellung«
(Encykl. 249). »Die
Natur ist als ein System von Stufen zu betrachten, deren eine aus der anderen
notwendig hervorgeht und die nächste Wahrheit derjenigen ist, aus welcher
sie resultiert; aber nicht so, daß die eine aus der andern natürlich
erzeugt wurde, sondern in der innern, den Grund der Natur ausmachenden Idee.
Die Metamorphose kommt nur dem Begriff als solchem zu, da dessen Verminderung
allein Entwicklungist«(Naturphil. S.
32 f.). »Die Entwicklung des Begriffs...
ist zu fassen als ein Setzen dessen, was er an sich ist,« als Äußerung,
Heraustreten, Außer-sich-kommen, zugleich aber als »In-sich-gehen
ins Centrum« (l.c. S. 39).
Auch SCHOPENHAUER sieht
im Absoluten den Quell aller Entwicklung.
Auf das Kommen und Gehen der Vorstellungen im Bewußtsein
wendet HERBART den
Begriff der Evolution und Involution an (Psychol.
II, § 136; vgl. VOLKMANN, Lehrb. d. Psychol. I4, 460).
CUVIER (später AGASSIZ)
nimmt Schöpfungskreise, niedere und höhere Typen
der Organismen an; er vertritt geologisch die »Katastrophentheorie«.
Diese ersetzt CH. LYELL durch
die Continuitätstheorie, durch die Annahme
einer ruhigen, stetigen Entwicklung der Erde. Heute
macht man der Katastrophentheorie wieder einige Zugeständnisse.
Die Selectionstheorie begründet
CHARLES DARWIN (gleichzeitig mit ihm
WALLACE). An Stelle der (biblischen)
Lehre von der »Constanz der Arten«
setzt er die Anschauung, daß Arten durch Sta-bilisierung von Varietäten
entstehen und neue Arten aus sich heraus erzeugen. Als Vorläufer
seiner Theorie nennt er BUFFON, LAMARCK, G. ST. HILAIRE,
ERASMUS DARWIN, GOETHE,
W. C. WELLS, W. HERBERT, GRANT, MATTHER, BUCH, RAFINESQUE,
HALDEMANN, OWEN, FREKE, H. SPENCER (s. unten),
NAUDIN, KEYSERLING, SCHAAFHAUSEN, K. E. v. BAER, HUXLEY,
HOOKER u. a. Für die Idee des Kampfes ums
Dasein ist vorbildlich gewesen MALTHUS
(Essay on Population 1798),
welcher lehrt, die natürliche Neigung der Menschen gehe dahin, sich im
geometrischen Verhältnis zu vermehren, während die Erhaltungsmittel
nur im arithmetischen Verhältnisse anwachsen.
DARWIN bekämpft
die Ansicht, als ob die Zweckmäßigkeit der Lebewesen durch Planmäßigkeit,
Zweckursachen entstanden sei. Sie ist vielmehr Resultat
einer Entwicklung, die allerdings großer Zeiträume bedarf.
Auch variieren nicht alle Arten einer Gattung, andere erlöschen gänzlich.
Die Zweckmäßigkeit der Lebewesen ist die Folge der »Anhäufung
unzähliger geringer Veränderungen« im nützlichen Sinne
(On theorig. of spec. 1859, dtsch. von Haeck, Reclam, S. 621).
In der Natur wirken die Principien der künstlichen Domestication
(l.c. S. 631). Es finden
Variationen von Lebewesen statt. Unter ihnen sind solche, diefür die Erhaltung
der Individuen nützlich sind. Im Wettbewerbe um die Existenz und die Lebensbedingungen
(»struggle for life«) erfolgt eine natürliche
Auslese (»natural selection«), d.h.
die lebensfähigen, gut ausgestatteten, bevorzugten Rassen erhalten sich
und pflanzen sich fort, vererben ihre Eigenschaften, und nach wiederholter
Wirkung der Auslese erfolgt eine Anpassung der Lebewesen an ihre
(relativ) bleibenden Lebensbedingungen. »In
dem Überleben der begünstigten Individuen und Rassen im stets wiederkehrenden
Kampf ums Dasein sehen wir eine mächtig und immer wirkende Form der
natürlichen Zuchtwahl. Der Kampf ums
Dasein erfolgt unvermeidlich aus der allen organischen Wesen gemeinsamen hohen
Vermehrung im geometrischen Verhältnisse.... Es werdenmehr Einzelwesen
geboren, als möglicherweise fortwähren können... Da die Einzelwesen
einer und derselben Art in jeder Beziehung in engsten Mitbewerb zueinander treten,
so wird gewöhnlich der Kampf zwischen ihnen am heftigsten sein.«
»Bei Tieren mit gesonderten Geschlechtern wird in den meisten Fällen
ein Kampf der Männchen um den Besitz der Weibchen stattfinden«
(l.c. S. 632 = sexuelle Auslese, »selection in relation to sex«).
Die Tendenz der natürlichen Auslese ist, die
am meisten divergierenden Nachkommen einer jeden Art zu erhalten (l.c.
S. 635). Große oder plötzliche Modificationen
kann sie nicht hervorbringen (l.c.
S. 636) - dagegen die »Mutationstheorie«
von DE VRIES. Jede einmal erworbene Eigentümlichkeit
ist lange erblich (ib.). Die
Zuchtwahl der Natur paßt immer nur relativ, den jeweiligen Lebensbedingungen,
an (l.c. S. 637 f.). Die
Production von Varietäten (und Arten) scheint
bedingtzu sein durch: physikalische Bedingungen (directe
Anpassung), ferner: Gebrauch um Nichtgebrauch der Organe, wobei die
»correlative Verängerung« eine
Rolle spielt, auch Migration (l.c.
S. 638 ff.). Die Auslese ist das Haupt-, aber nicht
das einzige Mittel der Variation (l.c. E3.
647). Alle höheren Tierformen stammen schließlich
von vier bis fünf Vorfahren ab, vielleicht haben sich Pflanzen und Tiere
aus einer Urform entwickelt (l.c. S. 652).
Die Gesetze der Variation sind also: »Wachstum
nebst Fortpflanzung, Erblichkeit, die fast in der Fortpflanzung enthalten ist;
Variabilität zufolge indirecter und directer Wirkungen der Lebensbedingungen,
und Gebrauch und Nichtgebrauch; ein so hohes Vermehrungsmaß, daß
es zum Kampf ums Dasein führt, und infolgedessen zur natürlichen Zuchtwahl
die Divergenz des Charakters und Erlöschen der minder verbesserten Formen
enthält« (l.c. S. 659; vgl.c.
2, 3, 4, 5).
Zu den Anhängern Darwins gehören viele
Naturforscher und Philosophen, besonders in England (vgl.
ÜBERWEG-HEINZE Gr. d. Gesch. d. Philos. IV9, 439); in Deutschland
besonders E. HAECKEL (s.
Biogenet. Grundges.), CARUS STERNE (E. KRAUSE),
O. CASPARI u. a.
»Neo-Darwinismus« heißt
die Lehre A. WEISMANNS,
nach der es keine Vererbung erworbener Eigenschaften gibt; das »Keimplasma«
variiert infolge der natürlichen Auslese (Das
Keimpl. 1892); später Concessionen an die
Lehre von der Vererbbarkeit erworbener Eigenschaften, wie diese von HAECKEL,
EIMER, HERTWIG, ROMANES, RIBOT u. a. vertreten
wird
Mit der Constanztheorie (bezw. dem
Platonismus) verbinden den Entwicklungsgedanken in verschiedener
Weise TEICHMÜLLER
(Darwin. u. Philos.) und O. LIEBMANN
(Anal. d. Wirkl., und Platon. u. Darwin., Philos. Monatshefte IX, 1873, S. 441).
Gegen die »Allmacht«
der Selectionstheorie erklären sich verschiedene Forscher, die im
übrigen dem Evolutionismus huldigen, aber
auch innere Factoren der Entwicklung und eine directe Anpassung annehmen, teilweise
sich den Ansichten Lamarcks nähern
(»Neu-Lamarckismus«).
Nach H. SPENCER ist das Ȇberleben
des Passendsten« eine mitwirkende, aber nicht
die Hauptursache der Entwicklung, die vor allem auf der directen Wirkung der
Lebensbedingungen beruht (Psychol.
I, §189). Entwicklung
überhaupt ist die Gesetzmäßigkeit des Seienden. In der Evolution
zeigt sich eine Ansammlung (Integration) der Materie
und eine Ausbreitung (Dissipation) der Bewegung;
in der Dissolution tritt eine Absorption von Bewegung und eine Zerstreuung von
Materie ein: »Evolution under its simplest
and most general aspectis the integration of matter and concomitant dissipati-on
of motion; while dissolution is the absorption of motion and concomitant desintegration
of matter« (First Princ. § 97). Es gibt eine »simple«
and »composed evolution« (l.c.
§ 98). Von unzusammenhängender Gleichartigkeit
geht die Entwicklung zu zusammenhängender Mannigfaltigkeit über, das
Homogene differenziert sich, und die Mannigfaltigkeit integriert sich zu einer
höheren Einheit u.s.w. Das gilt für das Anorganische, Organische,
Psychische und Sociale (Psychol. I, §
75 u. Princ. of Sociology I).
Mit der Psychologie und Metaphysik
verbinden den Evolutionismus SULLY,
ROMANES, J. CROLL, J.
C. S. SCHILLER u. a., mit der Ästhetik
GRANT ALLEN, mit
der Ethik LESLIE STEPHEN,
S. ALEXANDER u. a., mit der Sociologie
B. KIDD, LUBBOCK, TYLOR, mit der Religionsphilosophie
E. CAIRD, M. MÜLLER u. a. Auf
die Sprachwissenschaft wenden
den Evolutionsbegriff an
SCHLEICHER u. a. Einen geistigen
Evolutionismus (vermittelt durch »idée-forces«)
lehrt A. FOUILLÉE
(ähnlich DURAND DE GROS, GUYAU). SIMMEL:
»Es ist allenthalben das Schema höherer
Ent-wicklungsstufen, daß das ursprüngliche Aneinander und die unmittelbare
Einheit der Elemente aufgelöst wird, damit sie, verselbständigt und
voneinander abgerückt, nun in, eine neue, geistigere, umfassendere Synthese
vereinheitlicht werden«(Philos. d. Geld.
S. 517).
Eine Entwicklung der Welt in zweckmäßiger Weise nimmt CZOLBE
an (Gr. u. Urspr. d. m. Erk. S. 176), so auch
L. GEIGER, L. NOIRÉ, CARNERI (Sittl.
u. Darwin. S. 17 ff.).
Nach E. v. HARTMANN ist
die natürliche Auslese »geeignet,
das mit der Umgebung nicht Harmonierende zu beseitigen und nur das mit der Umgebung
Harmonierende bestehen zu lassen«. Sie wirkt
aber nur negativ, setzt die Existenz des Zweckmäßigen schon voraus
(Kategorienl. S. 460ff.).
In der organischen Natur ist es »offenbar, daß das Zweckmäßige,
was in der Auslese sich bloß bestandfähig erweist, aus einer unbewußten
Abänderungstendenz stammt, die nach Richtung und Intensität beschränkt
ist und final bestimmt sein muß, um zu einer Steigerung der Organisationshöhe
zu führen«. Der Kampf ums Dasein ist nur ein »Handlanger
der Idee« (l.c. S. 461; Philos. d. Unbew.
III10, 331 ff.). Ähnlich lehrt REINCKE
(Einl. in d. theoret. Biol.).
WUNDT betont, die
»Auslese« setzt schon Zweckmäßigkeit
voraus, um ansetzen zu können, sie ist nur ein »Hilfsprincip«.
Die organische Entwicklung ist das Erzeugnis äußerer und innerer
Factoren, die Selbsttätigkeit der Organe spielt hierbei eine wichtige Rolle.
Die Anpassung erfolgt durch wiederholte, sich vererbende functionelle Übung
von Generationen. Allmählich erworbene, beharrlich gewordene Abänderungen
müssen vererbt werden. Vermöge der »Heterogonie
der Zwecke« häuft sich die Zweckmäßigkeit, ohne
daß ein Vorauswissen, Vorauswollen des Endstadiums nötig ist
(Syst. d. Philos.2, S. 315 ff., 542 ff.; Log. I2,
S. 659, II2, 1, S. 551 ff.; Grdz. d. phys. Psychol. II4, 642 f.; Eth.2, S. 206).
Die physische Entwicklung ist die Wirkung einer
psychischen, durchTrieb und Willen bedingten allgemeinen
Evolution. Der Wille ist der Erzeuger objectiver Naturzwecke. Die Willensimpulse
sind das primum movens, sie modificieren die Lebensweise,
diese Modificationen befestigen, mechanisieren, vererben sich
(Syst. d. Phil.2, S. 322 ff., 329 ff.). Die organische
ist die Vorstufe der geistigen Entwicklung des
Menschen (Gr. d. Psychol.5, S. 335 ff.). Die
geistigen Entwicklungsgesetze sind: das Gesetz des geistigen Wachstums, der
Heterogonie der Zwecke, der Entwicklung in Gegensätzen.
R. HAMERLING betrachtet als
Principien und Hebel der Entwicklung den Lebenswillen als Gestaltungstrieb,
das Bestreben der Wesen, ihren Zustand im Sinne der möglichst
geringen Unlust und der möglichst größten Lust zu verbessern,
die Anstrengung der Organe (Übung), den Kampf
ums Dasein, das M. WAGNERsche Migrationsprincip
(Atomist. d. Will. II, 132).
JODL erklärt:
»Der bewußte, denkende Wille des Menschen
ist nicht bloß Product der Welt, sondern auch Factor, eine Kraft unter
andern Kräften. Die Evolution des Menschen ist nicht... das Werk blinder
Naturkräfte..., sondern das Ergebnis stetigen Zusammenwirkens der blinden
Naturkräfte mit den sehend gewordenen Naturkräften, d.h. menschlichen
Zweck-gedanken« (Lehrb.
d. Psychol. S. 160).
L. STEIN überträgt
den Evolutionsgedanken auf die geistigen Vorgänge (An
d. Wende d. Jahrh. S. 21). Über
sociale Auslese handeln GLIZYCKI
(Moralphilos. S. 516), O.
AMMON, A. TILLE, K. JENTSCH (Socialauslese)
u. a.
Gegen die Allgemeinheit des Kampfes ums Dasein erklärt
sich E. DÜHRING. »Äußerstenfalls
findet eine Art gegenseitiger Abgrenzung statt, indem eigeneBereiche gegen fremde
Ausnützung verteidigt werden« (Wirklichkeitsphilos.
S. 98 f.).
ROLPH setzt statt des Kampfes
ums Dasein als Entwicklungsprincip den »Kampf
um Mehrerwerb«, Kampf um Lebensmehrung
(Biol. Probl.2, 1884, S. 97).
In der Ethik wird er zum Kampf um Bevorzugung, Macht u. dgl. Das »Streben
nach stetiger Verbesserung der Le-
benslage ist der charakteristische Trieb von Tier und Mensch« (l.c.
S. 222 f.).
NIETZSCHE betrachtet als
Lebensziel den Willen zur Macht. Die Organismen
kämpfen um Macht, Vorrang, Ausbeutung. Die
von innen her gestaltende
Gewalt, welche die äußeren Umstände ausnützt ist
der treibende Factor der Entwicklung. Selection
ist nicht von tiefer und dauernder Wirkung; jeder Typus hat seine Grenze, über
die er nicht hinaus kann. Zufällige Variationen können nicht von Vorteil
sein. Der Kampf ums Dasein ist »nur eine Ausnahme,
eine zeitweilige Restriction des Lebenswillens; der große und der kleine
Kampf dreht sich
allenthalben ums Übergewicht, um Wachstum und Ausbreitung, um Macht, gemäß
dem Willen zur Macht, der eben der Wille des Lebens ist«
(WW. V, S. 285, XV, 296, 303, 314 ff., 317, 319, 322
f., VII, 2, S. 370 ff.). -
Nach STUMPF ist
»einer im ganzen stetig fortschreitenden Entwicklung
auf physischem Gebiet eine unstetige auf psychischem zugeordnet«
(Der Entwicklungsged. S. 58).
Es gibt einen »Entwicklungsplan«
(KÖLLIKER), »ein
solches mechanisches Verhältnis gegebener Elemente, demzufolge sie sich
zu zweckmäßigen Endgebilden weiter entwickeln können bez. müssen«
(l.c. S. 63).
L. BUSSE betont die Rolle,
die Wille und Gefühl im Kampf ums Dasein und für die Anpassung spielen
(Geist U. Körp. S. 244 f.).
Wir haben »eine unstetige
- deshalb doch nicht planlose und ungeordnete - Entwicklung auf der psychischen
Seite, verknüpft mit einer stetigen und allmählichen Entwicklung auf
der physischen Seite«(l.c. S. 476 f.).
»Nicht aus primitiven psychischen Atomen gehen die höheren geistigen
Wesen hervor, sondern mit bestimmten Stufen, welche die Entwicklung in ihrem
fortschreitenden Gange erreicht, ist das Auftreten neuer, aus den bereits vorhandenen
Formen nicht folgender Formen geistigen Lebens verknüpft«,
die nun die physische Entwicklung beeinflussen
(l.c. S.477).
Ewigkeit
S.325ff. Siehe
auch bei Kirchner
= unbegrenzte Dauer, zeitloses Sein. Im
Begriff des (absoluten) Seins liegt schon das Nicht-entstanden-sein
und Nicht-zunichte-werden, die Beharrung,
das Währen durch alle Zeit hindurch. Die Zeit betrifft
nur das Geschehen, nicht das Seiende, den Grund (die Substanz) des Geschehens.
Der Begriff der Ewigkeit beruht auf einem logisch-ontologischen Postulat.
Die Eleaten lehren die Ewigkeit
des Seins.
Nach XENOPHANES ist nur
das einzelne Ding vergänglich pan to ginomenon
phtharton esti (Diog. L. IX, 19).
HERAKLIT lehrt ein ewiges
Werden. Die Welt war immer, immer wird sie sein (Mull.
Fragm. I, 20), ewig ist das Gesetz des Werdens
(l.c. 8).
Ewig ist das Apeiron
des ANAXIMANDER, ewig
sind die Atome des
DEMOKRIT, die Ideen
PLATOS (Phaedo 211 A, B;
aei on, aidion, aiôn Lach. 198. D, Men. 86 A, Tim. 29 A).
ARISTOTELES versteht unter
Ewigkeit (aiôn) das
unvergängliche, die Zeit einschließende Sein to
gar telos to periechon ton tês hekastou zôês chronon, hou
mêthen exô kata physin, aiôn hekastou keklêtai
(De coel. I 9, 279a 24). Das
Ewige wird von der Zeit nicht berührt ta
aei onta, hê aei onta, ouk estin en chronô, ou gar periechetai hypo
chronou, oude metreitai to einai autôn hyto tou chronou (Phys.
IV 12, 221 b 4). Das Weltall ist ewig oute
gegonen ho pas ouranos out' endechetai phtharênai, all' estin eis kai
aidios, archên men kai teleutên ouk echôn tou pantos aiônos,
echôn de kai periechôn en hautô ton apeiron chronon
(De coel. II 1, 283b 28). Ewig
ist Gott , der unbewegte Weltbeweger ton theon
einai zôon aidion ariston, (Met.
XII 7 1072b 29). Ewig ist die kreisförmige
Himmelsbewegung (De gener. et corr. II 11,
338 a 18).
Die Stoiker lehren die Ewigkeit
des pneuma, der
Weltsubstanz aphthartos esti kai agennêtos
(Diog. L. VII, 137); ewig
ist auch die Wiederkehr des Gleichen, die Apokatastasis.
Nach PLOTIN ist die Welt ewig,
denn die Zeit entstand erst in und mit der Welt. Ewigkeit ist »Leben,
das identisch bleibt, welches das Ganze stets gegenwärtig hat«, ewig
ist, »was weder war noch sein wird, sondern nur ist, also das Sein in
völliger Ruhe ohne bevorstehenden oder dagewesenen Übergang in der
Zukunft hat« (Enn. II, 7, 3).
BOËTHIUS definiert Ewigkeit als
»nunc stans«, »interminabilis
vitae tota simul et perfecta possessio«. »Sempiternitas et aeternitas
differunt. Nunc enim stans et permanens aeternitatem facit; nunc currens in
tempore sempiternitatem.« Gott ist ewig,
die Welt nur
unbegrenzt dauernd (Consol. philos. V).
ORIGENES lehrt eine »creatio
continua« Schöpfung
der Welt.
Nach AUGUSTINUS ist die
Welt in Gott ewig gewesen, da die Zeit erst mit ihr entstand. »Si
recte discernuntur aeternitas et tempus, quod tempus sine aliqua mobili mutabilitate
non est, in aeternitate autem nulla mulatio est, quis non videat,quod tempora
non fuissent, nisi creatura fieret, quae aliquid aliqua motione mutaret«
(De civ. Dei XI, 4, 6;Confess. XI, 11).
Die Ewigkeit der Welt behaupten NEMESIUS,
AVICENNA, AVERROËS
u. a. GILBERTUS PORRETANUS erklärt: »Aeternitas
est mora indeficiens et immutabilis.« Nach RICHARD
VON ST. VICTOR ist Ewigkeit »diuturnitas
sine initio, carens omni mutabilitate.«
ALBERTUS MAGNUS bestimmt das »aevum«
als »mensura eorum,
quae facta sunt, sed finem non habent« (Sum.
th. I, qu. 23). Ewig ist nur Gott, der durch und
in sich ist (l.c.
II, 1, 3). Wäre die Welt ewig, so würde
sie Gott gleichen.
Dagegen ist THOMAS, doch
ist es Glaubenssache, die Erschaffung der Welt (mit der Zeit zugleich) anzunehmen.
»Deus est omnino
extra ordinemtemporis« (in 1. perih.
1, 14 f.). Das »aevum«
ist die Dauer der unvergänglichen Dinge, nicht Zeitlosigkeit.
So auch SUAREZ (Met.
disp. 50, sct. 5, 1). »Aeternitas essentialiter
est duratio talis esse, quod essentialiter includit omnem perfectionem essendi
et consequenter omnem actum seu internam operationem talis entis«
(l.c. 50, sct. 3)
Nach G. BRUNO ist das All ewig,
nur dessen Gestaltungen sind vergänglich (De
la causa V).
HOBBES definiert Ewigkeit
als »non temporis sine fine successio,
sed nunc stans« (Leviath. 46).
DESCARTES läßt die Frage nach der Ewigkeit
der Welt unentschieden.
SPINOZA betrachtet
die Substanz als ewig, als in und durch sich seiend. »Per
aeternitatem intelligo ipsam existentium, quatenus ex sola
rei aeternae definitione necessario sequi concipitur«(Eth.
I, def. VIII). »Ad naturam substantiae pertinet
existere« (l.c.
prop. VII), denn sie ist »causa
sui« »Substantia non potest produci ab alio; erit itaque causa sui,
id est ipius essentia involit necessario existentiam, sive ad eius naturam pertinet
existere« (l.c.
dem., vgl. Ep. 29). Auch die Attribute der göttlichen
Substanz sind ewig. »Deus sive omnia Dei
attributa sunt aeterna« (l.c. prop. XIX).
»Dei omnipotentia actu ab aeterno fuit et in aeternum
in eadem actualitate manebit« (l.c. prop.
XVII). »Atqui ad naturam substantiae pertinet
aeternitas; ergo unumquodque attributorum aeternitatem involvere debet, adeoque
omnia sunt aeterna« (l.c. prop. XIX7
dem.); »sequitur Deurn sive omnia Dei attributa
esse immulabilia« (l.c. prop. XX, coroll.
II). Die Vernunft betrachtet alles, die Dinge in
ihrer ewigen Notwendigkeit, »sub quadam aeternitatis
specie«, so, wie sie dem göttlichen
Urgrunde folgen (l.c. II, prop. XLIV), d.h.
zeitlos (De emend. int.), so
wie sie in Gott ideell sind. »Res duobus
modis a nobis ut actuales concipiuntur, vel quatenus eadem cum relatione ad
certum tempus et locum existere, vel quatenus ipsas in Deo contineri et ex naturae
divinae necessitate consequi concipimus. Quae autem hoc secundo modo ut verae
seu reales concipiuntur, eas sub aeternitatis specie concipimus, et earum ideae
aeternam et infinitam Dei essentiam involvunt« (Eth.
V, prop. XXIX, schol.). Ewigkeit ist nicht mit
Dauer zu verwechseln. »Talis
enim existentia, ut aeterna veritas, sicut rei essentia concipitur, proptereaque
per durationem aut tempus explicari non potest, tametsi duratio principio et
fine carere concipiatur« (l.c. I, def.
VIII, explic.).
Nach LOCKE gelangt
man zur Idee der Ewigkeit durch das Vermögen,
Vorstellungen von Zeitlängen, so oft man will, in Gedanken zu wiederholen,
ohne hierbei zu einem Ende zu kommen (Ess.
II, ch. 14, § 31).
Nach CONDILLAC entsteht
die Idee der Ewigkeit, indem wir eine Dauer als
unbestimmt, ohne Anfang und Ende auffassen (Trait.
d. sensat. I, ch. 4, § 14).
Nach LEIBNIZ entspringt
der Ewigkeitsbegriff nicht aus den Sinnen
(Nouv. Ess. II, ch. 14, § 27). Ewig
ist Gott, ewig
werden die Monaden
von Gott geschaffen (Monadol.
6, 47), ewig bleiben sie, im Wandel ihrer Complexionen,
bestehen (l.c. 76 f.). -
KANT sieht in der Zeit eine subjective Anschauung,
daher muß er das Sein
als ewig (zeitlos) setzen
(s. Antinomien).
SCHELLING bestimmt Ewigkeit
als »Sein in keiner Zeit« (Vom
Ich S. 105 f.),
HEGEL als
»absolute Zeitlosigkeit« des Begriffes,
Geistes (Naturphil. S. 55). Der
dialektische Proceß des Absoluten ist ewig,
setzt erst die Zeit . Das Endliche ist vergänglich, zeitlich. »Der
Begriff aber, in seiner frei für sich existierenden Identität mit
sich, Ich = Ich, ist an und für sich die absolute Negativität und
Freiheit, die Zeit daher nicht seine Macht, noch ist er in der Zeit und ein
Zeitliches, sondern er ist vielmehr die Macht der Zeit, als welche nur diese
Negativität als Äußerlichkeit ist. Nur das Natürliche ist
darum der Zeit untertan, insofern es endlich ist; das Wahre dagegen, die Idee,
der Geist, ist ewig.« »Der Begriff
der Ewigkeit muß aber nicht negativ so gefußt
werden, als die Abstraction von der Zeit, daß sie außerhalb derselben
gleichsam existiere« (Encyk1.§
258).
K. ROSENKRANZ erklärt:
»Die Zeit als absolute Totalität gedacht,
wie sie ohne Anfang und Ende mit dem absoluten Continuum des Raumes identisch
ist, also das Abstractum ihres Begriffs, das weiter keine Bestimmung zuläßt,
nennen wir Ewigkeit« (Syst.
d. Wiss. S. 192).
Wer ein Absolutes animmt, bestimmt dieses als
ewig (SCHOPENHAUER,
FECHNER, E. V. HARTMANN, H.
SPENCER, E. HAECKEL, WUNDT
u. a.).
Nach LOTZE hat
nur das Wertvolle Ewigkeit (Psychol.
§ 81).
Ähnlich wie HERBART (Psych.
als Wiss. II, §148) erklärt VOLKMANN:
»Die... nach beiden Seiten hin Über jede Grenze
hinaus construierte leere Zeitreihe nennenwir die Ewigkeit. Sie ist... das Vorstellen
eines Vorstellens, d.h. ein Gefühl. Die Ewigkeit ist ein, ja das dem reinen
Begriff der Zeit gemäß construierte Schema: der Begriff der Zeit
ist der Begriff des Nacheinander, und die Vorstellung der Ewigkeit ist der Versuch,
dies Nacheinander in einer Anschauung darzustellen« (Lehrb.
d. Psychol. II4, 29).
G. SPICKER betont: »Der
Begriff 'Ewigkeit' schließt... die Zeitlichkeit
aus; man kann sich darunter nichts anderes vorstellen, als ein Sein mit dem
Attribut der Aseïtät, d.h. eine absolute Realität, die sich aus
keiner höheren Ursache ableiten läßt, sondern die Kraft zu existieren
in sich selbst trägt« (Vers. e.
n. Gottesbegr.S. 106 f.).
Nach O. CASPARI ist Ewigkeit
nicht Zeitlosigkeit, sondern »die real fortschreitende ewige Zeit«
(Zusammenh. d. Dinge S. 170).
RENOUVIER (wie DÜRING) nimmt
nur eine Ewigkeit a parte post,nicht a parte ante an; es gibt einen Anfang der
Phänomene (Nouv. Monadol. p. 16).
Vgl. Zeit, Unendlich
Freiheit
S. 942. Siehe
auch bei Kirchner
ist das Gegenteil von Zwang,
bedeutet Unabhängigkeit verschiedener Art.
Politische Freiheit bedeutet Autonomie, Selbständigkeit
des Tuns und Lassens des Bürgers im Rahmen der socialen und staatlichen
Gesetzlichkeit.
Physische Freiheit bedeutet Unabhängigkeit
des Handelns von äußeren Kräften, die es verhindern könnten.
Psychologische Freiheit bedeutet Selbstentscheidung
des Ich, d.h. Unabhängigkeit des Handelns
und Wollens von momentanen Reizen, Fähigkeit der Überlegung
und Wahl, Sich-bestimmen-lassen durch die eigene Persönlichkeit, durch
den eigenen Charakter.
Metaphysische Freiheit bedeutet Unabhängigkeit
eines Wesens, eines Willens von irgend welchen Ursachen,
Aseïtät . Die beiden letzten Arten der Freiheit fallen unter den Begriff
der Willensfreiheit .
Ganzes
und Teile S. 950 f.
Siehe auch bei Kirchner
sind Korrelatbegriffe, Produkte der zerlegenden, unterscheidenden
Denkfunktion. Das »Ganze« ist die Gesamtheit
aller Teile, in welche die Apperzeption eine
Einheit zerlegt.
PLATO (Theaet. 204 E)
ARISTOTELES (nach welchem
das Ganze den Teilen logisch vorausgeht) (Met.
V 26, 1023b 26) sprechen vom holon
im Unterschied vom pan. Beides wird auch
von den Stoikern unterschieden
(vgl. L. STEIN, Psych. d. Stoa I, 17; II, 222; s.
Welt.)
Den Begriff des Ganzen (»totum«)
definiert HOBBES (De corp.
7, 7),
auch CHR.
WOLF: »Unum, quod idem est cum multis, dicitur
totum« (Ontol. § 341).
HUSSERL versteht unter einem
Ganzen einen »Inbegriff
von Inhalten, welche durch eine einheitliche Fundierung, und zwar ohne Succurs
weiterer Inhalte, umspannt werden« (Log.
Unt. II, 268). Vgl.
Teil.
Gegensatz
S. 1001 ff. Siehe
auch bei Kirchner
1) logischer
Gegensatz (Opposition) das Verhältnis,
in welchem zwei Begriffe oder zwei Urteile
zueinander stehen, die einander ausschließen. Es gibt einen contradictorischen
und einen conträren (subkonträren) Gegensatz.
ARISTOTELES erklärt: antikeimena legetai
antiphasis kai tanantia kai ta pros ti kai sterêsis kai hexis kai ex hôn
kai eis ha eschata ai geneseis kai phthorai (Met.
V 10, 1018a 20). Er unterscheidet: antiphatikôs
(contradictorisch), enantiôs (conträr), kata têê
lexin monon antikeimena (De interpret.
6, 17a 26; 7, 17b 16; Categ. 10, 13b 27. Anal. prior. II 15, 63b 23).
So auch CICERO (Top. 11).
Die Scholastiker unterscheiden »oppositio
terminorum« und »oppos. enunciationum«.
Nach ÜBERWEG ist Opposition
»der Gegensatz, der zwischen zwei Urteilen von verschiedener
Qualität und verschiedenem Sinne bei gleichem Inhalt besteht« (Log.
§ 97).
2) ontologischer
(realer) Gegensatz
(»Repugnanz«), Widerstreit zweier Dinge, zweier Qualitäten,
zweier Tätigkeiten, dynamische Entgegensetzung, Willens-Gegensatz, Gegensatz
der Gefühle (physischer-psychischer Gegensatz, ethischer,
socialer Gegensatz).
Die Pythagoreer stellen eine Tafel von
zehn Gegensatz-Paaren als Principien der Dinge auf: peras
kai apeiron, peritton kai artion, hen kai plêthos, dexion kai aristeron,
arrhen kai thêly, êremoun kai kinoumenon, euthy kai kampylon, phôs
kai skotos, agathon kai kakon, tetragônon kai eteromêkes
(ARISTOTELES, Met. I 5, 986a 22 squ.).
HERAKLIT macht den Gegensatz zum Princip der
Entwicklung. Im »Gegenlauf« (enantiodromia,
Stob. Ecl. I, 60) des Geschehens ist in allem das Entgegengesetzte vereinigt,
schlägt eines in das Gegenteil um taut' einai
zôn kai tethnêkos, kai to egrêgoros kai to katheudon, kai
neon kai gêraion (Fragm. 78).
Alles erfolgt kat' enantiotêta nach der enantia
rhoê, palintropia (Plat., Cratyl.
413 E, 420 A); panta te ginesthai kath' eimarmenên
kai dia tês enantiotropês hêrmosthai ta onta (Diog.
L. IX 1, 7); ginesthai
te panta kat' enantiotêta (l.c.
8); panta ... metaballei eis enantion oion
ek thermou eis phychron (Arist. Phys.
III 5, 205a 6; vgl. Sext. Empir. Pyrrh. hypot. III, 230). Die Gegensätze
gehen in einer Einheit zusammen wie Bogen und Leier:
palintropos harmoniê kosmou hokôster lyrês kai toxou
(Plut., Is. et Osir. 5).
Nach PLOTIN sind Gegensätze
Dinge, die nichts Identisches an sich haben (Enn.
VI, 3, 20). -
CHR. WOLF definiert: »Opposita
sunt, quorum unum involvit negationem alterius«
(Ontol. § 272).
KANT betont den Unterschied zwischen logischer und realer Opposition.
»Einander entgegengesetzt ist, wovon eines dasjenige aufhebt, was durch
das andere gesetzt ist. Diese Entgegensetzung ist zweifach; entweder logisch
durch den Widerspruch, oder real d. i. ohne Widerspruch«
(WW. II, 75 ff.). Die »dialektische«
Opposition ist von der auf dem Satze des Widerspruches fußenden »analytischen«
zu unterscheiden (Krit. d. r. Vern. S. 410).
Nach J. G. FICHTE, besonders aber nach
HEGEL schlägt jeder
Begriff (im logischenDenken) in seinen Gegensatz
um, um sich mit ihm in einem höheren Begriffe zu vereinigen (Dialektik,
Widerspruch).
Nach HILLEBRAND kann es keinen metaphysischen,
realen Gegensatz geben, d.h. einen solchen, welcher
im Sein unausgleichbar wäre (Phil.
d. Geist. I, 23).
Nach HERBART ist der »Gegensatz
zweier Vorstellungen« ein voller, »wenn
eine von beiden ganz gehemmt werden muß, damit die andere ungehemmt bleibe«
(Psychol. als Wiss. I, § 41). Vorstellungen,
die einander entgegengesetzt sind und zusammentreffen, werden zu Kräften,
die einander widerstehen, hemmen (Lehrb. zur Psychol.3,
S. 15). Der Grund des Widerstehens ist die Einheit der Seele (l.c.
S. 21). Entgegengesetzte Vorstellungen verschmelzen miteinander, soweit
sie nicht gehemmt werden (l.c. S. 21 f.).
Nach MÜNSTERBERG ist entgegengesetzt in der
Vorstellungswelt das, »was antagonistische Handlungen anregt«
(Grdz. d. Psy-chol. I, 550).
WUNDT sieht in dem psychologischen »Gesetz der
Entwicklung in Gegensätzen« eine Anwendung des Gesetzes der
Contrastverstärkung auf umfassendere Zusammenhänge.
»Diese besitzen nämlich... die Eigenschaft, daß Gefühle
und Triebe, die zunächst von geringer Intensität sind, durch den Contrast
zu den während einer gewissen überwiegenden Gefühlen von entgegengesetzter
Qualität allmählich stärker werden, um endlich die bisher vorherrschenden
Motive zu überwältigen und nun selbst während einer kürzeren
oder längeren Zeit die Herrschaft zu gewinnen.« Mehr als im
individuellen tritt das Gesetz im geschichtlichen Leben, im Wechsel geistiger
Strömungen hervor (Gr. d. Psychol.5, S. 401f.;
Syst. d. Phil.2, S. 598; Log. II2, 2, S. 282 ff.; Phil.Stud.X, 75 ff.).
Geist
S. 1008 ff. Siehe
auch bei Kirchner
heißt im Gegensatz zum Stoffe, zur Materie, zum
Körper das Seelische, Psychische; im Unterschiede
vom Seelischen (Psychischen) die Denkkraft, Vernunft,
der Inbegriff des höheren seelischen Lebens, die Vernünftigkeit, auch
die Verstandesschärfe (»Geistreichtum«).
Vom Geiste des Menschen ist der Weltgeist
(Universalgeist), der göttliche
Geist, vom Einzelgeist der Gesamtgeist,
vom subjectiven der objective Geist, d.h. der Inbegriff
geistiger Schöpfungen einer Gesamtheit zu unterscheiden. Der
»Zeitgeist« ist die Denkweise eines Zeitalters.
»Geist« heißt auch die immaterielle Substanz, die von
vielen als Träger der psychischen Vorgänge angenommen wird. An »Geister«
als Seelen Verstorbener glaubt der Naturmensch, auch der Spiritismus.
Als eigenes Princip des Seienden bestimmt den Geist zum
erstenmal ANAXAGORAS. Freilich ist der »Geist«
(nous) hier noch ein feinster Stoff, nicht absolut immateriell:
esti gar leptotaton te pantôn chrêmatôn
kai katharôtaton kai gnômên ge peri pantos pasan ischyei.
Kai ischyei megiston;noos de pas homoios esti kai ho mezôn kai ho elassôn
(Simpl. ad Arist. Phys. 33). Unbegrenzt, für sich seiend, rein und
unvermischt mit den übrigen Dingen ist der Nus noos
de estin apeiron kai autokrates kai memiktai oudeni chrêmati, alla mounos
autos eph' heautou estin, ib.; (Aristot.,
Phys. VIII 5, 256b 24 squ.). Der Geist ist das Princip der Weltordnung,
der zweckvolle Gestalter des Stoffes: panta chrêmata
ênhomou. eitha ho nous elthôn auta diekosmêse
(Diog.L. II, 3, 6). Der Geist
ist der Grund der Bewegung (Veränderung),
der Scheider der Materie kinêsin empoiêsai
ton noun kai diakrinai (Aristot., Phys. VIII1,
250b 24). Allwissend und allmächtig ist der
Geist
panta egnô noos, pantôn noos kratei, panta
diekos-mêse noos (Simpl. ad Arist. Phys.
33); epei panta noei, amigê einai, hôsper
phêsin 'Anaxagoras, hina kratê, touto d' estin hina gnôrizê
(Arist., De an. III 4,429a 18). Der
nous kosmopoios ist die Gottheit (Stob.
Ecl. I 2, 56).
Als etwas Stoffliches feinster Art fassen den nous
auf: BRUCKER, TIEDEMANN, FR. KERN, G.
GROTE, D. PEIPERS, DILTHEY,
COMPERZ, WINDELBAND
(als »Kraftelement« »Bewegungsstoff«),
ZELLER, UPHUS, KÜHNEMANN; als immateriell:
FREUDENTHAL, HEINZE, E. ARLETH (vgl. dessen Lehre
d. Anax. vom Geist, Arch. f. Gesch. d. Philos. VIII, 205).
Der Hylozoismus
betrachtet den Geist als Eigenschaft des Stoffes.
Nach HERAKLIT durchdringt der
Geist (logos)
das All.
Nach DEMOKRIT ist der Geist
das Product der Atome
und ihrer Bewegungen.
Eine Weltvernunft anerkennt PLATO. Der vernünftige,
geistige Teil der Seele (nous,
logistikon) ist das Oberste in ihr (Rep. IV,
435).
Nach ARISTOTELES ist der nous
die höchste Energie (energeia) der
Seele,die nur dem Menschen, nicht den Tieren zukommt
(De an III 3, 429a 23). Der nous
ist das Denkprincip legô de noun hô dianoeitai
kai hypolambanei hê psychê (De
an. III 4, 429 a 23). Nicht mit dem Leibe vermengt ist der
Geist (De an. III 4, 429 a 24), einfach
und stetig ist er ho de nous heis kai synechês
hôsper kai hê noêsis (De
an. I 3, 407 a 8). Er ist vomLeibe trennbar, leidlos, rein kai
houtos ho nous
chôristos kai apathês kai amigês (De
an. III 5, 430a 17), unvergänglich und göttlich ho
de nous isôs theioteron ti kai apathes estin (De
an. I 4, 408 b 29; De an. II 2, 413b 26; III 4, 429 a 15 squ.). Der Geist
ist in der Seele en
psychê nous (Eth. Nic. I 4, 1096b 29),
er stammt aber »von außen« (thyrathen)
von Gott, dem reinen
Geiste (noêsis noêseôs).
Er ist die Form der Formen eidos eidôn
(De an. III 8, 432a 2), das Wertvollste (Met.
XII 9, 1074b 26). Der Potenz nach ist der Geist
eins mit seinen Inhalten hoti dynamei pôs
esti ta noêta ho nous (De an. III 4,
429 b 30).
THEOPHRAST (bei Simpl., Phys.
225a) und STRATO (Cic.
ad Acad. II, 38, 121) betrachten den Geist als
ein der Seele Immanentes, als deren Entwicklungsproduct.
Die Stoiker lehren die Existenz eines Weltgeistes
(pneuma), dessen Ausfluß
apospasma der menschliche Geist
ist (M. AUREL, Inse ips. XII, 26).
Bei den Neupythagoreern
ist der nous die Einheit der Ideen
(NICOMACHUS, Arithm. intr. I, 6).
PHILO bestimmt den nous
als psychê psychês als Organ
übersinnlicher
Erkenntnis
(Opp. I, 42, II, 408).
PLUTARCH VON CHAERONEA erblickt im Geiste
eine selbständige Wesenheit.
So auch PLOTIN. Nach ihm ist der
Geist einfach, die
Seele hingegen gegliedert (Enn. IV,1). Der
nois ist eine Emanation
des Urseins; er denkt das Seiende und ist es
insofern (Enn. IV, 5), er ist die Totalität
der Ideen (l.c. IV, 8). Zum Unterschiede vom »Einen«
(hen) hat der Geist schon die Andersheit
(heterotês) an sich, den Gegensatz
des Denkens und Gedachten. In den Dingen wirken geistige Kräfte (noi,
noerai dynameis). In der Seele
ist der nous die oberste Kraft
(l.c. II, 9, 2).
Als Emanationsproduct bestimmen den Geist
die Gnostiker. Sie und
die Kirchenväter sind zugleich von dem evangelischen Glauben
an den »heiligen Geist« (s. Pneuma)
beeinflußt.
Von der Seele unterscheiden den
Geist (pneuma) TATIAN,
ORIGENES (De princ. VIII,
1), auch die Kabbalâ.
Als feinen Stoff bestimmt den »spiritus«
TERTULLIAN: »spiritus
enim corpus sui generis in sua effigie« (Adv.Prax.
C. 7).
Den »spiritus« erklärt AUGUSTINUS
als »quaedam vis animae mente inferior, in qua imagines
rerum imprimuntur« (Super Genes. ad litter.
XII, 9).
DAVID VON DINANT nennt den Geist (Noym)
das »primum divisibile, ex quo constituuntur animae«
(bei HAURÉAU II 1, p. 76).
Als Einheit der Ideen
betrachtet den Geist BERNHARD VON CHARTRES.
Die Einheit von Geist und Seele
betont ROB. VON ST. VICTOR: »Neque
enim in homine uno alia essentia est eius spiritus atque alia eius anima, sed
prorsus una eademque simplicisque naturae substantia« (De
extern. mal. tr. 3, C. 18).
THOMAS versteht unter
Geist als Vermögen die Denkkraft; der Geist
ist »ipse intellectus examinans res, secundum quad
mens dicitur a metior, metiris« (1 sent.
3, 5, 6); »mens in anima nostra dicit illud,
quod est altissimum in virtuteipsius«(De
verit. 10, 1 C).
Gott ist nach den
Scholastikern reiner Geist.
Von der Seele unterscheidet den Geist
auch ECKHART.
Einen »spiritus mundi« nimmt AGRIPPA
VON NETTESHEIM an.
NICOLAUS CUSANUS trennt den Geist nicht von
der Seele. »Mens
est viva sub-stantia, quam in nobis interne loqui et indicare experi-mur...,
est vis in se omnia suo modo complicans« (Idiot.
III,.5).
PARACELSUS betrachtet den
Geist als den innersten Teil der Seele,
als göttliches Bildnis oder »Fünklein«
(Phil. sag. p. 433 f.).
CAMPANELLA unterscheidet von der empfindenden Seele
den aus Gott »per
ineffabilem emanationem« stammenden Geist,
mens (Univ. phil. I, 5, 2).
Den absoluten Gegensatz zwischen Geist (res
cogitans, mens) und Stoff lehrt DESCARTES.
Geist und Körper sind Substanzen. Der Geist
ist einfach, unausgedehnt, unzerstörbar, er erfaßt sich selbst
als Denkendes (Princ. phil. I, 11). Geist und Körper
stehen in Wechselwirkung miteinander.
Im Sinne des Cartesianismus definiert SPINOZA:
»substantia, cui inest immediate cogitatio,
vocatur mens« (Cart. pr. phil. I, def. VI).
Er selbst sieht im Geist keine Substanz, sondern ein Attribut der einen Substanz.
Diese (=Gott) ist sowohl Geist
(»res cogitans«) als Materie (Eth.
II, prop. I, II), er ist unendlicher Geist
»intellectus infinitus« (l.c.
prop. IV)«, den Einzeldingen immanent.
Nach LEIBNIZ ist alles an sich geistiger
Art, indem den Körpern Monaden
zugrunde liegen, geistige Substanzen. Jede
Monade ist eine Welt für sich, »comme
an monde à part, suffisant à lui-même« (Gerh.
IV, 485 f.). Gott
ist reiner, activer Geist.
Nach BERKELEY gibt es nur eine Art von Substanzen
(Princ. CXXXV): Geister,
d.h. active, percipierende Wesen, deren objective Vorstellungen Körper
heißen. Ein Geist ist ein einfaches, unteilbares,
actives Wesen, das in Einem Verstand und Wille ist und nur in seinen Wirkungen
zu percipieren ist (Princ. XXVII). Wir haben vom
Geiste nur eine »notion«, keine »idea«
(ib.). Der höchste Geist ist
Gott (l.c. CXLVI); ähnlich schon MALEBRANCHE,
der Gott [s. d.] den »Ort der Geister« nennt).
Nach CHR. WOLF ist Geist
»ein Wesen, das Verstand und einen freien Willen
hat« (Vern. Ged. I, § 896); nach
PLATNER das, »was mit Bewußtsein und
Absicht wirkt« (Phil. Aphor. I, § 1063);
nach KANT »das durch
Ideen belebende Princip des Gemütes« (Anthrop.
I, § 69 B). -
SWEDENBORG glaubt an einen Verkehr der Menschenseelen mit der Geisterwelt
(vgl. KANT, Träume ein. Geistersehers, II. T., 2.
Hptst.).
Die Auflösung der geistigen Substanz in ein »Bündel«
von Erlebnissen erfolgt bei HUME. Nach ihm ist der
Geist ein gesetzmäßig verknüpftes
Zusammen von
Perceptionen, ein »heap or collection«
von solchen (Treat. IV, set. 2; IV, Set. 6).
HELVETIUS sieht im
Geist (esprit) »un
assemblage d'idées neuves quelconques« (De
l'espr. I, disc. II, ch. 1, p. 73).
HOLBACH und LA METTRIE
betrachten den Geist als Naturproduct.
J. G. FICHTE bestimmt die Wirklichkeit als Geist,
als Ich .
SCHELLING betrachtet Geist und Natur als die
beiden Seiten oder Pole des Absoluten, der »Indifferenz«
(s. Gott). In den verschiedenen
Dingen überwiegt bald das eine, bald das andere Moment. »Ein
Geist ist, was aus dem ursprünglichen Streite seines Selbstbewußtseins
eine objective Welt zu schaffen und dem Product in diesem Streite selbst Fortdauer
zu geben vermag«(Naturphilos. S. 312).
Nach SUABEDISSEN ist der Geist des Menschen »die
Einheit, das eine Princip des ursprünglichen Denkens und Erkennens und
des ursprünglichen Lebens und Handelns«, »die Vernunft, die
zugleich theoretisch und praktisch ist« (Grdz.
d. Lehre von d. Mensch. S. 160).
HEGEL setzt den Geist (die
Vernunft, Idee) als Weltprincip,
das in dialektischer
Bewegung die Stufen des An-sich, Außer-sich, An-und-für-sich durchläuft
und als »absoluter Geist« zum Wissen
seiner selbst kommt. Geist ist »das
Bei-sich-selbst-sein« (Philos.
d. Gesch. S. 21), die »unendliche Subjectivität
der Idee« (Ästh. I, 103), das
»an und für sich seiende Wesen..., welches
sich zugleich als Bewußtsein wirklich und sich selbst vorstellt«
(Phänom. S. 328), »das sich selbst tragende
absolute reale Wesen« (l.c. S. 329),
das »Wirkliche« oder »Wesen«
der Dinge (l.c. B. 19). Er ist die
»Wahrheit« der Natur, »die zu
ihrem Für-sich-sein gelangte Idee«(Encykl.
§ 381). Er geht aus dem »Tode des Natürlichen«
hervor (l.c. §376), als ein »Offenbaren«
seiner selbst (l.c. § 383 f.), als
die »wissende Wahrheit« (l.c.
§ 439). Er entwickelt sich durch die Phasen des subjectiven und
objectiven zum absoluten Geist (l.c. § 385),
der der göttliche Geist ist (l.c.
§ 386), die »absolute Tätigkeit...,
sich in sich selbst zu unterscheiden« (Ästh.
I, 120). Der subjective Geist ist theoretischer und praktischer Geist
(Encykl. § 445). Der »objective Geist«
ist »die absolute Idee, aber nur an sich seiend«
(l.c. § 483), d.h. der Geist in den socialen
Gebilden, das »sittliche Leben eines Volkes«
(Phänom. S. 330). Der absolute Geist ist die sich wissende Idee
oder Weltvernunft (Encykl. §. 554 ff., § 574,
577), die noêsis hê kath' hautên
des ARISTOTELES (Met.
XI, 7). In der Kunst, der Religion und endlich in der Philosophie manifestiert
er sich (Encykl. §. 554 ff.). Der
Weltgeist ist, intellectualistisch, als Denkkraft gedacht.
Bei SCHOPENHAUER hingegen ist er Wille.
Nach GRILLPARZER ist der Geist
»nicht ein Ruhendes, sondern vielmehr das absolut
Unruhige, die reine Tätigkeit, das Negieren oder die Idealität aller
festen Verstandesbedingungen« (WW. XV, 7).
Im Sinne Hegels lehrt K.
ROSENKRANZ. Der Geist ist »das
Für-sich-sein der Idee als Idee, die sich wissende und wollende Idee«,
das »Prius der Natur wie der Vernunft« (Syst.
d. Wiss. § 564 ff.). Der Geist »ist
nur, was er tut« (l.c. S. 367). Er
ist frei (ib.), hat Bewußtsein und Vernunft
(l.c. S. 368). Der subjective
Geist ist »der natürlich-individuelle,
der in seiner Tätigkeit bei sich, in seinem Begriffe, bleibt«;
der objective Geist ist der Geist, »der seine Freiheit
als eine objective Welt hervorbringende« Geist;
der absolute Geist ist
»der Geist, der sich selbst als den absoluten Inhalt in der diesem Inhalt
congruenten absoluten Forum weiß« (l.c.
S. 366).
So auch J. E. ERDMANN, der das Wesen des Geistes
in das »In-sich-sein« setzt (Gr. d.
Psychol. § 7).
Nach HILLEBRAND ist Geist
»das subjective Sein, d.h. das Sein, insofern es
sich selbst als Objectivität hat und seine eigenen Bestimmungen an sich
setzt« (Phil.
d. Geist. I, 65). »Nur in und mit der lebendigen
Individualisierung kann... der Geist zur concret erscheinenden Wirklichkeit
gelangen« (l.c. S. 65 f.). Das Wesen
der Geistigkeit besteht in der »Selbsterfassung
und Selbstsetzung des Seins« (l.c. S. 66).
Der Geist ist substantiell
(l.c. S. 68), hat die Freiheit zu seinem Wesen (l.c.
S. 71).
E. v. HARTMANN bestimmt den Weltgeist
als das »Unbewußte«.
G. CLASS sieht im absoluten
Geist die Einheit von absolutem Denken und absolutem Ich.
R. EUCKEN versteht unter Geist
»den bei sich selbst befindlichen Lebensproceß«
(Grundbegr. S. 47). Er »erzeugt
aus seinem Schaffen eine neue Wirklichkeit und will die vorgefundene Lage damit
umwandeln« (l.c. S. 58). Das »schaffende
Geistesleben« ist vom »empirischen
Seelenleben« deutlich zu unterscheiden; in jenem »erfolgt
ein Aufsteigen der Wirklichkeit zu einer innern. Einheit und zu voller Selbständigkeit«
(Gesamm. Aufs. S. 166). Der Geist entfaltet
sich in der Geschichte (Kampf um ein. geist. Lebensinh.
S. 19 ff.). Das Geistesleben ist die Erschließung der eigenen Substanz
des Wirklichen, es ist universal (l.c. S. 30).
Die geistige Welt muß durch Selbsttätigkeit, Kampf erzeugt werden
(l.c. S. 30, 42 ff.).
FECHNER versteht unter Geistigem
die »Selbsterscheinung« (Zend-Avesta
II, 164 f.). Geist ist das »dem Körper
oder Leibe überhaupt gegenüber gedachte, sich selbst erscheinende
Ganze, welchen Empfinden, Anschauen,Fühlen, Denken, Wollen u.s.w. als Eigenschaften,
Vermögen oder Tätigkeiten beigelegt werden«
(l.c. I, S. XIX). »Ein Geist erscheint und
erfaßt sich unmittelbar selbst« (l.c.
I, 252). Das Geistige ist das Innensein
dessen, was von außen als Körperliches erscheint. Es gibt eine Reihe
von Geistern verschiedener Ordnungen, niedere und höhere, umfassendere
(z.B. Planetengeister), sie alle werden vom göttlichen
Allgeiste umfaßt (Elem. d. Psychophys. II,
455).
Einen »Allgeist« nimmt M.
VENETIANER an.
HARMS bestimmt den Geist als den Grund der
inneren Erscheinung, als Für-sich-sein der Dinge. -
HERBART nennt Geist die
Seele, »sofern sie
vorstellt« (Lehrb. zur Psychol.3, S. 29).
Nach LOTZE ist der Geist
nur eine höhere Entwicklungsstufe der Seele,
die Vernunft (Kl. Schrift. II, 498). Alles Wirkliche
ist innerlich geistiger Art (s. Monaden),
hat ein Für-sich-sein.
LAZARUS versteht unter Geist
»die menschliche Seele, welche ihrer selbst,
und zwar in ihrer Tätigkeit als Tätigkeit, sich bewußt wird«
(Leb. d. Seele II2, 74).
Nach STEINTHAI ist Geist
derjenige Kreis von seelischen Erzeugnissen, welcher die Denktätigkeit,
die Intelligenz umfaßt (Urspr. d. Sprache S. 119
f.).
J. H. FICHTE nimmt »Geistesmonaden«
als reale Wesen, Träger des Bewußtseins an
(Psychol. I, 74). Der Geist hat nicht bloß
apriorische Bestandteile, er ist selbst ein »vorempirisches
Wesen« (l.c. I, S. VIII). Der Menschengeist
ist ein »raumzeitliches Realwesen«
(l.c. S. VII). Der Geist
ist nicht das Bewußtsein, sondern das Bewußtseinerzeugende
(l.c. I, 71 ff.).
Nach WUNDT heißt Geist
»das innere Sein, wenn dabei keinerlei Zusammenhang
mit einem äußeren Sein in Rücksicht fällt«
(Grdz. d. phys. Psychol. I3, 9; vgl. S. 12). Das
Geistige ist das Innensein der Dinge, die unmittelbare Realität,
die sich von den elementarsten bis zu den höchsten Formen entwickelt. Alles
Geistige ist aber bewußte Wirksamkeit, ein »unbewußter
Geist« ist einWiderspruch (Syst. d. Philos.2,
S. 553 ff.). Die Natur ist, als Vorstufe des Geistes, selbst schon geistiger
Art (l.c. S. 568 ff., 619 f.). Ebenso ursprünglich
und real, ja realer als die Einzelgeister ist der
Gesamtgeist, der aber keine besondere Substanz ist, sondern in den Einzelgeistern
existiert, wenn er auch mehr als deren Summe ist (l.c.
S. 611 ff.; Gr. d. Psychol. S. 361; Log. II2, 2, S. 40; Völkerpsychol.
I, 1, S. 10 f.; Eth.2 S. 459). Der göttliche Weltgrund ist
Geist und zugleich übergeistig (Syst. d. Philos.2,
S. 392 ff.).
MÜNSTERBERG unterscheidet das Geistige vom
Psychischen; letzteres ist schon eine abstractive Bearbeitung des ersteren,
der in »Selbststellung«, im concret-lebendigen
Wirken besteht (Grdz. d. Psychol. I).
A. DORNER versteht
unter dem Geist die selbstbewußte
Seele (Grdz. d. Psychol. I).
Unter »objectivem Geist«
verstehen RIEHL,
JODL, JERUSALEM
die Gesamtheit der geistigen Producte innerhalb einer Gesellschaft. Der
Materialismus betrachtet den Geist als Stoff oder materielle Function oder Epiphänomen
der Materie oder Energie. Vgl. Spiritualismus,
Seele, Panpsychismus
Gesetz
S. 378ff. Siehe
auch bei Kirchner
Gesetz ist der Inhalt eines
Imperativs, einer Willensforderung bezw. was analog einem solchen Inhalte (ursprünglich)
betrachtet wird. Gesetz ist der Ausdruck für
ein Sein-sollendes, Gewolltes, notwendig zu Geschehendes.
Bei juridischen Gesetzen ist die Notwendigkeit
eine teleologische (»man muß, soll - wenn
man nicht Strafe haben will«), beim ethischen,
logischen, geistigen Gesetze ebenfalls (»man
muß, soll - wenn man vernünftig leben, vernünftig denken will«),
beim Naturgesetz eine psychologische
(triebartige) oder mechanische Notwendigkeit.
Naturgesetze sind begrifflich formulierte Notwendigkeits-Relationen,
mit denen die Konstanz, Regelmäßigkeit
von selbst gesetzt ist. »Es ist ein Naturgesetz«
heißt: das Wesen, die Natur, die Konstitution der Dinge, des Alls fordert,
bedingt den Zusammenhang, die Art, das Quale und das Quantum von Geschehnissen.
Unter gleichen Bedingungen verhält sich Gleiches
stets (zu allen Zeiten, in allen Räumen) gleich
- das ist die logische Grundlage (das Identitätsprinzip)
aller Gesetzlichkeit. Gesetzmäßig
(gesetzlich) ist, was in eine Gesetzesformel zu
bringen ist. Die »Gesetze« sind (subjektiv)
Satzungen des (die Erfahrungsinhalte logisch verarbeitenden)
Denkens, haben aber (objektiv) ein »Fundament«
in der Erfahrung, in den Objekten selbst. Die sozial-historischen
Gesetze sind Modifikationen psychologischer Gesetze.
Die Geschichte des Gesetzes-Begriffes läßt
bald eine mehr rationalistische, bald eine mehr empiristische, bald eine objektivistische,
bald eine subjektivistische Bestimmung dieses Begriffes erkennen. Der objektive
Idealismus führt die Naturgesetze auf eine
Weltvernunft zurück, der Theismus
(und Pantheismus) auf den göttlichen Willen
(die göttliche Substanz).
HERAKLIT erblickt in der Weltvernunft
(dem logos)
das Weltgesetz (nomos,
dikê), dem sich alles fügen muß und soll (Sext.
Empir. adv. Math. VII, 133).
Die Gesetzlichkeit des Naturgeschehens
betont PLATO, der von natürlichen
Gesetzen (para tous tês physeôs nomous,
Tim. 83 E) spricht.
So auch ARISTOTELES (De
coel. 268a 10 squ.).
Die Stoiker und Epikureer
lehren die Gesetzmäßigkeit der Naturprozesse;
bei LUKREZ tritt der Begriff der »lex
naturae« auf.
Im Anschlusse an das Alte Testament, das Gott als den Gesetzgeber der Natur
betrachtet, bezieht die christliche Philosophie die Naturgesetze
auf den göttlichen Willen, die göttliche Vernunft.
THOMAS erklärt die »naturales
leges« als »ipsae naturales inclinationes rerum proprios fines«
(Nom. 10, 1). »Lex
naturae nihil aliud est, nisi lumen intellectus insitum nobis a Deo, per quod
cognoscimus, quid agendum et quid vitandum« (Sum.
th. I, 60, 5a).
KEPLER, KOPERNIKUS,
GALLILEI bestimmen die Naturgesetze
unpersönlich (mathematisch) als Abhängigkeiten;
so auch F. BACON, der sie »Schematismen«
nennt.
DESCARTES ist geneigt, die
Naturgesetze auf Gott
zurückzuführen.
SPINOZA gründet sie auf die
ewige Wesenheit der Substanz.
Nach LEIBNIZ handelt Gott
gesetzmäßig (Theod.
I, § 28).
BERKELEY betrachtet die Naturgesetze
als Zeichen der ewig gleichen Betätigung des
göttlichen Geistes (Princ.
LXII).
NEWTON erklärt, er wolle
»missis formis substantialibus et qualitatibus occultis
phaenomena naturae ad leges mathematicas renovare« (Phil.
nat. princ. math. Anf.).
HUME meint, die Vorstellung einer
Änderung des Naturlaufes sei möglich (Treat.
III, sct. 6). Gesetzmäßigkeit
ist Regelmäßigkeit des Geschehens.
Nach FERGUSON ist Gesetz
»jede allgemeine Regel, die aus der Vergleichung
mehrerer Faktorum abgezogen ist« (Grunds.
d. Moralphilos. S. 2). Es gibt
physische und moralische (geistige) Naturgesetze. »Ein
physisches Gesetz ist jeder allgemeine Ausdruck einer in mehreren einzelnen
Fällen vorkommenden Veränderung.« »Ein moralisches Gesetz
ist jeder allgemeine Ausdruck von dem was gut und also geschickt ist, die Wahl
verständiger Wesen zu bestimmen« (l.c.
S. 4). »Gesetz«
bedeutet zuweilen das Faktum selbst (l.c.
S. 71). Auch die Geisterwelt
hat Gesetze, »denn
es gibt unter den Veränderungen und Operationen der Seele gewisse beständige
und unveränderliche Fakta« (l.c.
S. 72).
MENDELSSOHN versteht unter
Gesetzen »allgemeine
Sätze, in welche wir die besonders Beobachteten oder geschlossenen Kausalitätsverbindungen
gebracht haben, durch deren Anwendung wir in jedem vorkommenden Fall auf den
Erfolg rechnen« (Morgenst. I,
2).
KANT sieht in der »Gesetzgebung«eine
apriorische Funktion des Verstandes, durch welche die Mannigfaltigkeit der Erfahrungsinhalte
geordnet wird. Die empirischen Gesetze sind aber schon Anwendungen der gesetzgebenden
Funktion des Denkens auf den Erfahrungsinhalt. Rein a priori ist nur das kausal-gesetzmäßige
Verknüpfen überhaupt. Gesetze sind »Regeln,
sofern sie objektiv sind mithin der Erkenntnis des Gegenstandes notwendig anhängen«
(Krit. d. r. Vern. S. 134).
Es
heißt aber »die
Vorstellung einer allgemeinen Bedingung, nach welcher ein gewisses Mannigfaltige
mithin auf einerlei Art) gesetzt werden kann, eine Regel, und wenn es so gesetzt
werden muß, ein Gesetz« (l.c.
S. 125). Die einzelnen Gesetze
sind Bestimmungen höchster Verstandesgesetze, die »nicht
von der Erfahrung entlehnt sind, sondern vielmehr den Erscheinungen ihre Gesetzmäßigkeit
verschaffen, und eben dadurch Erfahrung möglich machen müssen«.
»Es ist also der Verstand nicht bloß ein Vermögen, durch Vergleichung
der Erscheinungen sich Regeln zu machen; er ist selbst die Gesetzgebung für
die Natur, d. i. ohne Verstand würde es überall nicht Natur, d.h.
synthetische Einheit des Mannigfaltigen der Erscheinungen nach Regeln geben«
(l.c. S. 135). Der
Verstand ist selbst »der Quell der Gesetze
der Natur«. »Zwar können empirische Gesetze, als solche, ihren
Ursprung keineswegs vom reinen Verstand herleiten... Aber alle empirischen Gesetze
sind nur besondere Bestimmungen der reinen Gesetze des Verstandes, unter welchen
und nach deren Norm jene allererst möglich sind, und die Erscheinungen
eine gesetzliche Form annehmen«
(l.c. S. 135 f.). Praktische
Gesetze sind Grundsätze, die als für
den Willen jedes vernünftigen Wesens gültig erkannt werden
(Krit. d. prakt. Vern. I. B., 1. Hptst., §
1). Reine Vernunft
gibt das Sittengesetz (l.c.§
7). Die Achtung vor dem Vernunftgesetz
begründet die Sittlichkeit.
Nach FRIES bestimmt
das Gesetz »die
notwendige Verbindung mehrerer allgemeiner Bestimmungen, so daß, was unter
der einen steht, auch unter der andern stehen muß, die notwendige Verbindung
von Begriffen« (Syst. d. Log.
S. 165).
J. G. FICHTE und HEGEL
betrachten die Naturgesetze
als Setzungen der Ichheit bezw. der Weltvernunft.
Nach ESCHENMAYER sind
alle »äußeren Naturgesetze«
aus »inneren Grundgesetzen«
des Geistes reflektiert (Psychol. S.
310). Das Naturgesetz
ist »nichts als der besondere Reflex einer
allgemeinen Gleichung, die ursprünglich in uns selbst liegt«
(l.c. S. 435 f.).
Nach CHR. KRAUSE ist
Gesetz »das gemeinsam Bleibende in der Reihe
des Mannigfaltigen, sowohl an ewigen als an zeitlichen Dingen«
(Abr. d. Rechtsphilos. S. 4).
Ähnlich definiert AHRENS (Naturrecht
I, 226).
Nach BENEKE ist
das Gesetz »allgemeiner
Ausdruck oder Zusammenfassung mehrerer einstimmiger Prozesse« (Lehrb.
d. Psychol. § 19; Syst. d. Log. II, S. 4, 48 ff.).
SCHOPENHAUER erklärt das Naturgesetz
als die Einheit des Wesens
einer Kraft in allen ihren Erscheinungen, als »die
unwandelbare Konstanz des Eintrittes derselben, sobald, am Leitfaden der Kausalität,
die Bedingungen dazu vorhanden sind« (W.
a. W. u. V. I. Bd.. § 26).
TRENDELENBURG bestimmt das
Gesetz als das Allgemeine,
das vor der Erscheinung die Erscheinung bestimmt
(Log. Unt. II2, 190)
K. FISCHER erklärt:
»Gesetze des Vorstellens beherrschen die Erscheinungswelt,
weil sie dieselbe machen. Daher sind sie, soweit sich das Reich der Erscheinungen
erstreckt, Weltbedingungen oder Weltprinzipien, deren Bedeutung völlig
verkannt wird, wenn man ihnen nur anthropologische oder psychologische Geltung
zuschreiben will: sie können nicht durch Psychologie begründet werden,
weil sie diese selbst erst begründen« (Krit.
d. Kantschen Philos. S. 12).
Ähnlich lehren H. COHEN,
NATORP u. a.
O. LIEBMANN versteht unter
Naturgesetz »eine allgemeine
Regel, nach welcher an das Zusammentreffen bestimmter Realbedingungen in der
Natur jederzeit und allerorten das nämliche Ereignis als Realeffekt geknüpft
erscheint« (Anal. d. Wirkl.2,
S. 280). »Die allgemeine
Gesetzlichkeit des natürlichen Geschehens ist das objektive Korrelatum
desjenigen in uns, was wir Vernunft, logos, nennen; sie ist die Logik der Tatsachen,
ist die Vernunft im Universum«
(l.c. S. 281). Das ist eine
apriorische Überzeugung
(ib.).
Die Zeitlosigkeit der Gesetze, ihre
ewige Geltung betont (ähnlich wie LOTZE)
TEICHMÜLLER
(Darwin. u. Philos. S. 9 ff-).
Nach ULRICI ist ein
Gesetz »der
allgemeine Ausdruck (die Formel) der bestimmten Art und Weise, in der eine Kraft
notwendig und allgemein sich äußert, eine Tätigkeit notwendig
und allgemein tätig ist«(Log.
S. 93; vgl. Gott u. Nat. S. 48 f.).
Nach RÜMELIN ist
das Gesetz der Ausdruck für die »elementare
Konstante, in allen einzelnen Fällen als Grundform erkennbare Wirkungsweise
von Kräften«
(Red. u. Aufs. I, S. 5). Die
Ausnahmslosigkeit gehört zum Begriff des Gesetzes,
(l.c. S. 16).
Die
sozialen »Gesetze« sind hypothetischer
Art, sind nur eine Art der psychischen Gesetze
(l.c. I, 9 f., 28; II, 118 ff.).
Nach M. CARRIERE drücken
die Gesetze der Natur »die
Beziehungen und Verhältnisse der Wesen zueinander aus, welche der eine
Unendliche alle in sich hegt und durch seine Gegenwart verbindet«
(Ästh. I, 29).
Nach E. v. HARTMANN
bezeichnet das Gesetz »die
bestimmte Wirkungsweise unter bestimmten Verhältnissen« (Kategorienlehre
S. 422). Es hat »im
Geschehen eine implizite Existenz«
(l.c. S. 423), ist etwas Beständiges,
schließt aber variable und konstante Faktoren in sich (ib.).
»Das Gesetz zeigt die ideelle Bestimmtheit an, zu
welcher die Natur den Inhalt ihrer dynamischen Funktionen von Fall zu Fall determiniert.«
»Die Gesamtheit der Weltgesetze erschöpft die 'Welt als Idee'«
(Weltansch. der mod. Phys. S. 209).
G. SPICKER erklärt
»Gesetz« als
die »unveränderlichen, allgemeinen Normen,
nach welchen sich alle Prozesse in den äußeren Erscheinungen vollziehen«
(Vers.
e. n. Gottesbegr. S. 77). Die
Gesetze sind »teleologischer
Natur«(l.c. S. 81). Vor
der Entstehung des Endlichen sind sie nur potentiell (l.c.
S. 120).
A. COMTE lehrt einen Positivismus,
der anstatt aus abstrakten, unbekennten Kräften die Tatsachen aus ihren
konkreten Gesetzen erklärt.
Nach J. ST. MILL ist »jede
vollbegründete induktive Generalisation« ein
Naturgesetz (Log.
I, 375). Die Naturgesetze
bestehen in »beobachteten Übereinstimmungen
sei es des Nacheinander oder des Nebeneinander gewisser Erscheinungen«
(Üb. Relig. S. 12).
GIZYCKI erklärt: »Ein
Naturgesetz ist... nur der Ausdruck für eine allgemeine Tatsache, und nicht
ist es etwas außerund über den Tatsachen: die Dinge richten sich
nicht nach den Gesetzen, sondern die Gesetze nach den Dingen. Die Dinge tun
das, was in ihrer eigenen Natur liegt« (Moralphilos.
F,. 209).
Nach NIETZSCHE gibt
es an sich keine »Gesetze«,
diese sind subjektive Fiktionen (WW.
V, 1, 2). Wir legen in die Natur,
in den kontinuierlichen Fluss des Geschehens, Gesetze hinein
(WW. III, 1, S. 40 f.).
L. BUSSE betont, Naturgesetze
seien nicht »logisch notwendige Gebote, denen
die Dinge entsprechen, weil ein abweichendes Verhalten unmöglich, logisch
undenkbar ist«, sondern »Formulierungen des tatsächlichen Verhaltens
der Dinge« (Philos. u. Erkenntnistheor.
I 1, 194).
Nach HELMHOLTZ ist
ein Gesetz »das
gleichbleibende Verhältnis zwischen veränderlichen Größen«(Vortr.
u. Red. I, 240), »der
allgemeine Begriff, unter den sich eine Reihe von gleichartig ablaufenden Naturvorgängen
zusammenfassen läßt« (l.c.
I, 375). Die Geltung eines vollständig
bekannten Naturgesetzes ist eine ausnahmslose (ib.,
vgl. S. 169 f.).
Nach STEINTHAL ist ein Naturgesetz
ein »bestimmtes und festes Verhältnis
der Bewegungen« (Einl. in d. Psychol.
S. 114).
Als Abstraktion von regulativer Bedeutung faßt das
Naturgesetz O. CASPARI auf
(Zusammenh. d. Dinge S. 160 ff.).
Die Unveränderlichkeit der Naturgesetze
betont A. COMTE.
Nach RENOUVIER ist
ein Gesetz (»une
relation d'ordre general, ou une propriété (une qualité
spécifique) servant à lier et à séparer, a distribuer
d'après leurs caractères,des classes plus ou moins étendues
de phénomènes«Nouv.
Monadol. p. 7).
MEINONG versteht unter Gesetz
»die für alle Glieder einer Reihe gleichbleibende
Beziehung, durch welche je ein Glied dieser Reihe zu einem Gliede einer oder
mehrerer anderer Reihen zugeordnet ist« (Grundl.
d. Log.2, S. 162).
Nach SIMMEL bedeutet
ein Gesetz, »daß
die gleiche entweder natürliche oder ethische Notwendigkeit da eintritt,
wo die gleichen Vorbedingungen gegeben sind« (Einl.
in d. Moralwiss. II, 21). Gesetz
eines Geschehens ist ein »Satz..., dem gemäß
der Eintritt gewisser Tatsachen unbedingt - d.h. jederzeit und überall
- den Eintritt gewisser anderer zur Folge hat« (Probl.
d. Geschichtsphilos. S. 34).
Nach L. STEIN sind
Naturgesetze »Begriffskopien
von Rechtsgesetzen«(An d. Wende
d. Jahrhund. S. 262), »Einheitsformeln«,
»Gattungsbegriffe« (l.c.
S. 264 ff.). Das Naturgesetz
ist »nichts
anderes als psychischer Zwang, eine Gedankennötigung, die Mannigfaltigkeit
des Erscheinenden unter eine bestimmte Gedankenreihe bezw. Interpretationsform
zu subsumieren« (l.c. S. 31).
SIGWART bemerkt:
»Die Voraussetzung aller Forschung, daß
Gesetze in der Welt herrschen, sagt nur in andern Worten, daß die Natur
Gedanken realisiere, daß Naturnotwendigkeit und logische Notwendigkeit
dasselbe sei« (Kl. Schrift. II2,
64).
Nach HAGEMANN ist
Gesetz »der
bestimmte Ausdruck für die sich gleichbleibende Wirkungsweise gewisser
Kräfte«. »Je nachdem diese Wirkungsweise durch die Natur der
Kräfte mit Notwendigkeit bedingt ist oder aus der freien Betätigung
der Kräfte hervorgeht, unterscheiden wir Natur- und Freiheits-Gesetze«
(Log. u. Noet.S. 20).
RIEHL betont, Gesetze
und Wirken der Dinge seien nicht verschieden. Gesetze
sind »die Beziehungen der Dinge, die
Formen der Vorgänge, unter verallgemeinerten oder vereinfachten Umständen
gedacht« (Phil. Krit. II 2, 248).
Die Gesetzmäßigkeit
der Natur ist ein logisches Postulat (ib.).
»Kein Gesetz kann in einer Tatsache rein aufgehen.«
»Jedes Gesetz ist ein Satz mit einem Wenn: zwei Massenpunkte würden
sich genau nach dem Gesetze der Gravitation annähern, wenn sie allein in
der Welt wären« (Einf. in
d. Philos. S. 245). Obgleich nicht aus der Geschichte
allgemeine Gesetze abzuleiten sind, so ist sie doch solchen unterworfen (l.c.
S. 170 f.).
Nach SIMMEL
(Probl. d. Geschichtsphilos. S. 54) und
nach RICKERT (Grenz.
d. naturwiss. Begriffsbild. S. 258) gibt
es keine historischen Gesetze; vgl. hingegen G. MAYR, Die Gesetzmäß
im Gesellschaftsleb. 1877.
Nach WUNDT sind
Gesetze allgemeine Regeln, die eine Gruppe von
Gleichförmigkeiten des Seins oder Geschehens zusammenfassen. Die wesentlichen
Merkmale eines Gesetzes sind: 1)
die Verknüpfung selbständig zu denkender Tatsachen,
2) das direkte oder indirekte kausale Verhältnis,
3) der heuristische Wert und die generelle Bedeutung. Die Naturgesetze
sind nicht ausnahmslos, noch weniger die geistigen Gesetze,
die aber (gegen RÜMELIN u. a.) anzuerkennen
sind (Log. II2, 132 ff.; Phil. Stud.
III, 195; XIII, 404).
SCHUPPE versteht unter
Gesetz die Notwendigkeit oder regelmäßige
Verknüpfung der Ereignisse (Log.
S. 59). Die »feste
Ordnung des Seienden« gehört zu seiner
Denkbarkeit (l.c. S. 65).
Nach UPHUES
sind Gesetze
Begriffe, in welche wir »die alle gleichen
Dinge charakterisierenden Merkmale zusammenfassen« (Psychol.
d. Erk. I, 73).
Wie E. MACH betrachtet
H. CORNELIUS die physikalischen
Gesetze als »vereinfachende, zusammenfassende
Beschreibungen unserer Erfahrungen«(Einl.
in d. Philos. S. 267). Sobald
ein Erfahrungsbegriff seine Bedeutung hat, »kann
vermöge des Identitätsprinzips kein anderer Zusammenhang mehr durch
diesen Begriff bezeichnet werden als derjenige, der einmal unter diesen Begriff
befaßt worden ist«(l.c.
S. 291). Die Außenwelt
besteht in den »gesetzmäßigen
Zusammenhängen..., in welche wir unsere Wahrnehmungen gemäß
dem allgemeinen Mechanismus der Bildung der Erfahrungsbegriffe einordnen«
(l.c. S. 271; ähnlich manche Kantianer).
Im letzten Grunde ist es »nur
unser begreifendes Denken... welches Ordnung und Gesetz in das Chaos der Erscheinungen
bringt« (l.c. S. 298).
Vgl. H. COHEN, für
den der Begriff des Gesetzes eine Kategorie ist
(Log. S. 222).
Gnosis
(gnôsis) S. 398f.
Siehe auch bei Kirchner
Erkenntnis, Wissen, auch
die Gnostik, die Lehre der Gnostiker.
Als religiöse Erkenntnis findet sich gnôsis
schon im Neuen Testament
(Matth. XIII; Paul., Cor. 1, VIII, l).
Dann bei CLEMENS
ALEXANDRINUS. Nach ihm ist das gnônai
pleon tou pisteusai (Strom. VI, 14, 109).
Die gnôsis
ist apodeixis
tôn dia pisteôs pareilêmmenôn tê pistei epoikodomoumenê
(l.c. VII, 10, 57). Er,
wie ORIGENES, wollen
den Glauben durch Gnosis stützen, bewahrheiten.
Die »häretischen« Gnostiker
geben eine Metaphysik der Religion, sie sind Theosophen,
Mystiker, welche
psychisch-religiöse Processe, Zustände, Begriffe und Entwicklungsphasen
hypostasieren. Sie sind Anhänger einer Emanationslehre,
die wesentlich von der der Neuplatoniker beeinflußt
ist. Sie rühmen sich der absoluten
Erkenntnis von Gott, der
Natur und der Geschichte (HARNACK, Dogmengesch.
I3, 220; vgl. S. 215).
Zu den Gnostikern gehören: BASILIDES,
VALENTINUS, SATURNINUS, CERDON, MARCION, APELLES,
KARPOKRATES, BARDESANES.
Der Gnostizismus ist ein
System, wonach »aus dem Urvater die göttlichen,
überweltlichen Äonen,
d.h. hypostasierte Kräfte, die an der Gottheit und ihrer Ewigkeit
teilhaben, emaniert sind, die das Pleroma
ausmachen, die Sophia aber, der letzte der Äonen,
durch ungeregelte Sehnsucht nach dem Urvater dem Streben und Leiden verfiel,
aus dem eine niedere, außerhalb des Pleroma weilende
Weisheit, die Achamoth,
ferner das Psychische und die Körperwelt samt dem
Demiurgen hervorgingen, und wonach eine dreifache Erlösung stattgefunden
hat: innerhalb der Äonenwelt durch Christus, bei der Achamoth durch Jesus,
das Erzeugnis der Äonen, und auf Erden durch Jesus, den Sohn der Maria,
in dem der heilige Geist oder die göttliche Weisheit wohnte«
(ÜBERWEG-HEINZE, Gr. d. Gesch. d. Philos. II7, 29 f.). Vgl.c.F. BAUR, Die
christl. Gnosis 1835; E. H. SCHMITT, Die Gnosis I, 1903.)
l
Grad
S. 1141
Stufe, Größe, der
Qualität oder Intensität, intensive Größe. -
Nach CHR. WOLF sind
Grade »quantitates qualitatum«
(Ontol. § 747); so auch BAUMGARTEN
(Met. § 246).
Nach KANT hat »jede Empfindung
einen Grad oder eine Größe, wodurch sie dieselbe Zeit d. i. den innern
Sinn in Ansehung derselben Vorstellung eines Gegenstandes mehr oder weniger
erfüllen kann, bis sie in nichts (= 0 = negatio)
aufhört« (Kr. d. r. Vern. S. 146).
Nach HEGEL ist »Grad«
die »intensive Größe«
(Encykl. § 103), »die
Größe als gleichgültig für sich und einfach« (l.c.
§104; vgl. K. ROSENKRANZ, Syst. d. Wiss. § 64 ff.).
WUNDT unterscheidet innerhalb jedes Systems psychischer
Elemente Intensitäts-, Qualitäts- und
Klarheitsgrade (Gr. d. Psychol.5,
S. 305).
Gut
S. 1161 ff Siehe
auch bei Kirchner
ist alles, was (inwiefern es) wegen
seiner Eignung, einen Willen
(ein Begehren) zu befriedigen, als zweckvoll
beurteilt wird. Das »gut-Sein« ist,
begrifflich, ein Product unseres Urteils über die Bedeutung eines Objects
für unser oder für ein Ich (für ein Ding)
überhaupt (subjectiv gut, objectiv gut). Das
objectiv Gute ist das (empirisch
oder ideal) allgemein Bewertete, zu Bewertende, weil die Allgemeinheit
Fördernde, es ist das überindividuelle Gute.
Das An-sich (Fundament) des Guten
besteht in den Eigenschaften, um derentwillen etwas
als gut gewertet wird. Zu unterscheiden sind das
physisch, biologisch, geistig, social, ethisch, ästhetisch, logisch, religiös
Gute.
Schlecht ist
etwas, sofern es ein Bedürfnis nicht befriedigt,
zu einem (bestimmten) Zwecke untauglich
ist. Gut und schlecht mit allen ihren Modificationen
sind praktische oder Wertungs-Kategorien, Beurteilungsbegriffe;
sie enthalten (bewußt oder stillschweigend) die
Beziehung auf ein Subject überhaupt.
Güter sind Gegenstände von
(subjectivem oder objectivem, individuellem oder allgemeinem) Wert. Zu
unterscheiden sind physische und geistige (moralische,
ethische) Güter. Alles, was die Erhaltung und Entwicklung der Gesamtkräfte
eines Individuums, einer Gemeinschaft fördert, was die individuell-sociale
echte Cultur hebt, was die Potenzen zur Höherentwicklung zu verwirklichen
geeignet ist, ist ein (wahres) Gut und erregt daher, wenn bewußt, Lust.
Höchstes Gut ist das zuhöchst Gewertete, der Inbegriff
aller Güter, in einer Einheit gedacht, oft mit Gott
identificirt.
In der Geschichte der Philosophie wird das Gute
bald in die Lust (das
Lusterregende), bald in die Energieentfaltung,
bald in das (individuell-social) Nützliche,
bald in das Sittliche verlegt. Manchmal wird das
Gute ontologisch (metaphysisch) als
Princip der Dinge aufgefaßt.
SOKRATES setzt das agathon,
das Gute, gleich
dem kalon (Schönen)
und ôphelimon,
chrêsimon (Nützlichen) (XENOPHON,
Memor. IV, 6, 8 f.).
Die Kyrenaiker werten die
Lust als gut, die Cyniker die
Bedürfnislosigkeit, Leidlosigkeit und (zur
Erreichung dieser) das kat' aretên zên,
die Tugend (Diog.
L. VI 9, 104).
EUKLID VON MEGARA erklärt:
das Eine, Seiende ist das Gute, dieses
ist unwandelbar. Das Gute ist also Weltprincip:
houtos hen to agathon apephaineto pollois kaloumenon,
hote men gar phronêsin, hote de theon kai allote noun kai ta loipa, ta
de antikeiyena tô agathô anêrei, mê einai phaskôn
(Diog. L. II, 106). Das Gute sei nur das, »quod esset unum et simile et
idem semper« (CICERO, Acad. II,
42).
PLATO betrachtet die Idee des
Guten als megiston mathêma,
als höchsten Erkenntnisgegenstand (Rep.
VI, 505 A ff.). Die Idee des Guten ist der Grund,
das Princip alles Schönen und Wahren, d.h. die Norm, das Ethische
gleichsam liegt schon dem Ästhetischen und Logischen zugrunde touto
toinyn to tên alêtheian parechon tois gignôs-komenois kai
tô gignôskonti tên dynamin apodidon tên agathou idean
phathi einai, aitian epistêmês ousan kai alêtheias (Rep.
508 E). Ja, das Gute ist der Grund
des Seins, indem das Sein besser ist als das Nichts
(Phäd. 97 C). So überragt denn die
Idee des Guten (das Gute an sich) die Seinsidee:
kai tois gignôskomenois toinyn mê monon to gignôskesthai phanai
hypo tou agathou pareinai, alla kai to einai te kai tên ousian hyp' ekeinou
autois proseinai, ouk ousias ontos tou agathou, all' eti epekeiya tês
ousias presbeia kai dynauei hyperechontos (Rep.
509 B).
Die Idee des Guten ist eins
mit der göttlichen Vernunft (Phileb.
22), sie ist der
Demiurg (Tim. 28 ff.). Anfangs identificiert
Plato das Gute mit
dem Nützlichen (Protag.
333D, 353C), später gibt er eine Gütertafel, auf welcher Harmonie,
Schönheit, Vernunft (Wahrheit), reine Lustgefühle als Wertobjecte
erscheinen (Phileb. 65 f.).
ARISTOTELES gründet die
Ethik auf den Begriff des höchste Gutes
to pantôn akrotaton tôn praktôn
agathôn (Eth. Nic. I, 2).
Gut ist hou
pant' ephietai (Eth. Nic. I 1, 1094 a
3). Es gibt ein
agathon haplôs (»bonum
simpliciter, per se« der Scholastiker),
agathon tini, heterou heneka, di'
allo (»bonum cui, secundum quid, per
accidens«) (l.c. I 1, 1094 a 18; I 4,
1096 b 13; Top. III 1, 116 b 8), phainomenon
agathon und kat' alêtheian agathon (scheinbares
und wahres Gut), kyriôs agathon
(l.c. III 6, 1113 a 16; III 7, 1114 b 7; VI 13, 1144
b 7).
Das Gute besteht beim Menschen
in der Eudämonie, und diese wiederum beruht
auf der naturgemäßen (oikeion)
Tätigkeit, in der vernünftigsittlichen Energieentfaltung der
Seele en tô ergô dokei
tagathon einai kai to en (Eth. Nic. I
6, 1097 b 27); toanthrôpinon
agathon psychês energeia ginetai kat' aretên, ei de pleious hai
aretai, kata tên aristên kai teleiotatên. eti d' en biô
teleiô, (1 c. I 6, 1098 a 16 squ.).
Die Güte kommt primär den Einzeldingen zu; sie
besteht allgemein in der Verwirklichung des Naturzwecks (des Gattungsbegriffes)
derselben. Alles Wirkliche ist gut an sich (vgl.
E. ARLETH, Die metaphys. Grundlag. d. Aristotel. Eth. S. 39, 51). –
Äußerer Güter bedarf man, um an der Ausübung der Tugend
nicht gehindert zu werden dio
prosdeitai ho eudaimôn tôn en sômati agathôn kai tôn
ektos kai tês tychês, hopôs mê empodizêtai tauta,
(l.c. VII 14, 1153 b 17 squ.). Aber
sie sind nur Mittel, nicht Zweck (l.c.
I 9, 1099 a 34).
Aristoteles unterscheidet: Güter
der Seele, des Leibes, äußere Güter; ferner:
unmittelbare und mittelbare Güter (Eth.
Nic. I 8, 1098 b12; Polit. VII 1, 1323 a 24; Eth. Nic. I 4, 1096 b 13 squ.;
VII 10, 1151 a 35 squ.; Rhetor. I 6, 1362 a 17 squ.). Ein
Gut ist um so wertvoller, je beständiger
es ist und je mehreren es zuteil wird. Seelische
Güter sind denen des Körpers vorzuziehen (Top.
III 1, 116 a 13; Eth. Nic. I 1, 1094 b 7; I 8, 1098 b 12 squ.; Polit. VII 1,
1323 b 16; De partib. animal. I 5, 645 b 19; vgl. ARLETH. l.c. S. 65 ff.).
[...]
Harmonie
(harmonia) S.1188ff.
Siehe
auch bei Kirchner
Zusammenfügung einer Vielheit zur Einheit,
Zusammenstimmung, Übereinstimmung, Anpassung der Teile eines Ganzen
aneinander zu einer Ordnung, Verbindung der Gegensätze in und zu einer
Einheit. Die musikalische Harmonie beruht auf dem Fehlen von Schwebungen und
Klang-Rauhigkeiten in einer Tonverbindung (HELMHOLTZ,
Lehre von d. Tonempfind.2, ff. 297 ff.; Vortr. u. Red. II4, 121 ff.; vgl. WUNDT,
Grdz. d, phys. Psychol. II, 65; STUMPF, Conson. u. Disson. Beitr. zur Akust.
u. Musikwiss. 1. H. 1898).
In der Ästhetik und in der Ethik (Harmonie
der Charaktereigenschaften, der Interessen, der individuellen und socialen Triebe
u.s.w.) ist der Begriff der Harmonie
von Bedeutung. Die Harmonie der Welt, d.h.
die gesetzmäßige, causal-teleologische Zusammenfügung der Dinge
und Kräfte zu einer Weltordnung, ist von philosophischer Wichtigkeit.
Die Pythagoreer übertragen
den musikalischen Harmoniebegriff auf das All. In diesem sind alle
Gegensätze zur Einheit vereinigt. Alles in der Welt ist nach harmonischen
Verhältnissen geordnet, ist selbst Harmonie und Maß:
ton holon ouranon harmonian einai kai arithmon (Aristot.,
Met. I 5, 986 a 3); kata de tous tês harmonias
logous (Diog.
L. VIII 1, 29).
Die
Seele ist eine
Harmonie (so auch nach ARISTOXENOS,
DIKAEARCH, GALEN). Auch die Tugend
ist eine Harmonie (tên
d' aretên harmonian einai ... kath' harmonian synestanai ta hola
( Diog. L. VIII 1, 33). Die
Sphärenharmonie entsteht aus dem Zusammenklang der um das Centralfeuer
(hestia) sich bewegenden Planeten zu einem Heptachord
(vgl. Goethe, FaustI: »Die Sonne tönt nach
alter Weise in Brudersphären Wettgesang«).
Die Harmonie der widerstreitenden
Gegensätze im All betont HERAKLIT,
damit die Gesetzmäßigkeit und Ordnung der Welt
zum Ausdruck bringend: Hêraklei-tos to antixoun
sympheron kai ek tôn diapherontôn kallistên harmonian kai
panta kat' erin ginesthai (Arist., Eth. Nic.
VIII 2, 1155 b 4); ou syniasin hokôs diapheromenon
heôutô homologei. palintropos harmoniê hokôsper toxon
kai lyrês (die in sich zurückkehrende Harmonie, wie die des Bogens
und der Leier, Fragm. 45); esti gar, phêsin, harmoniê aphanês
phanerês kressôn (Fragm. 47).
Die Harmonie des Weltganzen preisen
PLOTIN dann wieder (in
pythagoreisch klingender Weise) NICOLAUS
CUSANUS, KEPLER, G. BRUNO.
Die Harmonie als ethisches
Princip betont SHAFTESBURY
(Inquir. conc. virt. I, 2; The moral. II, 4; III, 1).
Nach LEIBNIZ
ist Harmonie
»unitas in multitudine«. Er
stellt den Begriff der prästabilierten (vorherbestimmten)
Harmonie auf, um die Ordnung des Alls ohne directe
Wechselwirkung (Influxus)
zu erklären, da ihm die Anerkennung
der letzteren durch seinen Begriff der einfachen
Monade verwehrt ist. Die Theorie der prästabilierten
Harmonie (»harmonia
praestabilita, harmonie préétablie, harmonie universelle, accord,
concomitance, liaison, accommodement, rapport mutuel reglé par avance«
u. dgl.) besagt, daß Gott
alle Beziehungen sowohl zwischen den einzelnen Dingen (Monaden)
als auch zwischen Seele und Leib von Anfang an so geordnet hat, daß
alles Geschehen gesetzmäßig und zweckmäßig verlaufen muß,
obgleich statt wirklicher Einzelcausalität nur ein Parallelismus, eine
Coordination der Geschehnisse besteht. Jeder Monade hat Gott
ein festes Gesetz eingepflanzt, welchem gemäß ihre (rein
immanente) Tätigkeit sich abspielt, so aber, daß alle Monaden
einander angepaßt sind, daß auf alle Rücksicht genommen ist,
daß die Vorgänge einander angemessen, angepaßt sind (Monadol.
51, 52, 60). Den Namen »prästabilierte
Harmonie« gebraucht Leibniz
zuerst 1696, in einem Briefe an
Basnage de Beauval (Gerh.
III, 121 f.; vgl. III, 67, Brief an Bayle). Die
Monaden sind rein geistig, punktuell, »ohne Fenster«,bilden jede
»un monde à part«, können
daher nicht gegenseitig aufeinander einwirken. Daher muß Gott
der Vermittler der Causalität sein, aber nicht bloß gelegentlich,
wie der Occasionalismus meint sondern ein für allemal von Anfang an. Alle
Monaden sehen das eine Universum in verschiedenem Klarheitsgrade, jede hat Beziehungen,
welche alle anderen ausdrücken, so daß sie ein lebendiger Spiegel
des Alls ist (Monadol. 66, 57).
»Car chacune de ces âmes exprimant à sa manière ce
qui se passe au dehors et ne pouvant avoir aucune intfluence des êtres
particuliers ou plutôt devant tirer cette expression du propre fond de
sa nature, il faut nècessairement, que chacune ait reçue cette
nature d'une cause universelle, dont ces êtres dèpendent tous et
qui fasse, que l'un soit parfaitement d'acoord et correspondant avec l'autre,
ce qui ne se peut sans une connaissance et puissance infinie« (Nouv.
Ess. IV, § 11). Insbesondere besteht eine
Harmonie zwischen Leib und Seele. Psychische und physische Processe gehen einander
parallel, sind einander gesetzmäßig zugeordnet, ohne psychophysische
Wechselwirkung, ohne Durchbrechung jeder Reihe von Vorgängen. Seele und
Leib gleichen zwei Uhren, die so eingerichtet sind, daß ihr Gang für
alle Zeiten ein übereinstimmender ist (Gerh.
IV, 498). »L'âme suit ses propres lois,
et le corps aussi les siennes, et ils se rencontrent en vertu de l'harmonie
préétablie entre toutes les substances, puisqu'elles sont toutes
les representations d'un même univers«
(Monadol. 78). »Les
âmes agissent selon les lois de causes finales parappétitions,
fins et moyens. Les corps agissent selon les lois de causes efficientes ou des
mouvements. Et les deux règnes... sont harmoniques entre eux,«
(Monadol. 79). »Ce
système fait, que les corps agissent comme si (par impossible) il n'y
avait point d'âmes, et que les âmes agissent comme s'il n'y avait
point de corps, et que tous deux agissent comme si l'un influait sur l'autre«
(Monadol.
81). »Dieu a créé d'abord l'âme
de telle sorte, que pour l'ordinaire il n'a besoin de ces changements, et ce
qui arrive à l'âme, lui naît de son propre fonds, sans qu'elle
se doive acoommoder au corps dans la suite, non plus que le corps à l'âme.
Chacun suivant ses lois, et l'un agissant librement, l'autre sans choix, se
rencontre l'un avec l'autre dans les mêmes phénomènes«
(Gerh. II, 58). Der Seele und dem Leibe hat Gott
eine Natur verliehen, »dont
les lois mêmes portent ces changements, de sorte que selon moi les actions
des âmes n'augmentent n'y diminuent point la quantité de la force
mouvante, qui est dans la matière, et n'en changent pas même la
direction« (Gerh. III, 121 f.). Endlich
besteht auch eine Harmonie zwischen dem »Reiche
der Natur« und dem »Reiche der Gnade«,
d.h. zwischen dem Handeln und dessen Folgen. Die Dinge führen auf natürliche
Weise zur Gnade, zum verdienten Zustand, zum Glücke, die Sünden, das
Schlechte zur Strafe, so daß alles aufs schönste, beste, gerechteste
geordnet ist (Monadol. 87, 88, 89). Die
Gegenwart geht mit der Zukunft schwanger, in jeder Seele könnte man die
Schönheit des Alls lesen (Princ. de la
nat. 13). Mechanisches und zweckvolles Geschehen
sind miteinander in Harmonie. »Je
me flatte d'avoir pénétre l'harmonie des différents règnes
et d'avoir vu, que les deux partis ont raison, pour rien qu'ils ne se choquent
point; que tout ce fait mécaniquement et metaphysiquement en même
temps dans les phenomènes de la nature« (Gerh.
III, 607). –
Mit Modificationen wird die prästabilierte
Harmonie gelehrt von CHR. WOLF,
BAUMGARTEN (Met.
§ 462 ff.), BILFINGER (De harmon. praest. p. 73 ff.) u.
a.
Gegner dieser Lehre ist u. a.
RÜDIGER, der an der Influxustheorie festhält.
Von einer »constabilierten
Harmonie« spricht SWEDENBORG.
In seiner vorkritischen Periode nimmt KANT
eine (aber nicht vorbestimmte) »Harmonie der
Dinge« mit wirklicher Wechselwirkung an
(Princ. prim. sct. III).
Bei verschiedenen neueren Philosophen kommt der Gedanke
der Weltharmonie zur Geltung, so bei SCHELLING
(Syst. d. transc. Ideal. S. 65; Vom Ich S. 201 f.),
HERBART, HILLEBRAND, nach
welchem Denken und Sein in prästabilierter Harmonie miteinander sind
(Philos. d. Geist. I, 5),
LOTZE, J. H. FICHTE, der
von einem allgemeinen »Harmonismus« der
Dinge spricht (Psychol. II, 21) und
FECHNER (Zend-Avesta II,
152); auch bei M.
WARTENBERG (Probl. d. Wirkl. 1900, S. 136).
Henotheismus
(heis, theos): S.1205
die Verehrung einer Stammesgottheit, Nationalgottheit,
die als einzige Gottheit gilt; Vorstufe des universellen Monotheismus.
Name und Begriff des Henotheismus bei
MAX MÜLLER
(Vorles. üb. d. Urspr. u. d. Entwickl. d. Relig.
S. l58 f., 291 f.).
Hylozoismus
(hylê, Stoff; zôê Leben):
Siehe
auch bei Kirchner
Theorie der Stoffbeseelung; Ansicht, nach welcher die
Materie als solche schon ursprünglich belebt, beseelt ist; Empfindung,
Trieb, ev. auch das Bewußtsein gelten als Eigenschaften der Materie (der
Atome). Der Ausdruck »Hylozoismus«
schon bei R. CUDWORTH.
Ferner bei KANT: »Der Realismus
der Zweckmäßigkeit der Natur ist auch entweder physisch oder hyperphysisch.
Der erste gründet die Zwecke in der Natur auf dem Analogon eines nach Absicht
handelnden Vermögens, dem Leben der Materie (in ihr, oder auch durch ein
belebenden inneres Princip, eine Weltseele), und heißt der Hylozoismus«
(Kr. d. Urt. II, § 72). Der
Hylozoismus ist nach
Kant der »Tod aller
Naturphilosophie«.
Hylozoisten sind:
THALES, nach welchem der Magnet
beseelt ist, weil er das Eisen anzieht (Aristot.,
De an. I, 2), und der von der Bewegung auf Leben
schließt (l.c. I, 5) hypestêsato
kai ton koasmon empsychon kai daimonôn plêrê,
(Diog. L. I, 27);
ANAXIMENES, nach welchem die Luft das beseelte Weltprincip
ist (Plut., Plac. I, 3, 6), so auch
DIOGENES VON APOLLONIA:
HERAKLIT, dem das Weltfeuer
zugleich die Weltvernunft ist; die Stoiker,
welche im Pneuma die Weltseele erblicken.
Erneuert wird der Hylozoismus in der Renaissance-Philosophie bei PARACELSUS,
CARDANUS, VAN HELMONT,
später bei G.
BRUNO, GASSENDI, SPINOZA,
bei R. CUDWORTH, F. GLISSON (Tractat.
de nat. subst. energ. 1672, p. 90 ff.), H. MORE,
der ein »beharrliches Princip«
annimmt (Enchir. met. C. 28, § 3),
LEIBNIZ (Monaden),
bei MAUPERTUIS, DIDEROT,
ROBINET, BUFFON, GOETHE (WW.
XXV, 132 f.), in der Schule SCHELLINGS, bei
SCHOPENHAUER, CZOLBE,
L. NOIRE, CLIFFORD, ROMANES, ZÖLLNER, NAEGELI (Mechan.-physiol.
Theor. d. Abst. S. 597), LOTZE, FECHNER)
E. v. HARTMANN, B. WILLE,
W. BÖLSCHE u. a.
E. HAECKEL erklärt: »Jedes
Atom besitzt eine inhärente Summe von Kraft und ist in diesem Sinne 'beseelt'...
Lust und Unlust, Begierde und Abneigung, Anziehung undAbstoßung müssen
allen Massen-Atomen gemeinsam sein« (Die
Perigenes. d. Plastid. S. 38 f.). Die »Plastidulen«
(belebte Atomcomplexe) haben ein unbewußtes Gedächtnis (ib.). Masse
und Äther besitzen Empfindung und Willen, sie »empfinden Lust bei
Verdichtung, Unlust bei Spannung; sie streben nach der ersteren und kämpfen
gegen letztere« (Welträtsel S. 254
f.); so auch J. G. VOGT.
Hylozoist ist auch
LE DANTEC (Théor.
nouvelle de la vie 1896; Le détermin. biolog. 1897).
>> Panpsychismus
Idee
(idea, eidos, idea, idée)
S. 465ff. Siehe
auch bei Kirchner
bedeutet
1) ursprünglich:
Gestalt, Form, Bild;
2) Urbild, Musterbild, Typus,
als reale Wesenheit;
3) schöpferischer Gedanke,
Begriff, Gedanke, Grundgedanke, begriffliche Einheit, Leitmotiv, Endpunkt des
begründenden Denkens;
4) Vorstellung, Bewußtseinsinhalt,
Erinnerungsbild, Phantasiegebilde, Einfall. -
Man unterscheidet logische, ästhetische, ethische
Ideen, ontologische (metaphysische) Ideen, geschichtliche
Ideen. In der Welt walten Ideen
bedeutet: es gibt eine (immanente) Weltvernunft,
einen zweckmäßig-logischen Proceß, der sich in der Natur, im
Menschen, in der Geschichte bekundet, realisiert.
Die »Idee« ist dann der Ausdruck
für den Sinn, die Bedeutung, die Realisationstendenz eines Seinstypus.
Ideen können nur als Willensinhalte, Willensziele
als wirksam gedacht werden, als (bewußte oder nicht
bewußte) Motive, Antriebe des Strebens, Wollens,
Handelns. Die Ideen sind das
Constante, Zeitlose, Feste im Flusse des Geschehens, insofern dieses
teleologisch betrachtet wird.
Als Form, Gestalt kommt idea
vor bei ANAXAGORAS, DEMOKRIT,
der die Atome als
ideai = schêmata bezeichnet, auch bei den
Pythagoreern (Sext.
Empir. Pyrrh. hypot. III, 18).
Den Megarikern (?) wird die
Ansicht zugeschrieben, das wahre Sein bestehe in
unkörperlichen »eidê«(noêta
atta kai asômata eidê biazomenoi tên alêthinên
ousian einai (Plat., Sophist. 246 B).
-
Schon SOKRATES betont die Allgemeinheit und objective
Wesenheit des Begriffes.
PLATO nimmt diesen (und
den Eleatischen Gedanken des zeitlosen Seins) auf,
um das beständige Werden der Dinge (im
Sinne des HERAKLIT und des PROTAGORAS)
auf feste Seinseinheiten
zu gründen (vgl. ARISTOTELES, Met.
I 6, 987 a 29 squ.; XIII 4, 1078b 30). So entsteht
der Begriff der »Idee«, welcher das
als selbständige, reale Wesenheit geschaute
und gedachte Einheitlich-Typische einer Gattung von Dingen bezeichnet.
Nur das Seiende kann erkannt werden, was also wahrhaft
als Erkenntnis sich gibt, das ist in einem Sein gegründet. Kein echter
Begriff ohne Seinsgrundlage (mê onti
mên agnoian ex anankês apedomen, onti de gnôsin, ep.
V, 478 C). Das Concret-Allgemeine, Anschaulich-Abstracte,
das ewig Gleiche an einer Klasse
von Objecten, die Norm, an der sie gleichsam gemessen werden, das Apriorische
in unseren Werturteilen ist die »Idee«
(vgl. Phaedo 102), aber
zugleich ist diese eine unabhängig vom Erkennen bestehende, wirksame,
unkörperliche, raum- und zeitlose Wesenheit.
Die »Idee« ist
der (hypostasierte) Inhalt des Gattungsbegriffes,
sie beruht auf einer Vermengung ästhetischer und erkenntnistheoretischer
mit mythischen und metaphysischen Bestimmungen.
Die Idee soll jedenfalls
nicht bloß ein subjectiver Begriff (logos)
sein, sondern an und für sich und wesenhaft
(auto kath' hauto meth' hautou)
sein (Sympos.
211 B).
Die Ideen sind »getrennt«
(chôris) von den sinnlichen Dingen, sie sind in einer übersinnlichen
Sphäre (en ouraniô topô).
Sie sind die Ur- und Musterbilder aller Dinge,
paradeigmata, die Dinge nur ihre Schattenbilder,
Erscheinungen, »Nachahmungen« (mimêseis),
indem sie an ihnen, den Ideen, »teilhaben«
(methexis).
Die Ideen sind den Dingen
»gegenwärtig« (parousia),
die Dinge sind in »Gemeinschaft«
(koinônia) mit
ihnen (Phaedo 100 D): Ta
men eidê tauta hôsper paradeigmata hestanai en tê physei,
ta de alla toutoin eoikenai kai einai homoiômata; kai hê methexis
hautê tois allois gignesthai tôn eidôn ouk allê tis
ê eikasthênai autois ) (Parmen.132 D); tên de methexin tounoma
monon metebalen.hoi men gar Pythagoreioi mimêsei ta onta phasin einai
tôn arithmôn, Platôn de methexei (Arist.,
Met. I 6, 987 b 9 squ.).
Die Ideen sind
ewig seiend, unveränderlich, unvergänglich,
sinnlich unwahrnehmbar, nur intelligibel. Sie sind
nooumena; tas d' au ideas noeisthai men,
horasthai d' ou Republ. VI, 507 B; pantapasin einai kath' hauta tauta anaisthêua
hyph'hêmôn eidê, nooumena monon, (Tim.
51 D); kata tauta eidos echon, agennêton
kai anôlethron... aoraton de kai allôs anaisthêton, touto
ho dê noêsis eilêchen episkopei (l.c. 52 A;) hê
gar achrômatos te kai aschêmatistos kai anaphês ousia ontôs
ousa psychês kybernêtê monô theatê nô
(Phaedr. 247 C
Von allem,
was begrifflich bestimmt werden kann, gibt es Ideen, von Natur- und Kunstobjecten,
von guten und schlechten, schönen und häßlichen Dingen:
eidos gar pou ti hen hekaston eiôthamen tithesthai
peri hekasta ta polla hois tauton onoma epipheromen (Rep.
596 A; vgl. Parmen. 130, Theset. 186 A); dagegen
Ideen nur
von Naturobjecten nach (Aristot.,
Met. I 6, 987 b 9 squ.). Den Ideen
wird auch Wirksamkeit, Leben, Vernunft zugeschrieben
(Theaet. 248, Phaed., Phileb.; vgl. Aristot.,
Met. I 9, 991b 3).
Untereinander stehen die Ideen im Verhältnis
der Subordination u.s.w., also in einem den logischen
Verhältnissen der Begriffe analogen Zusammenhange. Alle sind sie der
höchsten Idee, der Idee des Guten, unterworfen, welche die Zweckursache
hou heneka, (Phileb.
54 C), der letzte Seins- und Erkenntnisgrund
ist (Republ. VI, 508 E), als Gottheit
alles leitet und regelt. Später bestimmt Plato die
Ideen als (Ideal-)
Zahlen, die aus dem hen als peras
und dem apeiron entstanden
sind. Das Pythagoreische Element, das der Ideenlehre schon von Anfang an immanent
ist, kommt so für sich zur Geltung. - [...]
Individuation
S. 1394 ff. Siehe
auch bei Kirchner
Sonderung des Allgemeinen
in Individuen, Besonderung in Einzelwesen.
Principium individuationis: das Prinzip, der Entstehungsgrund der Existenz
von Einzelwesen, von Besonderheiten. Diesen Grund verlegt man bald in die Form,
bald in den Stoff, bald in deren Vereinigung; bald in unsern Intellekt
(in die Anschauungsformen), bald in den Willen, die Willenskräfte
(Triebe) der Dinge selbst, die sich als Einzelwesen
behaupten und erhalten (idealistische, realistische Auffassung
der Individuation). Die Individuation gilt
bald als ursprünglich, bald als aus einem ursprünglich Allgemeinen,
Einheitlichen (durch Emanation,
Evolution, Differenzierung,
»Abfall« u.s.w.) entstanden. Vgl. Werden.
Nach ARISTOTELES beruht
die Individuation auf der Verbindung der »Form«
mit dem »Stoffe« zu einem synolon,
einem Bestimmten (tode ti), wobei
aber der Vielheitsgrund im Stoffe liegt (hosa
arithmô polla, hylên echei. heis gar logos kai ho autos pollôn),
(Met. XII S, 1074a 33).
So auch AVICENNA:
»Individuorum multitudo fit omnis per divisionem
materiae« (In Met. XI, 1).
»Cum enim materia sola principium sit individuationis
et nihil sit singulare nisi materia vel per materiam..., omnes fomas potentia
esse in materia et per motum educi de ipsa«
(PRANTL, G. d. L. III, 97).
So auch ALBERTUS MAGNUS.
THOMAS bezeichnet die »materia
signata vel individualis«, den bestimmten
(konkreten) Stoff (z.B.
haec carnes) als »principium
individuationis«(Sum. th. III, qu. 77,
2). Die »materia
sensibus signata« ist »individuationis
et singularitatis principium« (1 cael.
19b; Sum. th. I, 3, 2): »Formae,
quae sunt receptibiles, in materia individuantur per materiam, quae non potest
esse in alio«. »Materia non quomodolibet accepta est principium
individuationis, sed solum materia signata« (De
ente et ess. 2).
Nach BONAVENTURA
gibt die Form das »aliquid
esse«, der Stoff das »hoc esse«
(In 1. sent. III, 1, 1, 3). »Individuatio
est ex communicatione materiae cum forma« (l.c.
III, 10, 1, 3).
In die Form setzt die Individuation
DUNS SCOTUS. Die Form
macht die »quidditas« zur »haecceïtas«
(In l. sent. 2, dist. 3, qu. 6, 11). »Unitas
individui consequitur aliquam entitatem aliam determinantem istam, et illa faciet
unum per se cum entitate naturae« (l.c.
2, d. 1, 3, qu. 6, 9).
Der Nominalismus setzt die Individuation
in das Dasein des Wesens selbst, nicht in ein Universales, das zum Individuum
erst determiniert.
WILHELM VON OCCAM betont: »Quaelibet
res singularis se ipsa est singularis, unum per se« (vgl.
PRANTL, G. d. L. III, 359 f.). Es gibt in Wirklichkeit
nur Individuelles: »Omnis
res positiva extra animam eo ipso est singularis« (In
1. sent. 1, d. 2, qu. 7).
Wie G. BIEL (In
1. sent. 2, d. 3, qu. 1) erklärt
SUAREZ: »Omnis
substantia singularis se ipsa seu per entitatem suam est singularis neque alio
indiget individuationis principio per suam entitatem« (Met.
disp. 5,sct. 6, 1).
Ähnlich PETRUS AUREOLUS,
F. HERVEUS (In quodl. 3, qu. 9), GREGOR
VON RIMINI, DURAND VON ST. POURÇAIN,
NICOLAUS CUSANUS (»ut quodlibet per se sit unum«,
Doct. ignor. III, 4), P. STAHL
(Comp. met. C. 35), LEIBNIZ
(Deprinc. indiv. § 4).
SPINOZA hingegen betrachtet
die Determination, die individuelle Bestimmtheit als »Negation«,
Einschränkung des Allgemeinen (»omnis
determinatio est negatio«). Die Betrachtung
des Alls als Summe von Individuen ist die Erkenntnisart der
»imaginatio«, nicht der spekulativen Vernunft.
CHR. WOLF: »Per
principium individuationis intelligitur ratio sufficientis intrinseca individui...
cur ens aliquod fit singulare«(Ontol.
§ 228 f.).
Nach ECKHART
liegt das Individuationsprinzip in der raum-zeitlichen
Bestimmtheit, im »hic et nunc«.
Nach LOCKE
ist das Individuationsprinzip »das
Dasein selbst, welches einem Dinge für eine besondere Zeit und Raumstelle
bestimmt wird, indem diese zwei Dingen derselben Art nicht zugeteilt werden
können« (Ess. II, ch. 27, § 3; vgl.
Identitatis indiscernib. princ.: KANT).
Nach HUME ist
das Prinzip der Individuation »nichts
als die Unveränderlichkeit und Ununterbrochenheit eines Gegenstandes während
des von uns angenommenen Wechsels in der Zeit, vermöge welcher der Geist
dem Objekt in den verschiedenen Momenten seiner Existenz nachgehen kann, ohne
die Betrachtung zu unterbrechen und gezwungen zu sein, die Vorstellung der Mehrheit
oder Anzahl zu bilden« (Treat. IV, sct.
2, S. 268).
SCHOPENHAUER betrachtet
(wie der idealistische Pantheismus,)
die Individuation nicht als metaphysische, sondern
nur als empirisch-phänomenale Tatsache, als Produkt unserer subjektiven
Auffassung des Seins. Raum und Zeit, die Anschauungsformen, sind »principia
individuationis« (W. a. W. u. V. I. Bd.,
§ 63). »Wir wissen, daß die Vielheit
überhaupt notwendig durch Zeit und Raum bedingt und nur in ihnen denkbar
ist, welche wir in dieser Hinsicht das principium individuationis nennen«
(l.c. § 25). »Die
Individuation ist bloße Erscheinung, entstehend mittelst Raum und
Zeit, welche nichts weiter als die durch mein cerebrales Erkenntnisvermögen
bedingten Formen aller seiner Objecte sind; daher auch die Vielheit und Verschiedenheit
der Individuen bloße Erscheinung, d.h. nur in meiner Vorstellung vorhanden
ist« (Üb. d. Grundl. d. Mor. §
22). Der »Wille
zum Leben«ist
Einheit.
J. H. FICHTE verlegt den Individuationsgrund
in den Willen. »Das Denken ist das Allgemeine,
zugleich gemeinsam Machende (der koinos logos) in den Geistern; der
Wille das Individualisierende in ihnen, zugleich der Grund ihrer individuellen
Sonderung« (Psychol.
II, 79).
Vgl. Vielheit.
Intelligenz
(intelligentia): S.1443f.
Siehe
auch bei Kirchner
Einsicht, Erkenntniskraft, Vernünftigkeit, auch
intelligentes Wesen (»Geist«).
THOMAS versteht
unter »intelligentia« geistige,
auch geistig-vernünftige Tätigkeit (Sum.
th. I, 84, 4c; I, 10, 5c; »intelligentia prima, secunda«: I, 47,
1c; »actualis«: I, 93, 7 ad 3). »Hoc
nomen intelligentia proprie significat ipsum actum intellectus, qui est intelligere.«
Intelligenzen (»intelligentiae«)
werden die »substantiae
separatae«, welche Engel sind, genannt
(Sum. th. I, 79, 10).
SPINOZA erklärt:
»Nulla... via rationalis est sine intelligentia,
et res eatenus tantum bonae sunt, quatenus hominem iuvant, ut mentis vita fruatur,
quae intelligentia definitur« (Eth. IV,
app. V).
KANT definiert: »Intelligentia
(rationalitas) est facultas subiecti, per quam, quae in sensus ipsius
per qualitatem suam incurrere non possunt, sibi repraesentarevalet«
(De mundi sensib. sct. II, § 3). Als
intelligibler Charakter ist der Mensch reine Intelligenz.
Nach HILLEBRAND ist
die Intelligenz »die
Seele in ihrem reinen Selbststreben nach der Wahrheit an und für sich«
(Philos. d. Geist. I, 268 f.).
Es gibt eine intuitive, apprehensive, komprehensive
Intelligenz (l.c. S. 271).
Nach WUNDT
ist die Intelligenz
»die Gesamtsumme der bewußten und im logischen
Denken ihren Abschluß findenden Geistestätigkeiten«
(Essays4, S. 98), die
»einheitliche Verbindung von Wollen und Vorstellen«
(Log. II2 2, 17 f.).
Intelligibel
(noêtos, intelligibilis): S.1444ff.
Siehe
auch bei Kirchner
verständlich, denkbar; ferner: nur durch den Verstand,
das Denken erfaßbar, übersinnlich, ideal.
PLATO hypostasiert die
noêta zu Ideen.
Nach ARISTOTELES ist
alles Seiende wahrnehmbar (aisthêta)
oder intelligibel
(noêta, De an. III 8, 431b 22).
Die mathematischen Objekte z.B. sind noêta
(Met. VII 10, 1036a 3; vgl. I 8, 990 a
31); en tois eidesi tois aisthêtois ta
noêta estin (De an. III 8, 432a
5).
PHILO, PLOTIN,
JAMBLICHUS, PROKLUS sprechen von einer »intelligiblen
Welt«.
Nach BOËTHIUS
ist »intellectibile«
»quod unum atque idem per se in propria divinitate consistens nullis unquam
sensibus, sed sola tantum mente intellectuque capitur«.
AUGUSTINUS definiert:
»Omnia, quae percipimus, aut sensu corporis aut mente percipimus. Illa
sensibilia, haec intelligibilia... nominamus« (De
magistro 39).
Nach HUGO VON ST. VICTOR
ist die Seele intelligibel, »quod
solo percipitur intellectu« (Erud. didasc.
II, 3, 4).
Nach THOMAS
ist »proprium obiectum
intellectus ens intelligibile« (Contr.
gent. II, 98); »per hoc autem aliquid fit
intelligibile in actu, quod aliqualiter abstrahitur a materia« (1
phys. la).
Nach ZABARELLA wird
»intelligibilis« gebraucht
»pro eo, quod est, quod ipsum intelligi potest«
und »pro eo,
quod intelligendi vim habet, ut intellectus agens agit, non quod ipse intelligatur,
sed quod per ipsum alia intelligantur«(De
mente ag. C. 4; vgl. GOCLEN, Lex. philos. p. 251).
G. BRUNO erklärt: »Quidquid
cognoscitur intelligibile, per ideas cognoscitur«
(De umbr. idear. p. 37).
LEIBNIZ: »Ce qui n'est
qu'intelligible, comme étant l'objet du seul entendement, et tel est
l'objet de ma pensée, quand je pense à moi même« (Gerh.
VI, 501).
BERKELEY setzt
intelligibel gleich dem »im Geiste«
(Princ. LXXXVI).
KANT bestimmt: »Quod...
nihil continet, nisi per intelligentiam cognoscendum, est intelligibile«
(De mundi sens. sct. II, § 3). »Intelligibel...
heißen Gegenstände, sofern sie bloß durch den Verstand vorgestellt
werden können, und auf die keine unserer sinnlichen Anschauungen gehen
kann« (Prolegom. § 34). »Bloß
intelligibel, d. i. dem Verstande allein und gar
nicht den Sinnen gegeben«, Gegenstand einer intellectuellen Anschauung
sein« (Krit.
d. r. Vern. S. 236 f.). Intelligibel
ist an einem Sinnesobjekte das, »was
selbst nicht Erscheinung ist« (l.c. S.
432). Die »intelligibilia«
sind »Noumena«
. Von dem Begriff intelligibler
Gegenstände kann man keine Anwendung machen, »weil
man keine Art erkennen kann, wie sie gegeben werden sollten«, »und
der problematische Gedanke, der doch einen Platz für sie offen läßt,
dient nur, wie ein leerer Raum, die empirischen Grundsätze einzuschränken,
ohne doch irgend ein anderes Objekt der Erkenntnis, außer der Sphäre
der letzteren, in sich zu enthalten und aufzuweisen« (l.c.
S. 238 f.). Als freie Wesen versetzen wir uns in
eine intelligible
Welt (Grundleg. zur Met. d. Sitt. 3. Abschn.).
Vgl.
Intelligible Welt.
Intelligible
Welt (kosmos noêtos, mundus intelligibilis):
S. S. 1446 f.
die nur durch den Intellekt erfassbare
Welt, die geistig-übersinnliche Welt, Idealwelt, Vernunftwelt.
PHILO bezeichnet so die Welt
der Ideen (De mundi opif. 4).
So auch PLOTIN, der
ihre Einheit im Geiste (nous)
betont. Sie ist die Welt
der Urbilder der Dinge, ist voll Leben (Enn.
V, 9, 9), raumlos, allgegenwärtig (l.c.
V, 9, 13), aber nicht außerhalb des Geistes,
sondern in ihm als ein »zweiter Gott«
(l.c. V,2, 3). Die
Sinnenwelt ist ein Abglanz der Idealwelt; was in jener vielfältig ist,
das ist hier zur Einheit verbunden (l.c. IV,
1). Das Intelligible
ist der Geist in Ruhe, Einheit, Beharrlichkeit (hêsychia
henotês, stasis, l.c. III, 9, 1).
Nach PLUTARCH
ist die intelligible Welt
die Emanation
des hen,
der (zweiten) Einheit.
PROKLUS leitet aus den Henaden
die Trias der intelligiblen
(noêton),
intelligibel-intellektuellen (noêton
hama kai noeron) und
intellektuellen
Welt (noeron) ab
(Theol. Plat. III, 24). Das
Intelligible (die
ousia) gliedert sich in drei Triaden:
peras, apeiron mikton (zôê). (In jeder Triade: patêr,
dynamis, nous) Das Intelligibel-Intellektuelle
gliedert sich gleichfalls triadisch
(l.c. IV, 37; In Tim. 94).
JOH. SCOTUS ERIUGENA unterscheidet
von der vergänglichen Sinneswelt (»mundus
sensibilis«) die ewige, unvergängliche
intelligible Welt (»mundus
intelligibilis«, De divis. nat. V, 18;
V, 24). Vgl.
Intelligibel,
Welt.
Introjektion
S.1459ff.
Hineinlegung, Übertragung (»Projektion«)
des eigenen Ich, Subjektiven, der eigenen Lebendigkeit, Beseeltheit, des eigenen
Fühlens und Wollens, des Innenseins auf Objekte der Außenwelt in
und mit der Wahrnehmung derselben und in und mit dem Denken derselben nach Kategorien.
Die Introjektion beruht psychologisch
auf einem Prozess der Assimilation, indem die Wahrnehmung des dem eigenen psychophysischen
Ich Analogen die (nicht
objektiv wahrgenommene, aber instinktiv reproduzierte) »Innerlichkeit«
des Ich (Vorstellung
von dessen Fühlen und Streben) mit der Objektwahrnehmung
zur Einheit verschmelzen lässt, so dass dieses nun unmittelbar (ohne
Schluss) als ein ich-artiges Wesen, Gegen-Ich,
später als Kraftzentrum erscheint. Die Dinge sind hiernach
»Qualitätenkomlexe«,
»Introjektionsqualitäten«.
Schon HUME
erklärt: »Man
beobachtet oft, dass der Geist große Neigung besitzt, sich selbst in die
Gegenstände der Außenwelt zu projizieren«(Treat.
III, sct. 14, S. 226).
Die Introjektion berücksichtigen
in verschiedenem Umfange SCHOPENHAUER,
SCHLEIERMACHER, BENEKE,
RITTER, ÜBERWEG (Syst. d. Log., §
39), LOTZE (Mikrok.
III2, 539), HORWICZ (Psychol.
Analys. II 1, 145 ff.), NIETZSCHE, NOIRÉ
(Einl. u. Begr. e. mon. Erk. S. 31 f., 169, 176),
L. BUSSE, J. WOLFF, W.
JERUSALEM, H. CORNELIUS (Einl.
in d. Philos. S. 22), A. BIESE, A. H. LLOYD (Dynamic
Idealism 1898), TEICHMÜLLER u. a.
Der Terminus »Introjektion«
(»Einlegung«) stammt von R.
AVENARIUS
(Menschl. Weltbegr. S. 25 ff., 27).
Er versteht darunter die Tatsache, dass der Mensch in
seine Mitmenschen »Vorstellungen« von
Umgebungsbestandteilen als »innere«
Zustände hineinlegt, wodurch eine Spaltung der natürlichen
Einheit der empirischen Welt in »Innen- und
Außenwelt«, »Objekt und Subjekt«, eine
»Verdoppelung« der
Welt erfolgt (l.c. S. 28 ff.). So
wird die Wirklichkeit »verfälscht«.
Aufgabe der Wissenschaft ist es, diese Verfälschung
durch die Introjektion zu beseitigen, die Introjektion
zu eliminieren, zurückzunehmen (l.c.
S. 77 ff.; vgl. S. 83 ff.). Durch »Ausschaltung«
der Introjektion und
durch Ersetzung derselben durch die »empiriokritische
Prinzipialkoordination« wird der »natürliche
Weltbegriff« restituiert (l.c.
S. 93). Ein »Innensein«neben
einem »Äußeren« gibt
es hiernach nicht, ebenso keinen Gegensatz zwischen »psychisch«
und »physisch«,
nur einen Erfahrungsinhalt, bald »absolut«,
bald »relativ«
betrachtet. Die ursprüngliche, »natürliche«
Annahme ist: »Der Mitmensch
ist Zentralglied einer Prinzipialkoordination, deren Gegenglied z.B. ein Baum,
aber auch 'Ich' sein kann«(Vierteljahrsschr.
f. wiss. Philos. 18. Bd., S. 147). Durch
Introjektion wird diese Annahme dahin verfälscht:
»Alle wahrgenommenen Umgebungsbestandteile
- als 'Wahrnehmungen' - sind nichts als 'Vorstellungen in uns'« (l.c.S.
153). Das Wahrnehmungsobjekt wird in den aussagenden
Menschen (bezw. in dessen Gehirn) hineinverlegt
(ib.). »Diese
Introjektion ist es, welche allgemein aus dem 'Vor mir' ein 'In mir'
macht, aus dem 'Vorgefundenen' ein 'Vorgestelltes', aus dem 'Bestandteil der
(realen) Umgebung' einen 'Bestandteil des (ideellen) Denkens', aus dem 'Baum'
mit seinen mechanischen Energien eine 'Erscheinung' von jenem Stoff, aus welchem
die Träume gewebt sind« (l.c. S.
154). Diese Introjektion
beruht auf einem Fehlschluss (l.c. S.157
ff.).
So auch F. CARSTANJEN, R.
WILLY, J. PETZOLDT, J. KODIS, W. HEINRICH u. a.
Dagegen erklärt W.
JERUSALEM, die (wohlverstandene)
Introjektion gehöre
zum natürlichen Weltbegriff, indem jede Auffassung mitmenschlicher als
mehr als mechanischer Bewegungen, als Äußerungen von Gedanken, Gefühlen,
Willensimpulsen, schon eine Introjektion voraussetzt. »Ich
muß mir im Innern des Menschen ein Kraftzentrum vorstellen, wenn ich seine
Rede verstehen soll« (Urteilsfunct. S.
244 f.). Seine eigene Theorie des Urteils bezeichnet
Jerusalem als »Introjektionstheorie«
(l.c. S. 244; Vierteljahrsschr. f. wiss. Philos. 18.
Bd., S. 170).
Intuition:
S. 1463f. Siehe
auch bei Kirchner
Anschauung, Schauen, besonders geistiges, denkendes Schauen.
–
Nach PLATO werden
die Ideen in einem präexistentialen
Leben geschaut .
Nach ARISTOTELES
besteht die Erkenntnis der letzten Prinzipien, des Unvermittelten
(der amesa) in einem sicheren Schauen. Vgl.
Mystik, Kontemplation.
WILHELM VON OCCAM definiert:
»Notitia intuitiva rei est talis notitia,
virtute cuius potest sciri, utrum res sit vel non sit«
(In 1. sent., prooem., qu. 1). »Virtute cuius
potest evidenter cognosci aliqua veritas contingens, maxime de praesenti, est
notitia intuitiva« (bei PRANTL, G. d.
L. III, 347).
Nach ALBERT VON SACHSEN
ist intuitiv jene Erkenntnis,
»qua aliquis apprehendit rem praesentem« (l.c.
IV, 61). -
Intuitive Erkenntnis: die durch Anschauung gewonnene
Erkenntnis, das anschauliche Wissen, auch die unmittelbare Erfassung des Wesens
der Dinge, des Allgemeinen im Einzelnen, das spekulative Wissen.
So bei SPINOZA, nach
welchem die »scientia
intuitiva« die höchste Art der Erkenntnis
ist. »Hoc cognoscendi genus procedit ab adaequata
idea essentiae formalis quorundam Dei attributorum ad adaequatam cognitionem
essentiae rerum« (Eth. II, prop. XL,
schol. II). Die Intuition trifft immer das Wahre
(l.c. prop. XLI), »docet
nos verum a falso distinguere« (l.c.
prop. XLII).
LOCKE schreibt dem
intuitiven Wissen höchste Evidenz zu; er meint das Wissen des unterscheidenden,
vergleichenden Erkennens (Ess.
IV, ch. 2, § 1).
LEIBNIZ nennt eine Erkenntnis
eine intuitive, wenn man die in einem Begriffe
enthaltenen Teilbegriffe gleichzeitig denken kann
(Erdm. p. 79 f.). Alle adäquaten Definitionen
enthalten intuitive Vernunftwahrheiten (Nouv.
Ess. IV, ch. 2, § 2).
CHR. WOLF definiert:
»Cognitio, quae ipso idearum intuitu absolvitur,
dicitur intuitiva« (Psychol.empir. §
286).
HUME versteht unter
Intuition das »Mit-einem-Blick-erfassen«
von Inhalten (Treat.
III, sct. 1).
Kabbala
(eig. »Überlieferung«)
S.1476
heißt die vom Neuplatonismus beeinflußte,
vom 9. bis 13. Jahrhundert ausgebildete jüdische
Mystik (vgl FRANCK, La cab. p. 353 ff.; JELLINEK,
Beiträge zur Gesch. d. Kabbala, 1851).
Die kabbalistischen Lehren befinden sich in den Büchern »Jezirâ«
und »Sohar«.
Es wird eine Emanation
der geistigen (intelligiblen)
und materiellen Welten (»Aziluth,
Beriâ, Jezirâ, Asiâ«) aus
den zehn »Sephiroth« (deren
Einheit der »Adam Kadmon«,
ist) und mit diesen aus dem Absoluten, dem »Ensoph«,
gelehrt.
Mit der Kabbalâ
beschäftigen sich auch REUCHLIN
(De art. Cabb.), PICO
VON MIRANDOLA, AGRIPPA, H.
MORE u. a.
Karma
(eig. Tun, Werk) S. 1480
die sich verkörpernden, objectivierenden Wirkungen
eines Wesens, die schicksalsgestaltende Kraft des Wesens (Verschulden
und Verdienst). Das Karma
bestimmt Örtlichkeit, Natur und Zukunft des neuen Wesens, das nach dem
Tode eines andern entsteht (Buddhismus; vgl. T.
W. RHYS DAVIDS, Der Buddhism., dtsch. S. 108).
Kontemplation
S. 1523 ff.
Betrachtung, Schauen, Beschaulichkeit, ruhiges geistiges
Anschauen des Übersinnlichen, des Geistigen,
Göttlichen in der
Seele und im All,
besonders als Mittel mystischer Erkenntnis
(Buddhismus,
christiche Mystik).
SENECA spricht von der
»contemplatio veri« als
einem Teile der Tugend.
PLOTIN lehrt, es gäbe
im Zustande der
Ekstase ein Schauen (opsis)
des göttlichen Einen (Enn.
VI, 9, 3), zu dem man sich nur durch Abkehr vom
Sinnlichen erheben kann. So auch die Mystiker.
Nach BERNHARD
VON CLAIRVAUX ist die »contemplatio«
»verus certusque intuitus animi de quacunque re, sive apprehensio rei
non dubia« (De consid. II, 2).
Nach RICHARD VON ST. VICTOR
gibt es sechs Stufen der Kontemplation,
deren höchste eine »alienatio
mentis« (Verzückung) ist (De
cont. V, 2).
Ähnlich BONAVENTURA:
»Contemplationem dicimus, quando veritatem sine
aliquo involucro umbrarumque vel animi in sua puritate videmus«
(l.c. V, 14).
Nach BOVILLUS entsteht
die Kontemplation, »quamdiu
reservatas in memoria species speculatur intellectus repraesentante atque offerente
eas illi memoria« (De intell. 7, 7).
Ähnlich lehrt LOCKE,
eine Kontemplation finde
statt, wenn die Vorstellung eine Zeitlang wirklich gegenwärtig behalten
werde (Ess. II, ch. 10, § 1).
Nach SCHOPENHAUER
verhält sich der Mensch in der Anschauung
des Schönen »rein Kontemplativ«
(W. a W. u. V. I. Bd., § 39). –
Die Unterscheidung einer »notitia
contemplativa«und »n.
practiva« schon bei ALBERTUS
MAGNUS (Sum.
th. I, 35, 2), einer »philosophia
contemplativa« und »ph.
activa« schon bei SENECA
(Ep. 95, 10).
Das kontemplative Leben wird
besonders von PLATO,
ARISTOTELES, PLOTIN,
SPINOZA, SCHOPENHAUER hoch
gewertet. Vgl. Intuition.
Kosmos
S.1557 Siehe
auch bei Kirchner
siehe Welt
.
Licht
und Finsternis S. 1640f.
Zwei Urprincipien, die der theologische Dualismus
annimmt.
So der ZEND-AVESTA, die Manichäer,
BASILIDES
(vgl. Ritter V, 135), J. BÖHME, R.
FLUDD. -
Als Potenz bezw. Moment im absoluten Sein betrachten das
Licht die Schellingianer
und HEGEL.
Logos
(logos): S.1701ff.
Siehe
auch bei Kirchner
Wort, (ausgesprochener) Gedanke, Begriff, Definition,
Vernunft, göttlicher, schöpferischer Gedanke, Weltgedanke, Weltvernunft.
Die Lehre vom Logos als dem die Welt durchdringenden, alles beherrschenden Gedanken
Gottes, als der von Gott ausgehenden Vernunft, als dem schöpferischen Wort
ist alt.
Im Rig-Veda ist der Logos
(»vak« = lateinisch vox) die
von der Gottheit ausgehende Weisheit (vgl.
WILLMANN, Gesch. d. Ideal. I, 89).
Im Zendavesta geht aus dem
Urwesen (»zuruana akarana«)
das Schöpferwort (»ahuna-vairja,
honover«) hervor, durch welches die Welt
erschaffen wird.
Nach der biblischen Genesis ist die »Sprache«
Gottes bei der Schöpfung wirksam (Gen.
I, 3, 6, 9 ff.). –
ANAXAGORAS lehrt einen
alles beherrschenden »Geist«.
HERAKLIT bezeichnet zuerst
die Weltvernunft als logos. Er ist das ewige Weltgesetz, dem zufolge alles geschieht
tou logou toud', eontos aiei - gignomenôn gar pantôn kata ton logon,
(Fragm. 2; Sext. Empir. adv. Math. VII,
132). Der logos ist
zugleich die heimarmenê,
das Schicksal (Stob.
Ecl. I 2, 60), die eherne Gesetzmäßigkeit
des Alls. Der logos; (oder die gnômê,
dikê) ist den Dingen immanent, aber
ohne Bewußtsein seiner selbst (logou
toud' eontos aei axynetai gignontai anthrôpoi kai prosthen ê akousai
kai akousantes to prôton). Jeder soll
dem allgemeinen logos im Denken und Handeln gehorchen dio
dei hepesthai tô xynô toutesti tô koinô. tou logou de
eontos xynou zôousin hoi polloi hôs idian echontes phronêsin
(Sext. Empir. adv. Math. VII, 133).
ARISTOTELES versteht unter
logos Begriff und Vernunft . Er unterscheidet den exô
logos (Wort) vom esô
logos (Gedanke in der Seele) (Anal.
post. I 10, 76 b 24). Der orthos logos ist
die richtige Vernunft, der sittliche Tact (Eth.
Nic. VI 13, 1144b 23). Das göttliche Sich-selbst-denken
(noêsis noêseôs)
ist das höchste Princip der Welt
(vgl. Met. I, 3).
Die Stoiker nennen das Schicksal
auch logos, es ist das alles durchdringende sittlich-vernünftige pneuma.
Es ist die heimarmenê aitia tôn
ontôn eiromenê ê logos, kath' hon kosmos diexagetai (Diog.
L. VII 1, 149); das Schicksal ist logos
tôn en tô kosmô pronoia dioikoumenôn - kath' hon ta
men gegonota gegone (Stob. Ecl. I 5, 180).
Die logoi spermatikoi,
die Vernunftkeime, vernünftigen Potenzen, sind Kräfte, die in allem
wirken (Diog. L. VII 1, 157), sie
treiben zur vernünftigen Entwicklung an
(vgl. L. STEIN, Psychol. d. Stoa I, 49). Vom logos
endiathetos, der innern Rede, d.h. dem Gedanken,
wird der logos prophorikos, das
Wort, die äußere Rede unterschieden. Ersterer besteht tê
athresei tôn oikeiôn kai phygê tôn allotriôn,
tê gnôsei tôn eis touto synteinousôn technôn,
tê antilêpsei tôn kata tên oikeian physin aretôn
tôn peri ta pathê. Der logos
prophorikos ist phônê dia
glôttês sêmantikê tôn endon kai kata psychên
pathôn, er ist exô proiôn
(Sext. Empir. Pyrrh. hyp. I, 65; Porphyr., De abstin. III, 3). Der
logos endiathetos ist to kinêma
tês psychês to en tô dialogistikô ginomenon
(Nemes., De nat. hom. C. 14).
ARISTOBULOS spricht von der göttlichen Kraft,
welche alles beherrscht hoti dia pantôn
estin hê dynamis tou theou, (Euseb.,
Praep. ev. XII, 12).
ARISTEAS unterscheidet von
Gott selbst die dynamis Gottes,
welche dia pantôn ist:
Das »Buch der Weisheit« lehrt, die
»Weisheit« Gottes (sophia) sei ein
die Welt durchdringender Geist (pneuma).
PHILO bezeichnet als logos die
höchste der göttlichen Kräfte, in welcher die Ideenwelt ihren
Ort hat (De mundi opif. I, 4). Der
logos ist Vermittler zwischen Gott und Welt, durch ihn hat Gott die Welt geschaffen.
Der logos ist prôtogonos, der Sohn
Gottes (De agric. 12), sein
»Schatten« (skia theou de ho logos autou estin, hô
kathaper organô proschrêsamenos ekosmopoiei, Leg. alleg. III, 31).
Er ist der »zweite Gott« (deuteros theos,
Euseb., Praep. ev. VII, 13, 1). Ho logos de
tou theou hyperanô pantos esti tou kosmou kai presbytatos kai genikôtatos
tôn hosa gegone (Leg. alleg. III,
61). Im Menschen und im All gibt es einen logos
endiathetos und einen logos prophorikos
(De vita Mos. III). In Gott ist eine
ennoia, die sophia; diese
wird auch als Mutter des logos bezeichnet (De
profugis 562; vgl. HEINZE, Lehre vom Logos 1872; ÜBERWEG-HEINZE, Gr. d.
Gesch. d. Philos. I9, 357).
PLOTIN sieht im nous,
dem Geiste eine Emanation,
ein Erzeugnis, ein Abbild (eikôn)
des göttlichen Einen, er ist die Einheit
der Ideen.
Das Christentum faßt
den logos persönlich auf, als Sohn Gottes, der von Ewigkeit her bei Gott
ist, die Welt erschafft und (in Christus) Fleisch
wird: en archê ên ho logos. panta
di' autou egeneto. ho logossarx egeneto
(Evang. Joh. I, 1). –
ATENEAGORAS erklärt: logos
tou patros en idea kai energeia. pros autou gar kai di autou panta egeneto
(bei ÜBERWEG HEINZE, Gr. d. Gesch. d. Philos.
II7, 50).
THEOPHILUS sagt: logos
endiathetos en tois idiois splanchnois, endiathetos en karthia theou (vgl.
Iren. I, 24; HARNACK, Dogmengesch. I3, 491).
LACTANTIUS: »melius
Graeci logon dicunt quam nos verbum sive sermonem: logos enim et sermonem significat
et rationem: quia ille est vox et sapientia Dei«
(Divinar. institut. IV, 9).
Nach BASILIDES
ist der Logos der
Erstgezeugte des ewigen Vaters (bei Iren. II,
24, 3).
Nach VALENTIUS emanieren
logos und zôê
aus dem nous und
der Wahrheit (bei Iren. I, 1, 1).
Nach CLEMENS ALEXANDRINUS durchdringt
der logos; das All (Strom.
V, 3); er ist die Quelle der Erleuchtung bei den
alten, guten Philosophen (l.c. I, 5; Cohort.
VI, 59).
Während nach ARIUS der
Logos ein (vor der Zeit) durch Gott Geschaffenes ist (»Subordinationstheorie«),
betont ATHANASIUS die ewige
Einheit des Logos mit Gott-Vater, aus dessen Natur er gezeugt ist
(Contr. Arian. III, 62). Der
Logos ist hêgemôn, dêmiourgos
tou pantos (Contr. gent. 29; 38);
ho gar patêr tou logos en pneumati hagiô
ta panta poiei (Contr.
Arian. I, 28).
Nach JUSTINUS hat Gott dynamin
tina logikên, den Logos,
seinen Sohn, erzeugt, der selbst Gott ist (Apol.
I u. II, 6). Am logos hat jeder teil dia
to emphyton panti genei anthrôpôn sperma tou logou
(l.c. II, 8).
Nach TATIAN ist der logos ergon
prôtotokon tou patros.
ORIGENES sieht im logos die idea ideôn,
systêma theôrêmatôn en autô (vgl.
LOMMATSCH I, 127). Der Logos ist Demiurg
(Contr. Cels. VI, 62). In
den Dingen ist ein logos spermatikos (l.c.
V, 22; De princ. II, 10, 3).
Nach GREGOR VON NYSSA durchdringt
Gott alles vermittelst der sophoi te kai technikoi
logoi, (De an. et resurr. p. 188).
Die Apologeten überhaupt
verstehen unter dem Logos »die Hypostase
der wirksamen Vernunftkraft, die einerseits die Einheitlichkeit und Unveränderlichkeit
Gottes trotz der Verwirklichung der in ihm ruhenden Kräfte schützt,
anderseits eben diese Verwirklichung ermöglicht« (HARNACK,
Dogmengesch. I3, 488). -
ANSELM nennt
die Form der Dinge eine »intima
locutio«in der göttlichen Vernunft,
eine innere Sprache, deren Worte die Dinge selbst sind (Monol.c.
10, 12).
THOMAS unterscheidet
das »verbum interius conceptum« (»verbum
mentis«) vom »verbum
exterius vocale quod est eius signum« (De
differ. div. verbi et hum.).
Die Mutaziliten bestimmen
eines der Attribute Gottes als Wort oder Rede.
Nach ECKHART
spricht Gott das »Wort« aus, seinen Sohn.
-
HEGEL versteht
unter dem Logos den objektiven Begriff, »die
Vernunft dessen, was ist« (Log.
I, 21), die Weltvernunft.
Macht
S. 1716
ist Gewalt über etwas,
Kraft, Vermögen
, Einfluss, Beherrschung. Das Selbstgefühl
ist
im wesentlichen Machtgefühl
(vgl. HÖFFDING, Psychol.2, S. 337). –
HOBBES versteht unter Macht
(»power«)
die geistig-körperlichen
Kräfte, Vermögen (Hum.
Nat. II, 4; VIII, 3). Die Gefühle
und Affekte werden
(wie von SPINOZA) auf das Bewusstsein
erhöhter oder verminderter
Macht zurückgeführt (l.c.
VIII, 3 ff.). Es gibt ein allgemeines
Streben nach Macht (Leviath.
C. 11).
NIETZSCHE bestimmt als Prinzip
der Natur und des
Menschen den »Willen
zur Macht.« . Vgl.
Gefühl.
Maya
S. 1778
ursprünglich Name einer [indischen]
Göttin, dann die [metaphysische] Ursache
der Illusion,
durch welche das All-Eine
als sinnlich-materielle Vielheit
wahrgenommen wird, durch den Schleier der Sinne und der Imagination
(»Schleier der Maya«): brahmanische, buddhistische Philosophie,
SCHOPENHAUER u. a.
Mechanistische
Weltansicht S.1783ff.
Siehe auch bei
Kirchner
1) metaphysisch der
Materialismus,
2) empirisch-methodologisch-heuristisch
die (bewußt
einseitige, abstrakt, aber konsequent festzuhaltende und nur metaphysisch-teleologisch
zu ergänzende) Betrachtung der Natur als System
von Bewegungen und von meßbaren Größen
(quantitative Naturbetrachtung).
Nach der mechanistischen
Weltansicht muß jedes Naturgeschehen mechanisch-kausal,
aus Bewegungen der Materie interpretiert werden.
In der Biologie bedeutet die mechanistische Ansicht,
im Gegensatze zum Vitalismus,
die rein mechanische (physikalisch-chemische)
Erklärung der organischen Prozesse.
Die mechanistische Weltansicht
vertritt (metaphysisch)
die antike Atomistik : Dêmokritos
de to hou heneka apheis legein panta anagei eis anankên hois chrêtai
hê physis (Aristot., De gener.
anim. 789 b 2), LUCREZ (De nat. rer. I, 1020; IV, 833),
Durch KOPERNIKUS, KEPLER,
GALILEI erhält die mechanistische Naturbetrachtung
ihre wissenschaftliche Begründung.
KEPLER erklärt: »Mundus
participat quantitate, et mens hominis (res supramunda
in mundo) nihil rectius intelligit, quam ipsas quantitates, quibus percipiendis
factus videri potest« (Epist.
de harmon., Op. V, 28). Doch
nimmt Kepler noch Gestirngeister als Agentien an.
Zur Verbreitung dieser Naturbetrachtung tragen F. BACON
(der die Teleologie in der Naturwissenschaft selbst
ausschließt) und noch mehr HOBBES
bei, der
sie auch auf das Psychische überträgt.
Ferner DESCARTES, dem die
Ausdehnung als einziges Attribut der Materie gilt, der in der Physik keine anderen
als die mathematischen Prinuipien anerkennt (Princ.
philos. II, 64) und der nur
die quantitativen Qualitäten als real betrachtet, wie es auch LOCKE
tut.
Im Gebiete des Körperlichen hält auch SPINOZA
die mechanistische Naturbetrachtung fest; das Teleologische wird von ihm durchgehends
ausgeschlossen, da aus Gott
(s. d.) alles mit logisch-mathematischer Notwendigkeit folgt
(Eth. I, prop. XXXVI, app.).
Der empirisch-mechanistischen Naturauffassung gibt NEWTON
neue Stützen.
Zwischen Mechanismus und Teleologie
vermittelt LEIBNIZ. Die Cartesianische Naturphilosophie
ist ihm nur »l'antichambre de la vérité«.
Alles geht (als Erscheinung und relativ) mechanisch,
zugleich aber (im Innensein) »metaphysisch«,
d.h. hier geistig teleologisch zu, ohne Widerspruch. »Tout
ce fait mécaniquement et métaphysiquement dans le même temps.«
»La source de la mécanique est dans la métaphysique«
(Gerh. III, 607; IV, 282, 471).
KANT versteht unter »mechanischer
Naturphilosophie« »die Erklärungsart
der spezifischen Verschiedenheit der Materien durch die Beschaffenheit und Zusammensetzung
ihrer kleinsten Teile, als Maschinen« (Met.
Anf. d. Naturwiss. S. 100).
Diese Auffassung vertritt Kant empirisch-methodologisch,
für die Organismenwelt das teleologische Prinzip reservierend, die Dinge
an sich aber ganz als unerkennbar bestimmend. Schließlich muß alles
Mechanische auch teleologisch aufzufassen sein. Der Begriff der organisierten,
teleologisch durchwirkten Materie führt notwendig »auf
die Idee der gesamten Natur als eines Systems nach der Regel der Zwecke, welcher
Idee nun aller Mechanismus der Natur nach Prinzipien der Vernunft (wenigstens
um daran die Naturerscheinung zu versuchen) untergeordnet werden muß«
(Krit.
d. Urt. II, § 67).
»Hierauf gründet sich nun die Befugnis und... auch der Beruf: alle
Produkte und Ereignisse der Natur, selbst die zweckmäßigsten, so
weit mechanisch zu erklären, als es immer in unserem Vermögen... steht,
dabei aber niemals aus den Augen zu verlieren, da, wir die, welche wir allein
unter dem Begriffe vom Zwecke der Vernunft zur Untersuchung selbst auch nur
anstellen können, der wesentlichen Beschaffenheit gemäß, jener
mechanischen Ursachen ungeachtet, doch zuletzt der Kausalität nach Zwecken
unterordnen müssen« (l.c.
§ 78). Der »Newton
des Grashalms« ist noch nicht gefunden. –
SCHELLING bemerkt:
»Fassen wir endlich die Natur in ein
Ganzes zusammen, so stehen einander gegenüber Mechanismus - d.h. eine abwärts
laufende Reihe von Ursachen und Wirkungen, und Zweckmäßigkeit, d.h.
Unabhängigkeit von Mechanismus, Gleichzeitigkeit von Ursachen und Wirkungen.
Indem wir auch diese beiden Extreme noch vereinigen, entsteht in uns die Idee
von einer Zweckmäßigkeit des Ganzen«(Naturphilos.
S. 61).
Nach SCHOPENHAUER
ist der Mechanismus der Naturprozesse eine Objektivation
des »Willen zum Leben«.
Nach E.
v. HARTMANN sind Mechanismus
und Teleologie die zwei Seiten des einen
Prinzips der logischen Notwendigkeit, das mit dem alogischen Willen verbunden
ist (Philos. d. Unbew. II10, 450).
M. CARRIERE erklärt:
»Mechanistische und teleologische Auffassung der
Natur widersprechen einander so wenig wie Zweck und Mittel; sie schließen
einander nicht aus, vielmehr fordern sie einander; die eine zeigt uns die Art
und Weise des Geschehens und der Dinge, die andere erschließt ihren Sinn
und ihre Bedeutung für sich und im ganzen« (Sittl.
Weltordn. S. 63).
LOTZE betont die universelle
Ausdehnung und zugleich die Unterordnung des Mechanismus
unter die Teleologie
(Mikrok. I2, S. XV).
Ähnlich J. WARD
(Naturalism and Agnostic. 1899).
Nach WUNDT ist
der Mechanismus der Natur »nur
ein Teil des allgemeinen Zusammenhangs geistiger Kausalität«
(Eth.2, S. 472).
Nach O. LIEBMANN sind
Mechanismus und Teleologie
zu vereinigen (Analys.
d. Wirkl.2, S. 389 ff.). So
auch nach PLANCK (Test.
ein. Deutschen. S. 323),
RAVAISSON u. a. FOUILLÉE erblickt
im Mechanismus nur
die Außenseite und das Resultat geistiger Kräfte (»idées-forces«,
s. Spiritualismus).
Nach NIETZSCHE zeigt uns
die mechanistische Weltanschauung nur »Folgen«
und diese noch dazu im Bilde, in der Sprache unserer Empfindungen. Alle Voraussetzungen
des Mechanismus, Stoff, Stoß, Druck, Schwere, Atom, sind nicht Tatsachen
an sich, sondern Interpretationen. »Die Mechanik
als eine Lehre der Bewegung ist bereits eine Übersetzung in die Sinnensprache
des Menschen.« »Die mechanistische Welt ist so imaginiert, wie das
Auge und das Getast sich allein eine Welt vorstellen...« Die
ursächliche Kraft wird dadurch nicht berührt
(WW. XV,
296 f.). Die wahre Kraft ist
der »Wille zur
Macht«. Der Mechanismus
ist nur eine »Zeichensprache für
die interne Tatsachen-Welt kämpfender und überwindender Willens-Quanta«
(WW. XV, 297 ff.).
Die Ergänzung der mechanistischen durch die metaphysische,
dynamische Weltanschauung fordert BACKHAUS
(Wes. d. Hum. S. 8 ff.). Vgl. Dilthey, Einl. I, 470.
Nach HELMHOLTZ sind
alle Veränderungen in der Welt als Bewegungen aufzufassen, die Bewegung
ist die »Urveränderung, welche allen
andern Veränderungen in der Welt zugrunde liegt«. Alle
elementaren Kräfte sind Bewegungskräfte. Endziel der Naturwissenschaft
ist es, alles in Mechanik aufzulösen
(Vortr. u. Red. I4, 379).
Ähnlich F. A.
LANGE (Gesch. d. Material.).
Auch DUBOIS-REYMOND:
»Es gibt für uns kein anderes Erkennen als
das mechanische, ein wie kümmerliches Surrogat für wahres Erkennen
es auch sei, und demgemäß nur eine wahrhaft wissenschaftliche Denkform,
die physikalisch-mathematische«
(l.c. I, 232). »Die theoretische
Naturwissenschaft ruht nicht eher, als bis sie die Erscheinungswelt auf Bewegungen
letzter Elemente zurückführt, welche nach denselben Gesetzen vor sich
gehen, wie die der gröberen, sinnfälligen Materie« (Red.
I, 434).
So auch WUNDT
(Syst. d. Philos.2, S. 484),
EBBINGHAUS (Gr.
d. Psychol. S. 34), E.
HAECKEL, ferner die Physiker CLAUDIUS, BOLTZMANN,
THOMSON, MAXWELL u. a.
Dagegen erklärt E. MACH:
»Daß alle physikalischen Vorgänge mechanisch
erklären seien, halten wir für ein Vorurteil« (Mechan.
S. 486; Populärwiss. Vorles.2, S. 181), ähnlich
P. VOLKMANN
(Erk. Grundz. d. Naturwiss. S. 153 f.),
ferner OSTWALD, der an Stelle der mechanistischen
die energetische Naturanschauung setzt (Vorles.
üb. Naturphilos. S. 165 f., 202 f., 229 f.).
Gegen den Dogmatismus der mechanistischen Weltanschauung
sind E. v. HARTMANN (Mod.
Psychol. S. 354), STALLO, HELM
u. a.
H. CORNELIUS meint:
»In keiner Weise findet sich... das Dogma bestätigt,
daß alle Naturerscheinungen mechanisch erklärt werden müßten;
nur insofern die mechanischen Analogien ein vereinfachendes Bild für die
Darstellung der Tatsachen anderer Gebiete ergeben, ist ihre Anwendung zur Erklärung
dieser Tatsachen berechtigt« (Einleit.
in d. Philos. S. 327 f).
Nach WUNDT hingegen
gibt es zwingende logische Motive, die der mechanistischen Naturbetrachtung
(empirisch) ihre Gültigkeit
bewahren. Erstens gibt es Naturvorgänge, von denen die unmittelbare Erfahrung
nichts enthält und die wir dennoch auf Grund exakter Analyse der Erscheinungen
als objektiv gegeben annehmen müssen, und die sich dann als Bewegungsvorgänge
erweisen (Schall, Licht etc.). Zweitens müssen wir die Empfindungsqualitäten
als subjektiv aus den objektiven Vorgängen eliminieren, sonst kämen
wir auf ein Meer uferloser Hypothesen (Syst.
d. Philos.2, S. 463 ff.; Philos. Stud. XIII, 80).
Die Annahme, daß alle Energieformen Abwandlungen der mechanischen Energie
seien, erklärt die Tatsachen am besten, sie trägt dem »Postulat
der Anschaulichkeit«, welches den Objekten adäquate symbolische Bilder
fordert, Rechnung (Syst. d. Philos.2,
S. 484 ff.,488). –
Nach RIEHL
ist der Mechanismus
»nur das Symbol für die allgemeine
Gesetzlichkeit des Geschehens«. Durch ihn
allein wird nicht bestimmt, was geschieht (Zur
Einf. in d. Philos. S. 165)..
Meditation
S. 1790
Nachdenken, Nachsinnen,
wissenschaftlich-philosophische
Reflexion.
Nach HUGO (De
an. II, 1, 19) und RICHARD
VON ST. VICTOR ist die »meditatio«,
das begriffliche Denken,
die Kontemplation
Gottes, die zweite Stufe der Erkenntnis.
»Meditatio« u. a. bei THOMAS
(Sum. th. II. II, 180, 3 ad 1).
»Meditationes«
ist der Titel einer Schrift von DESCARTES.
Nach KANT ist
»Meditieren«
ein »methodisches Denken«
(Log. S. 232).
Monade
(monas) S.1879ff.
Siehe auch bei Kirchner
Einheit , metaphysische Einheit,
selbständiges, individuelles Wirklichkeitselement (im
weiteren Sinne auch das Atom), im engeren Sinne
seelenartiges, einfaches, substantielles Wesen; aus der Zusammensetzung solcher
Monaden bestehen nach der Monadologie die Körper ihrem An-sich-sein nach,
auch die Organismen, die aber (nach einigen) von
besonderen Geistesmonaden beherrscht werden.
Der Begriff und Terminus monas als
Einheit findet sich
bei PYTHAGORAS, EKPHANTUS,
ARISTOTELES, EUKLID, MODERATUS
u. a. -
PLATO nennt monades
die Ideen.
SYNESIUS nennt Gott
die »monas monadum«, so auch SABELLIUS,
wie überhaupt Gott öfter
als »monas« bezeichnet wird (vgl.
GOCLEN, Lex. philos. p. 707).
NICOLAUS CUSANUS betrachtet
die Einzeldinge als Einheiten, welche die Welt
verkleinert abspiegeln.
G. BRUNO versteht unter der »monas«
das »minimum«, das als »rerum
substantia« angenommen werden muß. »Monas
rationaliter in numeris, essentialiter in omnibus«(De
min. I, 2). Aus
unzerstörbaren, ausgedehnten und zugleich beseelten
Monaden bestehen alle Dinge. Die »monas
monadum« ist Gott
(l.c. I, 4). Die Monas
ist »substantia rei, individua rei substantia«
(De monade).
F. M. VAN HELMONT erklärt:
»Divisio rerum numquam fit in minima mathematica,
sed in minima physica; cumque materia concreta eo usque dividitur, ut in monades
abeat physicas« (Princ.philos.
3, 9). »Atomus
autem tam est exilis, ut nihil inse recipere queat« (l.c.
7, 4).
H. MORE nennt Monaden
die homogenen (beseelten) Elemente der Dinge, der Materie, »actu
solutae monades, quam-quam contiguae« (»spiritus naturae«)
(Enchir. met. I, 9; I, 28, § 3).
F. GLISSON nimmt beseelte
Substanzen an (Tract. de natura substantiae
energetica 1672).
R. CUDWORTH schreibt den
Dingen eine »vis plastica« zu.
GASSENDI nimmt empfindungsfähige
Atome an (später
auch ROBINET, DIDEROT
u. a.).
Der Begründer der Monadenlehre
ist aber LEIBNIZ. Er
stellt sie auf im Gegensatz:
1) zu
Descartes, welcher die Körperelemente für
rein passiv erklärt,
2) zum Atomismus,
weil nach Leibniz alles Körperliche
ins unendliche teilbar ist,
3) zum Pantheismus,
der nur eine Substanz kennt.
Dagegen nimmt
Leibniz an, die Welt
bestehe (an sich) aus unkörperlichen, unausgedehnten,
punktuellen, einfachen, seelischen, vorstellenden und strebenden Krafteinheiten
(Substanzen), die er (seit
1697) Monaden (»monades«)
nennt. Sie sind den substantialen Formen der Scholastiker,
den »Entelechien« der Peripatetiker
analog, sind im Grunde nichts als die vielfach gesetzte
Ichheit.
Die Monaden sind die Elemente der Dinge, die wahren
Atome in der Natur
(Monadol. 3). »La
monade... n'est autre chose, qu'une substance simple, qui entre dans les composés;
simple, c'est-à-dire, sans parties«(Monadol.
1). Es muß Monaden
geben, weil es zusammengesetzte Dinge, Aggregate, gibt und weil das Einfache
nicht ausgedehnt sein kann (Monadol.
2 - 3).
Sie können sich nicht auflösen, können nur
(durch Schöpfung) mit einem Male anfangen oder enden (Monadol.
6). Sie sind gleichsam
metaphysische Punkte (»points métaphysiques«),
substantielle Punkte (»points de substance«)
(Gerh. IV, 398; Erd. p. 126).
Sie können innerlich nicht verändert werden, weil nichts in sie hineinkommen
kann; sie haben »keine Fenster« (»n'ont
point de fenêtre«), so daß sie keine directen Einwirkungen
von außen erleiden, noch selbst auf andere Monaden direct einwirken können
(Monadol. 7).
Nur einer immanenten, rein innerlichen Entwicklung sind sie fähig (Monadol.
10 f.). Diese beruht
auf einem inneren Princip, welches seelischer Art ist und eine Mehrheit von
Zuständen bedingt, welche in Vorstellungen (»perceptions«,
zugleich Empfindungen, Gefühlen) bestehen und infolge eines Strebens
(»tendance«) wechseln (Monadol.
11, 13, 14, 15).
Alle Monaden haben »quelque
chose d'analogique au sentiment et à l'appétit«,
sind »Entelechien«, »Seelen«
im weitesten Sinne (Monadol.
18 - 19). »De
la manière que je définis perceptions et appétit, il faut
que toutes les monades en soient douées. Car perception m'est la représentation
de la multitude dans le simple, et l'appétit est la tendance d'une perception
à une autre; or ces deux choses sont dans toutes les monades, car autrement
une monade n'aurait aucun rapport au reste de choses.« Es
gibt »autant de substances véritables et pour ainsi dire
de miroirs vivants de l'univers toujours subsistants ou d'univers concentrés
qu'il y a de monades« (Erdm.
p. 720).
Jede Monade folgt dem Gesetze ihrer inneren Entwicklung, der »lex
continuationis seriei snarum operationum«, conform den Entwicklungsphasen
der anderen Monaden (Erdm.
p. 107). »Tout
présent état d'une substance simple est naturellement une suite
de son état précédant, tellement que le présent
y est gros de l'avenir«(Monadol.
22).
Alle Monaden sind verschieden, denn es gibt in
der Natur nicht zwei vollkommen gleiche Dinge (Monadol.
9, vgl. Identitatis indisc.).
Es besteht eine Stufenfolge höherer und niederer Monaden,
deren höchste Gott ist. »Monas seu substantia
simplex in genere continet perceptionem et appetilum, estque vel primitiva seu
Deus, in qua est ultima ratio rerum, vel est derivativa, nempe monas creata,
eaque est vel ratione praedita, mens, vel sensu praedita, nempe anima, vel inferiore
quodam gradu perceptionis et appetitus praedita, seu anima analoga, quae nudo
monadis nomine contenta est, quam eius varlos gradus non cognoscumus«
(Erdm. p. 678).
Die Körpermonaden (»monades simples«,
»tout nues«) leben in einer Art dumpfen Schlafes dahin (Monadol.
24), während die
höchste Monade, Gott, alles mit höchster Klarheit vorstellt
und die Beziehungen der Monaden untereinander durch die
prästabilierte Harmonie
regelt (Monadol.
51).
Die Monaden sind»fulgurations
continuelles« Gottes.
Jede Monade spiegelt (stellt
vor, stellt dar, »représente«), als »miroir
vivant«, das Universum, als eine Welt für sich (»monde
à part«), aber mit verschiedenem Grade der Klarheit, Bewußtheit
(Monadol. 62,
83), jede von ihrem Standpunkte
(»point de vue«), so daß man
in jeder Monade das All erkennen könnte (Erdm.
p. 714 ff.; Principe de la nature 3, 4, 13, 14).
Die Monaden sind auch dadurch voneinander unterschieden,
daß sie mehr oder weniger über andere herrschen (l.c.
4), wie etwa die Seele
die herrschende Monade des Organismus ist.
CHR. WOLF schreibt den Körpermonaden keine Perception,
nur eine »Kraft« zu (Psychol.
rational. § 644, 712).
Nach BAUMGARTEN sind die
Monaden »simplices
vires, repraesentativae sui universi, mundi in compendio, suique mundi concentrationes«
(Met. § 400).
Nach CRUSIUS
sind die Monaden mathematisch
ausgedehnt, nehmen einen Raum ein (Met.
§ 107). So auch nach
DARJES (Elem.
met. 1753).
KANT nimmt (in
seiner vorkritischen Periode) »monades physicae« an, welche
undurchdringlich sind und elastische (abstoßende) sowie anziehende Kräfte
haben. »Substantia simplex, monas dicta,
est, quae non constat pluralitate partium, quarum una absque aliis separatim
existere potest.« »Corpora constant partibus, quae a se invicem
separatae perdurabilem habent existentiam«
(Monadol. phys. I, prop. I - II).
Verschiedene Arten von »Monaden« nimmt
GOETHE an; er nennt
sie auch »Entelechien« (Goethes
Gespräche, hrsg. von Biedermann, III, 63 f.).
Monaden ohne Vorstellung nimmt
BOSCOVICH an.
Ein intelligibles »Monadenreich«
als selbstbewußter göttlicher Gedanke in seinem gegliederten Inhalte
nimmt SOLGER an
(Erwin II, 126). –
HERBART lehrt die Existenz von einfachen »Realen«
.
LOTZE lehrt die Existenz von
Substanzen seelischer Art, die in Gott ihren Einheitsgrund
haben.
Monaden nehmen ferner an:
J. H. FICHTE
(Psychol. I, 4), ULRICI, KIRCHNER,
L. BUSSE, E. v. HARTMANN (Wille,
Seele),
H. WOLFF (»Bionten«, Kosm.
I) (als Producte des Unbewußten,
), BAHNSEN, M. WARTENBERG (Probl.
d. Wirk. S.134), PETERS, WUNDT
(aber nicht als Substanzen, sondern als Willensactionen,
), ferner GIOBERTI,
J. DURDIK, M. PETÖCZ, CH. B. UPTON LACHELIER (Rev.
philos. XIX, 1885), DEL-BOEUF
(La mat. brute), J.
C. S. SCHILLER (Riddles of the Sphinx2,
1894), ASTAFJEW u.a.m.
CARRIERE lehrt die Existenz
von »selbstlosen« und »selbstseienden«,
sich selbst bestimmenden Monaden, die in Wechselwirkung
miteinander stehen. Sie sind nicht absolut isoliert, sondern
»ganz Fenster, ganz Auge« (Sittl.
Weltordn. S. 137), sind
in einer alldurchwaltenden Einheit enthalten
(ib., vgl. S. 146 ff.).
Den Mittelpunkt selbstseiender Wesen bildet je eine »Centralmonade«
(l.c. S. 72).
Eine Vielheit nicht sinnenfälliger Wesen nimmt
TEICHMÜLLER an
(Neue Grundleg. S. 65).
R. HAMERLING nennt Monaden
Gruppen, Einheiten von (Willens-) Atomen und auch einzelne
Atome (Atom. d. Will. I, 180).
G. SPICKER nimmt
psychische Monaden an, die untereinander in Wechselwirkung stehen, activ
und passiv zugleich und auch materiell sind
(K., H. u. B. S. 193 ff.).
Nach DROSSBACH bestehen
die Dinge aus »Kraftwesen« (Genes.
d. Bewußts.), so auch
nach HELLENBACH (Der
Individual. S. 185).
RENOUVIER (mit L. PRAT)
erklärt: »La
monade est la substance simple, dont la donnée est impliquée par
l'existence des substances composées« (Nouv.
Monadol. p. 1). Sie ist
»sans parties«, »n'a ni étendue
ni figure«(l.c. p. 2).
Die
Monaden haben »le
sentiment de soi, le rapport du sujet à l'objet, dans le sujet«
(l.c. p. 3), »représentation«
(ib.). Jede Monade
ist »une unité dont la répétition
forme des nombres« (l.c. p. 4).
Sie hat »activité
interne« »en tant quelle est un principe de son propre devenir«,
hat »une force suscitative
de ses états«(l.c. p. 5).
Es gibt
»monades servantes«, »centrales«,
»dominantes« (l.c. p. 53).
Monaden als psychische Kräfte
nimmt DURAND DE GROOS an;
sie constituieren das An-sich der Materie.
Monaden gibt es nach
E. BOIRAC (L'idée
de phénomène 1894).
Monismus
(monos, eins, einzig)
S.1888ff. Siehe
auch bei Kirchner
bedeutet metaphysisch:
1) Einheitslehre, d.h. jene metaphysische Ansicht,
nach welcher es nur eine Wirklichkeitsart, ein
Seinsprincip gibt, sei dieses nun Geist
(Spiritualismus,
Idealismus) Materie (Materialismus), oder
die Einheit, der gemeinsame Träger beider (Identitätsphilosophie).
Der »philosophische« Monismus ist von
dem »naturalistischen«, sich »Monismus«
nennenden »Pseudomonismus«,
der in Wahrheit verhüllter Dualismus
und Hylozoismus
ist, zu unterscheiden.
Der metaphysische Monismus, der nur eine Wirklichkeitsweise
als absolut real setzt,
ist mit einem »empirischen«, »methodischen«
Dualismus vereinbar.
Monismus bedeutet
2) Einzigkeitslehre, d.h.
die Ansicht, daß alle Dinge Modificationen einer
Wesenheit (Natur, Materie, Weltseele,
Gottheit) sind
(= metaphysischer »Henismus«,
bezw. Pantheismus).
Der psychologische Monismus
lehrt die Einheit von Psychischem und Physischem,
sei es in materialistischer, spiritualistischer oder identitätsphilosophischer
Form.
Der erkenntnistheoretische Monismus
behauptet, die einzige Wirklichkeit sei die erfahrungsmäßig
gegebene, erlebte, sinnenfällige, bewußtseinsimmanente Realität.
Der ethische Monismus leitet
das Sittliche aus einem einzigen Moralprincip ab.
Der theologische (religiöse)
Monismus ist entweder Theismus
oder Pantheismus
; letzterer ist, als Extrem. »Akosmismus«,
Gott hat alleinige wahre Realität.
Der logische Monismus erkennt
nur ein Erkenntnisprincip, keine
Dualität von Form und Materie des Erkennens
an (M. PALÁGYI). Zu ihm gehören auch
der (extreme) Rationalismus und Empirismus.
Naturwissenschaftlicher (physikalischer)
Monismus heißt (auch)
die energetische, die Materie eliminierende Lehre
(OSTWALD u. a.).
Den Ausdruck »Monist«
anbelangend, so erklärt CHR.
WOLF: »Monistae dicuntur philosophi, qui unum
tantummodo substantiae genus admittunt« (Psychol.
rational. § 32).
Bei J. G. FICHTE findet
sich »Unitismus«
(WW. II, 89).
»Monismus des Gedankens« nennt
GÖSCHEL (Monism.
d. Gedank. 1832) den Hegelschen
Panlogismus.
E. v. HARTMANN möchte den qualitativen
Monismus lieber als »Unitarismus«
bezeichnen (Mod.
Psychol. S. 371).
Mehr oder weniger rein wird die Einheitslehre
vertreten durch die ionischen Naturphilosophen,
die Atomistik . die Stoiker, Epikureer , ferner
durch G. BRUNO, SPINOZA,
LEIBNIZ, BERKELEY, J.
G. FICHTE, SCHELLING, HEGEL,
SCHOPENHAUER, J. H. FICHTE,
CARRIERE, WUNDT, H.
SPENCER, CLIFFORD, RENOUVIER, F. MASCI, NIETZSCHE,
FECHNER, K. LASSWITZ, PAULSEN
u. a.
Einen »kritischen«
(philosophischen) Monismus
lehrt RIEHL
(Philos. Kritic. II2, 206; s. Identitätslehre).
Einen »immanenten«,
»empirischen«, »kritischen«, »transcendentalen«
Monismus vertritt
F. SCHULTZE: Alles
ist, als unsere Vorstellung, gleichartig, unsere Erfahrungswelt ist einheitlich.
»Die Vorstellungswelt ist... dualistisch,
insofern sie der Erscheinungswelt eine hypothetisch notwendig gesetzte Welt
der Dinge an sich unterstellt«= »kritischer
Dualismus«;(
Philos. d. Naturwissenschaft II, 201 f.).
P. CARUS versteht unter Monismus
die höhere Einheit von Idealismus und Realismus.
Die Welt ist »das
Resultat aus Subject und Object«, Geist
und Materie sind durcheinander bedingt; das An-sich
beider »congruiert«
im Metaphysischen (Met. S. 33 f.; Fundam.
Probl. 1889). Der kritische
Monismus ist Idealrealismus, Realidealismus (l.c.
S. 226).
Einen »dynamischen« Monismus
lehrt L. FERRI, einen Monismus
als Glauben HUXLEY
(Sociale Essays S. XL),
einen metaphysischen Monismus
M. L. STERN (Philos.
u. naturwiss. Monism. 1885), einen
idealistischen, das Mechanische als Äußerung geistiger Kräfte
bestimmenden Monismus A.
FOUILLEÉ
Den »positiven Monismus«,
der hinter allen Erscheinungen eine Urkraft
constatiert, vertritt G. RATZENHOFER
(Pos. Eth. S. 33).
»Monismus«heißt
auch die Ansicht, daß ein Wirkliches mit zwei Eigenschaften
(Attributen), Empfindung und Bewegung, existiert: B.
CARNERI, E. HAECKEL. (Die
Welträtsel), L. NOIRÉ
(Der monist. Gedanke 1875), L.
GEIGER (Urspr. d. Sprache),
nach
welchen den beiden Attributen Bewegung und Empfindung ein
»Monon« zugrunde
liegt (NOIRÉ,
Einl. und Begr. e. monist. Erk. S. 183).
Die Einzigkeitslehre finden wir bei XENOPHANES,
HERAKLIT, den Stoikern,
G. BRUNO, SPINOZA, J.
G. FICHTE, SCHELLING, HEGEL,
SCHOPENHAUER, NIETZSCHE,
H. SPENCER u. a. (s.
Gott, Pantheismus).
Einen Individualismus innerhalb
des Monismus lehrt J.
FRAUENSTÄDT, M. CARRIERE (Sittl.
Weltordn. S. 384), so auch
E. v. HARTMANN. Dessen
»concreter Monismus« beschränkt
die Identität der Dinge mit dem Absoluten, Unbewußte auf »das
dem Erscheinungsindividuum zugrunde liegende Wesen« (Phänomenol.
d. sittl. Bewußts. S. 860).
Der concrete Monismus ist
das System, nach welchem »das Eine
durch die Vielheit seiner
dynamischen Functionen und Functionengruppen im Widerspiel dieser Dynamik zu
vielen realen Individuen sich concresciert und als der denselben immanent substantielle
Träger ihre reale Existenz in gesetzmäßiger, relativer Constanz
aufrecht erhält« (Philos.
Frag. d. Gegenw. S. 69).
O. CASPARI stellt dem »spiritualistischen«
den »empirischen«
Monismus gegenüber.
»Nach letzterem sind Weltschöpfer und Weltplan ausgeschlossen, der
empirische Monismus ist causal-mechanische Weltanschauung.
Der causale Mechanismus besteht aber aus einer Reihe relativ getrennter Einzelfactoren«
(Zusammenh. d. Dinge S. 442).
Nach F. MACH existiert »das
eine und einzige,
absolute, ewige Weltwesen - das Universum, das
Allleben oder die Natur - als Complex materiell-geistiger Kräfte, das sich
nach immanenten notwendigen Gesetzen betätigt und in einer Stufenreihe
teleologischer Organisationen, deren irdischer Abschluß der Mensch ist,
entwickelt« (Religions- u. Weltprobl.
S. 464).
Einen theistischen Monismus vertritt
A. L. KYM. –
E. HAECKEL versteht unter Monismus
die »einheitliche Auffassung der Gesamtnatur«(Der
Monism. S. 9), die Ansicht,
daß die Welt eine »kosmische Einheit«
bildet (l.c.
S. 10), daß Gott und Welt
eins sind (l.c. S. 12);
ähnliche Anschauung bei
D. F. STRAUSS, auch
bei L. BÜCHNER, C.
VOGT, MOLESCHOTT, CZOLBE, NOACK u. a.).
Den erkenntnistheoretischen Monismus
lehrt der (erkenntnistheoretische) Idealismus,
besonders bei BERKELEY, HUME,
J. G. FICHTE, bei J.
ST. MILL, REHMKE
(Welt als Wahrn. u. Begriff S. 68), SCHUPPE,
SCHUBERT-SOLDERN, M. KAUFFMANN, LECLAIR: »Ablehnung
eines transcendentalen Factors der Erkenntnis«(Beitr.
S. 9), ZIEHEN, M. VERWORN (=
»Psychomonismus«, Allgem. Physiol.2, S. 39),
in anderer Weise (mehr realistisch)
auch bei E. MACH, R.
AVENARIUS. Ferner bei
EBBINGHAUS, E. KÖNIG, G. HEYMANS
u. a.- Vgl. die Zeitschrift »The
Monist«, herausgegeb. von P. Carus 1890 ff. (auch die ältere Zeitschrift
»Kosmos«). -
Vgl. Seele,
Pantheismus
Monotheismus
(monos, theos) S.
1895 Siehe
auch bei Kirchner
Ein-Gott-Lehre, Glaube an
einen einzigen, alles beherrschenden, lenkenden
Gott. Vgl.
Henotheismus,
Theismus.
Mystik
S.1925ff.
Siehe auch bei Kirchner
(von, myô, schließen, nämlich
die Augen, um in die Innenwelt sich zu versenken) ist
die (vermeintliche) Erfassung des Übersinnlichen,
Göttlichen, Transcendenten (nicht durch
die Sinne, nicht durch Vernunft, sondern) durch
eigenartige innere Erfahrung, durch unmittelbare
(intellectuelle) Intuition, Contemplation, gefühlsmäßiges
Erleben, liebendes Erfassen im Zustande der Ekstase ; Streben nach
Versenkung in die Tiefen des eigenen Gemüts, um so der Vereinigung
mit dem göttlichen Sein (»unio mystica«)
auf unbegreifliche, geheimnisvolle Weise teilhaftig
zu werden; die mystische Lehre, das mystische Verhalten.
Mystische Elemente finden
sich bei verschiedenen Metaphysikern, wie
PLATO; CARDANUS, PICO,
CAMPANELLA, AGRIPPA,
PARACELSUS, NICOLAUS
CUSANUS; G. BRUNO, PASCAL,
MALEBRANCHE, SPINOZA
(»amor Dei intellectualis«); F.
VON SCHLEGEL, NOVALIS, SCHELLING,
CHR. KRAUSE, F. BAADER,
SCHOPENHAUER, FECHNER, E.
V. HARTMANN, NIETZSCHE, u. a.
Mystiker sind insbesondere die indischen
Theosophen, Orphiker, die Neupythagoreer,
Neuplatoniker; die Gnostiker, die Kabbalâ,
DIONYSIUS AREOPAGITA, BERNHARD
VON CLAIRVAUX, BONAVENTURA, RICHARD
und HUGO VON ST. VICTOR, RAYMUND
VON SABUNDE, die Begharden, der Sûfismus; ferner ECKHART,
TAULER, SUSO, RUYSBROEK,
GERHART GROOT, THOMAS
A KEMPIS, der Verfasser der »deutschen
Theologie« (hrsg. von F. Pfeiffer
1858), VAL. WEIGEL, CASP.
SCHWENKFELD, SEBAST. FRANK, J.
BÖHME, ROB. FLUDD, ANGELUS
SILESIUS, SWEDENBORG, ST.
MARTIN, JACOBI, F. J. MOLITOR, PERTY,
WL. SSOLOWJOW u.a.
Einige Mystiker nähern
sich dem PANTHEISMUS.
-
SCHELLING erklärt:
»To mystikon heist alles, was verborgen,
geheim ist.«. Das »vorzugsweise
Mystische ist gerade die Natur«. »Mystiker
ist... niemand durch durch das was er behauptet, sondern durch die Art,
wie er es behauptet. Mysticismus drückt nur den Gegensatz gegen formell
wissenschaftliche Erkenntnis aus.« »Mysticismus
kann nur jene Geistesbeschaffenheit genannt werden, welche alle wissenschaftliche
Begründung oder Auseinandersetzung verschmäht, die alles wahre Wissen
nur von einem sogenannten innern, auch nicht allgemein leuchtenden, sondern
im Individuum eingeschlossenen Licht, aus einer
unmittelbaren Offenbarung, aus bloßer ekstatischer Intuition oder aus
bloßem Gefühl herleiten will«
(WW. I 10, 191 f.).
SUABEDISSEN spricht von der
»Mystik,die uns im Schauen der Seele aufgeht«
(Psychol. S. 117).
»Dem Mystiker gilt der Begriff nicht mehr viel,
aber sein Gemüt und seine Phantasie sind vom Überirdischen erfüllt«
(l.c. S. 118).
Nach ULRICI besteht das Mystische
darin, »daß
wir uns bewußt sind, einenGedanken haben, ein Sein annehmen zu müssen,
und doch mit unsern Versuchen, es in einen Begriff zu fassen, ihn auszudenken,
immer wieder scheitern«. Das Mystische ist
»ein unaustilgbares Moment unseres Denkens, Erkennens
und Wissens« (Gott u. d. Nat.
S.639).
V. COUSIN bemerkt: »Le
mysticisme contient un scepticisme pusillanime à l'endroit de la raison,
et en même temps une foi aveugle et portée jusqu' à l'oubli
de toutes les conditions imposées à la nature humaine« (Du
vrai p. 105). Gegen
die Mystik betont er: »Le
sentiment par luimême est une source d'emo-tion, non de connaissance.
La seule faculté de connaître, c'est la raison« (l.c.
p. 114). »La vraie union
de l'âme avec Dieu se fait par la vérité et par la vertu.
Tout autre union est une chimère, un péril, quelquefois un crime«
(l.c. p. 115). »L'extase,
loin d'élever l'homme jusqu' à Dieu, l'abaisse audessous de l'homme;
car elle efface en lui la pensée en ôtant sa condition, qui est
la conscience« (l.c. p. 126).
Für die Mystik spricht R.
STEINER. Gott ruht in den Dingen, da er sich allem
hingegeben. Der Mensch muß ihn schaffend erlösen. »Der
Mensch blickt nun in sich. Als verborgene Schöpferkraft, noch daseinlos,
pocht das Göttliche in seiner Seele. In dieser
Seele ist eine Stätte, in der der verzauberte Gott
wieder aufleben kann. Die Seele ist die Mutter, die den Gott
aus der Natur empfangen kann. Lasse die Seele sich von der Natur befruchten,
so wird sie ein Göttliches gebären. Aus der Ehe der Seele mit der
Natur und Gott geboren. Das ist nun kein 'verborgener'
Gott mehr, das ist ein offenbarer Gott.«
»Die mystische Erkenntnis ist damit ein wirklicher Vorgang im Weltprocesse.
Sie ist eine Geburt Gottes«
(Das Christent. als myst. Tatsache S. 23 f.; vgl. Die Mystik im Anfange neuzeitl.
Geistesleb.).
Auch DU PREL schätzt die
Mystik hoch (Philos. d. Myst.; Monist.
Seelenlehre S. 11).
Vgl. W. JERUSALEM, Einf. in d. Philos.2; NOACK, Die christl. Mystik 1853; F.
PFEIFFER, Deutsche Mystiker d. 14. Jahrhund. 1845/1857; J. H. TH. SCHMID, Gesch.
d. Mysticism. im Mittelalter; GODFERNAUX, Sur la psychologie du mysticisme,
Rev. philos. 53, 1902, p. 158 ff. - Vgl.
Theosophie,
Emanation, Gott.
Nichts
(nihil mê on non ens)
S. 2007ff. Siehe
auch bei Kirchner
und den Bonus-Themen
ist das contradictorische Gegenteil des
Etwas, das Nicht-Etwas,
der Ausdruck der Verneinung, Negation aller Merkmale,
event. auch des Merkmals des Seins (absolutes Nichts).
»Aus nichts wird nichts«:
Grundsatz der Causalität . Die »Schöpfung
aus nichts« bedeutet
die Unabhängigkeit des göttlichen Schaffens von einer außer
Gott vorhandenen Wesenheit.
Der theoretische Nihilismus
des GORGIAS erklärt:
ouk estin
es ist nichts
(in Wahrheit).
Ein relatives Nichts mê
on ist nach PLATO
(und PLOTIN)
die Materie . Das Nichtsein mê einai, mê on bedeutet das Anderssein
als das Sein (Sophist. 257 B, 258 B).
Das Nichts, aus dem nach
der Lehre der Heiligen Schrift Gott die Welt geschaffen
(vgl. AUGUSTINUS, De civ.
Dei XII, 2), ist nach SCOTUS ERIUGENA das
eigene Wesen Gottes (De
div. nat. III, 19; 21). »Ex igitur nomine
q. e. nihilum, negatio atque absentia totius essentiae vel substantiae, immo
etiam cunctorum, quae in natura creata sunt, insinuan-tur«
(l.c. III, 5).
FREDEGISUS erklärt,
das »Nichts« sei, da jeder Name etwas
bezeichne, ein Etwas (Migne, Patrol. T. 105, p. 752).
Ähnlich lehren die Motaziliten.
Absolutes und relatives Nichts unterscheidet
DUNS SCOTUS.
Als das Nichts wird Gott
von der Kabbalâ bezeichnet
s.
Ensoph.
Nach ECKHART war das Nichts
eher als das »Ichts«, sich selber unbekannt
(Deutsche Myst. II); im Verhältnisse zu
Gott sind die Einzeldinge nichts. -
Nach CAMPANELLA besteht jedes
endliche Wesen aus Sein und Nichtsein; Gott ist Überseiendes, nichts von
allem Endlichen. Jedes Ding ist »compositio entis
et non-entis« (Univ. philos. II, 6).
R. FLUDD nennt die formlose Materie
ein Nichts (Philos.
Mos. I, 3, 2). -
ERH. WEIGEL erklärt das Nichts
als »id, quod cogitamus, quando plane non
cogitamus« (Philos. math.sct. I, def.
2).
CHR. WOLF definiert:
»Was weder ist, noch möglich ist, nennet
man nichts« (Vern. Ged. I, §28).
»Nihilum dicimus, cui nulla respondet notio«
(Philos. rat.).
Nach BOUTERWEK
erzeugt das Denken das »reine
Nichts«, wenn es von allen Gegenständen der Sinne abstrahiert
(Lehrb. d. philos. Wissensch. I, 101).
Nach SCHELLING wird
das Absolute zuerst als nichts, als ohne gegenständliches
Sein, als reine Wesenheit gedacht (WW. I 10,
100).
HEGEL behauptet
die inhaltliche Einerleiheit des reinen Seins und seines Gegensatzes, des
Nichts; beide sind »reine Abstraction, damit
das Absolut-Negative«. Das reine Sein ist das Nichts wegen seiner
»reinen Unbestimmtheit« (Encykl.
§ 87). Aus diesem Nichts des reinen Seins
geht dialektisch die Welt hervor.
L. FEUERBACH erklärt:
»Das Nichts ist das
absolut Gedanken- und Vernunftlose. Das Nichts kann gar nicht gedacht werden«
(WW. II, 223). »Der
Gegensatz des (allgemeinen) Seins... ist nicht das Nichts, sondern das sinnliche,
concrete Sein« (l.c. S. 206).
HAGEMANN erklärt: »Der
Begriff des Nichts setzt... den des Seins voraus und ist nur als Gegensatz zu
diesem denkbar. Beide Begriffe kommen aber darin überein, daß sie
ohne alle Bestimmtheit sind« (Met.2,
S. 13). »Nichtdasein« ist
»ein bestimmtes Sein, welches unabhängig
vom Denken nicht wirklich ist, aber als solches gedacht und erkannt wird, das
existieren kann« (l.c. S. 14).
Nach TWARDOWSKY
ist das »Nichts«
ein synkategorematischer Ausdruck, es bedeutet keine Vorstellung
(Inh. u. Gegenst. d. Vorstell. S. 35).
Nach H. COHEN ist
der Begriff des Nichts nicht ein Korrelatbegriff
zum Sein, sondern nur ein Durchgang zum Sein (Log.
S. 77).
Nihilismus
S. 2010f.
Verneinungs-Standpunkt. Der theoretische
Nihilismus leugnet jede Erkenntnismöglichkeit, jede allgemeine,
feste Wahrheit (erkenntnis-theoretischer Nihil.),
jede Realität der Außenwelt als solcher, der Vielheit der Dinge (metaphysischer
Nihil.). Der ethische Nihilismus erkennt
keine absoluten Werte und Normen des Handelns an.
Das Wort »Nihilismus«
kommt schon bei JACOBI (für
Solipsismus) vor; im praktischen Sinne »Nihilist«
bei TURGENJEW
(Väter u. Söhne).
Nach dem Sophisten GORGIAS
ist nichts ouk
estin ist kein Sein. Wäre aber selbst
ein Sein, so wärees nicht erkennbar agnôston
kai anepinoêton wenn
selbst erkennbar, so nicht mitteilbar, wegen der Subjectivität der Sprache
(Sext. Empir. adv. Math. VII, 65, 77 squ.). -
Einen erkenntnistheoretischen Nihilismus,
für den die Welt ein Chaos ohne festes Sein, unsere Erkenntnis rein subjectiv-anthropomorph
ist, lehrt (als Durchgangstheorie) NIETZSCHE
(vgl. WW. XV).
Einen »transcendenten Nihilismus«
lehrt P. MONGRÉ, der keine »wahre«
Welt als Urbild der »scheinbaren« annimmt
(Das Chaos S. 188), das »schrankenlose
Chaos« ist die Wirklichkeit (l.c. S.
188 ff.).
Nirwana
S. 2011f.
nach buddhistischer Ansicht der Zustand der Erlösung
von der Individualität, vom eigenen Wollen und der Ichheit, vom Leiden
des Lebens, von der Wiedergeburt (»Parinirvana«).
Notwendigkeit
(necessitas, anankê) S.
2022f. Siehe
auch bei Kirchner
ist ein modaler Begriff. Er entspringt ursprünglich
aus der Reflexion auf das unter dem Einflusse bestimmter Motive, Gründe,
Bedingungen Nicht-anders-wollen- und handeln-können des Willens
(des praktischen und des Denkwillens); dieses Bestimmtsein; Müssen
wird in die äußere Erfahrung introjiziert, hineingelegt.
Notwendig ist, was nicht anders, als es ist, gedacht
werden, geschehen, sein kann, was gesetzmäßig auftritt, was so ist,
weil ein anderes es fordert, es dazu nötigt, bestimmt, determiniert, veranlaßt.
Es bilden sich verschiedene Notwendigkeitsbegriffe aus:
1) Subjektive Notwendigkeit:
a. psychologische Notwendigkeit, die
Bestimmtheit der Bewußtseinsvorgänge durch andere (Notwendigkeit
der Assoziation);
b. logische Notwendigkeit, Bestimmtheit
des Denkens (Urteilens, Schließens) durch
logische Motive, durch Gründe, durch bestimmte Denkakte und Denkinhalte,
durch apriorische Gesetze (formal- und materiallogische,
mathematische, erkenntnistheoretische Notwendigkeit);
c. praktische Notwendigkeit, Bestimmtheit
der Handlungen durch den Willen überhaupt, der Willensakte durch die Motive,
durch den Grundwillen;
d. moralische Notwendigkeit, Bestimmtheit
der Handlungen durch den »Willen zum Guten«, der
Willensintentionen durch den allgemeinen Sittlichkeitswillen.
2) Objektive (Natur-) Notwendigkeit
(die den Außendingen, Außenvorgängen
auf Grund der Erfahrung zugeschriebene Notwendigkeit, das Folgen und
Erfolgenmüssen):
a. physisch-empirische Notwendigkeit,
Bestimmtheit eines Vorganges durch andere;
b. metaphysische Notwendigkeit, Bestimmtheit
der Tätigkeiten durch das Wesen der Dinge, der transzendenten Faktoren.
–
Zu unterscheiden sind ferner begrifflich:
kausale Notwendigkeit, die Bestimmtheit
der Wirkung durch die Ursache;
teleologische Nowendigkeit, Bestimmtheit,
Bedingtheit der Mittel durch den Zweck.
relative Notwendigkeit, die
Notwendigkeit als Bedingtheit;
absolute Notwendigkeit, die
unbedingte Notwendigkeit im und aus dem Absoluten.
-
Gegensatz
zur Notwendigkeit ist die Zufälligkeit.
Notwendigkeit und Freiheit
schließen einander nicht aus. …
(auf die Wiedergabe der Auffassungen der einzelnen Philosophen
wurde verzichtet)
Offenbarung
(revelatio, manifestatio) S.
2187 Siehe
auch bei Kirchner
Enthüllung des Wesens
und des Willens Gottes, Verkündigung der göttlichen
Gebote durch (von Gott) inspirierte Geister. Die natürliche Offenbarung
ist das Wirken Gottes in der Natur und im menschlichen Geiste.
JUSTINUS unterscheidet eine Offenbarung
Gottes in seinen Geschöpfen, in der Vernunft des Menschen, durch
Auserwählte (Moses, Propheten), durch
Christus (Apol. II, 8).
TERTULLIAN spricht von
der Offenbarung Gottes in der Welt (Adv.
Marc. I, 13. 18).
Nach SCOTUS ERIUGENA
u. a. ist die Welt
eine Theophanie.
Nach DURAND VON ST. POURÇAIN
(In sentent. theol.) offenbart sich Gott
durch die Creatur, durch die Heilige Schrift, durch das Leben. –
Nach CAMPANELLA offenbart
sich Gott dem äußern und dem innern Sinne (De
nat. rer. I, 1).
Nach SPINOZA kann
Gott sich dem Menschen nicht durch Worte oder andere
äußere Zeichen offenbaren, nur durch sein Wesen und durch den Geist
des Menschen kann er sich kundtun (De deo II,
24).
Nach BERKELEY offenbart
sich Gott auch
in der Natur.
LESSING erklärt:
»Offenbarung ist Erziehung, die dem Menschengeschlechte
geschehen ist und noch geschieht.« Wie die
Erziehung, so gibt auch die Offenbarung »dem
Menschengeschlechte nichts, worauf die menschliche Vernunft, sich selbst überlassen,
nicht auch kommen würde: sondern sie gab und gibt ihm die wichtigsten dieser
Dinge nur früher«. Gott hielt
eine bestimmte Ordnung ein, er offenbart sich erst durch Moses,
dann durch Christus, endlich wird er sich durch
die Vernunft selbst offenbaren (Erzieh. d.
Menschengeschl.).
Auch KRUG erblickt
den Zweck der Offenbarung in der »Erziehung
des Menschengeschlechts« (Handb. d. Philos.
II, 384).
J. G. FICHTE anerkennt auf kritischem Wege die Möglichkeit
einer Offenbarung (Vers.
ein. Krit. aller Offenbar. § 15). Offenbarung
ist »eine Wahrnehmung, die von Gott gemäß
dem Begriffe irgend einer dadurch zu gebenden Belehrung..., als Zwecke derselben
in uns bewirkt wird« (l. c. § 5).
Der Ursprung des Offenbarungsbegriffes liegt in der praktischen
Vernunft (l. c. § 6). Sollen
Wesen, deren Natur gegen das Sittengesetz teilweise widerstreitet, die Moralität
nicht ganz verlieren, so müssen auf dem Wege der Sinne moralische Antriebe
an sie herangebracht werden. Da aber die Wesen nicht fähig sind, die Idee
vom Willen des Heiligsten als Sittengesetze anders als durch einen Gesetzgeber
vernünftiger Wesen zu empfangen, so mußte Gott sich »durch
eine besondere, ausdrücklich dazu und für sie bestimmte Erscheinung
in der Sinnenwelt ihnen als Gesetzgeber ankündigen. Da Gott durch das Moralgesetz
bestimmt ist, die höchstmögliche Moralität in allen vernünftigen
Wesen durch alle moralischen Mittel zu befördern, so läßt sich
erwarten, daß er, wenn dergleichen Wesen wirklich vorhanden sein sollten,
sich dieses Mittels bedienen werde, wenn es physisch möglich ist«
(l. c. § 7 ff).
SCHLEIERMACHER erklärt:
»Jede ursprüngliche und neue
Mitteilung des Weltalls und seines innersten Lebens an den Menschen ist eine
Offenbarung« (Üb. d. Relig. II,
127).
SCHELLING und HEGEL
sehen in der Geschichte eine Offenbarung
des Absoluten.
Daß das Absolute sich in der Welt offenbare, lehrt
auch CHALYBAEUS (Wissenschaftsl.
S. 313 f.) u. a.
Nach DE BONALD ist
die Offenbarung die Quelle der sittlichen Cultur
(Oeuvres 1817/19).
Den Offenbarungsgedanken erörtert GIOBERTI
(Della filosofia della rivelazione 1856),
der in der inneren Offenbarung die
höchste Erkenntnis erblickt.
So auch MAMIANI (Filos.
d. revelaz. p. 49 ff.).
Für die Offenbarung erklärt
sich PLANCK (Testam.
ein. Deutschen S. 377 ff.).
LOTZE betrachtet die Offenbarung
als göttliche Einwirkung auf das Gefühl (Mikrok.
III2, 549).
Ähnlich FR. SCHULTZE
(Philos. d. Naturwiss. II, 405).
A. DORNER erklärt:
»Das Christentum ist Offenbarungsreligion. Aber
das Charakteristische ist, daß diese Offenbarung in ihrem Kern nicht mehr
einen supernaturalen Charakter trägt, als wäre sie etwas dem Menschen
Fremdes, sondern daß ihr Inhalt der Natur des Menschen entspricht, dass
diese Mitteilung Gottes keine bloß äußere ist, sondern daß
ihr Inhalt dem Menschen selbst innerlich zuteil wird und in Wahrheit gar nichts
ist als die Erfahrung der wahren Gottesgemeinschaft, die ethisch bestimmt ist.
Gott offenbart sich hier nicht einmal in einer gegebenen historischen Form,
sondern er offenbart sich allen« (Gr.
d. Religionsphilos. S. 114). »Die
Taten Gottes sind immer gesta Dei per hominem« (l.
c. S. 144. vgl. HARNACK, Wesen d. Christent.). Vgl. ROUSSEAU, Emile. NIETHAMMER,
Vers. ein. Begründ. d. vernünft. Offenbarungsglaubens 1798. KÖPPEN,
Üb. Offenbar. 1797. C. L. NITZSCH, De revelatione religion. 1808. SABATIER,
Religionsphilos. S. 25..
Okkultismus
(»Grenzwissenschaft«,
»Xenologie«) S.2186f.
Geheimwissenschaft, »Wissenschaft« vom Okkulten,
Verborgenen, Unbekannten, der gewöhnlichen Erfahrung nicht Zugänglichen,
von den geheimnisvollen Phänomenen und Kräften der Natur, insbesondere
des menschlichen Geistes. Er will, teilweise auf »experimentellem«
Wege, teilweise durch Mystik
und »Theosophie«
, schließlich (aber nicht ausschließlich)
das Übersinnliche erforschen. Er verbindet sich manchmal mit dem
Spiritismus. Vgl.
AGRIPPA (De occulta philosophia).
Vgl. die Zeitschriften: »Sphinx« (1886-95), »Metaphysische
Rundschau« u. »Neue Metaphys. Rundschau«, »Die übersinnliche
Welt«, »Zeitschr. für Xenologie«, »Die Gnosis«.
Vgl. C. KIESEWETTER, Geschichte des neueren Occultismus 1891.
Nach ihm sind okkulte Vorgänge
»alle jene von der officiellen Wissenschaft noch
nicht anerkannten Erscheinungen des Natur- und Seelenlebens, deren Ursachen
den Sinnen verborgene, okkulte sind«. Okkultismus
ist »die theoretische und praktische Beschäftigung
mit diesen Tatsachen, resp. deren allseitige Erforschung« (l.
c. I, S. XI).
Optimismus
(von optimus, Bester) , S.
2207 Siehe
auch bei Kirchner
1) die Ansicht,
die Welt sei die beste
aller möglichen, sei durchaus vollkommen
oder so vollkommen als möglich.
2) die Ansicht, daß trotz
aller empirisch vorkommenden, nicht zu leugnenden, notwendigen
Übel die Welt, das
Dasein einer Vielheit
von Wesen,gut, zweckmäßig, wertvoll sei, daß also das Sein
der Welt ihrem Nichtsein vorzuziehen, das (endliche) Leben zwar »der
Güter höchstes nicht«, nicht von absolut-ewigem
Werte (der nur dem Allsein zukommt), aber doch
(als Mittel zur Förderung der Allwesenheit in uns
und in den andern) zu bejahen
sei.
3) die Gemütsdisposition,
welche die Welt, das Leben, den Menschen von der guten,
besten Seite auffaßt, vertrauensvoll den guten Ausgang der Dinge,
den Fortschritt im kleinen wie im großen erwartet.
Schon im Alten Testament ist der Optimismus
ausgesprochen: Panta kala - alles
von Gott Geschaffene ist
gut.
Optimisten sind auch die meisten griechischen
Philosophen.
So PLATO, nach
welchem der Demiurg als der Beste
nur das Schönste schaffen konnte (themis
de out' ên out' esti tô aristô dran allo plên to kalliston
Tim. 30 A). Die
Welt ist ein zôon empsychon, teleon (Tim.
30A, 32D), ein seliger Gott
(eudaimona theon auton egennêsato,
Tim. 34 B). Thnêta
gar kai athanata zôa labôn kai xymplêrôtheis hode ho
kosmos, houtô zôon horaton ta horata periechon, eikôn tou
poiêtou, theos aisthêtos, megistos kai aristos kallistos te kai
teleôtatos gegonen, heis ouranos hode monogenês ôn (Tim.
92B).
Auch ARISTOTELES
ist mit seiner Teleologie
zu den Optimisten
zu rechnen.
So auch die Stoiker.
Nach KLEANTHES wendet
Gott alles zum Guten:
Oude ti gignetai ergon epi chthoni sou dicha, daimon,
houte kat' aitherion theion polon out' epi pontô, plên hoposa rhezousi
kakoi spheterêsin anoiais. 'Alla sy kai ta perissa epistasai artia theinai,
kai kosmeis ta akosma, kai ou phila soi phila estin (Hymn.
auf Zeus, Stob. Ecl. I, 30).
Alles ist nach CHRYSIPP
durch die heimarmenê
geordnet (s.
Schicksal). »Neque enim est quicquam aliud praeter
mundum, cui nihil absit quodque undique atque perfectum expletum sit omnibus
suis numeris et partibus«(CICERO, De
nat. deor. II, 37).
Gegen solche Auffassung EPIKUR,
bei Lactant.,
De ira Dei 13,19 u.
KARNEADES, bei Cicero,
Acad. II, 38, 120. De nat. deor. III, 32, 80).
Nach PLOTIN
ist alles Böse
negativer Art, führt meist zum Guten
(Enn. III, 2, 5).
Nach BOËTHIUS regiert
ein guter Lenker die Welt, in der alles
gut und gerecht ist. Jedes Ding hat sein festes Gesetz, das es beherrscht
und zum Guten führt
(Consol. philos. IV).
Den endgültigen Sieg des Guten
über das Böse betonen (im
Sinne des Parsismus) die Manichäer.
Nach TERTULLIAN ist
die Welt durch die Güte Gottes geschaffen,
ist gut (De spect.
2. Adv. Marc. II, 17). Alles ist vernünftig
geordnet (De an. 43. Apol. 17).
Die Harmonie
und Schönheit der Welt,
in der alles zum Guten verknüpft wird, betont
GREGOR
VON NYSSA (De hom. opif. 1. De an. et resurr.
p. 229). -
AUGUSTINUS erklärt
alles Sein als solches für gut. »In
quantum est, quidquid est, bonum est«
(De vera relig. 21. Confess. VII, 12). »Cum
omnino natura nulla sit malum, nomenque hoc non sit nisi privationis boni«
(De civ. Dei XI, 22).
So auch THOMAS
(In lib. sent. 1, d. 44)
u. a.
Die Vollkommenheit und Schönheit der Welt behaupten
NICOLAUS CUSANUS
(De ludo globi I, f. 154), G. BRUNO (De
la causa), SHAFTESBURY (Charact.
II, p. 4), POPE (»Whatever
is, is right«, Essay on man I, 294).
Eine Theorie des Optimismus
gibt LEIBNIZ. Die Welt
ist von allen (im Geiste Gottes) möglichen
die beste, denn Gott, der
Vollkommenste, kann nur das möglichst Beste
gewählt haben (Princip. de la nat.
10. Theod. I B, §116). Wäre die Welt
nicht die bestmögliche, so hätte Gott eine
vollkommenere nicht gekannt, nicht schaffen können oder wollen, was der
Weisheit, Allmacht
oder Allgüte Gottes widerspricht
(ib.). Gott hat
die Dinge so geschaffen, daß sie durch ihre eigene Natur zum Guten
führen (Gerh. VI, 605). »Il
y a autant de vertu et de bonheur qu'il est possible« (ib.).
Das Unzweckmäßige, Üble dient höheren
Zwecken (Monadol. 90).
Gegen Leibniz erklärt
sich VOLTAIRE (im
»Candide«), auch
HUME.
CHR. WOLF erklärt:
»Die gegenwärtige Welt ist die beste.
Wäre eine bessere als diese möglich gewesen, so hätte es nicht
geschehen können, dass er (Gott) die unvollkommenere
ihr vorgezogen hätte« (Vern. Ged.
I, § 982).
Optimisten sind die deutschen
Popularphilosophen, so z.B. MENDELSSOHN:
»Alle Gedanken Gottes, insoweit sie das Beste zum
Vorwurf haben, gelangen zur Wirklichkeit«
(Morgenst. I, 12, S. 205. vgl. dagegen »Jerusal.« II, S. 44 ff.).
Zum Optimismus bekennt
sich auch GOETHE (W.
II, 390).
KANT wendet sich zwar gegen den
eudämonologischen (das Überwiegen
der Lust behauptenden) Optimismus
(WW. Rosenkr. VII 2, 144, 274, 277, 318), vertritt
aber einen evolutionistischen Optimismus des Fortschritts
der Menschheit (l.
c. VII, S. 330. VIII 2, 271).
Nach J.
G. FICHTE hat das All
das Gepräge des Geistes,
»stetes Fortschreiten zum Vollkommenen in
einer geraden Linie, die in die Unendlichkeit
geht« (Anweis. zum sel. Leben, WW. V,
408).
Nach HEGEL ist
»alles Wirkliche vernünftig«
(s. Panlogismus).
CHR. KRAUSE erklärt:
»Die Welt mit allen ihren inneren
Wesen und Harmonien ist göttlich, ein würdiges Werk und Ebenbild Gottes.
Aus der Fülle der ewigen Macht und Weisheit und Güte stammt alles,
was ist« (Urb. d. Menschh. S. 6).
Optimistisch ist die Philosophie
NIETZSCHEs, LOTZEs,
FECHNERs, WUNDTs,
ÖLZELT-NEVINs (Kosmodizee)
u. a.
E. DÜHRING bemerkt:
»Die erforderliche Zutrauensfähigkeit
hängt von der Gutartigkeit des Gemüts ab. nur der, welcher im innersten
Kern seines Wesens selber das Gute will, wird auch das Gute als entscheidenden
Charakterzug in der Gesamtanlage der Dinge voraussetzen« (Wirklichkeitsphilos.
S. 87).
GIZYCKI hält
weder den Pessimismus noch den Optimismus,
sondern nur den »Meliorismus«
(G. ELIOT) für haltbar,
den Glauben an den Wert des Lebens und an die Fähigkeit,
diesen zu erhöhen (Moralphilos. S. 90).
Ähnlich P. CARUS (Fundamental
Problems2, 1894).
DUBOC bezeichnet als charakteristisches
Merkmal der (von ihm vertretenen) optimistischen
Weltanschauung die Ȇberzeugung
von einem Fortschreiten in der innerlichen Weltbewegung zu einem höheren
vollkommeneren Lebensinhalt« (Der
Optim S. 132).
Einen »teleologischen«
Optimismus verbindet mit dem »eudämonologischen«
Pessimismus ED. VON HARTMANN.
H. LORM kommt auf Grund eines
erkenntnistheoretischen »Pessimismus«
zu einem »grundlosen
Optimismus«, der in dem »Gefühle
der Unendlichkeit« besteht (Der
grundlose Optim. S. 247 ff., 260).
Vgl. Pessimismus, Theodizee,
Böses, Übel.
Panentheismus
(pan en theô):
Siehe auch bei
Kirchner
All-in-Gott-Lehre, wonach Gott der Welt immanent und zugleich
zu ihr transzendent
ist, insofern die Welt ihrerseits Gott immanent, in Gott, von Gott umfaßt
ist. Der Panentheismus ist eine Synthese von Theismus
und Pantheismus. Gott gilt hier als höchste synthetische Einheit, innerhalb
welcher ein vielgliederiges System von Einzelwesen, die voneinander relativ
gesondert sind, unterschieden wird. Gott geht nicht in der Summe, auch nicht
in der Ganzheit der Dinge auf. Gott und Welt sind nicht identisch.
Nach PLOTIN befaßt
das vollendete Wesen in sich alle Wesen (Enn.
VI, 6, 7).
Die Valentinianer erklären,
»continere omnia patrem omnium et extra pleroma
esse nihil« (bei Iren. II, 4, 2).
AUGUSTINUS erklärt: »Omnia
igitur sunt in ipso [Deo], et tamen ipse Deus omnium locus non est«
(Solil. I, 3, 4). Gott
ist das Wesen, »a quo sumus, per quem sumus
et in quo sumus« (De vera relig. 55.
De civ. Dei IV, 12).
Wie DIONYSIUS
AREOPAGITA lehrt SCOTUS
ERIUGENA: »In Deo immutabiliter et essentialiter
sunt omnia« (De div. nat. III, 1).
ECKHART bemerkt: »Got
hât allîu dinc in îme selber, und ûzer Got enist iht«
(Deutsche Myst. II, 631). Die
Gottheit »hât in irbeslozzen alliu
dinc« (l. c. S. 632).
Panentheistisch ist auch die Gotteslehre des
NICOLAUS CUSANUS gefärbt.
Nach CAMPANELLA ist
und wirkt alles aus und in Gott, er ist in allem (Univ.
philos. VIII, 2, 2).
MALEBRANCHE erklärt: »Toutes les créatures,
mêmes les plus matérielles et les plus terrestres, sont en Dieu
d'une matière toute spirituelle«(Rech.
II, 5). Gott ist der »Ort aller Geister«
-
Nach LESSING kann
die Welt nur als in Gott seiend gedacht werden.
Als System begründet den Panentheismus CHR.
KRAUSE (von ihm der Terminus). Alles
ist in Gott, Gott offenbart sich in der Welt, wir leben, weben und sind in Gott
(Vorles. üb. d. Syst. S. 254 ff.).
Gott ist »das eine Wesen, das an und
in sich und durch sich auch alles ist, was ist, in dem wir alle sind«(l.
c. S. 224). »Alles ist und lebt in, mit und
durch Gott. Kein Wesen ist Gott außer allein Gott. Aber, was Gott ewig
schuf, das schuf er in sich selbst, unvergänglich, zu seinem Gleichnis.
Die Welt ist nicht außer Gott, denn er ist alles, was ist. sie ist ebenso
wenig Gott selbst, sondern in und durch Gott. Was Gott in ewiger Folge, ohne
Zeit und über alle Zeit schuf, das offenbart, in ewigem Bestehen zeitewig
lebend, das ihm von Gott urangestammte Wesentliche in stetig neuer Gestaltung,
und Gott, sofern er über aller Zeit ist, wirket stetig ein in das Leben
aller Dinge, welches ewig ist, mit und durch ihn als ein Allleben besteht«(Urb.
d. Menschh. S. 4). Alle Wesen haben teil an Gottes
Wesen (ib.).
Panentheistisch ist die Lehre
M. CARRIEREs (Sittl.
Weltordn. S. 394 ff.), J. H. FICHTEs, LOTZEs,
BOSTRÖMs, FORTLAGEs,
ULRICIs, WUNDTs,
O. PFLEIDERERs, FECHNERs:
»Es ist ein Gott, dessen unendliches und ewiges
Dasein das gesamte endliche und zeitliche Dasein nicht sich äußerlich
gegenüber noch äußerlich unter sich, sondern in sich aufgehoben
und sich untergeordnet hat« (Tagesans.
S. 65).
EUCKEN betont: »Im
Urphänomen der Religion liegt ein zweifaches: das absolute Leben muß
sowohl weltüberlegen als innerhalb der Welt wirksam sein.«
Die Gottheit ist »absolutes, zugleich weltüberlegenes und in der
Welt wirksames Geistesleben« (Wahrheitsgeh.
d. Relig. S.181 f., 192). Vgl. SPIEGLER (Unsterbl. d. Seele S. 120). -
Vgl. Pantheismus.
Panlogismus
(pan, logos):
All-Vernunft-Lehre; der metaphysische Standpunkt, welchem
gemäß als die absolute Wirklichkeit des Alls der Logos,
das Logische, Vernünftige, die Vernunft, Idee betrachtet
wird. Der Panlogismus ist die metaphysische Form des Intellectualismus . Er
verlangt als Ergänzung den Voluntarismus, da die Idee, das Vernünftige
nur durch den Willen realisiert werden kann, ohne diesen nur Abstraction ist.
Ansätze zum Panlogismus finden sich schon bei
HERAKLIT (Logos), PLATO
( Idee), ARISTOTELES
(Gott als noêsis noêseôs),
PLOTIN (Geist, Logos), in der
Gnostik, bei TERTULLIAN »Sicut
naturalia, ita rationalia in Deo omnia,«
( Adv. Marc. I, 23. vgl. De poenit. 1),
AVERROËS , SPINOZA,
BARDILI, nach welchem im All überall ein Denken
besteht (Gr. d. erst. Log.), J.
G. FICHTE ( Dialektik).
Als System wird der Panlogismus von HEGEL
begründet. Nach ihm ist alles Wirkliche vernünftig
(Rechtsphilos. S. 17), das
Absolute ist Idee, objective Vernunft, Geist, sich dialektisch entfaltende Idee
(Logos),
alles Endliche ist Moment des logischen Processes des Alls. »Die
Hegelsche Weisheit kurz ausgedrückt ist, daß die Welt ein kristallisierter
Syllogismus sei,« sagt SCHOPENHAUER
(Neue Paralipom. § 75),
ein heftiger Gegner des Panlogismus.
Panpsychismus
(pan, psychê)
Allbeseelungs-Lehre, die Ansicht, nach welcher alles,
das All beseelt, lebendig, seelisch ist, entweder actuell oder doch potentiell.
Der Panpsychismus betrachtet die Grenze zwischen Lebendem und »Totem«,
Organischem und Anorganischem als eine fließende, nicht als absolut. Er
kennt nur Grade der Beseeltheit, nichts absolut Apsychisches, wenn auch nicht
alles ein Bewußtsein im Sinne klarer Apperception und Selbstbewußtsein
hat. Der Panpsychismus tritt auf als primitiver Animismus,
als realistischer Panpsychismus (Hylozoismus)
und idealistischer Panpsychismus
(s. Spiritualismus),
ferner als monadologischer und pantheistischer
Panpsychismus (>>Weltseele)
Den Panpsychismus lehrt
schon Thales on
lithon ephê psychên echein, hoti ton sidêron kinei,
(Aristot.,De an. I 2, 405 a 20. Diog. L. I, 24, 27.
s. Hylozoismus).
So auch ANAXIMENES (s.
Hylozoismus), ARCHELAUS (vgl.
SIEBECK, Gesch d. Psychol. I 1, 93), PARMENIDES
(Theophr., De sensu 3, Dox. 500), HERAKLIT:
panta psychôn einai kai daimonôn plêrê
(Diog. L. IX 7),
EMPEDOKLES: hapanta methexei tou phronein
(Theophr., De sens. 23. Aristot., De an. I 3, 406b
15).
PLATO nennt die Gestirne
sichtbare Götter, die Welt einen seligen Gott, ein
zôon empsychon (Tim.
30 B, 46 C, 48 A. Phaedo 98 B. Theaet. 176 C. Leg. 677 A).
Den Pflanzen schreibt eine Seele ARISTOTELES
zu.
Die Stoiker nehmen
an, daß in allem logoi spermatikoi
seien. Das
Pneuma ist materiell und vernünftig zugleich.
Sie erklären: »Nihil, quod animi quodque
rationis est expers, id generare ex se potest animantem compotemque rationis.
Mundus autem generat animantes compotesque rationis. Animans est igitur mundus
composque rationis« (CICERO, De nat.
deor. II, 8).
Nach PLOTIN
ist das All durch und durch belebt
(Enn. VI, 7, 11 squ.. III, 2, 3).
Nach SIMPLICIUS haben
die Gestirne eine empfindende Seele.
Die Manichäer
halten alles für empsycha,
nehmen eine Weltseele
an (August., De vera rel. IX, 16 De nat. bon. 44).
Ähnlich AVICENNA,
AVERROËS.
Die Naturphilosophie der Renaissance
ist meist panpsychistisch.
Nach PARACELSUS ist
alles lebendig, alles hat einen »spiritus«, die Welt ist ein Lebewesen.
Nach CARDANUS
haben alle Körper »propriam et veram
vitam«, auch die Elemente (De
subtil. V, Opp. III, 374, 439 ff.).
So auch nach J. B. VAN HELMONT
(De magnet. 136 ff., 774 ff.).
Nach PATRITIUS
ist die ganze Welt beseelt (Pampsychia
IV, 54 ff., V, 58). Die »nova
de universis philosophia« zerfällt in:
Panaugia (Alllicht), Panarchia
(Allherrschaft), Pampsychia,
Pankosmia (Allordnung).
Nach TELESIUS
haben alle Dinge einen »sensus«.
Wärme und Kälte, die Principien der Dinge, haben einen »appetitus«
(Streben) (De nat. rer. I, 9 f.).
CAMPANELLA erklärt: »omnem
naturam sentire affirmandum est« (De
sensu rer. I, 1. 13). Auch die Elemente haben Empfindung
(ib.), es besteht
zwischen ihnen ein Kampf (l. c. I, 4).
Empfindend sind auch Sonne und Erde, alles, was aus den
Elementen entsteht (l. c. I, 5. Univ. philos.
VI, 7, 6). -
Nach F. M. VAN HELMONT ist
jeder Körper im Innern Geist,
aber »finster«- (Opuscul.
philos, I, 6 ff.). Ein vorstellendes Prinzip ist
in allem (l. c. I, 7 f.).
Nach G. BRUNO
ist Geist in allen Dingen, alles ist lebendig
oder lebensfähig (De la causa II).
F. BACON meint: »Ubique... est perceptio«
(De dignit. IV, 3).
Nach SPINOZA
sind die Dinge alle »quamvis
diversis gradibus, animata«, »nam cuiuscumque rei datur necessario
in Deo idea« (Eth. II, prop. XIII, schol.).
Jedem modus der Ausdehnung
entspricht in der einen Substanz ein modus der »cogitatio«.
Panpsychistische Elemente haben
die Lehren von GLISSON, H. MORE, R. CUDWORTH
Panpsychist ist
LEIBNIZ. »Chaque portion
de la matière peut être conçue comme un jardin plein de
plantes, et comme un étang plein de poissons. Mais chaque rameau de la
plante, chaque membre de l'animal, chaque goutte de ses humeurs est encore un
tel jardin ou un tel étang« (Monadol.
67). Das Universum ist durchaus belebt, weil in
allem »Entelechien« sind (l.
c. 68 f.).
Hylozoisten sind
MAUPERTUIS, DIDEROT,
ROBINET, GOETHE.
SCHELLING erklärt:
»Alles im Universum ist beseelt« (WW.
I 6, 217).
Nach SCHOPENHAUER
ist alles an
sich Wille.
H. RITTER bemerkt:
»Was... wir die tote Natur nennen, ist im äußersten
Falle nur die noch nicht zu erkennbarem Leben erwachte Natur« (Syst.
d. Log. u. Met. I, 294, 298).
Nach ROSMINI sind
alle Atome beseelt.
Nach GIOBERTI hat
alles Leben (Protolog. II, 554).
Nach FECHNER ist
die ganze Natur von göttlichem Geiste beseelt
(Zend-Av. I, 294). Es
gibt eine »Allbeseelung« (Vorr.
I, S. VI). Die »Tagesansicht«
sieht in allem Leben, Seele, auch in den Planeten (Tagesans.
S. 29 ff., 33 f.. Üb. d. Seelenfr. S. 184). Auch
die Pflanzen sind beseelt (Nana). Ein Nervensystem ist nicht unbedingt notwendig
als Träger der Beseeltheit (ib.).
Nach LOTZE
ist alles beseelt, alles besteht aus Monaden
(Med. Psychol. S. 131 ff., Mikrok. I, 407 f.. III,
525).
E. v. HARTMANN schreibt
auch den Atomen einen (unbewußten) Willen
zu.
Pansatanismus
Siehe
auch bei Kirchner
nennt O. LIEBMANN (Anal.
d. Wirkl.2, S. 230) das pessimistische System
SCHOPENHAUERS, die »Caricatur«
des Pantheismus (weil der Allwille alogisch ist).
Pantheismus
(pan, theos) S.2233ff.
Siehe
auch bei Kirchner
ist die Lehre, daß
Gott und Welt nicht zwei wahrhaft voneinander geschiedene,
außereinander bestehende Wesenheiten sind, sondern daß Gott selbst
die Alleinheit, das All selbst
Gott, alle Dinge Modi , Partizipationen der Gottheit, diese den Dingen
(als deren substantiale Wesenheit) immanent, einwohnend
ist, so daß alles zwar nicht selbst Gott, aber doch (sub
specie aeternitatis betrachtet) von
göttlicher Natur ist. Der naturalistische Pantheismus
nähert sich dem
Atheismus, indem er Gott und Natur identifiziert, der
idealistische (spekulative) Pantheismus bestimmt die Alleinheit als Identität
von Geist und Natur oder als Geist (Vernunft, Wille).
-
»Pantheist« zuerst bei J.
TOLAND (Pantheisticon 1705), »Pantheismus«
bei dessen Gegner FAI (1709).
Betreffs der Geschichte des
Pantheismus >>Gott.
Zur Ergänzung diene das Folgende.
Nach den Upanishads
gibt es in Wahrheit nur ein Wesen hinter allen
Erscheinungen (DEUSSEN, Sechzig Upan., Vorr.
X. s. Idealismus).
Einen naturalistischen Pantheismus
lehrt PLINIUS, nach
welchem die Natur die Gottheit ist (Histor.
natur. II). -
Pantheist ist DIDEROT
(La vérité),
DESCHAMPS: »Le tout universel est un être
qui existe, c'est le fond dont tous les êtres sensibles sont des nuances«
(Überweg-Heinze, Gr. d. Gesch. d. Philos.
III9, 250),
GOETHE »das ewig Eine,
das sich vielfach offenbart«, (WW. II,
227.XXXIII, 188). Gott ist, wirkt, als das Ewige
im Wechsel (WW. XXXIV, 207) in
der Natur, die Natur in Gott . -
SCHELLING erklärt:
»Gott und Universum sind eins oder nur verschiedene
Ansichten eines und desselben. Gott ist das Universum, von der Seite der Identität
betrachtet, ist alles, weil er das allein Reale, außer ihm also nichts
ist« (WW. I 4, 128).
Ähnlich B. H. BLASCHE
(Philos. Unsterblichkeitslehre 1831).
G. WEISSENBORN unterscheidet
mechanischen, ontologischen, dynamisch-psychologischen, ethischen, logischen
Pantheismus (Vorles.
üb. Panth. u. Theism. 1850). Er
bekennt sich selbst zum Theismus.
Auch GIOBERTI, welcher
aber gleichwohl in den Dingen Individualisationen
der Ideen in Gott
sieht.
HEBBEL bemerkt: »Alles
Individuelle ist nur ein an dem Einen und Ewigen hervortretendes und von demselben
unzertrennliches Farbenspiel« (Tageb.
I, 323).
Einen »Semipantheismus«,
nach welchem ein Teil des Göttlichen durch Gott selbst
zur Welt wird, lehrt M. CARRIERE (Sittl.
Weltordn. S. 384),
auch CHR. PLANCK (Testam.
ein. Deutsch. S. 467).
Nach ROMANES ist
Gott unpersönliches »World-Eject«
(The World as an Eject 1895).
Nach VOLKELT
ist Gott die eigene Substanz
der Welt, das All-Eine.
Einen »transzendenten
Pantheismus« lehrt FORTLAGE,
einen »konkret-monistischen
Pantheismus« E.
v. HARTMANN (Gesch. d. Met. II, 599 f., vgl. Rel.
d. Geist. S. 136).
Pessimismus
(von pessimus, der Schlechteste)
S. 2287ff. Siehe
auch bei Kirchner
heißt der Standpunkt, wonach
das Sein, die Welt, das Leben schlecht ist, so daß ihr Nichtsein
dem Dasein vorzuziehen wäre. Der (bloß)
empirische Pessimismus hält nur das
Leben im Diesseits, die raum-zeitliche, individuelle Existenz für etwas
Schlechtes, Unseliges, der metaphysische (transzendente)
Pessimismus betrachtet die Welt (als solche)
auch an sich als schlecht,
als nicht sein sollend. Der praktische
Pessimismus besteht in einer Disposition des Gemütes,
die alles von der schlechtesten Seite betrachten
läßt. Der ethische Pessimismus hält
den Menschen für radikal schlecht und nicht
wesentlich besserungsfähig. Der soziologische Pessimismus
(L. GUMPLOWICZ u. a.) glaubt nicht an eine befriedigende, endgültige
Lösung der »sozialen Frage«
.
Pessimistisch ist die
Philosophie des Brahmanismus
und Buddhismus,
welche die Erscheinungswelt und das Leben für etwas zu Überwindendes,
dem Allsein ohne individuelle Existenz und Objektivation oder dem »Nirwana«
völlig Unterzuordnendes
ansieht.
Die Nichtigkeit, Eitelkeit, Vergänglichkeit, Unbefriedigtheit des irdischen
Daseins betont der »Prediger Salomonis«
(Koheleth IX, 1, 2, 4, 19 ff.. IV, 2, 3).
Nach SOPHOKLES (Antigone)
ist es das Beste, nie geboren zu sein.
Der Epikureer HEGESIAS
verzweifelt an der Möglichkeit des
Glückes: tên eudaimonian holôs
adynaton einai (Diog. L. II 8, 94).
Er empfiehlt den Selbstmord »(peisithanatos)«.
Weltmüdigkeit und Weltflucht machen sich im (Ur-)Christentum
geltend.
Pessimistische Elemente finden
sich auch in der Gnosis,
besonders bei MARCION und
seinen Anhängern, welche die
Weltschöpfung dem Demiurgen,
nicht der Urgottheit zuschreiben.
ARNOBIUS nennt den Menschen »rem
infelicem et miseram, qui esse se doleat«
(Adv. gent. II, p. 77 ed. Canter.).
Die Elendigkeit des Lebens bejammert die Abhandlung des (späteren)
Papstes INNOCENZ III. »De
tractatu mundi« (C. 1 ff.. vgl. PLÜMACHER,
Der Pessimism. S. 66 ff.).
Nach MAUPERTUIS überwiegt
im Leben die Unlust. Die Summe der Übel
übertrifft die Summe des Wohles. Während das Maß der Lust
engbegrenzt ist, ist das Maß der Unlust grenzenlos (Oeuvres
1756, I, p. 202 ff., 210 f.).
D'ALEMBERT spricht vom »malheur
de l'existence«.
VOLTAIRE zieht aus der Betrachtung des Elends, der
Schmerzen der Welt den Schluß: »Tout
renaît pour le meurtre« (Philos.
ignor. XXVI, p. 89).
Daß das Leben kein Überwiegen der Glückseligkeit
aufweist, meint KANT
(WW. IV, 331 f.).
»Weltschmerz« kommt
zum Ausdrucke in verschiedenen Dichtungen, besonders bei LENAU
(Faustszenen), GRABBE
(Faust und Don Juan), bei
BYRON, LEOPARDI, HEINE.
Ein System des (empirischen und metaphysischen) Pessimismus
begründet SCHOPENHAUER.
Die Welt ist als Erzeugnis des blinden, grundlosen Willens durch und durch etwas
Schlechtes, etwas, was nicht sein sollte, eine Schuld (W.
a. W. u. V. I. Bd. § 56). Eine schlechtere
Welt kann es überhaupt nicht geben. »Nun
ist diese Welt so eingerichtet, wie sie sein mußte, um mit genauer Not
bestehen zu können. wäre sie aber noch ein wenig schlechter, so könnte
sie schon nicht bestehen«(ib.).
Die Welt ist ein »Jammertal«,
voller Leiden, alles Glück ist Illusion, alle Lust nur negativ, der rastlos
strebende Wille wird durch nichts endgültig befriedigt
(l. c. § 59). »Denn
alles Streben entspringt aus Mangel, aus Unzufriedenheit mit seinem Zustande,
ist also Leiden, solange es nicht befriedigt ist. keine Befriedigung aber ist
dauernd, vielmehr ist sie stets nur der Anfangspunkt eines neuen Strebens. Das
Streben sehen wir überall vielfach gehemmt, überall kämpfend.
Solange also immer als Leiden: kein letztes Ziel des Strebens, also kein Maß
und Ziel des Leidens« (l. c. §56).
Die Basis alles Wollens ist Bedürftigkeit, Mangel,
also Schmerz (l. c. § 57). Das
Leben »schwingt also, gleich einem Pendel,
hin und her zwischen dem Schmerz und der Langeweile« (ib.).
Das Leben ist »ein
Meer voller Klippen und Strudel« (ib.).
»Die unaufhörlichen Bemühungen, das Leid
zu verbannen, leisten nichts weiter, als das es seine Gestalt verändert«
(ib.). Befriedigung
kann nie mehr sein als die Befreiung von einem Schmerz, von einer Not
(l. c. § 58). Alles
Glück ist nur negativer Natur (ib.).
Schon seiner Anlage nach ist das Menschenleben keiner wahren Glückseligkeit
fähig (l. c. 59). Jede
Lebensgeschichte ist eine Leidensgeschichte, eine fortgesetzte Reihe großer
und kleiner Unfälle (ib.).
»Wenn man nun endlich noch jedem die entsetzlichen
Schmerzen und Qualen, denen sein Leben beständig offen steht, vor die Augen
bringen wollte, so würde ihn Grausen ergreifen, und man den verstocktesten
Optimisten durch die Krankenhospitäler, Lazarethe und chirurgischen Marterkammern,
durch die Gefängnisse, Folterkammern und Sklavenställe, über
Schlachtfelder und Gerichtsstätten führen, dann alle die finsteren
Behausungen des Elends, wo es sich vor den Blicken kalter Neugier verkriecht,
ihm öffnen und zum Schluß ihn in den Hungerturm des Ugolino blicken
lassen wollte, so würde sicherlich auch er zuletzt einsehen, welcher Art
dieser meilleur des mondes possibles ist« (l.
c. § 59). Der Optimismus
ist eine »wahrhaft ruchlose Denkungsart«
(ib.). - In der Welt
herrscht eine »ewige Gerechtigkeit«.
»In jedem Dinge erscheint der Wille gerade so, wie er sich selbst an sich
und außer der Zeit bestimmt. Die Welt ist nur der Spiegel dieses Wollens:
und alle Endlichkeit, alle Leiden, alle Qualen, welche sie enthält, gehören
zum Ausdruck desen, was er will, sind so, weil er so will. Mit dem strengsten
Rechte trägt sonach jedes Wesen das Dasein überhaupt, sodann das Dasein
seiner Art und seiner eigentümlichen Individualität... Denn sein ist
der Wille, und wie der Wille ist, so ist die Welt.« »Die Welt selbst
ist das Weltgericht. Könnte man allen Jammer der Welt in eine Wagschale
legen und alle Schuld der Welt in die andere, so würde gewiß die
Zunge einstehen« (l. c. § 63).
Erkenntnis der Einheit aller Wesen und Askese,
Verneinung des Willens zum Leben allein kann uns erlösen, nicht der Selbstmord,
der nur die individuelle Erscheinung des Allwillens vernichtet (l.
c. § 68 ff. W. a. W. u. V. 2. Bd., C. 46, 48). »Aus
der Nacht der Bewußtlosigkeit zum Leben erwacht, findet der Wille sich
als Individuum, in einer end- und grenzenlosen Welt, unter zahllosen Individuen,
alle strebend, leidend, irrend, und wie durch einen bangen Traum eilt er zurück
zu alten Bewußtlosigkeit«(W. a.
W. u. V. II. Bd., C. 46. ParergaII, C. 11 f.).
J. BAHNSEN leitet den Pessimismus
aus dem Widerspruchscharakter des Willens ab. Die Welt ist durch und durch elend
(Der Widerspr.
1880/82. Pessimisten-Brevier 1879), ist »von
allen möglichen, d.h. überhaupt existenzfähigen, die schlechteste«
(Zur Philos. d. Gesch. 1875).
MAINLÄNDER faßt
die Weltentwicklung als Sterben des sich in der
Vielheit der Dinge zersplitternden Gottes.
Die Unlust überwiegt im Dasein (Philos.
d. Erlös. 1876).
Pessimistischen Charakter
hat teilweise die Philosophie von DEUSSEN,
R. KOEBER (Schopenhauers
Erlösungslehre 1882), M. VENETIANER
(Der Allgeist 1874),
F. LABAN (Schopenhauer-Litteratur 1880, Vorrede).
E. v. HARTMANN verbindet
mit dem »evolutionistischen
Optimismus« den »eudämonologischen
Pessimismus« (vgl. schon SCHELLING, WW.
I 10, 242). Die Welt ist wohl unter den möglichen
die beste, aber gut ist sie doch nicht, denn sie ist eine Realisation des »Alogischen«
im Absoluten, Unbewußten, des Willens (Philos.
d. Unbew.3, S. 623 ff., 628. Zur Gesch. u. Begr. d. Pessim.2, S. 18 ff.).
»Das 'Daß' der Welt ist... als
ein von Gott geschiedenes schlechter, als ihr Nichtsein wäre. aber das
'Was und Wie' des Weltinhalts ist bestmöglich, wenn das Daß einmal
als gegeben hingenommen wird« (Pessim.2,
S. 26). Die Unlust überwiegt die (gleichwohl
auch positive, nicht bloß negative) Lust in der Welt, ja immer
größer wird das Übergewicht (l.
c. S. 250 ff.. Philos. d. Unb.3, S. 697. II10, 303 f.). Das
Leben ist voller Illusionen, voller Leiden. Gleichwohl darf man sich nicht quietistischer
Trägheit hingeben, sondern die Erlösung des
(durch seine Weltsetzung in Schuld verstrickten und) leidenden Absoluten,
Göttlichen in und von der Welt kann nur durch
»Hingabe ans Leben« zum Zwecke der
Steigerung der Einsicht von der Notwendigkeit der Weltverneinung erfolgen, durch
welche dereinst mit dem gleichzeitigen Aufhören alles Wollens (vom
Menschen ausgehend. auch auf die Tierwelt u.s.w. übergehend) das
Absolute von seiner Unseligkeit erlöst wird
(Philos. d. Unb.3, S. 712 ff., 742 ff.).
So auch A. TAUBERT (Der
Pessim. 1873) und O.
PLÜMACHER (Der Pessim. 1884).
»Wissenschaftlichen Pessimismus« nennt
H. LORM die Einsicht,
»daß es unmöglich ist, mittelst
der endlichen Beschaffenheit unserer Natur Aufschluß über den Ursprung
und Zweck des Daseins zu erlangen« (Grundlos.
Optim. S. 247).
VOLKELT meint, die Welt des Endlichen weise darauf
hin, »daß dem Absoluten
ein feindselig entgegengesetztes Prinzip, ein Prinzip der Negation und Verkehrung
innewohne« (Ästh. d. Trag.S. 430).
»Einerseits ist die Welt in der Vernunft, im Seinsollenden,
im Positiven gegründet. Aber sogleich hat das ewig Vernünftige, Seinsollende,
Positive es ebenso ewig mit seinem Gegenteil zu schaffen., es leidet am Irrationellen,
Nichtseinsollenden, Negativenund es trägt das Gepräge dieses Leidens«
(l. c. S. 432). Die
Macht der Vernunft ist das Siegreiche im Absoluten (ib.),
das übergeordnete Prinzip
(S. 433). Das Absolute gleicht dem tragischen Helden,
der es »in seinem eigenen Innern mit einer
herabzerrenden Gegenmacht zu tun hat« (S.
434).
Teils gegen, teils über den Pessimismus vgl.
J. B. MEYER,
Weltelend u. Weltschmerz 1872. E. PFLEIDERER, Der
moderne Pessim. 1875. G. P. WEYGOLDT, Krit. d.
philos.Pessimism. 1876. J. HUBER, Der Pessimism.
1876. J. SULLY Pessimism. 1877.
CARO, Le Pessimisme au 19. siècle, 2. éd. 1881.
H. SOMMER, Der Pessimism. 2. A. 1883. REHMKE,
Der Pessimism. u. d. Sittenlehre 1882. P. CHRIST,
Der Pessim. u. d. Sittenlehre 1882. B. ALEXANDER,
Der Pessim. des 19. Jahrh. 1884. W. RIBBECK, Stud.
üb. d. Pessim.,Vierteljahrsschr. f. wissensch. Philos. 9. Bd., S. 265 ff..
G. SIMMEL, Über die Grundfrage d. Pessim., Zeitschr. f. Philos. 90.
Bd., S.237 ff.. M. WENTSCHER, Üb. d. Pessim
1897. E:. DÜHRING,
Wert. d. Leb. S. 197 ff.. PAULSEN,
Schopenh., Haml., Mephist. 1900 u. a. (vgl. ÜBERWEG-HEINZE, Gr. d. Gesch.
d. Philos. IV9, 203). RIEHL. Zur Einführ.
in d. Philos. S. 200, 218.
Vgl. Optimismus,
Übel.
Pleroma
(plêrôma) S.2385
heißt bei dem Gnostiker VALENTINUS
das Reich göttlich-geistiger
Fülle, Lebendigkeit, die kraftdurchwirkte Seinswelt im Gegensatz
zum Kenoma (kenôma), der
stofflichen Leere.
Pneuma
(pneuma) S.2386ff.
Siehe
auch bei Kirchner
Hauch, ätherisches Feuer, Lebensgeist.
Daß der Organismus Luft aufnimmt, wird von HIPPOKRATES
an zu physiologischen Theorien verwertet.
Nach ARISTOTELES ist im
Blute eine luftartige Substanz (anathymiasis),
in den Arterien ein pneuma als Träger von Empfindungs- und Bewegungsimpulsen.
Das Pneuma im Organismus wird durch die Adern verbreitet und bewirkt den Pulsschlag
und das Atmen.
Pneuma nennen die Stoiker
die Gott-Natur ihrer kraftstofflichen, alles durchdringenden
Wesenheit wegen. Das Pneuma ist Sich-selbst-bewegendes:
einai to on pneuma kinoun heauto pros heauto kai ex hautou, ê pneuma heauto
kinoun prosô kai opisô. pneuma de eilêptai dia to legesthai
auto aera einai kinoumenon (Stob. Ecl.
I 17, 374). Es ist pyr
technikon, pneuma noeron kai pyrôdes ohne
feste Gestalt, das sich in alles, was es will, verwandeln kann (l.
c. I 2, 66. Diog. L. VII, 156. Plut., Epit. I, 6, Dox 292 a). Unsere
Seele ist ein Ausfluß des Pneuma, to
symphyes hêmin pneuma (Diog. L.
VII, 156). Das pneuma pôs.
echon ist »die eigentümliche Strömung
der sich selbst und darum auch den Menschen bewegenden Seelenkraft«
(STEIN, Ps. d. Stoa I, 122).
Als Lebenskraft faßt das Pneuma GALEN
auf, der ein pneuma psychikon
(im Gehirn und in den Nerven),
pneuma zôtikon (im Herzen), pneuma
physikon (in der Leber) unterscheidet (vgl.
Verworn, Allg. Physiol. S.. 11). –
Das »Buch der Weisheit«
bestimmt die Weisheit Gottes als weltverbreiteten Geist (pneuma),
pneuma kyriou, hagion pneuma (vgl.
ÜBERWEG-HEINZE, Gr. d. Gesch. d. Philos. I9, 354).
Als Lebenskraft und Organ der Empfindung faßt das
Pneuma PHILO (IV,
304) auf, der es auch mit dem hebräischen
»ruach« (Geist)
identificiert.
Im Neuen Testament wird das
pneuma zum geistigen Wesen. Das »Pneumatische« steht über dem
»Psychischen« (1. Kor. 15, 35 f.).
Pneuma hagion ist der
Heilige Geist.
Die Patristiker sprechen
von einem pneumatischen Leib (Ätherleib).
Pneumatiker heißen
bei VALENTINUS
und ORIGENES die vom
Geiste des wahren, christlichen Glauben Erfüllten im Unterschiede von den
heidnischen Hylikern und den Psychikern.
CLEMENS ALEXANDRINUS
unterscheidet im Menschen das pneuma
sarkikon von der Vernunft (Strom.
VI, 6, 52.VII, 12, 79).
Der Pneuma-Begriff hat auch in der Psychologie des
Tatian (Or.
ad Gr. 4) seine Stelle.
IRENAEUS unterscheidet pnoê
zôês und pneuma zôopoioun,
das Ewige im Menschen (SIEBECK,
G. d. Ps. I 2, 363).
Nach TERTULLIAN ist die
Seele ein pneuma, weil sie als Hauch (flatus) atmet
(De an. 10 f., 18).
Nach HILARIUS liegt das Pneuma
der vegetativen, empfindenden, fühlenden Seelentätigkeit zugrunde
(De trin. X, 14).
In der Theorie der »Lebensgeister«
und des »spiritus
corporeus« im Mittelalter »pneuma
oder spiritus corporalis«: HUGO VON ST. VICTOR,(
De an. II, 9) (und noch später) lebt der Pneuma-Begriff
weiter.
Polarität
S. 2390f. Siehe
auch bei Kirchner
das Auseinandertreten einer Einheit,
Kraft in
zwei Pole, entgegengesetzte Richtungen der Tätigkeit.
Die Lehre von den Gegensätzen
im Weltgeschehen schon bei HERAKLIT u.
a. -
Die durchgängige Polarität
des an sich indifferenten Absoluten in Natur und Geist
lehrt SCHELLING (s.
Gott).
ESCHENMAYER erklärt:
»Es gefiel Gott wohl, ein Geisterreich zu ordnen
und demselben ein Naturreich gegenüberzustellen, beide aber durch ein Drittes
zu vermitteln« (Gr. d. Naturphilos. S.
24 ff.).
Nach HEGEL ist der Gedanke der
Polarität »die Bestimmung des Verhältnisses
der Notwendigkeit zwischen zwei verschiedenen, die eines sind, insofern mit
dem Setzen des einen auch das andere gesetzt ist. Diese Polarität schränkt
sich nur auf den Gegensatz ein. Durch den Gegensatz ist aber auch die Rückkehr
aus dem Gegensatz als Einheit gesetzt, und das ist das Dritte« (Naturphilos.
S. 31).
Nach GIOBERTI ist die
Polarität ein Gesetz alles außer Gott Existierenden, sie folgt
aus der »legge di eterogeneità«
der Welt (Protol. II, 547 ff.).
EMERSON bemerkt: »Polarität
oder Wirkung und Rückwirkung treffen wir in jedem Teile der Natur an, in
Finsternis und Licht, in heiß und kalt, in Ebbe und Flut, im männlichen
und weiblichen Geschlechte...« »Wie die Welt, so zeigt auch ein
jeder ihrer Teile diese Zweiheit.« »Ein unvermeidlicher Dualismus
durchschneidet die Natur, so daß ein jegliches Ding nur eine Hälfte
darstellt und ein anderes Ding zu seiner Ergänzung voraussetzt«
(Essays, Ausgleichungen S. 13 f.).
R. HAMERLING erklärt:
»Polarität
ist das Auseinandergehen einer und derselben Wesenheit in zwei
entgegengesetzte, aber unzertrennliche Qualitäten, Kräfte,
Richtungen, die man Pole nennt« (Atomist.
d. Will. I, 208). »Nach dem Gesetze des Ausgleichs,
der Compensation, suchen und ziehen die entgegengesetzten Pole einander an,
aber um sich auszugleichen, um sich selbst zu vernichten« (l.
c. I, 214).
Positivismus
S. 2395 Siehe
auch bei Kirchner
(Ausdruck von COMTE) heißt
allgemein der »Gegebenheitsstandpunkt«,
d.h. diejenige Richtung der Philosophie und Wissenschaft, welche vom Positiven,
Gegebenen, Erfassbaren ausgeht, nur in diesem bezw. dessen exakter »Beschreibung«
das Forschungsobjekt erblickt, jede Metaphysik transzendenter Art perhorresziert
und alle Begriffe von Übersinnlichem, von Kräften, Ursachen, ja sogar
oft der apriorischen Denkformen (Kategorien) aus
der Wissenschaft »eliminieren« will.
An Stelle der Ursachen der Phänomene (Dinge an sich
u. dgl.) sollen nur die Koexistenzen, das räumlich-zeitliche Zusammen,
die »Abhängigkeiten« der Erscheinungen
(Erfahrungsinhalte, Erlebnisse, »Elemente«,
Empfindungen u. dgl.) begrifflich und (möglichst)
mathematisch formuliert werden. Hierbei wird die Notwendigkeit der Ergänzung
der äußeren für die Philosophie durch die innere Erfahrung in
der Regel nicht berücksichtigt, wie auch dem Kritizismus zuweilen nur geringe
Rechnung getragen wird.
Eine Wendung zum Positivismus findet sich schon bei den
Kyrenaikern (Subjektivismus),
Epikureern (Sensualismus)
und den »Empirikern« des Altertums.
Ferner im Empirismus überhaupt, auch (teilweise)
im BERKELEYschen Idealismus besonders aber bei
HUME. Dieser erklärt: »Es
gibt ja keine wichtigere Forderung für einen wahrhaften Philosophen als
die, daß er das ungezügelte Verlangen, nach Ursachen zu forschen,
unterdrückt und, wenn er eine Lehre auf eine genügende Anzahl von
Beobachtungen aufgebauthat, sich damit zufrieden gibt, sobald er sieht, daß
eine weitere Untersuchung ihn in dunkle und ungewisse Speculationen führen
muß« (Treat. I, sct. 4,
S. 24).
Nach D'ALEMBERT (Disc.
prél.) und TURGOT (vgl.
Encyclop., »Existence«) erkennen wir nur die Relationen,
nicht die Ursachen der Dinge.
Positivistisch ist die Philosophie L.
FEUERBACHS.
Der Begründer des Positivismus
als System ist AUG. COMTE. »Positiv«
ist ihm so viel wie wirklich, gewiß, genau bestimmt, relativ. Die positive
Philosophie und Wissenschaft ist das letzte (dritte) Stadium
in der Entwicklung der Wissenschaft nach der »loi
des trois états«:
1) theologisches Stadium, in welchem man alles aus übernatürlichen,
göttlichen Willenskräften ableitet,
2) metaphysisches Stadium, in welchem die Phänomene aus abstrakten (Kraft)Begriffen
deduziert werden,
3) positives Stadium, in welchem man die Regelmäßigkeit und Koexistenz,
die festen Gesetze der Phänomene, Tatsachen selbst, rein empirisch, ohne
metaphysische Denkzutaten, das Wie statt des Warum erforscht.
Die positive Philosophie betrachtet die Theorien »comme
ayant pour objet la coordination des faits observés« (Cours
de philos, posit. I, leç. I, p. 5). »Tous
les bons esprits reconnaissent aujourdhui que nos études réelles
sont strictement circonscrites à l'analyse de phénomènes
pour découvrir leurs lois effectives, c'est-à-dire leurs relations
constantes de succession ou de similitude, et ne peuvent réellement concerner
leur nature intime ni leur cause, ou première ou finale, ni leur mode
essentiel de production« (l. c.
I, leç. 28). Die Wissenschaft muß »voir
pour prévoir«, will die Tatsachen beherrschen, verwerten,
in den Dienst der sozialen Humanität stellen. Die Soziologie ist die höchste
in der Hierarchie der Wissenschaften. Die Philosophie ist die Systematisation
der Einzelwissenschaften. Die Metaphysik ist abzulehnen. Die positivistische
Ethik ist altruistisch. Die positive Religion treibt den »Kultus
der Menschheit«. (Vgl. Discours sur l'esprit
positif 1844. Discours sur l'ensemble du positivisme 1848. Système de
politique posit. 1851/54. Catéchisme positiviste 1852. Synthèse
subjective I: Syst. de Log. posit. 1856. J. RIG, La philos. posit. 1881. G.
E. SCHNEIDER, Einl. in d. posit. Philos. 1880. vgl. die Zeitschrift. Philos.
posit. 1867/83.)
Von Einfluß auf Comte gewesen
ist SAINT SIMON, besonders als Soziologe.
Französische Positivisten sind
ferner: P. LAFITTE (Cours
de philos. prem. 1889), E. LITTRÉ (Fragm.
de philos. pos. 1876), E. DE ROBERTY (L'inconnaissable
1889. vgl. Sociologie), H. TAINE (vgl.
Ästhetik. De l'intelligence 1870), E. RENAN
(Dial. et fragm. philos. 1876).
In England: J. ST. MILL (teilweise).
ferner im Sinne Comtes: F.
HARRISON, R. CONGREVE, EDW SPENCER, BEESLY, J. H. BRIDGES. vgl.
auch die Zeitschr. »The Positivist Review« (1893 ff.). dann:
HUXLEY (Essays 1892. Collect. Ess. 1893/94.
Science and Culture 1881), CLIFFORD (Seeing
and Think. 1879. Lectur. and Ess. 1879). teilweise
H. SPENCER, ferner LEWES, welcher von der
»Elimination of the metempirical elements« spricht (Probl.
II, 265). Auch P. CARUS (Primer
of Philos. 1896).
In Italien: CATTANEO, FERRARI,
SICILIANI, VILLARI, ARDIGO, MORSELLI u. a.
In Ungarn: (teilweise)
K. BÖHM, FR. BARATH.
In Böhmen: MASARYK.
In Polen: JAN
SNIADECKI, DOM. SZULC, J. OCHOROWICZ, F. BOGACKI.
In Rußland: P. LAWROW,
MICHAJLOWSKIJ, LESSEWICZ, TROIZKIJ.
In Rumänien: B. CONTA.
–
Zu den deutschen Positivsten und Halb-Positivisten
gehören:
E DÜHRING,
als Vertreter einer »Wirklichkeitsphilosophie«
(s. d.. vgl. Log. S. 75).
E. LAAS: Positivismus
ist die Philosophie, die zur Grundlage nur positive
Tatsachen (der Wahrnehmung, der Logik) nimmt und
über die Korrelation von Objekt und Subjekt nicht hinausgeht (Ideal.
u. Posit. III, 5, 407). Die positivistische Ethik
ist psychologisch-genetisch (Ideal. u. Pos. II).
Auch NIETZSCHE (teilweise).
Ferner TH. ZIEGLER, W. BENDER, F. TÖNNIES,
C. GÖRING, DILTHEY (Einl.
in d. Geisteswiss. I, 501,512), JODL,
A. RIEHL teilweise:
»In der wissenschaftlichen Forschung ist der Positivismus,
der Weg der Erfahrung, an seinem Platze, wo aber die Lebensweisheit, welche
nicht Wissenschaft ist, sondern Kunst, dem Willen neue Ziele entdeckt, hat alle
bisherige Erfahrung keine entscheidende Stimme« (Zur
Einf. in d. Philos. S. 192 f.).
Positivisten im erkenntnistheoretischen
Sinne des reinen Empirismus
sind B. AVENARIUS,
E. MACH. –
Alle positive Wissenschaft, d.h. als eine von allen religiösen
und metaphysischen Voraussetzungen unabhängige Wissenschaft (im
Sinne der »Gesellschaft für ethische Cultur«), lehrt
die Ethik W. STERN (Krit.
Grundleg. d. Eth. als posit. Wissensch. 1897. Allgem. Princip. d. Eth. 1901).
Positive Ethik gibt auch RATZENHOFER.
Sie ist positiv, »indem
sie das Sein-sollende der Natur des Menschen und der Socialgebilde, fußend
auf den Naturgesetzen, entnimmt« (Posit.
Eth. S. 22). Er lehrt überhaupt einen »monistischen
Positivismus« (l. c. Vorw.).
Prädestination
S. 2407 f. Siehe
auch bei Kirchner
ist die von Theologen angenommene göttliche
Vorherbestimmung der Menschen sei es zum Guten,
sei es zum Bösen,
zur Seligkeit oder zur Verdammnis (Prädamnation),
verbunden mit der Präszienz
(Vorherwissen) Gottes.
So nach den Pelagianern,
deren Lehre AUGUSTINUS berichtet:
»Praesciebat Deus, qui futuri essent sancti et immaculati
per liberae voluntatis arbitrium et ideo eos ante mundi constitutionem in ipsa
sua praeseientia, qua tales futuros esse praescivit, elegit« (De
praed. 10). Er selbst
führt die Gnadenwahl auf einen uns verborgenen Grund in
Gott zurück (De civ. Dei XII, 27
XIV, 28. XV, 1. XXI, 12).
Erneuerer dieser Lehre ist der Mönch GOTTSCHALK:
»Deus incommutabilis ante mundi constitutionem omnes
electos suos incommutabiliter per gratuitam gratiam suam. Praedestinavit ad
vitam aeternam« (bei Stöckl, I,
26 ff.).
Nach THOMAS
ist die Prädestination
»quaedam ratio ordinis aliquorum in
salutem aeternam in mente divina exsistens«
(Sum. th. I, 2c), »directio in finem, quem
vult Deus rei dilectae« (Quodl. 11, 3,
3c).
CALVIN erhebt die Prädestinationslehre
zum Dogma.
Nach LEIBNIZ sind
die Verworfenen nicht unbedingt, sondern nur wegen ihrer von Gott
erkannten Unbußfertigkeit verdammt (Theod.
I B, § 81).
Prädeterminismus
S.2408 Siehe
auch bei Kirchner
heißt die (metaphysische und
theologische) Ansicht, dass alle menschlichen Willensakte, Handlungen
von Ewigkeit durch Gott
determiniert, bestimmt seien.
So lehren AUGUSTINUS,
ANSELM, der
die Präszienz Gottes
betont (De
concord. praesc. qu. 1, 4, 7), die
Motakallimûn, nach
welchen alles in der Welt bestimmt ist »ex
certa voluntate, intentione et gubernatione«(bei
Maimonid., Doct. perplex. III, 17), LUTHER:
»Deus praescit et praeordinat omnia« (De
serv. arbitr. 158), CALVIN.
Nach LEIBNIZ
hat Gottes Präszienz
keinen determinierenden Einfluss auf die
Weise unseres Handelns (Theod. I B, §
42 ff.).
Präexistenz
S. 2411ff.
Siehe auch bei
Kirchner
früheres Dasein, Existenz der (menschlichen)
Seele schon vor dem irdischen
Daseinin einer andern Form, sei es in Gott als
Potenz, sei es als reine
Seele, sei es in einer andern individuellen Verleiblichung.
In Verbindung mit der Seelenwanderung
lehrt die Präexistenz der Buddhismus.
So auch PYTHAGORAS und
EMPEDOKLES.
Nach PLATO war
die Seele vor der Geburt des Menschen leibfrei
im Reiche der Ideen .
Die Anamnese weist darauf hin. Kai kat' ekeinon
ge ton logon, ô Sôkrates, ei alêthês estin, hon sy eiôthas
thama legein, hoti hêmin hê mathêsis ouk allo ti ê anamnêsis
tynchanei ousa, kai kata touton anankê pou hêmas en proterô
tini chronô memathêkenai ha nyn anamimnêskometha. touto de
adynaton, ei mê ên pou hêmôn hê psychê en
tôde tô anthrôpinô eidei genesthai. hôste kai
tautê athanaton ti eoiken ê psychê einai (Phaed.
72E. Phaedr. 247, Gorg. 523, Rep. 614, Meno 86A).
Die Präexistenz der Seelen
lehrt das »Buch der Weisheit« (agathos
ôn êlthon eis sôma amianton, I, 20),
PHILO, PLOTIN (Enn.
IV, 3, 5 squ.), NUMENIUS, NEMESIUS (Peri
phys. 2), ORIGENES
(gegen sie: AENEAS VON GAZA.
TERTULLIAN, De an.
24. GREGOR VON NYSSA, De
creat. hom. 28. AUGUSTINUS), der
Talmud, die Kabbalâ,
LEIBNIZ (Monadol. 72),
CHR. WOLF (Psychol.
rational. § 706), SCHELLING, SCHUBERT
(Gesch. d. Seele S. 617, 654), LINDEMANN (Lehre
vom Mensch. H. 223), J. H. FICHTE (Anthropol.
S. 331. Zur Seelenfr. S. 8), J. REYNAUD.
Gegner ist u. a. LOTZE (Med.
Psychol. 163).
Nach andern, z.B. nach VOLKMANN, ist
nur der Beginn des Seelenlebens dem Moment der
Geburt vorzusetzen (Lehrb. d. Psychol. I4,
183). Vgl. BRUCH, Die Lehre von d. Präexist.
1859.F. LAUDOWICZ, Wesen u. Urspr. d. Lehre von d. Präex. 1898.
Vgl.
Seelenwanderung
Psychologismus
(Ausdruck schon bei
J. E. ERDMANN u. a.) S. 2499 ff.
bedeutet allgemein die Berücksichtigung
der Psychologie als Hilfemittel
und als eine Basis für die Geisteswissenschaften
und Philosophie.
Im engeren Sinne ist der Psychologismus die Anschauung,
nach welcher alle Wirklichkeit aus Daten
der Psychologie, der innern Erfahrung besteht, aufgebaut ist, zugleich
der Standpunkt, daß die Geisteswissenschaften nebst
der Philosophie, Logik , Ethik, Ästhetik nichts als Psychologie
seien.
Der (extreme) Psychologismus
vergißt, daß:
1) Psychologie
wohl eine Grundlage der Geisteswissenschaften und
Philosophie, nicht aber schon die diesen Disziplinen wesentliche
Kritik, Normatik, Wertung, Stellungnahme enthält,
2) das Psychologische,
h. die durch psychologische Analyse und Abstraktion
gewonnene geistige Realität nicht die ganze,
volle, absolute, einheitlich-zusammenhängende, lebendigschöpferische
geistige Wirklichkeit ist, wie sie sich erst vom philosophischen Standpunkte
ergibt (ohne deshalb mit MÜNSTERBERG u. a. einen
Dualismus zwischen Psychologie und Geisteswissenschaftstatuieren zu müssen).
Im einzelnen gibt es: metaphysischen
(ontologischen), erkenntnistheoretischen, logischen,
ethischen, ästhetischen, soziologischen, religionsphilosophischen Psychologismus.
Einen Psychologismus im weiteren oder doch gemäßigten Sinne vertreten:
FRIES, CHR. WEISS, BENEKE, V.
COUSIN (Du vrai p.
3), JOUFFROY, FOUILLÉE, LACHELIER,
HÖFFDING (Psychologie
als Grundlage der Geisteswissenschaften: Psychol.2, S. 35),
WUNDT (s.
Psychologie), JODL u.
a., mit noch stärkerer Betonung LIPPS
(vgl. Psycholog. Wissensch.
u. Leb. 1901), F. BRENTANO und
seine Schule (HÖFLER, MARTY,
MEINONG u. a.).
Besonders aber (auch im ontologischen Sinne)
BERKELEY, HUME, J. ST. MILL
(S. Object),
H. CORNELIUS, nach welchem
die Psychologie »das
einzig mögliche Fundament aller Philosophie«
ist (Psychol. S. 71),
E. MACH u. a.
In der Logik sind psychologistisch J.
ST. MILL, FOWLER
(Logic,
1895, I, 1), SCHUPPE (Arch.
f. system. Philos. VII, 1901, S. 1 ff.),
ELSENHANS (Zeitschr.
f. Philos. 109. Bd., 1896, S. 195 ff.).
Dagegen REHMKE (l.
c. 1894, S. 118 ff.), UPHUES,
PALÁGYI u. a.
Gegner des erkenntnistheoretischen
Psychologismus ist KANT.
Nicht die psychologische
Analyse, sondern die Kritik, die Beurteilung des
Erkennens hinsichtlich der Erkenntnismöglichkeit stellt er sich zur Aufgabe
(s. Kritik).
Die psychologische Erklärung
eines Urteils ist etwas anderes als die »Rechtfertigung« desselben
(Üb. Philos. überh.
S. 167).
Ähnlich die Kantianer
(s. d. u. A priori. vgl.
aber dort F. A. LANGE u. a.).
–
G. E. SCHULZE bemerkt: »Die
Überzeugung von den obersten Grundsätzen in den Wissenschaften und
den Urwahrheiten für die gesamte menschliche Erkenntnis erfordert... keine
Einsicht vom Ursprunge dieser in unserem Geiste«
(Üb. d. menschl. Erk. S. 214).
Gegen den Psychologismus
wendet sich u. a. G. W. GERLACH.
Nach ihm ist die Psychologie
nicht die Grundwissenschaft der Philosophie. »Die
empirische Psychologie hat... einen wesentlich weitern Umfang als diejenige
Lehre, der es lediglich um die begriffsmäßige Fassung der Quelle
des Allgemeingültigen zu tun ist. sie würde mithin auch für den
eigentlichen Zweck der Philosophie eine viel zu breite und unsichere Unterlage
abgeben« (Die Hauptmom. d. Philos. S.
51 f.). –
Gegen den idealistischen
»Psychologismus« von
ROSMINI, nach welchem der Philosoph zuerst sein
eigenes denkendes Selbst zum Objekte machen muss (Nuovo
saggio § 1465 ff.) richtet sich der
»Ontologismus« GIOBERTIS.
–
Nach HARMS hat
die alte, objektive Philosophie »einen nicht
geringen Vorzug vor der modernen Philosophie, welche von einer bloß subjektiven
oder psychologischen Auffassung des Problems der Wissenschaften ausgeht, indem
sie das Phänomen des bloßen Vorstellens, welches ein Residuum eines
kritiklosen Skeptizismus ist, der sich selber in leeren Abstraktionen nicht
genug tun kann, zum Problem aller Wissenschaft macht«
(Psychol. S. 66).
WINDELBAND betont:
»Für die Psychologie mag es von
Interesse sein, festzustellen, ob eine Vorstellung auf dem einen oder dem anderen
Wege zustande gekommen ist: für die Erkenntnistheorie handelt es sich nur
darum, ob die Vorstellung gelten, d.h. ob sie als wahr anerkannt werden soll«
(Prälud. S. 23).
Nach H. COHEN setzt
die Psychologie schon
die Erkenntnistheorie voraus (Princ.
d. Infinit. S. 4 f.). Die Erkenntniskritik untersucht
nicht die Bewußtseinstätigkeit beim Erkennen, sondern die Voraussetzungen
wissenschaftlicher Erkenntnis. So auch
NATORP.
Gegen die Basierung der Geisteswissenschaften auf Psychologie
sind besonders H. RICKERT (s.
Naturwissenschaft) und MÜNSTERBERG.
Er ist gegen den Psychologismus, der keine andere
Wirklichkeit anerkennt als physische und psychische Objekte (Grdz.
d. Psychol. I, 13). Die Wirklichkeit ist mehr als
ein System von physischen und psychischen Vorgängen, »sie
ist zugleich ein System von Absichten und Zwecken, deren psychologische Erfahrbarkeit
für die Feststellungen der Geschichts- und Normwissenschaften nicht das
Wesentliche ist« (l. c. s. 14).
Die Geisteswissenschaften sind scharf von der
Psychologie zu trennen, denn diese betrachtet das objektivierte Subjekt,
jene aber gehen auf das stellungnehmende, wertende, ganze Subjekt (l.
c. S. 15 ff.). Die Psychologie
ist nicht Basis, nur Hilfsdisziplin der Geisteswissenschaften
(l. c. S. 19. Psychol. and Life).
L. W. STERN anerkennt zwar nicht den schroffen
Dualismus zwischen
Psychologie und Geisteswissenschaften (Beitr.
zur Psychol. d. Auss. 1. H.,S. 11), erklärt
sich aber doch gegen den Psychologismus im extremeren
Sinne (ib.). »Dem
Psychologismus liegt die unzutreffende Voraussetzung
zugrunde, daß Psychologie nichts anderes zu tun habe, als die geistige
Wirklichkeit zu nehmen und zu beschreiben, wie sie ist. Jede Wissenschaft, und
so auch diese, ist Bearbeitung der Wirklichkeit unter bestimmten Gesichtspunkte
und unter bewußter Abstraktion von anderen Gesichtspunkten. Die Gesichtspunkte
aber, unter denen die Psychologie die Seele erfasst, sind die der indifferenten
sachlichen Objektivation, der Analyse und der Allgemeingültigkeit. Die
Gesichtspunkte, von denen sie abstrahiert, sind die des persönlichen Wertes
und Wertens, der persönlichen Einheit und der persönlichen Individualität.
Und darum kann Psychologie nicht die zureichende Grundlage für diejenigen
Sphären der Kultur sein, in denen geistiges Dasein nicht als Sache unter
Sachen, sondern als Person unter Personen von Bedeutung ist« (l.
c. S. 11 ff.).
Gegen den Psychologismus, welcher verkennt, daß
in dem scheinbar »Gegebenen«,
auch wenn es psychischer Art ist, schon ein Erzeugnis des Bewusstseins vorliegt,
erklärt sich P. STERN
(Grundprobl. d. Philos. I, S. 66 ff., 71 ff.).
Gegen den logischen und ontologischen
Psychologismus ist M. PALÁGYI
(Log. auf d. Scheidewege S. 72 ff.). –
DILTHEY hält die atomistische
Psychologie nicht als Grundlage der Geisteswissenschaften geeignet, wohl
aber eine deskriptive Psychologie,
»welche Tatsachen und Gleichförmigkeiten an
Tatsachen feststellt« (Einleit. in d.
Geisteswissensch. S. 40 f.). Eine solche Psychologie
ist die erste und elementarste unter den Geisteswissenschaften (l.
c. S. 41). »Aber ihre Wahrheiten enthalten
nur einen aus dieser Wirklichkeit ausgelösten Teilinhalt«
(ib., vgl. Ideen üb. eine
beschreib. u. zerglied. Psychol.). Vgl.
K. HEIM, Psychologismus oder Antipsychologismus? -
Pythagoreismus
S.2512
die Philosophie des PYTHAGORAS
und seiner Anhänger, insbesondere die
metaphysische Lehre von den
Zahlen.
Pythagoreer sind: PHILOLAUS,
SIMMIAS, KEBES, OKELLUS,TIMÄUS VON LOKRI, ECHEKRATES,
AKRION, ARCHYTAS VON TARENT, LYSIS, EURYTUS.
Verwandte Denker: ALKMÄON,
HIPPASUS, EKPHANTUS, HIPPODAMUS, EPICHARMUS
(vgl. ÜBERWEG-HEINZE, Gr. d. Gesch. d. Philos. Ir, 62 ff.).
Der pythagoreische Bund
war ethisch-politisch und philosophisch-religiös
zugleich. Vgl. Zahl,
Harmonie, Seele,
Seelenwanderung
Quellgeister
S. 2545
nennt J. BÖHME
die den sinnlichen Qualitäten der Dinge zugrunde
liegenden Kräfte, die im »Blitz,
des Lebens geboren« werden (Aurora
S. 81, 159 ff.). Es gibt sieben
Quellgeister: Begierde, Bewegnis, Angstqualität, Feuerblitz, Liebe,
Hall oder Schall, Verständnis
Schein
(Scheinen) S.2814ff.
Siehe
auch bei Kirchner
ist ein Gegensatz vom Sein
, es ist das bloße Bild, Aussehen, das für ein Sein genommen wird.
Der Begriff »Schein« entspringt dem
Urteil über die Falschheit, Trüglichkeit eines
Seins - Urteiles. Schein ist alles, was
dem Sein, dem Seienden, der Wahrheit ähnlich ist,
ohne doch das Sein, das Seiende, die Wahrheit
selbst zu sein. Der Schein
ist ein durch falsches Urteilen real Gesetztes. Er ist Produkt unseres Empfindens
und Vorstellens (psychologischer Schein) oder unrichtigen
Denkens (logischer Schein) oder unserer eigenartigen
Beziehung zum Seienden (metaphysischer, objectiver Schein
= Erscheinung). Ist also auch der Schein
nicht das Sein, so hat doch jeder Schein
in der Beschaffenheit eines (subjectiven oder objectiven)
Seienden seinen Grund, der
Schein deutet auf ein Sein hin.
Die Eleaten erklären das Werden,
HERAKLIT das starre Sein
für Schein.
Der (mystische)
Pantheismus hält die Vielheit der Dinge für Schein,
Trug der Maya.
LAMBERT unterscheidet den
physischen Schein, wo die Sache wirklich da ist
und die Sinne erregt, vom idealischen (psychischen, moralischen)
Schein, der auf Einbildung beruht (Organ.
Phänomenol. § 20, S. 217 Ü.).
KANT unterscheidet Schein und
Erscheinung. Der Schein ist »ein
Grund, eine falsche Erkenntnis für wahr zu halten«, »nach welchem
im Urteil das bloß Subjective mit dem Objectiven verwechselt wird«(Log.
S. 77. Prolegom. § 40). Der Schein
ist nur im Urteil (Krit. d. rein. Vern.
S. 261). Im Gegensatze zur Erscheinung kann er
dem Gegenstande niemals als Prädicat (mit Recht)
beigelegt werden (l.
c. S. 73). »Der logische
Schein, der in der bloßen Nachahmung der Vernunftform besteht (der
Schein der Trugschlüsse) entspringt lediglich aus einem Mangel der Achtsamkeit
auf die logische Regel. Sobald daher diese auf den vorliegenden Fall geschärft
wird, so verschwindet er gänzlich.«
Der »transcendentale Schein«
hingegen, der der Dialektik der Vernunft zugrunde liegt, hört nicht auf,
auch wenn seine Nichtigkeit eingesehen worden ist (l.c.
S. 263).
G. E. SCHULZE erklärt:
»Schein und Täuschung besteht überhaupt
genommen darin, daß dasjenige in einer Erkenntnis, was bloß aus
der erkennenden Person und ihrer Besonderheit herrührt, für eine Eigenschaft
des erkannten Gegenstandes genommen wird«
(Gr. d. allg. Log. S. 199).
HEGEL erklärt diejenige
Realität, welche dem Begriffe nicht entspricht, für bloße
»Erscheinung« auch
im An-sich-sein. Schein
ist »wesenloses
Sein« (Log. II, 7).
HERBART erklärt: »Das
Zurückbleibende, nach aufgehobenem Sein, ist Schein.
Dieser Schein, als Schein, hat Wahrheit.
das Scheinen ist wahr. Nun liegt es im Begriff des Scheins,
daß er nicht in Wahrheit das sei, was er scheint. Sein Inhalt, sein Vorgespiegeltes,
wird in dem Begriff 'Schein' verneint. Damit erklärt
man ihn ganz und gar für nichts, wofern man ihm nicht von neuem (ganz fremd
dem, was durch ihn vorgespiegelt wird) ein Sein wiederum beifügt, aus welchem
man dann noch das Scheinen abzuleiten hat. - Demnach: wie
viel Schein,so viel Hindeutung aufs Sein« (Hauptp.
d. Met. S. 20). »Wahrhaft objectiv kann nur
ein solcher Schein heißen, der von jedem
einzelnen Objecte ein getreues Bild, wenn auch kein vollständiges, so doch
ohne alle Täuschung, dem Subjecte darstellt, dergestalt, daß bloß
die Verbindung der mehreren Gegenstände eine Form annimmt, welche das zusammenfassende
Subject sich muß gefallen lassen«
(Met. II, § 292 f.).
Nach HARMS gibt es keinen absoluten
Schein. Aller Schein ist relativ, der durch
das Denken selbst eliminiert werden kann (Log.
S. 87). Vgl. AVENARIUS, Krit. d. rein. Erfahr. II, 392 ff.
Schicksal
(moira, atê, heimarmenê, anankê,
fatum) S. 2826ff.
1) das Geschick, die Summe
der Erlebnisse eines Wesens als abhängig von der Natur desselben
und den Gesetzen der Außenwelt betrachtet,
2) die Hypostasierung der Factoren, welche das Geschick, die Lebenswendung bestimmen
(insbesondere der äußeren Factoren, der Notwendigkeit des Alls, des
äußeren Causalnexus) zu einer selbständigen, blind-gesetzvoll
handelnden Macht, welche den Erfolg des menschlichen Handelns letzten Endes
determiniert, oft so gedacht, daß die Freiheit des einzelnen, der Persönlichkeit
gar nicht zur Geltung kommt, die doch selbst ein Aktiver, das Geschick beeinflussender,
bestimmender Factor ist, sein kann.
Als selbständige, absolute Macht betrachten das Schicksal
die Griechen.
HOMER sagt: moiran d'
outina phêmi pephygmenon emmenai andrôn, ou kakon oude men esthlon,
epên ta prôta genêtai (Il.
z' 488).
HERAKLIT faßt die
heimarmenê als Logos
auf.
Als gesetzmäßige Notwendigkeit bestimmen
das Schicksal die Stoiker
(Diog. L. VII,- 149. Cicer., De nat. deor. I, 25,
70).
CHRYSIPP erklärt: heimarmenê estin
ho tou kosmou logos, ê logos tôn en tô kosmô pronoia
dioikoumenôn (Stob. Ecl. I 5, 180).
ZENO nennt das Schicksal
dynamin kinêtikên tês hylês
(l. c. 178).
Nach SENECA ist das »fatum«
»series implexa causarum« (De benef.
IV, 7). »Ordinem rerum fati aeterna series
rotat, cuius prima haec lex est, stare decreto. Quid enim intelligis fatum necessitatem
rerum omnium actionumque quam nulla vis rumpat«
(Natur. quaest. II, 36, 46).
Nach MARC AUREL ist durch das Schicksal
alles notwendig bestimmt (In se ips. IX, 15).
ALEXANDER VON APHRODISIAS erklärt: heimarmenên
mêden allo ê tên oikeian physin hekastou (De
fato 6, p. 14, ed. Orelli).
Nach PROKLUS ist das Schicksal
abhängig von der Vorsehung, ist gleichsam deren Bild (Opp.
I, 24).
Nach ALBERTUS MAGNUS ist das »fatum«
»decretum principis proridentiae divinae promulgatum in omnia quae suis
ordinibus nectenda sunt« (Sum. th. I,68,
3).
THOMAS bemerkt: »Fatum
est in ipsis causiscreatis, inquantum sunt ordinatae a Deo ad aliquos effectus
producendos« (Sum. th. , 116, 2 c).
Im Sinne der Stoa lehrt POMPONATIUS
(De fato,1523).
Nach CAMPANELLA besteht das Schicksal
im Zusammenwirken vieler Dinge, es gehört zur Ordnung der Dinge
(Univ. philos. IV, 1).
MICRAELIUS erklärt: »Fatum est vel physicum
vel Chaldaicum vel Stoicum.« »Fatum physicum est ordo secundarum
causarum decreta providentiae divinae exequentium.« »Fatum Chaldaicum
seu astrologicum est, quo quis astrorum inclinationibus subiacet.« »Fatum
Stoioum est, quo ipse Dens ad necessitatem compellitur« (Lex.philos.
p. 426).
LEIBNIZ unterscheidet »fatum
Mahometanum, Stoicum, Christianum« (Theod.
§ 58).
Nach BAUMGARTEN ist das »fatum«
»necessitas eventuum in mundo«
(Met. § 382).
Nach PLATNER ist das Schicksal
»die Reihe der Begebenheiten, welche in der
Welt aufeinander folgen« (Philos. Aphor.
I, § 1021).
SCHILLER: »In deiner
Brust sind deines Schicksals Sterne« (Wallenstein).
ESCHENMAYER bemerkt: »Wie
sich die einzelne Handlung des Menschen mit dem Ganzen verkettet, wie das reagiert,
auf das sie trifft, durch welche Collisionen unser frei entworfener Plan geführt
und durch welche günstige Umstände er befördert werde, das bleibt
ewig Schicksal« (Psychol. S. 433). –
EMERSON bemerkt: »Was
uns immer begrenzt, das nennen wir Schicksal.« Aber die Freiheit
des Menschen ist ein Teil des Schicksals. Die Seele des Menschen enthält
ihr Schicksal. »Die Ereignisse unseres Lebens sind
ein Abdruck unseres Wesens.« »Unsere Schicksale sind das Resultat
unserer Persönlichkeit« (Essays,
Lebensführ. S. 16 ff.). Vgl. Notwendigkeit,.
Schöpfung
(creatio)
S.2870ff. Siehe
auch bei Kirchner
Hervorbringung eines Objects durch den Willen, beim Künstler
in Verbindung mit der Phantasie, bei der Gottheit als (ewige) Betätigung
des göttlichen Wesens in einer (ewig) gesetzten Vielheit von Dingen,
einer Welt. Ewig ist die Schöpfung der Welt, insofern die Zeit erst mit
der Welt gesetzt, der Schöpferwille an sich überzeitlich sein muß.
Während manche die Welt für
unerschaffen, ewig halten, lehren andere die Schöpfung
der Welt aus nichts, andere aus einem ewigen Stoffe.
Die Schöpfung wird bald als zeitlicher, bald als überzeitlicher, ewiger,
continuierlicher Act (»creatio continua«)
bestimmt.
Der Begriff der »Schöpfung
aus nichts« (»ex nihilo«) ist
ein biblischer ex ouk
ontôn, (Marc. VII, 28. vgl. IRENAEUS,
Adv. haeres. II, 10, 14).
Im »Buch der Weisheit« wird
gesagt, Gott habe den Erdkreis »ex
materia invisa« geschaffen (Lib.
sap. XI, 18. vgl. Makk. II, 2, 28. Genes. 1, 1). Hier
findet sich auch der Begriff der Forterhaltung der Welt
durch Gott (l. c. XI, 26).
Ähnlich lehren HILARIUS (In
Psalm 91, 7), CHRYSOSTOMUS (In
ep. ad Col. 3, 2).
Die Ewigkeit der Weltschöpfung betont ORIGENES
(De princ. I, 2, 10. III, 308).
Nach AUGUSTINUS wäre
die Welt nichts ohne die erhaltende Schöpferkraft Gottes (Conf.
XI, 31. De civ. Dei XII, 25).
Nach SCOTUS ERIUGENA war Gott »semper
creator« (De div. nat. III, 1).
Nach JOH. PHILOPONUS hat
Gott die Welt aus dem Nichts geschaffen (De
aetern. mund. XI, 1. XII, 1).
So lehren auch ALGAZEL, SAADJA,
MAIMONIDES (Doct. perpl. I, 74, 2), IBN
GEBIROL, LEVI BEN GERSON. ANSELM,
der die »creatio continua«
betonte (Monol.
13), so auch
THOMAS (Contr. gent. II, 38). »Creare«
ist »aliquid ex nihilo facere« (Sum.
th. I, 45, 20b. 2), »dare esse« (l
sent. 37, 1, 1c). »Creatio« ist Emanation
»totius entis a causa universali, quae est Deus« (Sum.
th. I, 45, 1c).
Der christliche Gedanke, daß Gott die Welt aus Liebe und Güte geschaffen,
findet sich u.a. auch bei PETRUS LOMBARDUS
(Lib. sent. II, 1, 3).
DUNS SCOTUS führt
die Schöpfung und den freien Willen Gottes zurück. –
Die ewige Schöpfung und Erhaltung der Dinge durch
Gott betonen die Mystiker, so
ECKHART, ANGELUS SILESIUS u.a.
Nach NICOLAUS CUSANUS ist das göttliche
Schaffen ein »communicare« des
göttlichen Seins an alles, damit Gott alles in allem
sei und doch absolut bleibe (De vis. Dei 12).
Die Schöpfung aus nichts lehrt NICOL.
TAURELLUS (Philos. triumph. III).
Eine Schöpfung der Welt lehren TELESIUS
(De nat. rer. IV, 167 ff.), CARDANUS
(ewige Schöpfung), CAMPANELLA u.a. -
Die continuierliche Creation
lehrt DESCARTES (Med.
III), auch SPINOZA: »Hinc
sequitur, Deum non tantum esse causam, ut resincipiant existere. sed etiam,
ut in existendo perseverent, sive Deum esse causam essendi rerum« (Eth.
I, prop. XXIV, coroll.). »Creationem esse
ope-rationem, in qua nullae causae praeter efficientem concurrunt, sive res
creata est illa, quae ad existen-dum nihil praeter Deum praesupponit«
(Cog. met. II, 10).
Die »creatio continua«
betonen ferner BAYLE,.
Die Schöpfungen verhalten sich zu Gott, wie unsere
Imaginationen zu unserer Seele, LEIBNIZ (Theod.
§ 388).
CHR. WOLF bemerkt:
»Gott hat Dingen, die durch seinen Verstand bloß
möglich waren, auch durch seine Macht die Wirklichkeit gegeben. Diese Wirkung
Got-tes wird die Schöpfung genennet« (Vern.
Ged. I, § 1053. vgl. Theol. nat.). Die Ewigkeit
der Welt ist möglich.
LESSING bemerkt: »Gott
dachte seine Vollkommenheit zerteilt, das ist: er schaffte Wesen«
(Christent. d. Vern.).
Nach FEDER hat Gott die Welt aus Güte
geschaffen (Log. u. Met. S. 420).
Nach KANT ist Endzweck der Schöpfung
das vernünftige Weltwesen unter moralischen Gesetzen
(Krit. d. Urt. § 87).
Nach SCHELLING
ist Schöpfung »Darstellung
der unendlichen Realität des Ich in den Schranken des Endlichen«
(Vom Ich, S. 138), der
Proceß der vollendeten Bewußtwerdung
und Personalisierung Gottes (WW. I 7, 433).
Die Zeitlosigkeit der Schöpfung betont STEFFENS
(Anthropol. S. 204 ff.).
Nach HILLEBRANDT ist die Schöpfung »die
ewige Subjectivierung Gottes an der unendlichen Universalobjectivität der
Dinge«. Die Welt ist ewiges Correlat Gottes (Philos.
d. Geist. II, 328).
HEGEL erklärt: »Die
Schöpfung ist... ewig, sie ist nicht einmal
gewesen, sondern sie bringt sich ewig hervor, da die unendliche Schöpferkraft
der Idee perennierende Tätigkeit ist« (Naturphilos.
S. 433).
Nach C. H. WEISSE ist die Schöpfung die
Tat Gottes, durch die er sich selbst seine Bestimmtheit gibt (Grdz.
d. Met. S. 562. vgl. Idee d. Gotth. S. 281 ff.).
Nach LAMMENAIS ist die Schöpfung die Realisation
der göttlichen Ideen durch den freien Willensact Gottes.
Einen freien Schöpfungsact lehrt SECRÉTAN
(La philos. de la liberté3, 1879. La
raison et le christianisme, 1863).
Nach CHALYBAEUS ist die Schöpfung das Setzen
des Endlichen im Unendlichen (Wissensch. S.
323 ff.).
GIOBERTI sieht in der göttlichen
Schöpfertätigkeit die Urdialektik. Das Ursein
schafft die Einzelwesen (s. Ontologismus).
Nach MAMIANI ist die Schöpfung ein überzeitlicher,
continuierlicher Act (Conf. I, 515).
Nach FECHNER besteht die Schöpfung nur in einer
Sichtbarmachung der Potenz in Gott (Zend-Av.
I, 264) Ein unendlicher Drang zur Schöpfung
bestand von Anfang an (l.
c. S. 265).
FICHTE erklärt, daß »alles
Schaffen, alle Weltgenesis in einem uranfänglich ewig vollendeten Denken
gründet«. Die Dinge sind in Gott urgedachte
Wesenheiten (Üb.
Gegens.,Wendep. u. Ziel heut. Philos. 1832/46). Das
schöpferische Princip ist absolut imaginative Tätigkeit. Die Schöpfung
ist freie Willenstat Gottes, in welchem ein ewiges Universum besteht
(ib.), sie ist zeitlos
(Theist. Weltans. S. 115 ff.), besteht in der
Entlassung der »Urpositionen«
zur Selbständigkeit, zum Für-sich-wirken-lassen
(Specul. Theol. S. 427 ff., 468).
ULRICI betont: »Der Schöpfungsbegriff
involviert... keineswegs, daß aus nichts etwas hervorgehe oder daß
nichts von selbst in etwasübergehe, sondern daß durch etwas, Gott,
ein anderesEtwas gesetzt sei«(Gott u.
d. Nat. S. 638). Schaffen ist »ein absoluter,
an keine Bedingung, also auch nicht an die Bedingung eines bereits vorhandenen
Stoffes gebundenes Wirken« (l. c. S.
639). Indem Gott als producierend-unterscheidende
Urkraft tätig ist, ist der Gedanke seiner selbst und der eines andern,
von ihm Verschiedenen gegeben (l.
c. S. 640), als die
»Urgedanken« (l.
c. S. 641). Die Welt geht aus Gott hervor
(ib.), als Verwirklichung
einer göttlichen Idee (l. c. S. 643),
als Gedanke Gottes (ib.),
von Ewigkeit her (l.
c. S. 659).
Als überzeitlich faßt die Schöpfung
auch BOSTRÖM auf, auch BIEDERMANN
(Christl. Dogmat. II, 535), PFLEIDERER
(Religionsphilos. 2. Abschn., 3. Hptst.) u.a.
Nach G. SPICKER ist die Welt eine Schöpfung
aus Gott, in dem der eine Gegensatz als Materie
besteht (Vers. ein. neuen Gottesbegr. S. 153).
Nach AD. SCHOLKMANN ist die Schöpfung
»derjenige Act der Selbstbetätigung, durchwelchen
Gott in Erfüllung seines Bedürfnisses der Selbstmitteilung die in
seinem Ewigkeits- und Zeitbe-wußtsein idealiter ewig gesetzte und damit
auch in der Vollziehung seines Selbstwillens als diesem untergeordnetes, von
ihm mit umfaßtes Moment realiter ewigvorhandene Welt durch einen zeitlichen,
die Zeit und alles zeitliche Geschehen begründenden Willensact zu einer
auch in sich seienden Objectivität verwirklicht hat«
(Grundlin. ein. Philos. d Christent S. 292 ff.). »Die
Idee der Schöpfung ist bedingt durch die Idee der göttlichen Liebe«
(ib.).
A. DORNER erklärt:
»Man wird nicht sagen können, daß Gott
aus nichts geschaffen habe, sondern daß Gott die Welt aus sich, aus den
in ihm vorhandenen Potenzen geschaffen habe und schaffe.« Die göttliche
Action ruft so »Einheitspunkte hervor, in denen die eine göttliche
Action als eine besondere Art der Tätigkeit dem jeweiligen Einheitspunkt
gemäß sich offenbart. Auf diese Weise ist Gott über der Welt
als vollendete Einheit und ist inihr doch activ, ist ihr immanent«. Gott
ist »das ewig mit sich einige, sich selbst wissende und wollende Ur-Ich,
das sich zugleich als den ewigen Möglichkeitsgrund der Welt weiß
und will« (Gr. d. Relig. S. 34 ff.).
Seele
(psychê, anima),
Siehe auch bei Kirchner
ursprünglich der Lebenshauch, der im letzten Atemzug
den Sterbenden zu verlassen scheint, das Princip des Lebens und Empfindens,
das man (auf Grund der Deutung der Phänomene des
Traumes, der Ekstase u.s.w.) sowie infolge der allgemeinen Vergegenständlichungstendenz
des Denkens als ein selbständiges, vom Leibe trennbares
Wesen (von feinstem Stoffe) auffaßt.
Allmählich erst entwickelt sich der primitive, animistische Seelenbegriff
zu dem Begriff einer immateriellen Substanz oder
auch zu dem eines bestimmten, feinen Körpers (Materialismus)
oder zu dem des Lebens- und Empfindungsprincips schlechthin. Empirisch ist »Seele«
jetzt nur ein Name für den einheitlichen Inbegriff des psychischen Lebens,
für das Bewußtsein selbst. Ein Wesen hat eine Seele, ist beseelt
heißt, es ist fähig, zuempfinden, zu fühlen, zu wollen
u.s.w. Die Seele ist demnach nicht ein vom Leibe verschiedenes, getrennt existierendes,
substantielles Wesen, sie ist auch nicht ein materielles Ding, sondern ein Wesen
ist Seele, sofern es Leben und Bewußtsein hat, es ist Körper, sofern
es als im Raume ausgedehnt, als undurchdringlich u.s.w. erscheint.
»Seele« und »Leib« sind
nicht zwei Dinge, doch sind sie auch nicht eins, sondern sie sind Namen, Begriffe
für zwei Daseins- oder Erscheinungsweisen, besser für zwei
Betrachtungsweisen einer Wirklichkeit. Diese ist Seele
(seelisch) vom Standpunkt der unmittelbaren (inneren),
sie ist Körper vom Standpunkt der mittelbaren,
abstract-naturwissenschaftlichen Erkenntnis. Die Seele
kann als das »Innensein«, »Für-sich-sein«
eines Wesens bezeichnet werden. Ist nun auch dieses Innensein kein Ding, keine
Substanz, besteht seine Wirklichkeit in seiner Wirksamkeit, in der Actualität
des Bewußtseins selbst, so ist es doch nicht bloß
ein »Bündel« von Einzelzuständen, sondern
einheitlicher Zusammenhang, einheitliches
Subject und insofern doch substantiell, besser übersubstantiell,
ein sich selbst permanent in seinen Acten setzendes Wirken. Metaphysisch ist
die Seele das reine Subject, die Ichheit,
deren qualitativer Charakter ein sich selbst (in einem Organismus) objectivierender,
constanter Wille ist. Zwischen Seele und Leib besteht (empirisch) ein »Parallelismus«
.
Der Dualismus lehrt die Gesondertheit,
Verschiedenheit von Seele und Leib; er betrachtet die beiden als zwei
Substanzen oder zwei Arten von Vorgängen. Die Seele gilt hier bald als
eine vom Leibe qualitativ, bald als eine nur existentiell verschiedene analoge
Wesenheit. Der Monismus betrachtet entweder die
Seele als das An-sich der Dinge, als deren Erscheinung den Körper (Spiritualismus),oder
die Seele als bloße Erscheinung, Function des Körpers, der oft selbst
als die Seele bezeichnet wird (Materialismus) oder es sind ihm Seele und Körper
zwei Erscheinungen, Daseinsweisen eines Wesens (Identitätslehre). Vom Standpunkt
der Substantialitätstheorie ist die Seele eine Substanz, von dem der Actualitätstheorie
ist sie der Inbegriff psychischer Processe selbst. Die Seele
wird ferner als einfach oder sie wird als zusammengesetzt gedacht. Betreffs
des »Sitzes« der »Seele« >>Seelensitz.
Zur Etymologie des Wortes Seele vgl. PLATO,
Cratyl. 400 A. ARISTOTELES, De
an. I 2, 405 b 28.ADELUNG, GRIMM. CARUS, Gesch.
d. Psychol. S. 103 ff.. VOLKMANN, Lehrb. d.
Psychol. I4, 71. K. K. KRESTOFF, Lotzes
met. Seelenbegr. 1890, S. 25.
Die Upanishads bezeichnen
die individuelle Seele als »jiva âtman«
und unterscheiden davon die Weltseele.
Der Buddhismus unterscheidet
die Lebenskraft (»akegerun«) und
die geistige Seele (erkin sunesun) (vgl.
Bastian, Psychol. d. Buddhism. S. 34 ff.).
Ähnlich die Bibel, in
welcher »nephesch«
das im Blute befindliche Lebensprincip ist (IV.
Mos. 6, 6), im Unterschiede vom »ruach«
oder »neschamâ«.
Die altgriechische Anschauung von der Seele findet
sich bei HOMER dargestellt. Darüber bemerkt
VOLKMANN (Lehrb. d. Psychol.
I4, 56): »Die Homerische Psyche ist nur die
personifizierte Lebenskraft: ein ätherischer Leib im materiellen Leibe,
von diesem abtrennbar und dann als eidôlon gleichsam als Schattenbild,
als Rauchsäule oder Traumgestalt des früheren Menschen fortbestehend«
(Od. X, 495, XI, 222. II. XXIII, 100).
»Der eigentliche wirkliche Mensch, der autos, ist
der Leib« (II. I, 4), »ihm
steht die Psyche gegenüber, als das, weil belebende, dem Tode unzugängliche
Princip«(II. XXIII, 65). »Das
eigentliche, wenn auch materialistisch gefaßte Princip des Seelenlebens
ist bei Homer der thymos..., dem freilich nicht mehr die bloße Empfindung
und Bewegung, sondern auch alles, was der Empfindung nachfolgt und der Bewegung
vorangeht: Überlegung, Erkenntnis, Gefühl und Begierde, beigelegt
wird. Auch er verläßt nach Homerischer Anschauung, ohne mit der psychê
identisch zu sein, im Tode den Leib. nach der Darstellung der Nekyia hingegen
hört er, während die Psyche den Gebeinen enteilt, mit den Functionen
des Lebens auf« (Od. XI, 220 ff.).
»Das Organ und die somatische Vorbedingung des thymos
sind die phrenes, die dahertropisch statt des thymos selbst gesetzt und überall
angenommen werden, wo der thymos selbst zum Vorschein kommen soll« (II.
XI, 245, XVIII, 419. Od. VII, 556).
Als Princip der Empfindung und Bewegung bestimmen die älteren
griechischen Naturphilosophen die Seele
(vgl. Aristot., De an. I 2, 405 b 11).
So THALES, der die Seele als
kinêtikon, auffaßt.
Der Magnet hat eine Seele, weil er das Eisen bewegt (Arist.,
De an. I 2, 405a 19. vgl. Stob. Ecl. I, 794).
Nach HIPPON ist die Seele
Wasser, Feuchtes (Arist., De an. I 2, 405 b
2. Stob. Ecl. I, 798).
Nach ANAXIMENES ist sie
Luft, aêr ousa synkratei hêmas
(Plut.,Ep. I, 3, Dox. 278).
So lehrt auch DIOGENES VON APOLLONIA. Die
Seele ist Luft als die feinste Substanz, die zu bewegen und zu erkennen vermag
(Arist., De an. I 2, 405 a 21 squ.). –
Als Harmonie des Leibes bestimmen die Pythagoreer
die Seele: harmonian
gar tina autên legousi. kai gar tên harmonian krasin kai synthesin
enantiôn einai, kai to sôma synkeisthai ex enantiôn (Arist.,
De an. I 4, 407 b 27 squ.. Polit. VIII 5, 1340b 18).
Nach einigen Pythagoreern sind die Sonnenstäubchen
oder das sie Bewegende die Seele: ephasan gar
tines autôn psychên einai ta en tô aeri xysmata, hoi de to
tauta kinoun (Arist., De an. I 2, 404
a 18 squ.). Auch als apospasma aitheros kai
tou thermou kai tou psychrou wird die Seele
bezeichnet (Diog.
L. VIII, 1, 38).
Nach ALKMAEON ist
die Seele eine sich selbst bewegende Zahl arithmon
auton kinounta, (Stob. Ecl. I, 794),
die ihren Sitz im Gehirn hat (Theophr.,
De sens. 26 squ.. Plut., Plac. IV, 16 squ.. vgl. Arist., De an. I 2, 40.5 a
30 squ.. Stob. Ecl. I, 796).
Nach HERAKLIDES kommt die
Seele vom Äther herab (Stob. Ecl. I, 796,
904). -
Als feinste (unkörperliche) Materie, als Teil des
Urfeuers bestimmt die Seele HERAKLIT (Mull.,
Fragm. I, 74). Er bezeichnet sie als
tên anathymiasin, ex hês talla synistêsin (Arist.,
De an. I 2, 405 a 25 squ.).
Nach XENOPHANES ist die Seele ein pneuma
(Diog. L. IX 2, 19).
DEMOKRIT lehrt die Existenz
von Seelenatomen, feinsten, beweglichen, runden Atomen, die sich zwischen den
Körperatomen im Organismus befinden:
toutôn (stoicheiôn) de ta sphairoeidê psychên, dia to
malista dia pantos dynasthai diadynein tous toioutous rhysmous kai kinein ta
loipa kinoumena kai auta, hypolambanontes tên psychên einai to parechon
tois zôois tên kinêsin. dio kai tou zên horon einai
tên anapnoên (Arist., De an.
I 2, 404 a 1 squ.). kinoumenas gar phêsi
tas adiairetous sphairas dia to pephykenai mêdepote menein synephelkein
kai kinein to sôma pan (l. c. I
3. 406b 15 squ.). -
Den Actualitätsstandpunkt soll schon
PROTAGORAS ausgesprochen haben:
elege te mêden einai psychên para tas aisthêseis
(Diog. L. IX, 51).
SOKRATES unterscheidet Seele
und Leib principiell (vgl. Xenoph., Memor.
I, 4).
So auch PLATO. Nach ihm ist
die Seele unkörperlich, unbewegt, aber sich selbst und damit ihren Leib
bewegend (autokinêton), sie
ist ein Mittleres zwischen dem Teillosen (den Ideen)
und dem Teilbaren (Theaet. 35 A. Phaed, 245).
Auf Erden ist die (schon
präexistentiale) Seele an den Leib als ihren Kerker gefesselt (Cratyl.
400. Phaedr. 247 C, 250. Clorg. 493). Der Leib
ist sêma psychês, daß
Fahrzeug (ochêma) der
Seele, das sie wie ein Steuermann lenkt (Tim.
41 E). Der Mensch besteht aus Seele und Leib (Phaedr.
246 D), wobei die Seele das Lebensprincip ist:
aition esti tou zên autô, tên tou
anapnein dynamin parechon kai anapsychon, hama de ekleipontos tou anapsychontos
to sôma apollytai te kai teleuta (Cratyl. 399 D).
Die Teile, Formen (eidê) der
Seele sind das logistikon (noêtikon,
theion) im Haupte, das
thymoeides in der Brust, das
epithymêtikon im
Unterleib (Rep. 435 B, 441 E. Tim. 77 B). –
Nach SPEUSIPPUS ist die Seele
die durch die Zahl harmonisch gestaltete Ausdehnung (Stob.
Ecl. I 41, 862. Plut., De an. procr. 22).
Nach XENOKRATES ist
die Seele die sich selbst bewegende Zahl: arithmos
hyph’ heautou kinoumenos (Plut.,
De an. procr. 1. Stob. Ecl. I, 862. Arist., De an. I 4, 408 b 32).
Nach ARISTOTELES ist
die Seele das den Leib zueinem Lebendigen Machende (vgl.
Siebeck, Aristoteles S. 70), »die stetig
vorhandene Möglichkeit« der Lebensfunctionen des Leibes, die »Functionsverwirklichung
eines organischen Körpers« (ib.).
Sie ist das hô
zômen kai aisthanometha kai dianooumetha prôtôs (De
an. II 1, 414 a 12 squ.), tou zôntos
sômatos aitia kai archê (l.
c. II 4, 415 b 8). dokei gar tounantion mallon
hê psychê to sôma synechein.exelthoisês goun diapneitai
kai sêpetai (l. c. I 5, 411b 8).
Die Seele ist Form, Energie, Entelechie, sich selbst verwirklichende,
entwickelnde, vollendende, geistig-teleologisch gestaltende Actualität
des Organismus: hê psychê estin
entelecheia hê prôtê sômatos physikou dynamei zôên
echontos. toiouto de, ho an ê organikon (De
an. II 1,412 a 27 squ.). ei gar ê ho
ophthalmos zôon, psychê an ên autou hê opsis. hautê
gar ousia ophthalmou hê kata ton logon. ho d' ophthalmos hylê opseôs,
hês apoleipousês ouket' ophthalmos (l.
c. II 1, 412 b 10 squ.). Die Seele ist nicht ein
Wesen, das vom lebenden Organismus getrennt existiert, da sie die psychische
Kraft desselben ist (l. c. II 1, 413a 4 squ.).
Die Seele kommt als vegetative Seele (threptikon)
auch schon den Pflanzen zu (l.
c. II 2, 413 b squ.). Die Tierseele ist zugleich
begehrend (orektikon) empfindend
(aisthêtikon),
bewegend (kinêtikon
kata topon) (l. c. II 2, 414a 30 squ.).
Im Menschen kommt dazu noch das dianoêtikon,
der Geist , welcher vom Leibe trennbar, unsterblich ist, eine »andere
Art Seele«psychês genos heteron,
(l.
c. i1 2, 413 b 26).
Von den Peripatetikern bemerkt EUDEMUS, psychês
ergon to zên poiein (Eth. Eud. 1219a
28).
STRATO faßt
die Betätigungen der Seele als »Bewegungen« auf: tên
psychên homologei kineisthai ou monon tên alogon, alla kai tên
logikên, kinêseis legôn einai tas energeias tês psychês
(Simpl. ad Phys. f. 225). -
Nach DIKAEARCH ist die Seele
nur eine Harmonie der vier Elemente harmonian
tôn tettarôn stoicheiôn (Stob.
Ecl. I, 796. Plut., Plac. IV, 2). »Nihil
esse omnino animum, et hoc esse nomen totum inane, frustraque et animalia et
animantes appellari. neque in homine inesse animum vel animam, nec in bestia,
vimque omnem eam, qua vel agamus quid, vel sentiamus, in omnibus corporibus
vivis aequabiliter esse fusum, nec separabilem a corpore esse, quippe quae nulla
sit, nec sit quidquam, nisi corpus unum et simplex, ita figuratum, ut temperatione
naturae vigeat et sentiat« (Cicero, Tusc.
disp. I, 10, 21).
Nach ARISTOXENUS ist
die Seele eine »Stimmung« des Leibes. »Aristoxenus...
ipsius corporis intentionem. velut in cantu et fidibus, quae harmonia dictur,
sic ex corporis totius natura et figura varios motus cieri. tanquam in cantu
sonos« (Cic., Tusc. disp. I, 10, 20).
Nach KRITOLAUS ist die Seele
die »quinta essentia«, welche den Leib zusammenhält (Tertull.,
De an. 5).
Die Stoiker betrachten
die menschliche Seele als Teil, Ausfluß der (stofflich
gedachten) Weltseele.
Sie ist to symphyes hêmin pneuma (Diog.
L. VII, 156), pneuma symphyton hêmin
syneches panti tô sômati diêkon
(Galen, Hipp. et Plat. plac. ed. K. V, 287), ätherisches Feuer (Cicer.,
De nat. deor. III, 14, 36. Tusc. disp. I, 9, 19).
Im Menschen ist das pneuma
zu einer synektikê
dynamis verdichtet
(vgl. Diog. L. VII 1, 138b, 156). Sie
ist ein pneuma enthermon - toutô gar
hêmas einai empnoous kai hypo toutou kineisthai (l.
c. 157). dia tên psychên ginetai
to zên (Stob. Ecl. I, 336).
Man sieht in der Seele araioteron
pneuma tês physeôs kai leptomeresteron
(Plut., Stoic. rep. 41, 2). Sie ist physis
proseilêphyia phantasian kai hormên (Phil.
Leg. Alleg. 1, 1). Die Seele ist stofflich, denn
nur Stoffliches kann wirken und leiden (Cicer.,
Acad. I, 39. Senec., Ep. 106, 3. Nemes., De nat. hom. 2). Sie
besteht aus acht Teilen.
CICERO nennt die Seele
»incorpoream naturam, omnisque concretionis ac materiae
expertem« (Acad. IV, 39).
Auch SENECA (Ep. 65, 22.
92, 13) und EPIKTET (Diss.
I, 3, 3) bringen Seele und Leib in einen gewissen
Gegensatz. –
Streng materialistisch lehren die Epikureer.
Die Seele ist luftartig, besteht aus feinsten Atomen:
sie ist sôma
leptomeres, par' holon to athroisma paresparmenon (Diog.
L. X, 63 squ.). ex atomôn autênsynkeisthai
leiotatôn kai strongylôtatôn, pollô tini diapherousôn
tôn tou pyros (l. c. X, 66). Die Seele
ist krama ek tettarôn, ek poiou pyrôdous,
ek poiou aerôdous, ek poiou pneumatikou, ek tetartou tinos akatonomastou
(Plut., Plac. IV, 3).
Die materielle Natur der Seele betont LUCREZ
(De rer. nat. III, 161 squ.).
Seele und Geist unterscheiden PLUTARCH,
PHILO u.a.
Nach PLOTIN ist die menschliche
Seele ein Sprößling der Weltseele
(Enn. IV, 3, 4 squ.), eine
Emanation des
nous. Sie ist weder Körper, noch Harmonie,
noch Entelechie, ist immaterielle Substanz (l.
c. IV, 2, 1). Sie ist in sich ganz und ungeteilt,
nur hinsichtlich des Leibes geteilt (l.
c. IV, 2, 1), ist eine Einheit (l.
c. IV, 9, 2 squ.). Sie umfaßt den ganzen
Körper, durchdringt ihn, ist nicht in ihm (l.c.
IV, 3, 9). Sie ist vom Leibe trennbar (l.
c. IV, 3, 20). Der Körper ist in der Seele,
ist ihr Organ (l. c. IV, 3, 22 squ.).
Aus ihr emaniert das Körperliche (l.
c. III, 7, 10). Die Seele ist in allem eine (mia)
(l. c. IV, 9, 2 squ.).
PORPHYR definiert
die Seele alsousia amegethês aulos, aphthartos,
en zôê par' heautês echousê to zên kektêmenê
to einai (Stob. Ecl. I, 818).
PROKLUS erklärt:
pasa psychê mesê tôn ameristôn esti kai tôn peri
ta sômata meristôn (Inst.
theol. 190). Sie ist unkörperlich:
pan to pros heauto epistreptikon asômaton estin
(l. c. 15). -
Nach NUMENIUS hat
der Mensch zwei Seelen, eine vernünftige
(logikên) und eine vernunftlose
(alogon).
Nach NEMESIUS ist die Seele
ousia autotelês asômatos
(Peri phys. 98. vgl. II, 90).
Sie ist ganz in jedem Teile ihres Leibes (l.
c. III).
Als denkende und belebende Kraft bestimmt die Seele
BASILIUS (Const. monast.
II, 2).
Die Manichäer nehmen zwei
Seelen im Menschen an, eine Lichtseele und eine Leibesseele (August.,
De duab. an. 1, 12). -
Als feinen Stoff betrachtet die Seele TERTULLIAN,
als »corpus sui generis
in sua effigie« (Adv. Prax.).
Sie ist ein Pneuma,
weil sie als »flatus«
atmet (De an.
10 squ., 18). Tertullian nennt
sie »Dei flattu natam, immortalem, corporalem,
effigiatum« (De an. 8, 9), »flatus
Dei«, »vapor spiritus« (l.
c. 4, 27). Sie ist ein abgeschwächter göttlicher
Geist (Apol. 21), eine
Substanz in abgeleiteter Weise (Adv.
Prax. 7), ausgedehnt (De
an. 7), mit Organen versehen (L
e. 37).
Stofflich ist die Seele auch nach ARNOBIUS
(Adv. gent. II, 30)
Nach LACTANTIUS ist die Seele
licht- und feuerartig, sie durchdringt den Leib (Inst.
VII, 12 squ.).
Nach ORIGENES ist sie ein
Lebensgeist (De princ. I, 1, 7. II, 8, 1. III,
4, 1), »substantia phantastikê
et hormêtikê« (l. c.
II, 8, 1). -
Nach GREGOR VON NYSSA ist
die Seele eine einfache, immaterielle Substanz, haplê
kai asynthetos physis; ousia zôsa, noera, ousia autotelês asômatos
(De an. et resurr. p. 98 ff.. ed. Oehler, 1859, I,
p. 18).Die Seele durchdringt
den ganzen Leib dynamisch, der Leib ist in ihr (De
opif hom. 11 squ.).
Als eine immaterielle Substanz (»substantia
spiritualis«) bestimmt die Seele AUGUSTINUS
(De trin. XI, 1. X, 10, 15. De quant. an. 2, 3. De
ver. rel. 10, 18). Sie ist »rationis
particeps, regendo corpori accommodata«
(De quant. an. 13), »simplex«, »incorporea«,
weil sie Unkörperliches erkennt (l. c.
14), einheitlich »in
singulis tota operatur« (l. c. 19),
»indissolubilis«
(l. c. 24) durch den ganzen Leib verbreitet. »per
totum corpus, quod anima non locali diffusione sed quadam intentione vitali
porrigitur« (Ep. 166. De an. IV, 21).
Sie gestaltet den Leib zum Leib (De
imm. an. 15: »Tradit speciem anima corpori,
ut sit corpus in quantum est«. Durch innere
Erfahrung wird die Seele als Subject der psychischen Tätigkeit erfaßt
(De trin. X, 15 squ.).
Nach CLAUDIANUS MAMERTINUS ist
die Seele eine immaterielle Substanz, welche den Körper umfaßt und
zusammenhält. Sie ist »tota in corpore«
(De stat. an. III, 2a. II, 7. I, 15, 18, 21, 24).
ALCUIN bestimmt: »Anima sou animus ost spiritus
intellectualis, rationalis, semper in motu, semper vivens, bonae malaeque voluntatis
capax« (De an. rat. ad Eulal. virg. 10).
SCOTUS ERIUGENA definiert: »Anima
est simplex natura et individua« (De
div. nat.II, 23). Die Seele ist sich selbst denkende
Substanz (l.c. I,10).
Die Seele durchdringt den Körper. »Cum
totum sui corporis organum penetrat, ab eo tamen concludi non valet« (l.
c. IV, 11). »Anima... incorporales qualitates
in unum conglutinante et quasi quoddam subiectum ipsis qualitatibus ex quantitate
sumente et supponente corpus sibi creat«
(l. c. II, 24). Die Seele ist
»una« in
allen ihren Operationen (l. c. IV, 5).
Der Leib ist »imago
quaedam animi« (l. c. IV, 11).
Bei den Motakallimûn sind
zwei Ansichten vertreten: »Quidam dicunt,
animam esse compositam ex multis subtilissimis substantiis aceidens quoddam
habentibus, quae uniantur et coniungantur et animata fiant.« »Quidam
statuunt, animam esse accidens existens in unoaliquo atomorum eorum, e quibus
homo verbi gratia compositus est« (Maimon.,
Doct. perplex. I, 73).
Nach AL-KINDI ist die Seele
eine einfache Substanz.
Aristotelisch definiert AVICENNA
die Seele als »perfectio
prima corporis naturalis instrumentalis, habentis opera vitae«
(De natural. 6). Die Seele ist Princip der Bewegung,
»forma essentialis«, »actus primus corporis
naturalis organici« (De an. 1 squ.).
Die »anima rationalis«
ist Substanz (l.
c. 9), »simplex absolute et a materia separata«
(De Almah. 7).
Als Form, Entelechie des Organismus bestimmt die Seele
auch AVERROES (Epit.
met. 4, p. 150). Eineallgemeine Seele ist in allen,
»et anima quidem Socratis et Platonis sunt eadem
aliquo modo et multae aliquo modo« (Destruct.
destruct. I, 1). –
Nach der KABBALÂ besteht
der Mensch aus dem vernünftigen Geiste (neschomo),
aus der Seele (ruach)
und dem Lebensprincip (nephesch)
(vgl. Franck, La cab. p. 232 f.).
Nach SAADJA ist
die Seele eine von Gott geschaffene Substanz (Emunoth
VI, 2).
Nach ISAAK VON STELLA ist
die Seele unkörperlich, aber nicht ohne Leib möglich (vgl.
Siebeck, a. d. Psych. I 2, 414).
Nach MAIMONIDES ist die
menschliche Seeleeine substantiale Form.
Nach ALEXANDER VON HALES ist
die Seele »forma substantialis«,
einfach, unteilbar (Sum.
th. II, 90, 2. 62, 1).
Als »perfectio«
bestimmt die Seele WILHELM
VON AUVERGNE (De an. l, l).
Eine einfache, geistige Substanz (»incorporea
natura«) ist sie nach HUGO
VON ST. VICTOR. Sie ist »intelligibile,
quod ipsum quidem solo percipitur intellectu« (Erud.
didasc. II, 3, 4).
Immateriell ist die Seele nach BERNHARD
VON CLAIRVAUX (Serm. de divers. 45, l).
Sie ist Lebensprincip, im Leibe ganz gegenwärtig
(l. c. 84, l).
ALBERTUS MAGNUS erklärt:
»Anima est substantia incorporea« (Sum.
th. II, 68). Die Seele ist einfach (l.
c. 70, l), unausgedehnt (l.
c. 2, 5), Substanz
(l. c. II, 69, l), »perfectio corporis«
(l. c. II, 72, 4), »actus
corporis«(Sum. de creat. II, 4, l),
»tota in toto« (Sum. th. II, 77,
4), »principium et causa huiusmodi vitae,
physici sc. corporis organici«, »endelechia physici corporis organici
potentia ritam habentis« (l. c. II, 69,
2). »manet separata post mortem« (l.
c. II, 77, 5).
Ähnlich lehrt THOMAS:
»Anima cum sit principium vitae in his, quae apud
nos vivunt, impossibile est ipsam esse corpus, sed corporis actum«(Sum.
th. I, 75, l). »Anima humana, cum sit omnium
corporum cognoscitiva, est incorporea et subsistens« (l.
c. I, 75, 2). »Cum anima sit forma per se
subsistens, expers omnis contrarietatis, non est corruptibilis per se nec per
accidens« (l. c. I, 75, 6). Die
Seele ist »forma sive substantia simplex«
(Contr. gent.
II, 65. 72). »Ex animo et corpore constituitur
in unoquoque nostrum duplex unitas naturae et persona« (Sum.
th. II. II, 2, l). Die Seele ist ganz im Leibe
(Sum. th. I, 76, 8). Zwischen
Leib und Seele besteht »naturalis unio«
(De pot. 5, 10).
Nach BONAVENTURA
ist die Seele eine unkörperliche Substanz
(Breviloqu. II, 10). »Facit
Deus hominem ex naturis maxime distantibus... coniunctis in unam per-sonam et
naturam« (ib.).
Nach HEINRICH GÖTHALS ist
die niedere Seele »forma
corporeitatis« (Quodlib. 4, 13).
Nach DURAND VON ST. POURÇAIN ist
die Seele eine reine Form, Formprincip des Leibes (l
dist. 3, 2, qu. 2).
Nach DUNS SCOTUS
ist die Seele »forma
essentialis« des Menschen (De
rer. princ. 9, 2, 2) neben der »forma
corporeïtatis«. Leib und Seele verhalten
sich zueinander wie Stoff und Form eines Wesens
(ib.). Seele und Leib sind innig geeint
(l. c. 9, 2, 3). Die
Seele ist »tota in toto corpore et in qualibet
parte totius corporis« (l. c. qu. 12).
Als Form bestimmt die Seele auch WILHELM
VON OCCAM (Quodl. 1, 10).
Nach ECKHART
ist die Seele ein »einfaltig« (einfaches)
Wesen, eine »Form« des Leibes (Deutsche
Myst. II). Die Seele »weiz
sich selber niht« (l. c. II, 5).
»Forma substantialis« ist die Seele
nach ZABARELLA (De
ment. hum. 6).
Immaterielle Substanz ist sie nach SUAREZ
(De an. I, 9, 8. vgl. I, 1, 1).
MELANCHTHON erklärt:
»Anima rationalis est spiritusintelligens, qui est altera pars substantiae
hominis, nec exstinguitur, cum a corpore decessit, sed immortalis est«
(De an. f. 11b).
Ähnlich CASMANN, nach
welchem die Seele ist »natura incorporea,
quae per se etiam sursum substantialiterque subsistere potest«,
sie hat eine »materia
spiritualis« (Psychol. anthr. I, 2, 23,
27), GOCLEN (Psychol.
18, 226). -
Nach NICOLAUS CUSANUS ist
die Seele ein geistiges Wesen (De coniect.
II, 14), eine einfache Kraft
(l. c. II, 16),
Princip des Lebens, ganz in jedem Teile
des Leibes (Idiot.
III, 8).
Unkörperlich, göttlicher Abstammung ist die
Seele nach MARSILIUS FICINUS (Theol.
Plat. VIII, 2).
Ähnlich lehrt F. ZORZI (De
harmon. mund.). -
Nach AGRIPPA ist
die Seele eine substantielle Zahl (De occ.
philos. III, 37).
Nach TELESIUS ist die höhere
Seele im Menschen eine Substanz, ein von Gott geschaffener Geist
(De nat. rer. V, 177 ff.). Daneben
gibt es noch einen »spiritus«,
einen Lebensgeist (l. c. V, 180 ff.).
Nach CAMPANELLA ist die empfindende
Seele ein »spiritus« im
Nervensysteme (Univ. philos. I, 4, 3). Die
geistige, vernünftige Seele ist einfach, eine Emanation Gottes (l.
c. I, 5, 2). »Triplici vivimus substantia.
Corpore scilicet, spiritu et mente. Corpus est organum. spiritus vehiculum mentis.
mens vero apex animae in horizonte habitans, quae spiritum et corpus item informat«
(Prodrom. p. 83).
F. M. VAN HELMONT erklärt: »Sicut
corpus, videlicet hominis vel bestiae, nihil est aliud quam innumerabilis multitudo
corporum simul in unum compactorum inque certum ordinem dispositorum. ita spirituum
simul unitorum in hoc corpore, qui etiam suum habent ordinem atque regimen,
ita ut unus sit primarius regens«(Princ.
philos. 6, 11).
G. BRUNO erklärt: »La
sostanza spirituale è una cosa, un principio efficiente ed informativo
d'a dentro« (Spaccio, p. 112).
Die Seele ist ganz im ganzen Körper, unteilbar (De
tripl. min. p. 74).
Nach VANINI ist die
Seele ein »spiritus« (Nervengeist).
L. VIVES erklärt, »animam
esse agens precipuum, habitans in corpore apto ad vitam« (De
an. I, 42). »Anima in universo est corpore«
(l. c. p. 48).
F. BACON unterscheidet eine
sinnliche und eine geistig-vernünftige Seele
(De dign. IV, 3. Nov. Organ. II, 40). »Anima...
sensibilis sive brutorum, plane aubstantia corporea censenda est, a calore attenuata
et facta invisibilis« (De dign. IV, 3).
HOBBES identificiert die Seele
mit dem Gehirn ( Materialismus). -
Den strengen Dualismus zwischen
Leib und Seele begründet
DESCARTES. Seele
und Leib sind »substantiae incompletae«
(Resp.ad. obi. IV), die
durch Gott geeint sind. Die Seele ist vom Körper vollständig verschieden,
sie ist unstofflich, unausgedehnt, einfach, unvergänglich, denkendes Wesen
(Med. VI), Geist.
Sie ist eine Substanz sui generis (Princ.
philos. I, 53). »Examinantes..., quinam
simus nos, qui omnia, quae a nobis diversa sunt, supponimus falsa esse, perspicue
videmus nullam extensionem, nec figuram, nec motum localem, nec quid simile,
quod corpori sit tribuendum, ad naturam nostram pertinere, sed cogitationem
solam« (l. c. I, 8).
Die Seele ist mit dem ganzen Körper geeint »animam
esse revera iunctam toti corpori«, (Pasa.
an. I, 30), wirkt aber vorzugsweise von der Zirbeldrüse
aus (Seelensitz).
Die Seele ist durchaus einheitlich. »Nobis
enim non nisi una inest anima, quae in se nullam varietatem partium habet: eadem,
quae sensitiva est, est etiam rationalis« (l.
c. I, 47). Seele und Leib stehen miteinander in
Wechselwirkung
Ähnlich lehrt REGIS
(Syst. d. philos. I, 1690, p. 154 ff.)
Nach MALEBRANCHE
hat die Seele »ce moi
qui pense, qui sent, qui veut«(Rech.
I, 5. vgl. III, 2).
Nach GASSENDI ist
die tierische Seele »corporea tenuissimum
aliquod« (Philos. op. synt. II, act.
III, 9) Die rationale Seele ist immateriell, unsterblich
(l. c. sct. III, 17).
Nach CHARRON ist
die Seele eine feine, unsichtbare Substanz.
H. MORE bestimmt den
»spiritus« als
»substantiam indiscerpibiem, quae morere, penetrare,
contrahere et dilalare se potest« (Opp.II,
300). Die vernünftige Seele ist unsterblich.
Den Actualitätsstandpunkt vertritt SPINOZA.
Die menschliche Seele ist keine Substanz, sondern
der Modus eines Attributs der göttlichen Substanz
. Sie ist die »idea corporis«,
das dem Leibe correlate Bewußtsein desselben. »Primum,
quod actuale mentis humanae esse constituit, nihil aliud est, quam idea rei
alicuius singularis actu existentis«(Eth.
II, prop. XI). »Hinc sequitur mentem humanam
partem esse infniti intelleclus Dei«
(l. c. coroll.). »Obiectum ideae humanam
mentem constituentis est corpus, sive certus extensionis modus actu existens,
et nihil aliud« (Eth. II, prop. XIII).
»Mens humana apta est ad plurima percipiendum, et
eo aptior, quo eius corpus pluribus modis disponi potest«(l.
c. II, prop. XIV). Die Seele ist nicht einfach.
»Idea, quae esse formale humanae mentis constituit,
non est simplex, sed ex pluribus ideis composita« (l.
c. II, prop. XV). Diese
Idee ist »idea corporis«
(l. c. dem.). »Mens enim humana est ipsa
idea sive cognitio corporis humani, quae in Deo quidem est, quatenus alia rei
singularis idea affectus consideratur« (l.
c. II, prop. XIX, dem.). »Mentis humanae
datur etiain in Deo idea sive cognitio, quae in Deo eodem modo sequitur et ad
Deum eodem modo refertur, ac idea sive cognitio corporis humani« (l. c.
prop. XX). »Haec mentis idea eodem modo unita est menti, ac ipsa mens
unita est corpori« (l. c. prop. XXI).
Seele und Leib sind ein Wesen, in zweifacher Weise gedacht (Identitätslehre).
»Ostendimus corporis ideamet corpus, hoc est mentem
et corpus, unum et idem esse individuum, quod iam sub cogitationis, iam sub
extensionis attributo concipitur. Quare mentis idea et ipsa mens una eademque
est res, quae sub uno eodemque attributo, nempe cogitationis, concipitur«
(l. c. schol.). –
In anderer Weise vertritt den Actualitätsstandpunkt
HUME. Nach ihm ist die Seele »a
bundle of conceptions in a perpetual flux and movement«
(Treat. IV, sct. 2, 6). Die Seele ist keine immaterielle
Substanz. Es ist möglich, daß auch die Materie denken kann
(Ess. on suic.).
Dies bemerkt schon LOCKE,
nach welchem wir vom Wesen der Seele keinen festen Begriff
haben (Ess. II, ch. 23, § 5). Die
Existenz der Seele ist sicher (l. c. §
15. IV, ch. 3, § 6. ch. 9, § 3). Die
Seele wird gedacht als eine denkende, wollende, handelnde Substanz (l.
c. II, ch. 23, § 22).
Als immaterielles, einfaches, substantielles Kraftwesen,
als Monade bestimmt die Seele LEIBNIZ. Seelen
sind jene Monaden, welche deutliche Vorstellungen und Erinnerung haben
(Monadol. 19. Princ. de la nat. 4).
Die menschliche Seele ist die oberste Monade eines Organismus
niederer Monaden. Sie ist »un automate spirituel«
(Theod. 403), »un
petit monde, où les idées distinctes sont une représentation
de Dieu et où les confuses sont une représentation de l'univers«
(Nouv. Ess. II, ch. 1, § 1). Die Seele ist ein »Spiegel des Alls«,
ist »comme un monde à part, suffisant à lui même,
indépendant de toute autre créature, exprimant l'univers«,
»absolu« (Gerh. IV, 485 f.).
Sie ist »virtuellement
infini« (l. c. S. 562 f.). Sie
hat ein Streben nach stetiger Veränderung ihrer Perceptionen
(Monadol. 15). Zwischen Seele und Leib besteht
eine prästabilierte Harmonie .
Nach BERKELEY ist die Seele
eine geistige Substanz als Trägerin der Ideen (Princ.
CXXXV), das Denkende, Percipierende, also nicht
selbst Idee, Vorstellung. wir haben von ihr kein Vorstellungsbild, nur einen
Begriff (notion) (l.
c. CXXXNVIII, CXL). Sie ist, im Unterschiede vom
Körper, rein activ. Andere Seelen erkennen wir nach Analogie der unsrigen
(l. c. CXL f.).
PRIESTLEY identificiert Seele
und Gehirn (Disqu. of matt. and spir. p. 57,
85).
Nach HELVETIUS ist die Seele
nur »la faculté de sentir«
(De l'homme II, 2),
nach HOLBACH »une qualité
négative«, von der man keine wahre
Idee hat (Syst. de la nat. I, ch. 7, p. 91).
Das Gehirn kann ganz wohl denken (l.
c. p. 96, 100). Die intellectuellen Fähigkeiten
sind Resultate der körperlichen Organisation (l.
c. p. 102). Ähnlich LAMETTRIE Materialismus.
VOLTAIRE erklärt: »Il
n'y a point d'être réel appelé volonté, désir,
mémoire, imagination, entendement, mouvement. Mais l'être réel
appelé homme comprend, imagine, se souvient, désire, veut, se
meut« (Prine.
d'aet. X, 131). »II y a pourtant un principe
d'action dans l'homme. Oui et il y en a partout. Mais ce principe peut-il être
autre chose qu'un ressort, un premier mobile secret qui se développe
par la volonté toujours agissante du premier principe aussi puissant
que secret« (l. c. XI, 132).
»Nous sommes des machines produites,
de tout temps les unes après les autres par l'Éternel géomètre«
(I. c. p. 134). -
BONNET definiert die
Seele als »principe actif simple, un, immatériel
- unic à un corps organisé« (Ess,.
ch. 36), als »substance
qui a la capacité de penser« (Ess.
anal. IV, 20). Die Seele kennt sich nur in ihren
Wirkungen, nicht an sich (l.
c. préf. XXII, XXK).
Ein einfaches, geistiges Wesen ist die Seele nach
HUTCHESON (Synops. met. 1749) u.a.
Eine einfache, immaterielle Substanz ist die Seele nach
CHR. WOLF.
Seele ist jenes Wesen, »welches sich seiner und anderer Wesen außer
ihm bewußt ist« (Vern. Ged. I,
§ 192). Da die Gedanken keinem zusammengesetzten
Dinge eignen können, muß sie einfach sein, für sich bestehen
(l. c. § 742 f.). »Ens
istud, quod in nobis sibi sui et aliarum rerum extra nos conscium est, anima
dicitur« (Psychol. empir. § 20).
»Anima est substantia simplex« (Psychol.
rational. § 51), »differt a corpore«
(l. c. § 51), ist »vi
quadam praedita« (l. c. § 53),
»continuo tendit ad mutationem status sui«
(l. c. §, 56), »sibi
repraesentat hoc universum pro situ corporis organici in universo convenienter
mutationibus, quae in organis sensoriis contingunt« (l.
c. § 62). -
Nach RÜDIGER
gibt es im Menschen mehrere Seelen (De
sensu veri, prooem. § 8 squ.). Die Seele ist
ausgedehnt (Phys. divin. I, 4). Ähnlich
LAMBERT (Briefwechs.
I, 100, 114). TIEDEMANN, (Unters.
üb. d. Mensch. 1777/78).
VON CREUZ hält die Seele
für ein Mittleres zwischen einfacher und zusammengesetzter Substanz. Sie
hat Teile, aber nur eine Kraft, ist unteilbar (Vers.
üb. d. Seele 1753). -
Nach DE CROUSAZ ist
die Seele eine einfache, geistige Substanz (De
l'espr. hum.).
Nach CRUSIUS
ist sie »eine Substanz, welche
denken und wollen kann« (Vernunftwahrh.
§ 433 f.).
Nach MENDELSSOHN gleichfalls (Phaed.,
Morgenst.).
Nach BAUMGARTEN u.a.
ist die Seele »vis
repraesentationis« (Met. § 566).
Nach FEDER u.a. ist
sie eine einfache, geistige Substanz (Log.
u. Met. S. 317 ff.).
PLATNER sieht
in der Seele eine Substanz (Philos. Aphor.
I, § 30), eine »Vorstellungskraft«
(l. c. § 66. vgl. § 19).
JACOBI betrachtet
die Seele als eine bestimmte Form des Lebens (WW.
II, 258). Vgl. P. VILLAUME, Üb. die Kräfte
der Seele, 1786.
In den »Paralogismen«
wendet sich KANT gegen
die Dogmen von der Substantialität und Einfachheit der Seele. Für
uns ist die Seele nur das Subject der Bewußtseinsprocesse, kein Ding an
sich. Im Bewußtsein ist »alles in
continuierlichem Flusse« (Actualitätsstandpunkt).
»Die Seele sich als einfach zu denken, ist ganz wohl erlaubt, um nach
dieser Ideeeine vollständige und notwendige Einheit aller Gemütskräfte...
zum Princip unserer Beurteilung ihrer innern Erscheinungen zu legen. Aber die
Seele als einfache Substanz anzunehmen (ein transcendenter Begriff), wäre
ein Satz, der nicht allein unerweislich...sondern auch ganz willkürlich
und blindlings gewagt sein würde, weil das Einfache in ganz und gar keiner
Erfahrung vorkommen kann, und, wenn man unter Substanz hier das beharrliche
Object der sinnlichen Anschauung versteht, die Möglichkeit einer einfachenErscheinung
gar nicht einzusehen ist« (Krit.
d. rein. Vern. S. 588). –
E. SCHMID erklärt:
»Alle unsere Vorstellungen oder innere Erscheinungen
und Wahrnehmungen begreifen wir unter dem Ausdruck 'Seele'. Wir denken uns irgend
ein Subject, dem dieseVorstellungen inhärieren, und in demselben ein Etwas,
was diese Bestimmungen möglich macht, und Etwas, worin ihr wirkliches Dasein
gegründet ist. Jenes nennen wir Seelenvermögen, dieses Seelenkraft«
(Empir. Psychol. S. 153). »Das logische Wesen
der Seele läßt sich erklären durch dasjenige, was in und an
dem Gemüte, als Accidenz oder regelmäßige Folge seiner Accidenzien
wahrgenommen wird. Allein das Realwesen der Seele ist unerschöpflich«
(l. c. 63. 155 f.).
Ähnlich KRUG.
»Wir sind... zwar genötigt, nach dem psychologischen
Dualismus Seele und Leib als zwei Principien für die innern und äußeren
Bestimmungen unserer Tätigkeit zu unterscheiden, müssen es aber dahingestellt
sein lassen, obnicht das Geistige und das Körperliche nur eine doppelte
Erscheinungsweise oder Form desselben Wesens, mithin beides seinem letzten,
uns völlig unbekannten Grunde nach dennoch identisch sei«
(Handb. d. Philos. I, 306 ff.).
Den Identitätsstandpunkt vertritt auch FRIES
(Anthrop. § 2), auch F. A. CARUS (Psy-chol. I,
92). -
Nach J. SALAT ist
der Geist ein »Vernunftwesen, ein Ding von übersinnlicher Art«
(Lehrb.d. höh. Seelenk. S. 78). Ähnlich
LICHTENFELS (Psychol.
§ 16)
SCHULZE erklärt: »Unter
der Seele wird der Realgrund unseres geistigen Lebens verstanden. Sie kann nie
vom Bewußtsein, das doch aus ihr stammt, erreicht werden, sondern wird
nur zu den Äußerungen des geistigen Lebens, als die Quelle davon,
hinzugedacht. Dieses Hinzudenken macht aber die Einrichtung unsers Verstandes
notwendig, und die Annahme derselben gründet sich also nicht auf ein bloßes
Bild der Einbildungskraft von der Einsichtung unserer geistigen Natur«
(Psych. Anthropol. S. 28).
Nach BOUTERWEK ist
die Seele »die geistige Individualität als reelle Ichheit«
(Lehrb. d. philos. Wissensch. I, 179). -
DESTUTT DE TRACY hält
die Seele für etwas Unbeweisbares (Élém.
d'idéol. V, 545).
Nach CABANIS ist
die Seele eine Function des Gehirns.
In verschiedener (zum Teil pantheistischer Weise)
wird der Identitätsstandpunkt vertreten durch folgende
Philosophen.
Zunächst von SCHELLING (WW.
I 7, 198 ff., 417 ff.. I, 9). Die Seele ist die
eine Kraft der Vergegenwärtigung des Vielen in Einem (Jahrb.
d. Medic. 1806, S. 70). Seele und Leib sind nur
der zweifache Gedanke einer Wesenheit (l. c.S.
75 ff., 77. WW. I 7, 417 ff.). Die Seele ist »der
unmittelbare Begriff« des Leibes (WW. I 6, 514). »Die Seele ist
als Seele nur ein Modus der unendlichen Affirmation« (WW.
I 6, 503). Auf der Seele beruht eigentlich die
Einheit des Menschen.
Als inneren Lebenspunkt eines organischen Wesens bestimmt die Seele G.
CARUS (Vergl. Psychol. S. 3. vgl. Vorles.).
Den Identitätsstandpunkt vertritt auch STEFFENS
(Anthropol.
S. 307, 442).
Auch L. OKEN (Lehrb.
d. Naturphilos.).
Auch TROXLER, welcher Seele
und Geist unterscheidet. Der Geist ist »die geheimnisvolle und wunderbare,
dem Menschen selbst noch verborgene Tiefe des Menschen, die Ursache und der
Endzweck seines eigenen Wesens«, »unendliches Lebensprincip«,
»Leben an sich«(B1. in d. Leb.
d. Mensch. S. 45). Im Geiste des Lebens sind alle
Menschen eins, alle unsterblich (l.
c. S. 46). Die Seele ist ewiger, der Leib räumlicher
Lebensgeist (l.
c. S. 47). Leib und Körper sind zu unterscheiden
(l. c. S. 52 f.).
SUABEDISSEN bestimmt:
»Die innere Einheit eines Lebendigen, wenn sie eine
selbstinnige ist, heißt die Seele.«
Als selbstbewußt ist sie Geist, Ich, Selbst
(Grdz. d. Lehre von d. Mensch. S. 217). Der ganze
Leib ist ihr Organ, sie ist überall in ihm (l.
c. S. 219).
Nach SCHUBERT
war die Seele eher als der sichtbare Leib, sie ist eine Einheit, unzerstörbar
(Lehrb. d. Menschen- u. Seelenkunde S. 79 ff.). Der
Leib ist ein Werkzeug der Seele (l. c. S. 98).
Die Seele ist, ohne Beziehung auf den Leib, Geist (l.
c. S. 172). Der Geist durchdringt die Seele
(l. c. S. 175). -
Nach SCHLEIERMACHER
ist die Seele die Einheit des Ich in Bezug auf den
Organismus (Psychol., u. Philos. Sittenl. §
49).
Nach HEGEL
ist die Seele eine Entwicklungsform
des Geistes. Sie ist
der »subjective Geist« in seinem An-sich
(Encykl. § 387).
In ihr »erwacht das Bewußtsein«
(ib.). »Die Seele
ist nicht nur für sich immateriell, sondern die allgemeine Immaterialität
der Natur, deren einfaches ideelles Leben. Sie ist die Substanz, so die absolute
Grundlage aller Besonderung und Vereinzelung des Geistes, so daß er in
ihr allen Stoff seiner Bestimmung hat und sie die durchdringende, identische
Idealität desselben bleibt. Aber in dieser noch abstracten Bestimmung ist
sie nur der Schlaf des Geistes. - der passive nous des Aristoteles,
welcher der Möglichkeit nach alles ist« (l.
c. § 389). »Die Seele
ist zuerst
a. in ihrer
unmittelbaren Naturbestimmtheit, - die nur seiende, natürliche Seele.
b. tritt
sie als individuell in das Verhältnis zu diesem ihrem unmittelbaren Sein
und ist in dessen Bestimmtheiten abstract für-sich-fühlende Seele.
c. ist dasselbe
als ihre Leiblichkeit in sie eingebildet, und sie darin als wirkliche Seele«
(l. c. § 390).
»Die allgemeine Seele muß nicht als
Weltseele gleichsam
als ein Subject fixiert werden, denn sie ist nur die allgemeine Substanz, welche
ihre wirkliche Wahrheit nur als Einzelnheit, Subjectivität, hat«
(l. c. § 391). Die Seele
ist »unmittelbar bestimmt, also natürlich
und leiblich, aber das Außereinander und die sinnliche Mannigfaltigkeit
dieses Leiblichen gilt der Seele ebensowenig als dem Begriffe als etwas Reales
und darum nicht für eine Schranke. die Seele ist der existierende Begriff,
die Existenz des Speculativen. Sie ist darum in dem Leiblichen einfache allgegenwärtige
Einheit, wie für die Vorstellung der Leib eine Vorstellung ist und das
unendlich Mannigfaltige seiner Materiatur und Organisation zur Einfachheit eines
bestimmten Begriffs durchgedrungen ist, so ist die Leiblichkeit und damit alles
das, was als in ihre Sphäre gehöriges Außereinander fällt,
in der fühlenden Seele zur Idealität, der Wahrheit der natürlichen
Mannigfaltigkeit reduciert. Die Seele ist an sich die Totalität der Natur,
als individuelle Seele ist sie Monade. Sie selbst ist die gesetzte Totalität
ihrer besondern Welt, so daß diese in sie eingeschlossen, ihre Erfüllung
ist, gegen die sie sich nur zu sich selbst verhält«
(l. c. § 403). Die
Seele ist »der Begriff
selbst in seiner freien Existenz« (Ästh.
I, 141). Sie ist »die
substantielle Einheit und durchdringende Allgemeinheit, welche ebensosehr einfache
Beziehung auf sich und subjectives Für-sich-sein ist«
(l. c. S. 154). Seele und Leib sind »eine und dieselbe Totalität
derselben Bestimmungen« (ib.).
Als ideale Einheit des Organismus bestimmen die Seele
MICHELET. J. E. ERDMANN (Grundr. § 14
f.). »Der sog. Zusammenhang des Leibes und
der Seele besteht darin, daß es ein und dasselbe Wesen ist, welches als
Mannigfaltiges und Äußeres, eben darum der Außenwelt Angehöriges
und ihr Aufgeschlossenes Leib, als Eines und Inneres, welches als der immanente
Zweck die Mannigfaltigkeit ideell setzt und durchdringt, Seele... ist«
(l. c. § 15. Vgl. 1L ROSENKRANZ, Psychol. S.
44 ff.).
Nach SCHALLER ist
die Seele Subject, Subjekivität (Psychol.
I, 205, 283 f.).
Nach G. BIEDERMANN ist
die Seele, »der am Leibe und im Ausleben betätigte Geist«
(Philos. als Begriffswissensch. I, 244 ff.).
Nach ZEISING ist
sie der als Erscheinung gedachte Geist (Ästhet.
Forsch. S. 67). Nach BRANISS
ist sie der Geist als Substanz, »das in immaterieller Substantialität
beharrliche Selbst des vollkommen organisierten Leibes« (Syst.
d. Met. S. 356 ff.).
Den substantialen Seelenbegriff hat HEINROTH.
Das Seelenwesen ist beharrlich und veränderlich (Psychol.
S. 151), es ist gegliedert
(ib.).
Nach HILLEBRAND ist
die Seele eine geistige Substanz, einfache Urkraft
(Philos. d. Geist. I, 86 ff.).
Dualistisch lehrt GÜNTHER.
Geist ist und Naturwesen sind zwei verschiedene Substanzen.
Die Naturseele ist das im Organismus besonderte und subjectiv functionierende
Naturprincip, das dem Geiste dient.
Nach GIOBERTI
ist die menschliche Seele eine reale Monade
(Protolog. II, 410 ff.). So auch
nach MAMIANI (Conf. II,
499 ff.), A. CONTI (Il
vero dell' ordine I, 56 ff.), GALUPPI, BONATELLI,
DE HARLO (II concetto dell' anima, 1900). -
COUSIN lehrt die Spiritualität
der Seele, welche einfach ist (Du vrai p. 417).
Nach CHR. KRAUSE ist
jeder Geist »ein selbständiges, in sich selbst urkräftiges Wesen,
als ein Teil der einen Kraft der Vernunft«
(Urb. d. Menschh.3, S. 269). Ähnlich
AHRENS (Cours de psychol.
I, 183 ff.), LINDEMANN, TIBERGHIEN. –
Nach HERBART ist
die Seele einfache Substanz (Met. II, 386.
Psychol. als Wiss. I, § 31. Encykl. S. 227 ff., 345). Ihr
»Was« ist unbekannt
(WW. V, § 150 ff.). Sie
ist die Substanz, welche wegen der ganzen Bewußtseinscomplexion gesetzt
werden muß (Met. § 3,2. Lehrb. zur
Einl. § 130). Sie ist einfach, unräumlich,
hat keine »Vermögen«, aber »Selbsterhaltungen«
(ib.). »Die
Seele ist ein einfaches Wesen. nicht bloß ohne Teile, sondern auch ohne
irgend eine Vielheit in ihrer Qualität.« Sie
ist nicht irgendwo, hat aber einen Ort, einen mathematischen Punkt im Raume.
Sie ist nicht irgendwann. Die Selbsterhaltungen der Seele sind Vorstellungen
(Lehrb. zur Psychol.3, S. 108 ff.).
Ähnlich lehren G. SCHILLING
(Lehrb. d. Psychol. S. 29 ff.), DROBISCH
(Psychol.), LINDNER
(Psychol. S. 2 ff.), WAITZ
(Lehrb. d. Psychol. S. 55), VOLKMANN,
nach welchem die Seele der einfache Träger aller
Vorstellungen ist, gedacht im Zusammen mit andern einfachen Wesen (Lehrb.
d. Psychol. I4, S. 58 ff.), ähnlich R. ZIMMERNANN,
O. FLÜGEL, u.a.
Nach BENEKE
ist die Seele
ein »immaterielles Wesen, aus gewissen Grundsystemen
bestehend, welche eins sind« (Lehrb.
d. Psychol. § 38 f.. Neue Psychol. S. 177). -
Nach TRENDELENBURG
ist die Seele der
sich verwirklichende Zweckgedanke, noch mehr als Substanz
(Log. Unt.).
Nach W. ROSENKRANTZ ist
der Seelenbegriff die Idee einer »organisierenden und belebenden Ursache
unseres Körpers« (Wissensch. d.
Wiss. I, 286).
Nach K. WERNER ist
die Seele dem Leibe gegenüber dessen lebendige,
innerliche Fassung, actuose Form und Entelechie
(Spec. Anthrop. S.73 ff.).
Nach A. L. KYM ist
die Seele Selbstbewegung, Spontaneität, sie hat selbständige Realität
(Üb. d. menschl. Seele, 1890, S. 6ff.).
Nach GUTBERLET
ist die Seele eine Substanz. Das Ich ist die Seelensubstanz (Kampf
um d. Seele S. 84 ff.). »Daß wir für
die ganz eigentümlichen Tätigkeiten der Seele auch ein entsprechendes
Sein setzen, ist eine Forderung der Vernunft«(l.
c. S. 57).
Nach HAGEMANN ist
der Geist ein »immaterielles und persönliches, somit... ein einfaches,
unausgedehntes, selbstbewußtes und frei handelndes Wesen« (Psychol.3,
S. 13). Als Lebens-, Intelligenz- und Willensprincip
ist der menschliche Geist Seele (l. c. S. 14.
vgl. Met. S. 104 ff., 116 ff., 121, 124).
Im Sinne Günthers lehrt
W. KAULICH (Handb. d. Psychol., 1870).
Den substantialen Seelenbegriff haben alle »katholischen«
Philosophen.
Spiritualistisch-substantial ist der Seelenbegriff zunächst
bei LOTZE. Er betont,
die Seele sei Substanz, sofern sie ein des Wirkens und Leidens Fähiges
ist, nicht aber ein »hartes und unzersprengbares Atom« (Met.2,
S. 481). Die Seele ist ein übersinnliches,
unräumliches, einheitliches Wesen (Grdz.
d. Psychol. § 63 ff.). Seele und Geist sind
verschiedene Seiten, Potenzen desselben übersinnlichen Wesens (Mikrok
II2, 144). Das Was der Seele wird aus ihrer Qualität
bestimmt. Sie ist keine unveränderliche Substanz. Substanz ist sie als
»ein relativ feststehender Mittelpunkt ankommender
und ausgehender Wirkungen« (l.c.
S. 164). Die Einheit des Bewußtseins kann
nicht Resultante mehrerer Componenten sein (Med.
Psychol. S. 16 ff.. Kl. Schrift. II, 13 ff.). Der
lebendige Inhalt des Psychischen selbst ist es, »der
durch seine eigene specifische Natur die Fähigkeit des Wirkens und Leidens,
die Eigenschaft der Substantialität gewinnt« (Mikrok.
II2, 149 ff.).
J. H. FICHTE erklärt: »Die
Seele ist ein individuelles, beharrliches, vorstellendes Reale, in ursprünglicher
Wechselbeziehung mit anderen Realen begriffen« (Anthropol.
S. 181). Sie ist »ein raumzeitliches Realwesen«,
eine »Geistesmonade« (Psychol.
I, S. VII), ein »vorempirischen
Wesen« (l. c. S. VIII ff.),
mit vorempirischen Grundanlagen ausgestattet
(l. c. S. XVI.
Ähnlich SENGLER,
(Erkenntnislehre, 1858).
Die Seele ist »ein instinctbegabtes Triebwesen, weil sie in unbewußter
Anticipation und idealer Vorausnahme schon besitzen muß, was sie werden
soll« (Psychol. I, 20). Der
Leib ist der reale, das Bewußtsein der ideale Ausdruck der Seele
(Anthrop. S. 262). Es
besteht eine »dynamische Gegenwart der Seele im Leibe«
(l. c. S. 268). Die Seele ist ganz in allen Teilen
des Leibes, hat keinen Sitz (l. c. S. 286.
Psychol. I, 35).
Ähnlich lehrt FORTLAGE,
der die Seele als Triebwesen auffaßt (Psychol.
§ 3).
Nach ULRICI
ist die Seele eine »continuierliche,
in sich ungeteilte Substanz..., stofflich, aber nicht materiell«
(Leib u. Seele S. 131 f.). Sie
ist »eine Einheit von Kräften, deren unterscheidende Grundkraft eine
Kraft continuierlicher Ausdehnung und Umschließung ist, durch welche sie
die den Leib bildenden Atome ergreift, zusammenordnet, durchdringt« (Gott
u. d. Nat. S. 526). Die Grundkraft der Seele, die
Quelle des Bewußtseins ist die unterscheidende Tätigkeit (l.
c. S. 534. Leib u. Seele S. 323, 364). Die Seele
ist ein ätherisches Fluidum.
Ausgedehnt ist die Seele nach J. A. HARTSEN
(Grdz. d. Psychol., 1874).
AD. SCHOLKMANN erklärt: »Wenn eine geistige
Wesenheit Atome zu einem in sich selbst zurücklaufenden Lebensprocesse
dauernd mit sich vereinigt, so nennen wir sie Seele.« Diese organisiert
den Leib (Grundlin.
ein. Philos. d. Christ. S. 23 ff.).
Nach M. CARRIERE ist
die Seele »ein Kraftcentrum«, »ein Triebwesen, das in seiner
Gestaltung sich selber erfaßt, seiner selbst inne wird und als Selbst
die Herrschaft über einen Teil seiner Lebensacte gewinnt«
(Ästhet. I, 39).
Als beherrschendes, bildendes Centrum bestimmt die Seele PLANCK
(Testam. ein. Deutsch. S. 257). -
Nach L. HELLENBACH ist
die Seele ein reales individuelles Wesen, etwas Organisiertes
(Das Individ. S. 123, 196). ein
»Metaorganismus«
Nach DU PREL ist
es die Seele, die sowohl organisiert als denkt (Monist.
Seelenlehre, S. IV). Dem Menschen liegt »ein
transcendentales individuelles Subject« zugrunde (l.
c. S. 54). Das Hirnbewußtsein ist nur ein
Teilbewußtsein des Subjects (l.
c. S. 55). Als organisiert muß die Seele
die Ausdehnung mindestens potentiell in sich haben (l.
c. S. 131 ff.. vgl. Leib)
Als substantiell bestimmt die Seele M.
PERTY (Myst. Tats. S. 13). -
Reales Wesen ist die Seele nach BRENTANO
(Psychol. I), WITTE
(Weß. d. Seele), Gt.
THIETE (Philos. d. Selbstbew. S. 175),
GLOGAU (Abr. d. philos.
Grundwiss. II, 148. Psychol.), SCHMIDKUNZ (Suggest.
S. 252). - -
Nach A. VANNÉRUS ist
die Seele eine lebendige, actuale, dynamische, im Bewußtsein sich realisierende
Substanz (Arch. f. system. Philos. I, 1895,
S. 363 ff.).
Nach J. BERGMANN
ist die Seele »ein Wesen, dem Bewußtseinstätigkeiten
zukommen«. Jede Seele geht »ganz in dem Bewußtsein auf, dessen
Teile und besondere Weisen die ihr zukommenden Bewußtseinstätigkeiten
sind« (Zeitschr. f. Philos. 110. Bd.,
B. 99. vgl. Hauptpkt. d. Philos. S. 309 f.).
SIGWART erkennt zwar keine
absolut einfache, unveränderliche Seelensubstanz an, betont aber, wenn
mit dem Terminus Substanz »nur ausgedrückt werden soll, daß
wir durch unser Denken genötigt sind, zu dem zeitlich wechselnden, in ein
Bewußtsein stets zusammengefaßten Geschehen uns ein Subject zu denken,
das den Zusammenhang dieses Geschehens erklärt, das als mit sich eins bleibend
den gemeinsamen Grund der in der Zeit continuierlich folgenden Veränderungen
bildet, dann muß auch das Subject unseres Selbstbewußtseins eine
Substanz genannt werden. Freilich nicht eine Substanz, die ein von ihren Tätigkeiten
getrenntes Sein hätte. sie ist, indem sie irgendwie tätig ist, aber
sie ist nicht die bloße augenblickliche Tätigkeit, ihr Sein erschöpft
sich nicht in der einzelnen Tätigkeit«
(Log. II2, 207 f.). Es gibt kein subjectloses Psychisches (l.
c. S. 208).
Ähnlich fassen die Seele auf LIPPS
(Das Selbstbew. 1901, S. 4 ff., 39 ff) KÜLPE
(Einl. in d. Philos. S. 190 f.),
L. BUSSE (Philos. u. Erk. S. 2.50 f.. Geist
u. Körp. S. 324 ff.,.334 ff.), JAMES (Princ.
of Psychol. I, 160 ff, 180 ff., 342 ff.), LADD
(Psychol 1894. Philos. of Mind p. 83 ff),
J. WARD (Enc. Brit. XX, 37 ff.. Mind VII, XII,
XV). JANET (Princ.
de mét. I, 421 ff.), WADDINGTON (Seele
d. Mensch. B. 189 f., 206, 517).
Nach REHMKE ist
die Seele das »concrete Bewußtsein« (Allg.
Psychol. S. 49). Sie ist kein Ding (l.
c. S. 59), ist nicht irgendwo, sondern ganz im
Leibe (l. c. S. 128). Ein
allgemeines Bewußtseinssubject besteht (l.
c. S. 133 ff.. vgl. Seele d. Mensch. S. 108 f.).
Nach SCHUPPE ist das
Ich Substanz (Log. S. 33, vgl. S. 140). Die
Seele ist keine Substanz hinter dem Bewußtsein. »Sehen wir davon
ab, so ist, was der Begriff Seele meint, gewiß etwas Wirkliches, nur nicht
das immaterielle Concretum, welches den körperlichen Dingen, vorab dem
eigenen Leibe, als etwas Selbständiges entgegengestellt wird. Das individuelle
Ich, was sie meint, ist gewiß etwas Wirkliches, nur in Abstraction von
seinem räumlich-zeitlichen Bewußtseinsinhalt ein Abstractum«
(l. c. S. 33).
Ein einheitliches Subject, eine einheitlich constante Function des Absoluten
in der Vielheit des Bewußtseins lehrt E.
v. HARTMANN (Mod. Psychol. S. 289 ff.).
Die Seele ist »die Summe der auf den betreffenden Organismus gesichteten
Tätigkeit des einen Unbewußten« (Philos.d.
Unbew.3, S. 547. II10, 288, 404 ff.). Seele und
Leib sind »reelle Teilfunctionen als Glieder derselben absoluten Function
des absoluten Subjects« (Mod. Psychol.
S. 335). Das Individuum hat eine Seele, aber eine
Mehrheit von Bewußtseinen (Mod.
Psychol. S. 287. Philos. d. Unb. II10, 60, 157). Die
Seele ist kein bloßes Summationsphänomen
(l. c. S. 288), es kommt das Plus an Tätigkeit,
die Centralmonade, dazu (ib.). Die
Seele ist »die Einheit der unbewußten psychischen
Functionen, aus denen neben andern Ergebnissen auch das Ich entspringt«.
Sie umspannt eine Vielheit von Functionen (l.
c. S. 510 ff.).
Nach DREWS ist
die Seele »das lebendige
System von unbewußten... Willensacten der absoluten Substanz, deren äußere
Erscheinung unser Leib und deren innereErscheinung die Gesamtheit unserer bewußten
psychischen Functionen bildet« (Das
Ich, S. 301).
Universal, identitätsphilosophisch oder actual schlechthin ist der Seelenbegriff
bei folgenden neueren Philosophen.
Nach FECHNER ist
die Seele »das einheitliche
Wesen, das niemand als sich selbst erscheint«, »die
Selbsterscheinung desselben Wesens, was als Körper äußerlich
erscheint«, »das verknüpfende Princip des Leibes«
(Üb. d. Seelenfr., S. 9, 210 ff.). Geist
oder Seele ist das »dem Körper oder Leibe überhaupt gegenüber
gedachte, sich selbst erscheinende Ganze, welchem Empfinden, Anschauen, Fühlen,
Denken, Wollen u.s.w. als Eigenschaften, Vermögen oder Tätigkeiten
beigelegt werden« (Zend-Av. I. S. XIX).
Seele und Leib sind zwei Seiten desselben Wesens
(l. c. II, 148). Die
Seele hat eine vereinfachende Kraft (l. c.
S. 141).
Ähnlich lehrt PAULSEN
(Actualitätstheorie). Auch SPENCER,
nach welchem der Geist an sich unerkennbar ist
(Psychol. 1,§59), LEWES,
nach welchem die Seele die Personification »of
present und revived feelings« ist (Probl.
III, 366), P. CARUS: »While
body is the soul as it appears, soul is the essence of the body as it is initself«
(Prim. of Philos. 1896, p. 23. Soul of man 1891, p.
419), HÖFFDING
(Psychol.3, S. 16 ff.),
EBBINGHAUS,
nach welchem »Seele«
ein abgekürzter Collectivausdruck ist
(Grdz. d. Psychol. I, 17 f., vgl. S. 14, 27), u.a. -
Nach J. ST. MILL
ist die Seele (mind) nur
»the series of our sensations« nebst
»the addition of infinite possibilities of feeling«
(Exam. p. 242, 247, 263, 268).
Nach HODGSON ist
die Seele »a series of conscious states among
which isthe state of self-consciousness« (Philos.
of Refl. I, 226).
Nach G. SIMMEL ist
die Seele die Summe und der Zusammenhang der psychischen Äußerungen
(Einl. in d. Mor. I, 200). Seele
ist »gleichsam die Form, in der der Geist, d.h.
der logisch-sachliche Inhalt des Denkens für uns lebt«
(Philos. d. Ged. S. 499).
Nach E. LAAS ist
die Seele keine Substanz (Ideal. u. Posit.
II, 171 f.). -
Nach L. KNAPP ist
die Seele nichts als eine Abstraction von den Bewußtseinsvorgängen.
Sie besteht »nur aus den einzelnen
Bewußtseinserscheinungen..., welche der Stoffwechsel in em lebenden Nerv
produciert« (Syst. d. Rechtsphilos.
S. 37).
CZOLBE definiert:
»Die Seele des Menschen ist die Summe der durch
Gehirntätigkeit bedingten, aus Empfindungen und Gefühlen der Weltseele
sich zusammenfügenden und in derselben wieder verschwindenden Mosaikbider«
(Gr. u. Urspr. d. m. Erk. S. 210 ff.).
Nach L. NOIRÉ ist
die Seele das Empfinden, »die individuelle Kraft, das schöpferische
und erhaltende Princip des Organismus«
(Einl. u. Begr. ein. mon. Erk. S. 159).
Nach CARNERI ist
die Seele »die individuelle Zusammenfassung des gesamten Organismus«(Sittl.
u. Darwin. S. 132).
Nach O. CASPARI ist
die Seele »der Complex von Erscheinungen..., der dem Innern angehört
und directerweise nur durch die innerliche Selbsterfahrung und durch die innere
Wahrnehmung erkannt wird« (Zus. d. Dinge
S. 321). Die Seele ist relative Substanz (l.
c. S. 363).
RENOUVIER erklärt: »La
loi de personnalité, ou conscience, donnée sous la condition d'une
organisation individuelle, peut s'appeller une âme«
(Nouv. Mona-dol. p. 96). -
Nach DURAND DE GROOS ist
die geistige Einheit ein »Polyzoisme«.
Als Substanz ist die Seele unsterblich, das Bewußtsein
ist vergänglich
(Ess. de physiol. philos. 1866. Ontolog. et psychol.
physiol. 1871).
Nach FOUILLÉE ist
das Bewußtsein ein sociales Wesen (B.
Sociologie).
Nach E. DREHER
ist die Seele zusammengesetzt, eine Art
Staat (Philos. Abh. S. VII). -
Nach RIBOT ist
die Seele keine besondere Substanz. Substrat des Psychischen ist der Organismus.
das Ich ist ein Complex (Mal. de la vol. p.
4).
Nach C. HAUPTMANN ist
die Seele (im Sinne von AVENARIUS)
die »parallele Abhängige jener complexen Gleichzeitigkeiten
und Folgen intimster ineinander greifender Stoffwirkungen..., welche in centrierten
dynamischen Systemen ihre erhaltungsgemäße Lageänderung bedingen«
(Die Met. in d. modern. Physiol. S. 365).
JODL
erklärt: »Die
Seele hat nicht Zustände oder Vermögen, wie Denken, Vorstellen, Fühlen,
Haß u.s.w., sondern diese Zustände in ihrer Gesamtheit sind die Seele«
(Lehrb. d. Psychol. S. 31).
Nach R. WAHLE ist
die Einheit des Bewußtseins ein Ausdruck für das Gleichbleiben der
Ich-Vorkommnisse, keine Substanz. die individuelle Sphären-Abgrenzung ist
Wirkung der »Urfactoren« (Das Ganze
d. Philos. S. 118 f.).
Nach SCHUBERT- SOLDERN ist
die Seele »der ununterbrochene Zusammenhang von Daten der Reproduction
und des Gefühles« (Gr. ein. Erk.
S. 21), die »abstracte Reproductionsmöglichkeit«
(l. c. S. 340).
Den actuellen Seelenbegriff haben FR. SCHULTZE
(Vgl. Psychol.), H. CORNELIUS,
H. MÜNSTERBERG. Es gibt keine psychische Substanz
in den Objecten (Grdz. d, Psychol. I, S. 395).
In mehr technischem Sinne muß als Seele »Jenes
ideelle System individueller Wollungen gelten, das in der gesamten Reihe wirklicher
Wollungen sich auslebt und doch in jedem neuen Act sich mit dem gesamten System
identisch setzt«. »Diese actuelle Seele ist also beharrend, da sie
in jedem Acte sich als identisch setzt. Sie ist einheitlich, da jede Wollung
logische Umsetzung desselben Systems ist. Sie ist selbstbewußt«
(l. c. S. 397). »Sie
ist unsterblich, weil ihre actuelle Realität in zeitlicher Gültigkeit
nicht berührt werden kann durch biologisch-psychologische Objectphänomene
in der Zeit. Sie ist frei, weil die Frage nach einer Ursache für sie grundsätzlich
sinnwidrig ist« (ib.). -
Nach L. F. WARD ist
die Seele »animation or conscious spontaneous
activity« (Pure Sociol. p. 140).
EMERSON erklärt: »Die
Seele umfaßt alle Dinge. Sie spottet... aller Erfahrung. In gleicher Weise
hebt sie Zeit und Raum auf« ( Essays,
Überseele S. 86 ff.).
Die Actualitätstheorie lehrt WUNDT. Die
Seele ist keine Substanz , sondern eine logisch-psychologische Einheit, ist
im Denken, Fühlen und Wollen selbst gegeben, ist (empirisch)
eins mit dem einheitlich-stetigen Zusammenhang der psychischen Acte. Im geistigen
Leben ist alles reine Tätigkeit ohne geistig-substantiellen Träger.
»Träger« der einzelnen Erlebnisse ist die einheitliche
Tätigkeit des Wollens und Denkens selbst. Für die Psychologie ist
die »Seele« ein Hilfsbegriff, der zur
Zusammenfassung der Gesamtheit der psychischen Erfahrungen eines Bewußtseins
dient (Log. II2, 2, 245 ff.. Philos. Stud.
X, 76, XII, 41. Essays 5, S. 128). »Da die
psychologische Betrachtung die Ergänzung der naturwissenschaftlichen ist,
insofern die erstere die unmittelbare Wirklichkeit des Geschehens zu ihrem Inhalte
hat, so liegt darin eingeschlossen, daß in ihr hypothetische Hilfsbegriffe,
wie sie in der Naturwissenschaft durch die Voraussetzung eines von dem Subject
unabhängigen Gegenstandes notwendig werden, keine Stelle finden können«
(Gr. d. Psychol.5, S. 386). Das
Bewußtsein ist durch die stetige Verbindung seiner Zustände eine
ähnliche Einheit, wie der Organismus. Diese geistige
Einheit ist aber nicht Einfachheit. Die Wechselbeziehung zwischen Physischem
und Psychischem führt zur Annahme, daß »was
wir Seele nennen, das innere Sein der nämlichen Einheit ist, die wir äußerlich
als den zu ihr gehörigen Leib erkennen«. Der Leib als Ganzes ist
beseelt. Das Seelische ist aber nicht Erscheinung, sondern die unmittelbare,
die eigentliche Wirklichkeit. Die wesentlichste Eigenschaft dieses Innenseins
der Dinge ist die Entwicklung, deren Spitze für uns unser Bewußtsein
ist. Dieses »bildet den Knotenpunkt im Naturlauf,
in welchem die Welt sich auf sich selber besinnt«.
»Nicht als einfaches Sein, sondern
als das entwickelte Erzeugnis zahlloser Elemente ist die menschliche Seele,
was Leibniz sie nannte:
ein Spiegel der Welt« (Grdz.
d. physiol. Psychol. II4, 648. Syst. d. Philos.2, S. 379f.. Log. I., 551).
Die Seele ist Lebensprincip, das als Anlage schon mit der Materie überhaupt
verbunden ist (Syst. d. Philos.2, S. 605 f..
Ess. 4, S. 124. Philos. Stud. XII, 47. Grdz. d. physiol. Psychol. II4, 633,
636, 644. I4, 26). Die Seele ist die Entelechie
des Leibes. Ist sie doch »der
gesamte Zweckzusammenhang geistigen Werdens und Geschehens, der uns in der äußeren
Beobachtung als das objectiv zweckmäßige Ganze eines lebenden Körpers
entgegentritt« (Syst. d. Philos.2,
S. 606). Isoliert von den Objecten gedacht, ist
unsere Ich-Tätigkeit Wille. Dieser ist die wahre Einheitsfunction
unseres Bewußtseins (Syst. d.
Philos.2, S. 372 ff., 383). Der metaphysische Seelenbegriff
ist der »reine Wille« als Apperception
, empirisch nicht gegeben, aber als letzte subjective Bedingung jeder Erfahrung
vorauszusetzen, ein »imaginär Transcendentes« (l.
c. S. 383). Unsere Seele
ist »vorstellender Wille« (l.
c. S. 413 ff.), keine Monade, nichts Isoliertes,
sondern Glied höherer geistiger Einheiten .
Den Identitätsstandpunkt verficht GROT
(Arch. f. syst. Philos. 1898, 4. Bd.).
Die Actualitätstheorie acceptieren CESCA
(Vierteljahrsschr. f. wiss. Philos. 11. Bd., S. 417),
G. VILLA (Einl.
in d. Psychol. S. 393 ff.), HELLPACH u.a.
Die Materialisten identificieren
die Seele mit dem Gehirn oder Gehirnprocessen.
Nach BROUSSAIS ist die Seele »un
cerveau agissant«.
Nach E. DÜHRING ist »Seele«
nur »die Verkörperung einer falschen
Völkerphantasie, derzufolge im Leibe eine Psyche hausen und diese Behausung
bei dem Tode wieder verlassen soll« (Wert
d. Leb. S. 47).
Materialistisch bestimmt die Seele
J. PIKLER (Grundges.
alles neuropsych. Leb. 1900).
Nach H. KROELL ist die Seele
der »Inbegriff der in sich geschlossenen Einheit
sämtlicher durch die Arbeit der Reflexbögen zustande kommender Erscheinungsformen«.
Sie ist Function, innere Erscheinungsweise (Die
Seele im Lichte d. Mon. S. 30).
Nach U. KRAMAR ist die Seele
ein Teil des Weltäthers (Die Hypothese
d. Seele 1898). S.2881ff.
Seelensitz:
der Ort im Organismus, von dem aus man sich die Seele
wirksam dachte oder denkt. Die moderne Psychologie versteht unter Seelensitz
in der Regel nichts als das physiologische Correlat zum Psychischen, den Organismus
als Einheit, centralisiertim Nervensystem, insbesondere im Großhirn.
Im Blute hat die Seele ihren Sitz nach den Hebräern
(vgl. über den Kopf als Seelensitz:
Daniel 2, 28. 4, 2).
Das Hirn als Seelensitz sollen schon die Ägypter
betrachtet haben, vielleicht aber das Herz.
Der Pythagoreer ALKMAEON
verlegt den Seelensitz in das Gehirn
(Theophr., De sens. 25 squ.. Plut., Plac. IV, 16 squ.). auch HIPPOKRATES
(nach einer andern Stelle in das Herz).
Nach KRITIAS hat die Seele
ihren Sitz im Blute (Arist., De an. I 2, 405
b 6 squ.).
PLATO verlegt den
nous in das Haupt, den
thymos in die Brust, das epithymêtikon
in den Unterleib (Tim.
73 D, 90 A, 77 B. Rep. 435 B).
Nach ARISTOTELES ist der
Sitz der empfindenden Seele das Herz (De
part. an. II, 10. 136 generat. II, 6. De somn.. vgl De somn. 3. De sens. 2.
De mot. an. 10).
Die Stoiker verlegen das
hêgemonikon in
das Herz (Diog. L. VII, 169).
So auch nach POSIDONIUS. HEROPHILUS hat
das Hirn als Sitz des hêgemonikon
bestimmt (Tertull.,
De an. 15).
So auch GALENUS Auch die Epikureer
setzen den vernünftigen Seelenteil in das
Herz (Diog. L. X, 66. Plut., Plac. IV, 5. vgl.
LUCREZ, De rer. nat. III, 136 squ.).
Nach PLOTIN ist
die Seele im ganzen Leibe (Enn.
IV, 8, 8). Das Gehirn ist der Ausgangspunkt
ihrer Tätigkeit (l. c. IV, 3, 23).
Ähnlich NEMESIUS, GREGOR
VON NYSSA (De creât. hom. 12),
AUGUSTINUS (Ep. 166).
das Hirn ist Centrum der Empfindung und willkürlichen
Bewegung (De gen. ad litt. VII, 17 squ.).
Nach THOMAS u.a.
ist die Seele »in toto corpore tota et in
singulis simul corporis partibus tota« (Sum.
th. I, 76, 8. vgl. I, qu. 4).
Nach CASMANN ist
das Gehirn das »sensorium commune« der äußeren Sinne
und Organ der innern Sinne (Psychol. II, 603
ff.).
Nach J. B. VAN HELMONT hat
die Seele ihren Sitz im Magen. Das Gehirn ist ein Werkzeug für das Vorstellen,
die Willensbewegungen u.s.w. (Sedes
anim. p. 282 ff. ).
Nach DESCARTES ist der eigentliche
Sitz der Seele die Zirbeldrüße des Gehirns. »Concipiamus
igitur hic, animam habere suam sedem principalem in glandula, quae est in medio
cerebri, unde radios emittit per reliquum corpus, opera spirituum, nervorum
et ipsiusmet sanguinis, qui particeps impressionum spirituum eos deferre potest
per arteria ad omaia membra« (Pass. an.
I, 30 squ., 34. Princ. philos. IV, § 189. De hom. I, § 1. Ep. 29.
vgl. Lebensgeister. vgl. GASSENDI, Obi. V, 6).
Nach LEIBNIZ ist der Ort der
Seele ein bloßer Punkt (Erdm. p. 749a.
vgl. p. 274a, 457a).
Nach BONNET ist der
Seelensitz im »Balken« des Gehirns, nach
DIGBY im Septum, nach HALLER
in der Varolsbrücke, nach
BOERHAVE im
verlängerten Mark, nach PLATNER in
den Vierhügeln.
Nach SÖMMERING hat die
Seele ihren Sitz in der Flüssigkeit der Hirnhöhlen.
SWEDENBORG bezeichnet zuerst
(1745) die Rindensubstanz als das physiologische Correlat des Bewußtseins.
Nach G. E. SCHULZE besteht
nur eine »dynamische Gegenwart« der
Seele im Leibe (Psych.
Anthrop. S. 48).
Nach J. MÜLLER ist die
Seele im ganzen Leibe verbreitet (Physiol.
II, 507).
Ähnlich C. G. CARUS, STEFFENS, BURDACH (Anthr.
§ 225), LINDEMANN, HEGEL
(Naturph. S. 432), K. ROSENKRANZ, ERDMANN, MEHRING
u. a
Ähnlich wie KANT (WW.
VII, 118. 122) erklärt ESCHEN-MAYER:
»Wir können eigentlich nur nach dem geometrischen
Ort fragen, in welchem alle Gehirntätigkeit zusammenfließt, und in
welchem die geistigen Äußerungen zunächst rege werden. Denn
an sich hat die Seele keinen Sitz, sie ist überall und zu jeder Zeit«(Psychol.
S. 213).
Nach HILLEBRAND hat die
Seele keinen »Sitz« im Leibe
(Philos. d. Geist. I, 111). Sie
ist überall im Leibe gegenwärtig (l.
c. S. 112), ist in realer Einheit mit ihm
(l. e S. 113).
Nach J. H. FICHTE ist der
ganze Leib Organ der Seele (Anthr. S. 268,
286), im engeren Sinne das Nervensystem
(l. c. S. 294 ff.), ähnlich ULRICI (Leib
u. Seele S. 133).
Nach HEBART hat die Seele
keinen festen Sitz, sondern ihr Sitz verschiebt sich innerhalb der Varolsbrücke
(Psychol. als Wiss. II, § 154. Lehrb. zur Psychol. § 163).
Ähnlich VOLKMANN u.a., auch LOTZE,
der den »Balken« als eigentlichen Ausgangspunkt
der Seelenwirkungen bezeichnet (Grdz. der Psychol.
§ 63 ff`). Der Seelensitz ist ein homogenes
Parenchym (Mikrok. I2, 335. vgl. Med. Psychol.
S. 130). »Ein immaterielles Wesen kann im
Raume keine Ausdehnung, wohl aber einen Ort haben, und wir definieren diesen
als den Punkt, bis zu welchem alle Einwirkungen von außen sich fortpflanzen
müssen, um Eindruck auf dies Wesen zu machen, und von welchem aus dies
Wesen ganz allein unmittelbare Wirkungen auf seine Umgebung ausübt«
(Gr. d. Psychol. S. 65 f.).
Der Seelensitz ist nicht fest (l. c. S. 67
f.).
Nach FECHNER ist im weiteren
Sinne der ganze Leib beseelt (Elem. d. Psychophys.
II, 384, 390, 426).
Nach GUTBERLET ist die Seele
»im ganzen Körper und in jedem Teile desselben gegenwärtig«
(Kampf um d. Seele, S. 261).
Nach RENAN ist die Seele da,
wo sie wirkt (Philos.
Dial. S. 137).
Nach A. FOUILLÉE ist
Seelenleben im ganzen Organismus (Psychol.
des idées-forces II, 338). So auch nach WUNDT
u.a. S.2928ff.
Seelenwanderung
oder Metempsychose, S.2950
d.h. das Wohnen der Seele in verschiedenen Leibern als
Stadien der metaphysisch-theosophischen Seelengeschichte, die wiederholte Verkörperung
einer und derselben Seele, wird schon von den verschiedensten Naturvölkern
gelehrt, ferner bei den Ägyptern (Herod.
II), in den Upanishads, im
Buddhismus, bei den Orphikern, Pherekydes
(Cicero, Tusc. disp. I, 16.De divin. I, 50), bei
den Pythagoreern: ekriphtheisai
d' autên (psychên) epi gês plazesthai en tô aeri homoian
tô sômati (Diog. L VIII l, 31).
Auch bei EMPEDOKLES:
kai tên psychên pantoia eidê zôôn kai phytôn
endyesthai. phêsi goun. êdê gar pot' egô genomên
kouros te korê te thamnos t' oiônos te kai exalos ellopos ichthys
(Diog. L. VIII 2, 77)
Die Metempsychose lehren
auch PLATO (Tim.
49E squ., 92B. Leg. X), PHILO,
PLOTIN, PROKLUS (In
Tim.), VERGIL, die
Manichäer und Basilidianer (vgl.
Clem. Alex., Strom. IV), die Kabbalâ
u.a. Dagegen ARISTOTELES u.a. Vgl. Tod,
Unsterblichkeit.
Sensualismus
(sensus, Sinn, Empfindung) S.
3024 Siehe
auch bei Kirchner
Sinnlichkeitsstandpunkt, d.h.
diejenige erkenntnistheoretische Sichtung, welche alle
Erkenntnis aus Empfindungen, Impressionen, aus sinnlichen Erlebnissen
ableitet, nach welcher die Erkenntnis in Inhalt und Form letzten Endes ein Produkt
der Sinnesfunktionen und ihrer Weiterentfaltung ist und oft auch eine
die sinnliche Erfahrung überschreitende Erkenntnis
negiert wird. Alle Wirklichkeit ist durch die
Sinne, in Empfindungen und daraus abgeleiteten Vorstellungen gegeben.
Der Sensualismus faßt in
der Regel die Seele als
»tabula rasa« auf, berücksichtigt nicht die Spontaneität
des Bewußtseins und das in den Formen des Denkens gelegene Apriori der
Erkenntnis, die Bedeutung der normativen und regulativen Funktion der
Ideen und Ideale. Er vergisst oft, dass
die Empfindungen für die objektive Erkenntnis nicht das eigentliche Objekt,
sondern nur ein Mittel des Erkennens sind, daß ferner die
»Empfindungen« als solche, d.h. als elementare Inhalte nichts
»Gegebenes«, sondern schon das Produkt
einer abstrahierenden Analyse des Denkens sind. Der
praktische, ethische Sensualismus erblickt in der
Sinneslust, im subjektiven Wohlergehen, im Genusse das eigentliche Motiv
und Ziel des ethischen Handelns
(Hedonismus).
Nach ARISTIPPUS erkennen
wir nicht das Ding an sich , sondern nur unsere Empfindungsinhalte (vgl.
Plat., Theaet. 166).
Als eine leere Tafel, die
erst durch sinnliche Wahrnehmung sich mit Zeichen erfüllt,
betrachten den Geist die
Stoiker: Hoi Stôikoi
phasin. hotan gennêthê ho anthrôpos, echei to hêgemonikon
meros tês psychês hôsper chartên euergon (energon)
eis apographên. eis touto mian hekastên chartên tôn
ennoiôn enapographetai (Plut., Plac.
IV, 11. Dox. 400).
Sensualistisch lehrt EPIKUR:
hai epinoiai pasai apo tôn aisthêseôn
gegonasi ... pas gar logos apo tôn aisthêseôn êrtêtai,
alle Begriffe haben sinnlichen Ursprung (Diog.
L. X, 32). tên de aisthêsin analêptikên
ousan (Sext. Empir. adv. Math. VII, 210.
VIII, 9). »Quicquid animo cernimus, id omne
oritur a sensibus«(De fin. I, 64).
ORIGENES erklärt,
aisthêsei katalambanesthai ta katalambanomena kai pasan katalêpsin
êrtêsthai tôn aisthêseôn (Contr.
Cels. VII, 37).
Nach ARNOBIUS muß
der Geist
eines von Geburt einsamen Menschen leer bleiben
(Adv. gent. II, 20 ff.).
Das »nihil est in intellectu,
quod non sit prius in sensu« spricht schon
THOMAS aus
(De verit. II, 3).
Von der »tabula rasa«
(s. d.) sprechen AEGIDIUS
ROMANUS, ERASMUS u.a.
Nach CAMPANELLA ist
die Empfindung der Anfang aller Erkenntnis
(Physiol. XVI, 1. vgl. De sensu rer.
II, 22). »Omnes sensus simul causant totius
rei cognitionem« (Univ. philos. I, 4,
4). »Duce sensu philosophandum esse existimamus.
Eius enim cognitio omnis certissima est, quia fit obiecto praesente« (Prodrom.
p. 27).
Nach F. M. VAN HELMONT gleicht
der kindliche Geist einem weißen
Blatte. »Humana
omnis scientia ex sensu primitus oritur« (vgl.
Ritter XII, 10 f.).
Den Wert der Sinne für
die Erkenntnis betont F.
BACON (Nov. Organ I, 41).
Nach HOBBES entspringt
alle Erkenntnis aus den Empfindungen.
»Nulla enim est animi conceptio, quae non
fuerat ante genita in aliquo sensuum, vel tota simul, vel per partes. Ab his
autem primis conceptibus omnes postea derivantur« (Leviath.
I, 1).
Auch nach GASSENDI entspringt
jede Idee aus den Sinnen. Die Seele
ist eine leere Tafel
(Opp. III, 318. Inst. Log. I).
MONTAIGNE erklärt: »Toute
connaissance s'achemine en nous par les sens en sont nos maîtres. - La
science commence par eux et se resout en eux... Les sens sont le commencement
et la fin de l'humaine connaissance«
(Ess. II, 12). –
LOCKE bezeichnet den Geist
als ursprünglich gleich einem »white
paper«. Alle Erkenntnis stammt aus
»sensation« und
»reflection« (Ess.
II, ch. 1, § 2 ff.).
Nichts ist in unserem Intellekt, was nicht auf äußere
oder innere Erlebnisse zurückzuführen ist. Der Geist
hat aber die empirisch gewonnenen einfachen Vorstellungen mannigfach
zu verknüpfen (l.c. § 5.).
(Gegen Locke
erklärt sich LEIBNIZ)
Auf »impressions«
und ihre Verarbeitung führt
HUME die
Erkenntnis zurück. »All die schöpferische
Kraft der Seele ist nichts weiter als die Fähigkeit, den durch die Sinne
und die Erfahrung gegebenen Stoff zu verbinden, umzustellen oder zu vermehren...
Kurz aller Stoff des Denkens ist von äußeren oder inneren Wahrnehmungen
abgeleitet. Nur die Mischung und Verbindung gehört dem Geist und dem Willen
oder... alle unsere Vorstellungen oder schwächeren Empfindungen und Nachbilder
unserer Eindrücke oder lebhaften
Empfindungen« (Inquir. sct. 2).
Psychologisch begründet
den Sensualismus CONDILLAC.
»C'est... des sensations que naît tout le
système de l'homme« (Extr. rais.
p. 35). »La sensation devient successivement
attention, comparaison, jugement« und réflexion
(l. c. p. 38). »Du désir naissent
les passions, l'amour, la haine, l'espérance, la crainte, la volonté.
Tout cela n'est donc encore que la sensation transformé«
(l. c. p.40). »La
sensation enveloppe toutes les facultés de l'âme«
(Tr. d. sens. I, ch. 7, § 2), Leben ist Genießen
(l. c. IV, ch. 9, § 2). Der
Mensch verhält sich wie eine allmählich von außen belebte Statue.
Sensualisten sind mehr oder
weniger auch BONNET
(Ess. anal. p. 14), HOLBACH,
HELVETIUS, LAMETTRIE u.a.
CABANIS bemerkt: »La
sensibilité physique est la source de toutes les idées«
(Rapp. I, 85).
Reaktion gegen den Sensualismus
in Frankreich bei M.
DE BIRAN, JOUFFROY, ROYER-COLLARD,
COUSIN u.a.. –
Den sinnlichen Ursprung der Vorstellungen lehrt
RÜDIGER.
AD. WEISHAUPT erklärt: »Unser
ganzer Verstand und Vernunft, alle unsere höhere Kenntnis gründet
sich... auf Empfindungen, auf den Gebrauch der Sinne.« Die
Empfindungen und die Sinne sind »die
Vorratskammer, aus welcher der Verstand schöpft. Diese liefern ihm alle
rohen Materialien, welche sein Fleiß noch weiter bearbeiten soll«(Üb.
Mat. u. Ideal. 61. 78 f.).
L. FEUERBACH lehrt:
»Nur durch die Sinne wird ein Gegenstand im wahren
Sinne gegeben«(WW. II, 321). »Der
Geist folgt auf den Sinn, nicht der Sinn auf den Geist. der Geist ist das Ende,
nicht der Anfang der Dinge« (l. c. S.
236),
L. KNAPP betont: »Alles
Denken ist,.. nur Vorstellen der empfundenen Sinnlichkeit, also insofern der
Wirklichkeit, da es keine Empfindungselemente, d.h. keine einfachen Sensationen
erfinden kann« (Syst. d. Rechtsphilos.
S. 13). Das reine ist das »streng
sinnliche Denken« (l. c. S. 13).
alle Erkenntnis ist eine sinnliche, alles übrige Erkennenwollen ist Einbildung
(l. c. S. 20). Es
gibt keine »aprioristischen Gedanken«
(l. c. S. 20).
Ähnliche Anschauungen bei R.
AVENARIUS, E. MACH u.a.
–
Aus der Sinneswahrnehmung leitet die Erkenntnis
CZOLBE ab
(Neue Darstell. d. Sensual. S. 4 ff.). Alle,
auch die höchsten psychischen Vorgänge setzen
sich nur aus Empfindungen und Gefühlen, ohne
eine außerdem bestehende Seele, zusammen
(Gr. u. Urspr. d. m. Erk. S. 224).
Gegner des Sensualismus sind der Rationalismus,
Kritizismus und kritische Empirismus.
BIUNDE betont, »daß
alle Erfahrung das Denken nicht erfahrbarer Verhältnisse und Gegenstände
sowohl im Verstande als in der Vernunft nur veranlasse, und zwar dadurch, dass
sie einen Stoff liefert, welchen diese beiden Vermögen selbständig
und eigenmächtig bearbeite?', einen Stoff, welcher vor dieser Bearbeitung
von seiten des Subjektes für das Subjekt ein confusum
chaos ohne Ordnung und ohne Licht bildet«(Empir.
Psychol. I 2, 260).
Ganz ähnlich lehren Neukantianer
wie H. COHEN, P.
NATORP, P. STERN
(Probl. d. Gegeb. S. 13 ff., 28 ff.)
u.a. –
HEGEL bemerkt: »Nihil
est in sensu, quod non fuerit in intellectu«
(Encykl. § 8).
Nach J.
H. FICHTE ist der Geist schon
im Sinne gegenwärtig