Rudolf Eisler (1873 – 1926)

Österreichischer Philosoph, der eine von Immanuel Kant und Wilhelm Wundt beeinflusste Erkenntnistheorie vertrat. Seine philosophischen Lexika, insbesondere das dreibändige »Wörterbuch der philosophischen Begriffe«, aus dem die folgenden Abschnitte entnommen sind, zählen zu den unverzichtbaren philosophischen Standardwerken.

Siehe auch Wikipedia

Inhaltsverzeichnis
Auswahl aus dem »Wörterbuch der philosophischen Begriffe«
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Gott ,
Absolut
, Achamoth , Agnostizismus , All , Allbeseelung , Allbewusstsein , Alleinheit , Allgegenwart , Allheit , Allmacht , Allweisheit/Allwissenheit , Altruismus , Analogie , Analogieschluss , Anderssein , Animismus , An-sich , An-sich-sein , Antinomie , Äon , Apprehension , Atheismus , Äther , Ätherleib , Atman , Ausdehnung

Bedingung , Begründen , Beharrlichkeit , Beharrung , Bejahung , Bewegung , Böse , Brahman , Buddhismus ,

Chaos
,

Dämonen , Darwinismus , Deismus , Demiurg , Dialektik , Dualismus ,

das Eine
, Einfachheit , Einheit , Einsicht , Ekstase , Emanation , Empiriokritizismus , Empirismus , Endlich , Ensoph , Entelechie , Etwas , Evolution , Ewigkeit ,
Freiheit
,

Ganzes und Teile , Gegensatz , Geist , Gesetz , Gnosis , Grad , Gut ,

Harmonie
, Henotheismus , Hylozoismus ,

Idee
, Individuation , Intelligenz , Intelligibel , Intelligible Welt , Introjektion , Intuition ,

Kabbala , Karma , Kontemplation , Kontinuität , Kosmos ,

Licht
, Logos ,

Macht , Maya , Mechanistische Weltansicht , Meditation , Monade(n) , Monismus , Monotheismus , Mystik ,

Naturgesetz , Nichts , Nihilismus , Nirwana , Notwendigkeit ,

Offenbarung
, Okkultismus , Optimismus ,

Panentheismus
, Panlogismus , Panpsychismus , Pansatanismus , Pantheismus , Pessimismus , Pleroma , Pneuma , Polarität , Positivismus , Prädestination , Prädeterminismus , Präexistenz , Psychologismus , Pythagoreismus ,

Quellgeister ,

Schein
, Schicksal , Schöpfung , Seele, Seelensitz , Seelenwanderung , Sensualismus , Soliipsismus , Sophia , Spekulation , Spiritismus , Spiritualismus , Stetigkeit , Sufismus ,

Tabula rasa , Tao , Teil , Teilbarkeit , Teleologie , Telepathie , Theismus , Theodizee , Theogonie , Theologie , Theophanie , Theosophie , Tod ,

Übel
, Übermensch , Unendlich , Ungrund , Unio mystica , Unsterblichkeit , Upanishad , Urkraft , Ursprung , Urtatsache ,

Verbindung , Vermögen , Vielheit , Vision , Vitalismus , Volksgeist , Vollkommenheit , Vorsehung ,

Wechselwirkung , Weisheit , Welt , Weltgeist , Welträtsel , Weltseele , Werden , Widerspruch , Wille zur Macht ,
Zahl
, Zufall .

Gott (theos deus) S.1106f. Siehe auch bei Kirchner
ist ein Name für das höchste Wesen, das Absolute, für die ewige Einheit aller Dinge, die von der Summe derselben wohl zu unterscheiden ist, für den Urgrund alles Geschehens; für die höchste, geistige, wollend-vernünftige Kraft, die im All sich offenbart, kein Einzelding unter Einzeldingen ist. Die Dinge und deren Summe, die Welt, sind in Gott, Gott wirkt in der Welt. Diese Auffassung des Verhältnisses von Gott und Welt heißt Panentheismus. Der Pantheismus setzt Gott und All als eines, der Theismus setzt Gott außer der Welt als ein Wesen für sich, das er als persönlich auffaßt. Der Atheismus leugnet die Existenz einer Gottheit überhaupt. Der Begriff Gottes entspringt einem Postulate des den Erfahrungsinhalt verarbeitenden, begründenden Denkens, sowie Forderungen des Gemütes und dem Dichten der Phantasie. Mythus , Religion und Philosophie bestimmen mit verschiedenen Erkenntnismitteln die Gottesidee.

Aus dem Polytheismus, der dem Animismus und Fetischismus entspringt, geht einerseits der religiöse Theismus, erst als Henotheismus, dann als Monotheismus hervor (Hebräer, esoterische Religion der Ägypter, Griechen), anderseits der Pantheismus als Religion (Inder) und als Philosophie (Griechen), indem die verschiedenen Götter in Dienern, bezw. Modificationen einer Urgottheit werden, die schließlich als das einzige Göttliche bleibt.

Das Altertum weist, ohne allzu scharfe Abgrenzung der Begriffe, einen Wechsel von Pantheismus und Theismus, inbegriffen der Emanationslehre, auf.

Die Inder (Vedas, Upanishads) bestimmen die Gottheit als das Brahman oder Âtman , die in allen Dingen identische, ewige Urkraft, die aus sich heraus Welten schafft und wieder in sich zurücknimmt und die allein wahre Realität hat, an sich als »prajapâti«, als »Herr der Geschöpfe«, als Vater der Götter und Menschen (vgl. DEUSSEN, Allg. Gesch. d. Philos. I 1, S. 261 u. a., I 2, 36 ff.).

Bei den Chinesen sieht LAO-TSE im Tao das (göttliche) Ursein.

Nach HOMER ist Zeus patêr andrôn te theôn te (Odyss. s' 135). Er wirkt in den Geistern der Menschen (Iliad. y' 242).

HESIOD gibt eine Theogonie. Die »Orphiker« sehen in »Zeus« den Weltgrund: Zeus kephalê, Zeus messa, Dios d' ek panta tetyktai (Stob. Ecl. I 2, 40).

ANAXIMANDER bezeichnet Gott als das apeiron , ANAXAGORAS als den »Geist« , den noun kosmopoion (Stob. Ecl. I 2, 56).

Die Pythagoreer sehen in der »Einheit« (monas) die Gottheit (Stob. Ecl. I 2, 58). Gott wird als der ewige, unbewegte Weltgrund bestimmt nach PHILOLAUS: ho hêgemôn kai archôn hapantôn theos eis, aei ôn, monimos, akinêtos, autos hautô homoios, heteros tôn allôn (bei PHILO, De mundi opif. 23 A).

Nach HERAKLIT ist Gott das vernünftige, ewige, rastlose Weltfeuer (pyr aidion), der logos, der in den Welten sich entfaltet (Stob. Ecl. I 2, 60).

Die Einheit Gottes spricht energisch aus XENOPHANES: heis theos en te theoisi kai anthrôpoisi megistos, oute demas thnêtoisi homoiios oute noêma (Mull., Fragm. I, p. 101). Das göttliche Eine ist das All, das All ist göttliche Einheit: hen to on kai pan (Simplic. ad Phys. Aristot. fol. 5b; Stob. Ecl. I 2, 60). Xenophanês de prôtos toutôn henisas... eis ton holon ouranon apoblepsas to hen einai phêsi ton theon (Aristot., Met. I 5, 986b 24). Gott ist das Beste von allem (Simplic. a. a. O.), die Einheit des Weltganzen (Sext. Empir. Pyrrh. hypot. I, 224). Er ist unbegrenzt, aber materiell, von »runder« Gestalt (sphairoeidê onta) Sext. Empir. Pyrrh. hypot. I, 224, zugleich allwissend: ganz Auge,ganz Ohr, ganz Denken (oulos hora, oulos de noei, oulos de t' akouei) Sext. Empir. adv. Math. IX, 144; Diog. L. IX, 19; apaneuthe ponoio noou phreni panta kradainei (Simpl. ad. Arist. Phys. fol. 6 A). »Unum esse omnia neque id esse mutabile et id esse deum neque natum unquam et sempiternum, conglobata figura« (CICERO, Acad. II, 118; vgl. Simplic. ad Aristot. Phys. 22 Diels). Die Menschen stellen sich ihren Gott anthropomorph vor, wie die Tiere sich ihn tierähnlich vorstellen würden (Clem. Alex., Strom. V,601e, VII, 711 b; Euseb., Praepar. evang. XIII, 13); sie schreiben ihm menschliche Leidenschaften zu (Sext. Empir. adv. Math. IX, 193, 289; Aristot., Rhetor. II 23, 1399b 6; 1400b 5).

Nach PARMENIDES ist Gott das eine, ewige, unbewegte, leidlose Sein .

EMPEDOKLES
soll die Menschenähnlichkeit der Götter negiert haben (Clem. Alex., Strom. V, 644).

Einige Sophisten bezweifeln die Existenz der Götter. Nach KRITIAS ist der Götterglaube eine Erfindung kluger Staatsmänner (Sext. Empir. adv. Math. IX, 54); ähnlich PRODIKOS.

Skeptisch scheint sich gegenüber dem Götterglauben PROTAGORAS verhalten zu haben (peri tôn theôn ouk echô eidenai, outh' hôs eisin, outh' hôs ouk eisin. polla gar ta kôlionta eidenai, hê d' adêlotês kai brachys ôn ho bios tou anthrôpou (Diog. L. IX, 51).

SOKRATES glaubt an eine göttliche, allwissende, zweckmäßig wirkende Vernunft und Vorsehung (phronêsis) im All (ho ton holon kosmon syntattôn te kai synechôn; - panta men hêgeito theous eidenai) Xenoph., Memorab. I, 1, 19; IV, 3, 13.

PLATO
bestimmt die (unpersönliche) Gottheit als höchste der Ideen , als die »Idee des Guten«, das »Gute an sich«, also ethisch. Sie ist ewig einzig, erhaben über alle Dinge (auto kath' hauto meth' hauton monoeidesaei on) Sympos. 211 B, jenseits alles Seienden (epekeina tês ousias), Republ. VI, 209 B, also völlig transcendent. Sie ordnet alles aufs beste (diakosmôn panta kai epimeloumenos) Phaedr. 246 E als der gute Demiurg, Weltbildner (Tim. 28 ff., 29 E; Republ. X, 597; Phileb. 22 C). Gottes Güte ist der Daseinsgrund der Dinge.

XENOKRATES betrachtet die Monas (Einheit) als höchsten Gott und stellt ihm die Dyas als weibliche Gottheit zur Seite, wie er auch eine Vielheit göttlicher Kräfte annimmt (Plut., Plac. I,7, 30; Dox. 304).

Als von der Welt geschieden
(kechôrismenê tôn aisthêtôn), also als übersinnlich, faßt ARISTOTELES die Gottheit auf. Sie ist einfach, leidlose, unstoffliche, reine »Form«, Intellect, selbstbewußtes Denken (hê noêsis hê kath' heautên tou kath' heauto aristou), Met. XII 7, 1072 b 19; amerês kai adiairetos, Met. XII 7, 1072 b 6, sie denkt sich selbst, ist noêseôs noêsis (Met. XII 9, 1074 b 34), ist das ewig Unbewegte zôon aidion ariston, Met. XII 7, 1072 b 29; ousia tis aidios kai akinêtos kai kechôrismenê tôn aisthêtôn, Met. XII 7,1073 a 4, der »erste Beweger« der Welt to prôton kinoun, (Met. XII 7, 1073 a 27); sein Wirken besteht im Streben nach ihm, das die Dinge empfinden kinei de hôs erômenon, kinoumenô de talla kinei, Met. XII7, 1072 b 3.

STRATO gestaltet den Aristotelischen Gottesbegriff zu einem naturalistischen: »Omnem vim divinam in natura sitam esse censet, quae causas gignendi, augendi, minuendi habeat, sed careat omni sensu et figura« (CICERO, De nat. deor. I, 12, 35).

Pantheistisch wird der Gottesbegriff bei den Stoikern. Nach ihnen ist Gott das pneuma , die Kraft des Alls, die zugleich feinster Stoff und Vernunft (logos) ist und sich in der Welt entfaltet und entwickelt, die Weltseele. Gott ist das All (kosmos) in dessen Einheit, die Welt ist der differenzierte Gott (Diog. L. VII, 139, 148; Plut., De Stoic. rep. 41; Cicer., De nat. deor. I, 14). Alles ist beseelt, göttlicher Herkunft; Gott wirkt in der Welt. Theon d' einai zôon athanaton, logikon, teleion ê noeron en eudaimonia, kakon pantos anepidekton, pronoêtikon kosmou te kai tôn en kosmô. mê einai mentoi anthrôpomorphon. einai de ton men dêmiourgon tôn holôn kai hôsper patera pantôn koinôs te kai to meros autou to diêkon dia pantôn, ho pollais prosêgoriais prosonomazesthai kata tas dynameis (Diog. L. VII 1, 147). Gott ist das gestaltende, ätherische Feuer, pyr technikon, das vernünftig (durch die spermatikoi logoi) und zugleich notwendig-causal, gesetzmäßig (kath' heimarmenên) wirkt, alles durchdringend (Stob. Ecl. I 2, 66). Gestaltlos ist die Gottheit, aber zahllose Gestalten nimmt sie an (pneuma noeron kai pyrôdes ouk echon men morphên, metaballon de eis ho bouletai kai synexomoioumenon pasin (Plut., Epit. I, 6, Dox. 292 a).

Gott (Zeus) ruft KLEANTHES so an: Kydist' athanatôn polyônyme pankrates aiei, Zeu physeôs archêge, nomou meta panta kybernôn (Stob. Ecl. I 2, 30; Cicer., De natur. deor. I, 14, 37).

Nach SENECA ist Gott »prima omnium causa, ea qua ceterae pendent« (De benefic. IV, 7). »Quid est Deus? Quod vides totum, et quod non vides totum. Sic demum magnitudo sua illi redditur, qua nihil maius excogitari potest; si solus est omnia, opus suum et extra et intra tenet« (Quaest. nat. I, praef. 12; vgl. MARC AUREL, In se ips.).

Die Epikureer halten die Götter für ätherische Wesen (aus den feinsten Atomen bestehend); sie wohnen in den »Intermundien« , führen ein seliges Leben, kümmern sich nicht um die Schicksale der Sterblichen, erscheinen aber zuweilen den Menschen (Diog. L. X, 123).

Die Skeptiker halten die Existenz Gottes für unbeweisbar (Sext. Empir. Pyrrh. hypot. III, 1, 9).

Eine Vereinigung griechischer mit orientalischen (jüdischen) Anschauungen findet sich schon bei ARISTOBULUS. Nach ihm ist Gott eine das All beherrschende, unsichtbare, außerweltliche Kraft (diakrateisthai theia dynamei ta panta kai genêta hyparchein kai epi pantôn einai ton theon; - saphôs oimai dedeichthai, hoti dia pantôn hê dynamis ton theon (Euseb., Praep. XII, 12).

PSEUDO-ARISTEAS
unterscheidet den höchsten Gott (ho kyrieuôn hapantôn theosaprosdeês) und dessen Macht (dynamis), die überall wirkt (dia pantôn estin,panta topon plêrei). Ähnlich das zweite Buch der Makkabäer (2, 39), während das Buch der Weisheit die Weisheit als Ausfluß der Gottheit, als hagion pneuma, bestimmt (vgl. ÜBERWEG-HEINZE, Gr. d.Gesch. d. Philos. I9, 354).

PHILO bestimmt Gott als das (persönlich) Seiende (to on), als die ewige einzig-einfache Einheit (ho theos monos esti kai hen, ousynkrima, physis haplê Leg. alleg. II, 1; legesthai gar ou pephyken alla monon einai to on, De somn. I, 39. Er ist noch über »das Gute« erhaben (De mundi opif. I, 2); to gar on hê on estin, ouchi tôn pros ti, auto gar heautou plêres kai auto heautô hikanon (De nom. mutat. I, 582). Er ist allseiend, überall (De linguar. conf. I, 425), er ist der Ort der Dinge (De somn. l). Selig ist er (De Cherub. I, 154) und allwissend theô de ouden adêlon, ouden amphisbêtoumenon, hos kai allois ta gnôrismata tês alêtheias enargôs epidedeichs,(De sacrif. 28).

Neupythagoreer und pythagoreisierende Platoniker betonen die Transcendenz, Überweltlichkeit Gottes.

APOLLONIUS VON TYANA
unterscheidet den einen, jenseitigen Gott von den Göttern (Euseb., Praep. ev. IV, 13).

NIKOMACHUS bestimmt die Gottheit als monas; (Theol. Arithm. p. 44).

Nach PLUTARCH VON CHAERONEA ist Gottes innerstes Wesen uns unbekannt (De Pyth. orac. 20; De Is. et Osir. 75). Gott ist Einheit ohne Anderheit, das Seiende (De Is. et Osir. 78). Der Gottheit steht das Böse als Weltprincip gegenüber (Platon. quaest. II, 1, 2).

NUMENIUS unterscheidet vom höchsten Gott den Demiurg als den zweiten Gott (ho deuteros theos) der an dem ersten teilhat (metousia) und die Welt bildet als geneseôs archê; die Welt ist der »dritte Gott«. - Der höchste Gott ist Geist (nous), Seinsprincip (ousias archê), Euseb., Praep. ev. XI, 22; ho theos ho men prôtos en heautô ôn estin, haplous dia to heautô syngignomenos diolou mêpote einai diairetos, (l.c. XI, 18, 3).

Die Neuplatoniker bemühen sich, die Gottheit über alles endliche Sein hinauszuheben, anderseits aber die Welt, durch Mittelwesen, aus ihr (emanatistisch) abzuleiten.

Nach PLOTIN ist Gott das Überseiende, Eine, Bestimmungslose, Ewige (Enn. V, 5, 3 ff.), absolut Größte (l.c. VI, 7, 32), Übergeistige, Überweltliche (l.c. III, 8, 8; VI, 7, 32; V, 4, 2). Die Dinge stammen aus ihm (l.c. VI, 7, 32), so aber, daß Gott unverändert bleibt (l.c. III, 8, 9; V, 1, 9).

JAMBLICHUS nennt Gott den unnennbaren Urgrund (pantê arrhêtos archê), der noch über das hen erhaben ist (Damasc., De princ. 43).

Nach PROKLUS ist Gott die Ureinheit, das Urprincip (Instit. 4 ff.), anaitiôs aition (Plat. theol: III, p. 101 ff.), pasês sigês arrhêtoteron kai pasês hyparxeôs agnôstote-ron (l.c. II, 11).

BOËTHIUS bestimmt Gott als das Eine, Gute, als Vorsehung (Cons. phil. III).

Das Christentum faßt Gott als den liebenden Vater auf, der durch den logos;, seinen »eingeborenen Sohn«, in der Welt wirkt; er ist die ewige, absolutseiende, geistige, überweltliche Persönlichkeit (vgl. Paul., 1. Cor. 12, 6; pneuma ho theos, Joh. 4, 24; vgl. 5, 26; vgl. HARNACK, Dogmengesch. I3, 485 f.).

Das Dogma von der Dreieinigkeit Gottes (eine Substanz in drei Personen) wird von den Kirchenvätern ausgebildet.

Die (häretischen) Gnostiker unterscheiden einen höchsten Gott (die Gottheit) und den Demiurgen (Weltbildner, manchmal mit dem Judengott identificiert und sogar als böses Princip aufgefaßt, als Lucifer.

BASILIDES
nennt Gott den Nichtseienden (ho ouk ôn theos), d. h. Überseienden, VALENTINUS die monas agennêtos, aphthartos, akatalêptos (Hippol. VI, 29), die Urtiefe (bythos), den Urvater (propatôr), den teleios aiôn. -

ARNOBIUS bestimmt Gott als ewig, unendlich, als den »Ort« aller Dinge (Adv. gent. I, 31); ähnlich TERTULLIAN (Adv. Marc. I, 23 ff.; II, 6 ff.).

Nach JUSTINUS ist Gott unnennbar anônomastos, (Apoll.I, 63), agennêtos (l.c. II, 6), überweltlich en tois hyperouoaniois aei menontos, (Dial.c. Tryph. 56). Ähnlich lehrt CLEMENS ALEXANDRINUS (Strom.V, 11 f.) und ORIGENES (De princ. II, 184; I, 96 ff.; I, 1).

Die Transcendenz Gottes schildert MINUCIUS FELIX: »Parentem omnium deum nec principium habere nec terminum..., sibi ipse pro mundo: qui universa, quaecunque sunt, verbo iubet, ratione dispensat, virtute consummat. Hic non videri potest: visu clarior est; nec comprehendi: tactu purior est; nec aestimari: sensibus maior est, infinitus, immensus et soli sibi tantus, quantus est, notus« (Octav. 18, 7 ff.).

Nach AUGUSTINUS ist der dreieinige Gott (De civ. Dei XI, 24) das höchste Sein (»ens realissimum«), die Wahrheit (De ver. relig. 57; De trin. VIII, 3), das höchste Gut »summum bonum«, (De trin. VIII, 4), die höchste Wesenheit (»summa essentia«), die höchste Schönheit und Weisheit, der Seinsgrund (De ver. relig. 21; De lib. arbitr. II, 9 ff.; De trin. XIV, 21). Er schuf, um Gutes zu wirken, die Welt aus nichts (De civ. Dei XI, 21 ff.; XIV, 11; Confess. XII, 7).

Pantheistisch gefärbt oder panentheistisch ist die (an DIONYSIUS AREOPAGITA, der Gott »esse omnium« nennt, sich anlehnende) Lehre des JOHANN. SCOTUS ERIUGENA. Gott ist nach ihm die Einheit des Alls, die »universitas« (De divis. natur. II, 2), to pan (l.c. I, 24), »totum omnium« (l.c. I, 74), »omnium essentia« (l.c. I, 3), »omnia in omnibus« (l.c. I, 10). Gott ist in allem, alles ist in Gott. »Nam et creatura in Deo est subsistens, et Deus in creatura mirabili et ineffabili modo creatur, se ipsum manifestans« (l.c. III, 17). Gott ist die Substanz der Dinge »essentiam omnium subsistere« ( l.c. I, 72). »In Deo immutabiliter et essentialiter sunt omnia, et ipse est divisio et collectio universalis creaturae« (l.c. III, 1). »Deus in se ipso ultra omnem creaturam nullo intellectu comprehenditur« (l.c. I, 3). Gott ist der Urgrund der Dinge, »principalis causa omnium, quae ex ipso et per ipsum facta sunt« (l.c. I, 11), er ist »principium, medium et finis«. »Principium, quia ex se sunt omnia, quae essentiam participant, medium autem, quia in se ipso et per se ipsum subsistunt omnia, finis vero, quia ad ipsum moventur quietem motus sui, suaeque perfectionis stabilitatem quaerentia«(l.c. I, 12). Gott ist »informe principium« (l.c. II, 1). Er ist »super ipsum esse« (l.c. I, 39), ein »nihil« (l.c. II, 28), er manifestiert sich in den Dingen (l.c. III, 19 f.), so daß alles Sein eine Theophanie ist (l.c. III, 4). Durch seinen Willen geschieht alles (l.c. I, 12). »Deus non erat prius, quam omnia faceret« (l.c. I, 12, 68, 74). Gott ist die »bonitas« (l.c. I, 24). »Unum dicitur, quia omnia universaliter est« (l.c. III, 8). Gott ist dreieinig (l.c. II, 31 ff.). Er weiß sich nichtwissend: »Nescit igitur, quid ipse est, h. e. nescit se quid esse,« »intelligit se super omnia esse« (l.c. II, 28 f., III, 1).

AMALRICH VON BENE nennt Gott die »essentiam omnium creaturarum et esse omnium«. »Asseruit Amalricus, ideas, quae sunt in mente divina, et creare et creari... Dixit etiam, quod Deus ideo dicitur finis omnium, quia omnia reversura sunt in ipsum, ut in Deo incommutabiliter conquiescant, et unum individuum atque incommutabile in eo perma-nebunt« (bei STÖCKL I, 290).

DAVID VON DINANT erklärt: »Manifestum est unam solam substantiam esse, non tantum omnium corporum, sed etiam omnium animarum, et hanc nihil aliud esse quam ipsum Deum, quia substantia, de qua sunt corpora, dicitur hyle, substantia vero, de qua omnes sunt animae, dicitur ratio vel mens. Manifestum est igitur Deum esse substantiam omnium corporum et omnium animarum. Patet igitur, quod Deus et hyle et mens una sola substantia est« (bei Alb. Magn., Sum. th. II, 72, 4, 2; vgl. HAURÉAU II, 1, p. 78, 80).

Emanatistisch ist die Lehre der Kabbalâ, sowie die verschiedener arabischer und jüdischer Philosophen: RAZI, AL-KINDI, AL-FÂRÂBI, IBN SINA (Avicenna).

Nach AL-GAZALI hat Gott einen ewigen, freien Willen.

Nach IBN ROSCHD (Averroës) ist Gott das Weltprincip, die Urform, die Urvernunft, der Endzweck aller Dinge (vgl. S. MUNK, Mélanges de philos. juive et arabe 1859; DE BOER, Gesch. d. Philos.im Islam 1901). Die Motakallimûn schreiben Gott alle Causalität in der Welt zu (Maimon., Doctor. perplexor. I, 73). -

Nach IBN GEBIROL wirkt und ist Gott in allem; nach IBN ESRA ist er das absolut Eine, das bestimmungslose Subject; nach MAIMONIDES ebenfalls (vgl. MUNK, Mélang., u. M. EISLER, Vorles. üb. d. jüd. Philos. d. Mittelalt. I u. II; SPIEGLER, Gesch. d. jüd. Philos.).

Die christliche Scholastik verbindet den evangelischen Gottesbegriff mit Platonisch-Aristotelischen Elementen.

ANSELM bestimmt Gott als das Absolute, als das »per se ipsum« Seiende (Monol. 1 ff.), »ens per se«, als das denkbar Höchste »summum omnium, quae sunt«, »id quo maius cogitari nequit«, »summum ens«,( l.c. 1, 4, 6, 16, 26; Proslog. 2).

Nach BERNHARD VON CLAIRVAUX ist Gott »esse omnium non materiale, sed causale« (bei Alb. Magn., Sum. th. II, 3, 3).

ALBERTUS MAGNUS bestimmt Gott als »causa efficiens, finalis et formalis« (Sum. th. II, 2), »principium omnium« (l.c. II, 72, 4), das in allem ist »in omnibus est« (l.c. II, 98).

Nach THOMAS ist Gott das Absolute, weil er das Höchste ist, in sich besteht (Sum. th. I, 2, 1 ob. 2; I, 85, 3). Er hat Aseïtät, seine Natur ist »per se necesse esse« (Contr. gent. I, 80), denn er ist die »prima causa essendi non habens ab alio esse«(Pot. 10, Tob. 6). Er ist zeitlos (»extra ordinem temporis« (1 perih. 14 f.), wirkt in allem »Deus est in omnibus rebus, sicut agens adest ei, in quo agit intime« (Sum. th. I, 8, 1). Gott ist die »causa universalis essendi« (Contr. gent. II, 16). Er ist »actus purus« (l.c. II, 8, l).

Nach DUNS SCOTUS wird Gott aus seinen Wirkungen erkannt (Op. Ox. I, d. 42).

R. LULLUS erklärt: »Deus est ens, quod est summe et infinite bonum et bonitas, magnum et magnitudo, aeternum et aeternitas, virtuosum et virtus, verum et veritas, gloriosum et gloria: habens in se omnem perfectionem infinitam in summo absque aliqua imperfectione« (bei STÖCKL II, 940).

Zum
Pantheismus neigt wieder ECKHART. Nach ihm ist Gott das »Sein der Dinge«, zugleich »Ichts« und »Nichts«, kein Individuum; er ist allen Dingen immanent, »weselich, würkelich«, an sich aber eine »gruntlose substantie«, »urgruntliche Wesenheit«, ein »insitzen in sich selber«, ein »gewaltig instan«. Gottes Wesen ist die »Gottheit«, der »Quell«, aus dem alles Sein fließet.

Nach PATRITIUS ist Gott »unomnia«.

Nach CAMPANELLA ist er das Unbegreifliche, Überseiende (Univ. philos. VII, 6; VIII, 1; VII, 6, 1).

NICOLAUS CUSANUS nennt Gott das Absolute »absolutum« (Doct. ignor. II, 9). Gott ist in allem, alles ist in ihm »sunt ab absoluto. Omnia sunt in eo et eum in omnibus« (I. e. I, 2). Gott ist alles in allem »quodlibet in quolibet« ( l.c. II, 5), »actus omnium« (l.c. II, 9), »essentia omnium essentiarum«, die Complication aller Dinge und die »coincidentia oppositorum«, das »maximum« und »mininum«, das »possest« (Können-Sein), die »forma essendi«, »ratio totius universi« (Weltgrund), das »centrum mundi« und die »infinita circumferentia« (l.c. I, 4; I, 8; I, 22 f.; III, 1). »Tolle deum a creatura: et remanet nihil«(l.c. II, 3). Die Welt ist eine Entfaltung Gottes. Wir wissen Gott nur durch »docta ignorantia«.

Nach ANDREAS CAESALPINUS ist Gott die Weltseele (»anima universalis«).

GIORDANO BRUNO
identificiert Gott mit der All-Natur. Gott ist die Einheit aller Dinge, deren Substanz, Princip, Ursache, er ist die Urmonade »monas monadum«(De min. I, 4). Gott lebt und wirkt in der Welt, er ist die Einheit aller Gegensätze (De la causa..., Dial. III). Er ist »überall und in allem ganz« (l.c. II). Gott ist einheitlich-ganz in allen Dingen, diese sind nur vergängliche Erscheinungsweisen des Einen. »Geradezu nichts ist alles, was außer diesem Einen ist.« »Das eine höchste Wesen, in welchem Vermögen und Wirklichkeit ungeschieden sind, welches auf absolute Weise alles sein kann und alles das ist, was es sein kann, ist in unentfalteter Weise ein Einiges, Unermeßliches, Unendliches, das alles Sein umfaßt; in entfalteter Weise dagegen ist es in den sinnlich wahrnehmbaren Körpern« (l.c. V). Gott ist die Natur der Dinge.

Einen strengen, logisch bestimmten
Pantheismus lehrt SPINOZA. Gott ist ihm das All, die ewige, unendliche Einheit, das absolute Sein, die Substanz, die schaffende Natur (»natura naturans«); die Einzeldinge, deren Summe die Welt (die »natura naturata«) bildet, sind nur »modi« der göttlichen Substanz, die sowohl Geist (Denken) als Materie (Ausdehnung) ist. Gott ist das Absolute, »causa sui« , alles Geschehen folgt mit logischer Notwendigkeit aus Gottes Wesen. Gott ist »ens absolute infinitum, hoc est substantiam constantem infinitis attributis, quorum unumquodque aeternam et infinitam essentium exprimit« (Eth. I, def. VI). Er hat ein notwendiges Sein »necessario existit« (l.c. I, prop. XI), ist einzige Wesenheit (1. e. I, prop. XIV), enthält alles: »Quicquid est in Deo est, et nihil sine Deo esse neque concipi potest« (I. e. I, prop. XV). Er ist der Welt immanent: »Deus est omnium rerum causa immanens, non vero transiens« (l.c. I, prop. XVIII). »Res particulares nihil sunt nisi Dei attributorum affectiones, sive modi, quibus Dei attributa certo et determinato modo exprimuntur« (l.c. I, prop. XXV, coroll.). Gott ist die wirkende Ursache alles Geschehens (l.c. I, prop. XVI, cor.). In Gott sind Wesen und Dasein eins »Dei existentia unum et idem sunt« (l.c. I, prop. XX). Gott handelt frei und zugleich notwendig, d.h. seiner Natur gemäß»Deus ex solis suae naturae legibus et a nemine coactus agit« (l.c. I, prop. XVIII).»His Dei naturam eiusque proprietates explicui, ut quod necessario existat; quod sit unicus; quod ex sola suae naturae necessitate sit et agat; quod sit omnium rerum causa libera et quo modo; quod omnia in Deo sint et ab ipso pendeant, ut sine ipso nec esse nec concipi possint; et denique quod omnia a Deo fuerint praedeterminata« (l.c. I, append.; vgl. De Deo I, 1 ff.).

Panentheistisch ist der Gottesbegriff bei MALEBRANCHE. Gott ist »l'être universel«, das All-Umfassende, der »Ort der Geister« und der Ideen . Das Universum ist in Gott. »Dieu voit... au dedans de lui-même tous les êtres, en considérant ses propres perfections qui les lui représentent« (Rech. II,5). »Dieu est tout être, parcequ'il est infini et qu'il comprend tout, mais il n'est aucun être en particulier, celui qui renferme toutes les choses dans la simplicité de son être« (l.c. II, 6). »Dieu est très-étroitement uni à nos âmes par sa présence, de sorte qu'on peut dire qu'il est le lieu des esprits, de même que les espaces sont en un sens le lieu des corps« (l.c. II, 6).

FÉNÉLON erklärt: »Dieu... est en luimême tout ce qu'il y a de réel et de positif dans les esprits... Il n'est pas plus esprit que corps« (De l'exist. de Dieu p. 155).

GEULINCX betont: »Sumus... modi mentis, si auferas modum, remanet Deus« (Met. p. 56). –

Nach J. BÖHME ist Gott »Herz oder Quellbruun der Natur«; aus ihm rührt alles her (Aurora C. 1, S. 22). Die Natur ist Gottes Leib; Gott hat sich in ihr creatürlich gemacht (l.c. C. 2, S. 31). Gott ist »ein Geist, in dem alle Kräfte sind«. In Gott ist auch das Böse, als»bittere Qual«, die aber »ewig währende Kraft, Freudenquell« ist (l.c. S. 31). Gott ist alles in Ewigkeit, »außer ihm ist nichts« (l.c. S. 34 f.). Das »Zornfeuer«in Gott, der Wille, ist der Grund alles Geschehens. Der Sohn ist »das Herz in dem Vater«, von Ewigkeit immer geboren (l.c. S. 37). Von ihm und vom Vater geht der heilige Geist aus (l.c. S. 39). Ein Gleichnis der Dreifaltigkeit ist der Mensch (l.c. S. 40).

R. FLUDD unterscheidet in Gott die Macht (»Finsternis«) und die Weisheit Licht«). Gott ist der Seinsgrund (Philos. mos. I, 3, 6).

ANGELUS SILESIUS sagt: »Ich weiß, daß ohne mich Gott nicht ein Nun kann leben; Werd' ich zu nicht, er muß vor Not den Geist aufgeben« (Cherub. Wandersm. I, 8). Gott kommt im Menschen zum Wissen seiner selbst (l.c. I, 105).

Zum Emanatismus neigen die englischen Platonike
r (H. MORE, R. CUDWORTH).

Theistisch faßt Gott DESCARTES auf. Gott ist nur durch die Vernunft erfaßbar (Epist. I, 67), er ist eine geistige, allgegenwärtige Substanz (l.c. I, 69, 72). Der Gottesbegriff ist uns angeboren, er enthält als göttliche Eigenschaften: Ewigkeit, Allwissenheit, Allmacht, Vollkommenheit, Güte und Wahrheit (Princ. philos. I, 22). Gott ist der Schöpfer aller Dinge, der Erhalter des Seins.

LUTHER: »Ein Gott heißet das, wozu man sich versehen soll alles Guten und Zuflucht haben in allen Nöten, also daß einen Gott haben nichts anderes ist, als ihm vom Herzen trauen und glauben, wie ich oft gesagt habe, daß allein daß Trauen und Glauben des Herzens machet beide, Gott und Abgott« (Catech. maior, Erklär. d. erst. Gebot.).

HOBBES sieht in Gott die letzte Ursache aller Dinge (Leviath. XXI).

Nach LOCKE ist Gott unendlicher Geist (Ess. II, ch. 23, § 21).

LEIBNIZ nennt Gott das Absolute (Opp. Erdm. p. 138 ff.). Gott ist der Seinsgrund, unendlich, allmächtig, allweise, allgütig, leidloses Wirken (»actus purus«), der »Ort der Ideen«(»regio idearum«) (l.c. p. 506, 678, 725), »la dernière raison des choses« (Princ. de la nat. et de la grâce § 7 f.). Er ist die höchste Monade, die mit klarstem Bewußtsein das All erkennt, das sie in sich einschließt: »Dieu contient l'univers éminement« (Gerh. III, 72). Gott ist eine »substance nécessaire« (Monadol. 38, Gerh. VI, 613). Er ist »principe, cause des substances«, Schöpfer und Herrscher, »chef de toutes les personnes ou substances intellectuelles, comme le monarque absolu de la plus parfaite cité ou république« (Gerh. IV, 460). Gott ist »le plus juste, débonnaire des monarques« (l.c. p. 461 f.). Er ist die Ursubstanz, aus der die Monaden, die Einzelwesen, emanieren: »Ainsi Dieu seul est l'unité primitive ou la substance simple originaire, dont toutes les monades créées ou dérivatives sont des productions et naissent... par des fulgurations continuelles de la divinité« (Monadol. 47, Gerh. VI, 614).

Nach BERKELEY ist Gott der ewige, unendliche, vollkommene Geist, der alles in allem wirkt, durch den alles besteht (Princ. CXLVI), er ist der Träger und das Band aller Dinge und Geister (l.c. CXLVII). Er offenbart sich uns in seinen Werken, indem er in uns die Natur als gesetzmäßigen Zusammenhang von Vorstellungen produziert; in Gott leben, weben und sind wir (l.c. CXLIX).

Nach G. VICO ist Gott das unendliche »posse, nosse,velle«.

Nach CHR. WOLF ist Gott »ein selbständiges Wesen, darinnen der Grund von der Wirklichkeit der Welt und der Seelen zu finden: und ist Gott sowohl von den Seelen der Menschen, als von der Welt unterschieden« (Vern. Ged. I, § 945). Gott ist das Absolute (l.c. I, § 929, § 938; vgl. Theolog. natural.).

Nach CRUSIUS ist Gott »eine verständige und notwendige d. i. ewige Substanz, welche von der Welt unterschieden wird und die wirkliche Ursache der Welt ist« (Vernunftwahrh. § 205).

Nach FEDER ist Gott »dasjenige Wesen, welches den Grund von dem Dasein in dieser Welt in sich enthält« (Log. u. Met. S. 393 ff.), er ist der vollkommenste Geist (l.c. S. 404 ff.). -

HOLBACH erklärt, Gott sei nur »la nature agissante, ou la somme des forces inconnues qui animent l' univers« (Syst. de la nat. II, 6).

Eine pantheistische Gottesauffassung hat
GOETHE. Ihm ist Gott das Ewige im Wechsel der Dinge (WW. XXXIV, 207), die der Natur immanente schöpferische Kraft; die Natur ist »der Gottheit lebendiges Kleid«. Gott ist unpersönliche Weltseele (l.c. II, 224; III, 268). -

KANT versteht unter Gott ein Wesen, das durch Verstand und Wille die Ursache der Natur ist (Kr. d. pr. Vern. I. T1., II. B., 2. Hptst. V). Der Gottesbegriff ist kein theoretischer, sondern gehört zur Moral, d.h. er wird durch die Moral gefordert. Gott wird als vollkommenstes Wesen gedacht, indem wir den Gottesbegriff »aus der Idee« haben, »die die Vernunft a priori von sittlicher Vollkommenheit entwirft und mit dem Begriffe eines freien Willens unzertrennlich verknüpft« (WW. IV, 257). Zwar ist Gottes Wesen an sich unbekannt, aber wir müssen ihn uns als unendlichen Geist und Willen denken (WW. VI, 476). Dem »moralischen Theismus« zufolge, welcher »kritisch« ist, steht Gottes Existenz zweifellos fest; Gott muß allwissend, allmächtig, heilig und gerecht sein (Vorles. üb. d. philos. Religionslehre, hrsg. von Pölitz, 2. A. 1830, S. 31 ff.). Rein theoretisch genommen ist das »Ideal des höchsten Wesens« »nichts anderes als ein regulatives Princip der Vernunft, alle Verbindungen in der Welt so anzusehen, als ob sie aus einer allgenugsamen notwendigen Ursache entspränge« (Kr. d. r. Vern. S. 486).

JACOBI
glaubt an einen persönlichen, von der Welt verschiedenen Gott (Von den göttl. Dingen 1811).

KRUG meint: »Das höchste Wesen heißt die Gottheit oder Gott, weil es das Gute in höchster Potenz und gleichsam personificiert ist« (Handb. d. Philos. I, 74). Gott ist das »allervollkommenste Urwesen«, der Schöpfer der Welt (l.c.II, 362 ff.).

Von J. G. FICHTE an beginnt eine (qualitativ verschiedene) pantheistische Auffassungsweise Platz zu greifen. Fichte selbst betrachtet Gott als die (active »sittliche Weltordnung« (»ordo ordinans«), als absolutes, unendliches Ich, als absolute, freie, vernünftig-sittliche Tätigkeit (WW. V, 182 ff., 210 ff.), später als ein Sein.

SCHELLING
bestimmt als das Princip das »Absolute«, die »Indifferenz« aller Dinge, die »Identität« von Subjekt und Objekt, von Natur und Geist; es ist ein ewiges Produzieren (Id. zu e. Philos. d. Nat. I2, S. 71 ff.). Das Absolute ist Gott als »ein solches, welches sich selbst absolut affirmiert und also von sich selbst das Affirmierte ist« und das »unmittelbar durch seine Idee auch ist« (WW. I 6, 148 f.). Durch intellectuale Anschauung wird Gott unmittelbar erkannt (l.c. S. 150 f., 153 f.). »Gott und Universum sind eins oder nur verschiedene Ansichten eines und desselben. Gott ist das Universum, von der Seite der Identität betrachtet, er ist alles, weil er das allein Reale, außer ihm also nichts ist« (WW. I 4, 128). In der Natur und in der Geschichte offenbart sich Gott (Syst. d. tr. Ideal. S. 439). Als Vorsehung wird Gott erst ganz sein (l.c. S. 441). Später wird Schellings Gottesbegriff ein mehr theistischer. Gott ist nun »lebendige Einheit von Kräften«, »Persönlichkeit«, »Geist im eminenten und absoluten Verstande« (WW. I 7, 395 ff.). Gott ist »die Ursache, die allgemein und im ganzen Weltprozeß zunächst dem Subjectiven über das Objective, entfernter also dein Idealen über das Reale den Sieg verleiht« (WW. I 10, 265). Gott hat »drei Angesichte«, in ihm sind drei Momente, Formen, deren Einheit er ist (l.c. S. 245 ff.). Gott ist aber nicht nur im Weltprozeß, sondern er ist die Potenz vor und zu aller Tätigkeit (l.c. S. 252 f.). In Gott ist ein »Urgrund«.

Nach HEGEL ist das Absolute die Weltvernunft, der ewige dialektische Proceß, der zum Selbstbewußtsein des Absoluten führt (Encykl. § 87; Log. III, 327; Phänom. S. 16). Gott ist »der lebendige Prozeß, sein Anderes, die Welt, zu setzen« (Naturphilos. S. 22). In der »absoluten Religion« manifestiert sich Gott als absoluter Geist (Encykl. § 564). »Gott ist nur Gott, insofern er sich selber weiß; sein Sich-wissen ist ferner sein Selbstbewußtsein im Menschen, und das Wissen des Menschen von Gott, das fortgeht zum Sich-wissen des Menschen in Gott« (l.c. S. § 564). »Daß der Mensch von Gott weiß, ist nach der wesentlichen Gemeinschaft ein gemeinschaftliches Wissen, d. i. der Mensch weiß nur von Gott, insofern Gott im Menschen von sich selbst weiß« (WW. XII, 496). Das göttliche Wesen stellt sich dar: »a) als in seiner Manifestation, bei sich selbst bleibender, ewiger Inhalt; b) als Unterscheidung des ewigen Wesens von seiner Manifestation, welche durch diesen Unterschied die Erscheinungswelt wird, in die der Inhalt tritt; c) als unendliche Rückkehr und Versöhnung der entäußerten Welt mit dem ewigen Wesen, das Zurückgehen desselben aus der Erscheinung in die Einheit seiner Fülle«(Encykl. § 566).

Von den Hegelianern nimmt die sog. »Rechte« einen theistischen oder vermittelnden Standpunkt ein (GABLER, HINRICHS, GÖSCHEL, K. ROSENKRANZ, VATKE, SCHALLER u. a.). –

Nach SCHLEIERMACHER ist Gott die »volle Einheit« der Welt, Gott und Welt sind Correlate (Dial. S. 162, 165, 16l, 432 ff., 476). Das Absolute ist die »reine Identität« von Sein und Denken (l.c. S. 326), ist ewiges Leben (l.c. S. 531), aber unpersönlich (1. e. S. 525 f., 599). »Jedes einzelne Sein ist als solches eine bestimmte Form des Seins der absoluten Identität, nicht aber ihr Sein selbst, welches nur in der Totalität ist« (WW. I 1, 131)
.

SCHOPENHAUER bestimmt das (ungöttliche) Absolute als (alogischen) Willen.

Nach E. V. HARTMANN ist Gott unbewußter Geist, unpersönlich (Relig. d. Geist. S. 161), die Substanz der Dinge, welche zwei Attribute hat: Idee und Willen, Logisches und Alogisches (Kategorienlehre S. 538 ff.). Gott ist Einheit in der Vielheit, Vieleinheit »concreter Monismus« (S. Mon.).

So auch
A. DREWS. Nach R. HAMERLING ist Gott das allgemeine Sein (Atomist. d. Will. I, 126).

SCHELLWIEN betont: »Der wahre Pantheismus ist die Einheit, die in der Vielheit nicht aufhört, die Einheit zu sein« (Wille u. Erk. S. 94).

H. SPENCER bezeichnet das göttliche Absolute als »unknowable«, als absolut transcendent, wenn auch in der Welt sich manifestierend.

Nach D. F. STRAUSS ist Gott nicht Person, sondern das Unendliche, das in den Individuen sich personificiert (Der alte u. d. neue Glaube).

M. MESSER faßt Gott als »Allseele« auf (Mod. Seele S. 41).

Bald theistisch, bald vermittelnd, panentheistisch, stellt sich der Gottesbegriff bei folgenden Denkern dar. Zunächst bei der Hegelschen »Rechten«(s. oben). Ferner in der französischen »theologischen Schule« (DE BONALD, J. DE MAISTRE, LAMMENAIS).

Dann bei BENEKE, dem Gott unendliche Person ist, ferner bei HERBART, STEFFENS, TROXLER, CHR. WEISSE, dem Gott selbstbewußte Urpersönlichkeit ist (Phil. Dogm. I, 336 ff.), CHALYBAEUS (Syst. d. Wiss. S. 285), BRANISS (Syst. d. Met. S. 170 ff.), MICHELET (Vorles. üb. d.Pers. Gott. S. 160 f), WIRTH, TRENDELENBURG, DROBISCH (Religionsphilos. 1878), W. ROSENKRANTZ u. a.

Nach
HILLEBRAND ist Gott absoluter Geist, der allen Substanzen übergeordnet ist (Philos. d. Geist. I, 69). Gott ist eine Substanz, welche alle endlichen Substanzen in der Einheit ihres Systems auf sich bezieht (l.c. II, 321), er ist absolute Subjectivität (ib.), den einzelnen Dingen gegenüber transcendent, aber immanent dem System des Seins (l.c. S. 322). Gott hat Bewußtsein, Selbstbewußtsein, Persönlichkeit (l.c. S. 325 f.). Er ist nicht ohne die Welt, sondern in ewiger Selbstbeziehung auf sie (l.c. S. 327).

Nach HEINROTH ist Gott die »Urkraft«, er ist Einheit von Wille und Gedanken, der Schöpfer der Welt aus nichts (Psychol. S. 194 ff., 203).

Eine »Alleinheitslehre« begründet CHR. KRAUSE. Ihm ist Gott (»Wesen«) eine die Welt einschließende Einheit, ein »Vereinwesen von Selbheit und Ganzheit«, unendliche, absolute, selbstbewußte Persönlichkeit (Vorles. üb. d. Syst. d. Philos. II, 46; Rechtsphilos. S.14 ff., 16, 22; vgl. Religionsphilos.). So auch AHRENS (Naturrecht I, 316).

F. BAADER bestimmt Gott als formende, »aktuose« Einheit, lebendige Tätigkeit (WW. I, 195 ff.). Gott, Sohn, Heiliger Geist bilden einen »Ternar«; der Sohn entfaltet sich aus der Selbstanschauung des Vaters zum Geist. In Gott ist eine ewige Natur (WW. I, 226).

Nach GÜNTHER denkt sich Gott selbst und setzt sich damit selbst, unterscheidet sich von sich und verbindet in sich die drei Personen zu einem Selbstbewußtsein. Die Welt ist eine Entgegensetzung, die Gott sich erschaffen.

Einen
»konkreten Theismus« lehrt J. H. FICHTE. Gott ist eine transzendente, die Welt in sich einschließende Einheit, schöpferisches Denken, er hat Selbstbewußtsein und Persönlichkeit (Specul. Theol. S. 77 ff., 160; Psychol. II, 28 f., 82).

Ähnlich ULRICI, dem Gott die geistige, unterscheidende, schöpferische, bewußte, freie Urkraft ist (Gott u. d. Nat. S. 554 ff.; vgl. Log. S. 56), das »Prius alles andern Seins« (ib.).

Nach LOTZE ist Gott ein unendlich Tätiges, das allen Dingen zugrunde liegt, aber bewußter absoluter Geist ist, Persönlichkeit, die alles in sich einschließt, lebendiger Gott ist (Mikrok. III2, 545 ff., 559 ff., 571 ff.; vgl. Gr. d. Religionsphilos.).

Einen »transzendenten Pantheismus« vertritt FORTLAGE.

Panentheistisch ist die Lehre FECHNERS. Gott ist ein unendlicher Geist, der alle Veränderungen in sich einschließt (Üb.d. Seelenfr. S. 117). Sein Leib ist die Welt (l.c. S. ll8). Gott ist der »Allgeist«, der alle anderen Geister einschließt, umfaßt (Zend-Avesta I, 202), er ist »ein einiges, höchst bewußtes, wahrhaft allwissendes, d. i. alles Bewußtsein der Welt in sich tragendes und hiermit auch das Bewußtsein aller Einzelgeschöpfe in höheren Bezügen und höchster Bewußtseinseinheit verknüpfendes Wesen« (l.c. II, 181; I, 258 f.). »Es ist ein Gott, dessen unendliches und ewiges Dasein das gesamte endliche und zeitliche Dasein nicht sich äußerlich gegenüber noch äußerlich unter sich, sondern in sich aufgehoben und untergeordnet hat« (Tagesans.S. 65). Er »sieht mit dem Lichte und hört mit dem Schalle seiner Welt alles, was in der Welt ist und geschieht« (ib.).

Ähnlich K. LASSWITZ, BR. WILLE u. a.

Nach
PAULSEN ist Gott »die Einheit alles Geistigen«. »Der unendliche Inhalt des göttlichen Wesens ist für unser Erkennen transzendent« (Syst. d. Eth. I5, 207).

M. CARRIERE betrachtet Gott als »Einheit in der Allheit«, als »Ich des Universums«, als freien Geist, Persönlichkeit; er waltet in allen Geistern, diese sind »seine einzelnen Willensakte, die sich in ihm zur Selbständigkeit erheben, weil er nach seiner Freiheit nur in freien Wesen offenbar werden kann« (Ästh. I, 46; Die sittl. Weltordn.).

Einen christlichen Theismus lehrt THRANDORFF.

Nach
O. PFLEIDERER ist Gott absoluter Geist, Persönlichkeit, das absolute Ich, welches die Welt einschließt und in ihr vernünftig wirkt (Religionsphilos.). Ähnlich R. SEYDEL (Die Relig. 1872), KIRCHNER (Metaph. 1880), G. TIEHLE.

Nach SIGWART ist Gott der Weltgrund, die »reale Macht eines zwecksetzenden Wollens« (Log. II, 758).

Nach
KAFTAN ist Gott »die höchste Energie des persönlichen Willens« (Christent. u. Philos. S. 12). –

VOLKELT sieht in Gott das unendliche All-Eine. Die Welt weist darauf hin, daß im Absoluten ein »Prinzip der Negation und Verkehrung innewohne«(Ästh. d. Trag. S. 430). »Einerseits ist die Welt in der Vernunft, im Sein-sollenden, im Positiven gegründet. Aber zugleich hat das ewig Vernünftige, Sein-sollende, Positive es ebenso ewig mit seinem Gegenteil zu schaffen,es leidet am Irrationellen, Nicht-sein-sollenden, Negativen, und es trägt das Gepräge dieses Leidens« (l.c. S. 432). Das Absolute gleicht dem tragischen Helden, der es »in seinem eigenen Innern mit einer herabzerrenden Gegenmacht zu tun hat«(l.c. 434).

Nach G. SPICKER ist Gott Grund und Zweck der Welt (Vers. e. n. Gottesbegr. S. 160), er hat Wissen, Vernunft, Bewußtsein (l.c. S. 150 f.), ist nicht einfach, aber die Einheit von Geist und Materie (1. G. S. 153), hat Persönlichkeit (l.c. S. 263). Die Natur ist nicht Gott, aber göttlicher Art (l.c. S. 150). Gott ist »causa eminens« (l.c. S. 125). In Bezug auf sich hat er keinen Willen (l.c. S. 150 f.).

WUNDT
bestimmt Gott als »schöpferischen Willen«, höchsten Gesamtwillen (Eth.2, S. 462), den absolut transzendenten Weltgrund (Syst. d. Philos.2, S. 668 ff.), als den dem Weltinhalt adäquaten Grund, der als übergeistig, übersittlich, als die transcendente Einheit von Natur und Geist gedacht wird (l.c. S. 392 ff.). Zu Gott führen die kosmologischen und ontologischen Ideen. Gott wird durch die letzteren als »Weltwille«, die Weltentwicklung als Entfaltung des göttlichen Willens und Wirkens in der Welt bestimmt; die Welt ist, (wie bei LESSING), in Gott, nimmt an ihm teil, ohne daß die Einzelwillen ihre Selbständigkeit einbüßen (l.c. S. 433 f.).

Als Weltwillen faßt Gott W. JERUSALEM auf (Urteilsfunct.).

Nach REINKE ist Gott »ein Symbol für die Summe jener intelligenten und gestaltenden Kräfte, die transcendent und immanent zugleich sind, aus der Transzendenz die Immanenz erzeugend« (Welt als Tat, S. 464).

Einen Panentheismus vertritt W. v. WALTHOFFEN (Die Gottesidee).

HÖFFDING erklärt: »Von einem rein theoretischen (erkenntnistheoretisch-metaphysischen) Standpunkt aus kann der Gottesbegriff nur das Princip der Continuität, mithin der Verständlichkeit des Daseins bedeuten. Von einem religiösen Standpunkt aus bedeutet Gott - als Object des Glaubens - das Princip der Erhaltung des Wertes durch alle Schwankungen und alle Kämpfe hindurch, - wenn man so will, das Princip der Treue im Dasein« (Religionsphilosoph. S. 120). Gott ist ein Einheitsprinzip, das allem Zusammenhange der Dinge zugrunde liegt (I. e. S. 51).

A. DORNER
faßt Gott als Substanz, absoluten, selbstbewußten Geist, der über die Welt erhaben und zugleich ihr immanent, Einheit von Vernunft und Wille ist (Gr. d. Religionsphilos. S. 27 ff.). -

MONRAD betrachtet Gott als sich selbst denkenden Gedanken (Arch. f. system. Philos. II, 205), BOSTRÖM als absolute Persönlichkeit.

RENOUVIER erklärt: »Dieu est la conscience morale parfaite, c'est-à-dire la souveraine justice, et la souveraine bonté qui veut la justice et qui la fait« (Nouv. Monadol. p. 460). Gott ist »la personne parfaite« (l.c. p. 401)

Nach EMERSON ist Gott die »Überseele«.

Naturalistisch oder atheistisch sind die religionsphilosophischen Auffassungen verschiedener Denker.

Nach L. FEUERBACH ist Gott das menschliche Wesen, das der Mensch aus sich heraus projiciert, das offenbare Innere des Menschen, ein »Wunschwesen« (WW. VII, 39 ff.). Die Götter sind »die verwirklicht gedachten Wünsche der Menschen« (WW. VIII, 257; IX, 56 ff.). Das Absolute ist die Natur.

A. COMTE will als Gottheit (»grand être«) die Menschheit verehrt wissen.

M. STIRNER
ist absoluter Atheist. Atheistisch denken auch BAHNSEN, MAINLÄNDER, E. DÜHRING, L. BÜCHNER, E. HAECKEL, der unter Gott nur »die unendliche Summe aller Naturkräfte« versteht (Der Monism. S. 33; Die Welträtsel),

NIETZSCHE, dem die Existenz eines Gottes ein unerträglicher Gedanke ist (WW. XV, 315). Unter »Gott« kann man nur die Kulmination des »Willen zur Macht« verstehen (l.c. XV, 318 f.). -

Absolut (absolutus) S. 15ff. Siehe auch bei Kirchner
losgelöst von jeder Bestimmtheit, jeder Verbindung, jeder Abhängigkeit; in und durch sich bestehend, uneingeschränkt, beziehungs- und bedingungslos, unbedingt, in jeder Beziehung.Gegensatz: relativ .

»Absolut«
entspricht dem kath' hauto (an sich) bei PLATO, ARISTOTELES, PLOTIN.

Bei den Scholastikern bedeutet »absolutum« das »purum«, »sine ulla conditione«, »non dependens ab alio«
(GOCLEN, Lex. phil. p. 9).

Gott wird das »absolutum« genannt von NICOLAUS CUSANUS
(Doct. ignor. II, 9).

Bei SPINOZA u. a. finden wir den Gegensatz von »absolute« und »respective«
(Cog. met. I, 6, P. 60).

COLLIER gebraucht das Wort im Sinne von independent
(Clav. univ. p. 2).

Nach TETENS ist
absolut, »das auf nichts anderes sich Beziehende, das Unbezogene«
(Phil. Vers. I. 145).

Zur Zeit Kants bedeutet absolut »daß etwas von einer Sache an sich selbst betrachtet und also innerlich gelte« oder »daß etwas in aller Beziehung (uneingeschränkt) gültig ist«
(Kr. d. r. V. S. 281).

Bei J. G. FICHTE heißt absolut so viel wie »gänzlich unbeschränkt«, »schlechthin«
(Gr. d. g. Wiss. S. 97). Er spricht von einem absoluten Ich .

Von SCHELLING an wird »das Absolute« für den Urgrund der Dinge, die Gottheit, häufig gebraucht.

SCHOPENHAUER eifert gegen diesen Gebrauch, das Wort bezeichne nichts als das »An-nichts-geknüpft-sein«
(Neue Paral. § 96).

Als absolut wird Gott übrigens schon von THOMAS »Absolutum, secundum quod in se est«
(Sum. th. I, qu. 85, 3), ferner auch von LEIBNIZ (Erde. p. 138 ff.) bezeichnet.

CHR. WOLF definiert das Absolute als »dasjenige Ding, welches den Grund seiner Wirklichkeit in sich hat und also dergestalt ist, daß es unmöglich nicht sein kann«, d.h.ein »selbständiges Wesen«, das »von allen Dingen unabhängig ist«
(Vern. Ged. I, § 929, § 938). Vgl. Gott.

Achamoth S. 36 Siehe auch bei Kirchner
= die niedere Weisheit im System des Gnostizismus.

Agnostizismus S. 62f.
Ansicht, daß es von dem an sich Seienden, von den Dingen an sich, den transzendenten Faktoren, vom Absoluten kein Wissen gebe und geben könne - die Kehrseite zum Positivismus, Relativismus, Subjektivismus.

Das »Ignorabimus« DU BOIS-REYMONDs (Üb. d. Grenzen d. Naturerk. 7, S. 40 ff.) kennzeichnet diesen Standpunkt.

Das Wort »Agnostiker« (»Agnoëten«) kommt, als Bezeichnung für die »Monophysiten«, schon in der Kirchengeschichte vor.

HUXLEY setzt das Wort »Agnostiker« dem Terminus »Gnostiker« entgegen. »Der Agnostizismus ist in Wirklichkeit kein Glaubensbekenntnis, sondern eine Methode, deren Kern in der strengen Anwendung eines einzigen Grundsatzes liegt....
Positiv läßt sich der Grundsatz so ausdrücken: in Verstandesdingen folge deiner Vernunft, soweit sie dich eben trägt, ohne einer andern Erwägung ein Ohr zu leihen.
Und negativ: in Verstandesdingen gib Folgerungen, die weder nachgewiesen noch nachweisbar sind, nicht für sicher aus«
(Sociale Essays XXXV).

Agnostiker nennen sich auch CH. DARWIN und CARNERI (Empf. u. Bew. S. 28).

H. SPENCER, nach welchem das Absolute unerkennbar ist, lehrt einen »agnostischen Monismus« (PAULSEN, Einl. in d. Phil.).

Metaphysisch sind Agnostiker auch die Kantianer (z.B. F. A. LANGE) und Positivisten (auch R. WAHLE).

All (to pan) S.68f. Siehe auch bei Kirchner
zum Unterschied von holon: ARISTOTELES, Met. V 26, 1024a 38, Stoiker (Plut., Ep. II): das Weltganze, Universum, der Inbegriff des Seienden.

Allbeseelung
S.69
siehe: Panpsychismus.

Allbewusstsein
S.69
das göttliche Gesamtbewusstsein (FECHNER, PAULSEN, auch WUNDT, RÜLF u. a.).

Alleinheit (hen kai pan) S.69 Siehe auch bei Kirchner
das als göttliche Einheit gedachte All der Dinge bei XENOPHANES (Simpl., Arist. Phys. fol. 56, Diels, p. 22), PATRITIUS (»Un-omnia«, Panarch. 7) und den Pantheisten.

Allgegenwart (omnipraesentia) S.69f. Siehe auch bei Kirchner und den Bonus-Themen
Eigenschaft Gottes, bezeichnet dessen Sein und Wirken in allem und jedem, dessen Unabhängigkeit vom Raume.

Allheit (Totalität) S. 90 Siehe auch bei Kirchner
ist, nach KANT, »Vielheit als Einheit betrachtet« (Kr. d. r. V. S. 99).

Allmacht (omnipotentia) S.90 Siehe auch bei Kirchner und den Bonus-Themen
das unbedingte Können Gottes, die unbeschränkte Verwirklichungsmöglichkeit des göttlichen Willensinhaltes.

Allweisheit/Allwissenheit (omniscientia) S.91 Siehe auch bei Kirchner und den Bonus-Themen
das unmittelbare unendliche Wissen Gottes um den Weltinhalt (vgl. FECHNER, Zendav. I, 258)

Altruismus
(von alter, der andere) S.92ff. Siehe auch bei Kirchner
Gegensatz zum Egoismus, zur Selbstsucht, bedeutet Uneigennützigkeit, Denken an und Handeln für anderer Wohl, Selbstaufopferung im Sinne des Christentums.

Auch
SENECA erklärt: »alteri vivas oportet, si vis tibi vivere«
(Ep. 48, 2; vgl. 60, 4).

Der Terminus »Altruismus« stammt von COMTE, der im Altruismus die Bedingung aller Kultur und Sittlichkeit erblickt.

Den Altruismus als ethisches Prinzip vertreten in verschiedener Weise
CUMBERLAND, SHAFTESBURY, HUTCHESON, BUTLER, PALEY, HUME, A. SMITH, LEIBNIZ, CHR. WOLF u. a.

H. SPENCER nennt altruistisch jede Handlung, »welche im normalen Verlauf der Dinge anderen Nutzen schafft statt dem Handelnden selbst«
(Pr. of moral. § 76). Der Altruismus ist ebenso ursprünglich wie der Egoismus (ib.). Übertriebener Altruismus ist schädlich (l.c. § 73f.).

Nach LIPPS ist Altruismus »das Abzielen auf Verwirklichung fremder Güter, d.h. auf Verwirklichung solcher sachlicher Werte, d.h. anderen Befriedigunggewähren«
(Eth. Gr. S.11). Der Altruismus ist etwas Ursprüngliches, er beruht auf natürlicher Sympathie, auf der inneren Einheit meiner selbst mit fremden Persönlichkeiten, von denen ich weiß (l.c. S. 15 ff., 23).

Nach
SIMMEL ist der Altruismus ein vererbter Instinkt
(Einl. in d. Mor. I, 92), er ist »Gruppenegoismus« (I, 113, wie IHERING).

Nach
O. AMMON entspringen die altruistischen (sozialen) Triebe dem Schutztriebe
(Gesellschaftsordn. S. 67).

P. RÉE erklärt: »Nachdem der Instinkt, die Nachkommenschaft zu lieben, durch Auslese und Vererbung seine Stärke erlangt hatte, zweigte sich von ihm durch Ideenverknüpfung der Nächstenliebeinstinkt ab«
(Philos. S. 14).

A. MEINONG
nennt ein Begehren altruistisch, »wenn dabei das Wohl des andern als solches entscheidend ist«
(Werttheor. S. 99); es ist »selbstisch-altruistisch« (z.B. Familienliebe) oder »unselbstisch-altruistisch« (allgemeine Menschenliebe) (l.c. S. 103).

Nach WUNDT ist der Altruismus erst im Dienste der Idee sittlicher Entwicklung sittlich.

H. CORNELUS betont: »nur die Rücksicht auf das dauernd Wertvolle, nicht aber die Rücksicht auf die einzelnen Gefühlserlebnisse darf für unser Handeln ausschlaggebend sein«
(Einl. in die Phil. S. 351 f.). Ein Gegner des schwächlichen Altruismus ist NIETZSCHE

Analogie (analogia) S. 96f. Siehe auch bei Kirchner
Proportionalität, Ähnlichkeit, Gleichheit der Beziehungen, Übereinstimmung.

So bei
ARISTOTELES (Eth. Nic. V 6, 1131 a 31; Phys. IV 8, 215 b 29). So auch bei QUINTILIAN.

Die Scholastiker unterscheiden »analogia proportionis« und »analogia attributionis«.

TETENS definiert Analogie als »Einerleiheit in den Verhältnissen der Beschaffenheit« (Phil. Vers. I, 20).

Analogie ist nach KANT »eine vollkommene Ähnlichkeit zweier Verhältnisse zwischen ganz unähnlichen Dingen« (WW. IV, 106).

Nach LIPPS sind
Analogien »Urteilsübertragungen oder Übergänge einer Vorstellungsnötigung von Ähnlichem auf Ähnliches« (Gr. d. Seel. S. 459).

HÖFFDING bestimmt die Analogie als »qualitative Beziehungsgleichheit« (Relig. S. 63).

JERUSALEM: »Oft erweckt eine Beziehung zwischen Vorstellungen den Gedanken an eine früher bemerkte ähnliche Beziehung. Die Identifikation solcher Beziehungen nennen wir Analogie« (Lehrb. d. Psych.3, S. 79).

Dass die Analogie allem poetischen und philosophischen Schaffen, ja schon unserer naiven Weltkonzeption zugrunde liegt, betont besonders A. BIESE. »Was wir an uns und in uns erleben, gibt uns den Maßstab für alles von außen auf uns Eindringende«(Ph. d. Metaph. S. 72). Die Analogie, das »Metaphorische«, baut die Brücke zwischen Außen- und Innenwelt (l.c. S. 74). Diese Nötigung, unser Innensein auf die Dinge der Außenwelt zu übertragen, ist das Metaphorische im engeren Sinne, das Anthropozentrische, ein Gesetz unserer seelischen Organisation (l.c. S. 218). So ist denn auch die Sprache metaphorisch (l.c. S. 40; so auch NIETZSCHE, MAUTHNER).
Vergleiche Introjektion, Analogieschluss.

Analogieschluss S. 98f. Siehe auch bei Kirchner
ist ein »Schluss per analogiam« (»ratiocinatio per analogiam«), d.h. von der Übereinstimmung zweier Objekte in mehreren wesentlichen Punkten auf die Gleichheit oder Ähnlichkeit auch in anderen Merkmalen. –

Als paradeigma kommt diese Schlussart schon bei ARISTOTELES (Anal. pr. II, 24; Rhet. I, 2, 1357 b 25 sq.) vor. Ferner als syllogismos kata to analogon in der pseudogalenischen Eisagôgê (Prantl, G. d. L. I, 608), nachdem THEOPHRAST mit diesem Terminus einen Schluss aus hypothetischen Prämissen bezeichnet hatte (l.c. I, 381, 391).

Das paradeigma kommt als »exemplum.« bei
BOËTHIUS vor (Opp. p. 864).

Die Epikureer sehen im Analogieschluss (ho kata, tên homoiotêta tropos) den Weg von den Erscheinungen zu dem Unbekannten (vgl. GOMPERZ, Herculan. Stud.h. 1).

HUME rechnet die Analogieschlüsse zu den Wahrscheinlichkeitsschlüssen (Treat. III, sct. 12),

WUNDT zu den Subsumtionsschlüssen (Log. I, 309). Vgl. HAGEMANN, Log. u. Noet. S. 104 ff.

Anderssein S.106
bei HEGEL, ein Ausdruck für die Natur als äußere Form, Veräußerlichung der Idee, des Absoluten. »Die Negation, nicht mehr das abstracte Nichts, sondern als ein Dasein und Etwas, ist nur Form an diesem, sie ist als Anderssein« (Encykl. § 91).


Animismus: S.116f.
1) der Glaube an Seelen, Geister in Menschen und Naturobjecten als primitive Religion.

2) Ansicht, daß die Seele (das Seelische) das Princip des Lebens und Lebendigen sei.

Diese Auffassung findet sich bei den ionischen Naturphilosophen (s. Hylozoismus), bei ARISTOTELES (s. Seele), den Stoikern (s. Pneuma), bei den Scholastikern. In der Renaissance-Philosophie wird das Leben auf einen »spiritus«, »archeus« u. dgl. zurückgeführt, so von PARACELSIUS, AGRIPPA VON NETTESHEIM, VAN HELMONT, CARDANUS, TELESIUS u. a.

Auch LEIBNIZ vertritt den Animismus.

Vorzugsweise heißt Animismus die Lehre des G. E. STAHL, der die Seele als Bildnerin des Leibes betrachtet. »Corpus hoc verum et immediatum animae organon.... Anima praesens omnium actuum in homine« (Disqu. de mech. et organ. div. p. 44). Ähnliche Lehren in der SCHELLINGschen Naturphilosophie. –

WUNDT versteht unter Animismus »diejenige metaphysische Anschauung, welche, von der Überzeugung des durchgängigen Zusammenhangs der psychischen Erscheinungen mit der Gesamtheit der Lebenserscheinungen ausgehend, die Seele als das Princip des Lebens auffaßt«. Die Seele ist nach ihm eins mit dem Lebensprincip, Leben und Beseelung sind Wechselbegriffe; die physische Entwicklung ist schon die Wirkung der psychischen Entwicklung.

An-sich S.47 Siehe auch bei Kirchner
= dem eigenen Sein nach, unabhängig vom erkennenden Bewußtsein und dessen Formen, in metaphysischer Wirklichkeit und Wahrheit. Gegensatz: Erscheinung, Für-uns-sein, Objektivation. Das »An-sich« der Dinge = der jeder Erscheinung zugrunde liegende, »transzendente« Faktor.

Der Gegensatz von »An sich« (svagam-bhu) und Erscheinung findet sich schon in der indischen Philosophie.

DEMOKRIT lehrt, die Atome seien in Wahrheit, an sich (eteê), die Sinnesqualitäten nur in unserer Meinung (nomô).

Die Scholastiker unterscheiden das »esse in re« (dingliche Sein) vom »esse in intellectu« (Gedachtsein).

Nach DESCARTES erfahren wir durch die Sinne nicht, wie die Dinge »in se ipsis« sind
(Pr. phil. II, 3).

MALEBRANCHE spricht geradezu von den »choses en elles-mêmes«
(Rech. I, préf.); so auch FÉNELON (De l'ex. d. Dieu p. 195 ff.).

SPINOZA versteht unter der »intuitiven« Erkenntnis ein Erfassen des Wesens der Dinge, während die »imaginatio« uns die Dinge von einem beschränkten Standpunkt aus zeigt
(Eth. II, prop. XL, schol. II).

LEIBNIZ stellt die Verstandeserkenntnis der Dinge ihrer bloß »verworrenen« Vorstellung durch die Sinne gegenüber.

BONNET: »chose en soi« - »ce que la chose parait être« (»chosepar rapport à nous«)
(Ess. d. Psych. C. 36).

LAMBERT: »Die Sache an sich« - die Sache, »wie wir sie empfinden, vorstellen«
(Organ. Phän. I, § 20, § 51).

KANT bringt den Gegensatz von »Ding an sich« und »Erscheinung« zu fundamentaler Bedeutung. »An sich« ist nach ihm das Sein, unabhängig sowohl von den Anschauungsformen als auch von den Formen des Denkens, es ist das positiv durchaus Unbestimmbare, Unerkennbare, nicht bloß ein »ens rationis« gegenüber den Sinnesobjecten. Später wird diese Bedeutung des »An-sich« beibehalten (Neukantianer, die teilweise ein An-sich negieren, nur Bewußtseinsinhalte kennen) oder dahin modificiert, daß als »An sich« das vom erkennenden und wollenden Subjecte unabhängig Existierende betrachtet, aber doch auf positive Weise etwa analog dem eigenen Ich bestimmt wird (z.B. WUNDT).

Im Sinne SCHELLINGs meint u. a. CARRIERE: »Indem sich mittelst unserer Empfindung die Natur zur Welt der Töne und Farben steigert, wird das An-sich der Dingeverwirklicht; es bringt sich in der eigenen Lebensgestaltung hervor und wird dadurch zugleich für andere«
(Ästh. I, 100). (Ähnlich FECHNER, BR. WILLE.)

Nach GUTBERLET kann das An-sich der Dinge durch die Erscheinungen, in denen es sich manifestiert, erkannt werden, wenn auch nicht vollkommen
(Kampf um d. Seele, S. 14); so schon THOMAS. Vgl. Ding an sich, Erscheinung, An-sich-Sein.

An-sich-sein S.141
= das Sein in seiner Unmittelbarkeit, Ursprünglichkeit, Absolutheit, Begrifflichkeit, Wesenhaftigkeit im Gegensatze zum beziehungsweisen Sein.

Schon bei den Pythagoreern kommt der Begriff des kath' hauto, auto to hen vor
(ARISTOTELES, Met. I, 5).

Dann bei PLATO, der das wahre Sein der Ideen als auto kath' hauto, ontôs on bestimmt
(Phaedo 78 D, Parm. 129 A, K 9 B, D, 130 B etc.).

Nach ARISTOTELES ist das im Begriff erfaßte Sein der Dinge (to ti ên einai), ihr Wesen, das kath' hauto, und dieses physei proteron, das in Wirklichkeit Primäre, während es im erkennenden Bewußtsein (pros hêmas) das Spätere ist
(Eth. Nic. I 3, 1096b 20).

Die Stoiker unterscheiden
kath' hauta - pros ti.

Die Scholastiker halten an der Aristotelischen Begriffsbestimmung des An-sich-seins fest.


Sie wird erneuert von HEGEL, der unter »An-sich« die in sich betrachtete, unentfaltete Wesenheit im Unterschiede von der »Beziehung auf anderes« versteht, das »Sein der Qualität als solches«
(Encykl. § 91). An-sich ist der Begriff in seiner »Unmittelbarkeit« (l.c. § 83). Die Eichel z.B. ist das An sich des Eichbaumes. »An-sich« - »Für-sich« - »An und-für-sich« bedeuten die drei Stadien des dialektischen Processes.

Antinomie S. 149ff. Siehe auch bei Kirchner
Widerstreit zweier Gesetze (nomoi), zweier Urteile oder Schlüsse, welche (anscheinend) von gleicher Überzeugungskraft und Geltung sind, wiewohl sie einander widersprechen.

Der Terminus »antinomia« wird nach GOCLEN gebraucht »pro pugnantia seu contrarietate quarumlibet sententiarum seu propositionum« (Lex. phil. p. 110).

BONNET hat ihn in die natürliche Theologie eingeführt (vgl. EUCKEN, Termin.).

Der Begriff der Antinomie findet sich schon bei dem Eleaten ZENO (s. Bewegung), PLATO (Phaedo 102; Rep. 523 ff., Parm. 135 E),
ARISTOTELES und den Skeptikern.

Der eigentliche Begründer der philosophischen Antinomienlehre ist KANT. Unter Antinomien versteht er »Widersprüche, in die sich die Vernunft bei ihrem Streben, das Unbedingte zu denken, mit Notwendigkeit verwickelt, Widersprüche der Vernunft mit sich selbst« (Kr. d. r. V. S. 340). »Den Begriff eines absoluten Ganzen von lauter Bedingtem sich als unbedingt zu denken, enthält einen Widerspruch; das Unbedingte kann also nur als Glied der Reihe betrachtet werden, welches diese als Grund begrenzt, der selbst keine Folge aus einem andern Grunde ist, und die Unergründlichkeit, welche durch alle Klassen der Kategorien geht, sofern sie auf das Verhältnis der Folgen zu ihren Gründen angewandt werden, ist das, was die Vernunft mit sich selbst in einen nie beizulegenden Streit verwickelt, solange die Gegenstände in Raum und Zeit für Dinge an sich und nicht für bloße Erscheinungen genommen werden« (Üb. d. Fortschr. d. Met. S. 130). Den »dialektischen Schein«, welcher auf unkritischem Boden entsteht, hat die Kritik der Vernunft aufzulösen. Vier Antinomien entstehen nämlich, indem die Vernunft nach dem Grundsatze: »wenn das Bedingte gegeben ist, so ist auch die ganze Summe der Bedingungen, mithin das schlechthin Unbedingte, gegeben«, die absolute Totalität der Erscheinungen fordert. Jede Antinomie besteht aus einer »Thesis« (Behauptung) und »Antithesis« (Gegenbehauptung).

1) »Die Welt hat einen Anfang in der Zeit und ist dem Raum nach auch in Grenzen eingeschlossen.« - »Die Welt hat keinen Anfang und keine Grenzen im Raume, sondern ist, sowohl in Ansehung der Zeit als des Raumes, unendlich« (l.c. S.304 ff.).

2) »Eine jede zusammengesetzte Substanz inder Welt besteht aus einfachen Teilen, und es existiert überall nichts als das Einfache oder das, was aus diesem zusammengesetzt ist.« - »Kein zusammengesetztes Ding in der Welt besteht aus einfachen Teilen, und es existiert Überall nichts Einfaches in derselben« (l.c. S. 360 f.).

Das sind die mathematischen Antinomien. Bei ihnen sind, vor dem Forum der Kritik, sowohl Thesis als Antithesis falsch, weil Raum, Zeit, Einfachheit, Zusammengesetztheit nicht Bestimmungen von Dingen an sich, sondern nur von Erscheinungen sind. »Man mag nämlich... annehmen, die Welt sei dem Raume und der verflossenen Zeit nach unendlich oder sie sei endlich, so verwickelt man sich unvermeidlich in Widersprüche mit sich selbst. Denn ist die Welt, so wie der Raum und die verflossene Zeit, die sie einnimmt, als unendliche Größe gegeben, so ist sie eine gegebene Größe, die niemals ganz gegeben werden kann, welches sich widerspricht. Besteht jeder Körper oder jede Zeit in der Veränderung des Zustandes der Dinge aus einfachen Teilen, so muß, weil Raum sowohl als Zeit ins Unendliche teilbar sind,... eine unendliche Menge gegeben sein, die doch ihrem Begriff nach niemals ganz gegeben sein kann, welches sich gleichfalls widerspricht« (Üb. d. Fortschr. d. Met. S. 132). Mögliche Erfahrung hat weder eine Grenze noch kann sie unendlich sein; die Welt als Erscheinung ist aber nur das Objekt möglicher Erfahrung (l.c. S. 133). –

3)
»Die Kausalität nach Gesetzen der Natur ist nicht die einzige, aus welcher die Erscheinungen der Welt insgesamt abgeleitet werden können. Es ist noch eine Kausalität durch Freiheit zur Erklärung derselben anzunehmen notwendig.« - »Es ist keine Freiheit, sondern alles in der Welt geschieht lediglich nach Gesetzen der Natur« (Kr. d. r. V. S. 368 f.).

4) »Zu der Welt gehört etwas, das entweder als ihr Teil oder ihre Ursache ein schlechthin notwendiges Wesen ist.« - »Es existiert überall kein schlechthin notwendiges Wesen, weder in der Welt, noch außer der Welt, als ihre Ursache« (l.c. S. 374 f.).

Das sind die dynamischen Antinomien. Hier gilt die Thesis für die Welt der Dinge an sich, die Antithesis für die Erscheinungen, beide sind also wahr (l.c. S. 432 ff.). -

Allgemein beruhen die Antinomien auf einer »natürlichen Täuschung«, weil man »die Idee der absoluten Tolalität, welche nur als eine Bedingung der Dinge an sich selbst gilt, auf Erscheinungen angewandt hat« (l.c. S. 411). Als »regulatives Prinzip« enthalten aber die Antinomien die berechtigte Forderung, daß, »soweit wir auch in der Reihe der empirischen Bedingungen gekommen sein mögen, wir nirgends eine absolute Grenze annehmen sollen« (l.c. S. 420). Aus den mathematischen Antinomien folgert KANT auch (nochmals) die Idealität (Subjektivität) von Raum und Zeit (Kr. d. r. V. S. 411 f.; vgl. VON HARTMANN, G. d. Met. II, 4). An Garve schreibt er: »Nicht die Untersuchungen vom Dasein Gottes u.s.w., sondern die Antinomie der reinen Vernunft war es, welche mich aus dem dogmatischen Schlummer zuerst aufweckte und zur Kritik der Vernunft selbst hintrieb«(vgl. A. STEIN, Üb. d. Bez. Chr. Garves zu Kant 1884, S. 44 f.). Es gibt drei Antinomien, die alle die Vernunft zwingen, die Objekte der Sinne für Erscheinungen zu halten (Kr. d. Urt. § 57, Anmerk. II): erkenntnistheoretische, ästhetische, ethische Antinomie (ib.). Bezüglich des ästhetischen Geschmacks behauptet die Thesis, das Geschmacksurteil gründe sich nicht auf Begriffen, die Antithesis: es gründe sich auf solchen, sonst ließe sich nicht über den Geschmack streiten (l.c. § 56 f.). Auch bezüglich der teleologischen Urteilsskraft besteht eine Antinomie (l.c. § 69 ff.). In der Ethik gibt es eine Antinomie zwischen Tugend und Glückseligkeit als Motiven (Kr. d. pr. Vern. 1. T., 2. B., 2. Hptst.).


FRIES legt auf den Beweis der Idealität von Raum und Zeit aus den Antinomien großes Gewicht (Neue Krit. I2, Vorr.).

FICHTE, SCHELLING, HEGEL (auch HERBART) haben das antinomische Verfahren verwertet.

Nach HEGEL gibt es eine Antinomie in allen Vorstellungen, Begriffen und Ideen (Encykl. § 48).

SCHOPENHAUER erklärt die Kantschen Beweise für die Thesen als »Sophismen«, während die Antithesen berechtigt seien (W. a. W. u. V. Bd. I).

WUNDT führt die mathematischen »Antinomien« Kants auf die Vertauschung des »Infiniten« und »Transfiniten« zurück. Da die Thesen die vollendete Unendlichkeit, das Transfinite, die Antithesen aber die unvollendbare Unendlichkeit, das Infinite, im Auge haben, so haben in Bezug auf Raum und Zeit Thesis und Antithesis recht (Log. II2, 1, S. 153, 461 f.; Ess. 3, S. 70; Syst. d. Phil.2, S. 340 ff.). Vgl. HODGSON, Phil. of Refl. II, 88 ff.
Vergleiche Unendlich, Teilbarkeit.

Apprehension (apprehensio): S. 187 ff.
Erfassung, Auffassung eines Vorstellungsinhalts, Erhebung desselben ins erkennende Bewusstsein, Begreifen.

Die Scholastiker sprechen von einem »actus apprehensivus« (PRANTL, Gesch. d. Log. III, 333). Die »simplex apprehensio« ist stets wahr, weil sie noch kein Urteil enthält (l.c. IV, 15).

»Apprehensio absoluta« (= simplex) und »apprehensio inquisitiva« unterscheidet THOMAS (Sum. th. I, II, 30, 3 ad 2).

SUAREZ
unterscheidet eine sinnliche und intellektuelle »simplex apprehensio« (De an. III, 6).

Die Logik von PORT-ROYAL erklärt: »apprehensionem dicimus simplicem rerum, quae menti sistuntur, contemplationem« (Einl.).

CHR. WOLF
bestimmt die »apprehensio simplex« als »attentio ad rem sensui vel imaginationi praesentem seu rnenti quomodocunque repraesentatam« (Log. § 33).

KANT nennt Apprehension die »unmittelbar an den Wahrnehmungen ausgeübte Handlung« der produktiven Einbildungskraft (Kr. d. r. V. S. 130), die a priori ausgeübt wird, indem sie die Raum- und Zeitvorstellung erst erzeugt (l.c. S. 116). Sie ist also eine Bedingung aller Erfahrung (l.c. S. 133). »Jede Anschauung enthält ein Mannigfaltiges in sich, welches doch nicht als ein solches vorgestellt werden würde, wenn das Gemüt nicht die Zeit in der Folge der Eindrücke aufeinander unterschiede: denn als in einem Augenblick enthalten kann jede Vorstellung niemals etwas anderes als absolute Einheit sein. Damit nun aus diesem Mannigfaltigen Einheit der Anschauung werde (wie etwa in der Vorstellung des Raumes), so ist erstens das Durchlaufen der Mannigfaltigkeit und dann die Zusammennehmung derselben notwendig, welche Handlung ich die Synthesis der Apprehension nenne, weil sie geradezu auf die Anschauung gerichtet ist, die zwar ein Mannigfaltiges darbietet, dieses aber als ein solches, und zwar in einer Vorstellung enthalten, niemals ohne eine dabei vorkommende Synthesis bewirken kann« (l.c. S. 115).
Vergleiche Wechselwirkung


Äon (aiôn, aevum = to aei einai) S. 157 Siehe auch bei Kirchner
1) Beständige Dauer.

Schon EMPEDOKLES spricht von einem empedos aiôn (
Aristot., Phys. VIII 1, 251a 1).

Im Sinne des
ARISTOTELES
(De coel. I, 9, 279a 25) nennen die Scholastiker die unveränderliche Dauer »aevum« (SUAREZ, Disp. met. 50, sct. 6, 9). -

2) Göttliche Wesenheit, göttliche Kraft,
die personificiert wird von den Gnostikern. So bezeichnet VALENTINUS Gott als den vollkommenen Äon (teleios aiôn), aus dem 30 niedere Äonen entspringen, deren jüngster die Weisheit (sophia) ist. Der Inbegriff der Äonen = das Pleroma . Vgl. Gnostizismus.


Atheismus S. 276 Siehe auch bei Kirchner
Gottlosigkeit, Leugnung der Existenz eines göttlichen Prinzips, Annahme, daß die Welt in und durch sich selbst besteht.

Ausgesprochene Atheisten sind LAMETTRIE, HOLBACH, nach dem Atheist ist »un homme qui détruit des chimères nuisibles au genre humain pour ramener les hommes à la nature, à l'expérience, à la raison«
(Syst. de la nat. II, ch. 11, p. 320), FEUERBACH, STIRNER, DÜHRING, NIETZSCHE, MAINLÄNDER (Phil. d. Erlös. S. VIII) u. a.

F. BACON
meint: »leves gustus in philosophia movere fortasse ad atheismum, sed pleniores haustus ad religionem reducere«
(De augm. sc. I, 5). Vgl. Gott.

>>Haeckel Atheismus

Äther (aithêr, aether) S. 277ff. Siehe auch bei Kirchner
die schwerlose, widerstandslose, unwägbare, feinste Materie, die als Substrat der strahlenden Wärme, des Lichtes und der elektromagnetischen Energien gedacht wird, als ein alle Körper durchdringender, den Weltraum erfüllender Stoff, der sich in Elemente, Äther-Atome, gliedert.

In mythischer Form tritt der Äther auf bei HESIOD als Sohn des Erebos (Finsternis) und der Nyx (Nacht).

In den orphischen Dichtungen erscheint er als
Weltseele , als Zeus (Stob. Ecl. I, 2, 42). Später gilt der Äther als einer der Grundstoffe, als eine Art feinster Luft, immer noch als etwas »Göttliches«
( aitheradian, EMPEDOKLES: Aristot., De an. I 2, 404 b 14).

Bei den Pythagoreern (Philolausfragment) kommt der Äther als fünftes Element vor, so besonders bei ARISTOTELES. Nach ihm ist der Äther der feinste, leichteste Stoff, der den Himmelskörpern als Substrat dient (De coel. I 3; De gen. et corr. II, 2 f.; Diog. L. V, 1). Er ist der Qualität nach das erste Element (Meteor. I, 3; De gen. an. II, 3), derZahl nach aber das fünfte (später pempton stoicheion, quinta essentia genannt).

Die Stoiker bestimmen den Äther als Feuerhauch, in welchem die Himmelskörper sich bildeten:
anôtatô men oun einaito pyr ho dê aithera kaleisthai, en hô prôtên tên tôn aplanôn sphairan gennasthai, eita tên tôn planome-nôn (Diog. L. VII, 1); er ist die unmittelbare, reine Form des Pneuma .

CICERO,
(De nat. deor. VII,137) LACTANTIUS (Inst. V, 5; STEIN, Psych. d. Stoa I, 26 ff.). ZENO, KLEANTHES (Min. Fel., Octav. 19, 10) und BOËTHIUS rufen im Äther die Gottheit an (Stob. Ecl. I, 2, 60).

Als feinsten Stoff bestimmt den Äther
PHILO JUDAEUS.

Bei PROCLUS ist er eins mit der alles durchdringenden Weltseele, ein Lichtstoff.

Ähnlich lehren die Naturphilosophen der Renaissance, so AGRIPPA, für den der Äther der »spiritus mundi«, das fünfte Element, die samenentfaltende Kraft der Dinge bedeutet.

G. BRUNO sieht im Äther, den er dem leeren Raum gleichsetzt, das einigende Band der Körperelemente (De min. I, 2), zugleich den »spiritus universi«, das Wärmend-Belebende (De immenso IV, 421; De monade p. 69; LASSWITZ, Gesch. d. Atom. I, 388 f.).

Als feinste Materie im physikalischen Sinne ohne occulte Qualitäten bestimmen den Äther HOBBES, R. HOOK, MALEBRANCHE, LEIBNIZ, NEWTON, BERNOULLI, HUYGENS (der ihn als Ursache der Schwere betrachtet) u. a.

K. ROSENKRANZ
bestimmt den Äther als »die allgemeine, gestaltlose Materie«, »das universelle, absolute Continuum« (Syst. d. Wiss. S. 199).

Nach R. HAMERLING bestehen die Körper aus »verschieden verdichtetem Äther« (At.d. Will. II, 86). -

Nach OKEN ist der Äther »die erste Realwerdung Gottes, die ewige Position desselben. Gott und Äther sind identisch«. Er ist die Urmaterie, der »göttliche Leib, blie Ousia oder die Substanz« (Naturph. I, 44).

SPILLER
erblickt im Äther die Urkraft, Gott; den reinen Monotheismus nennt er »Ätherismus« (D. Urkr. d. Weltalls 1876).

Ätherleib S.279f. Siehe auch bei Kirchner
Pneumatischer Leib bei PAULUS, Astralleib bei PARACELSUS: Seelenleib, feinste, unsterbliche Hülle der Seele.

Bei
PORPHYR, ORIGENES, AGRIPPA »aetherum animae vehiculum«, (De occ. phil. III, 36), LEIBNIZ, PRIESTLEY, FR. GROOS, J. H. FICHTE (Anthrop. S. 273 f.),SPILLER.

LASSON
unterscheidet den inneren, wahren Leib als lebendige Tätigkeit, Entelechie von der äußeren Erscheinung desselben (Der Leib 1898).

Atman S.280
Hauch, Odem, Lebenshauch, das Selbst, das Wesen, die Seele das An-sich des Ich und der Dinge, die göttliche Urkraft, das Weltprincip (Vedische Philosophie). (Vgl. DEUSSEN, Allg. Gesch. d. Phil. I, 1, S. 285 ff.).

Ausdehnung S. 312 ff. Siehe auch bei Kirchner
ist eine Grundeigenschaft der optischen und taktilen Wahrnehmungsinhalte, die Räumlichkeit der Körper. Im weiteren Sinne ist Ausdehnung (extension) das Erfülltsein von Raum und Zeit durch einen Wahrnehmungsinhalt.

DESCARTES sieht in ihr das Wesen der Materie, ebenso SPINOZA, dem sie als eines der Attribute der »Substanz« gilt (Eth. II, prop. II). »Extensio est id, quod tribus dimensionibus constat« (Ren. Cart. pr. ph. II, def. I).

Nach
LEIBNIZ ist die Ausdehnung nur eine »verworrene Vorstellung« von inneren Verhältnissen der Monaden.

Ein »phaenomenon« ist sie nach CHR. WOLF, welcher erklärt: »Si plura diversa adeoque extra se invicem existentia tanquam in uno nobis repraesentamus: notio extensionis oritur: ut adeo extensio sit multorum diversorum, aut, si mavis, extra se invicem existentium coëxistentia in uno« (Ont. § 548).

PLATNER erklärt die Ausdehnung aus dem »Zusammenfließen verworrener Vorstellungen einfacher Substanzen« (Phil. Aph. I, § 903).

Nach BERKELEY ist die Ausdehnung nur eine Idee, nach HUME ist die »idea of extension« eine »idea of visible or tangible points distributed in a certain order«(Treat. I, p. 358), einer Ordnung von Empfindungen.

Nach REID besteht zwischen der objektiven Ausdehnung und der Ausdehnung der Empfindungsinhalte keine Kongruenz (Inqu. p. 120).

KANT erklärt die Ausdehnung für eine apriorische Anschauungsform ; sie ist rein subjektiv.

So der gesamte Idealismus im Gegensatze zum Realismus, der die Dinge an sich für ausgedehnt hält oder die Ausdehnung als eine Wirkung dieser Dinge selbst ansieht.

So ist nach ULRICI (ähnlich J. H. FICHTE) die Ausdehnung »Folge einer den Raum einnehmenden und gegen das Eindringen eines andern Widerstand leistenden Kraft« (Leib u. Seele S. 36).

E. v. HARTMANN
betont, daß sie den primitiven Empfindungen nicht zukommt (so auch HERBART u. a.), diese ist erst (wie bei LOTZE) das Produkt einer raumsetzenden Seelenfunktion. »Was als Ausdehnung des Dinges erscheint, ist nur der von diesem Kräftesystem und Kraftäußerungsformen okkupierte, beziehungsweise gesetzte und produzierte Raum« (D. Probl. d. Erk. S. 20).

Nach CZOLBE ist die Ausdehnung nicht nur eine Eigenschaft, sondern auch »Subjekt, Substanz sowohl der Atome als des sie durchdringenden Raumes« (Gr. u. Urspr. d. m. Erk. S. 78 f., 95, 253).

Nach H. SPENCER ist Ausdehnung ein sekundäres Attribut der Dinge. Wir erkennen sie nur »vermöge einer Kombination von Widerständen« (Psych. II, § 348, S. 233).

Nach UPHUES ist Ausdehnung »eine Summe gleichartiger, gleichzeitiger, wechselseitig zusammenhängender, aber nicht einander bedingender Teile, die wir uns in Empfindungen vergegenwärtigen« (Psych. d. Erk. I, 208).

Bedingung (conditio) S. 342 ff. Siehe auch bei Kirchner
ist ein Umstand, ohne den ein Kausalverhältnis nicht statthaben, ein Ereignis nicht stattfinden kann. Das »Bedingende« ist das, was die Abhängigkeit eines (physischen, psychischen, logischen) Vorganges, Zustandes setzt, das »Bedingte« das, was als abhängig bestimmt wird. »Conditio sine qua non« = absolute unerläßliche Bedingung.

Nach
GOCLEN ist »conditio« »qualitas ea, qua aliquid condi, id est, fieri aptum est« (Lex. phil. p. 435).

KANT sieht in den Anschauungsformen subjektive »Bedingungen« aller Erfahrung. Der Bedingungsbegriff ist eine der Kategorien .

»Bedingen« ist nach SCHELLING »die Handlung, wodurch etwas zum Ding wird«, »bedingt« ist »das, was zum Ding gemacht ist, woraus zugleich erhellt, dass nichts durch sich selbst als Ding gesetzt sein kann« (Vom Ich S. 11).

Nach HEGEL ist Bedingung »das Unmittelbare, auf das der Grund sich als auf seine wesentliche Voraussetzung bezieht« (Log. II, 107).

J. ST. MILL nennt Bedingung eines Phänomens »das Ganze der Umstände«, unter denen es statthat (Log. I,388).

HODGSON
gebraucht statt »Ursache« den Terminus »real condition« (Met. of Exper. 1898).

Nach O. SCHNEIDER ist Bedingung kein »Stammbegriff«. »Das Bewusstsein der Bedingung und Bedingtheit ist nur eine Vorstufe des Bewusstseins der Ursache und der Ursächlichkeit, ist das noch, unentwickelte, gleichsam das noch knospende Ursächlichkeitsbewusstsein« (Transcend. S. 197).

Nach SIGWART ist Bedingung »etwas, was die Wirksamkeit des hervorbringenden Grundes möglich macht« (Log. II2, 157). Die Summe der Bedingungen ist »Ursache«; so auch SCHUPPE (Log. S. 73),

dagegen
WUNDT : Bedingung ist der weitere Begriff; die Erde z.B. ist die permanente Bedingung der einzelnen Fallerscheinung, deren »Ursache« in der Erhebung in eine bestimmte Höhe besteht (Log. I2, S. 597 ff., 103 ff.; Syst. d. Phil.2, S. 290 f.).

OSTWALD
versteht unter Bedingung die zeitliche oder räumliche Regelung eines energetischen Verlaufes (Vorles. üb. Naturph.2, S. 299).

Einige Forscher wollen den Kausalbegriff durch den der Bedingtheit ersetzen.


Begründen S.378
heißt, den Grund eines Urteils dartun, etwas als Folge eines andern nachweisen (RIEHL, Phil. Krit. II 1, 237), den Denkzusammenhang herstellen, aus dem die Notwendigkeit eines Satzes erhellt.

Nach WUNDT ist das begründende Denken das eigentliche Erkennen (Syst. d. Phil.2, S. 80 ff., 167 f.).

Beharrlichkeit S.378
ist Ausdauer im Ertragen und Überwinden von Schwierigkeiten.

Sie ist nach PAULSEN eine Form der Tapferkeit, die Kraft des Willens, Beschwerden aller Art zu ertragen (Syst. d. Eth. II5, 25; vgl. SCHLEIERMACHER, Phil. Sittenl. § 315 ff.).

Beharrung S. 378 ff
ist das Bleiben in der Zeit, im Raume, im Wirken, die Permanenz (Konstanz) einer Substanz, Aktivität, eines Geschehens, einer Beziehung, eines Gesetzes.

Das Beharrende im Raume ist die Materie und Energie,

das Beharrende im Geistigen ist die Ichheit, das Subjekt, das Einheit setzende Prinzip im Lebewesen.

Absolute Permanenz kommt keinem Einzelding, nur dem All als Einheit aller Seinsbeziehungen zu. Ein »Beharrungsvermögen« (»vis inertiae«) wird den Körpern zugeschrieben.

Nach
HERAKLIT beharrt nur das Werden.

Nach den Eleaten das Sein.

Nach DEMOKRIT nur die Atome.

Nach PLATO nur die Ideen , nach ARISTOTELES die »Formen«.

Nach anderen beharrt nur die Substanz, oder beharren die Substanzen schlechthin.

Nach den Relativisten beharrt nur der Wechsel, das Gesetz im Wechsel; so spricht SIMMEL vom »absoluten Bewegungscharakter« der Welt, in der nur die Gesetze als solche beharren (Phil. d. Geld. S. 552).

Nach NIETZSCHE gibt es nur scheinbar Beharrung (WW. XV, 280, VIII, 2, 5).

Das Beharrungsvermögen der Körper leitet
DESCARTES metaphysisch aus der Unveränderlichkeit Gottes ab. »Ex hac eadem immutabilitate Dei regulae quaedam sive leges naturae cognosci possunt, quae sunt causae secundariae ac particulares diversorum motuum, quos in singulis corporibus advertimus. Harum prima est, unamquamque rem, quatenus est simplex et indivisa, manere quantum in se est in eodem semper statu, nec unquam mutari nisi a causis externis« (Princ. phil. II, 37).

Auch SPINOZA begründet das Beharren der Dinge aus der Natur der göttlichen Substanz. »Unaquaeque res, quantum in se est, in suo esse perseverare conatur.« »Res enim sigulares modi sunt, quibus Dei attributa certo et determinato modo exprimuntur, hoc est res, quae Dei ptentiam, qua Deus est et agit, certo et determinato modo exprimunt. Neque ulla res aliquid in se habet, a quo possit destrui, sive quod eius existentiam tollat« (Eth. III, prop. VI). Alle Dinge haben ein Streben (conatus), in ihrem Sein zu verharren (l.c. prop. VII, IX).

NEWTON lehrt: »Jeder Körper beharrt in seinem Zustande der Ruhe oder der gleichförmigen Bewegung in gerader Richtung, außer sofern er von eingedrückten Kräften gezwungen wird, jenen Zustand zu verändern« (Princ. math. p. 12; vgl. SPINOZA: »Corpus, quod semel movetur, semper moveri pergit, nisi acausis externis retardetur« Ren. Cart. II, prop. XIV, Corol.).

Nach KANT ist beharrlich, »was eine Zeit hindurch existiert, d. i. dauert« (Met. Anf. d. Naturw.WW. IV, 374). Der »Grundsatz der Beharrlichkeit« ist: »Alle Erscheinungen enthalten das Beharrliche (Substanz) als den Gegenstand selbst und das Wandelbare, als dessen bloße Bestimmung, d.h. eine Art, wie der Gegenstand existiert« (Kr. d. r. Vern. S. 174). Dieses Prinzip ist ein Gesetz für alle Erfahrung, die dadurch erst ermöglicht wird. »Wir können nur in dem, was beharrt, das Wechseln bemerken...« Die Beharrlichkeit »drückt überhaupt die Zeit, als das beständige Korrelatum alles Daseins der Erscheinungen, alles Wechsels und aller Begleitung aus. Denn der Wechsel trifft die Zeit selbst nicht« (l.c. S. 176).

DÜHRING spricht von »beharrlichen Elementen«, »ruhenden Allgemeinheiten« des Seins (Curs. d. Phil. S. 24).

LIPPS bemerkt: »Indem wir unsere Beharrlichkeit oder Denkkonsequenz anthropomorphisierendin die Inhalte der Wahrnehmung verlegen, schreiben wir diesen Beharrungsvermögen zu« (Gr. d. Seel. S. 434).

Nach HERBART beharrt jede Vorstellung nach ihrem Verschwinden unbewusst in der Seele weiter. So auch nach STEINTHAL (Einl. in d. Psych.S. 114).

REHMKE
formuliert das »Gesetz der Beharrung« so: »Im Gegebenen überhaupt verschwindet nichts, es sei denn ein anderes mit, welches verschwinden soll, zugleich, aber selber in einer anderen konkreten Einheit gegeben als die notwendige Bedingung«(Allg. Psychol. S. 107).

Die englischen Psychologen verstehen unter geistigem Beharrungsvermögen (»retentiveness«) die Eigenschaft des »primären« Gedächtnisses; es beruht auf der Erzeugung funktioneller Dispositionen (
SULLY, Handb. d. Psychol. S. 157 f.).

Bejahung (Affirmation) S. 382 ff.
ist die Zustimmung des Denkwillens zu einem Urteil, die Annahme eines Etwas als gültig, wirklich, wertvoll.

Nach BERND bedeutet bejahen oder verneinen
»einen Beifall geben oder keinen Beifall geben« (Abh. von Gott 1742, S. 287, bei DESSOIR, Gesch. d. Psychol. I2, 426).

Nach SCHOPENHAUER »bejaht« der Wille das Leben, obgleich es ihm Unheil bringt; denn der Wille ist alogisch.

Nach NIETZSCHE ist das Leben um jeden Preis zu bejahen. -

Nach
FORTLAGE ist Bejahung »ein Begriff, welcher bezeichnet, daß mit einem gegebenen bestimmten Vorstellungsinhalt aus einer gewissen Sphäre ein Inhalt aus einer andern Sphäre eins und ununterschieden sei, ohne daß damit über die Beschaffenheit des Identischen irgend etwas ausgesprochen würde« (Psych. I, S. 91). Das »Ja« bedeutet die »Aktivität«, das »Nein« »die Suspension der Aktivität eines vorhandenen Begehrens oder Triebes«. »Ja und nein sind Triebkategorien« (l.c. S. 92).

LOTZE betont: »Man kann weder Dinge noch Ereignisse, sondern nur eine Beziehung zwischen zwei Beziehungspunkten, also den Inhalt eines Satzes bejahen« (Gr. d. Met. S. 10).

Während WUNDT erklärt, alles Urteilen sei »ursprünglich und seiner Natur nach affirmierend« (Log. I, 187),

meint JERUSALEM, es gehe der Bejahung die »Zurückweisung der möglichen Negation« voraus.»Die Sprache bildet erst dann ihr 'Ja' aus, welches die Geltung eines Urteils gegenüber allen Anfechtungen aufrecht hält. Dieses 'Ja' bleibt ein vom Urteilsakte selbst verschiedener und auch im Bewußtsein getrennter Ausdruck der Zustimmung« (Urteilsfunkt. S. 185).
Vgl. Negation.

Bewegung S. 394 ff.
ist der (aktuelle) Wechsel der Lage eines Körpers in Beziehung zu anderen Körpern oder zu einem gedachten Koordinatensystem. Alle Bewegung ist relativer Art, auch die sogenannte »absolute« Bewegung. Die scheinbare Bewegung ist die dem Augenschein oder dem statischen Sinne unmittelbar sich darstellende Bewegung, sofern sie nicht mit der wahren, mathematisch-physikalisch bestimmten, konstanten, objektiven, notwendig zu denkenden Bewegung übereinstimmt. Die Bewegung gilt als ursprüngliche Eigenschaft der Materie.

Man spricht auch von einer geistigen Bewegung, von einer Gemüts- und einer Denkbewegung
(s. Dialektik).

Nach HERAKLIT und PROTAGORAS ist alles in beständiger Bewegung, alle Ruhe ist nur Sinnenschein (phasi tines kineisthai tôn ontôn ou ta men ta d' ou, alla panta kai aei, alla lanthanein touto tên hêmeteran aisthês in ARISTOTELES, Phys. VIII 3, 253 b 10).

ZENO von Elea dagegen bestreitet die Realität der Bewegung. Diese sei in Wahrheit unmöglich, denn das Bewegte bewegt sich weder da, wo es schon ist, noch da, wo es nicht ist, also überhaupt nicht to kinoumenon out' en hô esti topô kineitai out' en hô mê esti, (Diog. L. IX 11, 72). Vier Argumente (logoi) bringt er vor. Bewegung kann nicht stattfinden: 1) wegen der unendlichen Zahl von Distanzen, die durchlaufen werden müssten, 2) wegen des »Achilleus«, 3) wegen des Ruhens des »fliegenden Pfeils«, 4) wegen der Gleichheit der Geschwindigkeit auf dem halben wie auf dem ganzen Wege, gemessen an der entgegengesetzten Bewegung eines Körpers (ARISTOTELES, Phys. VI 9, 239 b 33).

Gegen diese Antinomien rekurriert
DIOGENES der Zyniker auf die Evidenz der Sinne (Diog.L. VI, 39; Sext. Emp. Pyrrh. hyp. III, 66),

während ARISTOTELES betont, dass die Stetigkeit der Zeit und der Bewegung verkannt werde; diese besteht nicht aus Teilen, so auch jede andere Größe, sondern sie läßt sich stetig teilen (Phys. VI 9, 239 b 8; vgl. SPINOZA, Epist. 29; LEIBNIZ, WW. Gerhard I, 403; J. ST. MILL, Examin. p. 474; DÜHRING, Krit. Gesch. d. Phil. 1869, S. 40 ff.; GOMPERZ, Griech. Denk. I, 159; ÜBERWEG, Logik3, S. 409; KÜHNEMANN, Grundl. d. Philos. S. 83 ff.). –

DEMOKRIT erblickt in der Bewegung eine primäre Eigenschaft der Atome. Sie ist (nach Stob. Ecl. I, 18, 394) geradlinig von Natur.

Die Megariker behaupteten, es gäbe an sich keine Bewegung
(mê einai kinêsin, Sext.Emp. adv. Math. X, 85 squ.).

PLATO
unterscheidet zwei Arten der Bewegung: qualitative Veränderung (alloiôsis) und Ortsbewegung (periphora, Theaet. 181). Die primäre Bewegung ist Selbstbewegung (Leg. 894 B, D, 895A), diese aber ist Leben, Beseelung (l.c. 896 C). Im Organismus sind die Körperbewegungen von den inneren, seelischen Bewegungen (prôtourgoi kinêseis) abhängig (l.c. 897 A). Die sich selbst bewegende Weltseele ist das Prinzip aller kosmischen Bewegungen (Tim. 43 ff.).

ARISTOTELES versteht unter kinêsis Veränderung überhaupt, deren er vier (De an. I 3, 406 a 12 squ.) oder sechs (Categ. 14) unterscheidet. Sie ist die Verwirklichung des Möglichen als solchen (hê tou dynatou, hê dynaton, entelecheia phaneron hoti kinêsis estin, Phys. III 1, 201 b 4), Übergang aus der Potenzialität in die Aktualität. Eigentliche Bewegung ist nur die Ortsbewegung (kinêsis kata topon, phora, Phys. III 8, 208 a 31). Die Bewegung ist stetig (synechês, Phys. IV 11, 219 a 10). Zur Bewegung bedarf es keines leeren Raumes (gegen die Atomisten), sondern sie besteht in einer Ortsvertauschung im Vollen (antiperistasis, Phys. VIII 10, 267 a 18). Jedem Körper kommt konstant Bewegung zu (anankê de aei kinêsin echein sôma pan physikon, De coel. I 1, 274 b 4). Die Bewegung ist die Ursache des Werdens (hê gar phora poiêsei tên genesin, De gen. et corr. II 9, 336 a 17). Es gibt geradlinige, kreisförmige, gemischte Bewegung (eutheia, kyklô, ek toutôn miktê, De coel. I 1, 268 b 17). Die vollkommenste ist die kreisförmige Bewegung, sie kommt dem Äther und dem Sternhimmel zu (De gen. et corr. II 11, 338 a 18 squ.). Da alle Bewegung in der Verwirklichung eines Potentiellen besteht, so muß es zuletzt einen selbst unbewegten ersten Beweger der Welt (prôton kinoun akinêton auto, Met. IV 8, 1012 b 31), Gott (s. d.), geben; dieser bewegt erômenos, durch das Streben der Dinge nach ihm.

Als (geistige) Bewegung fassen THEOPHRAST und STRATO das Denken auf
(Simpl. Phys. 225 a).

Die Stoiker definieren die Bewegung (kinêsis) als metabolên kata topon ê holô ê merei ê metallagên ek topou. Es gibt ursprünglich geradlinige und gewundene Bewegung (eutheian kai tên kampylên, Stob. Ecl. I 19, 404, 406).

Nach EPIKUR gibt es Bewegung kata stathmên kai kata parenklisin (Stob. Ecl. I 18, 394)

PLOTIN definiert die Bewegung im Sinne des Aristoteles (Enn. VI, 3, 22). Sie ist kein Seiendes,sondern die Wirksamkeit desselben, dessen Natur sie gleichsam vollendet (als energeia, l.c. VI, 2, 6).

Die Scholastiker bestimmen das Wesen der Bewegung in der Weise des Aristoteles.


AVICENNA: »Motus est exitus de potentia ad actum in tempore continuo, non subito« (bei ALBERTUS, Sum. th. I, 73, 2).

ALBERTUS MAGNUS bestimmt ganz allgemein: »Moveri est aliter se habere quam prius« (Sum. th. I, 74, 1). Das prôton kinoun übersetzt er mit »motor primus« (l.c. I, 18, 1).

THOMAS
nennt die Bewegung (motus) einen »actus imperfecti« (3 an.12 a). »Moveri est exire de potentia in actum... movens dat id quod habet mobili, inquantum facit ipsum esse in actu« (Sum. th. I, 75, 1). Es gibt »motus alterationis« (= »m. secundum qualitatem«), »m. augmenti et decrementi«, »m. secundum locum«, »m. appetitus«, »m. affectus« (Contr. gent. III, 151), »m. animalis oder sensualis«, »m. intellectualis oder rationis«, »m. naturalis«, »m. animi«, »m. voluntatis« (Sum. th. I, 81, 1 C; Contr. gent. III, 23; Sum. th. I, II, 17, 9, I, II, 22, 2 C.).

SUAREZ bestimmt die Bewegung als Weg und Fließen (Disp. met. 49, 4).

KOPERNIKUS,
KEPLER, GALILEI verbreiten richtige Anschauungen über die Natur der kosmischen(quantitativ zu bestimmenden) Bewegungen.

DESCARTES betont, es gäbe nur Ortsbewegung als Zustand der Materie, den jeder Körper von außen erleidet. »Non admitto varia motuum genera, sed solum localem, qui corporum omnium tam animatorum quam inanimatorum communis est« (Ep. II, 11; Princ. phil. II, 23). Und zwar ist die Bewegung »actio, qua corpus aliquod ex uno loco in alium migrat« (Princ. phil. II, 24), Ortswechsel. Ruhe ist Aufhören der Tätigkeit. Genauer bestimmt ist die Bewegung Übertragung eines Körpers aus der Nachbarschaft der ihn berührenden, ruhenden Körper in die Nachbarschaft anderer (»dicere possumus esse translationem unius partis materiae, sive unius corporis, ex vicinia eorum corporum, quae illud immediate contingunt et tanquam quiescentia spectantur, in viciniam aliorum« Pr. phil. II, 25). Jedem Körper kommt in einem Momente nur eine Bewegung zu (»non possumus isti mobili plures motus eodem tempore tribuere, sed unum tantum«, Princ. phil. II, 28). Es gibt keinen leeren Raum, daher muss ein Körper bei seiner Bewegung andere aus ihrem Orte verdrängen (l.c. II, 33). Von Natur aus ist jede Bewegung geradlinig, strebt es zu sein (l.c. II, 39). Gott hat die Bewegung erschaffen und erhält ihre Menge (die »Bewegungsgröße« mv) konstant. »Nam quamvis ille motus nihil aliud sit in materia mota quam eius modus, certam tamen et determinatam habet quantitatem, quam facile intelligimus eandem semper in tota rerum universitate esse posse, quamvis in singulis eius partibus mutetur« (l.c.II, 36).

Auch nach
Spinoza erhält jeder Körper seine Bewegung von außen her. »Corpus motum vel quiescens ad motum vel quietem determinari debuit ab alio corpore, quod etiam ad motum vel quietem determinatum fuit ab aliquo, et illud iterum ab alio, et sic in infinitum« (Eth. II, prop. XIII).

Nach TSCHIRNHAUSEN ist alle Materie in steter Bewegung (Med. ment. II, 180).

Nach HOBBES ist alles Naturgeschehen auf Bewegung zurückzuführen, diese ist »continua unius loci relictio et alterius acquisitio« (El. phil. VIII, 10).

LOCKE erklärt, die Bewegung könne und brauche nicht definiert zu werden (Ess. II, ch. 4, § 8 ff., II, ch. 18).

NEWTON definiert die absolute Bewegung als »Übertragung eines Körpers aus einem absoluten Ort in einen andern absoluten Ort«, die relative als Übertragung aus einem relativen Ort in einen andern relativen Ort (Princ. math. 6, IV). Die wahren Bewegungen beruhen auf Kräften in den Körpern (l.c. p. 8).

Nach BERKELEY ist alle Bewegung relativ, ein einziger, isolierter Körper wäre notwendig unbewegt (Principl. CII); in den Körpern, die nur Vorstellungen sind (Idealismus) gibt es keinerlei bewegende Kräfte.

Nach LEIBNIZ besteht alle Bewegung in einer wahrnehmbaren Lageveränderung der Körper. Wirklich ist die Bewegung, wenn die unmittelbare Ursache der Veränderung im Körper selbst liegt. An sich ist die Bewegung Kraftimpuls, deren Erscheinung das »wohlbegründete Phänomen« des Ortswechsels darstellt. »Ce n'est qu'un phénomène réel, parceque la matière et la masse, à laquelle appartient le mouvement, n'est pas à proprement parler une substance. Cependant il y a une image de l'action dans le mouvement, comme il y a une image de la substance dans la masse; et à cet égard on peut dire que le corps agit, quand il ya de la spontanéité dans son changement« (Nouv. Ess. II, ch. 21).

Nach CHR. WOLF ist Bewegung »continua loci mutatio« (Ont. § 642; Vern. Ged.I, § 57).

CRUSIUS: »Bewegung ist derjenige Zustand einer Substanz, da dieselbe ihren Ort verändert« (Vernunftwahrh. § 391).

HOLBACH:
»Le mouvement est un effort, par lequel un corps change ou tend à changer de place« (Syst. I, ch. 2, p. 12).

BONNET:
»Si l'âme considérant une étendue comme immobile voit un corps s'appliquer successivement à différents points de cette étendue, elle se formera la notion du mouvement« (Ess. de Psych. C. 14).

Nach KANT ist Bewegung eines Dinges »die Veränderung der äußeren Verhältnisse desselben zu einem gegebenen Raum«; Ruhe ist »die beharrliche Gegenwart (praesentia perdurabilis) an demselben Orte« (Met. Anf. d. Naturw. S. 5, 10). Alle erfahrungsmäßig konstatierbare Bewegung ist relativ (l.c. S. 3). Bewegung ist kein apriorischer, sondern ein Erfahrungsbegriff, weil er außer Raum und Zeit die Wahrnehmung eines beweglichen Etwas voraussetzt (l.c. S. 4; Kr. d. r. Vern. S. 66). Die Bewegung besteht nicht an sich, sondern ist Erscheinung, objektiver Erkenntnisinhalt; so auch der Idealismus.

Für SCHOPENHAUER ist die Bewegung Objektivation des Willens.

Für
HERBART ist sie »objektiver Schein«, »ein natürliches Mißlingen der versuchten räumlichen Zusammenfassung«, während im An-sich der Dinge sich nichts verändert (Met. II, §295).

HEGEL bestimmt die Ortsbewegung als »Vergehen und Sich-wieder-erzeugen des Raums in Zeit und der Zeit in Raum, daß die Zeit sich räumlich als Ort, aber diese gleichgültige Räumlichkeit ebenso unmittelbar zeitlich gesetzt wird« (Naturphil. § 261). Die dialektische »Bewegung« liegt dem Seienden zugrunde.

HILLEBRAND
erklärt die Bewegung für die »allgemeine Grundform der erscheinenden Wirklichkeit«, sie ist »der positive Ausdruck der ursprünglichen Kraftstellungen der Substanzen für die Anschauung« (Phil. d. Geist. I, 108).

TRENDELENBURG nimmt Bewegung im weiteren Sinne als »das Allgemeinste, was im Denken und Sein vorkommt« (Log. Unt. I, 143). Sie erzeugt die Formen der Dinge (l.c. S. 266). Die »konstruktive« Bewegung ist die »allgemeine Bedingung des Denkens, eine geistige Tat, welche nicht erst von der Erfahrung abhängt, aber diese möglich macht«, das a priori des Erkennens (Gesch. d. Kat. S. 365 ff.).

CZOLBE
hält die Bewegung nicht für eine passive Wirkung, sondern für eine »ursprüngliche Tätigkeit« (Gr. u. Ursp. d. m. Erk. S. 80). »Anziehung und Abstoßung sind nicht Ortsveränderung selbst, sondern ihre Ursache« (ib.).

Nach L. NOIRÈ ist die Bewegung eine Grundeigenschaft der Dinge (neben der Empfindung), »objektive Kausalität« (Einl. u. Begr. e. mon. Erk. S. 135). »Ihr Grund- und Urwesen ist aber nur räumliche Differenz, die Zeit gibt ihr erst das beobachtende, erkennende Objekt« (ib.).

R. HAMERLING
betont, die Bewegung sei ein Leiden, ein Passives (Atom. d. Will. II, 62) (ähnlich schon v. HARTMANN).

Nach
HELMHOLTZ ist alle Veränderung in der empirischen Welt Bewegung, diese ist die »Urveränderung«. Alle elementaren Kräfte sind »Bewegungskräfte« (Vortr. u. Red. I4, 379 ff.).

H. SPENCER
erklärt, die Darstellung aller objektiven Tätigkeiten in Ausdrücken der Bewegung sei nur symbolische Erkenntnis (Psychol. I, § 63; First Princ. § 16).

HODGSON definiert Bewegung als »change in percepts of sight, touch, or both« (Phil. of Reflect. I, 266).

Nach RIEHL ist die Bewegung, auf die wir die Sinnesqualitäten zurückführen, nur ein in der Form der Gesichtswahrnehmung gedachtes, gedeutetes Geschehen (Phil. Krit. II, 2, S. 35).

Nach NIETZSCHE ist Bewegung Vorstellung, nur ein Bild des Wirklichen in der Sinnensprache des Menschen, »Folgeerscheinung« nicht Urkraft (WW. XV, 297).

Nach WUNDT besteht die Bewegung in der »relativen Lageänderung gegebener Raumgebilde«. Die Ordnung unserer Vorstellungswelt setzt, soweit sie quantitativ ist, die Bewegung voraus (Log. I2, S. 518 ff.; Syst. d. Phil.2, S. 124 ff.). Die objektiven Relationen der Körper führen auf Bewegungen der Substanzelemente zurück (Syst. d. Phil.2, S. 437 ff.). Von den inneren Eigenschaften der Dinge wird dabei geflissentlich abstrahiert (Syst. d. Phil.2, S. 459ff.). In das Reich des »An-sich« fällt die Bewegung als räumlicher Vorgang nicht, obgleich sie objektiv begründet ist wie der Raum.

Nach REHMKE heißt Bewegung »in aufeinander folgenden Augenblicken an verschiedenen Orten sein« (Gedenkschrift f. R. Haym S. 109 f.).

SCHUPPE versteht unter Bewegung »die wahrnehmbare Tatsache, dass ein Subjekt sich in einem folgenden Zeitpunkte an einem anderen Orte befindet als vorher, also das andere Wo in einem andern Wann« (Log. S. 108). Sie ist »keine Tätigkeit, die verschieden wäre von der Ortsveränderung selbst« (l.c. S. 109).

SCHUBERT-SOLDERN erklärt alle Bewegung für relativ (Gr. e. Erk. S. 297). Sie ist nur denkbar als »räumliche Beziehung, Änderung der Lage eines Raumteiles zum andern« (l.c. S. 300).

Nach
R. WAHLE präsentiert sich uns die Bewegung »in der Sukzession der Erscheinung einer Fläche an verschiedenen Orten«. Dieses »Durch-den-Raum-durchgleiten« ist etwas »Unverstandenes sui generis« (D. Ganze d. Phil. S. 01 ff.). Die Bewegung ist keine metaphysische Kraft, kein »Faktor«.

Böse S.441ff. Siehe auch bei Kirchner
ist das Gegenteil des Guten , der Gegensatz dazu, sofern er als solcher bewußt wird; jede Handlung, die dem sittlichen Willen zuwider ist; alles zwecklos und willentlich Zerstörerische, Negative, brutal Gewalttätige, unser Fühlen absichtlich Verletzende; alles, was der Lust am Schlechten, Verwerflichen, Grausamen entspringt.

Das Böse wird zuweilen als ein dämonisches Princip dem göttlichen, guten Geiste entgegengesetzt, so im Typhon der Ägypter, im Ahrimân des Parsismus, im Satan des späteren Judentums und noch mehr des Christentums. Als selbständiges Princip wird das Böse auch von den Manichäern aufgefaßt.

Nach ANTISTHENES ist das Böse ein dem menschlichen Wesen Fremdes xenikon, allotrion, (Diog. L. VI, 12, Plat., Conviv. 205 C).

PLATO leitet das Böse aus der Natur des Körperlichen, aus der Unbestimmtheit, Unordnung des Materiellen, noch nicht Geformten, ab (Tim. 68 E), auch aus der »bösen Weltseele« (Leg. 896 E). Das Böse ist ungöttlich, widerstrebt dem Ordnungsprincip (Theaet. 776 A; Polit. 269 D; Tim. 47 E); die gute Gottheit kann des Bösen Urheber nicht sein (Rep. II, 379 C).

Die Stoiker setzen das Böse nur in die Teile des Alls, nicht in den Kosmos selbst
teleon men ho kosmos sôma estin, outelea de ta tou kosmou merê, (Plut. de Stoic. rep. 44, 6). Durch das Böse kommt erst das Gute zur Geltung (l.c. 36, 1). Jenes ist nur ein Mittel zur Beförderung des Guten (KLEANTHES, Hymn. v. 18 f.).

Nach PHILO geht das Böse aus der Verbindung der Seele mit der unreinen Materie hervor, die nach PLOTIN selbst schon etwas Böses (kakon) ist. Das Böse ist nicht im Seienden, es stammt aus der »alten Natur«, der Materie (Enn. I, 8, 3, I, 7). Der Anfang des Bösen der Seele ist das Vergessen der göttlichen Herkunft, das Verlangen, sich selbst anzugehören (Enn. V, 1), ähnlich schon ANAXIMANDER;

PLUTARCH betrachtet das Böse als eine dem Guten entgegenwirkende Kraft (De Isid. 46 squ.), die aus der »bösen Weltseele« stammt (De an. procr. 3).

Die Gnostiker verlegen das Böse wiederum in die Materie (vgl. HARNACK, Dogm. I3, 246).

Nach BOËTHIUS hat das Böse keine positive Wirksamkeit und Wirklichkeit, es veranlaßt indirect das Gute
(De cons. phil. IV).

Auch nach CLEMENS ALEXANDRINUS ist es keine Wesenheit, ist nicht von Gott geschaffen (Strom. IV, 13).

Es ist nach ORIGENES eine »Beraubung« (privatio) des wahren, guten Seins, ein Negatives
(De princ. I, 109), eine Notwendigkeit für die Verwirklichung des Guten. (Contr. Cels. VI, 53).

AUGUSTINUS sieht im Bösen die Folge einer verkehrten Willensrichtung, eines Abfalles von Gott (Enchir. 23); es ist nur Beraubung, Mangel (amissio) des Guten, hat nur relatives Sein (De civ. Dei XI, 22).

DIONYSIUS AREOPAGITA und JOH. SCOTUS ERIUGENA nennen das Böse ein »innaturale«, »incausale« (De div. nat. IV, 16). Letzterer bemerkt: »Non ergo in natura humana plantatum est malum, sed in perverso et irrationabili motu rationabilis liberaeque voluntatis est constitutum« (l.c. IV, 16).

Nach ALEXANDER VON HALES ist das Böse »privatio boni« (Sum. th. I, 18, 9), so auch nach ALBERTUS MAGNUS (Sum. th. I, 27, 1) und THOMAS, nach welchem Gott das Böse nur als Beförderer des Guten zugelassen hat (Sent. 32).

Nach J. BÖHME ist das Böse die negativ-treibende, zum Leben anreizende Kraft im All, der »Gegenwurf« des Guten, als »Zornfeuer« in Gott selbst enthalten (Aurora).

LEIBNIZ
leitet das Böse aus der Beschränktheit der endlichen Wesen ab; es dient nur der Vollkommenheit des Ganzen, da nichts von allem Möglichen fehlen darf. Gott läßt das Böse zu, weil sonst vieles Gute verhindert würde (Theod. Il, Anh. IV, § 34).

Nach CHR. WOLF ist böse, »was uns und unsern Zustand unvollkommener macht« (Vern. Ged. I, § 425).

KANT
nimmt ein »radicales« (ursprüngliches) Böses an, einen Hang zum Bösen, »welcher, da es nur als Bestimmung der freien Willkür möglich ist, diese aber als gut oder böse nur durch ihre Maxime beurteilt werden kann, in dem subjectiven Grunde der Möglichkeit der Abweichung der Maximen vom moralischen Gesetze bestehen muß« (Relig. S. 28). Mit dem Guten besteht das Böse ursprünglich im Menschen, es ist ihm angeboren, in seiner Selbstliebe begründet, entsteht durch eine »transcendentale Handlung«, ist unausrottbar und verdirbt die reine Moralität des Menschen (l.c. S. 31). Es ist eine »angeborene Schuld« (l.c. S. 38). Es entstand,als der Mensch aus dem Stande der Unschuld in den der Sünde geriet (l.c. S. 43); vgl. das Dogma von der »Erbsünde«. Das Böse ist das, was vom vernünftigen Willen verabscheut werden muß, was dem moralischen Gesetze entgegen ist (Kr. d. pr. Vern. I. T., 1. B., 2. Hptst.).

Von einem »Urbösen« in der Seele spricht
HEINROTH (Psychol. S. 463).

Ein radicales Böses, d.h. den Egoismus, nimmt auch EUCKEN an (Kampf um e. geist. Lebensinh. S. 223 f.).

SCHELLING leitet das Böse aus einer vorzeitlichen Willenshandlung ab, es gehört zum Sein (WW. I, 7, 403), nachdem schon BAADER das Böse als in der »ewigen Natur in Gott« begründet angesehen hatte; VOLKELT nimmt etwas Ähnliches an (Ästh. d. Trag.).

Über das Böse handeln HERBART (Gespräche üb. d. Böse 1818), BLASCHE (Das Böse im Einklang mit d. Weltordn. 1827), H. RITTER (Üb. d. Böse 1869) u. a. –

Nach HILLEBRAND ist das Böse »der seiner bewußte moralische Widerspruch«. Es ist ein dialektisches Moment in der Weltordnung, hat keine wesenhafte Wirklichkeit (Phil. d. Geist. II, 128 f.).

FECHNER meint, das Böse entstehe wohl in Gott, aber nicht durch seinen Willen (Zendav. I, 247). Nur im »Gebiete der Einzelheiten« taucht das Böse (Übel) auf, das zugleich Quelle des Guten wird (l.c. I, 244 f.). Das Böse hat vermöge des Gegenstrebens in Gott »keinen Gipfel, Zusammenschluß und Abschluß« (Tagesans. S. 48 ff.).

LIPPS erklärt: »Das Böse ist ein Verhältnis zwischen der Stärke von Motiven. Es ist ein Überwiegen von an sich guten oder berechtigten Motiven und ein Zurücktreten anderer« (Eth. Grundfr. S. 53). »Nicht das Wollen des Menschen ist böse, sondern sein Nichtwollen« (l.c. S. 55). Es ist das Böse, wie der Irrtum, ein Negatives Zwei Quellen des Bösen gibt es, »die Schwäche von Motiven und den Irrtum oder die Täuschung, vor allem die Selbsttäuschung« (l.c. S. 56).

PAULSEN
betont: »Was aber das sittlich Schlechte oder das Böse anlangt, so wird die Ethik es construieren, wie die medicinische Diätetik Störungen, Schwächen, Mißbildungen construiert; wie hier diese Vorkommnisse als Folge von äußeren Hemmungen und Störungen angesehen werden, die der Tendenz der Anlage zu normaler Entwicklung zuwider waren, so wird die Ethik dasSchlechte und Böse nicht auf den eigentlichen Willen des Wesens selbst..., sondern auf ungünstige Entwicklungsbedingungen zurückführen, unter denen die Anlage verkümmerte und Mißbildungen erlitt« (Einl. in d. Phil.2, S. 435). Nur im Kampfe mit dem Bösen kann auf Erden das Gute Kraft gewinnen. Das Böse ist um des Guten willen da, als Reiz, Widerstand, Folie; es ist an sich ein Nichtiges, Negatives (Syst. d. Eth. I5, 306 ff.).

Der Utilitarismus bestimmt das Böse (Schlechte) als das, was die (sociale) Wohlfahrt bewußt schädigt.

Nach
NIETZSCHE entsteht der Begriff »böse« aus dem »Ressentiment« der Schwachen gegen den Machtwillen der »Herren« (Jens. von Gut u. Böse2, S. 228 ff.).
Vgl. Gut, Übel, Theodicee.

Brahman S.446
das schöpferische, erhaltende Prinzip, das Absolute, das Weltwesen (Veden) (vgl. DEUSSEN, Allg. Gesch. d. Philos. I 1, S. 242, 261).

Buddhismus S. 446
die Lehre BUDDHAS (des »Wissenden, Erleuchteten«). Prinzipien: Einheit des Alls, Nichtigkeit und Unwirklichkeit des individuellen Daseins, der Außenwelt (»Schleier der Mâja«), Wiedergeburt, Seelenläuterung, Askese, Mitleidsmoral, Nirvana

Chaos (von chainein, gähnen) S. 498 Siehe auch bei Kirchner
ungeordneter Weltzustand ohne Bestimmtheit, Gesetzmäßigkeit, Harmonie der Vorgänge, Urzustand des noch ungeformten Weltstoffes, Weltraumes.

In noch mythischer Weise lehrt HESIOD, von allem sei zuerst das Chaos entstanden pantôn men prôtista chaos genet', autar epeita Gai' eurysternos, (Theog. V, 116); ek chaeos d' 'Erebos te melaina te Nyx egenonto (l.c. V, 123).

Nach ANAXAGORAS wird das Chaos durch den Geist (nous), (Diog. L. II, 6) gestaltet.

PLATO nimmt (im Tim. 30 A ff.) eine chaotische Masse (kinoumenon plêmmelôs kai ataktôs) und (im Philebus) ein Unbestimmtes (apeiron) an.

Gegen die Annahme eines ursprünglichen Chaos erklärt sich ARISTOTELES (De coel. 2).

OVID spricht von der »rudis indigestaque moles« (Met. I, 7).

Nach NIETZSCHE ist die Welt an sich ein Chaos von Vorgängen ohne Zwang und Gesetze (WW. V, 109, vgl. XV, 319).

P. MONGRÉ erblickt in der empirischen Welt einen von unserem Bewußtsein vollzogenen »Ausschnitt aus dem gesetzlosen Chaos« (Das Chaos in kosm. Ausl. 1898).

Dämonen S.541f.
Geister, insbesondere böse, schädliche. Der Dämonenglauben bildet einen Bestandteil wohl aller primitiven Religionen, besonders des »Animismus« (im Sinne Tylors).

An Dämonen glaubten auch die Perser, Juden u. a.


Auch in die Philosophie ist die »Dämonologie« eingedrungen, indem man hier unter Dämonen geistige Kräfte versteht, welche zwischen der Gottheit und den Menschen vermitteln. Als Anhänger solchen Glaubens sind besonders zu nennen:

XENOKRATES (Plut. De Is. et Osir. 26; De def. orac. 14), die Stoiker (vgl. ZELLER, Phil. d. Griech. III, 13, 319), Neupythagoreer (l.c. III, 23, 91), PLUTARCH (l.c. III, 23, 176), PHILO JUDAEUS (De somn. I, 22), PLOTIN (Enn. VI, 7, 6: esti mimêma theou daimôn, eis theon anêrtêmenos), AMBLICH, PROCLUS, BOËTHIUS, PORPHYR (De abstin. II, 37 ff.), TATIAN (»hylische Geister«, Orac. ad Graec. 4).

Darwinismus S. 542f.
heißt die Lehre des CHARLES DARWIN (On the origin of species 1859) von der Variabilität der Arten, vom Kampfe ums Dasein und der natürlichen Auslese, von der allmählichen Entwicklung der Arten durch diese Faktoren, durch passive, von außen erreichte Anpassung ohne Zielstrebigkeit und Teleologie. Vgl. Evolution.

Deismus S. 560f. Siehe auch bei Kirchner
Vernunftreligion, Annahme einer Gottheit, die aber nicht in den Lauf der Natur eingreift, keine Wunder tut, sich nicht direct offenbart.

Die bekanntesten
Deisten (»Freidenker«, freethinker) des 17.-18. Jahrhunderts sind: HERBERT VON CHERBURY, CH. BLOUNT, J. TOLAND, M. TINDAL, A. COLLINS, BOLINGBROKE, SHAFTESBURY, VOLTAIRE, ROUSSEAU, H. S. REIMARUS.

»Deist«
kommt schon bei BLOUNT, TOLAND und SHAFTESBURY (The moral. I, 2) vor. (Vgl. G. V. LECHLER, Gesch. d. engl. Deismus, 1841.)

CRUSIUS bezeichnet als »Deisten« oder »Universalisten« eine »Art von Atheisten« nach welchen »alles, was wir sehen und hören, mit zu Gott gehöret«, also die
Pantheisten
(Vernunftwahrh. § 236).

Nach KANT glaubt der »Deist« an einen Gott überhaupt (Kr. d. r. Vern. S. 496). »Der so allein eine transcendentale Theologie einräumt, wird Deist, der, so auch eine natürliche Theologie annimmt, wird Theist genannt. Dererstere gibt zu, daß wir allenfalls das Dasein eines Urwesens durch bloße Vernunft erkennen können, aber unser Begriff von ihm bloß transcendental sei, nämlich nur als von einem Wesen, das alle Realität hat, die man aber nicht näher bestimmen kann. Der zweite behauptet, die Vernunft sei imstande, den Gegenstand nach der Analogie mit der Natur näher zu bestimmen, nämlich: als ein Wesen; das durch Verstand und Freiheit den Urgrund aller andern Dinge in sich enthalte« (l.c. S. 494 f.). »Der deistische Begriff ist ein ganz reiner Vernunftbegriff, welcher aber nur ein Ding ist, das alle Realität vorstellt, ohne deren eine einzige bestimmen zu können« (Prolegom. § 57). Vgl. Theismus.

Demiurg (dêmiourgos) S. 201 Siehe auch bei Kirchner
Weltbildner, Weltbaumeister, Gott als Gestalter der Welt aus dem Chaos oder der Materie, als Ordner des Weltalles.

So bei PLATO, der ihn »Allvater« (patêr toude tou pantos, Tim. 28 C, 29 A) nennt, der Demiurg ist das Gute an sich, der alles im Sinne der Ideen gut gestaltet.

Die Gnostiker nennen Demiurg den vom höchsten Gott unterschiedenen, teilweise mit dem Judengotte identificierten, teilweise sogar als bösartig betrachteten Weltbildner.

NUMENIUS unterscheidet den Demiurgen als zweiten Gott (ho deuteros theos, ho dêmiourgos theos) von der höchsten Gottheit. Jener bildet in Anschauung, der Ideen die Welt, den dritten Gott (Prokl. in Tim. II, 93; Euseb. Praep. ev. XIV, 5). Der Demiurg wird auch mit dem Logos identificiert.

Dialektik (dialektikê) S.593ff. Siehe auch bei Kirchner
Unterredungskunst, Methode der Unterredung, begriffliches Verfahren (durch Entwicklung von Sätzen oder Wahrheiten aus Begriffen), logische Bewegung des Denkens von einem Begriff zum anderen mittelst Aufhebung von Widersprüchen. Im schlechten Sinn bedeutet »dialektisch« ein auf Überredung hinzielendes Argumentieren ohne stichhaltige Erfahrungsgrundlagen.

Ein dialektisches Verfahren machte sich schon der Eleate ZENO zu eigen (Diog. L. VIII, 57: Aristotelês en tô Sophistê phêsi prôton Zênôna dialektikên heurein, vgl. IX, 25).

Die Sophisten begründen eine Dialektik im schlechten Sinne, die darauf ausgeht, ton hêttô logon kreittô poiein, durch Scheinbeweise, Sophismen den Schein der Wahrheit zu erzeugen
(vgl. ARISTOTELES, Rhet. II 24, 1402a 23).

Die Unterredungskunst zum Zwecke der Begriffsbestimmung übt SOKRATES aus. Im Zusammen-Denken glaubt er das Wahre, Objective finden zu können: Ephê de kai to dialegesthai onomasthênai ek tou syniontas koinê bouleuesthai dialegontas kata genê ta pragmata (XENOPHON, Memor. IV, 5, 12).

Bei den Megarikern artet die Dialektik in Eristik aus.

PLATO versteht unter Dialektik die Kunst des logischen, philosophischen Verfahrens, d.h. des Verfahrens, durch Analyse und Synthese der Begriffe, durch Fortgang des Denkens von niederen zu höheren, allgemeineren Begriffen zur Erkenntnis des Seienden, der Wirklichkeit, der Ideen zu gelangen hê tou dialegesthai dynamis ist die Erkenntnis [gnôsis] peri to on kai to ontôs kai to kata tauton aei pephykos, sie ist makrô alêthestatê (Phileb. 58 A, 57 E). Vom Eros, von der Liebe zum Forschen, ergriffen, sucht der Dialektiker das Wesen der Dinge zu bestimmen dialektikon kaleis ton logon hekastou lambanonta tês ousias (Republ. 534 B; vgl.Soph. 253 Phaedr. 265, 266, 276 E).

ARISTOTELES
nennt dialektikê das Beweisverfahren aus überlieferten Sätzen ex endoxôn (Top. I 1, 100a 27); dialektikôs = auf syllogistische Weise (Top. I 14, 105b 31), auch - sophistisch (De an. I 1, 403a 2); dialektikai protaseis - Wahrscheinlichkeitsurteile (Anal. pr. I 1, 24a 22).

Die Stoiker verstehen unter Dialektik teils die Grammatik, teils die Logik und Erkenntnistheorie. Das logikon meros zerfällt in Rhetorik und Dialektik (Diog. L. VII, 41). Letztere, ist die Wissenschaft tou orthôs dialegesthai peri tôn en erôtêsei kai apokrisei logôn; hothen kai houtôs autên horizontai, epistêmên alêthôn kai psendôn kai oudeterôn (Diog. L. VII, 42 ff.; vgl. PRANTL, G. d. Log. I, 413; L. STEIN, Psychol. d. Stoa II, 101).

CICERO spricht über Dialektik im Sinne der Stoa (De orat. II, 38, 157; Brut. 41, 152; Disp. Tusc. V, 25, 72; Acad. II, 28, 91; Top. 2, 6).

SENECA: Dialektikê »in duas partes dividitur, in verba et significationes i.e. in res quae dicuntur et vocabula quibus dicuntur« (Ep. 1, 1; vgl. 89, 9).

EPIKUR
ersetzt die Dialektik durch die »Kanonik«.

JOHANNES SCOTUS
versteht unter Dialektik die Forschung nach dem Wesen der Dinge durch logisches, speculatives Verfahren. Sie ist »communium animi conceptionum rationabilium diligens investigatrixque disciplina«(Div. nat. I, 27), die »mater artium.« (l.c. V, 4). Sie geht vom Allgemeinen zum Besonderen und gewinnt aus diesem das Allgemeine. »Illa pars philosophiae, quae dicitur dialectica, circa horum. generum divisiones a generalissimis ad specialissima iterumque collectione a specialissimis ad generalissima versatur« (l.c. I, 16). »Inchoat per genera generalissima mediaque genera usque ad formas et species specialissimas« (l.c. V, 4). »Dialecticae proprietas est rerum omnium, quae intelligi possunt, naturas dividere, coniungere, discernere, propriosque locos unicuique distribuere atque ideo a sapientibus vera rerum contemplatio solet appellari« (l.c. I, 46). Die Dialektik ist im Wesen der Dinge gegründet »in natura rerum ab auctore omnium artium, quae vere artes sunt, condita« (l.c. IV, 4).

Nach ABAELARD ist die Dialektik die begriffliche Feststellung der Wahrheit oder Falschheit von Urteilen, »veritatis seu falsitatis discretio« (Dial. p. 435).

JOHANN VON SALISBURY
erklärt: »Dialctices intentio, ut sermonum vim aperiat et ex eorum praedicatione examinandi veri et statuendi scientiam assequatur« (PRANTL, G. d. Log. II, 236).

Nach LAMBERT VON AUXERRE ist Dialektik »ars artium ad principia omnium methodorum viam habens« (l.c. S. 26).

Nach THOMAS gibt es eine »dialectica docens« und »dialectica utens« (4 met. 4b).

Gegen die scholastische Wertschätzung des dialektischen Verfahrens wenden sich
LUDOVICUS VIVES, NIZOLIUS und besonders PETRUS RAMUS. Ihm ist die Dialektik nichts als Disputierkunst. »Dialectica virtus est disserendi, quod vi nominis intelligitur: dialegesthai enim et disserere unum idemque valent, idque est disputare, disceptare atque omnino ratione uti« (Dial. inst. p. 1). Sie ist »doctrina disserendi« (l.c. p. 6).

BOVILLUS nennt die dialektische Denkbewegung »antiparistasis« .

Nach MELANCHTHON ist die Dialektik »ars et via docendi«, »consistit in definiendo, dividendo et argumentando« (Dial. I, p. 1).

KANT erklärt, die Dialektik sei nur eine »Logik des Scheins« (Kr. d. r. Vern. S. 83), eine »ars sophistica, disputatoria«, die aus einem Mißbrauch der Logik entspringt (Log. S. 11). Denn »da sie uns gar nichts über den Inhalt der Erkenntnis lehret, sondern nur bloß die formalen Bedingungen der Übereinstimmung mit dem Verstande..., so muß die Zumutung, sich derselben als eines Werkzeugs (Organon) zu gebrauchen, um seine Kenntnisse, wenigstens dem Vorgeben nach, auszubreiten und zu erweitern, auf nichts als Geschwätzigkeit hinauslaufen, alles, was man will, mit einigem Schein zu behaupten, oder auch nach Belieben anzufechten« (Kr. d. r. Vern. S. 84). Kant selbst will unter Dialektik nur »eine Kritik des dialektischen, Scheins« verstanden wissen. Auf dem Gebiete des Erkennens zunächst besteht eine in der Natur des Denkens liegende »transcendentale Dialektik«, die zu einer Verwechselung subjectiver Notwendigkeit mit objectiver Realität führt. Sie »beruht auf ursprünglichen, natürlichen Illusionen, auf einem transcendentalen Schein, dessen Folge es ist, daß in unserer Vernunft... Grundregeln und Maximen ihres Gebrauches liegen, welche gänzlich das Ansehen objectiver Grundsätze haben und wodurch es geschieht, daß die subjective Notwendigkeit einer Verknüpfung unserer Begriffe zugunsten des Verstandes für eine objective Notwendigkeit, der Bestimmung der Dinge an sich selbst, gehalten wird« (Krit. d. r. Vern. S. 263). Die »transcendentale Dialektik« als Kritik begründet den »Schein«, ohne ihn zerstören zu können (l.c. S. 263 f.). »Da aller Schein darin besteht, daß der subjective Grund des Urteils für objectiv gehalten wird, so wird eine Selbsterkenntnis der reinen Vernunft in ihrem transcendentalen (überschwenglichen) Gebrauch das einzige Verwahrungsmittel gegen die Verirrungen sein, in welche die Vernunft gerät, wenn sie ihre Bestimmung mißdeutet und dasjenige transcendenterweise aufs Object an sich selbst bezieht, was nur ihr eigenes Subject und die Leitung desselben in allem immanenten Gebrauche angeht« (Proleg. § 40; vgl. § 45). Die transcendentale Dialektik besteht in der Untersuchung der Paralogisme, Antinomien und Ideale der reinen Vernunft. Es gibt auch eine Dialektik der praktischen Vernunft, indem diese unter dem Namen des höchsten Gutes ein Unbedingtes sucht (Kr. d. pr. Vern. I.T., 2. B.). So auch in der Urteilskraft, nämlich betreffs der Antinomien des Geschmacks (Kr. d. Urt. § 55 ff.).

J. G. FICHTES philosophische Methode, nach welcher in Entgegengesetztem das übereinstimmende Merkmal aufgesucht und der Dreischritt: Thesis, Antithesis, Synthesis gemacht wird, ist dialektisch (»synthetisch«, Gr. d. g. Wiss. S. 31; ähnlich HEGEL, S. weiter unten).

SCHLEIERMACHER
versteht unter Dialektik eine »Kunstlehre des Denkens«, die Kunst des Begründens (Dialekt. S. 8), die philosophische Principienlehre (Metaphysik und Erkenntnistheorie). Dialektik ist die Philosophie, weil das Wissen ein Product des gemeinsamen Denkens ist (l.c. S. 66). Sie ist »die Idee des Wissens unter der isolierten Form des Allgemeinen« (l.c. S. 309, vgl. S. 22, 315).

SCHOPENHAUER
versteht unter Dialektik »die Kunst des auf gemeinsame Erforschung der Wahrheit, namentlich der philosophischen, gerichteten Gespräches« (W. a. W. u. V. II. Bd., a.9).

SPICKER erklärt: »Unter Dialektik verstehen wir nicht bloß eine Begriffszergliederung, sondern zugleich auch eine Begriffserzeugung. Beides zusammen fassen wir unter den Ausdruck: 'Begriffsentwicklung'. Die zwei Hauptmomente der Dialektik sind also: Analyse und Synthese. In jener wird gezeigt, was ein Begriff ist und was er nicht ist; in dieser, was er sein soll« (K., H. u. B. S. 165).

WUNDT versteht unter dialektischen Methoden »alle diejenigen philosophischen Methoden..., bei denen aus gegebenen Begriffen vermittelst einer rein logischen Entwicklung andere Begriffe abgeleitet werden« (Phil. Stud. XIII, 68).

Auf die Wirklichkeit selbst wendet zuerst PROKLUS den Begriff der Dialektik an. Der Weltprozess macht eine triadische Entwicklung durch: aus der Einheit oder Ursache, in der das Erzeugte vermöge seinerÄhnlichkeit verharrt (monê) tritt es heraus infolge seiner Unähnlichkeit (proodos), um dann wieder zu ihr zurückzukehren (epistrophê) (Procli stoicheiôsis theologikê, c. 31 ff.).

Später überträgt HEGEL die dialektische Entwicklung, die nach ihm das logische Denken beherrscht, auf das Sein. Die Dialektik ist »die wissenschaftliche Anwendung der in der Natur als Denkens liegenden Gesetzmäßigkeit« (Encykl. § 10) und zugleich diese Gesetzmäßigkeit selbst. Diese besteht in der immanenten Bewegung des »Begriffs«, der infolge des in ihm steckenden »Widerspruchs« sich selbst aufhebt, um wieder zu sich, auf einer höheren Stufe, zurückzukehren. Der Begriff schlägt in sein Gegenteil um, geht mit diesem in einem höheren Begriff zusammen, wodurch der Widerspruch »aufgehoben« wird. »Das dialektische Moment ist das eigene Sich-aufheben solcher endlichen Bestimmungen und ihr Übergehen in ihre entgegengesetzte« (Encykl. § 81. So entwickeln sich die Begriffe auseinander »in unaufhaltsamem, reinem, von außen nichts hereinnehmendem Gange«(Log. I, 41). Der Geist ist hierbei nicht productiv, sondern sieht der Selbstentwicklung des Begriffs zu (Rechtsphil. S. 65). Die Dialektik ist »die eigene, wahrhafte Natur der Verstandesbestimmungen, der Dinge und des Endlichen überhaupt« (Encykl. § 81). Die geistige Entwicklung geht vom An-sich-sein durchs Für-sich-sein zum An- und Für-sich-sein.

HILLEBRAND: »Alles, Geistige hat Form und Inhalt... nur in der Dialektik seines eigenen Tuns« (Phil. d. Geist. II, 95).

SCHASLER
erklärt den dialektischen Proceß als »Fortgang vom abstract Allgemeinen durch die Differenz und Besonderung zum Individuellen, worin der in der Besonderung enthaltene Gegensatz zu einer höheren Einheit aufgehoben, d.h. die abstracte Einheit des Allgemeinen zur concreten erhoben wird« (Kr. Gesch. d. Ästh. S. 8).

J. E. ERDMANN überträgt die Dialektik auf die Psychologie (Psychol. Briefe3, 209, 250, 256).

BAHNSEN nimmt nur eine »Realdialektik«, eine (antilogische) dialektische Entwicklung des Seins an (s. Widerspruch).

R. HAMERLING betrachtet die Seins-Dialektik als logisch, zweckmäßig, er kennt auch eine Dialektik des Denkens und der Anschauung (Atom. d. Will. I, 73 ff.).

Im Sinne Hegels lehrt CARNERI (Sittl. u. Darwin. S. 12). Vgl. E. DÜHRING, Natürl. Dialektik 1865.

Dualismus S.651 Siehe auch bei Kirchner
Zweiheit (z.B. von Principien). Der Ausdruck »dualitas« schon bei BOËTHIUS. -

Ein »Princip der ursprünglichen Dualität« in den Tatsachen kennt M. DE BIRAN (Essai sur les fondem. de Psychol., Introd. gén. II).

Nach
WUNDT findet der discursive Charakter des Gedankenverlaufs im »Gesetz der Zweigliederung oder logischen Dualität« seinen Ausdruck. Es wird nämlich durch die apperceptive Analyse der Inhalt einer Gesamtvorstellung anerkennt die Verschiedenheit der Daseins- oder Erscheinungsformen des Wirklichen, ist aber mit einem metaphysischen Monismus verträglich; der metaphysische Dualismus ist kosmologischer und anthropologischer Art.

Die ältere Bedeutung von »Dualismus«, die auch heute noch neben der angeführten besteht, ist die einer ethisch-religiösen Weltanschauung. der zufolge zwei Principien im All einander gegenüberstehen: das Gute, der Lichtgeist, das Göttliche, und das Böse, die Finsternis, der Satan, wobei aber in der Regel doch
die Superiorität des guten Princips betont wird. In diesem Sinne wird das Wort »Dualismus« gebraucht bei THOMAS HYDE (Histor. rel. vet. Pers. 1700, c. 9; nach EUCKEN, Terminol.).

Durch BAYLE findet es seine Verbreitung. Die neuere Bedeutung hat das Wort schon bei CHR. WOLF. »Dualistae sunt, qui et substantiarum materialium et immaterialium existentiam admittunt« (Psychol. rat. § 39).

Der »Dualist« glaubt, nach MENDELSSOHN, »es gäbe ebensowohlkörperliche als geistige Substanzen« (Morgenst. I, 6).

Nach KANT ist »Dualism« auch »die Behauptung einer möglichen Gewißheit von Gegenständen äußerer Sinne« (Krit. d. r. Vern. S. 311).

Den »religiösen« Dualismus lehren die Perser (Ahuramazda - Ahriman), PLUTARCH, die Manichäer , in gewissem Sinn auch J. BÖHME, R. FLUDD (Phil. mosaïc. 1, 3, 6), SCHELLING. Vgl. Gott.

Einen ethischen Dualismus bekunden die Stoiker, nach denen Naturnotwendigkeit und (sittliche) Freiheit des Willens einander gegenüberstehen, und KANT mit seiner Lehre vom absoluten Gegensatze zwischen Sinnlichkeit und Geistigkeit (dem vernünftig-moralischen Gesetze).

Der metaphysische Dualismus kommt in reinen und unreinen Formen vor. Zuerst bei ANAXAGORAS, der dem passiven Stoffe den ordnenden, gestaltenden »Geist« (nous) gegenüberstellt, der zu jenem hinzukommt eita ho nous elthôn auta diekosmêse (Diog. L. II, 6).

PLATO
scheidet die Welt in zwei voneinander gesonderte (chôrista) Bestandteile: die Sinnendinge, die immer werdend, nicht seiend, und die Ideen, die seiend sind.

ARISTOTELES bringt mit der Unterscheidung von »Form« und »Stoff« der Dinge ein dualistisches Moment in seine Philosophie.

Noch abgeschwächter ist dieser »Dualismus« bei den Stoikern.

Dagegen kommt er bei den Neuplatonikern wieder zum Ausdruck; Geist (Seele) und Materie stehen einander hier schroff gegenüber; die Sinnenwelt ist von der »intelligiblen« ganz verschieden.

Anthropologische Dualisten (s. Seele) sind (wie PLATO, ARISTOTELES u. a.) einige Kirchenväter, AUGUSTINUS, THOMAS und andere Scholastiker, auch Mystiker, wie BONAVENTURA, welcher bemerkt: »Facit Deus hominem ex naturis maxime distantibus (corpore et anima) coniunctis in unam personam et naturam« (Breviloqu. II, 10).

Eine neue, schroffe Formulierung erfährt der Dualismus durch DESCARTES. Vom »Cogito, ergo sum« ausgehend, bestimmt er die Seele als rein geistige, vom Leibe toto genere verschiedene Substanz, als »res cogitans« im Gegensatz zur »res extensa«. Zwischen Leib und Seele besteht Wechselwirkung, die freilich nur mit Gottes Beistand (»concursus, assistentia Dei«) möglich ist. Zwei Substanzarten, Geist und Körper, constituieren die Welt. Die Verschiedenheit beider sowie von Seele und Leib ist »klar und deutlich«, daher objectiv gewiß. »Substantias - percipimus a se mutuo realiter esse distinctas, ex hoc solo, quod unam absque altera clare et distincte intelligere possimus. - Itemque ex hoc solo, quod unusquisque intelligat se esse rem cogitantem, et possit cogitatione excludere a se ipso omnem aliam substantiam, tam cogitantem quam extensam, certum est unumquemque sic spectatum, ab omni alia substantia cogitante atque ab omni substantia corporea realiter distingui« (Princ. philos. I, 60).

Die Occasionalisten nähern diesen Dualismus dem Monismus, in den er fast ganz bei SPINOZA übergeht, der Geist und Materie als bloße Attribute eines Wesens, der Substanz , ansieht.

Dualistischer ist LEIBNIZ, obgleich er im Materiellen nur die Erscheinungsform des Geistigen erblickt aber er bestimmt die Seele als eine Einzelmonade, die vom
Leibe verschieden ist.

Eine Erneuerung des scholastischen Dualismus findet sich bei den modernen katholisch denkenden Philosophen, z.B. bei GUTBERLET.

Den Cartesianischen Dualismus erneuert GÜNTHERS »creatürlicher Dualismus«.

Einen anthropologischen Dualismus (zum Teil in Annäherung an LEIBNIZ) vertreten HERBART, VOLKMANN, LOTZE, J. H. FICHTE, ULRICI, M
ARTINEAU, JAMES, G. THIELE, L. BUSSE, KÜLPE, REHMKE, W. JERUSALEM u. a.

das Eine S.666
siehe Einheit.

Einfachheit S. 666f.
bedeutet Freisein von Teilen und Ausdehnung. Einfach ist der geometrische, der dynamische Punkt, das Atom, einfach ist die Ichheit in ihrer (abstrakten) Reinheit.

Von einigen wird die Seele für ein einfaches Wesen gehalten.

CHR. WOLF definiert: »Ens simplex dicitur quod partibus caret« (Ontol. § 673), »extensum non est« (l.c. § 675), »est indivisibile« (l.c. § 670), »nulla
praeditum est figura«
(l.c. § 677), »caret magnitu-dine« (l.c. § 678), »nullum spatium implere potest« (l.c. § 679). Das Einfache ist das schlechthin Teillose,
Größelose, Formlose u.s.w
. (Vern. Ged. I, § 81). Wie LEIBNIZ (S. Monaden) erklärt er: »Wo zusammengesetzte Dinge sind, da müssen auch einfache sein« (Vern. Ged. I, § 76).

KANT betont, »dass, wenn unsere Sinne auch ins Unendliche geschärft würden, es doch für sie gänzlich unmöglich bleiben müsste, dem Einfachen auch nur näher zu kommen, viel weniger endlich darauf zu stoßen, weil es in ihnen gar nicht angetroffen wird; da alsdann kein Ausweg übrig bleibt, als zu gestehen: dass die Körper gar nicht Dinge an sich selbst, und ihre Sinnenvorstellung, die wir mit dem Namen der körperlichen Dinge belegen,.nichts als die Erscheinung von irgend etwas sei, was, als Ding an sich selbst, allein das Einfache. enthalten kann, für uns aber gänzlich unerkennbar bleibt« (Üb. e. Entdeck. S. 29). »Ein Objekt sich als einfach vorstellen, ist ein bloß negativer Begriff, der der Vernunft unvermeidlich ist, weil er allein das Unbedingte zu allem Zusammengesetzten... enthält, dessen Möglichkeit jederzeit bedingt ist.« Ob das Ding an sich einfach oder zusammengesetzt ist, können wir nicht wissen (gegen die Monadologie) (l.c. S. 29). -

FECHNER erklärt: »Das psychisch Einheitliche und Einfache knüpft sich an ein physisch Mannigfaltiges, das physisch Mannigfaltige zieht sich psychisch ins
Einheitliche, Einfache oder noch Einfachere zusammen«
(Elem. d. Psychoph. II, 526).

R. WAHLE:
»Der Begriff, des Einfachen ist die vernünftig nicht fassbare Verkörperung des Wunsches, den Gegensatz von demjenigen zu begreifen, an dem wir Teile wahrnehmen können« (Das Ganze d. Philos. S. 90). Vergleiche Monaden, Teilbarkeit, Unendlichkeit.

Einheit S. 668 ff. Siehe auch bei Kirchner
ist ein Fundamentalbegriff, der aus der Reflexion auf die verbindend-zerlegende Tätigkeit des Bewußtseins, des Ich entspringt. Das Ich ist die Quelle aller Einheitsbegriffe, es ist (sich und Objecte setzende) Einheitsfunction, faßt Erlebnisse, Inhalte in einem Act, in einem Complex, in einer Synthese zusammen und trennt, unterscheidet einen Inhalt, einen Complex von Inhalten von anderen Inhalten oder Objecten. Die Einheit des Bewußtseins (der Apperception) ist das Formal-Apriorische alles Erkennens, die subjective Quelle der Kategorien und Anschauungsformen sowie der Setzung von Objecten -

»Einheit« ist sowohl das Als-eins-gesetzt-sein als auch, im engeren Sinne, das, was als eins gesetzt wird, das Eine, die Eins. Einheit ist nicht mit Einfachheit identisch, sie schließt die Vielheit nicht aus, kann sie einschließen. Die Einheit des Vielen, Mannigfaltigen ist anschaulich oder begrifflich, mathematisch (numerisch), causaldynamisch oder teleologisch, je nach der Art der Zusammenfassung, Verbindung. Die subjective Einheit ist die des Ich, die objective die des Dinges, die kosmologische die der Welt, von der noch die göttliche Einheit unterschieden werden kann. - Der Terminus »Einheit« stammt von LEIBNIZ (für unitas, unité), früher sagte man »Einigkeit«.

Zunächst betrachten wir die verschiedenen Bestimmungen des Begriffs Einheit im allgemeinen.


ARISTOTELES unterscheidet das schlechthin Eine (hen kath' hauto) und die relative Einheit (hen kata symbebêkos); ersteres besteht im Stetigen und Unteilbaren (Met. V 6, 1015 b 16 squ., III 3, 999 a 2). Einheit ist nicht Zahl (Met. XIV 1, 1088 a 6), sondern die Quelle aller Zahl (Met. V 6, 1016 b 18), sie ist kein Gattungsbegriff (Met. VIII 6, 1045 b 6), ist nicht mit Einfachheit zu verwechseln esti to hen kai to haploun ou to auto (Met. XII 7, 1072 a 32; vgl. V 6, 1016 b 25).

Der Mathematiker EUKLID bestimmt: monas estin, kath' hên hekaston tôn ontôn hen legetai (Elem. VII).

Nach
BOËTHIUS ist in der wahren Einheit keine Zahl.

Die Scholastiker betrachten die Einheit (unitas) als Attribut jedes Dinges (»omne ens verum, unum, bonum«). »Unitas igitur singulis rebus forma essendi est; unde vere dicitur: omne quod est ideo est quia unum est« (bei HAURÉAU I, p. 402).

ALBERTUS MAGNUS erklärt: »unitas est qua quaelibet res una est« (Sum. th. I, 22, 1). Zu unterscheiden sind: »unitas puncti, corporis, homogenii, principiorum substantiae, componentium quidcumque compositum, et intelligibilium« (l.c. 20, 2).

THOMAS unterscheidet »unitas numeralis« und »unitas transcendens« (metaphysische Einheit, Einheitlichkeit) (Sum. th. III, 2, 9 ad 1; 1 sent. 31, 3, 1c); »ratio unitatis consistit in indivisione« (l sent. 24, 1, 2c). Die »unitas formae«ist das, vermöge dessen »nihil est simpliciter unum, nisi per formam unam, per quam habet res esse« (Sum. th.I, 76, 3). »Unum nihil aliud significat quam ens indivisum« (l.c. I, 11, 1).

Unter »unitas essentialis« verstehen die Scholastiker die Einheit der Wesenheit, der Natur eines Dinges. Nach den Formalisten gibt es nur eine Einheit in vielen Individuen.

SPINOZA betont, daß die Einheit dem Wesen nichts hinzufüge (»unitatem... enti nihil addere«), sie ist (wie nach DESCARTES) bloß ein Begriff »tantum modum cogitandi esse, quo rem ab aliis separamus, quae ipsi similes sunt, vel cum ipsa aliquo modocoveniunt« (Cogit. met. I, 5).

LEIBNIZ sagt im scholastischen Sinne: »Ce qui n'est pas véritablement un estre, n'est pas nan plus véritablement un estre«(Gerh. II, 97). »Il n'y a point de multitude sans des véritables unités« (l.c. IV, 482) s. Monaden.

CHR. WOLF:
»Inseparabilitas eorum, per quae ens determinautr, unitas entis appellatur« (Ontol. § 328).

BONNET erklärt die Vorstellung der Einheit so: »L'âme ne considérant dans chaque objet que l'existence et faisant l'abstraction de toute composition et de toute attribut, elle acquerra l'idee d'unité« (Ess. de Psychol. C). 14).

BERKELEY erklärt Einheit für eine gegenstandslose, abstracte Idee (Princ. XIII, CXX).

HUME
bertrachtet als Einheit nur das Unteilbare (Treat. II, sct. 2).

Von nun an wird die Einheit der Objecte (und des Bewußtseins) vielfach aus dem Selbstbewußtsein abgeleitet. So zunächst von KANT. Die Einheit des (reinen) Selbstbewußtseins, die Einheit der synthetischen Function des Subjects ist die Quelle aller Einheit in der Erkenntnis, die formale Bedingung aller Erfahrung, d.h. sie ist transcendental. Nichts kann ein Erkenntnisobject werden, ohne in die Einheit des Bewußtseins, der »Apperception« gefaßt worden zu sein. Es ist »die Einheit, welche der Gegenstand notwendig macht, nichts anderes..., als die formale Einheit des Bewußtseins in der Synthesis des Mannigfaltigen der Vorstellungen« (Krit. d. r. Vern. S. 119). Die »transcendentale Einheit« der productiven, verknüpfenden Einbildungskraft ist »die reine Form aller möglichen Erkenntnis« (l.c. S. 129). Die »Einheit der Apperception« besteht in der Identität des Ich mit sich selbst durch alle Modificationen hindurch, in dem »ich denke«, das alle Vorstellungen des Ich begleiten muß können (l.c. S. 659). Alle Bewußtseinsinhalte werden, um objectiv zu sein, auf die allbefassende, reine Apperception bezogen (l.c. S.133). Die »transcendentale Einheit der Apperception« macht aus den Erfahrungsinhalten einen gesetzmäßigen, Zusammenhang; das Subject legt seine eigene Einheit in die Objecte hinein (l.c. S. 121). Als Betätigungen der Einheitsform des Bewußtseins überhaupt bringen die Kategorien Einheit in die Anschauungsobjecte (l.c. S. 129).

Nach
FRIES sind die Einheitsvorstellungen »das reine Eigentum unsrer Selbsttätigkeit im Erkennen« (Syst. d. Log. S. 54). Es gibt eine »analytische« Einheit (Allgemeinheit) und eine »synthetische«Einheit, welche »viele Vorstellungen in sich enthält« (l.c. S. 95).

Nach SCHLEIERMACHER liegt die Quelle der Einheit von Objecten in der Vernunfttätigkeit (Dial. S. 63).

Nach HERBART besitzt der psychische Mechanismus eine ursprüngliche Einheit. »Die Einheit der Seele selbst ist der tiefe Grund, aus welchem in unser Vorstellen diejenige Einheit kommt, die wir hintennach im Vorgestellten vermissen« (Lehrb. z. Psych.3, S. 135 f.). Was im Vorstellen nicht durch »Hemmungen« getrennt wird, »das bleibt beisammen und wird vorgestellt als eins« (Psychol. a. Wiss. II, S. 115).

Nach LOTZE ist die dingliche Einheit kein Gegenstand der Erfahrung
(Gr. d. Met. S. 17). Die Seele ist eine Einheit, setzt denkend Einheiten (Med. Psychol. S. 15; Mikrok. I, 174).

Nach FECHNER knüpft sich die Einheit des Bewußtseins »an einen wechselwirkenden Zusammenhang« der Weltelemente« (»synechologische« Ansicht, Tagesans. S. 246). »Das psychisch Einheitliche und Einfache knüpft sich an ein physisch Mannigfaltiges, das physisch Mannigfaltige zieht sich psychisch ins Einheitliche, Einfache oder doch Einfachere zusammen« (Elem. d. Psychophys. II, 526).

Nach LIPPS besteht alle Einheit
»in der Einheit des zusammenfassenden Denkens. Dagegen gibt es keinen Sinn,die Einheit als etwas zu fassen, das wir in den Dingen fänden und anerkennten« (Gr. d. Seelenleb. S. 590). Einheit bezeichnet »die einfache Setzung eines Mannigfaltigen«, Einzelheit aber »die einfache Setzung von bestimmten Inhalt im Gegensatz zur Setzung weiterer Objecte« (Gr. d. Log. S. 99).

Nach EBBINGHAUS wird die Einheit eines Ganzen nicht erst durch das Denken gesetzt, sondern kann unmittelbar wahrgenommen werden (Gr. d. Psychol. I, 481 ff.).

SIGWART unterscheidet äußerliche und zufällige, causale und teleologische Einheit (Log. I2, 258 ff.).

E. v. HARTMANN
erklärt: »Jede Einheit ist Einheit mehrerer oder Vieleinigkeit, jede Vielheit ist Getrenntheit oder Vereinzelung eines irgendwie Geeinten« (Kategor. S. 231). Zu unterscheiden sind: substantielle und functionelle Einheit, dynamisch thelistische und logisch ideale Einheit, causale und teleologische Einheit (l.c. S. 234 f.). Die Einheit des Bewußtseins entsteht durch das Vergleichen gegenwärtiger mit vergangenenVorstellungen (Philos. d. Unbew. II10, 62). Das individuelle Ich ist nicht das eine, absolute Subject, sondern eine Summe von Tätigkeiten, die von einer »Centralmonade« dirigiert werden (l.c. II, 481, 404 f.;Mod. Psychol. S. 287 ff.).

Nach WUNDT beruht die Einheit des Ich auf der Einheit des Wollens, des Appercipierens
(Vorles. üb. d. Mensch.2, S. 271, 250). Der Wille (die Apperception) ist eine Einheitsfunction, das Denken ist Willenshandlung und damit auch die Quelle der objectiven Einheitsvorstellungen (Log. I, 417; Grundz. d. ph. Psychol. II4, 499; Phil. Stud. X, 119). »Einheit der Apperception« ist »die Tatsache, daß jeder in einem gegebenen Augenblick appercipierte Inhalt des Bewußtseins ein einheitlicher ist, so daß er als eine einzige mehr oder minder zusammengesetzte Vorstellung aufgefaßt wird« (Völkerpsych. I 2, 466).

RIEHL
erblickt im Ich die formale Einheit aller Bewußtseinsvorgänge, die auch das Objective erst zur Einheit verknüpft (Phil. Kritic. II 1,234; vgl. Identität).

SCHUPPE
findet die numerische Einheit darin, daß »positive Bestimmtheit als solche bewußt wird, ohne in sich Unterschiede erkennen oder beachten zu lassen« (Log. S. 104) Der Einheitsbegriff gehört dem Identitätsprincip an. Einheit ist »niemals unmittelbares Sinnesdatum..., sondern immer hinzugedacht« (l.c. S. 105) Sie ist das, was den Dingcharakter ausmacht (l.c. S. 120).

H. CORNELIUS
bemerkt: »Wenn wir... von einer Zusammensetzung unseres gesamten Bewußtseinsinhaltes aus Teilen und von einheitlichen Teilen im Gegensatze zu den daraus gebildeten Mehrheiten sprechen, so führt uns dazu die Erfahrung, daß wir eben diese Teile nicht immer bloß in der betreffenden Zusammenstellung, nicht bloß als Glieder gerade dieser Mehrheit, sondern auch abgesondert bez. in anderer Umgebung kennen lernen« (Einl. in d. Philos. S. 173).

HUSSERL erklärt: »Alles wahrhaft Einigende... sind die Verhältnisse der Fundierung«. Einheit ist ein »kategoriales Prädicat« (Log. Unt. II, 272 f.).

Nach VOLKELT ist die Einheit des Bewußtseins unmittelbar gegeben, sie ist Product einer unbewußten Tätigkeit (Psychol. Streitfr. II; Z. f. Philos. Bd. 92, S. 80, 99 f.; vgl. Bd. 112 u. 118)

NATORP
betrachtet die Bewußtseinseinheit als eine ursprüngliche Tatsache (Einl. in d. Psychol. S. 11 ff., 112).

SO auch REHMKE; das Bewußtsein selbst ist Einheitsgrund (Allg. Psychol. S. 152 ff., 452 ff.).

So auch L. BUSSE, nach welchem sie kein Analogon im physischen Organismus hat (Geist u. Körp. S. 226; gegen HÖFFDING, Psychol.2, S. 62). »Die Einheit des Bewußtseins bedeutet nicht eine besondere Vorstellung, die zu den anderen Vorstellungen gelegentlich noch hinzuträte, sie bedeutet ebensowenig eine Summation der einzelnen, mit der Eigentümlichkeit der Bewußtheit ausgestatteten 'Psychome' oder 'Psychosen', sondern sie stellt eine dieselben zusammenfassende und sie in Beziehung zueinander setzende formale und allgemeine Eigentümlichkeit alles Bewußtseins überhaupt dar.« »Und für diese Grundeigentümlichkeit des seelischen Lebens mangelt es... an einem physischen Analogon« (G. u. K. S. 226).

Nach HÖFFDING ist die Einheit des Bewußtseins ein Product synthetischer Tätigkeit in der Vielheit der Zustände (Psychol. S. 64). Ähnlich ARDIGÓ (Unità della conscienza 1898), G. VILLA (Einl. in d. Psychol. S. 469).

Nach G. SPICKER setzt die Einheit des Bewußtseins die reale Einheit des Organismus voraus (Vers. e. n. Gottesbegr. S. 165)

Nach SIMMEL ist die Einheit der Seele »offenbar nur der Name für das empirisch normale Zusammenbestehen ihrer Inhalte«(Einl. in d. Moralwiss. II, 370).

Nach CLIFFORD ist die »Einheit der Apperzeption«»nicht in dem augenblicklichen, einigenden Bewusstsein vorhanden, sondern in seiner nachträglichen Reflexion auf dasselbe«; dieses besteht in der Fähigkeit, »einen gewissen Zusammenhang zwischen den Erinnerungen zweier Empfindungen herzustellen, die wir in demselben Augenblick gehabt haben« (Von d. Nat.d. Dinge au sich S. 38 f.).

E. MACH meint: »daß die verschiedenen Organe, Teile des Nervensystems, miteinander physisch zusammenhängen und durcheinander leicht erregt werden können, ist wahrscheinlich die Grundlage der, psychische' Einheit« (Anal. d. Empfind.4, S. 21, 22f.).

Nach der Associationspsychologie ist die Bewußtseinseinheit das Product der Verbindung und Wechselwirkung der Bewußtseinsinhalte, bezw. der Oganismus-Teile und -Functionen.


Bezüglich der kosmologisch-göttlichen Einheit, des Einheitsprincips der Dinge ist die pantheistische, theistische, atheistische Auffassung zu unterscheiden.

Als eine Einheit betrachtet das
All PARMENIDES hen kai pan, siehe Pantheismus.

PYTHAGORAS sieht in der Einheit (monas) das Princip der Dinge und deren Wesenheiten (der »Zahlen«, s. d.): archên men hapantôn monada (Diog. L. VIII, 25; Stob. Ecl. I, 2, 58; vgl. I, 308).

PLATO nennt die »Ideen« Einheiten (monades, henades); die höchste Einheit ist die Idee des Guten.

MODERATUS erblickt in der Eins die Ursache der Harmonie der Dinge (Porphyr., Vit. Pythag. 48 ff.; Stob. Ecl. I 1, 18; vgl. 306).

PLOTIN
bezeichnet die überseiende, übergeistige (epekeina nou), übervernünftige göttliche Wesenheit, aus der alles emaniert, als das Eine (hen). Es ist nicht das All selbst, sondern pro pantôn (Ennead. III, 8, 8), aber es enthält alles (l.c. VI, 7, 32). Von ihm geht alles aus, und es ist das Ziel aller Dinge (l.c.VI, 2, 11, vgl. VI, 2, 21 f.; s. Gott).

JAMBLICH nimmt eine erste und zweite überseiende Einheit an (Stob. Ecl. I, 184; vgl. ZELLER III 23, 688, 793 ff.).

NICOLAUS CUSANUS nennt ( s.Gott) die »unitas absoluta« (Doct. ignor. II, 4); so auch G. BRUNO. Nach ihm und nach SPINOZA ist das All eine Einheit göttlicher Art.

SCHELLING erklärt: »Alles ist absolut eines, und alle Totalität quillt unmittelbar aus der absoluten Identität hervor« (Naturphilos. S. 276).

Nach SCHOPENHAUER liegt allem Sein ein einheitlicher Wille zugrunde.

Nach R. HAMERLING ist die ewige Einheit eins und vieles zugleich (Atom. d. Will. I, 145). Vgl. Gott, Monaden

Einsicht S. 679
Wissen um das Richtige, Verständnis, Beurteilungsvermögen theoretisch-praktischer Art, von den Stoikern u. a. als Quelle aller Tugenden betrachtet. Sie ist epistêmê agathôn kai kakôn kai oudeterôn oder epistêmê hôn poiêteon kai ou poiêteon kai oudeterôn (Stob. Ecl. II, 102; Sext. Empir. adv. Mathem. XI, 170, 246).

Ekstase (ekstasis) S. 684ff. Siehe auch bei Kirchner
Außer-sich-sein, Verzückung, Entrückung der Seele von den Eindrücken der Sinne, Steigerung des Bewusstseins über alles Normale hinaus zur erregten, phantasievollen, gefühlsmäßigen Erfassung geistiger Inhalte in einer lebendigen Vision. Die Zustände der Ekstase sind von hoher psychologischer, socialer, religiöser, ethischer, ästhetischer Bedeutung (vgl. ACHELIS, Die Ekstase S. 24 ff., 113 ff., 184 ff., 196 ff., 208 ff.).

In der mystischen Philosophie spielt die Ekstase als derjenige Zustand, in den die Seele durch Übung (Askese) und Reinigung (Katharsis) von allen Begierden, durch beständige Concentration der Aufmerksamkeit auf die Inhalte der produktiven Phantasie gerät, als (vormeintliche) unmittelbare Erfassung des
Göttlichen, eine große Rolle.

Die Keime zur Lehre von der Ekstase in diesen Sinne finden sich schon bei PLATO und ARISTOTELES (vgl. Problem.30, 1); die künstlerische Ekstase, Begeisterung, ist besonnen,gehört zur künstlerischen Phantasie; (vgl. Poët. 17, 2).

Aber erst bei PHILO, und noch viel mehr bei PLOTIN ist sie ausgebildet. Nach letzterem ist die Ekstase ein Zustand, der durch katharsis und askêsis zuweilen
erreicht werden kann, ein Zustand des Ruhens in Gott, der unmittelbar erfaßt wird haplôsis, haphê, (Enn. VI, 9 11). Im Innern, bei sich weilend, versunken im
reinen Schauen, weiß die Seele nichts von sich, da sie nicht denkt, sondern sie ist eins mit dem Göttlichen
(Enn. VI, 9, 7; VI, 9, 11; VI, 7, 25).

Die späteren Mystiker sprechen wiederholt von der Ekstase (»ecstasis, raptus mentis«)


So
RICHARD von ST. VICTOR: »Cum per mentis excessum supra sive intranosmet ipsos in divinorum contemplationem rapimur, exteriorem omnium statim, immo non solum eorum, quae extra nos, verum etiam eorum quae in nobis sunt, omnium obliviscitur« (De cont. IV, 23).

Nach BERNHARD vos CLAIRVAUX ist sie, »prima et maxima contemplatio« (De cons. V, 14, 42).

BONAVENTURA definiert die Ekstase: »Ecstasis est, deserto exteriore homine, sui ipsius supra se voluptuosa quaedam elevatio, ad superintellectualem amoris
fontem, mediantibus sursum activis virtutibus pro viribus se extendens«
(De sept. gradib. cont. p. 97 a).

JOH. GERSON: »Ecstasis est raptus mentis cum cessatione omnium operationum, in inferioribus potentiis« (De myst. theol. spec. cons. 36).

Den Zustand der Ekstase kennen und schildern
NICOLAUS CUSANUS, ECKHART, Suso, TAULER, J. BÖHME, L. VIVES (De all. III, p. 173), G. BRUNO, auch
SCHLEIERMACHER: »So oft ich aber ins innere Selbst den Blick zurückwende, bin ich zugleich im Reich der Ewigkeit; ich schaue des Geistes Leben an«
»Es schwebt schon jetzt der Geist über der zeitlichen Welt, und solches Schauen ist Ewigkeit und unsterblicher Gesänge himmlischer Genuß«
(Monol. 1). Vgl.
MANTEGAZZA, Die Ekstasen...


Emanation (Ausfluss):S.696ff. Siehe auch bei Kirchner
Hervorgehen des Niederen, Unvollkommenen aus dem Höheren, Vollkommeneren, wobei das Urprincip selbst, aus dem alles sich herausentwickelt, beharrlich-unveränderlich, eine Einheit bleibt. Die Emanation ist das Gegenstück zur Evolution. Die Lehre von der Emanation der Dinge aus der göttlichen Einheit heißt Emanationssystem oder Emanatismus.

XENOKRATES betrachtet das höchste Sein als das Eine und Gute, von dem alles Geringere abstammt (ARISTOTELES, Met. XIV 4, 1091 b 16), wie schon die Pythagoreer die Zahlen, PLATO die Ideen auf eine höchste Einheit zurückführen. Die Stoiker nennen die Seele , PLUTARCH die Welt einen »Ausfluß« (apospasma) der Gottheit.

Auch bei PHILO sind Keime zum Emanatismus enthalten, dieser aber kommt erst bei

PLOTIN
zur Ausbildung. Aus dem Einen, Überseienden, Vollkommenen, in sich Verbleibenden geht durch Emanation, durch Hervorstrahlung (perilampsis) die Welt hervor (dei de labein ekeino, ouk ekreousan, alla menousan men tên en autô tên de allên hyphistamenên) Enn. V, 1, 3. Das Eine ist zu denken wie die strahlende Sonne (Enn. V, 16), deren Strahlen mit der Entfernung an Intensität abnehmen (Enn. II, 4, 10 squ.). Aus dem Vollkommenen findet ein »Überfließen« (hyperrhoê) statt, durch Überfalle desselben (to hyperplêres autou pepoiêken allo) Enn. V, 2, 1; vgl. III, 8, 10. Aus dem Einen (hen) emaniert der Geist (nous) aus diesem die Ideenwelt (kosmos noêtos), aus dieser die Weltseele (psychên genna nous) und damit die Einzelseelen, die aus sich die Körperwelt herausbilden. Die Materie ist das Geringste in den Producten der Emanation, denn von oben nach unten nehmen die Kräfte ab (Enn. VI, 7, 9). Die Kräfte, die vom Einen ausgehen, erfüllen das All, und doch bleibt das Eine bei sich (Enn. VI, 4, 3).

Nach JAMBLICH geht aus dem Urgrunde (archê) das Eine (hen), aus diesem die intelligible Welt (kosmos noêtos), aus dieser die intellectuelle Welt (kosmos noeros) mit dem Geiste (nous), aus diesem die Seele, aus dieser die Sinnenwelt hervor.

Nach
PROKLUS ist die Reihe der Emanationen: Urgrund, Henaden,Triaden (intelligible, intelligibel-intellectuelle, intellectuelle Welt), Hebdomaden, Seele, Materie.

Die neuplatonische Emanationslehre
tritt in verschiedener Form bei den Gnostikern, bei DIONYSIUS AREOPAGITA, SCOTUS ERIUGENA auf. Nach diesem geht aus der ungeschaffen-schaffenden Natur die geschaffen-schaffende Ideenwelt (Logos), aus dieser die geschaffen-nichtschaffende Welt der endlichen Wesen hervor. Auf diesem Wege (processio) bleibt die Welt in Gott, Gott mit seinem Wirken in der Welt. »Nam et creatura in Deo est subsistens, et Deus in creatura mirabili et ineffabili modo creatur, se ipsum manifestans« (De div. nat. III, 17). Die Welt ist eine Selbstoffenbarung Gottes (Theophanie). Emanationslehre ist auch der arabische Sufismus. -

Unter »emanatio« versteht NICOLAUS CUSANUS die Entfaltung des göttlichen Seins in der Welt. »Emanatio in divinis duplex est, una per modum naturae et haec est generatio, alia per modum voluntatis« (De doct. ignor. II, 27). »Per simplicem emanationem maximi contracti a maximo absoluto universum prodiit in esse« (l.c. II, 4).

Emanatistisch
sind die Lehren der Mystiker, wie ECKHART, J. BÖHME u. a. LEIBNIZ sieht in den Monaden »Fulgurationen« (fulgurations) Gottes; die Dinge fließen beständig aus der göttlichen Einheit »effluunt«, (Erdm. p. 147 f.).

Emanatistisch ist die spätere Philosophi
e SCHELLINGS (Einfluß J. Böhmes).

Empiriokritizismus S.729f.
heißt das von R. AVENARIUS begründete System der »reinen Erfahrung«, das ein »kritischer«, d.h. die Erfahrung von allen metaphysischen Zutaten reinigender Empirismus sein will (vgl. Vierteljahrsschr. f. wiss. Philos. 22, S. 53 f.). Er will die Philosophie auf die Bestimmung des allgemeinen Erfahrungsbegriffs nach Form und Inhalt beschränken. Das System stellt sich in Gegensatz zu allem Apriorismus, will realistisch und positivistisch sein. Einen prinzipiellen Unterschied zwischen psychisch und physisch, Subjekt und Objekt, Bewusstsein und Sein gibt dieses System nicht zu, alle »Introjektion« wird perhorresziert. Die Erkenntnis besteht aus »Aussagen« über Inhalte, die vom menschlichen Individuum in der Form der »Erfahrung« »abhängig« sind. Das Ideal des Erkennens ist die Gewinnung des rein empirischen »Weltbegriffs«, die Beseitigung jedweden Dualismus, die Elimination aller metaphysischen Kategorien. Der Charakter der empiriokritischen Erkenntnistheorie ist ein biologischer (AVENARIUS, Philosophie als Denken der Welt... 1876; Kritik der reinen Erfahrung 1888, 1890; Der menschliche Weltbegriff 1891; Vierteljahrsschr. f. wiss. Philos. 18 u. 19; CARSTANJEN, R. Avenarius' biomechan. Grundleg.... 1894; R. WILLY in Vierteljahrsschr. f. wiss. Philos. 16, S. 206 ff.; 20, S. 55 ff., 191 ff., 261 ff.; J. PETZOLDT, Einführ. in d. Philos. d. r. Erfahr. I, 1899).

Empirismus S.723ff. Siehe auch bei Kirchner
(von empeiria): Erfahrungsstandpunkt. Psychologisch bedeutet Empirismus die Ableitung aller Bewußtseinsinhalte aus psychischen Elementen und deren Zusammensetzung; so z.B. gibt es eine empiristische Raum- und Zeittheorie. Empirist ist in diesem Sinne jeder, der (in der Psychologie und Erkenntnistheorie) alle Begriffe (Erkenntnisinhalte) auf Erfahrung zurückführt, der nichts Angeborenes, Apriorisches annimmt, sondern glaubt, daß alle Begriffe Abstraktionen von konkreten Erlebnissen, Vorkommnissen sind. Im logischen Sinne bedeutet Empirismus die Wertung der Erfahrung als einzige Quelle alles Erkennens; es gibt danach entweder keine andere als empirische Erkenntnis, oder »wahre« Erkenntnis ist nur da zu finden, wo Erfahrung (und Induktion aus Erfahrungen) gegeben ist. Der Grundsatz des Empirismus lautet: nichts ist im Denken (in unseren Begriffen), was nicht aus der Erfahrung stammt. Wird die Erfahrung als sinnliche Wahrnehmung aufgefaßt, dann gestaltet sich der Empirismus zum Sensualismus. Der dogmatische Empirismus setzt die empirische Grundlage alles Erkennens, den unbedingten, ausschließlichen Wert der Erfahrung ohne weiteres voraus; der kritische Empirismus kommt zu seinen Ergebnissen erst nach Prüfung des Erkenntnisinhaltes und der Erkenntnismittel.

Gegensatz zum psychologischen Empirismus ist der Nativismus, zum logischen der Rationalismus und der Apriorismus . In der Gegenwart besteht vielfach eine Synthese von Empirismus und Apriorismus, mit Überwiegen bald des einen, bald des anderen Bestandteiles, so daß es oft schwer fällt, die Lehre eines Philosophen unter einen der Begriffe zu subsumieren. Vielleicht ließe sich der vermittelnde Standpunkt als kritizistischer Empirismus oder als Kritizismus im weiteren Sinne bezeichnen.

Gegenüber den rationalistischen Systemen vorsokratischer Philosophen, (mit Ausnahme der Kyrenaïker) sowie denen PLATOS und ARISTOTELES' haben die Erkenntnislehren der Stoiker und Epikureer einen mehr empiristischen Charakter.

Im Mittelalter neigen dem Empirismus teilweise zu WILHELM VON OCCAM, ROGER BACO, zur Zeit der Renaissance L. VIVES, NIZOLIUS, GALILEI, CAMPANELLA, L. DA VINCI.

Den neueren Empirismus begründet F. BACON.

Bei HOBBES, reiner bei LOCKE ist er zu finden, auch bei BERKELEY, in »skeptischer« Färbung bei HUME, sensualistisch gestaltet bei CONDILLAC u. a.

KANT überwindet die Einseitigkeiten des Empirismus und des Rationalismus durch seinen Kritizismus.

Einen »rationellen Empirismus« vertritt GOETHE (vgl. SIEBECK, Goethe als Denker S. 23).

Einen »induktiven« Empirismus begründet J. ST. MILL.

Einen kritischen (oder kritizistischen) Empirismus lehren BENEKE, ÜBERWEG, COMTE, O. F. GRUPPE, C. W. OPZOOMER, E. DÜHRING, C. GÖRING, LAAS, auch noch RIEHL, WUNDT, NIETZSCHE, H. SPENCER, O. CASPARI (Zusammenh. d. Dinge S. 192), HARMS, F. VON BÄRENBACH (Grundleg. d. krit. Philos. I, 1873), E. V. HARTMANN.

Eine Theorie der »reinen Erfahrung« gibt R. AVENARIUS, ähnlich lehren KIRCHHOFF, HERTZ, E. MACH, R. WAHLE und H. CORNELIUS. Dieser unterscheidet den »konsequenten« oder »erkenntnistheoretischen« vom »naturalistischen Scheinempirismus« (Einl. in d. Philos. S. 335). Wahrer Empirismus ist die Art des wissenschaftlichen Betriebes, welche die Erfahrung, von allen dogmatischen Voraussetzungen geläutert, begrifflich für die Erklärung der Tatsachen verarbeitet (l.c. S. 86)

Endlich S.736
ist, was ein Ende, eine Grenze in Raum oder Zeit oder in beidem hat. Endlich, d.h. Anfang und Ende des Daseins habend, kann sein ein Ding, ein Geschehen, ein Wirken, eine Kraft. Vgl. Unendlich.

Ensoph S. 754
nach der Lehre der Kabbalâ das unendliche, unbestimmte Urnichts, das göttliche »Licht«, aus dessen Contraction die Welt entstand (FRANCK, La cab. p. 173 ff.).

REUCHLIN spricht vom Ensoph als der »infinitudo, quae est summa quaedam res secundum se incomprehensibilis et ineffabilis« (De art. cabbal. I, 21a).

Entelechie (entelecheia) S. 754 Siehe auch bei Kirchner
nennt ARISTOTELES die vollendete Wirklichkeit, das Ziel des Verwirklichens, die Actualität. Die energeia , die Wirksamkeit eines Dinges, gestaltet sich zur entelecheia (synteinei pros tên entelecheian), (Met. IX 8, 1050 a 23). Die »Entelechie« bezeichnet das durch das Wirken selbst erreichte Ziel (De an. II 4, 415 b 15 squ.).
Die entelecheia ist zugleich der logos des dynamei des dynamei Seienden (De an. II 2, 41 a 25 squ.). Die Seele ist prôtê entelecheia des Organismus (De an. II 1, 412 a 27).

Bei HERMOLAUS BARBARUS wird die entelecheia zur »perfectihabia«.

Die Scholastiker halten an dem Begriffe der Entelechie fest, der auch als »endelechia« vorkommt, so auch bei MELANCHTHON: »Endelechia id est agitatio« (De an. p. 8 a).

LEIBNIZ
nennt die Monaden Entelechien, weil sie aus eigener Kraft ihre Zustände herausentwickeln und ihr Sein so verwirklichen. Sie haben eine gewisse Vollkommenheit in sich (echousi to enteles), eine Selbstgenügsamkeit (autarkeia), die sie gleichsam zu unkörperlichen Automaten macht (Monadol. 18).

WUNDT betrachtet die Seele als Entelechie.

Etwas (aliquid) S. 879
= unbestimmtes Objekt, unbestimmter Inhalt eines Denkens, eines Bewusstseins.

Nach CHR. WOLF ist »aliquid« das, »cui notio aliqua respondet« (Ontol. § 59).

Nach BAUMGARTEN ist es »possibile, res« (Met. § 8).

HEGEL definiert: »Das Dasein als in dieser seiner Bestimmtheit in sich reflektiert, ist Daseiendes, etwas« (Encykl. § 90). »Was in der Tat vorhanden ist, ist, dass etwas zu anderem, und das andere überhaupt zu einem andern wird. Etwas ist im Verhältnis zu einem andern selbst schon ein anderes gegen dasselbe« (l.c. § 95). Gegensatz: Nichts


Evolution S.319ff. Siehe auch bei Kirchner
Entwicklung von niederen, einfacheren zu höheren, complicierteren, vollkommener angepaßten Seins- und Lebensformen. Es gibt eine physische und eine psychische (geistige), ferner eine ethische, sociale, sprachliche, philosophische, religiöse Entwicklung. Die biologische Entwicklung beruht auf inneren und äußeren Factoren; zu den ersteren gehören: Organbetätigung, Übung, Willensintentionen aller Art, Vererbung allmählich erworbener und eingewurzelter Eigenschaften, zu den äußeren: Wechsel der Lebensbedingungen, Kampf ums Dasein und Auslese. Die Auffassung der Dinge unter dem Gesichtspunkte der Entwicklung heißt Evolutionismus. Die biologische Entwicklungstheorie überhaupt heißt Descendenztheorie (Transmutationshypothese), die in verschiedenen Formen (Lamarckismus, Darwinismus u. a.) auftritt. -

»Evolutio« kommt bei NICOLAUS CUSANUS vor, im mathematischen Sinne (»Linea est puncti evolutio«).

»Auswickelung«
findet sich bei J. BÖHME, »evolution« und »involution« (im psychischen Sinne) bei LEIBNIZ.

Der Entwicklungsgedanke, dem in letzter Linie das Postulat der Continuität des Geschehens zugrunde liegt, ist sehr alt, wenn es auch zu einer Entwicklungstheorie erst spät kommt.

Im »ewigen Werden« des HERAKLIT ist der Entwicklungsgedanke schon enthalten. Aus Feuer wird Wasser, aus diesem Erde, dann wird alles wieder Feuer u.s.w. in infinitum (Diog. L. IX, 9). Der Kampf ist der treibende Factor der Entwicklung polemos patêr pantôn (Fragm. Mull. I, 44, 62).

Nach EMPEDOKLES traten durch Urzeugung erst die Pflanzen, dann die Tiere auf, und zwar so, daß sie stückweise entstanden (Tiere mit Augen allein, Armen allein u. dgl.). Viele Mißbildungen entstanden durch zufällige Vereinigungen; diese gingen zu Grunde, während die lebensfähigen Formen sich erhielten und fortpflanzten (Plut., Plac. V, 19, 26; Aristot., De coel. III 2, 300b 28; Simplic. Comm. zu De coel. 587 Heib.).

Nach DEMOKRIT und ANAXAGORAS entstanden die Organismen aus Schlamm (Diog. L. II, 9); so auch nach ARISTOTELES.

Nach ANAXIMANDER ist der Mensch aus einer Tierart entstanden ex alloeidôn zôôn ho anthrôpos egennêthê ( Plut., vgl. Euseb., Praep. ev. I, 8, 2). Landtiere und Menschen gingen aus dem Wasser hervor (wo sie fischartig lebten), indem sie sich den neuen Lebensbedingungen anpaßten en ichthysin engenesthai to prôton anthrôpous - kai praphentas - kai genomenous hikanous eautois boêthein ekblêthê-nai tênikauta kai gês labesthai (Plut., Quaest. symp. VIII, 1, 4; Plac. V, 19, 4).

SPEUSIPP
betrachtet das Gute, Vollkommene als Höhepunkt der Entwicklung to kalliston kai ariston mê en archê einai Arist.(Met. XII 7, 1072 b 32).

Eine beständige Weltentwicklung lehren die
Stoiker.

Von den
Neuplatonikern und den von ihnen beeinflußten Philosophen (PLOTIN, DIONYSIUS AREOPAGITA, SCOTUS ERIUGENA, ECKHART, NICOLAUS CUSANUS, G. BRUNO, J. BÖHME u. a.) wird eine Emanation gelehrt. -

SWAMMERDAM, LEEUVENHOEK, MALPHINGI
stellen eine »Präformationstheorie« für die individuelle Entwicklung auf (Ovulisten, Animalculisten).

Dagegen lehrt
C. F. WOLF die »Epigenese«. Er erklärt: »Evolutio phaenomenon est, quod, si essentiam eius et attributa species, omni quidem tempore, at inconspicuum, existit, denique vero, speciem prae se ferens, si nunc demum oriatur, quomodocunque conspicuum redditur« (Theor. gener. § 50).

Den Begriff der psychischen Entwicklung von inneren Zuständen der Monaden führt LEIBNIZ ein (Monadol. 11, 22). Überall gibt es Entwicklung und Einwicklung. »Il semble qu'il n'y a ni generation ni mort à la rigurur, mais seulement des développements, augmentations ou diminuations des animaux déjà formés« (Gerh. IV, 474; Monad. 73; Theod. § 30; Princ. de la nat. § 6).

Eine stufenmäßige Entwicklung nimmt ROBINET an; auch LESSING und HERDER machen sich den Entwicklungsgedanken zu eigen als historische, culturliche Evolution.

KANT
nimmt eine Entwicklung der Erde und des Sonnensystems aus einem Gasballe an (Allg. Naturgesch. u. Theor. d. Himm. 1755) ähnlich LAPLACE, (Exposition du système du monde 1796). Kant erklärt ferner, die Analogie der Lebensformen verstärke »die Vermutung einer wirklichen Verwandtschaft derselben in der Erzeugung von einer gemeinschaftlichen Urmutter, durch die stufenartige Annäherung einer Tiergattung zur andern, von derjenigen an, in welcher das Princip der Zwecke am meisten bewährt zu sein scheint, nämlich dem Menschen, bis zum Polyp, von diesem sogar zu Moosen und Flechten, und endlich zuder niedrigsten uns merklichen Stufe der Natur, zur rohen Materie: aus welcher und ihren Kräften nach mechanischen Gesetzen... die ganze Technik der Natur, die uns in organisierten Wesen so unbegreiflich ist, daß wir uns dazu ein anderes Princip zu denken genötigt glauben, abzustammen scheint« (Krit. d. Urt. § 80). Man kann hypothetisch »den Mutterschoß der Erde, die eben aus ihrem chaotischen Zustande herausging (gleichsam als ein großes Tier), anfänglichGeschöpfe von minder zweckmäßiger Form, diese wiederum andere, welche angemessener ihrem Zeugungsplatze und ihrem Verhältnisse untereinander sich ausbildeten, gebären lassen« (ib.).

GOETHE lehrt eine »Metamorphose«, bedingt durch den »Bildungstrieb« und äußere Einflüsse (WW. Hempel II, 230). »Alles, was entsteht, sucht sich Raum und will Dauer; deswegen verdrängt es anderes von seinem Platz und verkürzt seine Dauer« (WW. XIX, 212; XXXIII, 121). Den höheren Typen liegt ein »Urbild« zugrunde (l.c. XXX, 261).

ERASMUS DARWIN erklärt: »Wenn wir die große Ähnlichkeit des Baues bedenken, welche bei allen warmblütigen Tieren schon in die Augen fällt..., so kann man sich des Schlusses nicht enthalten, daß sie alle auf ähnliche Art aus einem einzigen lebenden Filamente entstanden sind.« »Von diesem ersten Rudimente bis zum Ende ihres Lebens erleiden alle Tiere eine beständige Umbildung.« »Sollte es wohl zu kühn sein, sich da vorzustellen, daß alle warmblütigen Tiere aus einem einzigen Filamente entstanden sind, welches die erste
große Ursache mit Animalität begabte, mit der Kraft, neue Teile zu erlangen, begleitet mit neuen Neigungen, geleitet durch Reizungen, Empfindung, Willen, und Associationen, und welches so die Macht besaß, durch seine ihm eingepflanzte Tätigkeit sich zu vervollkommnen, diese Vervollkommnung durch Zeugung der Nachwelt zu Überliefern«
(Zoonom. sct. XXXIX, 4, 8). Die veränderten Lebensbedingungen
wirkten anpassend auf die Lebewesen
(Templ. of nat.). Infolge der »Überproduction« an Lebewesen herrscht ein Kampf um die Existenz (Zoonom. XXXIX, 4 u. Templ. of nat.).

LAMARCK nimmt an, daß die höheren aus niederen Arten abstammen. Die Ursachen der Transformation sind: directe Wirkung der äußeren Lebensbedingungen, Kreuzung, besonders aber Gebrauch und Nichtgebrauch der Organe, welche durch Übung verändert werden (Philos. zool. 1809).

G. ST. - HILAIRE erklärt die Umwandlung der Arten aus dem Einflusse der Umgebung, dem »monde ambiant«.

Eine Entwicklung der Lebewesen lehrt in speculativer Weise die Naturphilosophie der SCHELLINGschen Schule, besonders L. OKEN und STEFFENS.

SCHELLING selbst erklärt: »Der gemeine Weltproceß beruht auf einem fortschreitenden... Sieg des Subjectiven über das Objective« (WW. I 10, 231).

Eine dialektische, logische »Entwicklung« lehrt HEGEL. Alles Endliche ist nur ein Moment im dialektischen Processe der Begriffsevolution des Absoluten. Vom »An-sich« durch das »Anderssein« zum »Für-sich« und »An-und-für-sich« entwickelt sich der Geist (Encykl. § 442). Das Treibende in allem ist der »Widerspruch«, von einer Entstehung einer Form aus einer andern ist nicht die Rede, das wäre eine »nebulose Vorstellung« (Encykl. 249). »Die Natur ist als ein System von Stufen zu betrachten, deren eine aus der anderen notwendig hervorgeht und die nächste Wahrheit derjenigen ist, aus welcher sie resultiert; aber nicht so, daß die eine aus der andern natürlich erzeugt wurde, sondern in der innern, den Grund der Natur ausmachenden Idee. Die Metamorphose kommt nur dem Begriff als solchem zu, da dessen Verminderung allein Entwicklungist«(Naturphil. S. 32 f.). »Die Entwicklung des Begriffs... ist zu fassen als ein Setzen dessen, was er an sich ist,« als Äußerung, Heraustreten, Außer-sich-kommen, zugleich aber als »In-sich-gehen ins Centrum« (l.c. S. 39).

Auch SCHOPENHAUER sieht im Absoluten den Quell aller Entwicklung.

Auf das Kommen und Gehen der Vorstellungen im Bewußtsein wendet HERBART den Begriff der Evolution und Involution an (Psychol.
II, § 136; vgl. VOLKMANN, Lehrb. d. Psychol. I4, 460).


CUVIER (später AGASSIZ) nimmt Schöpfungskreise, niedere und höhere Typen der Organismen an; er vertritt geologisch die »Katastrophentheorie«.

Diese ersetzt CH. LYELL durch die Continuitätstheorie, durch die Annahme einer ruhigen, stetigen Entwicklung der Erde. Heute macht man der Katastrophentheorie wieder einige Zugeständnisse.

Die Selectionstheorie begründet CHARLES DARWIN (gleichzeitig mit ihm WALLACE). An Stelle der (biblischen) Lehre von der »Constanz der Arten« setzt er die Anschauung, daß Arten durch Sta-bilisierung von Varietäten entstehen und neue Arten aus sich heraus erzeugen. Als Vorläufer seiner Theorie nennt er BUFFON, LAMARCK, G. ST. HILAIRE, ERASMUS DARWIN, GOETHE, W. C. WELLS, W. HERBERT, GRANT, MATTHER, BUCH, RAFINESQUE, HALDEMANN, OWEN, FREKE, H. SPENCER (s. unten), NAUDIN, KEYSERLING, SCHAAFHAUSEN, K. E. v. BAER, HUXLEY, HOOKER u. a. Für die Idee des Kampfes ums Dasein ist vorbildlich gewesen MALTHUS
(Essay on Population 1798), welcher lehrt, die natürliche Neigung der Menschen gehe dahin, sich im geometrischen Verhältnis zu vermehren, während die Erhaltungsmittel nur im arithmetischen Verhältnisse anwachsen. DARWIN bekämpft die Ansicht, als ob die Zweckmäßigkeit der Lebewesen durch Planmäßigkeit, Zweckursachen entstanden sei. Sie ist vielmehr Resultat einer Entwicklung, die allerdings großer Zeiträume bedarf. Auch variieren nicht alle Arten einer Gattung, andere erlöschen gänzlich. Die Zweckmäßigkeit der Lebewesen ist die Folge der »Anhäufung unzähliger geringer Veränderungen« im nützlichen Sinne (On theorig. of spec. 1859, dtsch. von Haeck, Reclam, S. 621). In der Natur wirken die Principien der künstlichen Domestication (l.c. S. 631). Es finden Variationen von Lebewesen statt. Unter ihnen sind solche, diefür die Erhaltung der Individuen nützlich sind. Im Wettbewerbe um die Existenz und die Lebensbedingungen (»struggle for life«) erfolgt eine natürliche Auslese (»natural selection«), d.h. die lebensfähigen, gut ausgestatteten, bevorzugten Rassen erhalten sich und pflanzen sich fort, vererben ihre Eigenschaften, und nach wiederholter Wirkung der Auslese erfolgt eine Anpassung der Lebewesen an ihre (relativ) bleibenden Lebensbedingungen. »In dem Überleben der begünstigten Individuen und Rassen im stets wiederkehrenden Kampf ums Dasein sehen wir eine mächtig und immer wirkende Form der natürlichen Zuchtwahl. Der Kampf ums Dasein erfolgt unvermeidlich aus der allen organischen Wesen gemeinsamen hohen Vermehrung im geometrischen Verhältnisse.... Es werdenmehr Einzelwesen geboren, als möglicherweise fortwähren können... Da die Einzelwesen einer und derselben Art in jeder Beziehung in engsten Mitbewerb zueinander treten, so wird gewöhnlich der Kampf zwischen ihnen am heftigsten sein.« »Bei Tieren mit gesonderten Geschlechtern wird in den meisten Fällen ein Kampf der Männchen um den Besitz der Weibchen stattfinden« (l.c. S. 632 = sexuelle Auslese, »selection in relation to sex«). Die Tendenz der natürlichen Auslese ist, die am meisten divergierenden Nachkommen einer jeden Art zu erhalten (l.c. S. 635). Große oder plötzliche Modificationen kann sie nicht hervorbringen (l.c. S. 636) - dagegen die »Mutationstheorie« von DE VRIES. Jede einmal erworbene Eigentümlichkeit ist lange erblich (ib.). Die Zuchtwahl der Natur paßt immer nur relativ, den jeweiligen Lebensbedingungen, an (l.c. S. 637 f.). Die Production von Varietäten (und Arten) scheint bedingtzu sein durch: physikalische Bedingungen (directe Anpassung), ferner: Gebrauch um Nichtgebrauch der Organe, wobei die »correlative Verängerung« eine Rolle spielt, auch Migration (l.c. S. 638 ff.). Die Auslese ist das Haupt-, aber nicht das einzige Mittel der Variation (l.c. E3. 647). Alle höheren Tierformen stammen schließlich von vier bis fünf Vorfahren ab, vielleicht haben sich Pflanzen und Tiere aus einer Urform entwickelt (l.c. S. 652). Die Gesetze der Variation sind also: »Wachstum nebst Fortpflanzung, Erblichkeit, die fast in der Fortpflanzung enthalten ist; Variabilität zufolge indirecter und directer Wirkungen der Lebensbedingungen, und Gebrauch und Nichtgebrauch; ein so hohes Vermehrungsmaß, daß es zum Kampf ums Dasein führt, und infolgedessen zur natürlichen Zuchtwahl die Divergenz des Charakters und Erlöschen der minder verbesserten Formen enthält« (l.c. S. 659; vgl.c. 2, 3, 4, 5).

Zu den Anhängern Darwins gehören viele Naturforscher und Philosophen, besonders in England (vgl. ÜBERWEG-HEINZE Gr. d. Gesch. d. Philos. IV9, 439); in Deutschland besonders E. HAECKEL (s. Biogenet. Grundges.), CARUS STERNE (E. KRAUSE), O. CASPARI u. a.

»Neo-Darwinismus« heißt die Lehre A. WEISMANNS, nach der es keine Vererbung erworbener Eigenschaften gibt; das »Keimplasma« variiert infolge der natürlichen Auslese (Das Keimpl. 1892); später Concessionen an die Lehre von der Vererbbarkeit erworbener Eigenschaften, wie diese von HAECKEL, EIMER, HERTWIG, ROMANES, RIBOT u. a. vertreten wird

Mit der Constanztheorie (bezw. dem Platonismus) verbinden den Entwicklungsgedanken in verschiedener Weise TEICHMÜLLER (Darwin. u. Philos.) und O. LIEBMANN (Anal. d. Wirkl., und Platon. u. Darwin., Philos. Monatshefte IX, 1873, S. 441).

Gegen die »Allmacht« der Selectionstheorie erklären sich verschiedene Forscher, die im übrigen dem Evolutionismus huldigen, aber auch innere Factoren der Entwicklung und eine directe Anpassung annehmen, teilweise sich den Ansichten Lamarcks nähern (»Neu-Lamarckismus«).

Nach H. SPENCER ist das »Überleben des Passendsten« eine mitwirkende, aber nicht die Hauptursache der Entwicklung, die vor allem auf der directen Wirkung der Lebensbedingungen beruht (Psychol. I, §189). Entwicklung überhaupt ist die Gesetzmäßigkeit des Seienden. In der Evolution zeigt sich eine Ansammlung (Integration) der Materie und eine Ausbreitung (Dissipation) der Bewegung; in der Dissolution tritt eine Absorption von Bewegung und eine Zerstreuung von Materie ein: »Evolution under its simplest and most general aspectis the integration of matter and concomitant dissipati-on of motion; while dissolution is the absorption of motion and concomitant desintegration of matter« (First Princ. § 97). Es gibt eine »simple« and »composed evolution« (l.c. § 98). Von unzusammenhängender Gleichartigkeit geht die Entwicklung zu zusammenhängender Mannigfaltigkeit über, das Homogene differenziert sich, und die Mannigfaltigkeit integriert sich zu einer höheren Einheit u.s.w. Das gilt für das Anorganische, Organische, Psychische und Sociale (Psychol. I, § 75 u. Princ. of Sociology I).

Mit der Psychologie und Metaphysik verbinden den Evolutionismus SULLY, ROMANES, J. CROLL, J. C. S. SCHILLER u. a., mit der Ästhetik GRANT ALLEN, mit der Ethik LESLIE STEPHEN, S. ALEXANDER u. a., mit der Sociologie B. KIDD, LUBBOCK, TYLOR, mit der Religionsphilosophie E. CAIRD, M. MÜLLER u. a. Auf die Sprachwissenschaft wenden den Evolutionsbegriff an SCHLEICHER u. a. Einen geistigen Evolutionismus (vermittelt durch »idée-forces«) lehrt A. FOUILLÉE (ähnlich DURAND DE GROS, GUYAU). SIMMEL: »Es ist allenthalben das Schema höherer Ent-wicklungsstufen, daß das ursprüngliche Aneinander und die unmittelbare Einheit der Elemente aufgelöst wird, damit sie, verselbständigt und voneinander abgerückt, nun in, eine neue, geistigere, umfassendere Synthese vereinheitlicht werden«(Philos. d. Geld. S. 517).

Eine Entwicklung der Welt in zweckmäßiger Weise nimmt
CZOLBE an (Gr. u. Urspr. d. m. Erk. S. 176), so auch L. GEIGER, L. NOIRÉ, CARNERI (Sittl. u. Darwin. S. 17 ff.).

Nach E. v. HARTMANN ist die natürliche Auslese »geeignet, das mit der Umgebung nicht Harmonierende zu beseitigen und nur das mit der Umgebung Harmonierende bestehen zu lassen«. Sie wirkt aber nur negativ, setzt die Existenz des Zweckmäßigen schon voraus (Kategorienl. S. 460ff.). In der organischen Natur ist es »offenbar, daß das Zweckmäßige, was in der Auslese sich bloß bestandfähig erweist, aus einer unbewußten Abänderungstendenz stammt, die nach Richtung und Intensität beschränkt ist und final bestimmt sein muß, um zu einer Steigerung der Organisationshöhe zu führen«. Der Kampf ums Dasein ist nur ein »Handlanger der Idee« (l.c. S. 461; Philos. d. Unbew. III10, 331 ff.). Ähnlich lehrt REINCKE (Einl. in d. theoret. Biol.).

WUNDT betont, die »Auslese« setzt schon Zweckmäßigkeit voraus, um ansetzen zu können, sie ist nur ein »Hilfsprincip«. Die organische Entwicklung ist das Erzeugnis äußerer und innerer Factoren, die Selbsttätigkeit der Organe spielt hierbei eine wichtige Rolle. Die Anpassung erfolgt durch wiederholte, sich vererbende functionelle Übung von Generationen. Allmählich erworbene, beharrlich gewordene Abänderungen müssen vererbt werden. Vermöge der »Heterogonie der Zwecke« häuft sich die Zweckmäßigkeit, ohne daß ein Vorauswissen, Vorauswollen des Endstadiums nötig ist (Syst. d. Philos.2, S. 315 ff., 542 ff.; Log. I2, S. 659, II2, 1, S. 551 ff.; Grdz. d. phys. Psychol. II4, 642 f.; Eth.2, S. 206). Die physische Entwicklung ist die Wirkung einer psychischen, durchTrieb und Willen bedingten allgemeinen Evolution. Der Wille ist der Erzeuger objectiver Naturzwecke. Die Willensimpulse sind das primum movens, sie modificieren die Lebensweise, diese Modificationen befestigen, mechanisieren, vererben sich (Syst. d. Phil.2, S. 322 ff., 329 ff.). Die organische ist die Vorstufe der geistigen Entwicklung des Menschen (Gr. d. Psychol.5, S. 335 ff.). Die geistigen Entwicklungsgesetze sind: das Gesetz des geistigen Wachstums, der Heterogonie der Zwecke, der Entwicklung in Gegensätzen.

R. HAMERLING betrachtet als Principien und Hebel der Entwicklung den Lebenswillen als Gestaltungstrieb, das Bestreben der Wesen, ihren Zustand im Sinne der möglichst geringen Unlust und der möglichst größten Lust zu verbessern, die Anstrengung der Organe (Übung), den Kampf ums Dasein, das M. WAGNERsche Migrationsprincip (Atomist. d. Will. II, 132).

JODL erklärt: »Der bewußte, denkende Wille des Menschen ist nicht bloß Product der Welt, sondern auch Factor, eine Kraft unter andern Kräften. Die Evolution des Menschen ist nicht... das Werk blinder Naturkräfte..., sondern das Ergebnis stetigen Zusammenwirkens der blinden Naturkräfte mit den sehend gewordenen Naturkräften, d.h. menschlichen Zweck-gedanken« (Lehrb. d. Psychol. S. 160).

L. STEIN überträgt den Evolutionsgedanken auf die geistigen Vorgänge (An d. Wende d. Jahrh. S. 21). Über sociale Auslese handeln GLIZYCKI (Moralphilos. S. 516), O. AMMON, A. TILLE, K. JENTSCH (Socialauslese) u. a.

Gegen die Allgemeinheit des Kampfes ums Dasein erklärt sich E. DÜHRING. »Äußerstenfalls findet eine Art gegenseitiger Abgrenzung statt, indem eigeneBereiche gegen fremde Ausnützung verteidigt werden« (Wirklichkeitsphilos. S. 98 f.).

ROLPH setzt statt des Kampfes ums Dasein als Entwicklungsprincip den »Kampf um Mehrerwerb«, Kampf um Lebensmehrung (Biol. Probl.2, 1884, S. 97). In der Ethik wird er zum Kampf um Bevorzugung, Macht u. dgl. Das »Streben nach stetiger Verbesserung der Le-
benslage ist der charakteristische Trieb von Tier und Mensch«
(l.c. S. 222 f.).

NIETZSCHE betrachtet als Lebensziel den Willen zur Macht. Die Organismen kämpfen um Macht, Vorrang, Ausbeutung. Die von innen her gestaltende Gewalt, welche die äußeren Umstände ausnützt ist der treibende Factor der Entwicklung. Selection ist nicht von tiefer und dauernder Wirkung; jeder Typus hat seine Grenze, über die er nicht hinaus kann. Zufällige Variationen können nicht von Vorteil sein. Der Kampf ums Dasein ist »nur eine Ausnahme, eine zeitweilige Restriction des Lebenswillens; der große und der kleine Kampf dreht sich
allenthalben ums Übergewicht, um Wachstum und Ausbreitung, um Macht, gemäß dem Willen zur Macht, der eben der Wille des Lebens ist«
(WW. V, S. 285, XV, 296, 303, 314 ff., 317, 319, 322 f., VII, 2, S. 370 ff.). -

Nach STUMPF ist »einer im ganzen stetig fortschreitenden Entwicklung auf physischem Gebiet eine unstetige auf psychischem zugeordnet« (Der Entwicklungsged. S. 58). Es gibt einen »Entwicklungsplan« (KÖLLIKER), »ein solches mechanisches Verhältnis gegebener Elemente, demzufolge sie sich zu zweckmäßigen Endgebilden weiter entwickeln können bez. müssen« (l.c. S. 63).

L. BUSSE betont die Rolle, die Wille und Gefühl im Kampf ums Dasein und für die Anpassung spielen (Geist U. Körp. S. 244 f.). Wir haben »eine unstetige - deshalb doch nicht planlose und ungeordnete - Entwicklung auf der psychischen Seite, verknüpft mit einer stetigen und allmählichen Entwicklung auf der physischen Seite«(l.c. S. 476 f.). »Nicht aus primitiven psychischen Atomen gehen die höheren geistigen Wesen hervor, sondern mit bestimmten Stufen, welche die Entwicklung in ihrem fortschreitenden Gange erreicht, ist das Auftreten neuer, aus den bereits vorhandenen Formen nicht folgender Formen geistigen Lebens verknüpft«, die nun die physische Entwicklung beeinflussen (l.c. S.477).

Ewigkeit S.325ff. Siehe auch bei Kirchner
= unbegrenzte Dauer, zeitloses Sein. Im Begriff des (absoluten) Seins liegt schon das Nicht-entstanden-sein und Nicht-zunichte-werden, die Beharrung, das Währen durch alle Zeit hindurch. Die Zeit betrifft nur das Geschehen, nicht das Seiende, den Grund (die Substanz) des Geschehens. Der Begriff der Ewigkeit beruht auf einem logisch-ontologischen Postulat.

Die Eleaten lehren die Ewigkeit des Seins.

Nach XENOPHANES ist nur das einzelne Ding vergänglich pan to ginomenon phtharton esti (Diog. L. IX, 19).

HERAKLIT lehrt ein ewiges Werden. Die Welt war immer, immer wird sie sein (Mull. Fragm. I, 20), ewig ist das Gesetz des Werdens (l.c. 8).

Ewig ist das Apeiron des ANAXIMANDER, ewig sind die Atome des DEMOKRIT, die Ideen PLATOS (Phaedo 211 A, B; aei on, aidion, aiôn Lach. 198. D, Men. 86 A, Tim. 29 A).

ARISTOTELES versteht unter Ewigkeit (aiôn) das unvergängliche, die Zeit einschließende Sein to gar telos to periechon ton tês hekastou zôês chronon, hou mêthen exô kata physin, aiôn hekastou keklêtai (De coel. I 9, 279a 24). Das Ewige wird von der Zeit nicht berührt ta aei onta, hê aei onta, ouk estin en chronô, ou gar periechetai hypo chronou, oude metreitai to einai autôn hyto tou chronou (Phys. IV 12, 221 b 4). Das Weltall ist ewig oute gegonen ho pas ouranos out' endechetai phtharênai, all' estin eis kai aidios, archên men kai teleutên ouk echôn tou pantos aiônos, echôn de kai periechôn en hautô ton apeiron chronon (De coel. II 1, 283b 28). Ewig ist Gott , der unbewegte Weltbeweger ton theon einai zôon aidion ariston, (Met. XII 7 1072b 29). Ewig ist die kreisförmige Himmelsbewegung (De gener. et corr. II 11, 338 a 18).

Die Stoiker lehren die Ewigkeit des pneuma, der Weltsubstanz aphthartos esti kai agennêtos (Diog. L. VII, 137); ewig ist auch die Wiederkehr des Gleichen, die Apokatastasis.

Nach PLOTIN ist die Welt ewig, denn die Zeit entstand erst in und mit der Welt. Ewigkeit ist »Leben, das identisch bleibt, welches das Ganze stets gegenwärtig hat«, ewig ist, »was weder war noch sein wird, sondern nur ist, also das Sein in völliger Ruhe ohne bevorstehenden oder dagewesenen Übergang in der Zukunft hat« (Enn. II, 7, 3).

BOËTHIUS
definiert Ewigkeit als »nunc stans«, »interminabilis vitae tota simul et perfecta possessio«. »Sempiternitas et aeternitas differunt. Nunc enim stans et permanens aeternitatem facit; nunc currens in tempore sempiternitatem.« Gott ist ewig, die Welt nur
unbegrenzt dauernd
(Consol. philos. V).

ORIGENES
lehrt eine »creatio continua« Schöpfung der Welt.

Nach AUGUSTINUS ist die Welt in Gott ewig gewesen, da die Zeit erst mit ihr entstand. »Si recte discernuntur aeternitas et tempus, quod tempus sine aliqua mobili mutabilitate non est, in aeternitate autem nulla mulatio est, quis non videat,quod tempora non fuissent, nisi creatura fieret, quae aliquid aliqua motione mutaret« (De civ. Dei XI, 4, 6;Confess. XI, 11).

Die Ewigkeit der Welt behaupten
NEMESIUS, AVICENNA, AVERROËS u. a. GILBERTUS PORRETANUS erklärt: »Aeternitas est mora indeficiens et immutabilis.« Nach RICHARD VON ST. VICTOR ist Ewigkeit »diuturnitas sine initio, carens omni mutabilitate.«

ALBERTUS MAGNUS
bestimmt das »aevum« als »mensura eorum, quae facta sunt, sed finem non habent« (Sum. th. I, qu. 23). Ewig ist nur Gott, der durch und in sich ist (l.c. II, 1, 3). Wäre die Welt ewig, so würde sie Gott gleichen.

Dagegen ist THOMAS, doch ist es Glaubenssache, die Erschaffung der Welt (mit der Zeit zugleich) anzunehmen. »Deus est omnino extra ordinemtemporis« (in 1. perih. 1, 14 f.). Das »aevum« ist die Dauer der unvergänglichen Dinge, nicht Zeitlosigkeit.

So auch SUAREZ (Met. disp. 50, sct. 5, 1). »Aeternitas essentialiter est duratio talis esse, quod essentialiter includit omnem perfectionem essendi et consequenter omnem actum seu internam operationem talis entis« (l.c. 50, sct. 3)

Nach G. BRUNO ist das All ewig, nur dessen Gestaltungen sind vergänglich (De la causa V).

HOBBES definiert Ewigkeit als »non temporis sine fine successio, sed nunc stans« (Leviath. 46).

DESCARTES
läßt die Frage nach der Ewigkeit der Welt unentschieden.

SPINOZA betrachtet die Substanz als ewig, als in und durch sich seiend. »Per aeternitatem intelligo ipsam existentium, quatenus ex sola
rei aeternae definitione necessario sequi concipitur«
(Eth. I, def. VIII). »Ad naturam substantiae pertinet existere« (l.c. prop. VII), denn sie ist »causa sui« »Substantia non potest produci ab alio; erit itaque causa sui, id est ipius essentia involit necessario existentiam, sive ad eius naturam pertinet existere« (l.c. dem., vgl. Ep. 29). Auch die Attribute der göttlichen Substanz sind ewig. »Deus sive omnia Dei attributa sunt aeterna« (l.c. prop. XIX). »Dei omnipotentia actu ab aeterno fuit et in aeternum in eadem actualitate manebit« (l.c. prop. XVII). »Atqui ad naturam substantiae pertinet aeternitas; ergo unumquodque attributorum aeternitatem involvere debet, adeoque omnia sunt aeterna« (l.c. prop. XIX7 dem.); »sequitur Deurn sive omnia Dei attributa esse immulabilia« (l.c. prop. XX, coroll. II). Die Vernunft betrachtet alles, die Dinge in ihrer ewigen Notwendigkeit, »sub quadam aeternitatis specie«, so, wie sie dem göttlichen Urgrunde folgen (l.c. II, prop. XLIV), d.h. zeitlos (De emend. int.), so wie sie in Gott ideell sind. »Res duobus modis a nobis ut actuales concipiuntur, vel quatenus eadem cum relatione ad certum tempus et locum existere, vel quatenus ipsas in Deo contineri et ex naturae divinae necessitate consequi concipimus. Quae autem hoc secundo modo ut verae seu reales concipiuntur, eas sub aeternitatis specie concipimus, et earum ideae aeternam et infinitam Dei essentiam involvunt« (Eth. V, prop. XXIX, schol.). Ewigkeit ist nicht mit Dauer zu verwechseln. »Talis enim existentia, ut aeterna veritas, sicut rei essentia concipitur, proptereaque per durationem aut tempus explicari non potest, tametsi duratio principio et fine carere concipiatur« (l.c. I, def. VIII, explic.).

Nach LOCKE gelangt man zur Idee der Ewigkeit durch das Vermögen, Vorstellungen von Zeitlängen, so oft man will, in Gedanken zu wiederholen, ohne hierbei zu einem Ende zu kommen (Ess. II, ch. 14, § 31).

Nach CONDILLAC entsteht die Idee der Ewigkeit, indem wir eine Dauer als unbestimmt, ohne Anfang und Ende auffassen (Trait. d. sensat. I, ch. 4, § 14).

Nach LEIBNIZ entspringt der Ewigkeitsbegriff nicht aus den Sinnen (Nouv. Ess. II, ch. 14, § 27). Ewig ist Gott, ewig werden die Monaden von Gott geschaffen (Monadol. 6, 47), ewig bleiben sie, im Wandel ihrer Complexionen, bestehen (l.c. 76 f.). -

KANT
sieht in der Zeit eine subjective Anschauung, daher muß er das Sein als ewig (zeitlos) setzen (s. Antinomien).

SCHELLING bestimmt Ewigkeit als »Sein in keiner Zeit« (Vom Ich S. 105 f.),

HEGEL als »absolute Zeitlosigkeit« des Begriffes, Geistes (Naturphil. S. 55). Der dialektische Proceß des Absoluten ist ewig, setzt erst die Zeit . Das Endliche ist vergänglich, zeitlich. »Der Begriff aber, in seiner frei für sich existierenden Identität mit sich, Ich = Ich, ist an und für sich die absolute Negativität und Freiheit, die Zeit daher nicht seine Macht, noch ist er in der Zeit und ein Zeitliches, sondern er ist vielmehr die Macht der Zeit, als welche nur diese Negativität als Äußerlichkeit ist. Nur das Natürliche ist darum der Zeit untertan, insofern es endlich ist; das Wahre dagegen, die Idee, der Geist, ist ewig.« »Der Begriff der Ewigkeit muß aber nicht negativ so gefußt werden, als die Abstraction von der Zeit, daß sie außerhalb derselben gleichsam existiere« (Encyk1.§ 258).

K. ROSENKRANZ erklärt: »Die Zeit als absolute Totalität gedacht, wie sie ohne Anfang und Ende mit dem absoluten Continuum des Raumes identisch ist, also das Abstractum ihres Begriffs, das weiter keine Bestimmung zuläßt, nennen wir Ewigkeit« (Syst. d. Wiss. S. 192).

Wer ein Absolutes animmt, bestimmt dieses als ewig (SCHOPENHAUER, FECHNER, E. V. HARTMANN, H. SPENCER, E. HAECKEL, WUNDT u. a.).

Nach LOTZE hat nur das Wertvolle Ewigkeit (Psychol. § 81).

Ähnlich wie HERBART (Psych. als Wiss. II, §148) erklärt VOLKMANN: »Die... nach beiden Seiten hin Über jede Grenze hinaus construierte leere Zeitreihe nennenwir die Ewigkeit. Sie ist... das Vorstellen eines Vorstellens, d.h. ein Gefühl. Die Ewigkeit ist ein, ja das dem reinen Begriff der Zeit gemäß construierte Schema: der Begriff der Zeit ist der Begriff des Nacheinander, und die Vorstellung der Ewigkeit ist der Versuch, dies Nacheinander in einer Anschauung darzustellen« (Lehrb. d. Psychol. II4, 29).

G. SPICKER betont: »Der Begriff 'Ewigkeit' schließt... die Zeitlichkeit aus; man kann sich darunter nichts anderes vorstellen, als ein Sein mit dem Attribut der Aseïtät, d.h. eine absolute Realität, die sich aus keiner höheren Ursache ableiten läßt, sondern die Kraft zu existieren in sich selbst trägt« (Vers. e. n. Gottesbegr.S. 106 f.).

Nach O. CASPARI ist Ewigkeit nicht Zeitlosigkeit, sondern »die real fortschreitende ewige Zeit« (Zusammenh. d. Dinge S. 170).

RENOUVIER
(wie DÜRING) nimmt nur eine Ewigkeit a parte post,nicht a parte ante an; es gibt einen Anfang der Phänomene (Nouv. Monadol. p. 16). Vgl. Zeit, Unendlich

Freiheit S. 942. Siehe auch bei Kirchner
ist das Gegenteil von Zwang, bedeutet Unabhängigkeit verschiedener Art.

Politische Freiheit
bedeutet Autonomie, Selbständigkeit des Tuns und Lassens des Bürgers im Rahmen der socialen und staatlichen Gesetzlichkeit.

Physische Freiheit
bedeutet Unabhängigkeit des Handelns von äußeren Kräften, die es verhindern könnten.

Psychologische Freiheit
bedeutet Selbstentscheidung des Ich, d.h. Unabhängigkeit des Handelns und Wollens von momentanen Reizen, Fähigkeit der Überlegung und Wahl, Sich-bestimmen-lassen durch die eigene Persönlichkeit, durch den eigenen Charakter.

Metaphysische Freiheit
bedeutet Unabhängigkeit eines Wesens, eines Willens von irgend welchen Ursachen, Aseïtät . Die beiden letzten Arten der Freiheit fallen unter den Begriff der Willensfreiheit .


Ganzes und Teile S. 950 f. Siehe auch bei Kirchner
sind Korrelatbegriffe, Produkte der zerlegenden, unterscheidenden Denkfunktion. Das »Ganze« ist die Gesamtheit aller Teile, in welche die Apperzeption eine Einheit zerlegt.

PLATO (Theaet. 204 E) ARISTOTELES (nach welchem das Ganze den Teilen logisch vorausgeht) (Met. V 26, 1023b 26) sprechen vom holon im Unterschied vom pan. Beides wird auch von den Stoikern unterschieden (vgl. L. STEIN, Psych. d. Stoa I, 17; II, 222; s. Welt.)

Den Begriff des Ganzen (»totum«) definiert HOBBES (De corp. 7, 7),


auch CHR. WOLF: »Unum, quod idem est cum multis, dicitur totum« (Ontol. § 341).

HUSSERL versteht unter einem Ganzen einen »Inbegriff von Inhalten, welche durch eine einheitliche Fundierung, und zwar ohne Succurs weiterer Inhalte, umspannt werden« (Log. Unt. II, 268). Vgl. Teil.

Gegensatz S. 1001 ff. Siehe auch bei Kirchner
1) logischer Gegensatz (Opposition) das Verhältnis, in welchem zwei Begriffe oder zwei Urteile zueinander stehen, die einander ausschließen. Es gibt einen contradictorischen und einen conträren (subkonträren) Gegensatz.

ARISTOTELES
erklärt: antikeimena legetai antiphasis kai tanantia kai ta pros ti kai sterêsis kai hexis kai ex hôn kai eis ha eschata ai geneseis kai phthorai (Met. V 10, 1018a 20). Er unterscheidet: antiphatikôs (contradictorisch), enantiôs (conträr), kata têê lexin monon antikeimena (De interpret. 6, 17a 26; 7, 17b 16; Categ. 10, 13b 27. Anal. prior. II 15, 63b 23).

So auch CICERO (Top. 11). Die Scholastiker unterscheiden »oppositio terminorum« und »oppos. enunciationum«. Nach ÜBERWEG ist Opposition »der Gegensatz, der zwischen zwei Urteilen von verschiedener Qualität und verschiedenem Sinne bei gleichem Inhalt besteht« (Log. § 97).

2) ontologischer (realer) Gegensatz (»Repugnanz«), Widerstreit zweier Dinge, zweier Qualitäten, zweier Tätigkeiten, dynamische Entgegensetzung, Willens-Gegensatz, Gegensatz der Gefühle (physischer-psychischer Gegensatz, ethischer, socialer Gegensatz).

Die Pythagoreer stellen eine Tafel von zehn Gegensatz-Paaren als Principien der Dinge auf: peras kai apeiron, peritton kai artion, hen kai plêthos, dexion kai aristeron, arrhen kai thêly, êremoun kai kinoumenon, euthy kai kampylon, phôs kai skotos, agathon kai kakon, tetragônon kai eteromêkes (ARISTOTELES, Met. I 5, 986a 22 squ.).

HERAKLIT
macht den Gegensatz zum Princip der Entwicklung. Im »Gegenlauf« (enantiodromia, Stob. Ecl. I, 60) des Geschehens ist in allem das Entgegengesetzte vereinigt, schlägt eines in das Gegenteil um taut' einai zôn kai tethnêkos, kai to egrêgoros kai to katheudon, kai neon kai gêraion (Fragm. 78). Alles erfolgt kat' enantiotêta nach der enantia rhoê, palintropia (Plat., Cratyl. 413 E, 420 A); panta te ginesthai kath' eimarmenên kai dia tês enantiotropês hêrmosthai ta onta (Diog. L. IX 1, 7); ginesthai te panta kat' enantiotêta (l.c. 8); panta ... metaballei eis enantion oion ek thermou eis phychron (Arist. Phys. III 5, 205a 6; vgl. Sext. Empir. Pyrrh. hypot. III, 230). Die Gegensätze gehen in einer Einheit zusammen wie Bogen und Leier: palintropos harmoniê kosmou hokôster lyrês kai toxou (Plut., Is. et Osir. 5).

Nach PLOTIN sind Gegensätze Dinge, die nichts Identisches an sich haben (Enn. VI, 3, 20). -

CHR. WOLF definiert: »Opposita sunt, quorum unum involvit negationem alterius« (Ontol. § 272).

KANT
betont den Unterschied zwischen logischer und realer Opposition. »Einander entgegengesetzt ist, wovon eines dasjenige aufhebt, was durch das andere gesetzt ist. Diese Entgegensetzung ist zweifach; entweder logisch durch den Widerspruch, oder real d. i. ohne Widerspruch« (WW. II, 75 ff.). Die »dialektische« Opposition ist von der auf dem Satze des Widerspruches fußenden »analytischen« zu unterscheiden (Krit. d. r. Vern. S. 410).

Nach J. G. FICHTE, besonders aber nach HEGEL schlägt jeder Begriff (im logischenDenken) in seinen Gegensatz um, um sich mit ihm in einem höheren Begriffe zu vereinigen (Dialektik, Widerspruch).

Nach HILLEBRAND kann es keinen metaphysischen, realen Gegensatz geben, d.h. einen solchen, welcher im Sein unausgleichbar wäre (Phil. d. Geist. I, 23).

Nach HERBART ist der »Gegensatz zweier Vorstellungen« ein voller, »wenn eine von beiden ganz gehemmt werden muß, damit die andere ungehemmt bleibe« (Psychol. als Wiss. I, § 41). Vorstellungen, die einander entgegengesetzt sind und zusammentreffen, werden zu Kräften, die einander widerstehen, hemmen (Lehrb. zur Psychol.3, S. 15). Der Grund des Widerstehens ist die Einheit der Seele (l.c. S. 21). Entgegengesetzte Vorstellungen verschmelzen miteinander, soweit sie nicht gehemmt werden (l.c. S. 21 f.).

Nach MÜNSTERBERG ist entgegengesetzt in der Vorstellungswelt das, »was antagonistische Handlungen anregt« (Grdz. d. Psy-chol. I, 550).

WUNDT
sieht in dem psychologischen »Gesetz der Entwicklung in Gegensätzen« eine Anwendung des Gesetzes der Contrastverstärkung auf umfassendere Zusammenhänge. »Diese besitzen nämlich... die Eigenschaft, daß Gefühle und Triebe, die zunächst von geringer Intensität sind, durch den Contrast zu den während einer gewissen überwiegenden Gefühlen von entgegengesetzter Qualität allmählich stärker werden, um endlich die bisher vorherrschenden Motive zu überwältigen und nun selbst während einer kürzeren oder längeren Zeit die Herrschaft zu gewinnen.« Mehr als im individuellen tritt das Gesetz im geschichtlichen Leben, im Wechsel geistiger Strömungen hervor (Gr. d. Psychol.5, S. 401f.; Syst. d. Phil.2, S. 598; Log. II2, 2, S. 282 ff.; Phil.Stud.X, 75 ff.).


Geist S. 1008 ff. Siehe auch bei Kirchner
heißt im Gegensatz zum Stoffe, zur Materie, zum Körper das Seelische, Psychische; im Unterschiede vom Seelischen (Psychischen) die Denkkraft, Vernunft, der Inbegriff des höheren seelischen Lebens, die Vernünftigkeit, auch die Verstandesschärfe (»Geistreichtum«). Vom Geiste des Menschen ist der Weltgeist (Universalgeist), der göttliche Geist, vom Einzelgeist der Gesamtgeist, vom subjectiven der objective Geist, d.h. der Inbegriff geistiger Schöpfungen einer Gesamtheit zu unterscheiden. Der »Zeitgeist« ist die Denkweise eines Zeitalters. »Geist« heißt auch die immaterielle Substanz, die von vielen als Träger der psychischen Vorgänge angenommen wird. An »Geister« als Seelen Verstorbener glaubt der Naturmensch, auch der Spiritismus.

Als eigenes Princip des Seienden bestimmt den Geist zum erstenmal ANAXAGORAS. Freilich ist der »Geist« (nous) hier noch ein feinster Stoff, nicht absolut immateriell: esti gar leptotaton te pantôn chrêmatôn kai katharôtaton kai gnômên ge peri pantos pasan ischyei. Kai ischyei megiston;noos de pas homoios esti kai ho mezôn kai ho elassôn (Simpl. ad Arist. Phys. 33). Unbegrenzt, für sich seiend, rein und unvermischt mit den übrigen Dingen ist der Nus noos de estin apeiron kai autokrates kai memiktai oudeni chrêmati, alla mounos autos eph' heautou estin, ib.; (Aristot., Phys. VIII 5, 256b 24 squ.). Der Geist ist das Princip der Weltordnung, der zweckvolle Gestalter des Stoffes: panta chrêmata ênhomou. eitha ho nous elthôn auta diekosmêse (Diog.L. II, 3, 6). Der Geist ist der Grund der Bewegung (Veränderung), der Scheider der Materie kinêsin empoiêsai ton noun kai diakrinai (Aristot., Phys. VIII1, 250b 24). Allwissend und allmächtig ist der Geist
panta egnô noos, pantôn noos kratei, panta diekos-mêse noos (Simpl. ad Arist. Phys. 33); epei panta noei, amigê einai, hôsper phêsin 'Anaxagoras, hina kratê, touto d' estin hina gnôrizê (Arist., De an. III 4,429a 18). Der nous kosmopoios ist die Gottheit (Stob. Ecl. I 2, 56).

Als etwas Stoffliches feinster Art fassen den nous auf: BRUCKER, TIEDEMANN, FR. KERN, G. GROTE, D. PEIPERS, DILTHEY, COMPERZ, WINDELBAND (als »Kraftelement« »Bewegungsstoff«), ZELLER, UPHUS, KÜHNEMANN; als immateriell: FREUDENTHAL, HEINZE, E. ARLETH (vgl. dessen Lehre d. Anax. vom Geist, Arch. f. Gesch. d. Philos. VIII, 205).

Der Hylozoismus betrachtet den Geist als Eigenschaft des Stoffes.

Nach HERAKLIT durchdringt der Geist (logos) das All.

Nach DEMOKRIT ist der Geist das Product der Atome und ihrer Bewegungen.

Eine Weltvernunft anerkennt PLATO. Der vernünftige, geistige Teil der Seele (nous, logistikon) ist das Oberste in ihr (Rep. IV, 435).

Nach ARISTOTELES ist der nous die höchste Energie (energeia) der Seele,die nur dem Menschen, nicht den Tieren zukommt (De an III 3, 429a 23). Der nous ist das Denkprincip legô de noun hô dianoeitai kai hypolambanei hê psychê (De an. III 4, 429 a 23). Nicht mit dem Leibe vermengt ist der Geist (De an. III 4, 429 a 24), einfach und stetig ist er ho de nous heis kai synechês hôsper kai hê noêsis (De an. I 3, 407 a 8). Er ist vomLeibe trennbar, leidlos, rein kai houtos ho nous
chôristos kai apathês kai amigês
(De an. III 5, 430a 17), unvergänglich und göttlich ho de nous isôs theioteron ti kai apathes estin (De an. I 4, 408 b 29; De an. II 2, 413b 26; III 4, 429 a 15 squ.). Der Geist ist in der Seele en psychê nous (Eth. Nic. I 4, 1096b 29), er stammt aber »von außen« (thyrathen) von Gott, dem reinen Geiste (noêsis noêseôs). Er ist die Form der Formen eidos eidôn (De an. III 8, 432a 2), das Wertvollste (Met. XII 9, 1074b 26). Der Potenz nach ist der Geist eins mit seinen Inhalten hoti dynamei pôs esti ta noêta ho nous (De an. III 4, 429 b 30).

THEOPHRAST (bei Simpl., Phys. 225a) und STRATO (Cic. ad Acad. II, 38, 121) betrachten den Geist als ein der Seele Immanentes, als deren Entwicklungsproduct.

Die Stoiker lehren die Existenz eines Weltgeistes (pneuma), dessen Ausfluß apospasma der menschliche Geist ist (M. AUREL, Inse ips. XII, 26).

Bei den Neupythagoreern ist der nous die Einheit der Ideen (NICOMACHUS, Arithm. intr. I, 6).

PHILO bestimmt den nous als psychê psychês als Organ übersinnlicher Erkenntnis (Opp. I, 42, II, 408).

PLUTARCH VON CHAERONEA erblickt im Geiste eine selbständige Wesenheit.

So auch PLOTIN. Nach ihm ist der Geist einfach, die Seele hingegen gegliedert (Enn. IV,1). Der nois ist eine Emanation des Urseins; er denkt das Seiende und ist es insofern (Enn. IV, 5), er ist die Totalität der Ideen (l.c. IV, 8). Zum Unterschiede vom »Einen« (hen) hat der Geist schon die Andersheit (heterotês) an sich, den Gegensatz des Denkens und Gedachten. In den Dingen wirken geistige Kräfte (noi, noerai dynameis). In der Seele ist der nous die oberste Kraft (l.c. II, 9, 2).

Als Emanationsproduct bestimmen den Geist die Gnostiker. Sie und die Kirchenväter sind zugleich von dem evangelischen Glauben an den »heiligen Geist« (s. Pneuma) beeinflußt.

Von der Seele unterscheiden den Geist (pneuma) TATIAN, ORIGENES (De princ. VIII, 1), auch die Kabbalâ.

Als feinen Stoff bestimmt den »spiritus« TERTULLIAN: »spiritus enim corpus sui generis in sua effigie« (Adv.Prax. C. 7).

Den »spiritus« erklärt AUGUSTINUS als »quaedam vis animae mente inferior, in qua imagines rerum imprimuntur« (Super Genes. ad litter. XII, 9).

DAVID VON DINANT
nennt den Geist (Noym) das »primum divisibile, ex quo constituuntur animae« (bei HAURÉAU II 1, p. 76).

Als Einheit der Ideen betrachtet den Geist BERNHARD VON CHARTRES.

Die Einheit von Geist und Seele betont ROB. VON ST. VICTOR: »Neque enim in homine uno alia essentia est eius spiritus atque alia eius anima, sed prorsus una eademque simplicisque naturae substantia« (De extern. mal. tr. 3, C. 18).

THOMAS versteht unter Geist als Vermögen die Denkkraft; der Geist ist »ipse intellectus examinans res, secundum quad mens dicitur a metior, metiris« (1 sent. 3, 5, 6); »mens in anima nostra dicit illud, quod est altissimum in virtuteipsius«(De verit. 10, 1 C).

Gott ist nach den Scholastikern reiner Geist.

Von der Seele unterscheidet den Geist auch ECKHART.

Einen »spiritus mundi« nimmt AGRIPPA VON NETTESHEIM an.

NICOLAUS CUSANUS
trennt den Geist nicht von der Seele. »Mens est viva sub-stantia, quam in nobis interne loqui et indicare experi-mur..., est vis in se omnia suo modo complicans« (Idiot. III,.5).

PARACELSUS betrachtet den Geist als den innersten Teil der Seele, als göttliches Bildnis oder »Fünklein« (Phil. sag. p. 433 f.).

CAMPANELLA
unterscheidet von der empfindenden Seele den aus Gott »per ineffabilem emanationem« stammenden Geist, mens (Univ. phil. I, 5, 2).

Den absoluten Gegensatz zwischen Geist (res cogitans, mens) und Stoff lehrt DESCARTES. Geist und Körper sind Substanzen. Der Geist ist einfach, unausgedehnt, unzerstörbar, er erfaßt sich selbst als Denkendes (Princ. phil. I, 11). Geist und Körper stehen in Wechselwirkung miteinander.

Im Sinne des Cartesianismus definiert SPINOZA: »substantia, cui inest immediate cogitatio, vocatur mens« (Cart. pr. phil. I, def. VI). Er selbst sieht im Geist keine Substanz, sondern ein Attribut der einen Substanz. Diese (=Gott) ist sowohl Geist (»res cogitans«) als Materie (Eth. II, prop. I, II), er ist unendlicher Geist »intellectus infinitus« (l.c. prop. IV)«, den Einzeldingen immanent.

Nach LEIBNIZ ist alles an sich geistiger Art, indem den Körpern Monaden zugrunde liegen, geistige Substanzen. Jede Monade ist eine Welt für sich, »comme an monde à part, suffisant à lui-même« (Gerh. IV, 485 f.). Gott ist reiner, activer Geist.

Nach BERKELEY gibt es nur eine Art von Substanzen (Princ. CXXXV): Geister, d.h. active, percipierende Wesen, deren objective Vorstellungen Körper heißen. Ein Geist ist ein einfaches, unteilbares, actives Wesen, das in Einem Verstand und Wille ist und nur in seinen Wirkungen zu percipieren ist (Princ. XXVII). Wir haben vom Geiste nur eine »notion«, keine »idea« (ib.). Der höchste Geist ist Gott (l.c. CXLVI); ähnlich schon MALEBRANCHE, der Gott [s. d.] den »Ort der Geister« nennt).

Nach CHR. WOLF ist Geist »ein Wesen, das Verstand und einen freien Willen hat« (Vern. Ged. I, § 896); nach PLATNER das, »was mit Bewußtsein und Absicht wirkt« (Phil. Aphor. I, § 1063); nach KANT »das durch Ideen belebende Princip des Gemütes« (Anthrop. I, § 69 B). -

SWEDENBORG
glaubt an einen Verkehr der Menschenseelen mit der Geisterwelt (vgl. KANT, Träume ein. Geistersehers, II. T., 2. Hptst.).

Die Auflösung der geistigen Substanz in ein »Bündel« von Erlebnissen erfolgt bei HUME. Nach ihm ist der Geist ein gesetzmäßig verknüpftes Zusammen von
Perceptionen, ein »heap or collection« von solchen (Treat. IV, set. 2; IV, Set. 6).

HELVETIUS sieht im Geist (esprit) »un assemblage d'idées neuves quelconques« (De l'espr. I, disc. II, ch. 1, p. 73).

HOLBACH und LA METTRIE betrachten den Geist als Naturproduct.

J. G. FICHTE
bestimmt die Wirklichkeit als Geist, als Ich .

SCHELLING
betrachtet Geist und Natur als die beiden Seiten oder Pole des Absoluten, der »Indifferenz« (s. Gott). In den verschiedenen Dingen überwiegt bald das eine, bald das andere Moment. »Ein Geist ist, was aus dem ursprünglichen Streite seines Selbstbewußtseins eine objective Welt zu schaffen und dem Product in diesem Streite selbst Fortdauer zu geben vermag«(Naturphilos. S. 312).

Nach SUABEDISSEN ist der Geist des Menschen »die Einheit, das eine Princip des ursprünglichen Denkens und Erkennens und des ursprünglichen Lebens und Handelns«, »die Vernunft, die zugleich theoretisch und praktisch ist« (Grdz. d. Lehre von d. Mensch. S. 160).

HEGEL setzt den Geist (die Vernunft, Idee) als Weltprincip, das in dialektischer Bewegung die Stufen des An-sich, Außer-sich, An-und-für-sich durchläuft und als »absoluter Geist« zum Wissen seiner selbst kommt. Geist ist »das Bei-sich-selbst-sein« (Philos. d. Gesch. S. 21), die »unendliche Subjectivität der Idee« (Ästh. I, 103), das »an und für sich seiende Wesen..., welches sich zugleich als Bewußtsein wirklich und sich selbst vorstellt« (Phänom. S. 328), »das sich selbst tragende absolute reale Wesen« (l.c. S. 329), das »Wirkliche« oder »Wesen« der Dinge (l.c. B. 19). Er ist die »Wahrheit« der Natur, »die zu ihrem Für-sich-sein gelangte Idee«(Encykl. § 381). Er geht aus dem »Tode des Natürlichen« hervor (l.c. §376), als ein »Offenbaren« seiner selbst (l.c. § 383 f.), als die »wissende Wahrheit« (l.c. § 439). Er entwickelt sich durch die Phasen des subjectiven und objectiven zum absoluten Geist (l.c. § 385), der der göttliche Geist ist (l.c. § 386), die »absolute Tätigkeit..., sich in sich selbst zu unterscheiden« (Ästh. I, 120). Der subjective Geist ist theoretischer und praktischer Geist (Encykl. § 445). Der »objective Geist« ist »die absolute Idee, aber nur an sich seiend« (l.c. § 483), d.h. der Geist in den socialen Gebilden, das »sittliche Leben eines Volkes« (Phänom. S. 330). Der absolute Geist ist die sich wissende Idee oder Weltvernunft (Encykl. §. 554 ff., § 574, 577), die noêsis hê kath' hautên des ARISTOTELES (Met. XI, 7). In der Kunst, der Religion und endlich in der Philosophie manifestiert er sich (Encykl. §. 554 ff.). Der Weltgeist ist, intellectualistisch, als Denkkraft gedacht.

Bei SCHOPENHAUER hingegen ist er Wille.

Nach GRILLPARZER ist der Geist »nicht ein Ruhendes, sondern vielmehr das absolut Unruhige, die reine Tätigkeit, das Negieren oder die Idealität aller festen Verstandesbedingungen« (WW. XV, 7).

Im Sinne Hegels lehrt K. ROSENKRANZ. Der Geist ist »das Für-sich-sein der Idee als Idee, die sich wissende und wollende Idee«, das »Prius der Natur wie der Vernunft« (Syst. d. Wiss. § 564 ff.). Der Geist »ist nur, was er tut« (l.c. S. 367). Er ist frei (ib.), hat Bewußtsein und Vernunft (l.c. S. 368). Der subjective Geist ist »der natürlich-individuelle, der in seiner Tätigkeit bei sich, in seinem Begriffe, bleibt«; der objective Geist ist der Geist, »der seine Freiheit als eine objective Welt hervorbringende« Geist; der absolute Geist ist »der Geist, der sich selbst als den absoluten Inhalt in der diesem Inhalt congruenten absoluten Forum weiß« (l.c. S. 366).

So auch J. E. ERDMANN, der das Wesen des Geistes in das »In-sich-sein« setzt (Gr. d. Psychol. § 7).

Nach HILLEBRAND ist Geist »das subjective Sein, d.h. das Sein, insofern es sich selbst als Objectivität hat und seine eigenen Bestimmungen an sich setzt« (Phil.
d. Geist. I, 65).
»Nur in und mit der lebendigen Individualisierung kann... der Geist zur concret erscheinenden Wirklichkeit gelangen« (l.c. S. 65 f.). Das Wesen der Geistigkeit besteht in der »Selbsterfassung und Selbstsetzung des Seins« (l.c. S. 66). Der Geist ist substantiell (l.c. S. 68), hat die Freiheit zu seinem Wesen (l.c. S. 71).

E. v. HARTMANN bestimmt den Weltgeist als das »Unbewußte«.

G. CLASS sieht im absoluten Geist die Einheit von absolutem Denken und absolutem Ich.

R. EUCKEN versteht unter Geist »den bei sich selbst befindlichen Lebensproceß« (Grundbegr. S. 47). Er »erzeugt aus seinem Schaffen eine neue Wirklichkeit und will die vorgefundene Lage damit umwandeln« (l.c. S. 58). Das »schaffende Geistesleben« ist vom »empirischen Seelenleben« deutlich zu unterscheiden; in jenem »erfolgt ein Aufsteigen der Wirklichkeit zu einer innern. Einheit und zu voller Selbständigkeit« (Gesamm. Aufs. S. 166). Der Geist entfaltet sich in der Geschichte (Kampf um ein. geist. Lebensinh. S. 19 ff.). Das Geistesleben ist die Erschließung der eigenen Substanz des Wirklichen, es ist universal (l.c. S. 30). Die geistige Welt muß durch Selbsttätigkeit, Kampf erzeugt werden (l.c. S. 30, 42 ff.).

FECHNER versteht unter Geistigem die »Selbsterscheinung« (Zend-Avesta II, 164 f.). Geist ist das »dem Körper oder Leibe überhaupt gegenüber gedachte, sich selbst erscheinende Ganze, welchen Empfinden, Anschauen,Fühlen, Denken, Wollen u.s.w. als Eigenschaften, Vermögen oder Tätigkeiten beigelegt werden« (l.c. I, S. XIX). »Ein Geist erscheint und erfaßt sich unmittelbar selbst« (l.c. I, 252). Das Geistige ist das Innensein dessen, was von außen als Körperliches erscheint. Es gibt eine Reihe von Geistern verschiedener Ordnungen, niedere und höhere, umfassendere (z.B. Planetengeister), sie alle werden vom göttlichen Allgeiste umfaßt (Elem. d. Psychophys. II, 455).

Einen »Allgeist« nimmt M. VENETIANER an.

HARMS
bestimmt den Geist als den Grund der inneren Erscheinung, als Für-sich-sein der Dinge. -

HERBART nennt Geist die Seele, »sofern sie vorstellt« (Lehrb. zur Psychol.3, S. 29).

Nach LOTZE ist der Geist nur eine höhere Entwicklungsstufe der Seele, die Vernunft (Kl. Schrift. II, 498). Alles Wirkliche ist innerlich geistiger Art (s. Monaden), hat ein Für-sich-sein.

LAZARUS versteht unter Geist »die menschliche Seele, welche ihrer selbst, und zwar in ihrer Tätigkeit als Tätigkeit, sich bewußt wird« (Leb. d. Seele II2, 74).

Nach STEINTHAI ist Geist derjenige Kreis von seelischen Erzeugnissen, welcher die Denktätigkeit, die Intelligenz umfaßt (Urspr. d. Sprache S. 119 f.).

J. H. FICHTE nimmt »Geistesmonaden« als reale Wesen, Träger des Bewußtseins an (Psychol. I, 74). Der Geist hat nicht bloß apriorische Bestandteile, er ist selbst ein »vorempirisches Wesen« (l.c. I, S. VIII). Der Menschengeist ist ein »raumzeitliches Realwesen« (l.c. S. VII). Der Geist ist nicht das Bewußtsein, sondern das Bewußtseinerzeugende (l.c. I, 71 ff.).

Nach WUNDT heißt Geist »das innere Sein, wenn dabei keinerlei Zusammenhang mit einem äußeren Sein in Rücksicht fällt« (Grdz. d. phys. Psychol. I3, 9; vgl. S. 12). Das Geistige ist das Innensein der Dinge, die unmittelbare Realität, die sich von den elementarsten bis zu den höchsten Formen entwickelt. Alles Geistige ist aber bewußte Wirksamkeit, ein »unbewußter Geist« ist einWiderspruch (Syst. d. Philos.2, S. 553 ff.). Die Natur ist, als Vorstufe des Geistes, selbst schon geistiger Art (l.c. S. 568 ff., 619 f.). Ebenso ursprünglich und real, ja realer als die Einzelgeister ist der Gesamtgeist, der aber keine besondere Substanz ist, sondern in den Einzelgeistern existiert, wenn er auch mehr als deren Summe ist (l.c. S. 611 ff.; Gr. d. Psychol. S. 361; Log. II2, 2, S. 40; Völkerpsychol. I, 1, S. 10 f.; Eth.2 S. 459). Der göttliche Weltgrund ist Geist und zugleich übergeistig (Syst. d. Philos.2, S. 392 ff.).

MÜNSTERBERG unterscheidet das Geistige vom Psychischen; letzteres ist schon eine abstractive Bearbeitung des ersteren, der in »Selbststellung«, im concret-lebendigen Wirken besteht (Grdz. d. Psychol. I).

A. DORNER versteht unter dem Geist die selbstbewußte Seele
(Grdz. d. Psychol. I).

Unter »objectivem Geist« verstehen RIEHL, JODL, JERUSALEM die Gesamtheit der geistigen Producte innerhalb einer Gesellschaft. Der Materialismus betrachtet den Geist als Stoff oder materielle Function oder Epiphänomen der Materie oder Energie. Vgl. Spiritualismus, Seele, Panpsychismus

Gesetz S. 378ff. Siehe auch bei Kirchner
Gesetz ist der Inhalt eines Imperativs, einer Willensforderung bezw. was analog einem solchen Inhalte (ursprünglich) betrachtet wird. Gesetz ist der Ausdruck für ein Sein-sollendes, Gewolltes, notwendig zu Geschehendes.

Bei juridischen Gesetzen ist die Notwendigkeit eine teleologische (»man muß, soll - wenn man nicht Strafe haben will«), beim ethischen, logischen, geistigen Gesetze ebenfalls (»man muß, soll - wenn man vernünftig leben, vernünftig denken will«), beim Naturgesetz eine psychologische (triebartige) oder mechanische Notwendigkeit.

Naturgesetze sind begrifflich formulierte Notwendigkeits-Relationen, mit denen die Konstanz, Regelmäßigkeit von selbst gesetzt ist. »Es ist ein Naturgesetz« heißt: das Wesen, die Natur, die Konstitution der Dinge, des Alls fordert, bedingt den Zusammenhang, die Art, das Quale und das Quantum von Geschehnissen. Unter gleichen Bedingungen verhält sich Gleiches stets (zu allen Zeiten, in allen Räumen) gleich - das ist die logische Grundlage (das Identitätsprinzip) aller Gesetzlichkeit. Gesetzmäßig (gesetzlich) ist, was in eine Gesetzesformel zu bringen ist. Die »Gesetze« sind (subjektiv) Satzungen des (die Erfahrungsinhalte logisch verarbeitenden) Denkens, haben aber (objektiv) ein »Fundament« in der Erfahrung, in den Objekten selbst. Die sozial-historischen Gesetze sind Modifikationen psychologischer Gesetze.

Die Geschichte des Gesetzes-Begriffes läßt bald eine mehr rationalistische, bald eine mehr empiristische, bald eine objektivistische, bald eine subjektivistische Bestimmung dieses Begriffes erkennen. Der objektive Idealismus führt die Naturgesetze auf eine Weltvernunft zurück, der Theismus (und Pantheismus) auf den göttlichen Willen (die göttliche Substanz).


HERAKLIT
erblickt in der Weltvernunft (dem logos) das Weltgesetz (nomos, dikê), dem sich alles fügen muß und soll
(Sext. Empir. adv. Math. VII, 133).

Die Gesetzlichkeit des Naturgeschehens betont PLATO, der von natürlichen Gesetzen (para tous tês physeôs nomous, Tim. 83 E) spricht.

So auch ARISTOTELES
(De coel. 268a 10 squ.).

Die Stoiker und Epikureer lehren die Gesetzmäßigkeit der Naturprozesse; bei LUKREZ tritt der Begriff der »lex naturae« auf.

Im Anschlusse an das Alte Testament, das Gott als den Gesetzgeber der Natur betrachtet, bezieht die christliche Philosophie die Naturgesetze auf den göttlichen Willen, die göttliche Vernunft.


THOMAS
erklärt die »naturales leges« als »ipsae naturales inclinationes rerum proprios fines«
(Nom. 10, 1). »Lex naturae nihil aliud est, nisi lumen intellectus insitum nobis a Deo, per quod cognoscimus, quid agendum et quid vitandum« (Sum. th. I, 60, 5a).

KEPLER, KOPERNIKUS, GALLILEI bestimmen die Naturgesetze unpersönlich (mathematisch) als Abhängigkeiten; so auch F. BACON, der sie »Schematismen« nennt.

DESCARTES ist geneigt, die Naturgesetze auf Gott zurückzuführen.

SPINOZA gründet sie auf die ewige Wesenheit der Substanz.


Nach LEIBNIZ handelt Gott gesetzmäßig
(Theod. I, § 28).

BERKELEY betrachtet die Naturgesetze als Zeichen der ewig gleichen Betätigung des göttlichen Geistes
(Princ. LXII).

NEWTON erklärt, er wolle »missis formis substantialibus et qualitatibus occultis phaenomena naturae ad leges mathematicas renovare«
(Phil. nat. princ. math. Anf.).

HUME meint, die Vorstellung einer Änderung des Naturlaufes sei möglich
(Treat. III, sct. 6). Gesetzmäßigkeit ist Regelmäßigkeit des Geschehens.

Nach FERGUSON ist Gesetz »jede allgemeine Regel, die aus der Vergleichung mehrerer Faktorum abgezogen ist«
(Grunds. d. Moralphilos. S. 2). Es gibt physische und moralische (geistige) Naturgesetze. »Ein physisches Gesetz ist jeder allgemeine Ausdruck einer in mehreren einzelnen Fällen vorkommenden Veränderung.« »Ein moralisches Gesetz ist jeder allgemeine Ausdruck von dem was gut und also geschickt ist, die Wahl verständiger Wesen zu bestimmen« (l.c. S. 4). »Gesetz« bedeutet zuweilen das Faktum selbst (l.c. S. 71). Auch die Geisterwelt hat Gesetze, »denn es gibt unter den Veränderungen und Operationen der Seele gewisse beständige und unveränderliche Fakta« (l.c. S. 72).

MENDELSSOHN versteht unter Gesetzen »allgemeine Sätze, in welche wir die besonders Beobachteten oder geschlossenen Kausalitätsverbindungen gebracht haben, durch deren Anwendung wir in jedem vorkommenden Fall auf den Erfolg rechnen«
(Morgenst. I, 2).

KANT sieht in der »Gesetzgebung«eine apriorische Funktion des Verstandes, durch welche die Mannigfaltigkeit der Erfahrungsinhalte geordnet wird. Die empirischen Gesetze sind aber schon Anwendungen der gesetzgebenden Funktion des Denkens auf den Erfahrungsinhalt. Rein a priori ist nur das kausal-gesetzmäßige Verknüpfen überhaupt. Gesetze sind »Regeln, sofern sie objektiv sind mithin der Erkenntnis des Gegenstandes notwendig anhängen«
(Krit. d. r. Vern. S. 134). Es heißt aber »die Vorstellung einer allgemeinen Bedingung, nach welcher ein gewisses Mannigfaltige mithin auf einerlei Art) gesetzt werden kann, eine Regel, und wenn es so gesetzt werden muß, ein Gesetz« (l.c. S. 125). Die einzelnen Gesetze sind Bestimmungen höchster Verstandesgesetze, die »nicht von der Erfahrung entlehnt sind, sondern vielmehr den Erscheinungen ihre Gesetzmäßigkeit verschaffen, und eben dadurch Erfahrung möglich machen müssen«. »Es ist also der Verstand nicht bloß ein Vermögen, durch Vergleichung der Erscheinungen sich Regeln zu machen; er ist selbst die Gesetzgebung für die Natur, d. i. ohne Verstand würde es überall nicht Natur, d.h. synthetische Einheit des Mannigfaltigen der Erscheinungen nach Regeln geben« (l.c. S. 135). Der Verstand ist selbst »der Quell der Gesetze der Natur«. »Zwar können empirische Gesetze, als solche, ihren Ursprung keineswegs vom reinen Verstand herleiten... Aber alle empirischen Gesetze sind nur besondere Bestimmungen der reinen Gesetze des Verstandes, unter welchen und nach deren Norm jene allererst möglich sind, und die Erscheinungen eine gesetzliche Form annehmen« (l.c. S. 135 f.). Praktische Gesetze sind Grundsätze, die als für den Willen jedes vernünftigen Wesens gültig erkannt werden (Krit. d. prakt. Vern. I. B., 1. Hptst., § 1). Reine Vernunft gibt das Sittengesetz (l.c.§ 7). Die Achtung vor dem Vernunftgesetz begründet die Sittlichkeit.

Nach FRIES bestimmt das Gesetz »die notwendige Verbindung mehrerer allgemeiner Bestimmungen, so daß, was unter der einen steht, auch unter der andern stehen muß, die notwendige Verbindung von Begriffen«
(Syst. d. Log. S. 165).

J. G. FICHTE und HEGEL betrachten die Naturgesetze als Setzungen der Ichheit bezw. der Weltvernunft.

Nach
ESCHENMAYER sind alle »äußeren Naturgesetze« aus »inneren Grundgesetzen« des Geistes reflektiert
(Psychol. S. 310). Das Naturgesetz ist »nichts als der besondere Reflex einer allgemeinen Gleichung, die ursprünglich in uns selbst liegt« (l.c. S. 435 f.).

Nach
CHR. KRAUSE ist Gesetz »das gemeinsam Bleibende in der Reihe des Mannigfaltigen, sowohl an ewigen als an zeitlichen Dingen«
(Abr. d. Rechtsphilos. S. 4).

Ähnlich definiert
AHRENS
(Naturrecht I, 226).

Nach BENEKE ist das Gesetz »allgemeiner Ausdruck oder Zusammenfassung mehrerer einstimmiger Prozesse«
(Lehrb. d. Psychol. § 19; Syst. d. Log. II, S. 4, 48 ff.).

SCHOPENHAUER
erklärt das Naturgesetz als die Einheit des Wesens einer Kraft in allen ihren Erscheinungen, als »die unwandelbare Konstanz des Eintrittes derselben, sobald, am Leitfaden der Kausalität, die Bedingungen dazu vorhanden sind«
(W. a. W. u. V. I. Bd.. § 26).

TRENDELENBURG bestimmt das Gesetz als das Allgemeine, das vor der Erscheinung die Erscheinung bestimmt
(Log. Unt. II2, 190)

K. FISCHER
erklärt: »Gesetze des Vorstellens beherrschen die Erscheinungswelt, weil sie dieselbe machen. Daher sind sie, soweit sich das Reich der Erscheinungen erstreckt, Weltbedingungen oder Weltprinzipien, deren Bedeutung völlig verkannt wird, wenn man ihnen nur anthropologische oder psychologische Geltung zuschreiben will: sie können nicht durch Psychologie begründet werden, weil sie diese selbst erst begründen«
(Krit. d. Kantschen Philos. S. 12).

Ähnlich lehren H. COHEN, NATORP u. a.

O. LIEBMANN versteht unter Naturgesetz »eine allgemeine Regel, nach welcher an das Zusammentreffen bestimmter Realbedingungen in der Natur jederzeit und allerorten das nämliche Ereignis als Realeffekt geknüpft erscheint«
(Anal. d. Wirkl.2, S. 280). »Die allgemeine Gesetzlichkeit des natürlichen Geschehens ist das objektive Korrelatum desjenigen in uns, was wir Vernunft, logos, nennen; sie ist die Logik der Tatsachen, ist die Vernunft im Universum« (l.c. S. 281). Das ist eine apriorische Überzeugung (ib.).

Die Zeitlosigkeit der Gesetze, ihre ewige Geltung betont
(ähnlich wie LOTZE) TEICHMÜLLER
(Darwin. u. Philos. S. 9 ff-).

Nach
ULRICI ist ein Gesetz »der allgemeine Ausdruck (die Formel) der bestimmten Art und Weise, in der eine Kraft notwendig und allgemein sich äußert, eine Tätigkeit notwendig und allgemein tätig ist«
(Log. S. 93; vgl. Gott u. Nat. S. 48 f.).

Nach
RÜMELIN ist das Gesetz der Ausdruck für die »elementare Konstante, in allen einzelnen Fällen als Grundform erkennbare Wirkungsweise von Kräften«
(Red. u. Aufs. I, S. 5). Die Ausnahmslosigkeit gehört zum Begriff des Gesetzes, (l.c. S. 16). Die sozialen »Gesetze« sind hypothetischer Art, sind nur eine Art der psychischen Gesetze (l.c. I, 9 f., 28; II, 118 ff.).

Nach M. CARRIERE drücken die Gesetze der Natur »die Beziehungen und Verhältnisse der Wesen zueinander aus, welche der eine Unendliche alle in sich hegt und durch seine Gegenwart verbindet«
(Ästh. I, 29).

Nach E. v. HARTMANN bezeichnet das Gesetz »die bestimmte Wirkungsweise unter bestimmten Verhältnissen«
(Kategorienlehre S. 422). Es hat »im Geschehen eine implizite Existenz« (l.c. S. 423), ist etwas Beständiges, schließt aber variable und konstante Faktoren in sich (ib.). »Das Gesetz zeigt die ideelle Bestimmtheit an, zu welcher die Natur den Inhalt ihrer dynamischen Funktionen von Fall zu Fall determiniert.« »Die Gesamtheit der Weltgesetze erschöpft die 'Welt als Idee'« (Weltansch. der mod. Phys. S. 209).

G. SPICKER erklärt »Gesetz« als die »unveränderlichen, allgemeinen Normen, nach welchen sich alle Prozesse in den äußeren Erscheinungen vollziehen«
(Vers. e. n. Gottesbegr. S. 77). Die Gesetze sind »teleologischer Natur«(l.c. S. 81). Vor der Entstehung des Endlichen sind sie nur potentiell (l.c. S. 120).

A. COMTE lehrt einen Positivismus, der anstatt aus abstrakten, unbekennten Kräften die Tatsachen aus ihren konkreten Gesetzen erklärt.

Nach
J. ST. MILL ist »jede vollbegründete induktive Generalisation« ein Naturgesetz
(Log. I, 375). Die Naturgesetze bestehen in »beobachteten Übereinstimmungen sei es des Nacheinander oder des Nebeneinander gewisser Erscheinungen« (Üb. Relig. S. 12).

GIZYCKI erklärt: »Ein Naturgesetz ist... nur der Ausdruck für eine allgemeine Tatsache, und nicht ist es etwas außerund über den Tatsachen: die Dinge richten sich nicht nach den Gesetzen, sondern die Gesetze nach den Dingen. Die Dinge tun das, was in ihrer eigenen Natur liegt«
(Moralphilos. F,. 209).

Nach NIETZSCHE gibt es an sich keine »Gesetze«, diese sind subjektive Fiktionen
(WW. V, 1, 2). Wir legen in die Natur, in den kontinuierlichen Fluss des Geschehens, Gesetze hinein (WW. III, 1, S. 40 f.).

L. BUSSE betont, Naturgesetze seien nicht »logisch notwendige Gebote, denen die Dinge entsprechen, weil ein abweichendes Verhalten unmöglich, logisch undenkbar ist«, sondern »Formulierungen des tatsächlichen Verhaltens der Dinge«
(Philos. u. Erkenntnistheor. I 1, 194).

Nach HELMHOLTZ ist ein Gesetz »das gleichbleibende Verhältnis zwischen veränderlichen Größen«
(Vortr. u. Red. I, 240), »der allgemeine Begriff, unter den sich eine Reihe von gleichartig ablaufenden Naturvorgängen zusammenfassen läßt« (l.c. I, 375). Die Geltung eines vollständig bekannten Naturgesetzes ist eine ausnahmslose (ib., vgl. S. 169 f.).

Nach STEINTHAL ist ein Naturgesetz ein »bestimmtes und festes Verhältnis der Bewegungen«
(Einl. in d. Psychol. S. 114).

Als Abstraktion von regulativer Bedeutung faßt das Naturgesetz O. CASPARI auf
(Zusammenh. d. Dinge S. 160 ff.).

Die Unveränderlichkeit der Naturgesetze betont
A. COMTE.

Nach RENOUVIER ist ein Gesetz (»une relation d'ordre general, ou une propriété (une qualité spécifique) servant à lier et à séparer, a distribuer d'après leurs caractères,des classes plus ou moins étendues de phénomènes«
Nouv. Monadol. p. 7).

MEINONG versteht unter Gesetz »die für alle Glieder einer Reihe gleichbleibende Beziehung, durch welche je ein Glied dieser Reihe zu einem Gliede einer oder mehrerer anderer Reihen zugeordnet ist«
(Grundl. d. Log.2, S. 162).

Nach SIMMEL bedeutet ein Gesetz, »daß die gleiche entweder natürliche oder ethische Notwendigkeit da eintritt, wo die gleichen Vorbedingungen gegeben sind«
(Einl. in d. Moralwiss. II, 21). Gesetz eines Geschehens ist ein »Satz..., dem gemäß der Eintritt gewisser Tatsachen unbedingt - d.h. jederzeit und überall - den Eintritt gewisser anderer zur Folge hat« (Probl. d. Geschichtsphilos. S. 34).

Nach L. STEIN sind Naturgesetze »Begriffskopien von Rechtsgesetzen«
(An d. Wende d. Jahrhund. S. 262), »Einheitsformeln«, »Gattungsbegriffe« (l.c. S. 264 ff.). Das Naturgesetz ist »nichts anderes als psychischer Zwang, eine Gedankennötigung, die Mannigfaltigkeit des Erscheinenden unter eine bestimmte Gedankenreihe bezw. Interpretationsform zu subsumieren« (l.c. S. 31).

SIGWART bemerkt: »Die Voraussetzung aller Forschung, daß Gesetze in der Welt herrschen, sagt nur in andern Worten, daß die Natur Gedanken realisiere, daß Naturnotwendigkeit und logische Notwendigkeit dasselbe sei«
(Kl. Schrift. II2, 64).

Nach HAGEMANN ist Gesetz »der bestimmte Ausdruck für die sich gleichbleibende Wirkungsweise gewisser Kräfte«. »Je nachdem diese Wirkungsweise durch die Natur der Kräfte mit Notwendigkeit bedingt ist oder aus der freien Betätigung der Kräfte hervorgeht, unterscheiden wir Natur- und Freiheits-Gesetze«
(Log. u. Noet.S. 20).

RIEHL betont, Gesetze und Wirken der Dinge seien nicht verschieden. Gesetze sind »die Beziehungen der Dinge, die Formen der Vorgänge, unter verallgemeinerten oder vereinfachten Umständen gedacht«
(Phil. Krit. II 2, 248). Die Gesetzmäßigkeit der Natur ist ein logisches Postulat (ib.). »Kein Gesetz kann in einer Tatsache rein aufgehen.« »Jedes Gesetz ist ein Satz mit einem Wenn: zwei Massenpunkte würden sich genau nach dem Gesetze der Gravitation annähern, wenn sie allein in der Welt wären« (Einf. in d. Philos. S. 245). Obgleich nicht aus der Geschichte allgemeine Gesetze abzuleiten sind, so ist sie doch solchen unterworfen (l.c. S. 170 f.).

Nach SIMMEL
(Probl. d. Geschichtsphilos. S. 54) und nach RICKERT (Grenz. d. naturwiss. Begriffsbild. S. 258) gibt es keine historischen Gesetze; vgl. hingegen G. MAYR, Die Gesetzmäß im Gesellschaftsleb. 1877.

Nach WUNDT sind Gesetze allgemeine Regeln, die eine Gruppe von Gleichförmigkeiten des Seins oder Geschehens zusammenfassen. Die wesentlichen Merkmale eines Gesetzes sind: 1) die Verknüpfung selbständig zu denkender Tatsachen, 2) das direkte oder indirekte kausale Verhältnis, 3) der heuristische Wert und die generelle Bedeutung. Die Naturgesetze sind nicht ausnahmslos, noch weniger die geistigen Gesetze, die aber (gegen RÜMELIN u. a.) anzuerkennen sind
(Log. II2, 132 ff.; Phil. Stud. III, 195; XIII, 404).

SCHUPPE versteht unter Gesetz die Notwendigkeit oder regelmäßige Verknüpfung der Ereignisse
(Log. S. 59). Die »feste Ordnung des Seienden« gehört zu seiner Denkbarkeit (l.c. S. 65).

Nach UPHUES sind Gesetze Begriffe, in welche wir »die alle gleichen Dinge charakterisierenden Merkmale zusammenfassen«
(Psychol. d. Erk. I, 73).

Wie
E. MACH betrachtet H. CORNELIUS die physikalischen Gesetze als »vereinfachende, zusammenfassende Beschreibungen unserer Erfahrungen«
(Einl. in d. Philos. S. 267). Sobald ein Erfahrungsbegriff seine Bedeutung hat, »kann vermöge des Identitätsprinzips kein anderer Zusammenhang mehr durch diesen Begriff bezeichnet werden als derjenige, der einmal unter diesen Begriff befaßt worden ist«(l.c. S. 291). Die Außenwelt besteht in den »gesetzmäßigen Zusammenhängen..., in welche wir unsere Wahrnehmungen gemäß dem allgemeinen Mechanismus der Bildung der Erfahrungsbegriffe einordnen« (l.c. S. 271; ähnlich manche Kantianer). Im letzten Grunde ist es »nur unser begreifendes Denken... welches Ordnung und Gesetz in das Chaos der Erscheinungen bringt« (l.c. S. 298). Vgl. H. COHEN, für den der Begriff des Gesetzes eine Kategorie ist (Log. S. 222).

Gnosis (gnôsis) S. 398f. Siehe auch bei Kirchner
Erkenntnis, Wissen, auch die Gnostik, die Lehre der Gnostiker. Als religiöse Erkenntnis findet sich gnôsis schon im Neuen Testament (Matth. XIII; Paul., Cor. 1, VIII, l).

Dann bei CLEMENS ALEXANDRINUS. Nach ihm ist das gnônai pleon tou pisteusai (Strom. VI, 14, 109). Die gnôsis ist apodeixis tôn dia pisteôs pareilêmmenôn tê pistei epoikodomoumenê (l.c. VII, 10, 57). Er, wie ORIGENES, wollen den Glauben durch Gnosis stützen, bewahrheiten.

Die »häretischen« Gnostiker geben eine Metaphysik der Religion, sie sind Theosophen, Mystiker, welche psychisch-religiöse Processe, Zustände, Begriffe und Entwicklungsphasen hypostasieren. Sie sind Anhänger einer Emanationslehre, die wesentlich von der der Neuplatoniker beeinflußt ist. Sie rühmen sich der absoluten Erkenntnis von Gott, der Natur und der Geschichte (HARNACK, Dogmengesch. I3, 220; vgl. S. 215).

Zu den Gnostikern gehören:
BASILIDES, VALENTINUS, SATURNINUS, CERDON, MARCION, APELLES, KARPOKRATES, BARDESANES.

Der Gnostizismus ist ein System, wonach »aus dem Urvater die göttlichen, überweltlichen Äonen, d.h. hypostasierte Kräfte, die an der Gottheit und ihrer Ewigkeit teilhaben, emaniert sind, die das Pleroma ausmachen, die Sophia aber, der letzte der Äonen, durch ungeregelte Sehnsucht nach dem Urvater dem Streben und Leiden verfiel, aus dem eine niedere, außerhalb des Pleroma weilende Weisheit, die Achamoth, ferner das Psychische und die Körperwelt samt dem Demiurgen hervorgingen, und wonach eine dreifache Erlösung stattgefunden hat: innerhalb der Äonenwelt durch Christus, bei der Achamoth durch Jesus, das Erzeugnis der Äonen, und auf Erden durch Jesus, den Sohn der Maria, in dem der heilige Geist oder die göttliche Weisheit wohnte« (ÜBERWEG-HEINZE, Gr. d. Gesch. d. Philos. II7, 29 f.). Vgl.c.F. BAUR, Die christl. Gnosis 1835; E. H. SCHMITT, Die Gnosis I, 1903.)
l
Grad S. 1141
Stufe, Größe, der Qualität oder Intensität, intensive Größe. -

Nach CHR. WOLF sind Grade »quantitates qualitatum« (Ontol. § 747); so auch BAUMGARTEN (Met. § 246).

Nach KANT hat »jede Empfindung einen Grad oder eine Größe, wodurch sie dieselbe Zeit d. i. den innern Sinn in Ansehung derselben Vorstellung eines Gegenstandes mehr oder weniger erfüllen kann, bis sie in nichts (= 0 = negatio) aufhört« (Kr. d. r. Vern. S. 146).

Nach HEGEL ist »Grad« die »intensive Größe« (Encykl. § 103), »die Größe als gleichgültig für sich und einfach« (l.c. §104; vgl. K. ROSENKRANZ, Syst. d. Wiss. § 64 ff.).

WUNDT unterscheidet innerhalb jedes Systems psychischer Elemente Intensitäts-, Qualitäts- und Klarheitsgrade (Gr. d. Psychol.5, S. 305).

Gut S. 1161 ff Siehe auch bei Kirchner
ist alles, was (inwiefern es) wegen seiner Eignung, einen Willen (ein Begehren) zu befriedigen, als zweckvoll beurteilt wird. Das »gut-Sein« ist, begrifflich, ein Product unseres Urteils über die Bedeutung eines Objects für unser oder für ein Ich (für ein Ding) überhaupt (subjectiv gut, objectiv gut). Das objectiv Gute ist das (empirisch oder ideal) allgemein Bewertete, zu Bewertende, weil die Allgemeinheit Fördernde, es ist das überindividuelle Gute. Das An-sich (Fundament) des Guten besteht in den Eigenschaften, um derentwillen etwas als gut gewertet wird. Zu unterscheiden sind das physisch, biologisch, geistig, social, ethisch, ästhetisch, logisch, religiös Gute.

Schlecht ist etwas, sofern es ein Bedürfnis nicht befriedigt, zu einem (bestimmten) Zwecke untauglich ist. Gut und schlecht mit allen ihren Modificationen sind praktische oder Wertungs-Kategorien, Beurteilungsbegriffe; sie enthalten (bewußt oder stillschweigend) die Beziehung auf ein Subject überhaupt.

Güter sind Gegenstände von (subjectivem oder objectivem, individuellem oder allgemeinem) Wert. Zu unterscheiden sind physische und geistige (moralische, ethische) Güter. Alles, was die Erhaltung und Entwicklung der Gesamtkräfte eines Individuums, einer Gemeinschaft fördert, was die individuell-sociale echte Cultur hebt, was die Potenzen zur Höherentwicklung zu verwirklichen geeignet ist, ist ein (wahres) Gut und erregt daher, wenn bewußt, Lust. Höchstes Gut ist das zuhöchst Gewertete, der Inbegriff aller Güter, in einer Einheit gedacht, oft mit Gott identificirt.


In der Geschichte der Philosophie wird das Gute bald in die Lust (das Lusterregende), bald in die Energieentfaltung, bald in das (individuell-social) Nützliche, bald in das Sittliche verlegt. Manchmal wird das Gute ontologisch (metaphysisch) als Princip der Dinge aufgefaßt.

SOKRATES setzt das agathon, das Gute, gleich dem kalon (Schönen) und ôphelimon, chrêsimon (Nützlichen) (XENOPHON, Memor. IV, 6, 8 f.).

Die Kyrenaiker werten die Lust als gut, die Cyniker die Bedürfnislosigkeit, Leidlosigkeit und (zur Erreichung dieser) das kat' aretên zên, die Tugend (Diog. L. VI 9, 104).

EUKLID VON MEGARA
erklärt: das Eine, Seiende ist das Gute, dieses ist unwandelbar. Das Gute ist also Weltprincip: houtos hen to agathon apephaineto pollois kaloumenon, hote men gar phronêsin, hote de theon kai allote noun kai ta loipa, ta de antikeiyena tô agathô anêrei, mê einai phaskôn (Diog. L. II, 106). Das Gute sei nur das, »quod esset unum et simile et idem semper« (CICERO, Acad. II, 42).

PLATO
betrachtet die Idee des Guten als megiston mathêma, als höchsten Erkenntnisgegenstand (Rep. VI, 505 A ff.). Die Idee des Guten ist der Grund, das Princip alles Schönen und Wahren, d.h. die Norm, das Ethische gleichsam liegt schon dem Ästhetischen und Logischen zugrunde touto toinyn to tên alêtheian parechon tois gignôs-komenois kai tô gignôskonti tên dynamin apodidon tên agathou idean phathi einai, aitian epistêmês ousan kai alêtheias (Rep. 508 E). Ja, das Gute ist der Grund des Seins, indem das Sein besser ist als das Nichts (Phäd. 97 C). So überragt denn die Idee des Guten (das Gute an sich) die Seinsidee: kai tois gignôskomenois toinyn mê monon to gignôskesthai phanai hypo tou agathou pareinai, alla kai to einai te kai tên ousian hyp' ekeinou autois proseinai, ouk ousias ontos tou agathou, all' eti epekeiya tês ousias presbeia kai dynauei hyperechontos (Rep. 509 B).

Die Idee des Guten ist eins mit der göttlichen Vernunft (Phileb. 22), sie ist der Demiurg (Tim. 28 ff.). Anfangs identificiert Plato das Gute mit dem Nützlichen (Protag. 333D, 353C), später gibt er eine Gütertafel, auf welcher Harmonie, Schönheit, Vernunft (Wahrheit), reine Lustgefühle als Wertobjecte erscheinen (Phileb. 65 f.).

ARISTOTELES
gründet die Ethik auf den Begriff des höchste Gutes to pantôn akrotaton tôn praktôn agathôn (Eth. Nic. I, 2). Gut ist hou pant' ephietai (Eth. Nic. I 1, 1094 a 3). Es gibt ein agathon haplôs (»bonum simpliciter, per se« der Scholastiker), agathon tini, heterou heneka, di' allo (»bonum cui, secundum quid, per accidens«) (l.c. I 1, 1094 a 18; I 4, 1096 b 13; Top. III 1, 116 b 8), phainomenon agathon und kat' alêtheian agathon (scheinbares und wahres Gut), kyriôs agathon (l.c. III 6, 1113 a 16; III 7, 1114 b 7; VI 13, 1144 b 7).

Das Gute besteht beim Menschen in der Eudämonie, und diese wiederum beruht auf der naturgemäßen (oikeion) Tätigkeit, in der vernünftigsittlichen Energieentfaltung der Seele en tô ergô dokei tagathon einai kai to en (Eth. Nic. I 6, 1097 b 27); toanthrôpinon agathon psychês energeia ginetai kat' aretên, ei de pleious hai aretai, kata tên aristên kai teleiotatên. eti d' en biô teleiô, (1 c. I 6, 1098 a 16 squ.). Die Güte kommt primär den Einzeldingen zu; sie besteht allgemein in der Verwirklichung des Naturzwecks (des Gattungsbegriffes) derselben. Alles Wirkliche ist gut an sich (vgl. E. ARLETH, Die metaphys. Grundlag. d. Aristotel. Eth. S. 39, 51). –

Äußerer Güter bedarf man, um an der Ausübung der Tugend nicht gehindert zu werden
dio prosdeitai ho eudaimôn tôn en sômati agathôn kai tôn ektos kai tês tychês, hopôs mê empodizêtai tauta, (l.c. VII 14, 1153 b 17 squ.). Aber sie sind nur Mittel, nicht Zweck (l.c. I 9, 1099 a 34).

Aristoteles
unterscheidet: Güter der Seele, des Leibes, äußere Güter; ferner: unmittelbare und mittelbare Güter (Eth. Nic. I 8, 1098 b12; Polit. VII 1, 1323 a 24; Eth. Nic. I 4, 1096 b 13 squ.; VII 10, 1151 a 35 squ.; Rhetor. I 6, 1362 a 17 squ.). Ein Gut ist um so wertvoller, je beständiger es ist und je mehreren es zuteil wird. Seelische Güter sind denen des Körpers vorzuziehen (Top. III 1, 116 a 13; Eth. Nic. I 1, 1094 b 7; I 8, 1098 b 12 squ.; Polit. VII 1, 1323 b 16; De partib. animal. I 5, 645 b 19; vgl. ARLETH. l.c. S. 65 ff.). [...]

Harmonie (harmonia) S.1188ff. Siehe auch bei Kirchner
Zusammenfügung einer Vielheit zur Einheit, Zusammenstimmung, Übereinstimmung, Anpassung der Teile eines Ganzen aneinander zu einer Ordnung, Verbindung der Gegensätze in und zu einer Einheit. Die musikalische Harmonie beruht auf dem Fehlen von Schwebungen und Klang-Rauhigkeiten in einer Tonverbindung (HELMHOLTZ, Lehre von d. Tonempfind.2, ff. 297 ff.; Vortr. u. Red. II4, 121 ff.; vgl. WUNDT, Grdz. d, phys. Psychol. II, 65; STUMPF, Conson. u. Disson. Beitr. zur Akust. u. Musikwiss. 1. H. 1898).

In der Ästhetik und in der Ethik
(Harmonie der Charaktereigenschaften, der Interessen, der individuellen und socialen Triebe u.s.w.) ist der Begriff der Harmonie von Bedeutung. Die Harmonie der Welt, d.h. die gesetzmäßige, causal-teleologische Zusammenfügung der Dinge und Kräfte zu einer Weltordnung, ist von philosophischer Wichtigkeit.

Die Pythagoreer übertragen den musikalischen Harmoniebegriff auf das All. In diesem sind alle Gegensätze zur Einheit vereinigt. Alles in der Welt ist nach harmonischen Verhältnissen geordnet, ist selbst Harmonie und Maß: ton holon ouranon harmonian einai kai arithmon (Aristot., Met. I 5, 986 a 3); kata de tous tês harmonias logous (Diog. L. VIII 1, 29).

Die Seele ist eine Harmonie (so auch nach ARISTOXENOS, DIKAEARCH, GALEN). Auch die Tugend ist eine Harmonie (tên d' aretên harmonian einai ... kath' harmonian synestanai ta hola ( Diog. L. VIII 1, 33). Die Sphärenharmonie entsteht aus dem Zusammenklang der um das Centralfeuer (hestia) sich bewegenden Planeten zu einem Heptachord (vgl. Goethe, FaustI: »Die Sonne tönt nach alter Weise in Brudersphären Wettgesang«).

Die Harmonie der widerstreitenden Gegensätze im All betont HERAKLIT, damit die Gesetzmäßigkeit und Ordnung der Welt zum Ausdruck bringend: Hêraklei-tos to antixoun sympheron kai ek tôn diapherontôn kallistên harmonian kai panta kat' erin ginesthai (Arist., Eth. Nic. VIII 2, 1155 b 4); ou syniasin hokôs diapheromenon heôutô homologei. palintropos harmoniê hokôsper toxon kai lyrês (die in sich zurückkehrende Harmonie, wie die des Bogens und der Leier, Fragm. 45); esti gar, phêsin, harmoniê aphanês phanerês kressôn (Fragm. 47).

Die Harmonie des Weltganzen preisen PLOTIN dann wieder (in pythagoreisch klingender Weise) NICOLAUS CUSANUS, KEPLER, G. BRUNO.

Die Harmonie als ethisches Princip betont
SHAFTESBURY (Inquir. conc. virt. I, 2; The moral. II, 4; III, 1).

Nach LEIBNIZ ist Harmonie »unitas in multitudine«. Er stellt den Begriff der prästabilierten (vorherbestimmten) Harmonie auf, um die Ordnung des Alls ohne directe Wechselwirkung (Influxus) zu erklären, da ihm die Anerkennung der letzteren durch seinen Begriff der einfachen Monade verwehrt ist. Die Theorie der prästabilierten Harmonie (»harmonia praestabilita, harmonie préétablie, harmonie universelle, accord, concomitance, liaison, accommodement, rapport mutuel reglé par avance« u. dgl.) besagt, daß Gott alle Beziehungen sowohl zwischen den einzelnen Dingen (Monaden) als auch zwischen Seele und Leib von Anfang an so geordnet hat, daß alles Geschehen gesetzmäßig und zweckmäßig verlaufen muß, obgleich statt wirklicher Einzelcausalität nur ein Parallelismus, eine Coordination der Geschehnisse besteht. Jeder Monade hat Gott ein festes Gesetz eingepflanzt, welchem gemäß ihre (rein immanente) Tätigkeit sich abspielt, so aber, daß alle Monaden einander angepaßt sind, daß auf alle Rücksicht genommen ist, daß die Vorgänge einander angemessen, angepaßt sind (Monadol. 51, 52, 60). Den Namen »prästabilierte Harmonie« gebraucht Leibniz zuerst 1696, in einem Briefe an Basnage de Beauval (Gerh. III, 121 f.; vgl. III, 67, Brief an Bayle). Die Monaden sind rein geistig, punktuell, »ohne Fenster«,bilden jede »un monde à part«, können daher nicht gegenseitig aufeinander einwirken. Daher muß Gott der Vermittler der Causalität sein, aber nicht bloß gelegentlich, wie der Occasionalismus meint sondern ein für allemal von Anfang an. Alle Monaden sehen das eine Universum in verschiedenem Klarheitsgrade, jede hat Beziehungen, welche alle anderen ausdrücken, so daß sie ein lebendiger Spiegel des Alls ist (Monadol. 66, 57). »Car chacune de ces âmes exprimant à sa manière ce qui se passe au dehors et ne pouvant avoir aucune intfluence des êtres particuliers ou plutôt devant tirer cette expression du propre fond de sa nature, il faut nècessairement, que chacune ait reçue cette nature d'une cause universelle, dont ces êtres dèpendent tous et qui fasse, que l'un soit parfaitement d'acoord et correspondant avec l'autre, ce qui ne se peut sans une connaissance et puissance infinie« (Nouv. Ess. IV, § 11). Insbesondere besteht eine Harmonie zwischen Leib und Seele. Psychische und physische Processe gehen einander parallel, sind einander gesetzmäßig zugeordnet, ohne psychophysische Wechselwirkung, ohne Durchbrechung jeder Reihe von Vorgängen. Seele und Leib gleichen zwei Uhren, die so eingerichtet sind, daß ihr Gang für alle Zeiten ein übereinstimmender ist (Gerh. IV, 498). »L'âme suit ses propres lois, et le corps aussi les siennes, et ils se rencontrent en vertu de l'harmonie préétablie entre toutes les substances, puisqu'elles sont toutes les representations d'un même univers« (Monadol. 78). »Les âmes agissent selon les lois de causes finales parappétitions, fins et moyens. Les corps agissent selon les lois de causes efficientes ou des mouvements. Et les deux règnes... sont harmoniques entre eux,« (Monadol. 79). »Ce système fait, que les corps agissent comme si (par impossible) il n'y avait point d'âmes, et que les âmes agissent comme s'il n'y avait point de corps, et que tous deux agissent comme si l'un influait sur l'autre« (Monadol. 81). »Dieu a créé d'abord l'âme de telle sorte, que pour l'ordinaire il n'a besoin de ces changements, et ce qui arrive à l'âme, lui naît de son propre fonds, sans qu'elle se doive acoommoder au corps dans la suite, non plus que le corps à l'âme. Chacun suivant ses lois, et l'un agissant librement, l'autre sans choix, se rencontre l'un avec l'autre dans les mêmes phénomènes« (Gerh. II, 58). Der Seele und dem Leibe hat Gott eine Natur verliehen, »dont les lois mêmes portent ces changements, de sorte que selon moi les actions des âmes n'augmentent n'y diminuent point la quantité de la force mouvante, qui est dans la matière, et n'en changent pas même la direction« (Gerh. III, 121 f.). Endlich besteht auch eine Harmonie zwischen dem »Reiche der Natur« und dem »Reiche der Gnade«, d.h. zwischen dem Handeln und dessen Folgen. Die Dinge führen auf natürliche Weise zur Gnade, zum verdienten Zustand, zum Glücke, die Sünden, das Schlechte zur Strafe, so daß alles aufs schönste, beste, gerechteste geordnet ist (Monadol. 87, 88, 89). Die Gegenwart geht mit der Zukunft schwanger, in jeder Seele könnte man die Schönheit des Alls lesen (Princ. de la nat. 13). Mechanisches und zweckvolles Geschehen sind miteinander in Harmonie. »Je me flatte d'avoir pénétre l'harmonie des différents règnes et d'avoir vu, que les deux partis ont raison, pour rien qu'ils ne se choquent point; que tout ce fait mécaniquement et metaphysiquement en même temps dans les phenomènes de la nature« (Gerh. III, 607).

Mit Modificationen wird die prästabilierte Harmonie gelehrt von CHR. WOLF, BAUMGARTEN (Met. § 462 ff.), BILFINGER (De harmon. praest. p. 73 ff.) u. a.

Gegner dieser Lehre ist u. a. RÜDIGER, der an der Influxustheorie festhält.

Von einer »constabilierten Harmonie« spricht SWEDENBORG.

In seiner vorkritischen Periode nimmt KANT eine (aber nicht vorbestimmte) »Harmonie der Dinge« mit wirklicher Wechselwirkung an (Princ. prim. sct. III).

Bei verschiedenen neueren Philosophen kommt der Gedanke der Weltharmonie zur Geltung, so bei SCHELLING (Syst. d. transc. Ideal. S. 65; Vom Ich S. 201 f.), HERBART, HILLEBRAND, nach welchem Denken und Sein in prästabilierter Harmonie miteinander sind (Philos. d. Geist. I, 5), LOTZE, J. H. FICHTE, der von einem allgemeinen »Harmonismus« der Dinge spricht (Psychol. II, 21) und FECHNER (Zend-Avesta II, 152); auch bei M. WARTENBERG (Probl. d. Wirkl. 1900, S. 136).

Henotheismus (heis, theos): S.1205
die Verehrung einer Stammesgottheit, Nationalgottheit, die als einzige Gottheit gilt; Vorstufe des universellen Monotheismus. Name und Begriff des Henotheismus bei MAX MÜLLER (Vorles. üb. d. Urspr. u. d. Entwickl. d. Relig. S. l58 f., 291 f.).

Hylozoismus (hylê, Stoff; zôê Leben): Siehe auch bei Kirchner
Theorie der Stoffbeseelung; Ansicht, nach welcher die Materie als solche schon ursprünglich belebt, beseelt ist; Empfindung, Trieb, ev. auch das Bewußtsein gelten als Eigenschaften der Materie (der Atome). Der Ausdruck »Hylozoismus« schon bei R. CUDWORTH.

Ferner bei KANT: »Der Realismus der Zweckmäßigkeit der Natur ist auch entweder physisch oder hyperphysisch. Der erste gründet die Zwecke in der Natur auf dem Analogon eines nach Absicht handelnden Vermögens, dem Leben der Materie (in ihr, oder auch durch ein belebenden inneres Princip, eine Weltseele), und heißt der Hylozoismus« (Kr. d. Urt. II, § 72). Der Hylozoismus ist nach Kant der »Tod aller Naturphilosophie«.

Hylozoisten sind: THALES, nach welchem der Magnet beseelt ist, weil er das Eisen anzieht (Aristot., De an. I, 2), und der von der Bewegung auf Leben schließt (l.c. I, 5) hypestêsato kai ton koasmon empsychon kai daimonôn plêrê, (Diog. L. I, 27);

ANAXIMENES
, nach welchem die Luft das beseelte Weltprincip ist (Plut., Plac. I, 3, 6), so auch DIOGENES VON APOLLONIA:

HERAKLIT, dem das Weltfeuer zugleich die Weltvernunft ist; die Stoiker, welche im Pneuma die Weltseele erblicken.

Erneuert wird der Hylozoismus in der Renaissance-Philosophie
bei PARACELSUS, CARDANUS, VAN HELMONT, später bei G. BRUNO, GASSENDI, SPINOZA, bei R. CUDWORTH, F. GLISSON (Tractat. de nat. subst. energ. 1672, p. 90 ff.), H. MORE, der ein »beharrliches Princip« annimmt (Enchir. met. C. 28, § 3), LEIBNIZ (Monaden), bei MAUPERTUIS, DIDEROT, ROBINET, BUFFON, GOETHE (WW. XXV, 132 f.), in der Schule SCHELLINGS, bei SCHOPENHAUER, CZOLBE, L. NOIRE, CLIFFORD, ROMANES, ZÖLLNER, NAEGELI (Mechan.-physiol. Theor. d. Abst. S. 597), LOTZE, FECHNER) E. v. HARTMANN, B. WILLE, W. BÖLSCHE u. a.

E. HAECKEL erklärt: »Jedes Atom besitzt eine inhärente Summe von Kraft und ist in diesem Sinne 'beseelt'... Lust und Unlust, Begierde und Abneigung, Anziehung undAbstoßung müssen allen Massen-Atomen gemeinsam sein« (Die Perigenes. d. Plastid. S. 38 f.). Die »Plastidulen« (belebte Atomcomplexe) haben ein unbewußtes Gedächtnis (ib.). Masse und Äther besitzen Empfindung und Willen, sie »empfinden Lust bei Verdichtung, Unlust bei Spannung; sie streben nach der ersteren und kämpfen gegen letztere« (Welträtsel S. 254 f.); so auch J. G. VOGT.

Hylozoist ist auch LE DANTEC (Théor. nouvelle de la vie 1896; Le détermin. biolog. 1897).
>> Panpsychismus

Idee (idea, eidos, idea, idée) S. 465ff. Siehe auch bei Kirchner
bedeutet

1) ursprünglich: Gestalt, Form, Bild;

2) Urbild, Musterbild, Typus, als reale Wesenheit;

3) schöpferischer Gedanke, Begriff, Gedanke, Grundgedanke, begriffliche Einheit, Leitmotiv, Endpunkt des begründenden Denkens;

4) Vorstellung, Bewußtseinsinhalt, Erinnerungsbild, Phantasiegebilde, Einfall. -

Man unterscheidet
logische, ästhetische, ethische Ideen, ontologische (metaphysische) Ideen, geschichtliche Ideen. In der Welt walten Ideen bedeutet: es gibt eine (immanente) Weltvernunft, einen zweckmäßig-logischen Proceß, der sich in der Natur, im Menschen, in der Geschichte bekundet, realisiert.

Die »Idee« ist dann der Ausdruck für den Sinn, die Bedeutung, die Realisationstendenz eines Seinstypus. Ideen können nur als Willensinhalte, Willensziele als wirksam gedacht werden, als (bewußte oder nicht bewußte) Motive, Antriebe des Strebens, Wollens, Handelns. Die Ideen sind das Constante, Zeitlose, Feste im Flusse des Geschehens, insofern dieses teleologisch betrachtet wird.


Als Form, Gestalt kommt idea vor bei
ANAXAGORAS, DEMOKRIT, der die Atome als ideai = schêmata bezeichnet, auch bei den Pythagoreern (Sext. Empir. Pyrrh. hypot. III, 18).

Den Megarikern (?) wird die Ansicht zugeschrieben, das wahre Sein bestehe in unkörperlichen »eidê«(noêta atta kai asômata eidê biazomenoi tên alêthinên ousian einai (Plat., Sophist. 246 B). -

Schon SOKRATES betont die Allgemeinheit und objective Wesenheit des Begriffes.


PLATO nimmt diesen (und den Eleatischen Gedanken des zeitlosen Seins) auf, um das beständige Werden der Dinge (im Sinne des HERAKLIT und des PROTAGORAS) auf feste Seinseinheiten zu gründen (vgl. ARISTOTELES, Met. I 6, 987 a 29 squ.; XIII 4, 1078b 30). So entsteht der Begriff der »Idee«, welcher das als selbständige, reale Wesenheit geschaute und gedachte Einheitlich-Typische einer Gattung von Dingen bezeichnet.

Nur das Seiende kann erkannt werden, was also wahrhaft als Erkenntnis sich gibt, das ist in einem Sein gegründet. Kein echter Begriff ohne Seinsgrundlage (mê onti mên agnoian ex anankês apedomen, onti de gnôsin, ep. V, 478 C). Das Concret-Allgemeine, Anschaulich-Abstracte, das ewig Gleiche an einer Klasse
von Objecten, die Norm, an der sie gleichsam gemessen werden, das Apriorische in unseren Werturteilen ist die »Idee«
(vgl. Phaedo 102), aber zugleich ist diese eine unabhängig vom Erkennen bestehende, wirksame, unkörperliche, raum- und zeitlose Wesenheit.

Die »Idee« ist der (hypostasierte) Inhalt des Gattungsbegriffes, sie beruht auf einer Vermengung ästhetischer und erkenntnistheoretischer mit mythischen und metaphysischen Bestimmungen.

Die Idee soll jedenfalls nicht bloß ein subjectiver Begriff (logos) sein, sondern an und für sich und wesenhaft (auto kath' hauto meth' hautou) sein (Sympos. 211 B).

Die Ideen sind »getrennt« (chôris) von den sinnlichen Dingen, sie sind in einer übersinnlichen Sphäre (en ouraniô topô). Sie sind die Ur- und Musterbilder aller Dinge, paradeigmata, die Dinge nur ihre Schattenbilder, Erscheinungen, »Nachahmungen« (mimêseis), indem sie an ihnen, den Ideen, »teilhaben« (methexis).

Die Ideen sind den Dingen »gegenwärtig« (parousia), die Dinge sind in »Gemeinschaft« (koinônia) mit ihnen (Phaedo 100 D): Ta men eidê tauta hôsper paradeigmata hestanai en tê physei, ta de alla toutoin eoikenai kai einai homoiômata; kai hê methexis hautê tois allois gignesthai tôn eidôn ouk allê tis ê eikasthênai autois ) (Parmen.132 D); tên de methexin tounoma monon metebalen.hoi men gar Pythagoreioi mimêsei ta onta phasin einai tôn arithmôn, Platôn de methexei (Arist., Met. I 6, 987 b 9 squ.).

Die Ideen sind ewig seiend, unveränderlich, unvergänglich, sinnlich unwahrnehmbar, nur intelligibel. Sie sind nooumena; tas d' au ideas noeisthai men, horasthai d' ou Republ. VI, 507 B; pantapasin einai kath' hauta tauta anaisthêua hyph'hêmôn eidê, nooumena monon, (Tim. 51 D); kata tauta eidos echon, agennêton kai anôlethron... aoraton de kai allôs anaisthêton, touto ho dê noêsis eilêchen episkopei (l.c. 52 A;) hê gar achrômatos te kai aschêmatistos kai anaphês ousia ontôs ousa psychês kybernêtê monô theatê nô (Phaedr. 247 C

Von allem, was begrifflich bestimmt werden kann, gibt es Ideen, von Natur- und Kunstobjecten, von guten und schlechten, schönen und häßlichen Dingen:
eidos gar pou ti hen hekaston eiôthamen tithesthai peri hekasta ta polla hois tauton onoma epipheromen (Rep. 596 A; vgl. Parmen. 130, Theset. 186 A); dagegen Ideen nur von Naturobjecten nach (Aristot., Met. I 6, 987 b 9 squ.). Den Ideen wird auch Wirksamkeit, Leben, Vernunft zugeschrieben (Theaet. 248, Phaed., Phileb.; vgl. Aristot., Met. I 9, 991b 3).

Untereinander stehen die Ideen im Verhältnis der Subordination u.s.w., also in einem den logischen Verhältnissen der Begriffe analogen Zusammenhange. Alle sind sie der höchsten Idee, der Idee des Guten, unterworfen, welche die Zweckursache hou heneka, (Phileb. 54 C), der letzte Seins- und Erkenntnisgrund ist (Republ. VI, 508 E), als Gottheit alles leitet und regelt. Später bestimmt Plato die Ideen als (Ideal-) Zahlen, die aus dem hen als peras und dem apeiron entstanden sind. Das Pythagoreische Element, das der Ideenlehre schon von Anfang an immanent ist, kommt so für sich zur Geltung. -
[...]

Individuation S. 1394 ff. Siehe auch bei Kirchner
Sonderung des Allgemeinen in Individuen, Besonderung in Einzelwesen. Principium individuationis: das Prinzip, der Entstehungsgrund der Existenz von Einzelwesen, von Besonderheiten. Diesen Grund verlegt man bald in die Form, bald in den Stoff, bald in deren Vereinigung; bald in unsern Intellekt (in die Anschauungsformen), bald in den Willen, die Willenskräfte (Triebe) der Dinge selbst, die sich als Einzelwesen behaupten und erhalten (idealistische, realistische Auffassung der Individuation). Die Individuation gilt bald als ursprünglich, bald als aus einem ursprünglich Allgemeinen, Einheitlichen (durch Emanation, Evolution, Differenzierung, »Abfall« u.s.w.) entstanden. Vgl. Werden.

Nach
ARISTOTELES beruht die Individuation auf der Verbindung der »Form« mit dem »Stoffe« zu einem synolon, einem Bestimmten (tode ti), wobei aber der Vielheitsgrund im Stoffe liegt (hosa arithmô polla, hylên echei. heis gar logos kai ho autos pollôn), (Met. XII S, 1074a 33).

So auch AVICENNA: »Individuorum multitudo fit omnis per divisionem materiae« (In Met. XI, 1). »Cum enim materia sola principium sit individuationis et nihil sit singulare nisi materia vel per materiam..., omnes fomas potentia esse in materia et per motum educi de ipsa«
(PRANTL, G. d. L. III, 97).

So auch
ALBERTUS MAGNUS.

THOMAS
bezeichnet die »materia signata vel individualis«, den bestimmten (konkreten) Stoff (z.B. haec carnes) als »principium individuationis«(Sum. th. III, qu. 77, 2). Die »materia sensibus signata« ist »individuationis et singularitatis principium« (1 cael. 19b; Sum. th. I, 3, 2): »Formae, quae sunt receptibiles, in materia individuantur per materiam, quae non potest esse in alio«. »Materia non quomodolibet accepta est principium individuationis, sed solum materia signata« (De ente et ess. 2).

Nach BONAVENTURA gibt die Form das »aliquid esse«, der Stoff das »hoc esse« (In 1. sent. III, 1, 1, 3). »Individuatio est ex communicatione materiae cum forma« (l.c. III, 10, 1, 3).

In die Form setzt die Individuation DUNS SCOTUS. Die Form macht die »quidditas« zur »haecceïtas« (In l. sent. 2, dist. 3, qu. 6, 11). »Unitas individui consequitur aliquam entitatem aliam determinantem istam, et illa faciet unum per se cum entitate naturae« (l.c. 2, d. 1, 3, qu. 6, 9).

Der Nominalismus setzt die Individuation in das Dasein des Wesens selbst, nicht in ein Universales, das zum Individuum erst determiniert.

WILHELM VON OCCAM
betont: »Quaelibet res singularis se ipsa est singularis, unum per se« (vgl. PRANTL, G. d. L. III, 359 f.). Es gibt in Wirklichkeit nur Individuelles: »Omnis res positiva extra animam eo ipso est singularis« (In 1. sent. 1, d. 2, qu. 7).

Wie
G. BIEL (In 1. sent. 2, d. 3, qu. 1) erklärt SUAREZ: »Omnis substantia singularis se ipsa seu per entitatem suam est singularis neque alio indiget individuationis principio per suam entitatem« (Met. disp. 5,sct. 6, 1).

Ähnlich PETRUS AUREOLUS, F. HERVEUS (In quodl. 3, qu. 9), GREGOR VON RIMINI, DURAND VON ST. POURÇAIN, NICOLAUS CUSANUS (»ut quodlibet per se sit unum«, Doct. ignor. III, 4), P. STAHL (Comp. met. C. 35), LEIBNIZ (Deprinc. indiv. § 4).

SPINOZA hingegen betrachtet die Determination, die individuelle Bestimmtheit als »Negation«, Einschränkung des Allgemeinen (»omnis determinatio est negatio«). Die Betrachtung des Alls als Summe von Individuen ist die Erkenntnisart der »imaginatio«, nicht der spekulativen Vernunft.

CHR. WOLF: »Per principium individuationis intelligitur ratio sufficientis intrinseca individui... cur ens aliquod fit singulare«(Ontol. § 228 f.).

Nach ECKHART liegt das Individuationsprinzip in der raum-zeitlichen Bestimmtheit, im »hic et nunc«.

Nach LOCKE ist das Individuationsprinzip »das Dasein selbst, welches einem Dinge für eine besondere Zeit und Raumstelle bestimmt wird, indem diese zwei Dingen derselben Art nicht zugeteilt werden können« (Ess. II, ch. 27, § 3; vgl. Identitatis indiscernib. princ.: KANT).

Nach HUME ist das Prinzip der Individuation »nichts als die Unveränderlichkeit und Ununterbrochenheit eines Gegenstandes während des von uns angenommenen Wechsels in der Zeit, vermöge welcher der Geist dem Objekt in den verschiedenen Momenten seiner Existenz nachgehen kann, ohne die Betrachtung zu unterbrechen und gezwungen zu sein, die Vorstellung der Mehrheit oder Anzahl zu bilden« (Treat. IV, sct. 2, S. 268).

SCHOPENHAUER betrachtet (wie der idealistische Pantheismus,) die Individuation nicht als metaphysische, sondern nur als empirisch-phänomenale Tatsache, als Produkt unserer subjektiven Auffassung des Seins. Raum und Zeit, die Anschauungsformen, sind »principia individuationis« (W. a. W. u. V. I. Bd., § 63). »Wir wissen, daß die Vielheit überhaupt notwendig durch Zeit und Raum bedingt und nur in ihnen denkbar ist, welche wir in dieser Hinsicht das principium individuationis nennen« (l.c. § 25). »Die Individuation ist bloße Erscheinung, entstehend mittelst Raum und Zeit, welche nichts weiter als die durch mein cerebrales Erkenntnisvermögen bedingten Formen aller seiner Objecte sind; daher auch die Vielheit und Verschiedenheit der Individuen bloße Erscheinung, d.h. nur in meiner Vorstellung vorhanden ist« (Üb. d. Grundl. d. Mor. § 22). Der »Wille zum Leben«ist Einheit.

J. H. FICHTE
verlegt den Individuationsgrund in den Willen. »Das Denken ist das Allgemeine, zugleich gemeinsam Machende (der koinos logos) in den Geistern; der Wille das Individualisierende in ihnen, zugleich der Grund ihrer individuellen Sonderung« (Psychol. II, 79).
Vgl. Vielheit.

Intelligenz (intelligentia): S.1443f. Siehe auch bei Kirchner
Einsicht, Erkenntniskraft, Vernünftigkeit, auch intelligentes Wesen Geist«).

THOMAS versteht unter »intelligentia« geistige, auch geistig-vernünftige Tätigkeit (Sum. th. I, 84, 4c; I, 10, 5c; »intelligentia prima, secunda«: I, 47, 1c; »actualis«: I, 93, 7 ad 3). »Hoc nomen intelligentia proprie significat ipsum actum intellectus, qui est intelligere.« Intelligenzen (»intelligentiae«) werden die »substantiae separatae«, welche Engel sind, genannt (Sum. th. I, 79, 10).

SPINOZA erklärt: »Nulla... via rationalis est sine intelligentia, et res eatenus tantum bonae sunt, quatenus hominem iuvant, ut mentis vita fruatur, quae intelligentia definitur« (Eth. IV, app. V).

KANT definiert: »Intelligentia (rationalitas) est facultas subiecti, per quam, quae in sensus ipsius per qualitatem suam incurrere non possunt, sibi repraesentarevalet« (De mundi sensib. sct. II, § 3). Als intelligibler Charakter ist der Mensch reine Intelligenz.

Nach HILLEBRAND ist die Intelligenz »die Seele in ihrem reinen Selbststreben nach der Wahrheit an und für sich« (Philos. d. Geist. I, 268 f.). Es gibt eine intuitive, apprehensive, komprehensive Intelligenz (l.c. S. 271).

Nach WUNDT ist die Intelligenz »die Gesamtsumme der bewußten und im logischen Denken ihren Abschluß findenden Geistestätigkeiten« (Essays4, S. 98), die »einheitliche Verbindung von Wollen und Vorstellen« (Log. II2 2, 17 f.).

Intelligibel (noêtos, intelligibilis): S.1444ff. Siehe auch bei Kirchner
verständlich, denkbar; ferner: nur durch den Verstand, das Denken erfaßbar, übersinnlich, ideal.

PLATO hypostasiert die noêta zu Ideen.

Nach ARISTOTELES ist alles Seiende wahrnehmbar (aisthêta) oder intelligibel (noêta, De an. III 8, 431b 22). Die mathematischen Objekte z.B. sind noêta (Met. VII 10, 1036a 3; vgl. I 8, 990 a 31); en tois eidesi tois aisthêtois ta noêta estin (De an. III 8, 432a 5).

PHILO, PLOTIN, JAMBLICHUS, PROKLUS sprechen von einer »intelligiblen Welt«.

Nach BOËTHIUS ist »intellectibile« »quod unum atque idem per se in propria divinitate consistens nullis unquam sensibus, sed sola tantum mente intellectuque capitur«.

AUGUSTINUS definiert: »Omnia, quae percipimus, aut sensu corporis aut mente percipimus. Illa sensibilia, haec intelligibilia... nominamus« (De magistro 39).

Nach HUGO VON ST. VICTOR ist die Seele intelligibel, »quod solo percipitur intellectu« (Erud. didasc. II, 3, 4).

Nach THOMAS ist »proprium obiectum intellectus ens intelligibile« (Contr. gent. II, 98); »per hoc autem aliquid fit intelligibile in actu, quod aliqualiter abstrahitur a materia« (1 phys. la).

Nach ZABARELLA wird »intelligibilis« gebraucht »pro eo, quod est, quod ipsum intelligi potest« und »pro eo, quod intelligendi vim habet, ut intellectus agens agit, non quod ipse intelligatur, sed quod per ipsum alia intelligantur«(De mente ag. C. 4; vgl. GOCLEN, Lex. philos. p. 251).

G. BRUNO erklärt: »Quidquid cognoscitur intelligibile, per ideas cognoscitur« (De umbr. idear. p. 37).

LEIBNIZ: »Ce qui n'est qu'intelligible, comme étant l'objet du seul entendement, et tel est l'objet de ma pensée, quand je pense à moi même« (Gerh. VI, 501).

BERKELEY setzt intelligibel gleich dem »im Geiste« (Princ. LXXXVI).

KANT bestimmt: »Quod... nihil continet, nisi per intelligentiam cognoscendum, est intelligibile« (De mundi sens. sct. II, § 3). »Intelligibel... heißen Gegenstände, sofern sie bloß durch den Verstand vorgestellt werden können, und auf die keine unserer sinnlichen Anschauungen gehen kann« (Prolegom. § 34). »Bloß intelligibel, d. i. dem Verstande allein und gar nicht den Sinnen gegeben«, Gegenstand einer intellectuellen Anschauung sein« (Krit. d. r. Vern. S. 236 f.). Intelligibel ist an einem Sinnesobjekte das, »was selbst nicht Erscheinung ist« (l.c. S. 432). Die »intelligibilia« sind »Noumena« . Von dem Begriff intelligibler Gegenstände kann man keine Anwendung machen, »weil man keine Art erkennen kann, wie sie gegeben werden sollten«, »und der problematische Gedanke, der doch einen Platz für sie offen läßt, dient nur, wie ein leerer Raum, die empirischen Grundsätze einzuschränken, ohne doch irgend ein anderes Objekt der Erkenntnis, außer der Sphäre der letzteren, in sich zu enthalten und aufzuweisen« (l.c. S. 238 f.). Als freie Wesen versetzen wir uns in eine intelligible Welt (Grundleg. zur Met. d. Sitt. 3. Abschn.). Vgl. Intelligible Welt.

Intelligible Welt (kosmos noêtos, mundus intelligibilis): S. S. 1446 f.
die nur durch den Intellekt erfassbare Welt, die geistig-übersinnliche Welt, Idealwelt, Vernunftwelt.

PHILO
bezeichnet so die Welt der Ideen (De mundi opif. 4).

So auch PLOTIN, der ihre Einheit im Geiste (nous) betont. Sie ist die Welt der Urbilder der Dinge, ist voll Leben (Enn. V, 9, 9), raumlos, allgegenwärtig (l.c. V, 9, 13), aber nicht außerhalb des Geistes, sondern in ihm als ein »zweiter Gott« (l.c. V,2, 3). Die Sinnenwelt ist ein Abglanz der Idealwelt; was in jener vielfältig ist, das ist hier zur Einheit verbunden (l.c. IV, 1). Das Intelligible ist der Geist in Ruhe, Einheit, Beharrlichkeit (hêsychia henotês, stasis, l.c. III, 9, 1).

Nach PLUTARCH ist die intelligible Welt die Emanation des hen, der (zweiten) Einheit.

PROKLUS leitet aus den Henaden die Trias der intelligiblen (noêton), intelligibel-intellektuellen (noêton hama kai noeron) und intellektuellen Welt (noeron) ab (Theol. Plat. III, 24). Das Intelligible (die ousia) gliedert sich in drei Triaden: peras, apeiron mikton (zôê). (In jeder Triade: patêr, dynamis, nous) Das Intelligibel-Intellektuelle gliedert sich gleichfalls triadisch (l.c. IV, 37; In Tim. 94).

JOH. SCOTUS ERIUGENA unterscheidet von der vergänglichen Sinneswelt (»mundus sensibilis«) die ewige, unvergängliche intelligible Welt (»mundus intelligibilis«, De divis. nat. V, 18; V, 24). Vgl. Intelligibel, Welt.

Introjektion S.1459ff.
Hineinlegung, Übertragung (»Projektion«) des eigenen Ich, Subjektiven, der eigenen Lebendigkeit, Beseeltheit, des eigenen Fühlens und Wollens, des Innenseins auf Objekte der Außenwelt in und mit der Wahrnehmung derselben und in und mit dem Denken derselben nach Kategorien.

Die Introjektion beruht psychologisch auf einem Prozess der Assimilation, indem die Wahrnehmung des dem eigenen psychophysischen Ich Analogen die (nicht objektiv wahrgenommene, aber instinktiv reproduzierte) »Innerlichkeit« des Ich (Vorstellung von dessen Fühlen und Streben) mit der Objektwahrnehmung zur Einheit verschmelzen lässt, so dass dieses nun unmittelbar (ohne Schluss) als ein ich-artiges Wesen, Gegen-Ich, später als Kraftzentrum erscheint. Die Dinge sind hiernach »Qualitätenkomlexe«, »Introjektionsqualitäten«.

Schon HUME erklärt: »Man beobachtet oft, dass der Geist große Neigung besitzt, sich selbst in die Gegenstände der Außenwelt zu projizieren«(Treat. III, sct. 14, S. 226).

Die Introjektion berücksichtigen in verschiedenem Umfange SCHOPENHAUER, SCHLEIERMACHER, BENEKE, RITTER, ÜBERWEG (Syst. d. Log., § 39), LOTZE (Mikrok. III2, 539), HORWICZ (Psychol. Analys. II 1, 145 ff.), NIETZSCHE, NOIRÉ (Einl. u. Begr. e. mon. Erk. S. 31 f., 169, 176), L. BUSSE, J. WOLFF, W. JERUSALEM, H. CORNELIUS (Einl. in d. Philos. S. 22), A. BIESE, A. H. LLOYD (Dynamic Idealism 1898), TEICHMÜLLER u. a.

Der Terminus
»Introjektion« (»Einlegung«) stammt von R. AVENARIUS (Menschl. Weltbegr. S. 25 ff., 27). Er versteht darunter die Tatsache, dass der Mensch in seine Mitmenschen »Vorstellungen« von Umgebungsbestandteilen als »innere« Zustände hineinlegt, wodurch eine Spaltung der natürlichen Einheit der empirischen Welt in »Innen- und Außenwelt«, »Objekt und Subjekt«, eine »Verdoppelung« der Welt erfolgt (l.c. S. 28 ff.). So wird die Wirklichkeit »verfälscht«. Aufgabe der Wissenschaft ist es, diese Verfälschung durch die Introjektion zu beseitigen, die Introjektion zu eliminieren, zurückzunehmen (l.c. S. 77 ff.; vgl. S. 83 ff.). Durch »Ausschaltung« der Introjektion und durch Ersetzung derselben durch die »empiriokritische Prinzipialkoordination« wird der »natürliche Weltbegriff« restituiert (l.c. S. 93). Ein »Innensein«neben einem »Äußeren« gibt es hiernach nicht, ebenso keinen Gegensatz zwischen »psychisch« und »physisch«, nur einen Erfahrungsinhalt, bald »absolut«, bald »relativ« betrachtet. Die ursprüngliche, »natürliche« Annahme ist: »Der Mitmensch ist Zentralglied einer Prinzipialkoordination, deren Gegenglied z.B. ein Baum, aber auch 'Ich' sein kann«(Vierteljahrsschr. f. wiss. Philos. 18. Bd., S. 147). Durch Introjektion wird diese Annahme dahin verfälscht: »Alle wahrgenommenen Umgebungsbestandteile - als 'Wahrnehmungen' - sind nichts als 'Vorstellungen in uns'« (l.c.S. 153). Das Wahrnehmungsobjekt wird in den aussagenden Menschen (bezw. in dessen Gehirn) hineinverlegt (ib.). »Diese Introjektion ist es, welche allgemein aus dem 'Vor mir' ein 'In mir' macht, aus dem 'Vorgefundenen' ein 'Vorgestelltes', aus dem 'Bestandteil der (realen) Umgebung' einen 'Bestandteil des (ideellen) Denkens', aus dem 'Baum' mit seinen mechanischen Energien eine 'Erscheinung' von jenem Stoff, aus welchem die Träume gewebt sind« (l.c. S. 154). Diese Introjektion beruht auf einem Fehlschluss (l.c. S.157 ff.).

So auch F. CARSTANJEN, R. WILLY, J. PETZOLDT, J. KODIS, W. HEINRICH u. a.

Dagegen erklärt W. JERUSALEM, die (wohlverstandene) Introjektion gehöre zum natürlichen Weltbegriff, indem jede Auffassung mitmenschlicher als mehr als mechanischer Bewegungen, als Äußerungen von Gedanken, Gefühlen, Willensimpulsen, schon eine Introjektion voraussetzt. »Ich muß mir im Innern des Menschen ein Kraftzentrum vorstellen, wenn ich seine Rede verstehen soll« (Urteilsfunct. S. 244 f.). Seine eigene Theorie des Urteils bezeichnet Jerusalem als »Introjektionstheorie« (l.c. S. 244; Vierteljahrsschr. f. wiss. Philos. 18. Bd., S. 170).

Intuition: S. 1463f. Siehe auch bei Kirchner
Anschauung, Schauen, besonders geistiges, denkendes Schauen. –

Nach PLATO werden die Ideen in einem präexistentialen Leben geschaut .

Nach ARISTOTELES besteht die Erkenntnis der letzten Prinzipien, des Unvermittelten (der amesa) in einem sicheren Schauen. Vgl. Mystik, Kontemplation.

WILHELM VON OCCAM definiert: »Notitia intuitiva rei est talis notitia, virtute cuius potest sciri, utrum res sit vel non sit« (In 1. sent., prooem., qu. 1). »Virtute cuius potest evidenter cognosci aliqua veritas contingens, maxime de praesenti, est notitia intuitiva« (bei PRANTL, G. d. L. III, 347).

Nach ALBERT VON SACHSEN ist intuitiv jene Erkenntnis, »qua aliquis apprehendit rem praesentem« (l.c. IV, 61). -

Intuitive Erkenntnis: die durch Anschauung gewonnene Erkenntnis, das anschauliche Wissen, auch die unmittelbare Erfassung des Wesens der Dinge, des Allgemeinen im Einzelnen, das spekulative Wissen.


So bei SPINOZA, nach welchem die »scientia intuitiva« die höchste Art der Erkenntnis ist. »Hoc cognoscendi genus procedit ab adaequata idea essentiae formalis quorundam Dei attributorum ad adaequatam cognitionem essentiae rerum« (Eth. II, prop. XL, schol. II). Die Intuition trifft immer das Wahre (l.c. prop. XLI), »docet nos verum a falso distinguere« (l.c. prop. XLII).

LOCKE schreibt dem intuitiven Wissen höchste Evidenz zu; er meint das Wissen des unterscheidenden, vergleichenden Erkennens (Ess. IV, ch. 2, § 1).

LEIBNIZ nennt eine Erkenntnis eine intuitive, wenn man die in einem Begriffe enthaltenen Teilbegriffe gleichzeitig denken kann (Erdm. p. 79 f.). Alle adäquaten Definitionen enthalten intuitive Vernunftwahrheiten (Nouv. Ess. IV, ch. 2, § 2).

CHR. WOLF definiert: »Cognitio, quae ipso idearum intuitu absolvitur, dicitur intuitiva« (Psychol.empir. § 286).

HUME versteht unter Intuition das »Mit-einem-Blick-erfassen« von Inhalten (Treat. III, sct. 1).

Kabbala (eig. »Überlieferung«) S.1476
heißt die vom Neuplatonismus beeinflußte, vom 9. bis 13. Jahrhundert ausgebildete jüdische Mystik (vgl FRANCK, La cab. p. 353 ff.; JELLINEK, Beiträge zur Gesch. d. Kabbala, 1851).

Die kabbalistischen Lehren befinden sich in den Büchern
»Jezirâ« und »Sohar«. Es wird eine Emanation der geistigen (intelligiblen) und materiellen Welten (»Aziluth, Beriâ, Jezirâ, Asiâ«) aus den zehn »Sephiroth« (deren Einheit der »Adam Kadmon«, ist) und mit diesen aus dem Absoluten, dem »Ensoph«, gelehrt.

Mit der Kabbalâ beschäftigen sich auch REUCHLIN (De art. Cabb.), PICO VON MIRANDOLA, AGRIPPA, H. MORE u. a.

Karma (eig. Tun, Werk) S. 1480
die sich verkörpernden, objectivierenden Wirkungen eines Wesens, die schicksalsgestaltende Kraft des Wesens (Verschulden und Verdienst). Das Karma bestimmt Örtlichkeit, Natur und Zukunft des neuen Wesens, das nach dem Tode eines andern entsteht (Buddhismus; vgl. T. W. RHYS DAVIDS, Der Buddhism., dtsch. S. 108).

Kontemplation S. 1523 ff.
Betrachtung, Schauen, Beschaulichkeit, ruhiges geistiges Anschauen des Übersinnlichen, des Geistigen, Göttlichen in der Seele und im All, besonders als Mittel mystischer Erkenntnis (Buddhismus, christiche Mystik).

SENECA spricht von der »contemplatio veri« als einem Teile der Tugend.

PLOTIN lehrt, es gäbe im Zustande der Ekstase ein Schauen (opsis) des göttlichen Einen (Enn. VI, 9, 3), zu dem man sich nur durch Abkehr vom Sinnlichen erheben kann. So auch die Mystiker.

Nach BERNHARD VON CLAIRVAUX ist die »contemplatio« »verus certusque intuitus animi de quacunque re, sive apprehensio rei non dubia« (De consid. II, 2).

Nach RICHARD VON ST. VICTOR gibt es sechs Stufen der Kontemplation, deren höchste eine »alienatio mentis« (Verzückung) ist (De cont. V, 2).

Ähnlich BONAVENTURA: »Contemplationem dicimus, quando veritatem sine aliquo involucro umbrarumque vel animi in sua puritate videmus« (l.c. V, 14).

Nach BOVILLUS entsteht die Kontemplation, »quamdiu reservatas in memoria species speculatur intellectus repraesentante atque offerente eas illi memoria« (De intell. 7, 7).

Ähnlich lehrt LOCKE, eine Kontemplation finde statt, wenn die Vorstellung eine Zeitlang wirklich gegenwärtig behalten werde (Ess. II, ch. 10, § 1).

Nach SCHOPENHAUER verhält sich der Mensch in der Anschauung des Schönen »rein Kontemplativ« (W. a W. u. V. I. Bd., § 39). –

Die Unterscheidung einer »notitia contemplativa«und »n. practiva« schon bei ALBERTUS MAGNUS (Sum. th. I, 35, 2), einer »philosophia contemplativa« und »ph. activa« schon bei SENECA (Ep. 95, 10).

Das kontemplative Leben wird besonders von PLATO, ARISTOTELES, PLOTIN, SPINOZA, SCHOPENHAUER hoch gewertet. Vgl. Intuition.

Kosmos S.1557 Siehe auch bei Kirchner
siehe Welt .

Licht und Finsternis S. 1640f.
Zwei Urprincipien, die der theologische Dualismus annimmt.

So der ZEND-AVESTA, die Manichäer, BASILIDES
(vgl. Ritter V, 135), J. BÖHME, R. FLUDD. -

Als Potenz bezw. Moment im absoluten Sein betrachten das Licht die Schellingianer und HEGEL.

Logos (logos): S.1701ff. Siehe auch bei Kirchner
Wort, (ausgesprochener) Gedanke, Begriff, Definition, Vernunft, göttlicher, schöpferischer Gedanke, Weltgedanke, Weltvernunft.
Die Lehre vom Logos als dem die Welt durchdringenden, alles beherrschenden Gedanken Gottes, als der von Gott ausgehenden Vernunft, als dem schöpferischen Wort ist alt.


Im Rig-Veda ist der Logos (»vak« = lateinisch vox) die von der Gottheit ausgehende Weisheit (vgl. WILLMANN, Gesch. d. Ideal. I, 89).

Im Zendavesta geht aus dem Urwesen (»zuruana akarana«) das Schöpferwort (»ahuna-vairja, honover«) hervor, durch welches die Welt erschaffen wird.

Nach der biblischen Genesis ist die »Sprache« Gottes bei der Schöpfung wirksam
(Gen. I, 3, 6, 9 ff.). –

ANAXAGORAS lehrt einen alles beherrschenden »Geist«.

HERAKLIT bezeichnet zuerst die Weltvernunft als logos. Er ist das ewige Weltgesetz, dem zufolge alles geschieht tou logou toud', eontos aiei - gignomenôn gar pantôn kata ton logon, (Fragm. 2; Sext. Empir. adv. Math. VII, 132). Der logos ist zugleich die heimarmenê, das Schicksal (Stob. Ecl. I 2, 60), die eherne Gesetzmäßigkeit des Alls. Der logos; (oder die gnômê, dikê) ist den Dingen immanent, aber ohne Bewußtsein seiner selbst (logou toud' eontos aei axynetai gignontai anthrôpoi kai prosthen ê akousai kai akousantes to prôton). Jeder soll dem allgemeinen logos im Denken und Handeln gehorchen dio dei hepesthai tô xynô toutesti tô koinô. tou logou de eontos xynou zôousin hoi polloi hôs idian echontes phronêsin (Sext. Empir. adv. Math. VII, 133).

ARISTOTELES versteht unter logos Begriff und Vernunft . Er unterscheidet den exô logos (Wort) vom esô logos (Gedanke in der Seele) (Anal. post. I 10, 76 b 24). Der orthos logos ist die richtige Vernunft, der sittliche Tact (Eth. Nic. VI 13, 1144b 23). Das göttliche Sich-selbst-denken (noêsis noêseôs) ist das höchste Princip der Welt (vgl. Met. I, 3).

Die Stoiker nennen das Schicksal auch logos, es ist das alles durchdringende sittlich-vernünftige pneuma. Es ist die heimarmenê aitia tôn ontôn eiromenê ê logos, kath' hon kosmos diexagetai (Diog. L. VII 1, 149); das Schicksal ist logos tôn en tô kosmô pronoia dioikoumenôn - kath' hon ta men gegonota gegone (Stob. Ecl. I 5, 180). Die logoi spermatikoi, die Vernunftkeime, vernünftigen Potenzen, sind Kräfte, die in allem wirken (Diog. L. VII 1, 157), sie treiben zur vernünftigen Entwicklung an (vgl. L. STEIN, Psychol. d. Stoa I, 49). Vom logos endiathetos, der innern Rede, d.h. dem Gedanken, wird der logos prophorikos, das Wort, die äußere Rede unterschieden. Ersterer besteht tê athresei tôn oikeiôn kai phygê tôn allotriôn, tê gnôsei tôn eis touto synteinousôn technôn, tê antilêpsei tôn kata tên oikeian physin aretôn tôn peri ta pathê. Der logos prophorikos ist phônê dia glôttês sêmantikê tôn endon kai kata psychên pathôn, er ist exô proiôn (Sext. Empir. Pyrrh. hyp. I, 65; Porphyr., De abstin. III, 3). Der logos endiathetos ist to kinêma tês psychês to en tô dialogistikô ginomenon (Nemes., De nat. hom. C. 14).

ARISTOBULOS
spricht von der göttlichen Kraft, welche alles beherrscht hoti dia pantôn estin hê dynamis tou theou, (Euseb., Praep. ev. XII, 12).

ARISTEAS unterscheidet von Gott selbst die dynamis Gottes, welche dia pantôn ist:

Das »Buch der Weisheit« lehrt, die »Weisheit« Gottes (sophia) sei ein die Welt durchdringender Geist (pneuma).

PHILO bezeichnet als logos die höchste der göttlichen Kräfte, in welcher die Ideenwelt ihren Ort hat (De mundi opif. I, 4). Der logos ist Vermittler zwischen Gott und Welt, durch ihn hat Gott die Welt geschaffen. Der logos ist prôtogonos, der Sohn Gottes (De agric. 12), sein »Schatten« (skia theou de ho logos autou estin, hô kathaper organô proschrêsamenos ekosmopoiei, Leg. alleg. III, 31). Er ist der »zweite Gott« (deuteros theos, Euseb., Praep. ev. VII, 13, 1). Ho logos de tou theou hyperanô pantos esti tou kosmou kai presbytatos kai genikôtatos tôn hosa gegone (Leg. alleg. III, 61). Im Menschen und im All gibt es einen logos endiathetos und einen logos prophorikos (De vita Mos. III). In Gott ist eine ennoia, die sophia; diese wird auch als Mutter des logos bezeichnet (De profugis 562; vgl. HEINZE, Lehre vom Logos 1872; ÜBERWEG-HEINZE, Gr. d. Gesch. d. Philos. I9, 357).

PLOTIN sieht im nous, dem Geiste eine Emanation, ein Erzeugnis, ein Abbild (eikôn) des göttlichen Einen, er ist die Einheit der Ideen.

Das Christentum faßt den logos persönlich auf, als Sohn Gottes, der von Ewigkeit her bei Gott ist, die Welt erschafft und (in Christus) Fleisch wird: en archê ên ho logos. panta di' autou egeneto. ho logossarx egeneto (Evang. Joh. I, 1). –

ATENEAGORAS erklärt: logos tou patros en idea kai energeia. pros autou gar kai di autou panta egeneto (bei ÜBERWEG HEINZE, Gr. d. Gesch. d. Philos. II7, 50).

THEOPHILUS sagt: logos endiathetos en tois idiois splanchnois, endiathetos en karthia theou (vgl. Iren. I, 24; HARNACK, Dogmengesch. I3, 491).

LACTANTIUS: »melius Graeci logon dicunt quam nos verbum sive sermonem: logos enim et sermonem significat et rationem: quia ille est vox et sapientia Dei« (Divinar. institut. IV, 9).

Nach BASILIDES ist der Logos der Erstgezeugte des ewigen Vaters (bei Iren. II, 24, 3).

Nach VALENTIUS emanieren logos und zôê aus dem nous und der Wahrheit (bei Iren. I, 1, 1).

Nach CLEMENS ALEXANDRINUS durchdringt der logos; das All (Strom. V, 3); er ist die Quelle der Erleuchtung bei den alten, guten Philosophen (l.c. I, 5; Cohort. VI, 59).

Während nach ARIUS der Logos ein (vor der Zeit) durch Gott Geschaffenes ist (»Subordinationstheorie«), betont ATHANASIUS die ewige Einheit des Logos mit Gott-Vater, aus dessen Natur er gezeugt ist (Contr. Arian. III, 62). Der Logos ist hêgemôn, dêmiourgos tou pantos (Contr. gent. 29; 38); ho gar patêr tou logos en pneumati hagiô ta panta poiei (Contr. Arian. I, 28).

Nach JUSTINUS hat Gott dynamin tina logikên, den Logos, seinen Sohn, erzeugt, der selbst Gott ist (Apol. I u. II, 6). Am logos hat jeder teil dia to emphyton panti genei anthrôpôn sperma tou logou (l.c. II, 8).

Nach TATIAN ist der logos ergon prôtotokon tou patros.

ORIGENES
sieht im logos die idea ideôn, systêma theôrêmatôn en autô (vgl. LOMMATSCH I, 127). Der Logos ist Demiurg (Contr. Cels. VI, 62). In den Dingen ist ein logos spermatikos (l.c. V, 22; De princ. II, 10, 3).

Nach GREGOR VON NYSSA durchdringt Gott alles vermittelst der sophoi te kai technikoi logoi, (De an. et resurr. p. 188).

Die Apologeten überhaupt verstehen unter dem Logos »die Hypostase der wirksamen Vernunftkraft, die einerseits die Einheitlichkeit und Unveränderlichkeit Gottes trotz der Verwirklichung der in ihm ruhenden Kräfte schützt, anderseits eben diese Verwirklichung ermöglicht« (HARNACK, Dogmengesch. I3, 488). -

ANSELM nennt die Form der Dinge eine »intima locutio«in der göttlichen Vernunft, eine innere Sprache, deren Worte die Dinge selbst sind (Monol.c. 10, 12).

THOMAS unterscheidet das »verbum interius conceptum« (»verbum mentis«) vom »verbum exterius vocale quod est eius signum« (De differ. div. verbi et hum.).

Die Mutaziliten bestimmen eines der Attribute Gottes als Wort oder Rede.

Nach ECKHART spricht Gott das »Wort« aus, seinen Sohn. -

HEGEL versteht unter dem Logos den objektiven Begriff, »die Vernunft dessen, was ist« (Log. I, 21), die Weltvernunft.

Macht S. 1716
ist Gewalt über etwas, Kraft, Vermögen , Einfluss, Beherrschung. Das Selbstgefühl ist im wesentlichen Machtgefühl
(vgl. HÖFFDING, Psychol.2, S. 337). –

HOBBES versteht unter Macht (»power«) die geistig-körperlichen Kräfte, Vermögen
(Hum. Nat. II, 4; VIII, 3). Die Gefühle und Affekte werden (wie von SPINOZA) auf das Bewusstsein erhöhter oder verminderter Macht zurückgeführt (l.c. VIII, 3 ff.). Es gibt ein allgemeines Streben nach Macht (Leviath. C. 11).


NIETZSCHE bestimmt als Prinzip der Natur und des Menschen den »Willen zur Macht.« . Vgl. Gefühl.


Maya S. 1778
ursprünglich Name einer [indischen] Göttin, dann die [metaphysische] Ursache der Illusion, durch welche das All-Eine als sinnlich-materielle Vielheit wahrgenommen wird, durch den Schleier der Sinne und der Imagination (»Schleier der Maya«): brahmanische, buddhistische Philosophie, SCHOPENHAUER u. a.

Mechanistische Weltansicht S.1783ff. Siehe auch bei Kirchner
1) metaphysisch der Materialismus,

2) empirisch-methodologisch-heuristisch die (bewußt einseitige, abstrakt, aber konsequent festzuhaltende und nur metaphysisch-teleologisch zu ergänzende) Betrachtung der Natur als System von Bewegungen und von meßbaren Größen (quantitative Naturbetrachtung).

Nach der mechanistischen Weltansicht muß jedes Naturgeschehen mechanisch-kausal, aus Bewegungen der Materie interpretiert werden.

In der Biologie bedeutet die
mechanistische Ansicht, im Gegensatze zum Vitalismus, die rein mechanische (physikalisch-chemische) Erklärung der organischen Prozesse.

Die mechanistische Weltansicht vertritt (metaphysisch) die antike Atomistik : Dêmokritos de to hou heneka apheis legein panta anagei eis anankên hois chrêtai hê physis
(Aristot., De gener. anim. 789 b 2), LUCREZ (De nat. rer. I, 1020; IV, 833),

Durch KOPERNIKUS, KEPLER, GALILEI erhält die mechanistische Naturbetrachtung ihre wissenschaftliche Begründung.


KEPLER
erklärt: »Mundus participat quantitate, et mens hominis (res supramunda in mundo) nihil rectius intelligit, quam ipsas quantitates, quibus percipiendis factus videri potest«
(Epist. de harmon., Op. V, 28). Doch nimmt Kepler noch Gestirngeister als Agentien an.

Zur Verbreitung dieser Naturbetrachtung tragen F. BACON
(der die Teleologie in der Naturwissenschaft selbst ausschließt) und noch mehr HOBBES bei, der
sie auch auf das Psychische überträgt.


Ferner DESCARTES, dem die Ausdehnung als einziges Attribut der Materie gilt, der in der Physik keine anderen als die mathematischen Prinuipien anerkennt
(Princ. philos. II, 64) und der nur die quantitativen Qualitäten als real betrachtet, wie es auch LOCKE tut.

Im Gebiete des Körperlichen hält auch SPINOZA die mechanistische Naturbetrachtung fest; das Teleologische wird von ihm durchgehends ausgeschlossen, da aus Gott (s. d.) alles mit logisch-mathematischer Notwendigkeit folgt
(Eth. I, prop. XXXVI, app.).

Der empirisch-mechanistischen Naturauffassung gibt NEWTON neue Stützen.

Zwischen Mechanismus und Teleologie vermittelt LEIBNIZ. Die Cartesianische Naturphilosophie ist ihm nur »l'antichambre de la vérité«. Alles geht (als Erscheinung und relativ) mechanisch, zugleich aber (im Innensein) »metaphysisch«, d.h. hier geistig teleologisch zu, ohne Widerspruch. »Tout ce fait mécaniquement et métaphysiquement dans le même temps.« »La source de la mécanique est dans la métaphysique«
(Gerh. III, 607; IV, 282, 471).

KANT
versteht unter »mechanischer Naturphilosophie« »die Erklärungsart der spezifischen Verschiedenheit der Materien durch die Beschaffenheit und Zusammensetzung ihrer kleinsten Teile, als Maschinen«
(Met. Anf. d. Naturwiss. S. 100). Diese Auffassung vertritt Kant empirisch-methodologisch, für die Organismenwelt das teleologische Prinzip reservierend, die Dinge an sich aber ganz als unerkennbar bestimmend. Schließlich muß alles Mechanische auch teleologisch aufzufassen sein. Der Begriff der organisierten, teleologisch durchwirkten Materie führt notwendig »auf die Idee der gesamten Natur als eines Systems nach der Regel der Zwecke, welcher Idee nun aller Mechanismus der Natur nach Prinzipien der Vernunft (wenigstens um daran die Naturerscheinung zu versuchen) untergeordnet werden muß« (Krit. d. Urt. II, § 67). »Hierauf gründet sich nun die Befugnis und... auch der Beruf: alle Produkte und Ereignisse der Natur, selbst die zweckmäßigsten, so weit mechanisch zu erklären, als es immer in unserem Vermögen... steht, dabei aber niemals aus den Augen zu verlieren, da, wir die, welche wir allein unter dem Begriffe vom Zwecke der Vernunft zur Untersuchung selbst auch nur anstellen können, der wesentlichen Beschaffenheit gemäß, jener mechanischen Ursachen ungeachtet, doch zuletzt der Kausalität nach Zwecken unterordnen müssen« (l.c. § 78). Der »Newton des Grashalms« ist noch nicht gefunden. –

SCHELLING bemerkt: »Fassen wir endlich die Natur in ein Ganzes zusammen, so stehen einander gegenüber Mechanismus - d.h. eine abwärts laufende Reihe von Ursachen und Wirkungen, und Zweckmäßigkeit, d.h. Unabhängigkeit von Mechanismus, Gleichzeitigkeit von Ursachen und Wirkungen. Indem wir auch diese beiden Extreme noch vereinigen, entsteht in uns die Idee von einer Zweckmäßigkeit des Ganzen«
(Naturphilos. S. 61).

Nach SCHOPENHAUER ist der Mechanismus der Naturprozesse eine Objektivation des »Willen zum Leben«.

Nach E. v. HARTMANN sind Mechanismus und Teleologie die zwei Seiten des einen Prinzips der logischen Notwendigkeit, das mit dem alogischen Willen verbunden ist
(Philos. d. Unbew. II10, 450).

M. CARRIERE erklärt: »Mechanistische und teleologische Auffassung der Natur widersprechen einander so wenig wie Zweck und Mittel; sie schließen einander nicht aus, vielmehr fordern sie einander; die eine zeigt uns die Art und Weise des Geschehens und der Dinge, die andere erschließt ihren Sinn und ihre Bedeutung für sich und im ganzen«
(Sittl. Weltordn. S. 63).

LOTZE betont die universelle Ausdehnung und zugleich die Unterordnung des Mechanismus unter die Teleologie
(Mikrok. I2, S. XV).

Ähnlich J. WARD
(Naturalism and Agnostic. 1899).

Nach WUNDT ist der Mechanismus der Natur »nur ein Teil des allgemeinen Zusammenhangs geistiger Kausalität«
(Eth.2, S. 472).

Nach O. LIEBMANN sind Mechanismus und Teleologie zu vereinigen
(Analys. d. Wirkl.2, S. 389 ff.). So auch nach PLANCK (Test. ein. Deutschen. S. 323),

RAVAISSON u. a. FOUILLÉE erblickt im Mechanismus nur die Außenseite und das Resultat geistiger Kräfte (»idées-forces«, s. Spiritualismus).

Nach NIETZSCHE zeigt uns die mechanistische Weltanschauung nur »Folgen« und diese noch dazu im Bilde, in der Sprache unserer Empfindungen. Alle Voraussetzungen des Mechanismus, Stoff, Stoß, Druck, Schwere, Atom, sind nicht Tatsachen an sich, sondern Interpretationen. »Die Mechanik als eine Lehre der Bewegung ist bereits eine Übersetzung in die Sinnensprache des Menschen.« »Die mechanistische Welt ist so imaginiert, wie das Auge und das Getast sich allein eine Welt vorstellen...« Die ursächliche Kraft wird dadurch nicht berührt
(WW. XV, 296 f.). Die wahre Kraft ist der »Wille zur Macht«. Der Mechanismus ist nur eine »Zeichensprache für die interne Tatsachen-Welt kämpfender und überwindender Willens-Quanta« (WW. XV, 297 ff.).

Die Ergänzung der mechanistischen durch die metaphysische, dynamische Weltanschauung fordert BACKHAUS
(Wes. d. Hum. S. 8 ff.). Vgl. Dilthey, Einl. I, 470.

Nach HELMHOLTZ sind alle Veränderungen in der Welt als Bewegungen aufzufassen, die Bewegung ist die »Urveränderung, welche allen andern Veränderungen in der Welt zugrunde liegt«. Alle elementaren Kräfte sind Bewegungskräfte. Endziel der Naturwissenschaft ist es, alles in Mechanik aufzulösen
(Vortr. u. Red. I4, 379).

Ähnlich F. A. LANGE
(Gesch. d. Material.).

Auch
DUBOIS-REYMOND: »Es gibt für uns kein anderes Erkennen als das mechanische, ein wie kümmerliches Surrogat für wahres Erkennen es auch sei, und demgemäß nur eine wahrhaft wissenschaftliche Denkform, die physikalisch-mathematische«
(l.c. I, 232). »Die theoretische Naturwissenschaft ruht nicht eher, als bis sie die Erscheinungswelt auf Bewegungen letzter Elemente zurückführt, welche nach denselben Gesetzen vor sich gehen, wie die der gröberen, sinnfälligen Materie« (Red. I, 434).

So auch WUNDT
(Syst. d. Philos.2, S. 484), EBBINGHAUS (Gr. d. Psychol. S. 34), E. HAECKEL, ferner die Physiker CLAUDIUS, BOLTZMANN, THOMSON, MAXWELL u. a.

Dagegen erklärt E. MACH: »Daß alle physikalischen Vorgänge mechanisch erklären seien, halten wir für ein Vorurteil«
(Mechan. S. 486; Populärwiss. Vorles.2, S. 181), ähnlich P. VOLKMANN (Erk. Grundz. d. Naturwiss. S. 153 f.), ferner OSTWALD, der an Stelle der mechanistischen die energetische Naturanschauung setzt (Vorles. üb. Naturphilos. S. 165 f., 202 f., 229 f.).

Gegen den Dogmatismus der mechanistischen Weltanschauung sind E. v. HARTMANN
(Mod. Psychol. S. 354), STALLO, HELM u. a.

H. CORNELIUS meint: »In keiner Weise findet sich... das Dogma bestätigt, daß alle Naturerscheinungen mechanisch erklärt werden müßten; nur insofern die mechanischen Analogien ein vereinfachendes Bild für die Darstellung der Tatsachen anderer Gebiete ergeben, ist ihre Anwendung zur Erklärung dieser Tatsachen berechtigt«
(Einleit. in d. Philos. S. 327 f).

Nach WUNDT hingegen gibt es zwingende logische Motive, die der mechanistischen Naturbetrachtung (empirisch) ihre Gültigkeit bewahren. Erstens gibt es Naturvorgänge, von denen die unmittelbare Erfahrung nichts enthält und die wir dennoch auf Grund exakter Analyse der Erscheinungen als objektiv gegeben annehmen müssen, und die sich dann als Bewegungsvorgänge erweisen (Schall, Licht etc.). Zweitens müssen wir die Empfindungsqualitäten als subjektiv aus den objektiven Vorgängen eliminieren, sonst kämen wir auf ein Meer uferloser Hypothesen
(Syst. d. Philos.2, S. 463 ff.; Philos. Stud. XIII, 80). Die Annahme, daß alle Energieformen Abwandlungen der mechanischen Energie seien, erklärt die Tatsachen am besten, sie trägt dem »Postulat der Anschaulichkeit«, welches den Objekten adäquate symbolische Bilder fordert, Rechnung (Syst. d. Philos.2, S. 484 ff.,488). –

Nach RIEHL ist der Mechanismus »nur das Symbol für die allgemeine Gesetzlichkeit des Geschehens«. Durch ihn allein wird nicht bestimmt, was geschieht
(Zur Einf. in d. Philos. S. 165)..

Meditation S. 1790
Nachdenken, Nachsinnen, wissenschaftlich-philosophische Reflexion.

Nach HUGO
(De an. II, 1, 19) und RICHARD VON ST. VICTOR ist die »meditatio«, das begriffliche Denken, die Kontemplation Gottes, die zweite Stufe der Erkenntnis.

»Meditatio«
u. a. bei THOMAS
(Sum. th. II. II, 180, 3 ad 1).

»Meditationes« ist der Titel einer Schrift von DESCARTES.

Nach KANT ist »Meditieren« ein »methodisches Denken«
(Log. S. 232).

Monade (monas) S.1879ff. Siehe auch bei Kirchner
Einheit , metaphysische Einheit, selbständiges, individuelles Wirklichkeitselement (im weiteren Sinne auch das Atom), im engeren Sinne seelenartiges, einfaches, substantielles Wesen; aus der Zusammensetzung solcher Monaden bestehen nach der Monadologie die Körper ihrem An-sich-sein nach, auch die Organismen, die aber (nach einigen) von besonderen Geistesmonaden beherrscht werden.

Der Begriff und Terminus
monas als Einheit findet sich bei PYTHAGORAS, EKPHANTUS, ARISTOTELES, EUKLID, MODERATUS u. a. -

PLATO nennt monades die Ideen.

SYNESIUS
nennt Gott die »monas monadum«, so auch SABELLIUS, wie überhaupt Gott öfter als »monas« bezeichnet wird
(vgl. GOCLEN, Lex. philos. p. 707).

NICOLAUS CUSANUS betrachtet die Einzeldinge als Einheiten, welche die Welt verkleinert abspiegeln.

G. BRUNO
versteht unter der »monas« das »minimum«, das als »rerum substantia« angenommen werden muß. »Monas rationaliter in numeris, essentialiter in omnibus«
(De min. I, 2). Aus unzerstörbaren, ausgedehnten und zugleich beseelten Monaden bestehen alle Dinge. Die »monas monadum« ist Gott (l.c. I, 4). Die Monas ist »substantia rei, individua rei substantia« (De monade).

F. M. VAN HELMONT erklärt: »Divisio rerum numquam fit in minima mathematica, sed in minima physica; cumque materia concreta eo usque dividitur, ut in monades abeat physicas«
(Princ.philos. 3, 9). »Atomus autem tam est exilis, ut nihil inse recipere queat« (l.c. 7, 4).

H. MORE nennt Monaden die homogenen (beseelten) Elemente der Dinge, der Materie, »actu solutae monades, quam-quam contiguae« (»spiritus naturae«)
(Enchir. met. I, 9; I, 28, § 3).

F. GLISSON nimmt beseelte Substanzen an
(Tract. de natura substantiae energetica 1672).

R. CUDWORTH schreibt den Dingen eine »vis plastica« zu.

GASSENDI nimmt empfindungsfähige Atome an (später auch ROBINET, DIDEROT u. a.).

Der Begründer der Monadenlehre ist aber LEIBNIZ. Er stellt sie auf im Gegensatz:

1) zu Descartes, welcher die Körperelemente für rein passiv erklärt,

2) zum Atomismus, weil nach Leibniz alles Körperliche ins unendliche teilbar ist,

3) zum Pantheismus, der nur eine Substanz kennt.

Dagegen nimmt Leibniz an, die Welt bestehe (an sich) aus unkörperlichen, unausgedehnten, punktuellen, einfachen, seelischen, vorstellenden und strebenden Krafteinheiten (Substanzen), die er (seit 1697) Monaden (»monades«) nennt. Sie sind den substantialen Formen der Scholastiker, den »Entelechien« der Peripatetiker analog, sind im Grunde nichts als die vielfach gesetzte Ichheit.
Die Monaden sind die Elemente der Dinge, die wahren Atome in der Natur
(Monadol. 3). »La monade... n'est autre chose, qu'une substance simple, qui entre dans les composés; simple, c'est-à-dire, sans parties«(Monadol. 1). Es muß Monaden geben, weil es zusammengesetzte Dinge, Aggregate, gibt und weil das Einfache nicht ausgedehnt sein kann (Monadol. 2 - 3).
Sie können sich nicht auflösen, können nur (durch Schöpfung) mit einem Male anfangen oder enden
(Monadol. 6). Sie sind gleichsam metaphysische Punkte (»points métaphysiques«), substantielle Punkte (»points de substance«) (Gerh. IV, 398; Erd. p. 126).
Sie können innerlich nicht verändert werden, weil nichts in sie hineinkommen kann; sie haben »keine Fenster« (»n'ont point de fenêtre«), so daß sie keine directen Einwirkungen von außen erleiden, noch selbst auf andere Monaden direct einwirken können
(Monadol. 7).
Nur einer immanenten, rein innerlichen Entwicklung sind sie fähig
(Monadol. 10 f.). Diese beruht auf einem inneren Princip, welches seelischer Art ist und eine Mehrheit von Zuständen bedingt, welche in Vorstellungen (»perceptions«, zugleich Empfindungen, Gefühlen) bestehen und infolge eines Strebens (»tendance«) wechseln (Monadol. 11, 13, 14, 15).
Alle Monaden haben »quelque chose d'analogique au sentiment et à l'appétit«, sind »Entelechien«, »Seelen« im weitesten Sinne
(Monadol. 18 - 19). »De la manière que je définis perceptions et appétit, il faut que toutes les monades en soient douées. Car perception m'est la représentation de la multitude dans le simple, et l'appétit est la tendance d'une perception à une autre; or ces deux choses sont dans toutes les monades, car autrement une monade n'aurait aucun rapport au reste de choses.« Es gibt »autant de substances véritables et pour ainsi dire de miroirs vivants de l'univers toujours subsistants ou d'univers concentrés qu'il y a de monades« (Erdm. p. 720).
Jede Monade folgt dem Gesetze ihrer inneren Entwicklung, der »lex continuationis seriei snarum operationum«, conform den Entwicklungsphasen der anderen Monaden
(Erdm. p. 107). »Tout présent état d'une substance simple est naturellement une suite de son état précédant, tellement que le présent y est gros de l'avenir«(Monadol. 22).
Alle Monaden sind verschieden, denn es gibt in der Natur nicht zwei vollkommen gleiche Dinge
(Monadol. 9, vgl. Identitatis indisc.).
Es besteht eine Stufenfolge höherer und niederer Monaden, deren höchste Gott ist. »Monas seu substantia simplex in genere continet perceptionem et appetilum, estque vel primitiva seu Deus, in qua est ultima ratio rerum, vel est derivativa, nempe monas creata, eaque est vel ratione praedita, mens, vel sensu praedita, nempe anima, vel inferiore quodam gradu perceptionis et appetitus praedita, seu anima analoga, quae nudo monadis nomine contenta est, quam eius varlos gradus non cognoscumus«
(Erdm. p. 678).
Die Körpermonaden (»monades simples«, »tout nues«) leben in einer Art dumpfen Schlafes dahin
(Monadol. 24), während die höchste Monade, Gott, alles mit höchster Klarheit vorstellt und die Beziehungen der Monaden untereinander durch die prästabilierte Harmonie regelt (Monadol. 51).
Die Monaden sind»fulgurations continuelles« Gottes.
Jede Monade spiegelt (stellt vor, stellt dar, »représente«), als »miroir vivant«, das Universum, als eine Welt für sich (»monde à part«), aber mit verschiedenem Grade der Klarheit, Bewußtheit
(Monadol. 62, 83), jede von ihrem Standpunkte (»point de vue«), so daß man in jeder Monade das All erkennen könnte (Erdm. p. 714 ff.; Principe de la nature 3, 4, 13, 14).
Die Monaden sind auch dadurch voneinander unterschieden, daß sie mehr oder weniger über andere herrschen
(l.c. 4), wie etwa die Seele die herrschende Monade des Organismus ist.

CHR. WOLF
schreibt den Körpermonaden keine Perception, nur eine »Kraft« zu
(Psychol. rational. § 644, 712).

Nach BAUMGARTEN sind die Monaden »simplices vires, repraesentativae sui universi, mundi in compendio, suique mundi concentrationes«
(Met. § 400).

Nach CRUSIUS sind die Monaden mathematisch ausgedehnt, nehmen einen Raum ein
(Met. § 107). So auch nach DARJES (Elem. met. 1753).

KANT nimmt (in seiner vorkritischen Periode) »monades physicae« an, welche undurchdringlich sind und elastische (abstoßende) sowie anziehende Kräfte haben. »Substantia simplex, monas dicta, est, quae non constat pluralitate partium, quarum una absque aliis separatim existere potest.« »Corpora constant partibus, quae a se invicem separatae perdurabilem habent existentiam«
(Monadol. phys. I, prop. I - II).

Verschiedene Arten von »Monaden« nimmt
GOETHE an; er nennt sie auch »Entelechien«
(Goethes Gespräche, hrsg. von Biedermann, III, 63 f.).

Monaden
ohne Vorstellung nimmt BOSCOVICH an.

Ein intelligibles »Monadenreich« als selbstbewußter göttlicher Gedanke in seinem gegliederten Inhalte nimmt SOLGER an
(Erwin II, 126). –

HERBART
lehrt die Existenz von einfachen »Realen« .

LOTZE lehrt die Existenz von Substanzen seelischer Art, die in Gott ihren Einheitsgrund haben.

Monaden nehmen ferner an: J. H. FICHTE
(Psychol. I, 4), ULRICI, KIRCHNER, L. BUSSE, E. v. HARTMANN (Wille, Seele), H. WOLFF (»Bionten«, Kosm. I) (als Producte des Unbewußten, ), BAHNSEN, M. WARTENBERG (Probl. d. Wirk. S.134), PETERS, WUNDT (aber nicht als Substanzen, sondern als Willensactionen, ), ferner GIOBERTI, J. DURDIK, M. PETÖCZ, CH. B. UPTON LACHELIER (Rev. philos. XIX, 1885), DEL-BOEUF (La mat. brute), J. C. S. SCHILLER (Riddles of the Sphinx2, 1894), ASTAFJEW u.a.m.

CARRIERE lehrt die Existenz von »selbstlosen« und »selbstseienden«, sich selbst bestimmenden Monaden, die in Wechselwirkung miteinander stehen. Sie sind nicht absolut isoliert, sondern »ganz Fenster, ganz Auge«
(Sittl. Weltordn. S. 137), sind in einer alldurchwaltenden Einheit enthalten (ib., vgl. S. 146 ff.). Den Mittelpunkt selbstseiender Wesen bildet je eine »Centralmonade« (l.c. S. 72).

Eine Vielheit nicht sinnenfälliger Wesen nimmt TEICHMÜLLER an
(Neue Grundleg. S. 65).

R. HAMERLING nennt Monaden Gruppen, Einheiten von (Willens-) Atomen und auch einzelne Atome
(Atom. d. Will. I, 180).

G. SPICKER nimmt psychische Monaden an, die untereinander in Wechselwirkung stehen, activ und passiv zugleich und auch materiell sind
(K., H. u. B. S. 193 ff.).

Nach DROSSBACH bestehen die Dinge aus »Kraftwesen«
(Genes. d. Bewußts.), so auch nach HELLENBACH (Der Individual. S. 185).

RENOUVIER (mit L. PRAT) erklärt: »La monade est la substance simple, dont la donnée est impliquée par l'existence des substances composées«
(Nouv. Monadol. p. 1). Sie ist »sans parties«, »n'a ni étendue ni figure«(l.c. p. 2). Die Monaden haben »le sentiment de soi, le rapport du sujet à l'objet, dans le sujet« (l.c. p. 3), »représentation« (ib.). Jede Monade ist »une unité dont la répétition forme des nombres« (l.c. p. 4). Sie hat »activité interne« »en tant quelle est un principe de son propre devenir«, hat »une force suscitative de ses états«(l.c. p. 5). Es gibt »monades servantes«, »centrales«, »dominantes« (l.c. p. 53).

Monaden als psychische Kräfte nimmt DURAND DE GROOS an; sie constituieren das An-sich der Materie.

Monaden gibt es nach E. BOIRAC
(L'idée de phénomène 1894).

Monismus (monos, eins, einzig) S.1888ff. Siehe auch bei Kirchner
bedeutet metaphysisch:
1) Einheitslehre, d.h. jene metaphysische Ansicht, nach welcher es nur eine Wirklichkeitsart, ein Seinsprincip gibt, sei dieses nun Geist (Spiritualismus, Idealismus) Materie (Materialismus), oder die Einheit, der gemeinsame Träger beider (Identitätsphilosophie).

Der »philosophische« Monismus ist von dem »naturalistischen«, sich »Monismus« nennenden »Pseudomonismus«, der in Wahrheit verhüllter Dualismus und Hylozoismus ist, zu unterscheiden.

Der metaphysische Monismus, der nur eine Wirklichkeitsweise als absolut real setzt, ist mit einem »empirischen«, »methodischen« Dualismus vereinbar.

Monismus bedeutet
2) Einzigkeitslehre, d.h. die Ansicht, daß alle Dinge Modificationen einer Wesenheit (Natur, Materie, Weltseele, Gottheit) sind (= metaphysischer »Henismus«, bezw. Pantheismus).

Der psychologische Monismus lehrt die Einheit von Psychischem und Physischem, sei es in materialistischer, spiritualistischer oder identitätsphilosophischer Form.

Der erkenntnistheoretische Monismus behauptet, die einzige Wirklichkeit sei die erfahrungsmäßig gegebene, erlebte, sinnenfällige, bewußtseinsimmanente Realität.

Der ethische Monismus leitet das Sittliche aus einem einzigen Moralprincip ab.

Der theologische (religiöse) Monismus ist entweder Theismus oder Pantheismus ; letzterer ist, als Extrem. »Akosmismus«, Gott hat alleinige wahre Realität.

Der logische Monismus erkennt nur ein Erkenntnisprincip, keine Dualität von Form und Materie des Erkennens an (M. PALÁGYI). Zu ihm gehören auch der (extreme) Rationalismus und Empirismus.

Naturwissenschaftlicher (physikalischer) Monismus heißt (auch) die energetische, die Materie eliminierende Lehre (OSTWALD u. a.).

Den Ausdruck »Monist« anbelangend, so erklärt CHR. WOLF: »Monistae dicuntur philosophi, qui unum tantummodo substantiae genus admittunt« (
Psychol. rational. § 32).

Bei J. G. FICHTE findet sich »Unitismus«
(WW. II, 89).

»Monismus des Gedankens« nennt GÖSCHEL
(Monism. d. Gedank. 1832) den Hegelschen Panlogismus.

E. v. HARTMANN
möchte den qualitativen Monismus lieber als »Unitarismus« bezeichnen
(Mod. Psychol. S. 371).

Mehr oder weniger rein wird die Einheitslehre vertreten durch die ionischen Naturphilosophen, die Atomistik . die Stoiker, Epikureer , ferner durch G. BRUNO, SPINOZA, LEIBNIZ, BERKELEY, J. G. FICHTE, SCHELLING, HEGEL, SCHOPENHAUER, J. H. FICHTE, CARRIERE, WUNDT, H. SPENCER, CLIFFORD, RENOUVIER, F. MASCI, NIETZSCHE, FECHNER, K. LASSWITZ, PAULSEN u. a.

Einen »kritischen« (philosophischen) Monismus lehrt RIEHL
(Philos. Kritic. II2, 206; s. Identitätslehre).

Einen »immanenten«, »empirischen«, »kritischen«, »transcendentalen« Monismus vertritt F. SCHULTZE: Alles ist, als unsere Vorstellung, gleichartig, unsere Erfahrungswelt ist einheitlich. »Die Vorstellungswelt ist... dualistisch, insofern sie der Erscheinungswelt eine hypothetisch notwendig gesetzte Welt der Dinge an sich unterstellt«= »kritischer Dualismus«
;( Philos. d. Naturwissenschaft II, 201 f.).

P. CARUS versteht unter Monismus die höhere Einheit von Idealismus und Realismus. Die Welt ist »das Resultat aus Subject und Object«, Geist und Materie sind durcheinander bedingt; das An-sich beider »congruiert« im Metaphysischen
(Met. S. 33 f.; Fundam. Probl. 1889). Der kritische Monismus ist Idealrealismus, Realidealismus (l.c. S. 226).

Einen »dynamischen« Monismus lehrt L. FERRI, einen Monismus als Glauben
HUXLEY
(Sociale Essays S. XL), einen metaphysischen Monismus M. L. STERN (Philos. u. naturwiss. Monism. 1885), einen idealistischen, das Mechanische als Äußerung geistiger Kräfte bestimmenden Monismus A. FOUILLEÉ

Den »positiven Monismus«, der hinter allen Erscheinungen eine Urkraft constatiert, vertritt G. RATZENHOFER
(Pos. Eth. S. 33).

»Monismus«heißt auch die Ansicht, daß ein Wirkliches mit zwei Eigenschaften (Attributen), Empfindung und Bewegung, existiert: B. CARNERI, E. HAECKEL.
(Die Welträtsel), L. NOIRÉ (Der monist. Gedanke 1875), L. GEIGER (Urspr. d. Sprache), nach welchen den beiden Attributen Bewegung und Empfindung ein »Monon« zugrunde liegt (NOIRÉ, Einl. und Begr. e. monist. Erk. S. 183).

Die Einzigkeitslehre finden wir bei
XENOPHANES, HERAKLIT, den Stoikern, G. BRUNO, SPINOZA, J. G. FICHTE, SCHELLING, HEGEL, SCHOPENHAUER, NIETZSCHE, H. SPENCER u. a. (s. Gott, Pantheismus).

Einen Individualismus innerhalb des Monismus lehrt J. FRAUENSTÄDT, M. CARRIERE
(Sittl. Weltordn. S. 384), so auch E. v. HARTMANN. Dessen »concreter Monismus« beschränkt die Identität der Dinge mit dem Absoluten, Unbewußte auf »das dem Erscheinungsindividuum zugrunde liegende Wesen« (Phänomenol. d. sittl. Bewußts. S. 860). Der concrete Monismus ist das System, nach welchem »das Eine durch die Vielheit seiner dynamischen Functionen und Functionengruppen im Widerspiel dieser Dynamik zu vielen realen Individuen sich concresciert und als der denselben immanent substantielle Träger ihre reale Existenz in gesetzmäßiger, relativer Constanz aufrecht erhält« (Philos. Frag. d. Gegenw. S. 69).

O. CASPARI
stellt dem »spiritualistischen« den »empirischen« Monismus gegenüber. »Nach letzterem sind Weltschöpfer und Weltplan ausgeschlossen, der empirische Monismus ist causal-mechanische Weltanschauung. Der causale Mechanismus besteht aber aus einer Reihe relativ getrennter Einzelfactoren«
(Zusammenh. d. Dinge S. 442).

Nach F. MACH existiert
»das eine und einzige, absolute, ewige Weltwesen - das Universum, das Allleben oder die Natur - als Complex materiell-geistiger Kräfte, das sich nach immanenten notwendigen Gesetzen betätigt und in einer Stufenreihe teleologischer Organisationen, deren irdischer Abschluß der Mensch ist, entwickelt«
(Religions- u. Weltprobl. S. 464).

Einen theistischen Monismus vertritt A. L. KYM. –

E. HAECKEL
versteht unter Monismus die »einheitliche Auffassung der Gesamtnatur«
(Der Monism. S. 9), die Ansicht, daß die Welt eine »kosmische Einheit« bildet (l.c. S. 10), daß Gott und Welt eins sind (l.c. S. 12); ähnliche Anschauung bei D. F. STRAUSS, auch bei L. BÜCHNER, C. VOGT, MOLESCHOTT, CZOLBE, NOACK u. a.).

Den erkenntnistheoretischen Monismus lehrt der (erkenntnistheoretische) Idealismus, besonders bei BERKELEY, HUME, J. G. FICHTE, bei J. ST. MILL, REHMKE
(Welt als Wahrn. u. Begriff S. 68), SCHUPPE, SCHUBERT-SOLDERN, M. KAUFFMANN, LECLAIR: »Ablehnung eines transcendentalen Factors der Erkenntnis«(Beitr. S. 9), ZIEHEN, M. VERWORN (= »Psychomonismus«, Allgem. Physiol.2, S. 39), in anderer Weise (mehr realistisch) auch bei E. MACH, R. AVENARIUS. Ferner bei EBBINGHAUS, E. KÖNIG, G. HEYMANS u. a.- Vgl. die Zeitschrift »The Monist«, herausgegeb. von P. Carus 1890 ff. (auch die ältere Zeitschrift »Kosmos«). -
Vgl. Seele, Pantheismus

Monotheismus (monos, theos) S. 1895 Siehe auch bei Kirchner
Ein-Gott-Lehre, Glaube an einen einzigen, alles beherrschenden, lenkenden Gott. Vgl. Henotheismus, Theismus.

Mystik S.1925ff. Siehe auch bei Kirchner
(von, myô, schließen, nämlich die Augen, um in die Innenwelt sich zu versenken) ist die (vermeintliche) Erfassung des Übersinnlichen, Göttlichen, Transcendenten (nicht durch die Sinne, nicht durch Vernunft, sondern) durch eigenartige innere Erfahrung, durch unmittelbare (intellectuelle) Intuition, Contemplation, gefühlsmäßiges Erleben, liebendes Erfassen im Zustande der Ekstase ; Streben nach Versenkung in die Tiefen des eigenen Gemüts, um so der Vereinigung mit dem göttlichen Sein (»unio mystica«) auf unbegreifliche, geheimnisvolle Weise teilhaftig zu werden; die mystische Lehre, das mystische Verhalten.

Mystische Elemente finden sich bei verschiedenen Metaphysikern, wie PLATO; CARDANUS, PICO, CAMPANELLA, AGRIPPA, PARACELSUS, NICOLAUS CUSANUS; G. BRUNO, PASCAL, MALEBRANCHE, SPINOZA (»amor Dei intellectualis«); F. VON SCHLEGEL, NOVALIS, SCHELLING, CHR. KRAUSE, F. BAADER, SCHOPENHAUER, FECHNER, E. V. HARTMANN, NIETZSCHE, u. a.

Mystiker sind insbesondere die indischen Theosophen, Orphiker, die Neupythagoreer, Neuplatoniker; die Gnostiker, die Kabbalâ, DIONYSIUS AREOPAGITA, BERNHARD VON CLAIRVAUX, BONAVENTURA, RICHARD und HUGO VON ST. VICTOR, RAYMUND VON SABUNDE, die Begharden, der Sûfismus; ferner ECKHART, TAULER, SUSO, RUYSBROEK, GERHART GROOT, THOMAS A KEMPIS, der Verfasser der »deutschen Theologie«
(hrsg. von F. Pfeiffer 1858), VAL. WEIGEL, CASP. SCHWENKFELD, SEBAST. FRANK, J. BÖHME, ROB. FLUDD, ANGELUS SILESIUS, SWEDENBORG, ST. MARTIN, JACOBI, F. J. MOLITOR, PERTY, WL. SSOLOWJOW u.a.

Einige Mystiker nähern sich dem PANTHEISMUS. -

SCHELLING erklärt: »To mystikon heist alles, was verborgen, geheim ist.«. Das »vorzugsweise Mystische ist gerade die Natur«. »Mystiker ist... niemand durch durch das was er behauptet, sondern durch die Art, wie er es behauptet. Mysticismus drückt nur den Gegensatz gegen formell wissenschaftliche Erkenntnis aus.« »Mysticismus kann nur jene Geistesbeschaffenheit genannt werden, welche alle wissenschaftliche Begründung oder Auseinandersetzung verschmäht, die alles wahre Wissen nur von einem sogenannten innern, auch nicht allgemein leuchtenden, sondern im Individuum eingeschlossenen Licht, aus einer unmittelbaren Offenbarung, aus bloßer ekstatischer Intuition oder aus bloßem Gefühl herleiten will«
(WW. I 10, 191 f.).

SUABEDISSEN spricht von der »Mystik,die uns im Schauen der Seele aufgeht«
(Psychol. S. 117). »Dem Mystiker gilt der Begriff nicht mehr viel, aber sein Gemüt und seine Phantasie sind vom Überirdischen erfüllt« (l.c. S. 118).

Nach
ULRICI besteht das Mystische darin, »daß wir uns bewußt sind, einenGedanken haben, ein Sein annehmen zu müssen, und doch mit unsern Versuchen, es in einen Begriff zu fassen, ihn auszudenken, immer wieder scheitern«. Das Mystische ist »ein unaustilgbares Moment unseres Denkens, Erkennens und Wissens«
(Gott u. d. Nat. S.639).

V. COUSIN bemerkt: »Le mysticisme contient un scepticisme pusillanime à l'endroit de la raison, et en même temps une foi aveugle et portée jusqu' à l'oubli de toutes les conditions imposées à la nature humaine«
(Du vrai p. 105). Gegen die Mystik betont er: »Le sentiment par luimême est une source d'emo-tion, non de connaissance. La seule faculté de connaître, c'est la raison« (l.c. p. 114). »La vraie union de l'âme avec Dieu se fait par la vérité et par la vertu. Tout autre union est une chimère, un péril, quelquefois un crime« (l.c. p. 115). »L'extase, loin d'élever l'homme jusqu' à Dieu, l'abaisse audessous de l'homme; car elle efface en lui la pensée en ôtant sa condition, qui est la conscience« (l.c. p. 126).

Für die Mystik spricht R. STEINER. Gott ruht in den Dingen, da er sich allem hingegeben. Der Mensch muß ihn schaffend erlösen. »Der Mensch blickt nun in sich. Als verborgene Schöpferkraft, noch daseinlos, pocht das Göttliche in seiner Seele. In dieser Seele ist eine Stätte, in der der verzauberte Gott wieder aufleben kann. Die Seele ist die Mutter, die den Gott aus der Natur empfangen kann. Lasse die Seele sich von der Natur befruchten, so wird sie ein Göttliches gebären. Aus der Ehe der Seele mit der Natur und Gott geboren. Das ist nun kein 'verborgener' Gott mehr, das ist ein offenbarer Gott.« »Die mystische Erkenntnis ist damit ein wirklicher Vorgang im Weltprocesse. Sie ist eine Geburt Gottes«
(Das Christent. als myst. Tatsache S. 23 f.; vgl. Die Mystik im Anfange neuzeitl. Geistesleb.).

Auch DU PREL schätzt die Mystik hoch
(Philos. d. Myst.; Monist. Seelenlehre S. 11).
Vgl. W. JERUSALEM, Einf. in d. Philos.2; NOACK, Die christl. Mystik 1853; F. PFEIFFER, Deutsche Mystiker d. 14. Jahrhund. 1845/1857; J. H. TH. SCHMID, Gesch. d. Mysticism. im Mittelalter; GODFERNAUX, Sur la psychologie du mysticisme, Rev. philos. 53, 1902, p. 158 ff.
- Vgl. Theosophie, Emanation, Gott.

Nichts (nihil mê on non ens) S. 2007ff. Siehe auch bei Kirchner und den Bonus-Themen
ist das contradictorische Gegenteil des Etwas, das Nicht-Etwas, der Ausdruck der Verneinung, Negation aller Merkmale, event. auch des Merkmals des Seins (absolutes Nichts). »Aus nichts wird nichts«: Grundsatz der Causalität . Die »Schöpfung aus nichts« bedeutet die Unabhängigkeit des göttlichen Schaffens von einer außer Gott vorhandenen Wesenheit.

Der theoretische Nihilismus des GORGIAS erklärt:
ouk estin es ist nichts (in Wahrheit).

Ein relatives
Nichts mê on ist nach PLATO (und PLOTIN) die Materie . Das Nichtsein mê einai, mê on bedeutet das Anderssein als das Sein (Sophist. 257 B, 258 B).

Das Nichts, aus dem nach der Lehre der Heiligen Schrift Gott die Welt geschaffen (vgl. AUGUSTINUS, De civ. Dei XII, 2), ist nach SCOTUS ERIUGENA das eigene Wesen Gottes (De div. nat. III, 19; 21). »Ex igitur nomine q. e. nihilum, negatio atque absentia totius essentiae vel substantiae, immo etiam cunctorum, quae in natura creata sunt, insinuan-tur« (l.c. III, 5).

FREDEGISUS erklärt, das »Nichts« sei, da jeder Name etwas bezeichne, ein Etwas (Migne, Patrol. T. 105, p. 752). Ähnlich lehren die Motaziliten.

Absolutes und relatives Nichts unterscheidet DUNS SCOTUS.

Als das Nichts wird Gott von der Kabbalâ bezeichnet s. Ensoph.

Nach ECKHART war das Nichts eher als das »Ichts«, sich selber unbekannt (Deutsche Myst. II); im Verhältnisse zu Gott sind die Einzeldinge nichts. -


Nach CAMPANELLA besteht jedes endliche Wesen aus Sein und Nichtsein; Gott ist Überseiendes, nichts von allem Endlichen. Jedes Ding ist »compositio entis et non-entis« (Univ. philos. II, 6).

R. FLUDD
nennt die formlose Materie ein Nichts (Philos. Mos. I, 3, 2). -

ERH. WEIGEL
erklärt das Nichts als »id, quod cogitamus, quando plane non cogitamus« (Philos. math.sct. I, def. 2).

CHR. WOLF definiert: »Was weder ist, noch möglich ist, nennet man nichts« (Vern. Ged. I, §28). »Nihilum dicimus, cui nulla respondet notio« (Philos. rat.).

Nach BOUTERWEK erzeugt das Denken das »reine Nichts«, wenn es von allen Gegenständen der Sinne abstrahiert (Lehrb. d. philos. Wissensch. I, 101).

Nach SCHELLING wird das Absolute zuerst als nichts, als ohne gegenständliches Sein, als reine Wesenheit gedacht (WW. I 10, 100).

HEGEL behauptet die inhaltliche Einerleiheit des reinen Seins und seines Gegensatzes, des Nichts; beide sind »reine Abstraction, damit das Absolut-Negative«. Das reine Sein ist das Nichts wegen seiner »reinen Unbestimmtheit« (Encykl. § 87). Aus diesem Nichts des reinen Seins geht dialektisch die Welt hervor.

L. FEUERBACH erklärt: »Das Nichts ist das absolut Gedanken- und Vernunftlose. Das Nichts kann gar nicht gedacht werden« (WW. II, 223). »Der Gegensatz des (allgemeinen) Seins... ist nicht das Nichts, sondern das sinnliche, concrete Sein« (l.c. S. 206).

HAGEMANN erklärt: »Der Begriff des Nichts setzt... den des Seins voraus und ist nur als Gegensatz zu diesem denkbar. Beide Begriffe kommen aber darin überein, daß sie ohne alle Bestimmtheit sind« (Met.2, S. 13). »Nichtdasein« ist »ein bestimmtes Sein, welches unabhängig vom Denken nicht wirklich ist, aber als solches gedacht und erkannt wird, das existieren kann« (l.c. S. 14).

Nach TWARDOWSKY ist das »Nichts« ein synkategorematischer Ausdruck, es bedeutet keine Vorstellung (Inh. u. Gegenst. d. Vorstell. S. 35).

Nach H. COHEN ist der Begriff des Nichts nicht ein Korrelatbegriff zum Sein, sondern nur ein Durchgang zum Sein (Log. S. 77).

Nihilismus S. 2010f.
Verneinungs-Standpunkt. Der theoretische Nihilismus leugnet jede Erkenntnismöglichkeit, jede allgemeine, feste Wahrheit (erkenntnis-theoretischer Nihil.), jede Realität der Außenwelt als solcher, der Vielheit der Dinge (metaphysischer Nihil.). Der ethische Nihilismus erkennt keine absoluten Werte und Normen des Handelns an.

Das Wort »Nihilismus« kommt schon bei JACOBI (für Solipsismus) vor; im praktischen Sinne »Nihilist« bei TURGENJEW (Väter u. Söhne).

Nach dem Sophisten
GORGIAS ist nichts ouk estin ist kein Sein. Wäre aber selbst ein Sein, so wärees nicht erkennbar agnôston kai anepinoêton wenn
selbst erkennbar, so nicht mitteilbar, wegen der Subjectivität der Sprache
(Sext. Empir. adv. Math. VII, 65, 77 squ.). -

Einen erkenntnistheoretischen Nihilismus, für den die Welt ein Chaos ohne festes Sein, unsere Erkenntnis rein subjectiv-anthropomorph ist, lehrt (als Durchgangstheorie) NIETZSCHE (vgl. WW. XV).

Einen »transcendenten Nihilismus« lehrt P. MONGRÉ, der keine »wahre« Welt als Urbild der »scheinbaren« annimmt (Das Chaos S. 188), das »schrankenlose Chaos« ist die Wirklichkeit (l.c. S. 188 ff.).

Nirwana S. 2011f.
nach buddhistischer Ansicht der Zustand der Erlösung von der Individualität, vom eigenen Wollen und der Ichheit, vom Leiden des Lebens, von der Wiedergeburt (»Parinirvana«).

Notwendigkeit (necessitas, anankê) S. 2022f. Siehe auch bei Kirchner
ist ein modaler Begriff. Er entspringt ursprünglich aus der Reflexion auf das unter dem Einflusse bestimmter Motive, Gründe, Bedingungen Nicht-anders-wollen- und handeln-können des Willens (des praktischen und des Denkwillens); dieses Bestimmtsein; Müssen wird in die äußere Erfahrung introjiziert, hineingelegt.

Notwendig ist, was nicht anders, als es ist, gedacht werden, geschehen, sein kann, was gesetzmäßig auftritt, was so ist, weil ein anderes es fordert, es dazu nötigt, bestimmt, determiniert, veranlaßt. Es bilden sich verschiedene Notwendigkeitsbegriffe aus:

1) Subjektive Notwendigkeit:

a. psychologische Notwendigkeit, die Bestimmtheit der Bewußtseinsvorgänge durch andere (Notwendigkeit der Assoziation);

b. logische Notwendigkeit,
Bestimmtheit des Denkens (Urteilens, Schließens) durch logische Motive, durch Gründe, durch bestimmte Denkakte und Denkinhalte, durch apriorische Gesetze (formal- und materiallogische, mathematische, erkenntnistheoretische Notwendigkeit);

c. praktische Notwendigkeit,
Bestimmtheit der Handlungen durch den Willen überhaupt, der Willensakte durch die Motive, durch den Grundwillen;

d. moralische Notwendigkeit,
Bestimmtheit der Handlungen durch den »Willen zum Guten«, der Willensintentionen durch den allgemeinen Sittlichkeitswillen.

2) Objektive (Natur-) Notwendigkeit

(die den Außendingen, Außenvorgängen auf Grund der Erfahrung zugeschriebene Notwendigkeit, das Folgen und Erfolgenmüssen):

a. physisch-empirische Notwendigkeit
, Bestimmtheit eines Vorganges durch andere;

b. metaphysische Notwendigkeit,
Bestimmtheit der Tätigkeiten durch das Wesen der Dinge, der transzendenten Faktoren. –

Zu unterscheiden sind ferner begrifflich:


kausale Notwendigkeit,
die Bestimmtheit der Wirkung durch die Ursache;

teleologische Nowendigkeit, Bestimmtheit, Bedingtheit der Mittel durch den Zweck.

relative Notwendigkeit, die Notwendigkeit als Bedingtheit;

absolute Notwendigkeit, die unbedingte Notwendigkeit im und aus dem Absoluten. -

Gegensatz zur Notwendigkeit ist die Zufälligkeit.

Notwendigkeit und Freiheit schließen einander nicht aus
. (auf die Wiedergabe der Auffassungen der einzelnen Philosophen wurde verzichtet)

Offenbarung (revelatio, manifestatio) S. 2187 Siehe auch bei Kirchner
Enthüllung des Wesens und des Willens Gottes, Verkündigung der göttlichen Gebote durch (von Gott) inspirierte Geister. Die natürliche Offenbarung ist das Wirken Gottes in der Natur und im menschlichen Geiste.

JUSTINUS
unterscheidet eine Offenbarung Gottes in seinen Geschöpfen, in der Vernunft des Menschen, durch Auserwählte (Moses, Propheten), durch Christus (Apol. II, 8).

TERTULLIAN spricht von der Offenbarung Gottes in der Welt (Adv. Marc. I, 13. 18).

Nach SCOTUS ERIUGENA u. a. ist die Welt eine Theophanie.

Nach DURAND VON ST. POURÇAIN (In sentent. theol.) offenbart sich Gott durch die Creatur, durch die Heilige Schrift, durch das Leben. –

Nach CAMPANELLA offenbart sich Gott dem äußern und dem innern Sinne (De nat. rer. I, 1).

Nach SPINOZA kann Gott sich dem Menschen nicht durch Worte oder andere äußere Zeichen offenbaren, nur durch sein Wesen und durch den Geist des Menschen kann er sich kundtun (De deo II, 24).

Nach BERKELEY offenbart sich Gott auch in der Natur.

LESSING erklärt: »Offenbarung ist Erziehung, die dem Menschengeschlechte geschehen ist und noch geschieht.« Wie die Erziehung, so gibt auch die Offenbarung »dem Menschengeschlechte nichts, worauf die menschliche Vernunft, sich selbst überlassen, nicht auch kommen würde: sondern sie gab und gibt ihm die wichtigsten dieser Dinge nur früher«. Gott hielt eine bestimmte Ordnung ein, er offenbart sich erst durch Moses, dann durch Christus, endlich wird er sich durch die Vernunft selbst offenbaren (Erzieh. d. Menschengeschl.).

Auch KRUG erblickt den Zweck der Offenbarung in der »Erziehung des Menschengeschlechts« (Handb. d. Philos. II, 384).

J. G. FICHTE
anerkennt auf kritischem Wege die Möglichkeit einer Offenbarung (Vers. ein. Krit. aller Offenbar. § 15). Offenbarung ist »eine Wahrnehmung, die von Gott gemäß dem Begriffe irgend einer dadurch zu gebenden Belehrung..., als Zwecke derselben in uns bewirkt wird« (l. c. § 5). Der Ursprung des Offenbarungsbegriffes liegt in der praktischen Vernunft (l. c. § 6). Sollen Wesen, deren Natur gegen das Sittengesetz teilweise widerstreitet, die Moralität nicht ganz verlieren, so müssen auf dem Wege der Sinne moralische Antriebe an sie herangebracht werden. Da aber die Wesen nicht fähig sind, die Idee vom Willen des Heiligsten als Sittengesetze anders als durch einen Gesetzgeber vernünftiger Wesen zu empfangen, so mußte Gott sich »durch eine besondere, ausdrücklich dazu und für sie bestimmte Erscheinung in der Sinnenwelt ihnen als Gesetzgeber ankündigen. Da Gott durch das Moralgesetz bestimmt ist, die höchstmögliche Moralität in allen vernünftigen Wesen durch alle moralischen Mittel zu befördern, so läßt sich erwarten, daß er, wenn dergleichen Wesen wirklich vorhanden sein sollten, sich dieses Mittels bedienen werde, wenn es physisch möglich ist« (l. c. § 7 ff).

SCHLEIERMACHER
erklärt: »Jede ursprüngliche und neue Mitteilung des Weltalls und seines innersten Lebens an den Menschen ist eine Offenbarung« (Üb. d. Relig. II, 127).

SCHELLING
und HEGEL sehen in der Geschichte eine Offenbarung des Absoluten.

Daß das Absolute sich in der Welt offenbare, lehrt auch CHALYBAEUS (Wissenschaftsl. S. 313 f.) u. a.

Nach DE BONALD ist die Offenbarung die Quelle der sittlichen Cultur (Oeuvres 1817/19).

Den Offenbarungsgedanken erörtert GIOBERTI (Della filosofia della rivelazione 1856), der in der inneren Offenbarung die höchste Erkenntnis erblickt.

So auch MAMIANI (Filos. d. revelaz. p. 49 ff.).

Für die Offenbarung erklärt sich PLANCK (Testam. ein. Deutschen S. 377 ff.).

LOTZE betrachtet die Offenbarung als göttliche Einwirkung auf das Gefühl (Mikrok. III2, 549).

Ähnlich FR. SCHULTZE (Philos. d. Naturwiss. II, 405).

A. DORNER
erklärt: »Das Christentum ist Offenbarungsreligion. Aber das Charakteristische ist, daß diese Offenbarung in ihrem Kern nicht mehr einen supernaturalen Charakter trägt, als wäre sie etwas dem Menschen Fremdes, sondern daß ihr Inhalt der Natur des Menschen entspricht, dass diese Mitteilung Gottes keine bloß äußere ist, sondern daß ihr Inhalt dem Menschen selbst innerlich zuteil wird und in Wahrheit gar nichts ist als die Erfahrung der wahren Gottesgemeinschaft, die ethisch bestimmt ist. Gott offenbart sich hier nicht einmal in einer gegebenen historischen Form, sondern er offenbart sich allen« (Gr. d. Religionsphilos. S. 114). »Die Taten Gottes sind immer gesta Dei per hominem« (l. c. S. 144. vgl. HARNACK, Wesen d. Christent.). Vgl. ROUSSEAU, Emile. NIETHAMMER, Vers. ein. Begründ. d. vernünft. Offenbarungsglaubens 1798. KÖPPEN, Üb. Offenbar. 1797. C. L. NITZSCH, De revelatione religion. 1808. SABATIER, Religionsphilos. S. 25..

Okkultismus (»Grenzwissenschaft«, »Xenologie«) S.2186f.
Geheimwissenschaft, »Wissenschaft« vom Okkulten, Verborgenen, Unbekannten, der gewöhnlichen Erfahrung nicht Zugänglichen, von den geheimnisvollen Phänomenen und Kräften der Natur, insbesondere des menschlichen Geistes. Er will, teilweise auf »experimentellem« Wege, teilweise durch Mystik und »Theosophie« , schließlich (aber nicht ausschließlich) das Übersinnliche erforschen. Er verbindet sich manchmal mit dem Spiritismus. Vgl. AGRIPPA (De occulta philosophia). Vgl. die Zeitschriften: »Sphinx« (1886-95), »Metaphysische Rundschau« u. »Neue Metaphys. Rundschau«, »Die übersinnliche Welt«, »Zeitschr. für Xenologie«, »Die Gnosis«. Vgl. C. KIESEWETTER, Geschichte des neueren Occultismus 1891.
Nach ihm sind okkulte Vorgänge »alle jene von der officiellen Wissenschaft noch nicht anerkannten Erscheinungen des Natur- und Seelenlebens, deren Ursachen den Sinnen verborgene, okkulte sind«. Okkultismus ist »die theoretische und praktische Beschäftigung mit diesen Tatsachen, resp. deren allseitige Erforschung« (l. c. I, S. XI).

Optimismus (von optimus, Bester) , S. 2207 Siehe auch bei Kirchner
1) die Ansicht, die Welt sei die beste aller möglichen, sei durchaus vollkommen oder so vollkommen als möglich.

2) die Ansicht, daß trotz aller empirisch vorkommenden, nicht zu leugnenden, notwendigen Übel die Welt, das Dasein einer Vielheit von Wesen,gut, zweckmäßig, wertvoll sei, daß also das Sein der Welt ihrem Nichtsein vorzuziehen, das (endliche) Leben zwar »der Güter höchstes nicht«, nicht von absolut-ewigem Werte (der nur dem Allsein zukommt), aber doch (als Mittel zur Förderung der Allwesenheit in uns und in den andern) zu bejahen sei.

3) die Gemütsdisposition, welche die Welt, das Leben, den Menschen von der guten, besten Seite auffaßt, vertrauensvoll den guten Ausgang der Dinge, den Fortschritt im kleinen wie im großen erwartet.

Schon im Alten Testament ist der Optimismus ausgesprochen: Panta kala - alles von Gott Geschaffene ist gut.

Optimisten sind auch die meisten griechischen Philosophen.


So PLATO, nach welchem der Demiurg als der Beste nur das Schönste schaffen konnte (themis de out' ên out' esti tô aristô dran allo plên to kalliston Tim. 30 A). Die Welt ist ein zôon empsychon, teleon (Tim. 30A, 32D), ein seliger Gott (eudaimona theon auton egennêsato, Tim. 34 B). Thnêta gar kai athanata zôa labôn kai xymplêrôtheis hode ho kosmos, houtô zôon horaton ta horata periechon, eikôn tou poiêtou, theos aisthêtos, megistos kai aristos kallistos te kai teleôtatos gegonen, heis ouranos hode monogenês ôn (Tim. 92B).

Auch ARISTOTELES ist mit seiner Teleologie zu den Optimisten zu rechnen.

So auch die
Stoiker.

Nach
KLEANTHES wendet Gott alles zum Guten: Oude ti gignetai ergon epi chthoni sou dicha, daimon, houte kat' aitherion theion polon out' epi pontô, plên hoposa rhezousi kakoi spheterêsin anoiais. 'Alla sy kai ta perissa epistasai artia theinai, kai kosmeis ta akosma, kai ou phila soi phila estin (Hymn. auf Zeus, Stob. Ecl. I, 30).

Alles ist nach CHRYSIPP durch die heimarmenê geordnet (s. Schicksal). »Neque enim est quicquam aliud praeter mundum, cui nihil absit quodque undique atque perfectum expletum sit omnibus suis numeris et partibus«(CICERO, De nat. deor. II, 37).

Gegen solche Auffassung EPIKUR, bei Lactant., De ira Dei 13,19 u. KARNEADES, bei Cicero, Acad. II, 38, 120. De nat. deor. III, 32, 80).

Nach PLOTIN ist alles Böse negativer Art, führt meist zum Guten (Enn. III, 2, 5).

Nach BOËTHIUS regiert ein guter Lenker die Welt, in der alles gut und gerecht ist. Jedes Ding hat sein festes Gesetz, das es beherrscht und zum Guten führt (Consol. philos. IV).

Den endgültigen Sieg des Guten über das Böse betonen (im Sinne des Parsismus) die Manichäer.

Nach
TERTULLIAN ist die Welt durch die Güte Gottes geschaffen, ist gut (De spect. 2. Adv. Marc. II, 17). Alles ist vernünftig geordnet (De an. 43. Apol. 17).

Die Harmonie und Schönheit der Welt
, in der alles zum Guten verknüpft wird, betont GREGOR VON NYSSA (De hom. opif. 1. De an. et resurr. p. 229). -

AUGUSTINUS erklärt alles Sein als solches für gut. »In quantum est, quidquid est, bonum est« (De vera relig. 21. Confess. VII, 12). »Cum omnino natura nulla sit malum, nomenque hoc non sit nisi privationis boni« (De civ. Dei XI, 22).

So auch THOMAS (In lib. sent. 1, d. 44) u. a.

Die Vollkommenheit und Schönheit der Welt behaupten NICOLAUS CUSANUS (De ludo globi I, f. 154), G. BRUNO (De la causa), SHAFTESBURY (Charact. II, p. 4), POPE (»Whatever is, is right«, Essay on man I, 294).

Eine Theorie des Optimismus gibt LEIBNIZ. Die Welt ist von allen (im Geiste Gottes) möglichen die beste, denn Gott, der Vollkommenste, kann nur das möglichst Beste gewählt haben (Princip. de la nat. 10. Theod. I B, §116). Wäre die Welt nicht die bestmögliche, so hätte Gott eine vollkommenere nicht gekannt, nicht schaffen können oder wollen, was der Weisheit, Allmacht oder Allgüte Gottes widerspricht (ib.). Gott hat die Dinge so geschaffen, daß sie durch ihre eigene Natur zum Guten führen (Gerh. VI, 605). »Il y a autant de vertu et de bonheur qu'il est possible« (ib.). Das Unzweckmäßige, Üble dient höheren Zwecken (Monadol. 90).

Gegen Leibniz erklärt sich VOLTAIRE (im »Candide«), auch HUME.

CHR. WOLF erklärt: »Die gegenwärtige Welt ist die beste. Wäre eine bessere als diese möglich gewesen, so hätte es nicht geschehen können, dass er (Gott) die unvollkommenere ihr vorgezogen hätte« (Vern. Ged. I, § 982).

Optimisten sind die deutschen Popularphilosophen, so z.B. MENDELSSOHN: »Alle Gedanken Gottes, insoweit sie das Beste zum Vorwurf haben, gelangen zur Wirklichkeit« (Morgenst. I, 12, S. 205. vgl. dagegen »Jerusal.« II, S. 44 ff.).

Zum Optimismus bekennt sich auch GOETHE (W. II, 390).

KANT wendet sich zwar gegen den eudämonologischen (das Überwiegen der Lust behauptenden) Optimismus (WW. Rosenkr. VII 2, 144, 274, 277, 318), vertritt aber einen evolutionistischen Optimismus des Fortschritts der Menschheit (l. c. VII, S. 330. VIII 2, 271).

Nach J. G. FICHTE hat das All das Gepräge des Geistes, »stetes Fortschreiten zum Vollkommenen in einer geraden Linie, die in die Unendlichkeit geht« (Anweis. zum sel. Leben, WW. V, 408).

Nach HEGEL ist »alles Wirkliche vernünftig« (s. Panlogismus).

CHR. KRAUSE
erklärt: »Die Welt mit allen ihren inneren Wesen und Harmonien ist göttlich, ein würdiges Werk und Ebenbild Gottes. Aus der Fülle der ewigen Macht und Weisheit und Güte stammt alles, was ist« (Urb. d. Menschh. S. 6).

Optimistisch ist die Philosophie NIETZSCHEs, LOTZEs, FECHNERs, WUNDTs, ÖLZELT-NEVINs (Kosmodizee) u. a.

E. DÜHRING bemerkt: »Die erforderliche Zutrauensfähigkeit hängt von der Gutartigkeit des Gemüts ab. nur der, welcher im innersten Kern seines Wesens selber das Gute will, wird auch das Gute als entscheidenden Charakterzug in der Gesamtanlage der Dinge voraussetzen« (Wirklichkeitsphilos. S. 87).

GIZYCKI hält weder den Pessimismus noch den Optimismus, sondern nur den »Meliorismus« (G. ELIOT) für haltbar, den Glauben an den Wert des Lebens und an die Fähigkeit, diesen zu erhöhen (Moralphilos. S. 90).

Ähnlich P. CARUS (Fundamental Problems2, 1894).

DUBOC bezeichnet als charakteristisches Merkmal der (von ihm vertretenen) optimistischen Weltanschauung die »Überzeugung von einem Fortschreiten in der innerlichen Weltbewegung zu einem höheren vollkommeneren Lebensinhalt« (Der Optim S. 132).

Einen »teleologischen« Optimismus verbindet mit dem »eudämonologischen« Pessimismus ED. VON HARTMANN.

H. LORM kommt auf Grund eines erkenntnistheoretischen »Pessimismus« zu einem »grundlosen Optimismus«, der in dem »Gefühle der Unendlichkeit« besteht (Der grundlose Optim. S. 247 ff., 260). Vgl. Pessimismus, Theodizee, Böses, Übel.

Panentheismus (pan en theô): Siehe auch bei Kirchner
All-in-Gott-Lehre, wonach Gott der Welt immanent und zugleich zu ihr transzendent ist, insofern die Welt ihrerseits Gott immanent, in Gott, von Gott umfaßt ist. Der Panentheismus ist eine Synthese von Theismus und Pantheismus. Gott gilt hier als höchste synthetische Einheit, innerhalb welcher ein vielgliederiges System von Einzelwesen, die voneinander relativ gesondert sind, unterschieden wird. Gott geht nicht in der Summe, auch nicht in der Ganzheit der Dinge auf. Gott und Welt sind nicht identisch.

Nach PLOTIN befaßt das vollendete Wesen in sich alle Wesen (Enn. VI, 6, 7).

Die Valentinianer erklären, »continere omnia patrem omnium et extra pleroma esse nihil« (bei Iren. II, 4, 2).

AUGUSTINUS erklärt: »Omnia igitur sunt in ipso [Deo], et tamen ipse Deus omnium locus non est« (Solil. I, 3, 4). Gott ist das Wesen, »a quo sumus, per quem sumus et in quo sumus« (De vera relig. 55. De civ. Dei IV, 12).

Wie DIONYSIUS AREOPAGITA lehrt SCOTUS ERIUGENA: »In Deo immutabiliter et essentialiter sunt omnia« (De div. nat. III, 1).

ECKHART bemerkt: »Got hât allîu dinc in îme selber, und ûzer Got enist iht« (Deutsche Myst. II, 631). Die Gottheit »hât in irbeslozzen alliu dinc« (l. c. S. 632).

Panentheistisch ist auch die Gotteslehre des NICOLAUS CUSANUS gefärbt.

Nach CAMPANELLA ist und wirkt alles aus und in Gott, er ist in allem (Univ. philos. VIII, 2, 2).

MALEBRANCHE
erklärt: »Toutes les créatures, mêmes les plus matérielles et les plus terrestres, sont en Dieu d'une matière toute spirituelle«(Rech. II, 5). Gott ist der »Ort aller Geister« -

Nach LESSING kann die Welt nur als in Gott seiend gedacht werden.

Als System begründet den Panentheismus CHR. KRAUSE (von ihm der Terminus). Alles ist in Gott, Gott offenbart sich in der Welt, wir leben, weben und sind in Gott (Vorles. üb. d. Syst. S. 254 ff.). Gott ist »das eine Wesen, das an und in sich und durch sich auch alles ist, was ist, in dem wir alle sind«(l. c. S. 224). »Alles ist und lebt in, mit und durch Gott. Kein Wesen ist Gott außer allein Gott. Aber, was Gott ewig schuf, das schuf er in sich selbst, unvergänglich, zu seinem Gleichnis. Die Welt ist nicht außer Gott, denn er ist alles, was ist. sie ist ebenso wenig Gott selbst, sondern in und durch Gott. Was Gott in ewiger Folge, ohne Zeit und über alle Zeit schuf, das offenbart, in ewigem Bestehen zeitewig lebend, das ihm von Gott urangestammte Wesentliche in stetig neuer Gestaltung, und Gott, sofern er über aller Zeit ist, wirket stetig ein in das Leben aller Dinge, welches ewig ist, mit und durch ihn als ein Allleben besteht«(Urb. d. Menschh. S. 4). Alle Wesen haben teil an Gottes Wesen (ib.).

Panentheistisch ist die Lehre M. CARRIEREs (Sittl. Weltordn. S. 394 ff.), J. H. FICHTEs, LOTZEs, BOSTRÖMs, FORTLAGEs, ULRICIs, WUNDTs, O. PFLEIDERERs, FECHNERs: »Es ist ein Gott, dessen unendliches und ewiges Dasein das gesamte endliche und zeitliche Dasein nicht sich äußerlich gegenüber noch äußerlich unter sich, sondern in sich aufgehoben und sich untergeordnet hat« (Tagesans. S. 65).

EUCKEN betont: »Im Urphänomen der Religion liegt ein zweifaches: das absolute Leben muß sowohl weltüberlegen als innerhalb der Welt wirksam sein.« Die Gottheit ist »absolutes, zugleich weltüberlegenes und in der Welt wirksames Geistesleben« (Wahrheitsgeh. d. Relig. S.181 f., 192). Vgl. SPIEGLER (Unsterbl. d. Seele S. 120). -
Vgl. Pantheismus.

Panlogismus (pan, logos):
All-Vernunft-Lehre; der metaphysische Standpunkt, welchem gemäß als die absolute Wirklichkeit des Alls der Logos, das Logische, Vernünftige, die Vernunft, Idee betrachtet wird. Der Panlogismus ist die metaphysische Form des Intellectualismus . Er verlangt als Ergänzung den Voluntarismus, da die Idee, das Vernünftige nur durch den Willen realisiert werden kann, ohne diesen nur Abstraction ist.

Ansätze zum Panlogismus finden sich schon bei HERAKLIT (Logos), PLATO ( Idee), ARISTOTELES (Gott als noêsis noêseôs), PLOTIN (Geist, Logos), in der Gnostik, bei TERTULLIAN »Sicut naturalia, ita rationalia in Deo omnia,« ( Adv. Marc. I, 23. vgl. De poenit. 1),
AVERROËS , SPINOZA, BARDILI, nach welchem im All überall ein Denken besteht (Gr. d. erst. Log.), J. G. FICHTE ( Dialektik).

Als System wird der Panlogismus von HEGEL begründet. Nach ihm ist alles Wirkliche vernünftig (Rechtsphilos. S. 17), das Absolute ist Idee, objective Vernunft, Geist, sich dialektisch entfaltende Idee (Logos), alles Endliche ist Moment des logischen Processes des Alls. »Die Hegelsche Weisheit kurz ausgedrückt ist, daß die Welt ein kristallisierter Syllogismus sei,« sagt SCHOPENHAUER (Neue Paralipom. § 75), ein heftiger Gegner des Panlogismus.

Panpsychismus (pan, psychê)
Allbeseelungs-Lehre, die Ansicht, nach welcher alles, das All beseelt, lebendig, seelisch ist, entweder actuell oder doch potentiell. Der Panpsychismus betrachtet die Grenze zwischen Lebendem und »Totem«, Organischem und Anorganischem als eine fließende, nicht als absolut. Er kennt nur Grade der Beseeltheit, nichts absolut Apsychisches, wenn auch nicht alles ein Bewußtsein im Sinne klarer Apperception und Selbstbewußtsein hat. Der Panpsychismus tritt auf als primitiver Animismus, als realistischer Panpsychismus (Hylozoismus) und idealistischer Panpsychismus (s. Spiritualismus), ferner als monadologischer und pantheistischer Panpsychismus (>>Weltseele)

Den
Panpsychismus lehrt schon Thales on lithon ephê psychên echein, hoti ton sidêron kinei, (Aristot.,De an. I 2, 405 a 20. Diog. L. I, 24, 27. s. Hylozoismus).

So auch
ANAXIMENES (s. Hylozoismus), ARCHELAUS (vgl. SIEBECK, Gesch d. Psychol. I 1, 93), PARMENIDES (Theophr., De sensu 3, Dox. 500), HERAKLIT: panta psychôn einai kai daimonôn plêrê (Diog. L. IX 7),

EMPEDOKLES:
hapanta methexei tou phronein (Theophr., De sens. 23. Aristot., De an. I 3, 406b 15).

PLATO
nennt die Gestirne sichtbare Götter, die Welt einen seligen Gott, ein zôon empsychon (Tim. 30 B, 46 C, 48 A. Phaedo 98 B. Theaet. 176 C. Leg. 677 A).

Den Pflanzen schreibt eine Seele
ARISTOTELES zu.

Die Stoiker nehmen an, daß in allem logoi spermatikoi seien. Das Pneuma ist materiell und vernünftig zugleich. Sie erklären: »Nihil, quod animi quodque rationis est expers, id generare ex se potest animantem compotemque rationis. Mundus autem generat animantes compotesque rationis. Animans est igitur mundus composque rationis« (CICERO, De nat. deor. II, 8).

Nach PLOTIN ist das All durch und durch belebt (Enn. VI, 7, 11 squ.. III, 2, 3).

Nach SIMPLICIUS haben die Gestirne eine empfindende Seele.

Die Manichäer halten alles für empsycha, nehmen eine Weltseele an (August., De vera rel. IX, 16 De nat. bon. 44). Ähnlich AVICENNA, AVERROËS.

Die Naturphilosophie der Renaissance ist meist panpsychistisch.

Nach PARACELSUS ist alles lebendig, alles hat einen »spiritus«, die Welt ist ein Lebewesen.

Nach CARDANUS haben alle Körper »propriam et veram vitam«, auch die Elemente (De subtil. V, Opp. III, 374, 439 ff.).

So auch nach J. B. VAN HELMONT (De magnet. 136 ff., 774 ff.).

Nach PATRITIUS ist die ganze Welt beseelt (Pampsychia IV, 54 ff., V, 58). Die »nova de universis philosophia« zerfällt in: Panaugia (Alllicht), Panarchia (Allherrschaft), Pampsychia, Pankosmia (Allordnung).

Nach TELESIUS haben alle Dinge einen »sensus«. Wärme und Kälte, die Principien der Dinge, haben einen »appetitus« (Streben) (De nat. rer. I, 9 f.).

CAMPANELLA
erklärt: »omnem naturam sentire affirmandum est« (De sensu rer. I, 1. 13). Auch die Elemente haben Empfindung (ib.), es besteht zwischen ihnen ein Kampf (l. c. I, 4). Empfindend sind auch Sonne und Erde, alles, was aus den Elementen entsteht (l. c. I, 5. Univ. philos. VI, 7, 6). -

Nach F. M. VAN HELMONT ist jeder Körper im Innern Geist, aber »finster«- (Opuscul. philos, I, 6 ff.). Ein vorstellendes Prinzip ist in allem (l. c. I, 7 f.).

Nach G. BRUNO ist Geist in allen Dingen, alles ist lebendig oder lebensfähig (De la causa II).

F. BACON meint:
»Ubique... est perceptio« (De dignit. IV, 3).

Nach SPINOZA sind die Dinge alle »quamvis diversis gradibus, animata«, »nam cuiuscumque rei datur necessario in Deo idea« (Eth. II, prop. XIII, schol.). Jedem modus der Ausdehnung entspricht in der einen Substanz ein modus der »cogitatio«.

Panpsychistische Elemente haben die Lehren von GLISSON, H. MORE, R. CUDWORTH

Panpsychist ist LEIBNIZ. »Chaque portion de la matière peut être conçue comme un jardin plein de plantes, et comme un étang plein de poissons. Mais chaque rameau de la plante, chaque membre de l'animal, chaque goutte de ses humeurs est encore un tel jardin ou un tel étang« (Monadol. 67). Das Universum ist durchaus belebt, weil in allem »Entelechien« sind (l. c. 68 f.).

Hylozoisten sind MAUPERTUIS, DIDEROT, ROBINET, GOETHE.

SCHELLING erklärt: »Alles im Universum ist beseelt« (WW. I 6, 217).

Nach SCHOPENHAUER ist alles an sich Wille.

H. RITTER bemerkt: »Was... wir die tote Natur nennen, ist im äußersten Falle nur die noch nicht zu erkennbarem Leben erwachte Natur« (Syst. d. Log. u. Met. I, 294, 298).

Nach ROSMINI sind alle Atome beseelt.

Nach
GIOBERTI hat alles Leben (Protolog. II, 554).

Nach FECHNER ist die ganze Natur von göttlichem Geiste beseelt (Zend-Av. I, 294). Es gibt eine »Allbeseelung« (Vorr. I, S. VI). Die »Tagesansicht« sieht in allem Leben, Seele, auch in den Planeten (Tagesans. S. 29 ff., 33 f.. Üb. d. Seelenfr. S. 184). Auch die Pflanzen sind beseelt (Nana). Ein Nervensystem ist nicht unbedingt notwendig als Träger der Beseeltheit (ib.).

Nach LOTZE ist alles beseelt, alles besteht aus Monaden (Med. Psychol. S. 131 ff., Mikrok. I, 407 f.. III, 525).

E. v. HARTMANN schreibt auch den Atomen einen (unbewußten) Willen zu.

Pansatanismus Siehe auch bei Kirchner
nennt O. LIEBMANN (Anal. d. Wirkl.2, S. 230) das pessimistische System SCHOPENHAUERS, die »Caricatur« des Pantheismus (weil der Allwille alogisch ist).

Pantheismus (pan, theos) S.2233ff. Siehe auch bei Kirchner
ist die Lehre, daß Gott und Welt nicht zwei wahrhaft voneinander geschiedene, außereinander bestehende Wesenheiten sind, sondern daß Gott selbst die Alleinheit, das All selbst Gott, alle Dinge Modi , Partizipationen der Gottheit, diese den Dingen (als deren substantiale Wesenheit) immanent, einwohnend ist, so daß alles zwar nicht selbst Gott, aber doch (sub specie aeternitatis betrachtet) von göttlicher Natur ist. Der naturalistische Pantheismus nähert sich dem Atheismus, indem er Gott und Natur identifiziert, der idealistische (spekulative) Pantheismus bestimmt die Alleinheit als Identität von Geist und Natur oder als Geist (Vernunft, Wille). -

»Pantheist«
zuerst bei J. TOLAND (Pantheisticon 1705), »Pantheismus« bei dessen Gegner FAI (1709).

Betreffs der Geschichte des Pantheismus >>Gott. Zur Ergänzung diene das Folgende.

Nach den Upanishads gibt es in Wahrheit nur ein Wesen hinter allen Erscheinungen (DEUSSEN, Sechzig Upan., Vorr. X. s. Idealismus).

Einen naturalistischen Pantheismus lehrt PLINIUS, nach welchem die Natur die Gottheit ist (Histor. natur. II). -

Pantheist ist DIDEROT (La vérité),

DESCHAMPS
: »Le tout universel est un être qui existe, c'est le fond dont tous les êtres sensibles sont des nuances« (Überweg-Heinze, Gr. d. Gesch. d. Philos. III9, 250),

GOETHE »das ewig Eine, das sich vielfach offenbart«, (WW. II, 227.XXXIII, 188). Gott ist, wirkt, als das Ewige im Wechsel (WW. XXXIV, 207) in der Natur, die Natur in Gott . -

SCHELLING erklärt: »Gott und Universum sind eins oder nur verschiedene Ansichten eines und desselben. Gott ist das Universum, von der Seite der Identität betrachtet, ist alles, weil er das allein Reale, außer ihm also nichts ist« (WW. I 4, 128).

Ähnlich B. H. BLASCHE (Philos. Unsterblichkeitslehre 1831).

G. WEISSENBORN unterscheidet mechanischen, ontologischen, dynamisch-psychologischen, ethischen, logischen Pantheismus (Vorles. üb. Panth. u. Theism. 1850). Er bekennt sich selbst zum Theismus.

Auch GIOBERTI, welcher aber gleichwohl in den Dingen Individualisationen der Ideen in Gott sieht.

HEBBEL bemerkt: »Alles Individuelle ist nur ein an dem Einen und Ewigen hervortretendes und von demselben unzertrennliches Farbenspiel« (Tageb. I, 323).

Einen »Semipantheismus«, nach welchem ein Teil des Göttlichen durch Gott selbst zur Welt wird, lehrt M. CARRIERE (Sittl. Weltordn. S. 384),
auch CHR. PLANCK (Testam. ein. Deutsch. S. 467).

Nach ROMANES ist Gott unpersönliches »World-Eject« (The World as an Eject 1895).

Nach VOLKELT ist Gott die eigene Substanz der Welt, das All-Eine.

Einen »transzendenten Pantheismus« lehrt FORTLAGE, einen »konkret-monistischen Pantheismus« E. v. HARTMANN (Gesch. d. Met. II, 599 f., vgl. Rel. d. Geist. S. 136).

Pessimismus (von pessimus, der Schlechteste) S. 2287ff. Siehe auch bei Kirchner
heißt der Standpunkt, wonach das Sein, die Welt, das Leben schlecht ist, so daß ihr Nichtsein dem Dasein vorzuziehen wäre. Der (bloß) empirische Pessimismus hält nur das Leben im Diesseits, die raum-zeitliche, individuelle Existenz für etwas Schlechtes, Unseliges, der metaphysische (transzendente) Pessimismus betrachtet die Welt (als solche) auch an sich als schlecht, als nicht sein sollend. Der praktische Pessimismus besteht in einer Disposition des Gemütes, die alles von der schlechtesten Seite betrachten läßt. Der ethische Pessimismus hält den Menschen für radikal schlecht und nicht wesentlich besserungsfähig. Der soziologische Pessimismus (L. GUMPLOWICZ u. a.) glaubt nicht an eine befriedigende, endgültige Lösung der »sozialen Frage«
.
Pessimistisch ist die Philosophie des Brahmanismus und Buddhismus, welche die Erscheinungswelt und das Leben für etwas zu Überwindendes, dem Allsein ohne individuelle Existenz und Objektivation oder dem »Nirwana« völlig Unterzuordnendes ansieht.

Die Nichtigkeit, Eitelkeit, Vergänglichkeit, Unbefriedigtheit des irdischen Daseins betont der
»Prediger Salomonis« (Koheleth IX, 1, 2, 4, 19 ff.. IV, 2, 3).

Nach SOPHOKLES (Antigone) ist es das Beste, nie geboren zu sein.

Der Epikureer HEGESIAS verzweifelt an der Möglichkeit des Glückes: tên eudaimonian holôs adynaton einai (Diog. L. II 8, 94). Er empfiehlt den Selbstmord »(peisithanatos)«.

Weltmüdigkeit und Weltflucht machen sich im (Ur-)Christentum geltend.


Pessimistische Elemente finden sich auch in der Gnosis, besonders bei MARCION und seinen Anhängern, welche die Weltschöpfung dem Demiurgen, nicht der Urgottheit zuschreiben.

ARNOBIUS
nennt den Menschen »rem infelicem et miseram, qui esse se doleat« (Adv. gent. II, p. 77 ed. Canter.).

Die Elendigkeit des Lebens bejammert die Abhandlung des
(späteren) Papstes INNOCENZ III. »De tractatu mundi« (C. 1 ff.. vgl. PLÜMACHER, Der Pessimism. S. 66 ff.).

Nach
MAUPERTUIS überwiegt im Leben die Unlust. Die Summe der Übel übertrifft die Summe des Wohles. Während das Maß der Lust engbegrenzt ist, ist das Maß der Unlust grenzenlos (Oeuvres 1756, I, p. 202 ff., 210 f.).

D'ALEMBERT
spricht vom »malheur de l'existence«.

VOLTAIRE
zieht aus der Betrachtung des Elends, der Schmerzen der Welt den Schluß: »Tout renaît pour le meurtre« (Philos. ignor. XXVI, p. 89).

Daß das Leben kein Überwiegen der Glückseligkeit aufweist, meint KANT (WW. IV, 331 f.).

»Weltschmerz« kommt zum Ausdrucke in verschiedenen Dichtungen, besonders bei LENAU (Faustszenen), GRABBE (Faust und Don Juan), bei BYRON, LEOPARDI, HEINE.

Ein System des (empirischen und metaphysischen) Pessimismus begründet SCHOPENHAUER. Die Welt ist als Erzeugnis des blinden, grundlosen Willens durch und durch etwas Schlechtes, etwas, was nicht sein sollte, eine Schuld (W. a. W. u. V. I. Bd. § 56). Eine schlechtere Welt kann es überhaupt nicht geben. »Nun ist diese Welt so eingerichtet, wie sie sein mußte, um mit genauer Not bestehen zu können. wäre sie aber noch ein wenig schlechter, so könnte sie schon nicht bestehen«(ib.). Die Welt ist ein »Jammertal«, voller Leiden, alles Glück ist Illusion, alle Lust nur negativ, der rastlos strebende Wille wird durch nichts endgültig befriedigt (l. c. § 59). »Denn alles Streben entspringt aus Mangel, aus Unzufriedenheit mit seinem Zustande, ist also Leiden, solange es nicht befriedigt ist. keine Befriedigung aber ist dauernd, vielmehr ist sie stets nur der Anfangspunkt eines neuen Strebens. Das Streben sehen wir überall vielfach gehemmt, überall kämpfend. Solange also immer als Leiden: kein letztes Ziel des Strebens, also kein Maß und Ziel des Leidens« (l. c. §56). Die Basis alles Wollens ist Bedürftigkeit, Mangel, also Schmerz (l. c. § 57). Das Leben »schwingt also, gleich einem Pendel, hin und her zwischen dem Schmerz und der Langeweile« (ib.). Das Leben ist »ein Meer voller Klippen und Strudel« (ib.). »Die unaufhörlichen Bemühungen, das Leid zu verbannen, leisten nichts weiter, als das es seine Gestalt verändert« (ib.). Befriedigung kann nie mehr sein als die Befreiung von einem Schmerz, von einer Not (l. c. § 58). Alles Glück ist nur negativer Natur (ib.). Schon seiner Anlage nach ist das Menschenleben keiner wahren Glückseligkeit fähig (l. c. 59). Jede Lebensgeschichte ist eine Leidensgeschichte, eine fortgesetzte Reihe großer und kleiner Unfälle (ib.). »Wenn man nun endlich noch jedem die entsetzlichen Schmerzen und Qualen, denen sein Leben beständig offen steht, vor die Augen bringen wollte, so würde ihn Grausen ergreifen, und man den verstocktesten Optimisten durch die Krankenhospitäler, Lazarethe und chirurgischen Marterkammern, durch die Gefängnisse, Folterkammern und Sklavenställe, über Schlachtfelder und Gerichtsstätten führen, dann alle die finsteren Behausungen des Elends, wo es sich vor den Blicken kalter Neugier verkriecht, ihm öffnen und zum Schluß ihn in den Hungerturm des Ugolino blicken lassen wollte, so würde sicherlich auch er zuletzt einsehen, welcher Art dieser meilleur des mondes possibles ist« (l. c. § 59). Der Optimismus ist eine »wahrhaft ruchlose Denkungsart« (ib.). - In der Welt herrscht eine »ewige Gerechtigkeit«. »In jedem Dinge erscheint der Wille gerade so, wie er sich selbst an sich und außer der Zeit bestimmt. Die Welt ist nur der Spiegel dieses Wollens: und alle Endlichkeit, alle Leiden, alle Qualen, welche sie enthält, gehören zum Ausdruck desen, was er will, sind so, weil er so will. Mit dem strengsten Rechte trägt sonach jedes Wesen das Dasein überhaupt, sodann das Dasein seiner Art und seiner eigentümlichen Individualität... Denn sein ist der Wille, und wie der Wille ist, so ist die Welt.« »Die Welt selbst ist das Weltgericht. Könnte man allen Jammer der Welt in eine Wagschale legen und alle Schuld der Welt in die andere, so würde gewiß die Zunge einstehen« (l. c. § 63). Erkenntnis der Einheit aller Wesen und Askese, Verneinung des Willens zum Leben allein kann uns erlösen, nicht der Selbstmord, der nur die individuelle Erscheinung des Allwillens vernichtet (l. c. § 68 ff. W. a. W. u. V. 2. Bd., C. 46, 48). »Aus der Nacht der Bewußtlosigkeit zum Leben erwacht, findet der Wille sich als Individuum, in einer end- und grenzenlosen Welt, unter zahllosen Individuen, alle strebend, leidend, irrend, und wie durch einen bangen Traum eilt er zurück zu alten Bewußtlosigkeit«(W. a. W. u. V. II. Bd., C. 46. ParergaII, C. 11 f.).

J. BAHNSEN leitet den Pessimismus aus dem Widerspruchscharakter des Willens ab. Die Welt ist durch und durch elend (Der Widerspr. 1880/82. Pessimisten-Brevier 1879), ist »von allen möglichen, d.h. überhaupt existenzfähigen, die schlechteste« (Zur Philos. d. Gesch. 1875).

MAINLÄNDER faßt die Weltentwicklung als Sterben des sich in der Vielheit der Dinge zersplitternden Gottes. Die Unlust überwiegt im Dasein (Philos. d. Erlös. 1876).

Pessimistischen Charakter hat teilweise die Philosophie von DEUSSEN, R. KOEBER (Schopenhauers Erlösungslehre 1882), M. VENETIANER (Der Allgeist 1874), F. LABAN (Schopenhauer-Litteratur 1880, Vorrede).

E. v. HARTMANN verbindet mit dem »evolutionistischen Optimismus« den »eudämonologischen Pessimismus« (vgl. schon SCHELLING, WW. I 10, 242). Die Welt ist wohl unter den möglichen die beste, aber gut ist sie doch nicht, denn sie ist eine Realisation des »Alogischen« im Absoluten, Unbewußten, des Willens (Philos. d. Unbew.3, S. 623 ff., 628. Zur Gesch. u. Begr. d. Pessim.2, S. 18 ff.). »Das 'Daß' der Welt ist... als ein von Gott geschiedenes schlechter, als ihr Nichtsein wäre. aber das 'Was und Wie' des Weltinhalts ist bestmöglich, wenn das Daß einmal als gegeben hingenommen wird« (Pessim.2, S. 26). Die Unlust überwiegt die (gleichwohl auch positive, nicht bloß negative) Lust in der Welt, ja immer größer wird das Übergewicht (l. c. S. 250 ff.. Philos. d. Unb.3, S. 697. II10, 303 f.). Das Leben ist voller Illusionen, voller Leiden. Gleichwohl darf man sich nicht quietistischer Trägheit hingeben, sondern die Erlösung des (durch seine Weltsetzung in Schuld verstrickten und) leidenden Absoluten, Göttlichen in und von der Welt kann nur durch »Hingabe ans Leben« zum Zwecke der Steigerung der Einsicht von der Notwendigkeit der Weltverneinung erfolgen, durch welche dereinst mit dem gleichzeitigen Aufhören alles Wollens (vom Menschen ausgehend. auch auf die Tierwelt u.s.w. übergehend) das Absolute von seiner Unseligkeit erlöst wird (Philos. d. Unb.3, S. 712 ff., 742 ff.).

So auch A. TAUBERT (Der Pessim. 1873) und O. PLÜMACHER (Der Pessim. 1884).

»Wissenschaftlichen Pessimismus« nennt H. LORM die Einsicht, »daß es unmöglich ist, mittelst der endlichen Beschaffenheit unserer Natur Aufschluß über den Ursprung und Zweck des Daseins zu erlangen« (Grundlos. Optim. S. 247).

VOLKELT
meint, die Welt des Endlichen weise darauf hin, »daß dem Absoluten ein feindselig entgegengesetztes Prinzip, ein Prinzip der Negation und Verkehrung innewohne« (Ästh. d. Trag.S. 430). »Einerseits ist die Welt in der Vernunft, im Seinsollenden, im Positiven gegründet. Aber sogleich hat das ewig Vernünftige, Seinsollende, Positive es ebenso ewig mit seinem Gegenteil zu schaffen., es leidet am Irrationellen, Nichtseinsollenden, Negativenund es trägt das Gepräge dieses Leidens« (l. c. S. 432). Die Macht der Vernunft ist das Siegreiche im Absoluten (ib.), das übergeordnete Prinzip (S. 433). Das Absolute gleicht dem tragischen Helden, der es »in seinem eigenen Innern mit einer herabzerrenden Gegenmacht zu tun hat« (S. 434).

Teils gegen, teils über den Pessimismus
vgl. J. B. MEYER, Weltelend u. Weltschmerz 1872. E. PFLEIDERER, Der moderne Pessim. 1875. G. P. WEYGOLDT, Krit. d. philos.Pessimism. 1876. J. HUBER, Der Pessimism. 1876. J. SULLY Pessimism. 1877. CARO, Le Pessimisme au 19. siècle, 2. éd. 1881. H. SOMMER, Der Pessimism. 2. A. 1883. REHMKE, Der Pessimism. u. d. Sittenlehre 1882. P. CHRIST, Der Pessim. u. d. Sittenlehre 1882. B. ALEXANDER, Der Pessim. des 19. Jahrh. 1884. W. RIBBECK, Stud. üb. d. Pessim.,Vierteljahrsschr. f. wissensch. Philos. 9. Bd., S. 265 ff.. G. SIMMEL, Über die Grundfrage d. Pessim., Zeitschr. f. Philos. 90. Bd., S.237 ff.. M. WENTSCHER, Üb. d. Pessim 1897. E:. DÜHRING, Wert. d. Leb. S. 197 ff.. PAULSEN, Schopenh., Haml., Mephist. 1900 u. a. (vgl. ÜBERWEG-HEINZE, Gr. d. Gesch. d. Philos. IV9, 203). RIEHL. Zur Einführ. in d. Philos. S. 200, 218.
Vgl. Optimismus, Übel.

Pleroma (plêrôma) S.2385
heißt bei dem Gnostiker VALENTINUS das Reich göttlich-geistiger Fülle, Lebendigkeit, die kraftdurchwirkte Seinswelt im Gegensatz zum Kenoma (kenôma), der stofflichen Leere.

Pneuma (pneuma) S.2386ff. Siehe auch bei Kirchner
Hauch, ätherisches Feuer, Lebensgeist. Daß der Organismus Luft aufnimmt, wird von HIPPOKRATES an zu physiologischen Theorien verwertet.

Nach ARISTOTELES ist im Blute eine luftartige Substanz (anathymiasis), in den Arterien ein pneuma als Träger von Empfindungs- und Bewegungsimpulsen. Das Pneuma im Organismus wird durch die Adern verbreitet und bewirkt den Pulsschlag und das Atmen.

Pneuma nennen die Stoiker die Gott-Natur ihrer kraftstofflichen, alles durchdringenden Wesenheit wegen. Das Pneuma ist Sich-selbst-bewegendes: einai to on pneuma kinoun heauto pros heauto kai ex hautou, ê pneuma heauto kinoun prosô kai opisô. pneuma de eilêptai dia to legesthai auto aera einai kinoumenon (Stob. Ecl. I 17, 374). Es ist pyr technikon, pneuma noeron kai pyrôdes ohne feste Gestalt, das sich in alles, was es will, verwandeln kann (l. c. I 2, 66. Diog. L. VII, 156. Plut., Epit. I, 6, Dox 292 a). Unsere Seele ist ein Ausfluß des Pneuma, to symphyes hêmin pneuma (Diog. L. VII, 156). Das pneuma pôs. echon ist »die eigentümliche Strömung der sich selbst und darum auch den Menschen bewegenden Seelenkraft« (STEIN, Ps. d. Stoa I, 122).

Als Lebenskraft faßt das Pneuma
GALEN auf, der ein pneuma psychikon (im Gehirn und in den Nerven), pneuma zôtikon (im Herzen), pneuma physikon (in der Leber) unterscheidet (vgl. Verworn, Allg. Physiol. S.. 11). –

Das »Buch der Weisheit« bestimmt die Weisheit Gottes als weltverbreiteten Geist (pneuma), pneuma kyriou, hagion pneuma (vgl. ÜBERWEG-HEINZE, Gr. d. Gesch. d. Philos. I9, 354).

Als Lebenskraft und Organ der Empfindung faßt das Pneuma PHILO (IV, 304) auf, der es auch mit dem hebräischen »ruach« (Geist) identificiert.

Im Neuen Testament wird das pneuma zum geistigen Wesen. Das »Pneumatische« steht über dem »Psychischen« (1. Kor. 15, 35 f.). Pneuma hagion ist der Heilige Geist.

Die Patristiker sprechen von einem pneumatischen Leib (Ätherleib).

Pneumatiker heißen bei VALENTINUS und ORIGENES die vom Geiste des wahren, christlichen Glauben Erfüllten im Unterschiede von den heidnischen Hylikern und den Psychikern.

CLEMENS ALEXANDRINUS unterscheidet im Menschen das pneuma sarkikon von der Vernunft (Strom. VI, 6, 52.VII, 12, 79).

Der Pneuma-Begriff hat auch in der Psychologie des Tatian (Or. ad Gr. 4) seine Stelle.

IRENAEUS
unterscheidet pnoê zôês und pneuma zôopoioun, das Ewige im Menschen (SIEBECK, G. d. Ps. I 2, 363).

Nach TERTULLIAN ist die Seele ein pneuma, weil sie als Hauch (flatus) atmet (De an. 10 f., 18).

Nach HILARIUS liegt das Pneuma der vegetativen, empfindenden, fühlenden Seelentätigkeit zugrunde (De trin. X, 14).

In der Theorie der »Lebensgeister«
und des »spiritus corporeus« im Mittelalter »pneuma oder spiritus corporalis«: HUGO VON ST. VICTOR,( De an. II, 9) (und noch später) lebt der Pneuma-Begriff weiter.

Polarität S. 2390f. Siehe auch bei Kirchner
das Auseinandertreten einer Einheit, Kraft in zwei Pole, entgegengesetzte Richtungen der Tätigkeit.

Die Lehre von den Gegensätzen im Weltgeschehen schon bei HERAKLIT u. a. -

Die durchgängige Polarität des an sich indifferenten Absoluten in Natur und Geist lehrt SCHELLING (s. Gott).

ESCHENMAYER
erklärt: »Es gefiel Gott wohl, ein Geisterreich zu ordnen und demselben ein Naturreich gegenüberzustellen, beide aber durch ein Drittes zu vermitteln« (Gr. d. Naturphilos. S. 24 ff.).

Nach HEGEL ist der Gedanke der Polarität »die Bestimmung des Verhältnisses der Notwendigkeit zwischen zwei verschiedenen, die eines sind, insofern mit dem Setzen des einen auch das andere gesetzt ist. Diese Polarität schränkt sich nur auf den Gegensatz ein. Durch den Gegensatz ist aber auch die Rückkehr aus dem Gegensatz als Einheit gesetzt, und das ist das Dritte« (Naturphilos. S. 31).

Nach GIOBERTI ist die Polarität ein Gesetz alles außer Gott Existierenden, sie folgt aus der »legge di eterogeneità« der Welt (Protol. II, 547 ff.).

EMERSON bemerkt: »Polarität oder Wirkung und Rückwirkung treffen wir in jedem Teile der Natur an, in Finsternis und Licht, in heiß und kalt, in Ebbe und Flut, im männlichen und weiblichen Geschlechte...« »Wie die Welt, so zeigt auch ein jeder ihrer Teile diese Zweiheit.« »Ein unvermeidlicher Dualismus durchschneidet die Natur, so daß ein jegliches Ding nur eine Hälfte darstellt und ein anderes Ding zu seiner Ergänzung voraussetzt« (Essays, Ausgleichungen S. 13 f.).

R. HAMERLING erklärt: »Polarität ist das Auseinandergehen einer und derselben Wesenheit in zwei entgegengesetzte, aber unzertrennliche Qualitäten, Kräfte, Richtungen, die man Pole nennt« (Atomist. d. Will. I, 208). »Nach dem Gesetze des Ausgleichs, der Compensation, suchen und ziehen die entgegengesetzten Pole einander an, aber um sich auszugleichen, um sich selbst zu vernichten« (l. c. I, 214).

Positivismus S. 2395 Siehe auch bei Kirchner
(Ausdruck von COMTE) heißt allgemein der »Gegebenheitsstandpunkt«, d.h. diejenige Richtung der Philosophie und Wissenschaft, welche vom Positiven, Gegebenen, Erfassbaren ausgeht, nur in diesem bezw. dessen exakter »Beschreibung« das Forschungsobjekt erblickt, jede Metaphysik transzendenter Art perhorresziert und alle Begriffe von Übersinnlichem, von Kräften, Ursachen, ja sogar oft der apriorischen Denkformen (Kategorien) aus der Wissenschaft »eliminieren« will. An Stelle der Ursachen der Phänomene (Dinge an sich u. dgl.) sollen nur die Koexistenzen, das räumlich-zeitliche Zusammen, die »Abhängigkeiten« der Erscheinungen (Erfahrungsinhalte, Erlebnisse, »Elemente«, Empfindungen u. dgl.) begrifflich und (möglichst) mathematisch formuliert werden. Hierbei wird die Notwendigkeit der Ergänzung der äußeren für die Philosophie durch die innere Erfahrung in der Regel nicht berücksichtigt, wie auch dem Kritizismus zuweilen nur geringe Rechnung getragen wird.

Eine Wendung zum Positivismus findet sich schon bei den Kyrenaikern (Subjektivismus), Epikureern (Sensualismus) und den »Empirikern« des Altertums. Ferner im Empirismus überhaupt, auch (teilweise) im BERKELEYschen Idealismus besonders aber bei HUME. Dieser erklärt: »Es gibt ja keine wichtigere Forderung für einen wahrhaften Philosophen als die, daß er das ungezügelte Verlangen, nach Ursachen zu forschen, unterdrückt und, wenn er eine Lehre auf eine genügende Anzahl von Beobachtungen aufgebauthat, sich damit zufrieden gibt, sobald er sieht, daß eine weitere Untersuchung ihn in dunkle und ungewisse Speculationen führen muß« (Treat. I, sct. 4, S. 24).

Nach D'ALEMBERT (Disc. prél.) und TURGOT (vgl. Encyclop., »Existence«) erkennen wir nur die Relationen, nicht die Ursachen der Dinge.


Positivistisch ist die Philosophie L. FEUERBACHS.


Der Begründer des Positivismus als System ist AUG. COMTE. »Positiv« ist ihm so viel wie wirklich, gewiß, genau bestimmt, relativ. Die positive Philosophie und Wissenschaft ist das letzte (dritte) Stadium in der Entwicklung der Wissenschaft nach der »loi des trois états«:

1) theologisches Stadium, in welchem man alles aus übernatürlichen, göttlichen Willenskräften ableitet,

2) metaphysisches Stadium, in welchem die Phänomene aus abstrakten (Kraft)Begriffen deduziert werden,

3) positives Stadium, in welchem man die Regelmäßigkeit und Koexistenz, die festen Gesetze der Phänomene, Tatsachen selbst, rein empirisch, ohne metaphysische Denkzutaten, das Wie statt des Warum erforscht.

Die positive Philosophie betrachtet die Theorien »comme ayant pour objet la coordination des faits observés« (Cours de philos, posit. I, leç. I, p. 5). »Tous les bons esprits reconnaissent aujourdhui que nos études réelles sont strictement circonscrites à l'analyse de phénomènes pour découvrir leurs lois effectives, c'est-à-dire leurs relations constantes de succession ou de similitude, et ne peuvent réellement concerner leur nature intime ni leur cause, ou première ou finale, ni leur mode essentiel de production« (l. c. I, leç. 28). Die Wissenschaft muß »voir pour prévoir«, will die Tatsachen beherrschen, verwerten, in den Dienst der sozialen Humanität stellen. Die Soziologie ist die höchste in der Hierarchie der Wissenschaften. Die Philosophie ist die Systematisation der Einzelwissenschaften. Die Metaphysik ist abzulehnen. Die positivistische Ethik ist altruistisch. Die positive Religion treibt den »Kultus der Menschheit«. (Vgl. Discours sur l'esprit positif 1844. Discours sur l'ensemble du positivisme 1848. Système de politique posit. 1851/54. Catéchisme positiviste 1852. Synthèse subjective I: Syst. de Log. posit. 1856. J. RIG, La philos. posit. 1881. G. E. SCHNEIDER, Einl. in d. posit. Philos. 1880. vgl. die Zeitschrift. Philos. posit. 1867/83.)


Von Einfluß auf Comte gewesen ist SAINT SIMON, besonders als Soziologe.

Französische Positivisten sind ferner: P. LAFITTE (Cours de philos. prem. 1889), E. LITTRÉ (Fragm. de philos. pos. 1876), E. DE ROBERTY (L'inconnaissable 1889. vgl. Sociologie), H. TAINE (vgl. Ästhetik. De l'intelligence 1870), E. RENAN (Dial. et fragm. philos. 1876).

In England: J. ST. MILL (teilweise). ferner im Sinne Comtes: F. HARRISON, R. CONGREVE, EDW SPENCER, BEESLY, J. H. BRIDGES. vgl. auch die Zeitschr. »The Positivist Review« (1893 ff.). dann: HUXLEY (Essays 1892. Collect. Ess. 1893/94. Science and Culture 1881), CLIFFORD (Seeing and Think. 1879. Lectur. and Ess. 1879). teilweise H. SPENCER, ferner LEWES, welcher von der »Elimination of the metempirical elements« spricht (Probl. II, 265). Auch P. CARUS (Primer of Philos. 1896).

In Italien: CATTANEO, FERRARI, SICILIANI, VILLARI, ARDIGO, MORSELLI u. a.

In Ungarn: (teilweise) K. BÖHM, FR. BARATH.

In Böhmen: MASARYK.

In Polen: JAN SNIADECKI, DOM. SZULC, J. OCHOROWICZ, F. BOGACKI.

In Rußland: P. LAWROW, MICHAJLOWSKIJ, LESSEWICZ, TROIZKIJ.

In Rumänien: B. CONTA. –

Zu den deutschen Positivsten und Halb-Positivisten gehören:


E DÜHRING, als Vertreter einer »Wirklichkeitsphilosophie« (s. d.. vgl. Log. S. 75).

E. LAAS: Positivismus ist die Philosophie, die zur Grundlage nur positive Tatsachen (der Wahrnehmung, der Logik) nimmt und über die Korrelation von Objekt und Subjekt nicht hinausgeht (Ideal. u. Posit. III, 5, 407). Die positivistische Ethik ist psychologisch-genetisch (Ideal. u. Pos. II).

Auch
NIETZSCHE (teilweise).

Ferner
TH. ZIEGLER, W. BENDER, F. TÖNNIES, C. GÖRING, DILTHEY (Einl. in d. Geisteswiss. I, 501,512), JODL,

A. RIEHL teilweise: »In der wissenschaftlichen Forschung ist der Positivismus, der Weg der Erfahrung, an seinem Platze, wo aber die Lebensweisheit, welche nicht Wissenschaft ist, sondern Kunst, dem Willen neue Ziele entdeckt, hat alle bisherige Erfahrung keine entscheidende Stimme« (Zur Einf. in d. Philos. S. 192 f.).

Positivisten im erkenntnistheoretischen Sinne des reinen Empirismus sind B. AVENARIUS, E. MACH.

Alle positive Wissenschaft, d.h. als eine von allen religiösen und metaphysischen Voraussetzungen unabhängige Wissenschaft (im Sinne der »Gesellschaft für ethische Cultur«), lehrt die Ethik W. STERN (Krit. Grundleg. d. Eth. als posit. Wissensch. 1897. Allgem. Princip. d. Eth. 1901).

Positive Ethik gibt auch RATZENHOFER. Sie ist positiv, »indem sie das Sein-sollende der Natur des Menschen und der Socialgebilde, fußend auf den Naturgesetzen, entnimmt« (Posit. Eth. S. 22). Er lehrt überhaupt einen »monistischen Positivismus« (l. c. Vorw.).

Prädestination S. 2407 f. Siehe auch bei Kirchner
ist die von Theologen angenommene göttliche Vorherbestimmung der Menschen sei es zum Guten, sei es zum Bösen, zur Seligkeit oder zur Verdammnis (Prädamnation), verbunden mit der Präszienz (Vorherwissen) Gottes.

So nach den Pelagianern, deren Lehre AUGUSTINUS berichtet: »Praesciebat Deus, qui futuri essent sancti et immaculati per liberae voluntatis arbitrium et ideo eos ante mundi constitutionem in ipsa sua praeseientia, qua tales futuros esse praescivit, elegit« (De praed. 10). Er selbst führt die Gnadenwahl auf einen uns verborgenen Grund in Gott zurück (De civ. Dei XII, 27 XIV, 28. XV, 1. XXI, 12).

Erneuerer dieser Lehre ist der Mönch GOTTSCHALK: »Deus incommutabilis ante mundi constitutionem omnes electos suos incommutabiliter per gratuitam gratiam suam. Praedestinavit ad vitam aeternam« (bei Stöckl, I, 26 ff.).

Nach THOMAS ist die Prädestination »quaedam ratio ordinis aliquorum in salutem aeternam in mente divina exsistens« (Sum. th. I, 2c), »directio in finem, quem vult Deus rei dilectae« (Quodl. 11, 3, 3c).

CALVIN erhebt die Prädestinationslehre zum Dogma.

Nach LEIBNIZ sind die Verworfenen nicht unbedingt, sondern nur wegen ihrer von Gott erkannten Unbußfertigkeit verdammt (Theod. I B, § 81).

Prädeterminismus S.2408 Siehe auch bei Kirchner
heißt die (metaphysische und theologische) Ansicht, dass alle menschlichen Willensakte, Handlungen von Ewigkeit durch Gott determiniert, bestimmt seien.

So lehren AUGUSTINUS, ANSELM, der die Präszienz Gottes betont (De concord. praesc. qu. 1, 4, 7), die Motakallimûn, nach welchen alles in der Welt bestimmt ist »ex certa voluntate, intentione et gubernatione«(bei Maimonid., Doct. perplex. III, 17), LUTHER: »Deus praescit et praeordinat omnia« (De serv. arbitr. 158), CALVIN.

Nach LEIBNIZ hat Gottes Präszienz keinen determinierenden Einfluss auf die Weise unseres Handelns (Theod. I B, § 42 ff.).

Präexistenz S. 2411ff. Siehe auch bei Kirchner
früheres Dasein, Existenz der (menschlichen) Seele schon vor dem irdischen Daseinin einer andern Form, sei es in Gott als Potenz, sei es als reine Seele, sei es in einer andern individuellen Verleiblichung.

In Verbindung mit der Seelenwanderung lehrt die Präexistenz der Buddhismus.

So auch PYTHAGORAS und EMPEDOKLES.

Nach
PLATO war die Seele vor der Geburt des Menschen leibfrei im Reiche der Ideen . Die Anamnese weist darauf hin. Kai kat' ekeinon ge ton logon, ô Sôkrates, ei alêthês estin, hon sy eiôthas thama legein, hoti hêmin hê mathêsis ouk allo ti ê anamnêsis tynchanei ousa, kai kata touton anankê pou hêmas en proterô tini chronô memathêkenai ha nyn anamimnêskometha. touto de adynaton, ei mê ên pou hêmôn hê psychê en tôde tô anthrôpinô eidei genesthai. hôste kai tautê athanaton ti eoiken ê psychê einai (Phaed. 72E. Phaedr. 247, Gorg. 523, Rep. 614, Meno 86A).

Die Präexistenz der Seelen lehrt das »Buch der Weisheit« (agathos ôn êlthon eis sôma amianton, I, 20), PHILO, PLOTIN (Enn. IV, 3, 5 squ.), NUMENIUS, NEMESIUS (Peri phys. 2), ORIGENES (gegen sie: AENEAS VON GAZA. TERTULLIAN, De an. 24. GREGOR VON NYSSA, De creat. hom. 28. AUGUSTINUS), der Talmud, die Kabbalâ, LEIBNIZ (Monadol. 72), CHR. WOLF (Psychol. rational. § 706), SCHELLING, SCHUBERT (Gesch. d. Seele S. 617, 654), LINDEMANN (Lehre vom Mensch. H. 223), J. H. FICHTE (Anthropol. S. 331. Zur Seelenfr. S. 8), J. REYNAUD.

Gegner ist u. a.
LOTZE (Med. Psychol. 163).

Nach andern, z.B. nach
VOLKMANN, ist nur der Beginn des Seelenlebens dem Moment der Geburt vorzusetzen (Lehrb. d. Psychol. I4, 183). Vgl. BRUCH, Die Lehre von d. Präexist. 1859.F. LAUDOWICZ, Wesen u. Urspr. d. Lehre von d. Präex. 1898. Vgl. Seelenwanderung

Psychologismus (Ausdruck schon bei J. E. ERDMANN u. a.) S. 2499 ff.
bedeutet allgemein die Berücksichtigung der Psychologie als Hilfemittel und als eine Basis für die Geisteswissenschaften und Philosophie.

Im engeren Sinne ist der Psychologismus die Anschauung, nach welcher alle Wirklichkeit aus Daten der Psychologie, der innern Erfahrung besteht, aufgebaut ist, zugleich der Standpunkt, daß die Geisteswissenschaften nebst der Philosophie, Logik , Ethik, Ästhetik nichts als Psychologie seien.

Der (extreme) Psychologismus vergißt, daß:

1) Psychologie wohl eine Grundlage der Geisteswissenschaften und Philosophie, nicht aber schon die diesen Disziplinen wesentliche Kritik, Normatik, Wertung, Stellungnahme enthält,

2) das Psychologische, h. die durch psychologische Analyse und Abstraktion gewonnene geistige Realität nicht die ganze, volle, absolute, einheitlich-zusammenhängende, lebendigschöpferische geistige Wirklichkeit ist, wie sie sich erst vom philosophischen Standpunkte ergibt (ohne deshalb mit MÜNSTERBERG u. a. einen Dualismus zwischen Psychologie und Geisteswissenschaftstatuieren zu müssen).

Im einzelnen gibt es: metaphysischen (ontologischen), erkenntnistheoretischen, logischen, ethischen, ästhetischen, soziologischen, religionsphilosophischen Psychologismus.

Einen Psychologismus im weiteren oder doch gemäßigten Sinne vertreten:


FRIES, CHR. WEISS, BENEKE, V. COUSIN
(Du vrai p. 3), JOUFFROY, FOUILLÉE, LACHELIER, HÖFFDING (Psychologie als Grundlage der Geisteswissenschaften: Psychol.2, S. 35), WUNDT (s. Psychologie), JODL u. a., mit noch stärkerer Betonung LIPPS (vgl. Psycholog. Wissensch. u. Leb. 1901), F. BRENTANO und seine Schule (HÖFLER, MARTY, MEINONG u. a.).

Besonders aber
(auch im ontologischen Sinne) BERKELEY, HUME, J. ST. MILL (S. Object), H. CORNELIUS, nach welchem die Psychologie »das einzig mögliche Fundament aller Philosophie« ist (Psychol. S. 71), E. MACH u. a.

In der Logik sind
psychologistisch J. ST. MILL, FOWLER (Logic, 1895, I, 1), SCHUPPE (Arch. f. system. Philos. VII, 1901, S. 1 ff.), ELSENHANS (Zeitschr. f. Philos. 109. Bd., 1896, S. 195 ff.).

Dagegen
REHMKE (l. c. 1894, S. 118 ff.), UPHUES, PALÁGYI u. a.

Gegner des erkenntnistheoretischen Psychologismus ist KANT. Nicht die psychologische Analyse, sondern die Kritik, die Beurteilung des Erkennens hinsichtlich der Erkenntnismöglichkeit stellt er sich zur Aufgabe (s. Kritik). Die psychologische Erklärung eines Urteils ist etwas anderes als die »Rechtfertigung« desselben (Üb. Philos. überh. S. 167).

Ähnlich die Kantianer (s. d. u. A priori. vgl. aber dort F. A. LANGE u. a.).

G. E. SCHULZE
bemerkt: »Die Überzeugung von den obersten Grundsätzen in den Wissenschaften und den Urwahrheiten für die gesamte menschliche Erkenntnis erfordert... keine Einsicht vom Ursprunge dieser in unserem Geiste« (Üb. d. menschl. Erk. S. 214).

Gegen den Psychologismus wendet sich u. a. G. W. GERLACH. Nach ihm ist die Psychologie nicht die Grundwissenschaft der Philosophie. »Die empirische Psychologie hat... einen wesentlich weitern Umfang als diejenige Lehre, der es lediglich um die begriffsmäßige Fassung der Quelle des Allgemeingültigen zu tun ist. sie würde mithin auch für den eigentlichen Zweck der Philosophie eine viel zu breite und unsichere Unterlage abgeben« (Die Hauptmom. d. Philos. S. 51 f.). –

Gegen den idealistischen »Psychologismus« von ROSMINI, nach welchem der Philosoph zuerst sein eigenes denkendes Selbst zum Objekte machen muss (Nuovo saggio § 1465 ff.) richtet sich der »Ontologismus« GIOBERTIS. –

Nach HARMS hat die alte, objektive Philosophie »einen nicht geringen Vorzug vor der modernen Philosophie, welche von einer bloß subjektiven oder psychologischen Auffassung des Problems der Wissenschaften ausgeht, indem sie das Phänomen des bloßen Vorstellens, welches ein Residuum eines kritiklosen Skeptizismus ist, der sich selber in leeren Abstraktionen nicht genug tun kann, zum Problem aller Wissenschaft macht« (Psychol. S. 66).

WINDELBAND betont: »Für die Psychologie mag es von Interesse sein, festzustellen, ob eine Vorstellung auf dem einen oder dem anderen Wege zustande gekommen ist: für die Erkenntnistheorie handelt es sich nur darum, ob die Vorstellung gelten, d.h. ob sie als wahr anerkannt werden soll«
(Prälud. S. 23).

Nach H. COHEN setzt die Psychologie schon die Erkenntnistheorie voraus (Princ. d. Infinit. S. 4 f.). Die Erkenntniskritik untersucht nicht die Bewußtseinstätigkeit beim Erkennen, sondern die Voraussetzungen wissenschaftlicher Erkenntnis. So auch NATORP.

Gegen die Basierung der Geisteswissenschaften auf Psychologie sind besonders H. RICKERT (s. Naturwissenschaft) und MÜNSTERBERG. Er ist gegen den Psychologismus, der keine andere Wirklichkeit anerkennt als physische und psychische Objekte (Grdz. d. Psychol. I, 13). Die Wirklichkeit ist mehr als ein System von physischen und psychischen Vorgängen, »sie ist zugleich ein System von Absichten und Zwecken, deren psychologische Erfahrbarkeit für die Feststellungen der Geschichts- und Normwissenschaften nicht das Wesentliche ist« (l. c. s. 14). Die Geisteswissenschaften sind scharf von der Psychologie zu trennen, denn diese betrachtet das objektivierte Subjekt, jene aber gehen auf das stellungnehmende, wertende, ganze Subjekt (l. c. S. 15 ff.). Die Psychologie ist nicht Basis, nur Hilfsdisziplin der Geisteswissenschaften (l. c. S. 19. Psychol. and Life).

L. W. STERN
anerkennt zwar nicht den schroffen Dualismus zwischen Psychologie und Geisteswissenschaften (Beitr. zur Psychol. d. Auss. 1. H.,S. 11), erklärt sich aber doch gegen den Psychologismus im extremeren Sinne (ib.). »Dem Psychologismus liegt die unzutreffende Voraussetzung zugrunde, daß Psychologie nichts anderes zu tun habe, als die geistige Wirklichkeit zu nehmen und zu beschreiben, wie sie ist. Jede Wissenschaft, und so auch diese, ist Bearbeitung der Wirklichkeit unter bestimmten Gesichtspunkte und unter bewußter Abstraktion von anderen Gesichtspunkten. Die Gesichtspunkte aber, unter denen die Psychologie die Seele erfasst, sind die der indifferenten sachlichen Objektivation, der Analyse und der Allgemeingültigkeit. Die Gesichtspunkte, von denen sie abstrahiert, sind die des persönlichen Wertes und Wertens, der persönlichen Einheit und der persönlichen Individualität. Und darum kann Psychologie nicht die zureichende Grundlage für diejenigen Sphären der Kultur sein, in denen geistiges Dasein nicht als Sache unter Sachen, sondern als Person unter Personen von Bedeutung ist« (l. c. S. 11 ff.).

Gegen den Psychologismus, welcher verkennt, daß in dem scheinbar
»Gegebenen«, auch wenn es psychischer Art ist, schon ein Erzeugnis des Bewusstseins vorliegt, erklärt sich P. STERN (Grundprobl. d. Philos. I, S. 66 ff., 71 ff.).

Gegen den logischen und ontologischen Psychologismus ist M. PALÁGYI (Log. auf d. Scheidewege S. 72 ff.). –

DILTHEY
hält die atomistische Psychologie nicht als Grundlage der Geisteswissenschaften geeignet, wohl aber eine deskriptive Psychologie, »welche Tatsachen und Gleichförmigkeiten an Tatsachen feststellt« (Einleit. in d. Geisteswissensch. S. 40 f.). Eine solche Psychologie ist die erste und elementarste unter den Geisteswissenschaften (l. c. S. 41). »Aber ihre Wahrheiten enthalten nur einen aus dieser Wirklichkeit ausgelösten Teilinhalt« (ib., vgl. Ideen üb. eine beschreib. u. zerglied. Psychol.). Vgl. K. HEIM, Psychologismus oder Antipsychologismus? -

Pythagoreismus S.2512
die Philosophie des PYTHAGORAS und seiner Anhänger, insbesondere die metaphysische Lehre von den Zahlen.

Pythagoreer
sind: PHILOLAUS, SIMMIAS, KEBES, OKELLUS,TIMÄUS VON LOKRI, ECHEKRATES, AKRION, ARCHYTAS VON TARENT, LYSIS, EURYTUS.

Verwandte Denker: ALKMÄON, HIPPASUS, EKPHANTUS, HIPPODAMUS, EPICHARMUS (vgl. ÜBERWEG-HEINZE, Gr. d. Gesch. d. Philos. Ir, 62 ff.).

Der pythagoreische Bund war ethisch-politisch und philosophisch-religiös zugleich. Vgl. Zahl, Harmonie, Seele, Seelenwanderung

Quellgeister S. 2545
nennt J. BÖHME die den sinnlichen Qualitäten der Dinge zugrunde liegenden Kräfte, die im »Blitz, des Lebens geboren« werden (Aurora S. 81, 159 ff.). Es gibt sieben Quellgeister: Begierde, Bewegnis, Angstqualität, Feuerblitz, Liebe, Hall oder Schall, Verständnis

Schein (Scheinen) S.2814ff. Siehe auch bei Kirchner
ist ein Gegensatz vom Sein , es ist das bloße Bild, Aussehen, das für ein Sein genommen wird. Der Begriff »Schein« entspringt dem Urteil über die Falschheit, Trüglichkeit eines Seins - Urteiles. Schein ist alles, was dem Sein, dem Seienden, der Wahrheit ähnlich ist, ohne doch das Sein, das Seiende, die Wahrheit selbst zu sein. Der Schein ist ein durch falsches Urteilen real Gesetztes. Er ist Produkt unseres Empfindens und Vorstellens (psychologischer Schein) oder unrichtigen Denkens (logischer Schein) oder unserer eigenartigen Beziehung zum Seienden (metaphysischer, objectiver Schein = Erscheinung). Ist also auch der Schein nicht das Sein, so hat doch jeder Schein in der Beschaffenheit eines (subjectiven oder objectiven) Seienden seinen Grund, der Schein deutet auf ein Sein hin.

Die Eleaten erklären das
Werden, HERAKLIT das starre Sein für Schein.

Der (mystische) Pantheismus hält die Vielheit der Dinge für Schein, Trug der Maya.

LAMBERT unterscheidet den physischen Schein, wo die Sache wirklich da ist und die Sinne erregt, vom idealischen (psychischen, moralischen) Schein, der auf Einbildung beruht (Organ. Phänomenol. § 20, S. 217 Ü.).

KANT unterscheidet Schein und Erscheinung. Der Schein ist »ein Grund, eine falsche Erkenntnis für wahr zu halten«, »nach welchem im Urteil das bloß Subjective mit dem Objectiven verwechselt wird«(Log. S. 77. Prolegom. § 40). Der Schein ist nur im Urteil (Krit. d. rein. Vern. S. 261). Im Gegensatze zur Erscheinung kann er dem Gegenstande niemals als Prädicat (mit Recht) beigelegt werden (l. c. S. 73). »Der logische Schein, der in der bloßen Nachahmung der Vernunftform besteht (der Schein der Trugschlüsse) entspringt lediglich aus einem Mangel der Achtsamkeit auf die logische Regel. Sobald daher diese auf den vorliegenden Fall geschärft wird, so verschwindet er gänzlich.« Der »transcendentale Schein« hingegen, der der Dialektik der Vernunft zugrunde liegt, hört nicht auf, auch wenn seine Nichtigkeit eingesehen worden ist (l.c. S. 263).

G. E. SCHULZE erklärt: »Schein und Täuschung besteht überhaupt genommen darin, daß dasjenige in einer Erkenntnis, was bloß aus der erkennenden Person und ihrer Besonderheit herrührt, für eine Eigenschaft des erkannten Gegenstandes genommen wird« (Gr. d. allg. Log. S. 199).

HEGEL
erklärt diejenige Realität, welche dem Begriffe nicht entspricht, für bloße »Erscheinung« auch im An-sich-sein. Schein ist »wesenloses Sein« (Log. II, 7).

HERBART
erklärt: »Das Zurückbleibende, nach aufgehobenem Sein, ist Schein. Dieser Schein, als Schein, hat Wahrheit. das Scheinen ist wahr. Nun liegt es im Begriff des Scheins, daß er nicht in Wahrheit das sei, was er scheint. Sein Inhalt, sein Vorgespiegeltes, wird in dem Begriff 'Schein' verneint. Damit erklärt man ihn ganz und gar für nichts, wofern man ihm nicht von neuem (ganz fremd dem, was durch ihn vorgespiegelt wird) ein Sein wiederum beifügt, aus welchem man dann noch das Scheinen abzuleiten hat. - Demnach: wie viel Schein,so viel Hindeutung aufs Sein« (Hauptp. d. Met. S. 20). »Wahrhaft objectiv kann nur ein solcher Schein heißen, der von jedem einzelnen Objecte ein getreues Bild, wenn auch kein vollständiges, so doch ohne alle Täuschung, dem Subjecte darstellt, dergestalt, daß bloß die Verbindung der mehreren Gegenstände eine Form annimmt, welche das zusammenfassende Subject sich muß gefallen lassen« (Met. II, § 292 f.).

Nach HARMS gibt es keinen absoluten Schein. Aller Schein ist relativ, der durch das Denken selbst eliminiert werden kann
(Log. S. 87). Vgl. AVENARIUS, Krit. d. rein. Erfahr. II, 392 ff.

Schicksal (moira, atê, heimarmenê, anankê, fatum) S. 2826ff.
1) das Geschick, die Summe der Erlebnisse eines Wesens als abhängig von der Natur desselben und den Gesetzen der Außenwelt betrachtet,

2) die Hypostasierung der Factoren, welche das Geschick, die Lebenswendung bestimmen (insbesondere der äußeren Factoren, der Notwendigkeit des Alls, des äußeren Causalnexus) zu einer selbständigen, blind-gesetzvoll handelnden Macht, welche den Erfolg des menschlichen Handelns letzten Endes determiniert, oft so gedacht, daß die Freiheit des einzelnen, der Persönlichkeit gar nicht zur Geltung kommt, die doch selbst ein Aktiver, das Geschick beeinflussender, bestimmender Factor ist, sein kann.

Als selbständige, absolute Macht betrachten das Schicksal die Griechen.

HOMER sagt: moiran d' outina phêmi pephygmenon emmenai andrôn, ou kakon oude men esthlon, epên ta prôta genêtai (Il. z' 488).

HERAKLIT faßt die heimarmenê als Logos auf.

Als gesetzmäßige Notwendigkeit bestimmen das Schicksal die Stoiker (Diog. L. VII,- 149. Cicer., De nat. deor. I, 25, 70).

CHRYSIPP
erklärt: heimarmenê estin ho tou kosmou logos, ê logos tôn en tô kosmô pronoia dioikoumenôn (Stob. Ecl. I 5, 180).

ZENO nennt das Schicksal dynamin kinêtikên tês hylês (l. c. 178).

Nach SENECA ist das »fatum« »series implexa causarum« (De benef. IV, 7). »Ordinem rerum fati aeterna series rotat, cuius prima haec lex est, stare decreto. Quid enim intelligis fatum necessitatem rerum omnium actionumque quam nulla vis rumpat« (Natur. quaest. II, 36, 46).

Nach MARC AUREL ist durch das Schicksal alles notwendig bestimmt (In se ips. IX, 15).

ALEXANDER VON APHRODISIAS
erklärt: heimarmenên mêden allo ê tên oikeian physin hekastou (De fato 6, p. 14, ed. Orelli).

Nach PROKLUS ist das Schicksal abhängig von der Vorsehung, ist gleichsam deren Bild (Opp. I, 24).

Nach ALBERTUS MAGNUS ist das »fatum« »decretum principis proridentiae divinae promulgatum in omnia quae suis ordinibus nectenda sunt« (Sum. th. I,68, 3).

THOMAS bemerkt: »Fatum est in ipsis causiscreatis, inquantum sunt ordinatae a Deo ad aliquos effectus producendos« (Sum. th. , 116, 2 c).

Im Sinne der Stoa lehrt POMPONATIUS (De fato,1523).

Nach CAMPANELLA besteht das Schicksal im Zusammenwirken vieler Dinge, es gehört zur Ordnung der Dinge (Univ. philos. IV, 1).

MICRAELIUS
erklärt: »Fatum est vel physicum vel Chaldaicum vel Stoicum.« »Fatum physicum est ordo secundarum causarum decreta providentiae divinae exequentium.« »Fatum Chaldaicum seu astrologicum est, quo quis astrorum inclinationibus subiacet.« »Fatum Stoioum est, quo ipse Dens ad necessitatem compellitur« (Lex.philos. p. 426).

LEIBNIZ unterscheidet »fatum Mahometanum, Stoicum, Christianum« (Theod. § 58).

Nach BAUMGARTEN ist das »fatum« »necessitas eventuum in mundo« (Met. § 382).

Nach PLATNER ist das Schicksal »die Reihe der Begebenheiten, welche in der Welt aufeinander folgen« (Philos. Aphor. I, § 1021).

SCHILLER: »In deiner Brust sind deines Schicksals Sterne« (Wallenstein).

ESCHENMAYER bemerkt: »Wie sich die einzelne Handlung des Menschen mit dem Ganzen verkettet, wie das reagiert, auf das sie trifft, durch welche Collisionen unser frei entworfener Plan geführt und durch welche günstige Umstände er befördert werde, das bleibt ewig Schicksal« (Psychol. S. 433). –

EMERSON bemerkt: »Was uns immer begrenzt, das nennen wir Schicksal.« Aber die Freiheit des Menschen ist ein Teil des Schicksals. Die Seele des Menschen enthält ihr Schicksal. »Die Ereignisse unseres Lebens sind ein Abdruck unseres Wesens.« »Unsere Schicksale sind das Resultat unserer Persönlichkeit« (Essays, Lebensführ. S. 16 ff.). Vgl. Notwendigkeit,.


Schöpfung (creatio) S.2870ff. Siehe auch bei Kirchner
Hervorbringung eines Objects durch den Willen, beim Künstler in Verbindung mit der Phantasie, bei der Gottheit als (ewige) Betätigung des göttlichen Wesens in einer (ewig) gesetzten Vielheit von Dingen, einer Welt. Ewig ist die Schöpfung der Welt, insofern die Zeit erst mit der Welt gesetzt, der Schöpferwille an sich überzeitlich sein muß.

Während manche die Welt für unerschaffen, ewig halten, lehren andere die Schöpfung der Welt aus nichts, andere aus einem ewigen Stoffe. Die Schöpfung wird bald als zeitlicher, bald als überzeitlicher, ewiger, continuierlicher Act (»creatio continua«) bestimmt.

Der Begriff der »Schöpfung aus nichts« (»ex nihilo«) ist ein biblischer ex ouk ontôn, (Marc. VII, 28. vgl. IRENAEUS, Adv. haeres. II, 10, 14).

Im »Buch der Weisheit« wird gesagt, Gott habe den Erdkreis »ex materia invisa« geschaffen (Lib. sap. XI, 18. vgl. Makk. II, 2, 28. Genes. 1, 1). Hier findet sich auch der Begriff der Forterhaltung der Welt durch Gott (l. c. XI, 26).

Ähnlich lehren HILARIUS (In Psalm 91, 7), CHRYSOSTOMUS (In ep. ad Col. 3, 2).

Die Ewigkeit der Weltschöpfung betont ORIGENES (De princ. I, 2, 10. III, 308).

Nach AUGUSTINUS wäre die Welt nichts ohne die erhaltende Schöpferkraft Gottes (Conf. XI, 31. De civ. Dei XII, 25).

Nach SCOTUS ERIUGENA war Gott »semper creator« (De div. nat. III, 1).

Nach JOH. PHILOPONUS hat Gott die Welt aus dem Nichts geschaffen (De aetern. mund. XI, 1. XII, 1).

So lehren auch ALGAZEL, SAADJA, MAIMONIDES (Doct. perpl. I, 74, 2), IBN GEBIROL, LEVI BEN GERSON. ANSELM, der die »creatio continua« betonte (Monol. 13), so auch

THOMAS
(Contr. gent. II, 38). »Creare« ist »aliquid ex nihilo facere« (Sum. th. I, 45, 20b. 2), »dare esse« (l sent. 37, 1, 1c). »Creatio« ist Emanation »totius entis a causa universali, quae est Deus« (Sum. th. I, 45, 1c).

Der christliche Gedanke, daß Gott die Welt aus Liebe und Güte geschaffen, findet sich u.a. auch be
i PETRUS LOMBARDUS (Lib. sent. II, 1, 3).

DUNS SCOTUS führt die Schöpfung und den freien Willen Gottes zurück. –

Die ewige Schöpfung und Erhaltung der Dinge durch Gott betonen die Mystiker, so ECKHART, ANGELUS SILESIUS u.a.

Nach NICOLAUS CUSANUS ist das göttliche Schaffen ein »communicare« des göttlichen Seins an alles, damit Gott alles in allem sei und doch absolut bleibe (De vis. Dei 12).

Die Schöpfung aus nichts lehrt NICOL. TAURELLUS (Philos. triumph. III).

Eine Schöpfung der Welt lehren TELESIUS (De nat. rer. IV, 167 ff.), CARDANUS (ewige Schöpfung), CAMPANELLA u.a. -

Die continuierliche Creation lehrt DESCARTES (Med. III), auch SPINOZA: »Hinc sequitur, Deum non tantum esse causam, ut resincipiant existere. sed etiam, ut in existendo perseverent, sive Deum esse causam essendi rerum« (Eth. I, prop. XXIV, coroll.). »Creationem esse ope-rationem, in qua nullae causae praeter efficientem concurrunt, sive res creata est illa, quae ad existen-dum nihil praeter Deum praesupponit« (Cog. met. II, 10).

Die »creatio continua« betonen ferner BAYLE,.

Die Schöpfungen verhalten sich zu Gott, wie unsere Imaginationen zu unserer Seele, LEIBNIZ (Theod. § 388).

CHR. WOLF bemerkt: »Gott hat Dingen, die durch seinen Verstand bloß möglich waren, auch durch seine Macht die Wirklichkeit gegeben. Diese Wirkung Got-tes wird die Schöpfung genennet« (Vern. Ged. I, § 1053. vgl. Theol. nat.). Die Ewigkeit der Welt ist möglich.

LESSING bemerkt: »Gott dachte seine Vollkommenheit zerteilt, das ist: er schaffte Wesen« (Christent. d. Vern.).

Nach FEDER hat Gott die Welt aus Güte geschaffen (Log. u. Met. S. 420).

Nach KANT ist Endzweck der Schöpfung das vernünftige Weltwesen unter moralischen Gesetzen (Krit. d. Urt. § 87).

Nach SCHELLING ist Schöpfung »Darstellung der unendlichen Realität des Ich in den Schranken des Endlichen« (Vom Ich, S. 138), der Proceß der vollendeten Bewußtwerdung und Personalisierung Gottes (WW. I 7, 433).

Die Zeitlosigkeit der Schöpfung betont STEFFENS (Anthropol. S. 204 ff.).

Nach HILLEBRANDT ist die Schöpfung »die ewige Subjectivierung Gottes an der unendlichen Universalobjectivität der Dinge«. Die Welt ist ewiges Correlat Gottes (Philos. d. Geist. II, 328).

HEGEL
erklärt: »Die Schöpfung ist... ewig, sie ist nicht einmal gewesen, sondern sie bringt sich ewig hervor, da die unendliche Schöpferkraft der Idee perennierende Tätigkeit ist« (Naturphilos. S. 433).

Nach C. H. WEISSE ist die Schöpfung die Tat Gottes, durch die er sich selbst seine Bestimmtheit gibt (Grdz. d. Met. S. 562. vgl. Idee d. Gotth. S. 281 ff.).

Nach LAMMENAIS ist die Schöpfung die Realisation der göttlichen Ideen durch den freien Willensact Gottes.

Einen freien Schöpfungsact lehrt SECRÉTAN (La philos. de la liberté3, 1879. La raison et le christianisme, 1863).

Nach CHALYBAEUS ist die Schöpfung das Setzen des Endlichen im Unendlichen (Wissensch. S. 323 ff.).

GIOBERTI sieht in der göttlichen Schöpfertätigkeit die Urdialektik. Das Ursein schafft die Einzelwesen (s. Ontologismus).

Nach MAMIANI ist die Schöpfung ein überzeitlicher, continuierlicher Act (Conf. I, 515).

Nach FECHNER besteht die Schöpfung nur in einer Sichtbarmachung der Potenz in Gott (Zend-Av. I, 264) Ein unendlicher Drang zur Schöpfung bestand von Anfang an (l. c. S. 265).

FICHTE erklärt, daß »alles Schaffen, alle Weltgenesis in einem uranfänglich ewig vollendeten Denken gründet«. Die Dinge sind in Gott urgedachte Wesenheiten (Üb. Gegens.,Wendep. u. Ziel heut. Philos. 1832/46). Das schöpferische Princip ist absolut imaginative Tätigkeit. Die Schöpfung ist freie Willenstat Gottes, in welchem ein ewiges Universum besteht (ib.), sie ist zeitlos (Theist. Weltans. S. 115 ff.), besteht in der Entlassung der »Urpositionen« zur Selbständigkeit, zum Für-sich-wirken-lassen (Specul. Theol. S. 427 ff., 468).

ULRICI
betont: »Der Schöpfungsbegriff involviert... keineswegs, daß aus nichts etwas hervorgehe oder daß nichts von selbst in etwasübergehe, sondern daß durch etwas, Gott, ein anderesEtwas gesetzt sei«(Gott u. d. Nat. S. 638). Schaffen ist »ein absoluter, an keine Bedingung, also auch nicht an die Bedingung eines bereits vorhandenen Stoffes gebundenes Wirken« (l. c. S. 639). Indem Gott als producierend-unterscheidende Urkraft tätig ist, ist der Gedanke seiner selbst und der eines andern, von ihm Verschiedenen gegeben (l. c. S. 640), als die »Urgedanken« (l. c. S. 641). Die Welt geht aus Gott hervor (ib.), als Verwirklichung einer göttlichen Idee (l. c. S. 643), als Gedanke Gottes (ib.), von Ewigkeit her (l. c. S. 659).

Als überzeitlich faßt die Schöpfung auch BOSTRÖM auf, auch BIEDERMANN (Christl. Dogmat. II, 535), PFLEIDERER (Religionsphilos. 2. Abschn., 3. Hptst.) u.a.

Nach G. SPICKER ist die Welt eine Schöpfung aus Gott, in dem der eine Gegensatz als Materie besteht (Vers. ein. neuen Gottesbegr. S. 153).

Nach AD. SCHOLKMANN ist die Schöpfung »derjenige Act der Selbstbetätigung, durchwelchen Gott in Erfüllung seines Bedürfnisses der Selbstmitteilung die in seinem Ewigkeits- und Zeitbe-wußtsein idealiter ewig gesetzte und damit auch in der Vollziehung seines Selbstwillens als diesem untergeordnetes, von ihm mit umfaßtes Moment realiter ewigvorhandene Welt durch einen zeitlichen, die Zeit und alles zeitliche Geschehen begründenden Willensact zu einer auch in sich seienden Objectivität verwirklicht hat« (Grundlin. ein. Philos. d Christent S. 292 ff.). »Die Idee der Schöpfung ist bedingt durch die Idee der göttlichen Liebe« (ib.).

A. DORNER erklärt: »Man wird nicht sagen können, daß Gott aus nichts geschaffen habe, sondern daß Gott die Welt aus sich, aus den in ihm vorhandenen Potenzen geschaffen habe und schaffe.« Die göttliche Action ruft so »Einheitspunkte hervor, in denen die eine göttliche Action als eine besondere Art der Tätigkeit dem jeweiligen Einheitspunkt gemäß sich offenbart. Auf diese Weise ist Gott über der Welt als vollendete Einheit und ist inihr doch activ, ist ihr immanent«. Gott ist »das ewig mit sich einige, sich selbst wissende und wollende Ur-Ich, das sich zugleich als den ewigen Möglichkeitsgrund der Welt weiß und will« (Gr. d. Relig. S. 34 ff.).

Seele (psychê, anima), Siehe auch bei Kirchner
ursprünglich der Lebenshauch, der im letzten Atemzug den Sterbenden zu verlassen scheint, das Princip des Lebens und Empfindens, das man (auf Grund der Deutung der Phänomene des Traumes, der Ekstase u.s.w.) sowie infolge der allgemeinen Vergegenständlichungstendenz des Denkens als ein selbständiges, vom Leibe trennbares Wesen (von feinstem Stoffe) auffaßt. Allmählich erst entwickelt sich der primitive, animistische Seelenbegriff zu dem Begriff einer immateriellen Substanz oder auch zu dem eines bestimmten, feinen Körpers (Materialismus) oder zu dem des Lebens- und Empfindungsprincips schlechthin. Empirisch ist »Seele« jetzt nur ein Name für den einheitlichen Inbegriff des psychischen Lebens, für das Bewußtsein selbst. Ein Wesen hat eine Seele, ist beseelt heißt, es ist fähig, zuempfinden, zu fühlen, zu wollen u.s.w. Die Seele ist demnach nicht ein vom Leibe verschiedenes, getrennt existierendes, substantielles Wesen, sie ist auch nicht ein materielles Ding, sondern ein Wesen ist Seele, sofern es Leben und Bewußtsein hat, es ist Körper, sofern es als im Raume ausgedehnt, als undurchdringlich u.s.w. erscheint. »Seele« und »Leib« sind nicht zwei Dinge, doch sind sie auch nicht eins, sondern sie sind Namen, Begriffe für zwei Daseins- oder Erscheinungsweisen, besser für zwei Betrachtungsweisen einer Wirklichkeit. Diese ist Seele (seelisch) vom Standpunkt der unmittelbaren (inneren), sie ist Körper vom Standpunkt der mittelbaren, abstract-naturwissenschaftlichen Erkenntnis. Die Seele kann als das »Innensein«, »Für-sich-sein« eines Wesens bezeichnet werden. Ist nun auch dieses Innensein kein Ding, keine Substanz, besteht seine Wirklichkeit in seiner Wirksamkeit, in der Actualität des Bewußtseins selbst, so ist es doch nicht bloß ein »Bündel« von Einzelzuständen, sondern einheitlicher Zusammenhang, einheitliches Subject und insofern doch substantiell, besser übersubstantiell, ein sich selbst permanent in seinen Acten setzendes Wirken. Metaphysisch ist die Seele das reine Subject, die Ichheit, deren qualitativer Charakter ein sich selbst (in einem Organismus) objectivierender, constanter Wille ist. Zwischen Seele und Leib besteht (empirisch) ein »Parallelismus« .

Der Dualismus lehrt die Gesondertheit, Verschiedenheit von Seele und Leib; er betrachtet die beiden als zwei Substanzen oder zwei Arten von Vorgängen. Die Seele gilt hier bald als eine vom Leibe qualitativ, bald als eine nur existentiell verschiedene analoge Wesenheit. Der Monismus betrachtet entweder die Seele als das An-sich der Dinge, als deren Erscheinung den Körper (Spiritualismus),oder die Seele als bloße Erscheinung, Function des Körpers, der oft selbst als die Seele bezeichnet wird (Materialismus) oder es sind ihm Seele und Körper zwei Erscheinungen, Daseinsweisen eines Wesens (Identitätslehre). Vom Standpunkt der Substantialitätstheorie ist die Seele eine Substanz, von dem der Actualitätstheorie ist sie der Inbegriff psychischer Processe selbst. Die Seele wird ferner als einfach oder sie wird als zusammengesetzt gedacht. Betreffs des »Sitzes« der »Seele« >>Seelensitz.

Zur Etymologie des Wortes Seele vgl. PLATO, Cratyl. 400 A. ARISTOTELES, De an. I 2, 405 b 28.ADELUNG, GRIMM. CARUS, Gesch. d. Psychol. S. 103 ff.. VOLKMANN, Lehrb. d. Psychol. I4, 71. K. K. KRESTOFF, Lotzes met. Seelenbegr. 1890, S. 25.

Die Upanishads bezeichnen die individuelle Seele als »jiva âtman« und unterscheiden davon die Weltseele.

Der Buddhismus unterscheidet die Lebenskraft (»akegerun«) und die geistige Seele (erkin sunesun) (vgl. Bastian, Psychol. d. Buddhism. S. 34 ff.).

Ähnlich die Bibel, in welcher »nephesch« das im Blute befindliche Lebensprincip ist (IV. Mos. 6, 6), im Unterschiede vom »ruach« oder »neschamâ«.

Die altgriechische Anschauung von der Seele findet sich bei HOMER dargestellt. Darüber bemerkt VOLKMANN (Lehrb. d. Psychol. I4, 56): »Die Homerische Psyche ist nur die personifizierte Lebenskraft: ein ätherischer Leib im materiellen Leibe, von diesem abtrennbar und dann als eidôlon gleichsam als Schattenbild, als Rauchsäule oder Traumgestalt des früheren Menschen fortbestehend« (Od. X, 495, XI, 222. II. XXIII, 100). »Der eigentliche wirkliche Mensch, der autos, ist der Leib« (II. I, 4), »ihm steht die Psyche gegenüber, als das, weil belebende, dem Tode unzugängliche Princip«(II. XXIII, 65). »Das eigentliche, wenn auch materialistisch gefaßte Princip des Seelenlebens ist bei Homer der thymos..., dem freilich nicht mehr die bloße Empfindung und Bewegung, sondern auch alles, was der Empfindung nachfolgt und der Bewegung vorangeht: Überlegung, Erkenntnis, Gefühl und Begierde, beigelegt wird. Auch er verläßt nach Homerischer Anschauung, ohne mit der psychê identisch zu sein, im Tode den Leib. nach der Darstellung der Nekyia hingegen hört er, während die Psyche den Gebeinen enteilt, mit den Functionen des Lebens auf« (Od. XI, 220 ff.). »Das Organ und die somatische Vorbedingung des thymos sind die phrenes, die dahertropisch statt des thymos selbst gesetzt und überall angenommen werden, wo der thymos selbst zum Vorschein kommen soll« (II. XI, 245, XVIII, 419. Od. VII, 556).

Als Princip der Empfindung und Bewegung bestimmen die
älteren griechischen Naturphilosophen die Seele (vgl. Aristot., De an. I 2, 405 b 11).

So THALES, der die Seele als kinêtikon, auffaßt. Der Magnet hat eine Seele, weil er das Eisen bewegt (Arist., De an. I 2, 405a 19. vgl. Stob. Ecl. I, 794).

Nach HIPPON ist die Seele Wasser, Feuchtes (Arist., De an. I 2, 405 b 2. Stob. Ecl. I, 798).

Nach ANAXIMENES ist sie Luft, aêr ousa synkratei hêmas (Plut.,Ep. I, 3, Dox. 278).

So lehrt auch DIOGENES VON APOLLONIA. Die Seele ist Luft als die feinste Substanz, die zu bewegen und zu erkennen vermag (Arist., De an. I 2, 405 a 21 squ.). –

Als Harmonie des Leibes bestimmen die
Pythagoreer die Seele: harmonian gar tina autên legousi. kai gar tên harmonian krasin kai synthesin enantiôn einai, kai to sôma synkeisthai ex enantiôn (Arist., De an. I 4, 407 b 27 squ.. Polit. VIII 5, 1340b 18). Nach einigen Pythagoreern sind die Sonnenstäubchen oder das sie Bewegende die Seele: ephasan gar tines autôn psychên einai ta en tô aeri xysmata, hoi de to tauta kinoun (Arist., De an. I 2, 404 a 18 squ.). Auch als apospasma aitheros kai tou thermou kai tou psychrou wird die Seele bezeichnet (Diog. L. VIII, 1, 38).

Nach ALKMAEON ist die Seele eine sich selbst bewegende Zahl arithmon auton kinounta, (Stob. Ecl. I, 794), die ihren Sitz im Gehirn hat (Theophr., De sens. 26 squ.. Plut., Plac. IV, 16 squ.. vgl. Arist., De an. I 2, 40.5 a 30 squ.. Stob. Ecl. I, 796).

Nach HERAKLIDES kommt die Seele vom Äther herab (Stob. Ecl. I, 796, 904). -

Als feinste (unkörperliche) Materie, als Teil des Urfeuers bestimmt die Seele HERAKLIT (Mull., Fragm. I, 74). Er bezeichnet sie als tên anathymiasin, ex hês talla synistêsin (Arist., De an. I 2, 405 a 25 squ.).

Nach XENOPHANES ist die Seele ein pneuma (Diog. L. IX 2, 19).

DEMOKRIT lehrt die Existenz von Seelenatomen, feinsten, beweglichen, runden Atomen, die sich zwischen den Körperatomen im Organismus befinden: toutôn (stoicheiôn) de ta sphairoeidê psychên, dia to malista dia pantos dynasthai diadynein tous toioutous rhysmous kai kinein ta loipa kinoumena kai auta, hypolambanontes tên psychên einai to parechon tois zôois tên kinêsin. dio kai tou zên horon einai tên anapnoên (Arist., De an. I 2, 404 a 1 squ.). kinoumenas gar phêsi tas adiairetous sphairas dia to pephykenai mêdepote menein synephelkein kai kinein to sôma pan (l. c. I 3. 406b 15 squ.). -

Den Actualitätsstandpunkt soll schon PROTAGORAS ausgesprochen haben: elege te mêden einai psychên para tas aisthêseis (Diog. L. IX, 51).

SOKRATES unterscheidet Seele und Leib principiell (vgl. Xenoph., Memor. I, 4).

So auch PLATO. Nach ihm ist die Seele unkörperlich, unbewegt, aber sich selbst und damit ihren Leib bewegend (autokinêton), sie ist ein Mittleres zwischen dem Teillosen (den Ideen) und dem Teilbaren (Theaet. 35 A. Phaed, 245). Auf Erden ist die (schon präexistentiale) Seele an den Leib als ihren Kerker gefesselt (Cratyl. 400. Phaedr. 247 C, 250. Clorg. 493). Der Leib ist sêma psychês, daß Fahrzeug (ochêma) der Seele, das sie wie ein Steuermann lenkt (Tim. 41 E). Der Mensch besteht aus Seele und Leib (Phaedr. 246 D), wobei die Seele das Lebensprincip ist: aition esti tou zên autô, tên tou anapnein dynamin parechon kai anapsychon, hama de ekleipontos tou anapsychontos to sôma apollytai te kai teleuta (Cratyl. 399 D). Die Teile, Formen (eidê) der Seele sind das logistikon (noêtikon, theion) im Haupte, das thymoeides in der Brust, das epithymêtikon im Unterleib (Rep. 435 B, 441 E. Tim. 77 B). –

Nach SPEUSIPPUS ist die Seele die durch die Zahl harmonisch gestaltete Ausdehnung (Stob. Ecl. I 41, 862. Plut., De an. procr. 22).

Nach XENOKRATES ist die Seele die sich selbst bewegende Zahl: arithmos hyph’ heautou kinoumenos (Plut., De an. procr. 1. Stob. Ecl. I, 862. Arist., De an. I 4, 408 b 32).

Nach ARISTOTELES ist die Seele das den Leib zueinem Lebendigen Machende (vgl. Siebeck, Aristoteles S. 70), »die stetig vorhandene Möglichkeit« der Lebensfunctionen des Leibes, die »Functionsverwirklichung eines organischen Körpers« (ib.). Sie ist das hô zômen kai aisthanometha kai dianooumetha prôtôs (De an. II 1, 414 a 12 squ.), tou zôntos sômatos aitia kai archê (l. c. II 4, 415 b 8). dokei gar tounantion mallon hê psychê to sôma synechein.exelthoisês goun diapneitai kai sêpetai (l. c. I 5, 411b 8). Die Seele ist Form, Energie, Entelechie, sich selbst verwirklichende, entwickelnde, vollendende, geistig-teleologisch gestaltende Actualität des Organismus: hê psychê estin entelecheia hê prôtê sômatos physikou dynamei zôên echontos. toiouto de, ho an ê organikon (De an. II 1,412 a 27 squ.). ei gar ê ho ophthalmos zôon, psychê an ên autou hê opsis. hautê gar ousia ophthalmou hê kata ton logon. ho d' ophthalmos hylê opseôs, hês apoleipousês ouket' ophthalmos (l. c. II 1, 412 b 10 squ.). Die Seele ist nicht ein Wesen, das vom lebenden Organismus getrennt existiert, da sie die psychische Kraft desselben ist (l. c. II 1, 413a 4 squ.). Die Seele kommt als vegetative Seele (threptikon) auch schon den Pflanzen zu (l. c. II 2, 413 b squ.). Die Tierseele ist zugleich begehrend (orektikon) empfindend (aisthêtikon), bewegend (kinêtikon kata topon) (l. c. II 2, 414a 30 squ.). Im Menschen kommt dazu noch das dianoêtikon, der Geist , welcher vom Leibe trennbar, unsterblich ist, eine »andere Art Seele«psychês genos heteron, (l. c. i1 2, 413 b 26).

Von den Peripatetikern bemerkt EUDEMUS, psychês ergon to zên poiein (Eth. Eud. 1219a 28).

STRATO
faßt die Betätigungen der Seele als »Bewegungen« auf: tên psychên homologei kineisthai ou monon tên alogon, alla kai tên logikên, kinêseis legôn einai tas energeias tês psychês (Simpl. ad Phys. f. 225). -

Nach DIKAEARCH ist die Seele nur eine Harmonie der vier Elemente harmonian tôn tettarôn stoicheiôn (Stob. Ecl. I, 796. Plut., Plac. IV, 2). »Nihil esse omnino animum, et hoc esse nomen totum inane, frustraque et animalia et animantes appellari. neque in homine inesse animum vel animam, nec in bestia, vimque omnem eam, qua vel agamus quid, vel sentiamus, in omnibus corporibus vivis aequabiliter esse fusum, nec separabilem a corpore esse, quippe quae nulla sit, nec sit quidquam, nisi corpus unum et simplex, ita figuratum, ut temperatione naturae vigeat et sentiat« (Cicero, Tusc. disp. I, 10, 21).

Nach ARISTOXENUS ist die Seele eine »Stimmung« des Leibes. »Aristoxenus... ipsius corporis intentionem. velut in cantu et fidibus, quae harmonia dictur, sic ex corporis totius natura et figura varios motus cieri. tanquam in cantu sonos« (Cic., Tusc. disp. I, 10, 20).

Nach KRITOLAUS ist die Seele die »quinta essentia«, welche den Leib zusammenhält (Tertull., De an. 5).

Die Stoiker betrachten die menschliche Seele als Teil, Ausfluß der (stofflich gedachten) Weltseele. Sie ist to symphyes hêmin pneuma (Diog. L. VII, 156), pneuma symphyton hêmin syneches panti tô sômati diêkon (Galen, Hipp. et Plat. plac. ed. K. V, 287), ätherisches Feuer (Cicer., De nat. deor. III, 14, 36. Tusc. disp. I, 9, 19). Im Menschen ist das pneuma zu einer synektikê dynamis verdichtet (vgl. Diog. L. VII 1, 138b, 156). Sie ist ein pneuma enthermon - toutô gar hêmas einai empnoous kai hypo toutou kineisthai (l. c. 157). dia tên psychên ginetai to zên (Stob. Ecl. I, 336). Man sieht in der Seele araioteron pneuma tês physeôs kai leptomeresteron (Plut., Stoic. rep. 41, 2). Sie ist physis proseilêphyia phantasian kai hormên (Phil. Leg. Alleg. 1, 1). Die Seele ist stofflich, denn nur Stoffliches kann wirken und leiden (Cicer., Acad. I, 39. Senec., Ep. 106, 3. Nemes., De nat. hom. 2). Sie besteht aus acht Teilen.

CICERO nennt die Seele »incorpoream naturam, omnisque concretionis ac materiae expertem« (Acad. IV, 39).

Auch SENECA (Ep. 65, 22. 92, 13) und EPIKTET (Diss. I, 3, 3) bringen Seele und Leib in einen gewissen Gegensatz. –

Streng materialistisch lehren die Epikureer. Die Seele ist luftartig, besteht aus feinsten Atomen: sie ist sôma leptomeres, par' holon to athroisma paresparmenon (Diog. L. X, 63 squ.). ex atomôn autênsynkeisthai leiotatôn kai strongylôtatôn, pollô tini diapherousôn tôn tou pyros (l. c. X, 66). Die Seele ist krama ek tettarôn, ek poiou pyrôdous, ek poiou aerôdous, ek poiou pneumatikou, ek tetartou tinos akatonomastou (Plut., Plac. IV, 3).

Die materielle Natur der Seele betont LUCREZ (De rer. nat. III, 161 squ.).

Seele und Geist unterscheiden
PLUTARCH, PHILO u.a.

Nach PLOTIN ist die menschliche Seele ein Sprößling der Weltseele (Enn. IV, 3, 4 squ.), eine Emanation des nous. Sie ist weder Körper, noch Harmonie, noch Entelechie, ist immaterielle Substanz (l. c. IV, 2, 1). Sie ist in sich ganz und ungeteilt, nur hinsichtlich des Leibes geteilt (l. c. IV, 2, 1), ist eine Einheit (l. c. IV, 9, 2 squ.). Sie umfaßt den ganzen Körper, durchdringt ihn, ist nicht in ihm (l.c. IV, 3, 9). Sie ist vom Leibe trennbar (l. c. IV, 3, 20). Der Körper ist in der Seele, ist ihr Organ (l. c. IV, 3, 22 squ.). Aus ihr emaniert das Körperliche (l. c. III, 7, 10). Die Seele ist in allem eine (mia) (l. c. IV, 9, 2 squ.).

PORPHYR definiert die Seele alsousia amegethês aulos, aphthartos, en zôê par' heautês echousê to zên kektêmenê to einai (Stob. Ecl. I, 818).

PROKLUS erklärt: pasa psychê mesê tôn ameristôn esti kai tôn peri ta sômata meristôn (Inst. theol. 190). Sie ist unkörperlich: pan to pros heauto epistreptikon asômaton estin (l. c. 15). -

Nach NUMENIUS hat der Mensch zwei Seelen, eine vernünftige (logikên) und eine vernunftlose (alogon).

Nach NEMESIUS ist die Seele ousia autotelês asômatos (Peri phys. 98. vgl. II, 90). Sie ist ganz in jedem Teile ihres Leibes (l. c. III).

Als denkende und belebende Kraft bestimmt die Seele BASILIUS (Const. monast. II, 2).

Die Manichäer nehmen zwei Seelen im Menschen an, eine Lichtseele und eine Leibesseele (August., De duab. an. 1, 12). -

Als feinen Stoff betrachtet die Seele
TERTULLIAN, als »corpus sui generis in sua effigie« (Adv. Prax.). Sie ist ein Pneuma, weil sie als »flatus« atmet (De an. 10 squ., 18). Tertullian nennt sie »Dei flattu natam, immortalem, corporalem, effigiatum« (De an. 8, 9), »flatus Dei«, »vapor spiritus« (l. c. 4, 27). Sie ist ein abgeschwächter göttlicher Geist (Apol. 21), eine Substanz in abgeleiteter Weise (Adv. Prax. 7), ausgedehnt (De an. 7), mit Organen versehen (L e. 37).

Stofflich ist die Seele auch nach
ARNOBIUS (Adv. gent. II, 30)

Nach LACTANTIUS ist die Seele licht- und feuerartig, sie durchdringt den Leib (Inst. VII, 12 squ.).

Nach ORIGENES ist sie ein Lebensgeist (De princ. I, 1, 7. II, 8, 1. III, 4, 1), »substantia phantastikê et hormêtikê« (l. c. II, 8, 1). -

Nach GREGOR VON NYSSA ist die Seele eine einfache, immaterielle Substanz, haplê kai asynthetos physis; ousia zôsa, noera, ousia autotelês asômatos (De an. et resurr. p. 98 ff.. ed. Oehler, 1859, I, p. 18).Die Seele durchdringt den ganzen Leib dynamisch, der Leib ist in ihr (De opif hom. 11 squ.).

Als eine immaterielle Substanz (»substantia spiritualis«) bestimmt die Seele AUGUSTINUS (De trin. XI, 1. X, 10, 15. De quant. an. 2, 3. De ver. rel. 10, 18). Sie ist »rationis particeps, regendo corpori accommodata« (De quant. an. 13), »simplex«, »incorporea«, weil sie Unkörperliches erkennt (l. c. 14), einheitlich »in singulis tota operatur« (l. c. 19), »indissolubilis« (l. c. 24) durch den ganzen Leib verbreitet. »per totum corpus, quod anima non locali diffusione sed quadam intentione vitali porrigitur« (Ep. 166. De an. IV, 21). Sie gestaltet den Leib zum Leib (De imm. an. 15: »Tradit speciem anima corpori, ut sit corpus in quantum est«. Durch innere Erfahrung wird die Seele als Subject der psychischen Tätigkeit erfaßt (De trin. X, 15 squ.).

Nach CLAUDIANUS MAMERTINUS ist die Seele eine immaterielle Substanz, welche den Körper umfaßt und zusammenhält. Sie ist »tota in corpore« (De stat. an. III, 2a. II, 7. I, 15, 18, 21, 24).

ALCUIN
bestimmt: »Anima sou animus ost spiritus intellectualis, rationalis, semper in motu, semper vivens, bonae malaeque voluntatis capax« (De an. rat. ad Eulal. virg. 10).

SCOTUS ERIUGENA
definiert: »Anima est simplex natura et individua« (De div. nat.II, 23). Die Seele ist sich selbst denkende Substanz (l.c. I,10). Die Seele durchdringt den Körper. »Cum totum sui corporis organum penetrat, ab eo tamen concludi non valet« (l. c. IV, 11). »Anima... incorporales qualitates in unum conglutinante et quasi quoddam subiectum ipsis qualitatibus ex quantitate sumente et supponente corpus sibi creat« (l. c. II, 24). Die Seele ist »una« in allen ihren Operationen (l. c. IV, 5). Der Leib ist »imago quaedam animi« (l. c. IV, 11).

Bei den Motakallimûn sind zwei Ansichten vertreten: »Quidam dicunt, animam esse compositam ex multis subtilissimis substantiis aceidens quoddam habentibus, quae uniantur et coniungantur et animata fiant.« »Quidam statuunt, animam esse accidens existens in unoaliquo atomorum eorum, e quibus homo verbi gratia compositus est« (Maimon., Doct. perplex. I, 73).

Nach AL-KINDI ist die Seele eine einfache Substanz.

Aristotelisch definiert AVICENNA die Seele als »perfectio prima corporis naturalis instrumentalis, habentis opera vitae« (De natural. 6). Die Seele ist Princip der Bewegung, »forma essentialis«, »actus primus corporis naturalis organici« (De an. 1 squ.). Die »anima rationalis« ist Substanz (l. c. 9), »simplex absolute et a materia separata« (De Almah. 7).

Als Form, Entelechie des Organismus bestimmt die Seele auch AVERROES (Epit. met. 4, p. 150). Eineallgemeine Seele ist in allen, »et anima quidem Socratis et Platonis sunt eadem aliquo modo et multae aliquo modo« (Destruct. destruct. I, 1). –

Nach der KABBALÂ besteht der Mensch aus dem vernünftigen Geiste (neschomo), aus der Seele (ruach) und dem Lebensprincip (nephesch) (vgl. Franck, La cab. p. 232 f.).

Nach SAADJA ist die Seele eine von Gott geschaffene Substanz (Emunoth VI, 2).

Nach ISAAK VON STELLA ist die Seele unkörperlich, aber nicht ohne Leib möglich (vgl. Siebeck, a. d. Psych. I 2, 414).

Nach MAIMONIDES ist die menschliche Seeleeine substantiale Form.

Nach ALEXANDER VON HALES ist die Seele »forma substantialis«, einfach, unteilbar (Sum. th. II, 90, 2. 62, 1).

Als »perfectio« bestimmt die Seele WILHELM VON AUVERGNE (De an. l, l).

Eine einfache, geistige Substanz (»incorporea natura«) ist sie nach HUGO VON ST. VICTOR. Sie ist »intelligibile, quod ipsum quidem solo percipitur intellectu« (Erud. didasc. II, 3, 4).

Immateriell ist die Seele nach BERNHARD VON CLAIRVAUX (Serm. de divers. 45, l). Sie ist Lebensprincip, im Leibe ganz gegenwärtig (l. c. 84, l).

ALBERTUS MAGNUS erklärt: »Anima est substantia incorporea« (Sum. th. II, 68). Die Seele ist einfach (l. c. 70, l), unausgedehnt (l. c. 2, 5), Substanz (l. c. II, 69, l), »perfectio corporis« (l. c. II, 72, 4), »actus corporis«(Sum. de creat. II, 4, l), »tota in toto« (Sum. th. II, 77, 4), »principium et causa huiusmodi vitae, physici sc. corporis organici«, »endelechia physici corporis organici potentia ritam habentis« (l. c. II, 69, 2). »manet separata post mortem« (l. c. II, 77, 5).

Ähnlich lehrt THOMAS: »Anima cum sit principium vitae in his, quae apud nos vivunt, impossibile est ipsam esse corpus, sed corporis actum«(Sum. th. I, 75, l). »Anima humana, cum sit omnium corporum cognoscitiva, est incorporea et subsistens« (l. c. I, 75, 2). »Cum anima sit forma per se subsistens, expers omnis contrarietatis, non est corruptibilis per se nec per accidens« (l. c. I, 75, 6). Die Seele ist »forma sive substantia simplex« (Contr. gent. II, 65. 72). »Ex animo et corpore constituitur in unoquoque nostrum duplex unitas naturae et persona« (Sum. th. II. II, 2, l). Die Seele ist ganz im Leibe (Sum. th. I, 76, 8). Zwischen Leib und Seele besteht »naturalis unio« (De pot. 5, 10).

Nach
BONAVENTURA ist die Seele eine unkörperliche Substanz (Breviloqu. II, 10). »Facit Deus hominem ex naturis maxime distantibus... coniunctis in unam per-sonam et naturam« (ib.).

Nach
HEINRICH GÖTHALS ist die niedere Seele »forma corporeitatis« (Quodlib. 4, 13).

Nach DURAND VON ST. POURÇAIN ist die Seele eine reine Form, Formprincip des Leibes (l dist. 3, 2, qu. 2).

Nach DUNS SCOTUS ist die Seele »forma essentialis« des Menschen (De rer. princ. 9, 2, 2) neben der »forma corporeïtatis«. Leib und Seele verhalten sich zueinander wie Stoff und Form eines Wesens (ib.). Seele und Leib sind innig geeint (l. c. 9, 2, 3). Die Seele ist »tota in toto corpore et in qualibet parte totius corporis« (l. c. qu. 12).

Als Form bestimmt die Seele auch WILHELM VON OCCAM (Quodl. 1, 10).

Nach ECKHART ist die Seele ein »einfaltig« (einfaches) Wesen, eine »Form« des Leibes (Deutsche Myst. II). Die Seele »weiz sich selber niht« (l. c. II, 5).

»Forma substantialis«
ist die Seele nach ZABARELLA (De ment. hum. 6).

Immaterielle Substanz ist sie nach
SUAREZ (De an. I, 9, 8. vgl. I, 1, 1).

MELANCHTHON erklärt: »Anima rationalis est spiritusintelligens, qui est altera pars substantiae hominis, nec exstinguitur, cum a corpore decessit, sed immortalis est« (De an. f. 11b).

Ähnlich CASMANN, nach welchem die Seele ist »natura incorporea, quae per se etiam sursum substantialiterque subsistere potest«, sie hat eine »materia spiritualis« (Psychol. anthr. I, 2, 23, 27), GOCLEN (Psychol. 18, 226). -

Nach NICOLAUS CUSANUS ist die Seele ein geistiges Wesen (De coniect. II, 14), eine einfache Kraft (l. c. II, 16), Princip des Lebens, ganz in jedem Teile des Leibes (Idiot. III, 8).

Unkörperlich, göttlicher Abstammung ist die Seele nach MARSILIUS FICINUS (Theol. Plat. VIII, 2).

Ähnlich lehrt
F. ZORZI (De harmon. mund.). -

Nach AGRIPPA ist die Seele eine substantielle Zahl (De occ. philos. III, 37).

Nach TELESIUS ist die höhere Seele im Menschen eine Substanz, ein von Gott geschaffener Geist (De nat. rer. V, 177 ff.). Daneben gibt es noch einen »spiritus«, einen Lebensgeist (l. c. V, 180 ff.).

Nach CAMPANELLA ist die empfindende Seele ein »spiritus« im Nervensysteme (Univ. philos. I, 4, 3). Die geistige, vernünftige Seele ist einfach, eine Emanation Gottes (l. c. I, 5, 2). »Triplici vivimus substantia. Corpore scilicet, spiritu et mente. Corpus est organum. spiritus vehiculum mentis. mens vero apex animae in horizonte habitans, quae spiritum et corpus item informat« (Prodrom. p. 83).

F. M. VAN HELMONT erklärt: »Sicut corpus, videlicet hominis vel bestiae, nihil est aliud quam innumerabilis multitudo corporum simul in unum compactorum inque certum ordinem dispositorum. ita spirituum simul unitorum in hoc corpore, qui etiam suum habent ordinem atque regimen, ita ut unus sit primarius regens«(Princ. philos. 6, 11).

G. BRUNO erklärt: »La sostanza spirituale è una cosa, un principio efficiente ed informativo d'a dentro« (Spaccio, p. 112). Die Seele ist ganz im ganzen Körper, unteilbar (De tripl. min. p. 74).

Nach VANINI ist die Seele ein »spiritus« (Nervengeist).

L. VIVES erklärt, »animam esse agens precipuum, habitans in corpore apto ad vitam« (De an. I, 42). »Anima in universo est corpore« (l. c. p. 48).

F. BACON unterscheidet eine sinnliche und eine geistig-vernünftige Seele (De dign. IV, 3. Nov. Organ. II, 40). »Anima... sensibilis sive brutorum, plane aubstantia corporea censenda est, a calore attenuata et facta invisibilis« (De dign. IV, 3).

HOBBES identificiert die Seele mit dem Gehirn ( Materialismus). -

Den strengen Dualismus zwischen Leib und Seele begründet DESCARTES. Seele und Leib sind »substantiae incompletae« (Resp.ad. obi. IV), die durch Gott geeint sind. Die Seele ist vom Körper vollständig verschieden, sie ist unstofflich, unausgedehnt, einfach, unvergänglich, denkendes Wesen (Med. VI), Geist. Sie ist eine Substanz sui generis (Princ. philos. I, 53). »Examinantes..., quinam simus nos, qui omnia, quae a nobis diversa sunt, supponimus falsa esse, perspicue videmus nullam extensionem, nec figuram, nec motum localem, nec quid simile, quod corpori sit tribuendum, ad naturam nostram pertinere, sed cogitationem solam« (l. c. I, 8). Die Seele ist mit dem ganzen Körper geeint »animam esse revera iunctam toti corpori«, (Pasa. an. I, 30), wirkt aber vorzugsweise von der Zirbeldrüse aus (Seelensitz). Die Seele ist durchaus einheitlich. »Nobis enim non nisi una inest anima, quae in se nullam varietatem partium habet: eadem, quae sensitiva est, est etiam rationalis« (l. c. I, 47). Seele und Leib stehen miteinander in Wechselwirkung

Ähnlich lehrt REGIS (Syst. d. philos. I, 1690, p. 154 ff.)

Nach MALEBRANCHE hat die Seele »ce moi qui pense, qui sent, qui veut«(Rech. I, 5. vgl. III, 2).

Nach GASSENDI ist die tierische Seele »corporea tenuissimum aliquod« (Philos. op. synt. II, act. III, 9) Die rationale Seele ist immateriell, unsterblich (l. c. sct. III, 17).

Nach CHARRON ist die Seele eine feine, unsichtbare Substanz.

H. MORE bestimmt den »spiritus« als »substantiam indiscerpibiem, quae morere, penetrare, contrahere et dilalare se potest« (Opp.II, 300). Die vernünftige Seele ist unsterblich.

Den Actualitätsstandpunkt vertritt
SPINOZA. Die menschliche Seele ist keine Substanz, sondern der Modus eines Attributs der göttlichen Substanz . Sie ist die »idea corporis«, das dem Leibe correlate Bewußtsein desselben. »Primum, quod actuale mentis humanae esse constituit, nihil aliud est, quam idea rei alicuius singularis actu existentis«(Eth. II, prop. XI). »Hinc sequitur mentem humanam partem esse infniti intelleclus Dei« (l. c. coroll.). »Obiectum ideae humanam mentem constituentis est corpus, sive certus extensionis modus actu existens, et nihil aliud« (Eth. II, prop. XIII). »Mens humana apta est ad plurima percipiendum, et eo aptior, quo eius corpus pluribus modis disponi potest«(l. c. II, prop. XIV). Die Seele ist nicht einfach. »Idea, quae esse formale humanae mentis constituit, non est simplex, sed ex pluribus ideis composita« (l. c. II, prop. XV). Diese Idee ist »idea corporis« (l. c. dem.). »Mens enim humana est ipsa idea sive cognitio corporis humani, quae in Deo quidem est, quatenus alia rei singularis idea affectus consideratur« (l. c. II, prop. XIX, dem.). »Mentis humanae datur etiain in Deo idea sive cognitio, quae in Deo eodem modo sequitur et ad Deum eodem modo refertur, ac idea sive cognitio corporis humani« (l. c. prop. XX). »Haec mentis idea eodem modo unita est menti, ac ipsa mens unita est corpori« (l. c. prop. XXI). Seele und Leib sind ein Wesen, in zweifacher Weise gedacht (Identitätslehre). »Ostendimus corporis ideamet corpus, hoc est mentem et corpus, unum et idem esse individuum, quod iam sub cogitationis, iam sub extensionis attributo concipitur. Quare mentis idea et ipsa mens una eademque est res, quae sub uno eodemque attributo, nempe cogitationis, concipitur« (l. c. schol.). –

In anderer Weise vertritt den Actualitätsstandpunkt HUME. Nach ihm ist die Seele »a bundle of conceptions in a perpetual flux and movement« (Treat. IV, sct. 2, 6). Die Seele ist keine immaterielle Substanz. Es ist möglich, daß auch die Materie denken kann (Ess. on suic.).

Dies bemerkt schon LOCKE, nach welchem wir vom Wesen der Seele keinen festen Begriff haben (Ess. II, ch. 23, § 5). Die Existenz der Seele ist sicher (l. c. § 15. IV, ch. 3, § 6. ch. 9, § 3). Die Seele wird gedacht als eine denkende, wollende, handelnde Substanz (l. c. II, ch. 23, § 22).

Als immaterielles, einfaches, substantielles Kraftwesen, als Monade bestimmt die Seele LEIBNIZ. Seelen sind jene Monaden, welche deutliche Vorstellungen und Erinnerung haben (Monadol. 19. Princ. de la nat. 4). Die menschliche Seele ist die oberste Monade eines Organismus niederer Monaden. Sie ist »un automate spirituel« (Theod. 403), »un petit monde, où les idées distinctes sont une représentation de Dieu et où les confuses sont une représentation de l'univers« (Nouv. Ess. II, ch. 1, § 1). Die Seele ist ein »Spiegel des Alls«, ist »comme un monde à part, suffisant à lui même, indépendant de toute autre créature, exprimant l'univers«, »absolu« (Gerh. IV, 485 f.). Sie ist »virtuellement infini« (l. c. S. 562 f.). Sie hat ein Streben nach stetiger Veränderung ihrer Perceptionen (Monadol. 15). Zwischen Seele und Leib besteht eine prästabilierte Harmonie .

Nach BERKELEY ist die Seele eine geistige Substanz als Trägerin der Ideen (Princ. CXXXV), das Denkende, Percipierende, also nicht selbst Idee, Vorstellung. wir haben von ihr kein Vorstellungsbild, nur einen Begriff (notion) (l. c. CXXXNVIII, CXL). Sie ist, im Unterschiede vom Körper, rein activ. Andere Seelen erkennen wir nach Analogie der unsrigen (l. c. CXL f.).

PRIESTLEY identificiert Seele und Gehirn (Disqu. of matt. and spir. p. 57, 85).

Nach HELVETIUS ist die Seele nur »la faculté de sentir« (De l'homme II, 2),

nach HOLBACH »une qualité négative«, von der man keine wahre Idee hat (Syst. de la nat. I, ch. 7, p. 91). Das Gehirn kann ganz wohl denken (l. c. p. 96, 100). Die intellectuellen Fähigkeiten sind Resultate der körperlichen Organisation (l. c. p. 102). Ähnlich LAMETTRIE Materialismus.

VOLTAIRE erklärt: »Il n'y a point d'être réel appelé volonté, désir, mémoire, imagination, entendement, mouvement. Mais l'être réel appelé homme comprend, imagine, se souvient, désire, veut, se meut« (Prine. d'aet. X, 131). »II y a pourtant un principe d'action dans l'homme. Oui et il y en a partout. Mais ce principe peut-il être autre chose qu'un ressort, un premier mobile secret qui se développe par la volonté toujours agissante du premier principe aussi puissant que secret« (l. c. XI, 132). »Nous sommes des machines produites, de tout temps les unes après les autres par l'Éternel géomètre« (I. c. p. 134). -

BONNET definiert die Seele als »principe actif simple, un, immatériel - unic à un corps organisé« (Ess,. ch. 36), als »substance qui a la capacité de penser« (Ess. anal. IV, 20). Die Seele kennt sich nur in ihren Wirkungen, nicht an sich (l. c. préf. XXII, XXK).

Ein einfaches, geistiges Wesen ist die Seele nach HUTCHESON (Synops. met. 1749) u.a.

Eine einfache, immaterielle Substanz ist die Seele nach
CHR. WOLF. Seele ist jenes Wesen, »welches sich seiner und anderer Wesen außer ihm bewußt ist« (Vern. Ged. I, § 192). Da die Gedanken keinem zusammengesetzten Dinge eignen können, muß sie einfach sein, für sich bestehen (l. c. § 742 f.). »Ens istud, quod in nobis sibi sui et aliarum rerum extra nos conscium est, anima dicitur« (Psychol. empir. § 20). »Anima est substantia simplex« (Psychol. rational. § 51), »differt a corpore« (l. c. § 51), ist »vi quadam praedita« (l. c. § 53), »continuo tendit ad mutationem status sui« (l. c. §, 56), »sibi repraesentat hoc universum pro situ corporis organici in universo convenienter mutationibus, quae in organis sensoriis contingunt« (l. c. § 62). -

Nach RÜDIGER gibt es im Menschen mehrere Seelen
(De sensu veri, prooem. § 8 squ.). Die Seele ist ausgedehnt (Phys. divin. I, 4). Ähnlich LAMBERT (Briefwechs. I, 100, 114). TIEDEMANN, (Unters. üb. d. Mensch. 1777/78).

VON CREUZ hält die Seele für ein Mittleres zwischen einfacher und zusammengesetzter Substanz. Sie hat Teile, aber nur eine Kraft, ist unteilbar (Vers. üb. d. Seele 1753). -


Nach DE CROUSAZ ist die Seele eine einfache, geistige Substanz (De l'espr. hum.).

Nach CRUSIUS ist sie »eine Substanz, welche denken und wollen kann« (Vernunftwahrh. § 433 f.).

Nach
MENDELSSOHN gleichfalls (Phaed., Morgenst.).

Nach BAUMGARTEN u.a. ist die Seele »vis repraesentationis« (Met. § 566).

Nach FEDER u.a. ist sie eine einfache, geistige Substanz (Log. u. Met. S. 317 ff.).

PLATNER sieht in der Seele eine Substanz (Philos. Aphor. I, § 30), eine »Vorstellungskraft« (l. c. § 66. vgl. § 19).

JACOBI betrachtet die Seele als eine bestimmte Form des Lebens (WW. II, 258). Vgl. P. VILLAUME, Üb. die Kräfte der Seele, 1786.

In den »Paralogismen« wendet sich KANT gegen die Dogmen von der Substantialität und Einfachheit der Seele. Für uns ist die Seele nur das Subject der Bewußtseinsprocesse, kein Ding an sich. Im Bewußtsein ist »alles in continuierlichem Flusse« (Actualitätsstandpunkt). »Die Seele sich als einfach zu denken, ist ganz wohl erlaubt, um nach dieser Ideeeine vollständige und notwendige Einheit aller Gemütskräfte... zum Princip unserer Beurteilung ihrer innern Erscheinungen zu legen. Aber die Seele als einfache Substanz anzunehmen (ein transcendenter Begriff), wäre ein Satz, der nicht allein unerweislich...sondern auch ganz willkürlich und blindlings gewagt sein würde, weil das Einfache in ganz und gar keiner Erfahrung vorkommen kann, und, wenn man unter Substanz hier das beharrliche Object der sinnlichen Anschauung versteht, die Möglichkeit einer einfachenErscheinung gar nicht einzusehen ist« (Krit. d. rein. Vern. S. 588). –

E. SCHMID erklärt: »Alle unsere Vorstellungen oder innere Erscheinungen und Wahrnehmungen begreifen wir unter dem Ausdruck 'Seele'. Wir denken uns irgend ein Subject, dem dieseVorstellungen inhärieren, und in demselben ein Etwas, was diese Bestimmungen möglich macht, und Etwas, worin ihr wirkliches Dasein gegründet ist. Jenes nennen wir Seelenvermögen, dieses Seelenkraft« (Empir. Psychol. S. 153). »Das logische Wesen der Seele läßt sich erklären durch dasjenige, was in und an dem Gemüte, als Accidenz oder regelmäßige Folge seiner Accidenzien wahrgenommen wird. Allein das Realwesen der Seele ist unerschöpflich« (l. c. 63. 155 f.).

Ähnlich KRUG. »Wir sind... zwar genötigt, nach dem psychologischen Dualismus Seele und Leib als zwei Principien für die innern und äußeren Bestimmungen unserer Tätigkeit zu unterscheiden, müssen es aber dahingestellt sein lassen, obnicht das Geistige und das Körperliche nur eine doppelte Erscheinungsweise oder Form desselben Wesens, mithin beides seinem letzten, uns völlig unbekannten Grunde nach dennoch identisch sei« (Handb. d. Philos. I, 306 ff.).

Den Identitätsstandpunkt vertritt auch FRIES (Anthrop. § 2), auch F. A. CARUS (Psy-chol. I, 92). -

Nach J. SALAT ist der Geist ein »Vernunftwesen, ein Ding von übersinnlicher Art« (Lehrb.d. höh. Seelenk. S. 78). Ähnlich LICHTENFELS (Psychol. § 16)

SCHULZE erklärt: »Unter der Seele wird der Realgrund unseres geistigen Lebens verstanden. Sie kann nie vom Bewußtsein, das doch aus ihr stammt, erreicht werden, sondern wird nur zu den Äußerungen des geistigen Lebens, als die Quelle davon, hinzugedacht. Dieses Hinzudenken macht aber die Einrichtung unsers Verstandes notwendig, und die Annahme derselben gründet sich also nicht auf ein bloßes Bild der Einbildungskraft von der Einsichtung unserer geistigen Natur« (Psych. Anthropol. S. 28).

Nach BOUTERWEK ist die Seele »die geistige Individualität als reelle Ichheit« (Lehrb. d. philos. Wissensch. I, 179). -

DESTUTT DE TRACY hält die Seele für etwas Unbeweisbares (Élém. d'idéol. V, 545).

Nach CABANIS ist die Seele eine Function des Gehirns.

In verschiedener
(zum Teil pantheistischer Weise) wird der Identitätsstandpunkt vertreten durch folgende Philosophen.

Zunächst von
SCHELLING (WW. I 7, 198 ff., 417 ff.. I, 9). Die Seele ist die eine Kraft der Vergegenwärtigung des Vielen in Einem (Jahrb. d. Medic. 1806, S. 70). Seele und Leib sind nur der zweifache Gedanke einer Wesenheit (l. c.S. 75 ff., 77. WW. I 7, 417 ff.). Die Seele ist »der unmittelbare Begriff« des Leibes (WW. I 6, 514). »Die Seele ist als Seele nur ein Modus der unendlichen Affirmation« (WW. I 6, 503). Auf der Seele beruht eigentlich die Einheit des Menschen.

Als inneren Lebenspunkt eines organischen Wesens bestimmt die Seele
G. CARUS (Vergl. Psychol. S. 3. vgl. Vorles.).

Den Identitätsstandpunkt vertritt auch STEFFENS (Anthropol. S. 307, 442).

Auch L. OKEN (Lehrb. d. Naturphilos.).

Auch TROXLER, welcher Seele und Geist unterscheidet. Der Geist ist »die geheimnisvolle und wunderbare, dem Menschen selbst noch verborgene Tiefe des Menschen, die Ursache und der Endzweck seines eigenen Wesens«, »unendliches Lebensprincip«, »Leben an sich«(B1. in d. Leb. d. Mensch. S. 45). Im Geiste des Lebens sind alle Menschen eins, alle unsterblich (l. c. S. 46). Die Seele ist ewiger, der Leib räumlicher Lebensgeist (l. c. S. 47). Leib und Körper sind zu unterscheiden (l. c. S. 52 f.).

SUABEDISSEN bestimmt: »Die innere Einheit eines Lebendigen, wenn sie eine selbstinnige ist, heißt die Seele.« Als selbstbewußt ist sie Geist, Ich, Selbst (Grdz. d. Lehre von d. Mensch. S. 217). Der ganze Leib ist ihr Organ, sie ist überall in ihm (l. c. S. 219).

Nach SCHUBERT war die Seele eher als der sichtbare Leib, sie ist eine Einheit, unzerstörbar (Lehrb. d. Menschen- u. Seelenkunde S. 79 ff.). Der Leib ist ein Werkzeug der Seele (l. c. S. 98). Die Seele ist, ohne Beziehung auf den Leib, Geist (l. c. S. 172). Der Geist durchdringt die Seele (l. c. S. 175). -

Nach SCHLEIERMACHER ist die Seele die Einheit des Ich in Bezug auf den Organismus (Psychol., u. Philos. Sittenl. § 49).

Nach HEGEL ist die Seele eine Entwicklungsform des Geistes. Sie ist der »subjective Geist« in seinem An-sich (Encykl. § 387). In ihr »erwacht das Bewußtsein« (ib.). »Die Seele ist nicht nur für sich immateriell, sondern die allgemeine Immaterialität der Natur, deren einfaches ideelles Leben. Sie ist die Substanz, so die absolute Grundlage aller Besonderung und Vereinzelung des Geistes, so daß er in ihr allen Stoff seiner Bestimmung hat und sie die durchdringende, identische Idealität desselben bleibt. Aber in dieser noch abstracten Bestimmung ist sie nur der Schlaf des Geistes. - der passive nous des Aristoteles, welcher der Möglichkeit nach alles ist« (l. c. § 389). »Die Seele ist zuerst

a. in ihrer unmittelbaren Naturbestimmtheit, - die nur seiende, natürliche Seele.

b. tritt sie als individuell in das Verhältnis zu diesem ihrem unmittelbaren Sein und ist in dessen Bestimmtheiten abstract für-sich-fühlende Seele.

c. ist dasselbe als ihre Leiblichkeit in sie eingebildet, und sie darin als wirkliche Seele« (l. c. § 390).

»Die allgemeine Seele muß nicht als
Weltseele gleichsam als ein Subject fixiert werden, denn sie ist nur die allgemeine Substanz, welche ihre wirkliche Wahrheit nur als Einzelnheit, Subjectivität, hat« (l. c. § 391). Die Seele ist »unmittelbar bestimmt, also natürlich und leiblich, aber das Außereinander und die sinnliche Mannigfaltigkeit dieses Leiblichen gilt der Seele ebensowenig als dem Begriffe als etwas Reales und darum nicht für eine Schranke. die Seele ist der existierende Begriff, die Existenz des Speculativen. Sie ist darum in dem Leiblichen einfache allgegenwärtige Einheit, wie für die Vorstellung der Leib eine Vorstellung ist und das unendlich Mannigfaltige seiner Materiatur und Organisation zur Einfachheit eines bestimmten Begriffs durchgedrungen ist, so ist die Leiblichkeit und damit alles das, was als in ihre Sphäre gehöriges Außereinander fällt, in der fühlenden Seele zur Idealität, der Wahrheit der natürlichen Mannigfaltigkeit reduciert. Die Seele ist an sich die Totalität der Natur, als individuelle Seele ist sie Monade. Sie selbst ist die gesetzte Totalität ihrer besondern Welt, so daß diese in sie eingeschlossen, ihre Erfüllung ist, gegen die sie sich nur zu sich selbst verhält« (l. c. § 403). Die Seele ist »der Begriff selbst in seiner freien Existenz« (Ästh. I, 141). Sie ist »die substantielle Einheit und durchdringende Allgemeinheit, welche ebensosehr einfache Beziehung auf sich und subjectives Für-sich-sein ist« (l. c. S. 154). Seele und Leib sind »eine und dieselbe Totalität derselben Bestimmungen« (ib.).

Als ideale Einheit des Organismus bestimmen die Seele
MICHELET. J. E. ERDMANN (Grundr. § 14 f.). »Der sog. Zusammenhang des Leibes und der Seele besteht darin, daß es ein und dasselbe Wesen ist, welches als Mannigfaltiges und Äußeres, eben darum der Außenwelt Angehöriges und ihr Aufgeschlossenes Leib, als Eines und Inneres, welches als der immanente Zweck die Mannigfaltigkeit ideell setzt und durchdringt, Seele... ist« (l. c. § 15. Vgl. 1L ROSENKRANZ, Psychol. S. 44 ff.).

Nach SCHALLER ist die Seele Subject, Subjekivität (Psychol. I, 205, 283 f.).

Nach
G. BIEDERMANN ist die Seele, »der am Leibe und im Ausleben betätigte Geist« (Philos. als Begriffswissensch. I, 244 ff.).

Nach ZEISING ist sie der als Erscheinung gedachte Geist (Ästhet. Forsch. S. 67). Nach BRANISS ist sie der Geist als Substanz, »das in immaterieller Substantialität beharrliche Selbst des vollkommen organisierten Leibes« (Syst. d. Met. S. 356 ff.).

Den substantialen Seelenbegriff hat
HEINROTH. Das Seelenwesen ist beharrlich und veränderlich (Psychol. S. 151), es ist gegliedert (ib.).

Nach HILLEBRAND ist die Seele eine geistige Substanz, einfache Urkraft (Philos. d. Geist. I, 86 ff.).

Dualistisch lehrt GÜNTHER. Geist ist und Naturwesen sind zwei verschiedene Substanzen. Die Naturseele ist das im Organismus besonderte und subjectiv functionierende Naturprincip, das dem Geiste dient.

Nach GIOBERTI ist die menschliche Seele eine reale Monade (Protolog. II, 410 ff.). So auch nach MAMIANI (Conf. II, 499 ff.), A. CONTI (Il vero dell' ordine I, 56 ff.), GALUPPI, BONATELLI, DE HARLO (II concetto dell' anima, 1900). -

COUSIN lehrt die Spiritualität der Seele, welche einfach ist (Du vrai p. 417).

Nach CHR. KRAUSE ist jeder Geist »ein selbständiges, in sich selbst urkräftiges Wesen, als ein Teil der einen Kraft der Vernunft« (Urb. d. Menschh.3, S. 269). Ähnlich AHRENS (Cours de psychol. I, 183 ff.), LINDEMANN, TIBERGHIEN. –

Nach HERBART ist die Seele einfache Substanz (Met. II, 386. Psychol. als Wiss. I, § 31. Encykl. S. 227 ff., 345). Ihr »Was« ist unbekannt (WW. V, § 150 ff.). Sie ist die Substanz, welche wegen der ganzen Bewußtseinscomplexion gesetzt werden muß (Met. § 3,2. Lehrb. zur Einl. § 130). Sie ist einfach, unräumlich, hat keine »Vermögen«, aber »Selbsterhaltungen« (ib.). »Die Seele ist ein einfaches Wesen. nicht bloß ohne Teile, sondern auch ohne irgend eine Vielheit in ihrer Qualität.« Sie ist nicht irgendwo, hat aber einen Ort, einen mathematischen Punkt im Raume. Sie ist nicht irgendwann. Die Selbsterhaltungen der Seele sind Vorstellungen (Lehrb. zur Psychol.3, S. 108 ff.).

Ähnlich lehren G. SCHILLING (Lehrb. d. Psychol. S. 29 ff.), DROBISCH (Psychol.), LINDNER (Psychol. S. 2 ff.), WAITZ (Lehrb. d. Psychol. S. 55), VOLKMANN, nach welchem die Seele der einfache Träger aller Vorstellungen ist, gedacht im Zusammen mit andern einfachen Wesen (Lehrb. d. Psychol. I4, S. 58 ff.), ähnlich R. ZIMMERNANN, O. FLÜGEL, u.a.

Nach BENEKE ist die Seele ein »immaterielles Wesen, aus gewissen Grundsystemen bestehend, welche eins sind« (Lehrb. d. Psychol. § 38 f.. Neue Psychol. S. 177). -

Nach TRENDELENBURG ist die Seele der sich verwirklichende Zweckgedanke, noch mehr als Substanz (Log. Unt.).

Nach W. ROSENKRANTZ ist der Seelenbegriff die Idee einer »organisierenden und belebenden Ursache unseres Körpers« (Wissensch. d. Wiss. I, 286).

Nach K. WERNER ist die Seele dem Leibe gegenüber dessen lebendige, innerliche Fassung, actuose Form und Entelechie (Spec. Anthrop. S.73 ff.).

Nach A. L. KYM ist die Seele Selbstbewegung, Spontaneität, sie hat selbständige Realität (Üb. d. menschl. Seele, 1890, S. 6ff.).

Nach GUTBERLET ist die Seele eine Substanz. Das Ich ist die Seelensubstanz (Kampf um d. Seele S. 84 ff.). »Daß wir für die ganz eigentümlichen Tätigkeiten der Seele auch ein entsprechendes Sein setzen, ist eine Forderung der Vernunft«(l. c. S. 57).

Nach HAGEMANN ist der Geist ein »immaterielles und persönliches, somit... ein einfaches, unausgedehntes, selbstbewußtes und frei handelndes Wesen« (Psychol.3, S. 13). Als Lebens-, Intelligenz- und Willensprincip ist der menschliche Geist Seele (l. c. S. 14. vgl. Met. S. 104 ff., 116 ff., 121, 124).

Im Sinne Günthers lehrt W. KAULICH (Handb. d. Psychol., 1870). Den substantialen Seelenbegriff haben alle »katholischen« Philosophen.

Spiritualistisch-substantial ist der Seelenbegriff zunächst bei LOTZE. Er betont, die Seele sei Substanz, sofern sie ein des Wirkens und Leidens Fähiges ist, nicht aber ein »hartes und unzersprengbares Atom« (Met.2, S. 481). Die Seele ist ein übersinnliches, unräumliches, einheitliches Wesen (Grdz. d. Psychol. § 63 ff.). Seele und Geist sind verschiedene Seiten, Potenzen desselben übersinnlichen Wesens (Mikrok II2, 144). Das Was der Seele wird aus ihrer Qualität bestimmt. Sie ist keine unveränderliche Substanz. Substanz ist sie als »ein relativ feststehender Mittelpunkt ankommender und ausgehender Wirkungen« (l.c. S. 164). Die Einheit des Bewußtseins kann nicht Resultante mehrerer Componenten sein (Med. Psychol. S. 16 ff.. Kl. Schrift. II, 13 ff.). Der lebendige Inhalt des Psychischen selbst ist es, »der durch seine eigene specifische Natur die Fähigkeit des Wirkens und Leidens, die Eigenschaft der Substantialität gewinnt« (Mikrok. II2, 149 ff.).

J. H. FICHTE
erklärt: »Die Seele ist ein individuelles, beharrliches, vorstellendes Reale, in ursprünglicher Wechselbeziehung mit anderen Realen begriffen« (Anthropol. S. 181). Sie ist »ein raumzeitliches Realwesen«, eine »Geistesmonade« (Psychol. I, S. VII), ein »vorempirischen Wesen« (l. c. S. VIII ff.), mit vorempirischen Grundanlagen ausgestattet (l. c. S. XVI.

Ähnlich SENGLER, (Erkenntnislehre, 1858). Die Seele ist »ein instinctbegabtes Triebwesen, weil sie in unbewußter Anticipation und idealer Vorausnahme schon besitzen muß, was sie werden soll« (Psychol. I, 20). Der Leib ist der reale, das Bewußtsein der ideale Ausdruck der Seele (Anthrop. S. 262). Es besteht eine »dynamische Gegenwart der Seele im Leibe« (l. c. S. 268). Die Seele ist ganz in allen Teilen des Leibes, hat keinen Sitz (l. c. S. 286. Psychol. I, 35).

Ähnlich lehrt FORTLAGE, der die Seele als Triebwesen auffaßt (Psychol. § 3).

Nach ULRICI ist die Seele eine »continuierliche, in sich ungeteilte Substanz..., stofflich, aber nicht materiell« (Leib u. Seele S. 131 f.). Sie ist »eine Einheit von Kräften, deren unterscheidende Grundkraft eine Kraft continuierlicher Ausdehnung und Umschließung ist, durch welche sie die den Leib bildenden Atome ergreift, zusammenordnet, durchdringt« (Gott u. d. Nat. S. 526). Die Grundkraft der Seele, die Quelle des Bewußtseins ist die unterscheidende Tätigkeit (l. c. S. 534. Leib u. Seele S. 323, 364). Die Seele ist ein ätherisches Fluidum.

Ausgedehnt ist die Seele nach
J. A. HARTSEN (Grdz. d. Psychol., 1874).

AD. SCHOLKMANN
erklärt: »Wenn eine geistige Wesenheit Atome zu einem in sich selbst zurücklaufenden Lebensprocesse dauernd mit sich vereinigt, so nennen wir sie Seele.« Diese organisiert den Leib (Grundlin. ein. Philos. d. Christ. S. 23 ff.).

Nach M. CARRIERE ist die Seele »ein Kraftcentrum«, »ein Triebwesen, das in seiner Gestaltung sich selber erfaßt, seiner selbst inne wird und als Selbst die Herrschaft über einen Teil seiner Lebensacte gewinnt« (Ästhet. I, 39).

Als beherrschendes, bildendes Centrum bestimmt die Seele
PLANCK (Testam. ein. Deutsch. S. 257). -

Nach L. HELLENBACH ist die Seele ein reales individuelles Wesen, etwas Organisiertes (Das Individ. S. 123, 196). ein »Metaorganismus«

Nach DU PREL ist es die Seele, die sowohl organisiert als denkt (Monist. Seelenlehre, S. IV). Dem Menschen liegt »ein transcendentales individuelles Subject« zugrunde (l. c. S. 54). Das Hirnbewußtsein ist nur ein Teilbewußtsein des Subjects (l. c. S. 55). Als organisiert muß die Seele die Ausdehnung mindestens potentiell in sich haben (l. c. S. 131 ff.. vgl. Leib)

Als substantiell bestimmt die Seele M. PERTY (Myst. Tats. S. 13). -

Reales Wesen ist die Seele nach
BRENTANO (Psychol. I), WITTE (Weß. d. Seele), Gt. THIETE (Philos. d. Selbstbew. S. 175), GLOGAU (Abr. d. philos. Grundwiss. II, 148. Psychol.), SCHMIDKUNZ (Suggest. S. 252). - -

Nach A. VANNÉRUS ist die Seele eine lebendige, actuale, dynamische, im Bewußtsein sich realisierende Substanz (Arch. f. system. Philos. I, 1895, S. 363 ff.).

Nach J. BERGMANN ist die Seele »ein Wesen, dem Bewußtseinstätigkeiten zukommen«. Jede Seele geht »ganz in dem Bewußtsein auf, dessen Teile und besondere Weisen die ihr zukommenden Bewußtseinstätigkeiten sind« (Zeitschr. f. Philos. 110. Bd., B. 99. vgl. Hauptpkt. d. Philos. S. 309 f.).

SIGWART erkennt zwar keine absolut einfache, unveränderliche Seelensubstanz an, betont aber, wenn mit dem Terminus Substanz »nur ausgedrückt werden soll, daß wir durch unser Denken genötigt sind, zu dem zeitlich wechselnden, in ein Bewußtsein stets zusammengefaßten Geschehen uns ein Subject zu denken, das den Zusammenhang dieses Geschehens erklärt, das als mit sich eins bleibend den gemeinsamen Grund der in der Zeit continuierlich folgenden Veränderungen bildet, dann muß auch das Subject unseres Selbstbewußtseins eine Substanz genannt werden. Freilich nicht eine Substanz, die ein von ihren Tätigkeiten getrenntes Sein hätte. sie ist, indem sie irgendwie tätig ist, aber sie ist nicht die bloße augenblickliche Tätigkeit, ihr Sein erschöpft sich nicht in der einzelnen Tätigkeit« (Log. II2, 207 f.). Es gibt kein subjectloses Psychisches (l. c. S. 208).

Ähnlich fassen die Seele auf LIPPS (Das Selbstbew. 1901, S. 4 ff., 39 ff) KÜLPE (Einl. in d. Philos. S. 190 f.), L. BUSSE (Philos. u. Erk. S. 2.50 f.. Geist u. Körp. S. 324 ff.,.334 ff.), JAMES (Princ. of Psychol. I, 160 ff, 180 ff., 342 ff.), LADD (Psychol 1894. Philos. of Mind p. 83 ff), J. WARD (Enc. Brit. XX, 37 ff.. Mind VII, XII, XV). JANET (Princ. de mét. I, 421 ff.), WADDINGTON (Seele d. Mensch. B. 189 f., 206, 517).

Nach REHMKE ist die Seele das »concrete Bewußtsein« (Allg. Psychol. S. 49). Sie ist kein Ding (l. c. S. 59), ist nicht irgendwo, sondern ganz im Leibe (l. c. S. 128). Ein allgemeines Bewußtseinssubject besteht (l. c. S. 133 ff.. vgl. Seele d. Mensch. S. 108 f.).

Nach
SCHUPPE ist das Ich Substanz (Log. S. 33, vgl. S. 140). Die Seele ist keine Substanz hinter dem Bewußtsein. »Sehen wir davon ab, so ist, was der Begriff Seele meint, gewiß etwas Wirkliches, nur nicht das immaterielle Concretum, welches den körperlichen Dingen, vorab dem eigenen Leibe, als etwas Selbständiges entgegengestellt wird. Das individuelle Ich, was sie meint, ist gewiß etwas Wirkliches, nur in Abstraction von seinem räumlich-zeitlichen Bewußtseinsinhalt ein Abstractum« (l. c. S. 33).

Ein einheitliches Subject, eine einheitlich constante Function des Absoluten in der Vielheit des Bewußtseins lehrt
E. v. HARTMANN (Mod. Psychol. S. 289 ff.). Die Seele ist »die Summe der auf den betreffenden Organismus gesichteten Tätigkeit des einen Unbewußten« (Philos.d. Unbew.3, S. 547. II10, 288, 404 ff.). Seele und Leib sind »reelle Teilfunctionen als Glieder derselben absoluten Function des absoluten Subjects« (Mod. Psychol. S. 335). Das Individuum hat eine Seele, aber eine Mehrheit von Bewußtseinen (Mod. Psychol. S. 287. Philos. d. Unb. II10, 60, 157). Die Seele ist kein bloßes Summationsphänomen (l. c. S. 288), es kommt das Plus an Tätigkeit, die Centralmonade, dazu (ib.). Die Seele ist »die Einheit der unbewußten psychischen Functionen, aus denen neben andern Ergebnissen auch das Ich entspringt«. Sie umspannt eine Vielheit von Functionen (l. c. S. 510 ff.).

Nach DREWS ist die Seele »das lebendige System von unbewußten... Willensacten der absoluten Substanz, deren äußere Erscheinung unser Leib und deren innereErscheinung die Gesamtheit unserer bewußten psychischen Functionen bildet« (Das Ich, S. 301).

Universal, identitätsphilosophisch oder actual schlechthin ist der Seelenbegriff bei folgenden neueren Philosophen.


Nach FECHNER ist die Seele »das einheitliche Wesen, das niemand als sich selbst erscheint«, »die Selbsterscheinung desselben Wesens, was als Körper äußerlich erscheint«, »das verknüpfende Princip des Leibes« (Üb. d. Seelenfr., S. 9, 210 ff.). Geist oder Seele ist das »dem Körper oder Leibe überhaupt gegenüber gedachte, sich selbst erscheinende Ganze, welchem Empfinden, Anschauen, Fühlen, Denken, Wollen u.s.w. als Eigenschaften, Vermögen oder Tätigkeiten beigelegt werden« (Zend-Av. I. S. XIX). Seele und Leib sind zwei Seiten desselben Wesens (l. c. II, 148). Die Seele hat eine vereinfachende Kraft (l. c. S. 141).

Ähnlich lehrt PAULSEN (Actualitätstheorie). Auch SPENCER, nach welchem der Geist an sich unerkennbar ist (Psychol. 1,§59), LEWES, nach welchem die Seele die Personification »of present und revived feelings« ist (Probl. III, 366), P. CARUS: »While body is the soul as it appears, soul is the essence of the body as it is initself« (Prim. of Philos. 1896, p. 23. Soul of man 1891, p. 419), HÖFFDING (Psychol.3, S. 16 ff.), EBBINGHAUS, nach welchem »Seele« ein abgekürzter Collectivausdruck ist (Grdz. d. Psychol. I, 17 f., vgl. S. 14, 27), u.a. -

Nach J. ST. MILL ist die Seele (mind) nur »the series of our sensations« nebst »the addition of infinite possibilities of feeling« (Exam. p. 242, 247, 263, 268).

Nach HODGSON ist die Seele »a series of conscious states among which isthe state of self-consciousness« (Philos. of Refl. I, 226).

Nach G. SIMMEL ist die Seele die Summe und der Zusammenhang der psychischen Äußerungen (Einl. in d. Mor. I, 200). Seele ist »gleichsam die Form, in der der Geist, d.h. der logisch-sachliche Inhalt des Denkens für uns lebt« (Philos. d. Ged. S. 499).

Nach E. LAAS ist die Seele keine Substanz (Ideal. u. Posit. II, 171 f.). -

Nach L. KNAPP ist die Seele nichts als eine Abstraction von den Bewußtseinsvorgängen. Sie besteht »nur aus den einzelnen
Bewußtseinserscheinungen..., welche der Stoffwechsel in em lebenden Nerv produciert«
(Syst. d. Rechtsphilos. S. 37).

CZOLBE
definiert: »Die Seele des Menschen ist die Summe der durch Gehirntätigkeit bedingten, aus Empfindungen und Gefühlen der Weltseele sich zusammenfügenden und in derselben wieder verschwindenden Mosaikbider« (Gr. u. Urspr. d. m. Erk. S. 210 ff.).

Nach
L. NOIRÉ ist die Seele das Empfinden, »die individuelle Kraft, das schöpferische und erhaltende Princip des Organismus« (Einl. u. Begr. ein. mon. Erk. S. 159).

Nach CARNERI ist die Seele »die individuelle Zusammenfassung des gesamten Organismus«(Sittl. u. Darwin. S. 132).

Nach O. CASPARI ist die Seele »der Complex von Erscheinungen..., der dem Innern angehört und directerweise nur durch die innerliche Selbsterfahrung und durch die innere Wahrnehmung erkannt wird« (Zus. d. Dinge S. 321). Die Seele ist relative Substanz (l. c. S. 363).

RENOUVIER erklärt: »La loi de personnalité, ou conscience, donnée sous la condition d'une organisation individuelle, peut s'appeller une âme« (Nouv. Mona-dol. p. 96). -

Nach DURAND DE GROOS ist die geistige Einheit ein »Polyzoisme«. Als Substanz ist die Seele unsterblich, das Bewußtsein ist vergänglich
(Ess. de physiol. philos. 1866. Ontolog. et psychol. physiol. 1871).

Nach FOUILLÉE ist das Bewußtsein ein sociales Wesen (B. Sociologie).

Nach E. DREHER ist die Seele zusammengesetzt, eine Art Staat (Philos. Abh. S. VII). -

Nach RIBOT ist die Seele keine besondere Substanz. Substrat des Psychischen ist der Organismus. das Ich ist ein Complex (Mal. de la vol. p. 4).

Nach C. HAUPTMANN ist die Seele (im Sinne von AVENARIUS) die »parallele Abhängige jener complexen Gleichzeitigkeiten und Folgen intimster ineinander greifender Stoffwirkungen..., welche in centrierten dynamischen Systemen ihre erhaltungsgemäße Lageänderung bedingen« (Die Met. in d. modern. Physiol. S. 365).

JODL erklärt: »Die Seele hat nicht Zustände oder Vermögen, wie Denken, Vorstellen, Fühlen, Haß u.s.w., sondern diese Zustände in ihrer Gesamtheit sind die Seele« (Lehrb. d. Psychol. S. 31).

Nach
R. WAHLE ist die Einheit des Bewußtseins ein Ausdruck für das Gleichbleiben der Ich-Vorkommnisse, keine Substanz. die individuelle Sphären-Abgrenzung ist Wirkung der »Urfactoren« (Das Ganze d. Philos. S. 118 f.).

Nach SCHUBERT- SOLDERN ist die Seele »der ununterbrochene Zusammenhang von Daten der Reproduction und des Gefühles« (Gr. ein. Erk. S. 21), die »abstracte Reproductionsmöglichkeit« (l. c. S. 340).

Den actuellen Seelenbegriff haben
FR. SCHULTZE (Vgl. Psychol.), H. CORNELIUS, H. MÜNSTERBERG. Es gibt keine psychische Substanz in den Objecten (Grdz. d, Psychol. I, S. 395). In mehr technischem Sinne muß als Seele »Jenes ideelle System individueller Wollungen gelten, das in der gesamten Reihe wirklicher Wollungen sich auslebt und doch in jedem neuen Act sich mit dem gesamten System identisch setzt«. »Diese actuelle Seele ist also beharrend, da sie in jedem Acte sich als identisch setzt. Sie ist einheitlich, da jede Wollung logische Umsetzung desselben Systems ist. Sie ist selbstbewußt« (l. c. S. 397). »Sie ist unsterblich, weil ihre actuelle Realität in zeitlicher Gültigkeit nicht berührt werden kann durch biologisch-psychologische Objectphänomene in der Zeit. Sie ist frei, weil die Frage nach einer Ursache für sie grundsätzlich sinnwidrig ist« (ib.). -

Nach
L. F. WARD ist die Seele »animation or conscious spontaneous activity« (Pure Sociol. p. 140).

EMERSON erklärt: »Die Seele umfaßt alle Dinge. Sie spottet... aller Erfahrung. In gleicher Weise hebt sie Zeit und Raum auf« ( Essays, Überseele S. 86 ff.).

Die Actualitätstheorie lehrt
WUNDT. Die Seele ist keine Substanz , sondern eine logisch-psychologische Einheit, ist im Denken, Fühlen und Wollen selbst gegeben, ist (empirisch) eins mit dem einheitlich-stetigen Zusammenhang der psychischen Acte. Im geistigen Leben ist alles reine Tätigkeit ohne geistig-substantiellen Träger. »Träger« der einzelnen Erlebnisse ist die einheitliche Tätigkeit des Wollens und Denkens selbst. Für die Psychologie ist die »Seele« ein Hilfsbegriff, der zur Zusammenfassung der Gesamtheit der psychischen Erfahrungen eines Bewußtseins dient (Log. II2, 2, 245 ff.. Philos. Stud. X, 76, XII, 41. Essays 5, S. 128). »Da die psychologische Betrachtung die Ergänzung der naturwissenschaftlichen ist, insofern die erstere die unmittelbare Wirklichkeit des Geschehens zu ihrem Inhalte hat, so liegt darin eingeschlossen, daß in ihr hypothetische Hilfsbegriffe, wie sie in der Naturwissenschaft durch die Voraussetzung eines von dem Subject unabhängigen Gegenstandes notwendig werden, keine Stelle finden können« (Gr. d. Psychol.5, S. 386). Das Bewußtsein ist durch die stetige Verbindung seiner Zustände eine ähnliche Einheit, wie der Organismus. Diese geistige Einheit ist aber nicht Einfachheit. Die Wechselbeziehung zwischen Physischem und Psychischem führt zur Annahme, daß »was wir Seele nennen, das innere Sein der nämlichen Einheit ist, die wir äußerlich als den zu ihr gehörigen Leib erkennen«. Der Leib als Ganzes ist beseelt. Das Seelische ist aber nicht Erscheinung, sondern die unmittelbare, die eigentliche Wirklichkeit. Die wesentlichste Eigenschaft dieses Innenseins der Dinge ist die Entwicklung, deren Spitze für uns unser Bewußtsein ist. Dieses »bildet den Knotenpunkt im Naturlauf, in welchem die Welt sich auf sich selber besinnt«. »Nicht als einfaches Sein, sondern als das entwickelte Erzeugnis zahlloser Elemente ist die menschliche Seele, was Leibniz sie nannte: ein Spiegel der Welt« (Grdz. d. physiol. Psychol. II4, 648. Syst. d. Philos.2, S. 379f.. Log. I., 551). Die Seele ist Lebensprincip, das als Anlage schon mit der Materie überhaupt verbunden ist (Syst. d. Philos.2, S. 605 f.. Ess. 4, S. 124. Philos. Stud. XII, 47. Grdz. d. physiol. Psychol. II4, 633, 636, 644. I4, 26). Die Seele ist die Entelechie des Leibes. Ist sie doch »der gesamte Zweckzusammenhang geistigen Werdens und Geschehens, der uns in der äußeren Beobachtung als das objectiv zweckmäßige Ganze eines lebenden Körpers entgegentritt« (Syst. d. Philos.2, S. 606). Isoliert von den Objecten gedacht, ist unsere Ich-Tätigkeit Wille. Dieser ist die wahre Einheitsfunction unseres Bewußtseins (Syst. d. Philos.2, S. 372 ff., 383). Der metaphysische Seelenbegriff ist der »reine Wille« als Apperception , empirisch nicht gegeben, aber als letzte subjective Bedingung jeder Erfahrung vorauszusetzen, ein »imaginär Transcendentes« (l. c. S. 383). Unsere Seele ist »vorstellender Wille« (l. c. S. 413 ff.), keine Monade, nichts Isoliertes, sondern Glied höherer geistiger Einheiten .

Den Identitätsstandpunkt verficht GROT (Arch. f. syst. Philos. 1898, 4. Bd.). Die Actualitätstheorie acceptieren CESCA (Vierteljahrsschr. f. wiss. Philos. 11. Bd., S. 417), G. VILLA (Einl. in d. Psychol. S. 393 ff.), HELLPACH u.a.

Die Materialisten identificieren die Seele mit dem Gehirn oder Gehirnprocessen.

Nach BROUSSAIS ist die Seele »un cerveau agissant«.

Nach E. DÜHRING ist »Seele« nur »die Verkörperung einer falschen Völkerphantasie, derzufolge im Leibe eine Psyche hausen und diese Behausung bei dem Tode wieder verlassen soll« (Wert d. Leb. S. 47).

Materialistisch bestimmt die Seele J. PIKLER (Grundges. alles neuropsych. Leb. 1900).

Nach H. KROELL ist die Seele der »Inbegriff der in sich geschlossenen Einheit sämtlicher durch die Arbeit der Reflexbögen zustande kommender Erscheinungsformen«. Sie ist Function, innere Erscheinungsweise (Die Seele im Lichte d. Mon. S. 30).

Nach U. KRAMAR ist die Seele ein Teil des Weltäthers (Die Hypothese d. Seele 1898). S.2881ff.

Seelensitz:
der Ort im Organismus, von dem aus man sich die Seele wirksam dachte oder denkt. Die moderne Psychologie versteht unter Seelensitz in der Regel nichts als das physiologische Correlat zum Psychischen, den Organismus als Einheit, centralisiertim Nervensystem, insbesondere im Großhirn.

Im Blute hat die Seele ihren Sitz nach den
Hebräern (vgl. über den Kopf als Seelensitz: Daniel 2, 28. 4, 2).

Das Hirn als Seelensitz sollen schon die Ägypter betrachtet haben, vielleicht aber das Herz.

Der Pythagoreer ALKMAEON verlegt den Seelensitz in das Gehirn (Theophr., De sens. 25 squ.. Plut., Plac. IV, 16 squ.). auch HIPPOKRATES (nach einer andern Stelle in das Herz).

Nach KRITIAS hat die Seele ihren Sitz im Blute (Arist., De an. I 2, 405 b 6 squ.).

PLATO verlegt den nous in das Haupt, den thymos in die Brust, das epithymêtikon in den Unterleib (Tim. 73 D, 90 A, 77 B. Rep. 435 B).

Nach ARISTOTELES ist der Sitz der empfindenden Seele das Herz (De part. an. II, 10. 136 generat. II, 6. De somn.. vgl De somn. 3. De sens. 2. De mot. an. 10).

Die Stoiker verlegen das hêgemonikon in das Herz (Diog. L. VII, 169).

So auch nach POSIDONIUS. HEROPHILUS hat das Hirn als Sitz des hêgemonikon bestimmt (Tertull., De an. 15).

So auch GALENUS Auch die Epikureer setzen den vernünftigen Seelenteil in das Herz (Diog. L. X, 66. Plut., Plac. IV, 5. vgl. LUCREZ, De rer. nat. III, 136 squ.).

Nach PLOTIN ist die Seele im ganzen Leibe (Enn. IV, 8, 8). Das Gehirn ist der Ausgangspunkt ihrer Tätigkeit (l. c. IV, 3, 23).

Ähnlich NEMESIUS, GREGOR VON NYSSA (De creât. hom. 12),

AUGUSTINUS (Ep. 166). das Hirn ist Centrum der Empfindung und willkürlichen Bewegung (De gen. ad litt. VII, 17 squ.).

Nach THOMAS u.a. ist die Seele »in toto corpore tota et in singulis simul corporis partibus tota« (Sum. th. I, 76, 8. vgl. I, qu. 4).

Nach CASMANN ist das Gehirn das »sensorium commune« der äußeren Sinne und Organ der innern Sinne (Psychol. II, 603 ff.).

Nach J. B. VAN HELMONT hat die Seele ihren Sitz im Magen. Das Gehirn ist ein Werkzeug für das Vorstellen, die Willensbewegungen u.s.w. (Sedes anim. p. 282 ff. ).

Nach DESCARTES ist der eigentliche Sitz der Seele die Zirbeldrüße des Gehirns. »Concipiamus igitur hic, animam habere suam sedem principalem in glandula, quae est in medio cerebri, unde radios emittit per reliquum corpus, opera spirituum, nervorum et ipsiusmet sanguinis, qui particeps impressionum spirituum eos deferre potest per arteria ad omaia membra« (Pass. an. I, 30 squ., 34. Princ. philos. IV, § 189. De hom. I, § 1. Ep. 29. vgl. Lebensgeister. vgl. GASSENDI, Obi. V, 6).

Nach LEIBNIZ ist der Ort der Seele ein bloßer Punkt (Erdm. p. 749a. vgl. p. 274a, 457a).

Nach BONNET ist der Seelensitz im »Balken« des Gehirns, nach DIGBY im Septum, nach HALLER in der Varolsbrücke, nach BOERHAVE im verlängerten Mark, nach PLATNER in den Vierhügeln.

Nach SÖMMERING hat die Seele ihren Sitz in der Flüssigkeit der Hirnhöhlen.

SWEDENBORG bezeichnet zuerst (1745) die Rindensubstanz als das physiologische Correlat des Bewußtseins.

Nach G. E. SCHULZE besteht nur eine »dynamische Gegenwart« der Seele im Leibe (Psych. Anthrop. S. 48).

Nach J. MÜLLER ist die Seele im ganzen Leibe verbreitet (Physiol. II, 507).

Ähnlich C. G. CARUS, STEFFENS, BURDACH (Anthr. § 225), LINDEMANN, HEGEL (Naturph. S. 432), K. ROSENKRANZ, ERDMANN, MEHRING u. a

Ähnlich wie KANT (WW. VII, 118. 122) erklärt ESCHEN-MAYER: »Wir können eigentlich nur nach dem geometrischen Ort fragen, in welchem alle Gehirntätigkeit zusammenfließt, und in welchem die geistigen Äußerungen zunächst rege werden. Denn an sich hat die Seele keinen Sitz, sie ist überall und zu jeder Zeit«(Psychol. S. 213).

Nach HILLEBRAND hat die Seele keinen »Sitz« im Leibe (Philos. d. Geist. I, 111). Sie ist überall im Leibe gegenwärtig (l. c. S. 112), ist in realer Einheit mit ihm (l. e S. 113).

Nach J. H. FICHTE ist der ganze Leib Organ der Seele (Anthr. S. 268, 286), im engeren Sinne das Nervensystem (l. c. S. 294 ff.), ähnlich ULRICI (Leib u. Seele S. 133).

Nach HEBART hat die Seele keinen festen Sitz, sondern ihr Sitz verschiebt sich innerhalb der Varolsbrücke (Psychol. als Wiss. II, § 154. Lehrb. zur Psychol. § 163).

Ähnlich VOLKMANN u.a., auch LOTZE, der den »Balken« als eigentlichen Ausgangspunkt der Seelenwirkungen bezeichnet (Grdz. der Psychol. § 63 ff`). Der Seelensitz ist ein homogenes Parenchym (Mikrok. I2, 335. vgl. Med. Psychol. S. 130). »Ein immaterielles Wesen kann im Raume keine Ausdehnung, wohl aber einen Ort haben, und wir definieren diesen als den Punkt, bis zu welchem alle Einwirkungen von außen sich fortpflanzen müssen, um Eindruck auf dies Wesen zu machen, und von welchem aus dies Wesen ganz allein unmittelbare Wirkungen auf seine Umgebung ausübt« (Gr. d. Psychol. S. 65 f.). Der Seelensitz ist nicht fest (l. c. S. 67 f.).

Nach FECHNER ist im weiteren Sinne der ganze Leib beseelt (Elem. d. Psychophys. II, 384, 390, 426).

Nach GUTBERLET ist die Seele »im ganzen Körper und in jedem Teile desselben gegenwärtig« (Kampf um d. Seele, S. 261).

Nach RENAN ist die Seele da, wo sie wirkt (Philos. Dial. S. 137).

Nach A. FOUILLÉE ist Seelenleben im ganzen Organismus (Psychol. des idées-forces II, 338). So auch nach WUNDT u.a. S.2928ff.

Seelenwanderung oder Metempsychose, S.2950
d.h. das Wohnen der Seele in verschiedenen Leibern als Stadien der metaphysisch-theosophischen Seelengeschichte, die wiederholte Verkörperung einer und derselben Seele, wird schon von den verschiedensten Naturvölkern gelehrt, ferner bei den Ägyptern (Herod. II), in den Upanishads, im Buddhismus, bei den Orphikern, Pherekydes (Cicero, Tusc. disp. I, 16.De divin. I, 50), bei den Pythagoreern: ekriphtheisai d' autên (psychên) epi gês plazesthai en tô aeri homoian tô sômati (Diog. L VIII l, 31).

Auch bei EMPEDOKLES: kai tên psychên pantoia eidê zôôn kai phytôn endyesthai. phêsi goun. êdê gar pot' egô genomên kouros te korê te thamnos t' oiônos te kai exalos ellopos ichthys (Diog. L. VIII 2, 77)

Die Metempsychose lehren auch PLATO (Tim. 49E squ., 92B. Leg. X), PHILO, PLOTIN, PROKLUS (In Tim.), VERGIL, die Manichäer und Basilidianer (vgl. Clem. Alex., Strom. IV), die Kabbalâ u.a. Dagegen ARISTOTELES u.a. Vgl. Tod, Unsterblichkeit.

Sensualismus (sensus, Sinn, Empfindung) S. 3024 Siehe auch bei Kirchner
Sinnlichkeitsstandpunkt, d.h. diejenige erkenntnistheoretische Sichtung, welche alle Erkenntnis aus Empfindungen, Impressionen, aus sinnlichen Erlebnissen ableitet, nach welcher die Erkenntnis in Inhalt und Form letzten Endes ein Produkt der Sinnesfunktionen und ihrer Weiterentfaltung ist und oft auch eine die sinnliche Erfahrung überschreitende Erkenntnis negiert wird. Alle Wirklichkeit ist durch die Sinne, in Empfindungen und daraus abgeleiteten Vorstellungen gegeben. Der Sensualismus faßt in der Regel die Seele als »tabula rasa« auf, berücksichtigt nicht die Spontaneität des Bewußtseins und das in den Formen des Denkens gelegene Apriori der Erkenntnis, die Bedeutung der normativen und regulativen Funktion der Ideen und Ideale. Er vergisst oft, dass die Empfindungen für die objektive Erkenntnis nicht das eigentliche Objekt, sondern nur ein Mittel des Erkennens sind, daß ferner die »Empfindungen« als solche, d.h. als elementare Inhalte nichts »Gegebenes«, sondern schon das Produkt einer abstrahierenden Analyse des Denkens sind. Der praktische, ethische Sensualismus erblickt in der Sinneslust, im subjektiven Wohlergehen, im Genusse das eigentliche Motiv und Ziel des ethischen Handelns (Hedonismus).

Nach
ARISTIPPUS erkennen wir nicht das Ding an sich , sondern nur unsere Empfindungsinhalte (vgl. Plat., Theaet. 166).

Als eine leere Tafel, die erst durch sinnliche Wahrnehmung sich mit Zeichen erfüllt, betrachten den Geist die Stoiker: Hoi Stôikoi phasin. hotan gennêthê ho anthrôpos, echei to hêgemonikon meros tês psychês hôsper chartên euergon (energon) eis apographên. eis touto mian hekastên chartên tôn ennoiôn enapographetai (Plut., Plac. IV, 11. Dox. 400).

Sensualistisch
lehrt EPIKUR: hai epinoiai pasai apo tôn aisthêseôn gegonasi ... pas gar logos apo tôn aisthêseôn êrtêtai, alle Begriffe haben sinnlichen Ursprung (Diog. L. X, 32). tên de aisthêsin analêptikên ousan (Sext. Empir. adv. Math. VII, 210. VIII, 9). »Quicquid animo cernimus, id omne oritur a sensibus«(De fin. I, 64).

ORIGENES erklärt, aisthêsei katalambanesthai ta katalambanomena kai pasan katalêpsin êrtêsthai tôn aisthêseôn (Contr. Cels. VII, 37).

Nach ARNOBIUS muß der Geist eines von Geburt einsamen Menschen leer bleiben (Adv. gent. II, 20 ff.).

Das »nihil est in intellectu, quod non sit prius in sensu« spricht schon THOMAS aus (De verit. II, 3).

Von der »tabula rasa« (s. d.) sprechen AEGIDIUS ROMANUS, ERASMUS u.a.

Nach CAMPANELLA ist die Empfindung der Anfang aller Erkenntnis (Physiol. XVI, 1. vgl. De sensu rer. II, 22). »Omnes sensus simul causant totius rei cognitionem« (Univ. philos. I, 4, 4). »Duce sensu philosophandum esse existimamus. Eius enim cognitio omnis certissima est, quia fit obiecto praesente« (Prodrom. p. 27).

Nach
F. M. VAN HELMONT gleicht der kindliche Geist einem weißen Blatte. »Humana omnis scientia ex sensu primitus oritur« (vgl. Ritter XII, 10 f.).

Den Wert der Sinne für die Erkenntnis betont F. BACON (Nov. Organ I, 41).

Nach HOBBES entspringt alle Erkenntnis aus den Empfindungen. »Nulla enim est animi conceptio, quae non fuerat ante genita in aliquo sensuum, vel tota simul, vel per partes. Ab his autem primis conceptibus omnes postea derivantur« (Leviath. I, 1).

Auch nach
GASSENDI entspringt jede Idee aus den Sinnen. Die Seele ist eine leere Tafel (Opp. III, 318. Inst. Log. I).

MONTAIGNE
erklärt: »Toute connaissance s'achemine en nous par les sens en sont nos maîtres. - La science commence par eux et se resout en eux... Les sens sont le commencement et la fin de l'humaine connaissance« (Ess. II, 12). –

LOCKE bezeichnet den Geist als ursprünglich gleich einem »white paper«. Alle Erkenntnis stammt aus »sensation« und »reflection« (Ess. II, ch. 1, § 2 ff.). Nichts ist in unserem Intellekt, was nicht auf äußere oder innere Erlebnisse zurückzuführen ist. Der Geist hat aber die empirisch gewonnenen einfachen Vorstellungen mannigfach zu verknüpfen (l.c. § 5.). (Gegen Locke erklärt sich LEIBNIZ)

Auf »impressions« und ihre Verarbeitung führt HUME die Erkenntnis zurück. »All die schöpferische Kraft der Seele ist nichts weiter als die Fähigkeit, den durch die Sinne und die Erfahrung gegebenen Stoff zu verbinden, umzustellen oder zu vermehren... Kurz aller Stoff des Denkens ist von äußeren oder inneren Wahrnehmungen abgeleitet. Nur die Mischung und Verbindung gehört dem Geist und dem Willen oder... alle unsere Vorstellungen oder schwächeren Empfindungen und Nachbilder unserer Eindrücke oder lebhaften Empfindungen« (Inquir. sct. 2).

Psychologisch begründet den Sensualismus CONDILLAC. »C'est... des sensations que naît tout le système de l'homme« (Extr. rais. p. 35). »La sensation devient successivement attention, comparaison, jugement« und réflexion (l. c. p. 38). »Du désir naissent les passions, l'amour, la haine, l'espérance, la crainte, la volonté. Tout cela n'est donc encore que la sensation transformé« (l. c. p.40). »La sensation enveloppe toutes les facultés de l'âme« (Tr. d. sens. I, ch. 7, § 2), Leben ist Genießen (l. c. IV, ch. 9, § 2). Der Mensch verhält sich wie eine allmählich von außen belebte Statue.

Sensualisten sind mehr oder weniger auch BONNET (Ess. anal. p. 14), HOLBACH, HELVETIUS, LAMETTRIE u.a.

CABANIS bemerkt: »La sensibilité physique est la source de toutes les idées« (Rapp. I, 85).

Reaktion gegen den Sensualismus in Frankreich bei M. DE BIRAN, JOUFFROY, ROYER-COLLARD, COUSIN u.a..

Den sinnlichen Ursprung der Vorstellungen lehrt
RÜDIGER.

AD. WEISHAUPT
erklärt: »Unser ganzer Verstand und Vernunft, alle unsere höhere Kenntnis gründet sich... auf Empfindungen, auf den Gebrauch der Sinne.« Die Empfindungen und die Sinne sind »die Vorratskammer, aus welcher der Verstand schöpft. Diese liefern ihm alle rohen Materialien, welche sein Fleiß noch weiter bearbeiten soll«(Üb. Mat. u. Ideal. 61. 78 f.).

L. FEUERBACH lehrt: »Nur durch die Sinne wird ein Gegenstand im wahren Sinne gegeben«(WW. II, 321). »Der Geist folgt auf den Sinn, nicht der Sinn auf den Geist. der Geist ist das Ende, nicht der Anfang der Dinge« (l. c. S. 236),

L. KNAPP betont: »Alles Denken ist,.. nur Vorstellen der empfundenen Sinnlichkeit, also insofern der Wirklichkeit, da es keine Empfindungselemente, d.h. keine einfachen Sensationen erfinden kann« (Syst. d. Rechtsphilos. S. 13). Das reine ist das »streng sinnliche Denken« (l. c. S. 13). alle Erkenntnis ist eine sinnliche, alles übrige Erkennenwollen ist Einbildung (l. c. S. 20). Es gibt keine »aprioristischen Gedanken« (l. c. S. 20).

Ähnliche Anschauungen bei
R. AVENARIUS, E. MACH u.a. –

Aus der Sinneswahrnehmung leitet die Erkenntnis CZOLBE ab (Neue Darstell. d. Sensual. S. 4 ff.). Alle, auch die höchsten psychischen Vorgänge setzen sich nur aus Empfindungen und Gefühlen, ohne eine außerdem bestehende Seele, zusammen (Gr. u. Urspr. d. m. Erk. S. 224).

Gegner des Sensualismus sind der Rationalismus, Kritizismus und kritische Empirismus.


BIUNDE betont, »daß alle Erfahrung das Denken nicht erfahrbarer Verhältnisse und Gegenstände sowohl im Verstande als in der Vernunft nur veranlasse, und zwar dadurch, dass sie einen Stoff liefert, welchen diese beiden Vermögen selbständig und eigenmächtig bearbeite?', einen Stoff, welcher vor dieser Bearbeitung von seiten des Subjektes für das Subjekt ein confusum chaos ohne Ordnung und ohne Licht bildet«(Empir. Psychol. I 2, 260).

Ganz ähnlich lehren Neukantianer wie H. COHEN, P. NATORP, P. STERN (Probl. d. Gegeb. S. 13 ff., 28 ff.) u.a. –

HEGEL bemerkt: »Nihil est in sensu, quod non fuerit in intellectu« (Encykl. § 8).

Nach J. H. FICHTE ist der Geist schon im Sinne gegenwärtig (Psychol. I, 261).

Nach FOUILLÉE ist das Wahre im Sensualismus, daß »tous les faits de consciente sont sensitifs par quelque coté«(Psych. d. id.-forc. I, 298). Es gibt kein reines Denken (l. c. p. 301). Die »sensation« ist schon intellektuell, ein Rudiment des Gedankens (ib.).

H. CORNELIUS bemerkt: »Tatsächlich baut sich... unser Weltbild weder ausschließlich aus den Wahrnehmungen der Sinne, noch auch ausschließlich aus den reinen begrifflichen Formen unseres Denkens a« (Einl. in d. Philos. S. 167 f.). Vgl. über »Sensationalisme« JANET, Psychol. I, 243, 687, II, 5 u. ff.

Solipsismus (solus ipse, das Selbst allein) S. 3160
oder theoretischer Egoismus ist die Ansicht, dass das eigene Ich allein das Seiende ist, dass alles Sein im eigenen Ich, im eigenen Bewusstsein beschlossen ist (extrem-subjektivistischer Idealismus). Alles ist nur Inhalt des eigenen Ich, und das Ich ist alles, es gibt keine Objektenwelt außer dem Ich, auch keine selbständigen, transzendenten Iche.

Im indischen Oupnekhat wird eine Art Solipsismus ausgesprochen: »Hae omnes creaturae in totum ego sum et praeter me ens aliud non est et omnia ego creata feci« (bei Schopenh., Parerg. II, § 13). –

DESCARTES meint, nur problematisch-methodisch, die Außenwelt könne ein bloßer Traum sein (Princ. phi-los. I, 4. Medit. I).

MALEBRANCHE bemerkt: »Les sensations... pourraient subsister sans qu'il y eut aucun objet hors de nous« (Rech. I, 1).

Problematisch spricht dies gleichfalls
FÉNELON aus: »Non seulement tous ces corps qu'il me semble apercevoir, mais encore tous les esprits, qui me paraissent en société avec moi... tous ces êtres, dis-je, peuvent avoir rien de réel et n'être qu'une pure illusion qui se passe toute entière au dedans de moi seul: peut-être suis-je moi seule toute la nature«(De l'ex. de Dieu p. 119 f.. vgl. Die Memoiren von Trévoux 1713, p. 992). –

Solche Denkweise wird im 18. Jahrhundert »Egoismus« genannt.

So von CHR. WOLF: »Ein Egoist ist zugleich ein Idealist und räumet demnach der Welt keinen weitern Raum ein als in seinen Gedanke(Vern. Ged., Vorr.). »Idealistarum quaedam species sunt, qui nonnisi sui, quatenus nempe animalia sunt, existentiam realem admittunt, adeoque entia cetera, de quibus cogitant, nonnisi pro ideis suis habent« (Psychol. rat. § 38).

So auch BAUMGARTEN (Met. § 392).

MENDELSSOHN
bemerkt: »Der Egoist, wenn es je einen gegeben, leugnet das Dasein aller Substanzen außer sich« (Morgenst. I, 9).

Ähnlich auch TETENS (Philos. Vers. I, 377: vgl. PLATNER, Philos. Aphor. I, § 860).

Eine Reihe von Argumenten gegen den »Egoismus« bringt AD. WEISHAUPT vor (Üb. Mat. u. Ideal. S. 96 ff.).

KANT
versteht unter »Solipsismus« den praktischen Egoismus, die »Selbstsucht«(Krit. d.prakt. Vern. S. 89). »Der logische Egoist hält es für unnötig, sein Urteil auch am Verstande anderer zu prüfen, gleich als ob er dieses Probiersteins (criterium veritatis externum) gar nicht bedürfe« (Anthropol. I, § 2. vgl. FRIES, Syst. d. Log. S. 478).

Nach SCHOPENHAUER kann der Solipsismus, der alle Erscheinungen außer dem eigenen Individuum für Phantome hält, als ernstliche Überzeugung »allein im Tollhause« gefunden werden (W. a. W. u. V. I. Bd., § 19). –

Nach SCHUBERT-SOLDERN ist der Solipsismus theoretisch unwiderlegbar, indem jedes fremde Ich nur mein eigener Bewußtseinsinhalt, ein von mir Erschlossenes ist (Gr. ein. Erk. S. 83 ff.).

Auch M. KEIBEL meint, der Solipsismus sei eine »unvermeidliche logische Konsequenz«, praktisch aber unannehmbar, durch den Glauben an das fremde Ich zu ersetzen (Wert u. Urspr. d. philos. Transcend. S. 68 ff.).

Auf den Widerspruch, daß das »fremde« Ich, dasjenige, von dessen Erlebnissen ich nichts weiß, doch nur Inhalt meines Bewußtseins sein soll, macht W. JERUSALEM aufmerksam (Einl. in d. Philos.).

Sophia sophia S. 3168
Weisheit, nach BASILIDES eine der Emanationen der Gottheit,

nach VALENTINUS der letzte der Äonen. Vgl. Achamoth.

Spekulation (speculatio, theôria) S. 3181 Siehe auch bei Kirchner
Betrachtung, Anschauung, geistiges, denkendes Schauen, schauendes Denken, sei es das mystische, phantasiemäßige Betrachten des anscheinend in der Innenwelt sich manifestierenden Übersinnlichen, oder sei es die philosophische (durch »Geistesblick«) die Wesenheiten der Dinge konzipierende und begrifflich konstruierende, zugleich mit logischer Phantasie die Erfahrungsinhalte zur Einheit eines Gedankensystems verknüpfende Geistestätigkeit. Alles Denken, welches aus ihren Prinzipien die Tatsachen der Welt und des Geistes zu begreifen, abzuleiten sucht, welches Einheit und Zusammenhang in den Komplex der Dinge bringen will, ist spekulativ. Im engeren Sinne ist die metaphysische Spekulation das Forschen nach dem Überempirischen.

Als theôria, intuitives Erkennen (auch der Gottheit eigen) tritt der Begriff der Spekulation bei ARISTOTELES auf (Met. VI 1, 1025 b 18. IX 8, 1050 a 10. De an. II 1, 412 a 11). vgl. Dialektik: Plato, als intellektuale Anschauung bei den Neuplatonikern und vielen Mystikern.

So spricht
SCOTUS ERIUGENA von einer »intellectualis visio«, einem »intuitus gnosticus« (De div. nat. II, 20). »Scientiae speculativae« sind bei den Scholastikern die theoretischen Disziplinen ALBERTUS MAGNUS, ROGER BACON u. a..(vgl. Prantl, G. d. L. III, 90, 122).

Nach THOMAS ist »spekulativ« ein »videre causam per effectum« (Sum. th. II. II, 180, 3 ad 2).

BOVILLUS erklärt: »Proprii intellectus actus sunt hi: specierum acquisitio, earum in memoria depositio et in eadem speculatio« (De intell. 7, 7).

Nach GOCLEN ist der Intellekt »speculativus«, »qui ex principiis theoreticis elicit epistêta, id est conclusionem ad sciendum: et quidem etiam bonum contemplatur, qua est verum«(Lex. philos. p. 248).

MICRAELIUS bemerkt: »Speculatio, Graecis theôria, in genere est consideratio rei secundum suas causas et effecta,« im engeren Sinne ist es »contemplatio« (Lex. philos. p. 1015).

Spekulativ im Sinne von theoretisch bei F. BACON (De dignit. III, 3).

TETENS
bemerkt: »Der gemeine Verstand arbeitet ohne Hilfe der Spekulation. Die Vernunft spekuliert aus Begriffen, die sie deutlich entwickelt« (Philos. Vers. I, 571).

KANT bestimmt: »Eine theoretische Erkenntnis ist spekulativ, wenn sie auf einen Gegenstand oder solche Begriffe von einem Gegenstande geht, zu welchem man in keiner Erfahrung gelangen kann. Sie wird der Naturerkenntnis entgegengesetzt, welche auf keine anderen Gegenstände oder Prädikate derselben geht, als die in einer möglichen Erfahrung gegeben werden können« (Krit. d. r. Vern. S. 497). »Die Erkenntnis des Allgemeinen in abstracto ist spekulative Erkenntnis. - die Erkenntnis des Allgemeinen in concreto gemeine Erkenntnis. Philosophische Erkenntnis ist spekulative Erkenntnis der Vernunft« (Log. S. 29. vgl. S. 135).

FRIES versteht unter Spekulation »die regressive Methode, durch welche wir uns der apodiktischen allgemeinen Gesetze, also der reinen Vernunfterkenntnisse, bewußt werden«(Syst. d. Log. S. 557).

Nach BOUTERWEK ist Spekulation besonders die »Betrachtung der Wahrheit selbst und ihres Verhältnisses zum Wesen der Dinge« (Lehrb. d.philos. Wissensch. I, 13).

Als intellektuelle Intuition tritt die Spekulation bei SCHELLING auf. Sie geht auf das Absolute, »verlangt das Unbedingte« (Vom Ich, S. 26).

HEGEL versteht unter Spekulation die vernünftige, dialektische Ableitung der Wirklichkeit aus dem Begriff. »Das Spekulative oder Positiv-Vernünftige fasst die Einheit der Bestimmungen in ihrer Entgegensetzung auf, das Affirmative, das in ihrer Auflösung und ihrem Übergehen enthalten ist«(Encykl. § 82). Die spekulative Wissenschaft macht das Allgemeine der andern Wissenschaften zu ihrem eigenen Inhalte, führt zugleich andere Kategorien ein (l. c. § 9).

Nach J. E. ERDMANN ist die Intelligenz spekulativ, insofern »der Begriff (das Begreifen) sich in den Objekten tanquam in speculo wiedererkennt und sich als alle Wirklichkeit weiß« (Grundr. § 723).

SCHLEIERMACHER
bestimmt das, »spekulative Wissen« als »ein Wissen mit dominierender Begriffsform, wobei das Urteil nur als conditio sine qua non erscheint« (Dialekt. S. 130).

SCHASLER bemerkt: »In der Spekulation ist... ein dreifacher Prozess...: die unmittelbare Intuitivität, das logisch-notwendige Denken, was wir Reflexion nennen können, und die vermittelte Intuitivität« (Kr. Gesch. d. Ästhet. S. 942). –

HERBART
erklärt: »Herausschaffung des Widerspruchs ist der eigentliche Aktus der Spekulation. Und Spekulation im strengen Sinne ist der willkürlose Gang des zur Umwandlung vordringenden Gedankens« (Hauptp. d. Met. S. 7). »Die Spekulation sucht Beziehungen, notwendigen Zusammenhang« (l. c. S,. 24). Jede Spekulation »sucht eine Konstruktion von Begriffen, welche, wenn sie vollständig wäre das Reale darstellen würde, wie es dem, was geschieht und erscheint, zum Grunde liegt« (Met. II, § 163).

ULRICI bestimmt die Spekulation als das produktive, ergänzende Schauen, Herausschauen der Welteinheit und das Ordnen und Ergänzen der Erfahrungen von dieser Einheit aus (Glaube u. Wiss. S. 292).

Nach
TEICHMÜLLER ist bei der philosophischen Spekulation das Interesse »den bei Auffassung und Beurteilung des Wirklichen erkannten Ideen, die mit den ihnen zugeordneten Koordinatensystemen eine eigene Welt für sich bilden« zugewandt (Neue Grundleg. S. 297).

JOËL bemerkt: »Die Welt durchschauen im Denken - das ist die vielgeschmähte Spekulation«. (Philosophenwege 1901, S. 292). –

Nach E. DÜHRING bedeutet Spekulativ »durch bloße Denknotwendigkeit« (Wirklichkeitsphilos. S. 261).

R. WAHLE
bemerkt: »Menschliches Raisonnement verdient eigentlich erst dann den Namen einer Spekulation, wenn es darauf ausgeht, eine Tatsache als die Funktion exakt bestimmter Faktoren in ihrer exakt bestimmbaren Wechselwirkung aufzufassen. Diese Spekulation erfolgt nur mittelst mathematischen Denkens« (Das Ganze d. Philos. S. 5). Vgl. Intuition

Spiritismus S. 3194f.
die Lehre von den »spirits« (Geistern) besonders Verstorbener (»perisprit«: Geist, der im Lebenden wohnende Geist), welche sich angeblich mit Hilfe eines »Medium« zu »materialisieren« vermögen, die Materie »durchdringen«, die »vierte Dimension« bewohnen, sich unter bestimmten Bedingungen manifestieren (durch Schreiben: Psychograph,Sprechen, Klopfen, Tischrücken u.s.w.). Den spiritistischen Phänomenen liegen in Wahrheit verschiedene »natürliche«, d.h. wissenschaftlich-gesetzmäßige Momente zugrunde: Selbst- und Fremdtäuschung, Illusion, Suggestion, reflectorische und imitative Handlungen, unterbewußte Bewegungen u. a.

Der Spiritismus ist fast so alt wie der Aberglaube überhaupt, er findet sich im Kern in Naturreligionen, der Kabbalâ, im »Okkultismus« aller Zeiten, ferner bei JUNG-STILLING, J. F. VON MEYER, J. KERNER (Seherin von Prevorst), A. J. DAVIS (Princ. d. Nat. 1847), ALLAN KARDEC (Üb. d. Wes. d. Spiritism.), AKSAKOW, RICHET, CROOKES (Der Spiritismus, 1872), ZÖLLNER (Wissensch. Abhandl., 1878), PERTY, DU PREL (Der Spiritism.), u. a.

Gegen den
Spiritismus: FECHNER (Tagesans. S. 252 ff.), E.. V. HARTMANN, FR. SCHULTZE (DerSpiritism., 1883), FR. KIRCHNER (Der Spiritism., 1883), WUNDT (Essays) u.a.m.

DESSOIR erklärt: »Gedanken, die in der untersten Seelentiefe schlummern und daher dem Individuum als fremde erscheinen, äußern sich in den ihm bemerkbaren, wenngleichunverständlichen Bewegungen des automatischen Schreibens und des Trancesprechens« (Doppel-Ich, S. 60). Vgl. SCHOPENHAUER, Paralipom. u. Neue Paralipom. Ferner: A. M. BUTLEROW, Die 'spiritistische' Methode auf d. Gebiete d. Psychophysiol.. A. BROFFERIO, Für d. Spiritism.. C. KIESEWETTER, Die Entwicklungsgesch. d. Spiritism., u. a.

Spiritualismus (spiritus, Geist) S. 3196
heißt die metaphysische Ansicht, daß die absolute Wirklichkeit Geist, geistig, seelisch sei, aus einer Summe von geistigen Wesen (Monaden) bestehe, so daß das Körperliche nur eine Erscheinung des Geistigen, eine Objectivation oder ein Product der Seele sei. Der Spiritualismus denkt sich das An-sich der Dinge als ein dem eigenen Ich analoges Innen-, Für-sich-sein. Der spiritualistische Dualismus in der Psychologie betrachtet Leib und Seele als zwei selbständige Substanzen, Wesenheiten, nur daß die Qualität beider nicht heterogen ist. Der spiritualistische Monismus faßt die Seele als das An-sich des Leibes.

Spiritualistische Lehren finden sich bei PLATO, ARISTOTELES, besonders bei PLOTIN und bei Monadologen.

Einen spiritualistischen Idealismus lehrt BROOKE.

Den neueren Spiritualismus begründen und lehren LEIBNIZ, BERKELEY, HERBART, SCHOPENHAUER, LOTZE, J. H. FICHTE,

Stetigkeit oder Kontinuität (continuitas, syneches) S. 3229 Siehe auch bei Kirchner
ist ununterbrochener, lückenloser Zusammenhang einer Größe (Raum, Zeit u.s.w.), so dass das Aufhören des einen Teiles zugleich der Anfang eines andern ist.

Fließender Übergang von einem Denkinhalte zum andern
(Stetigkeit als logisches Postulat), von einem Seinszustande zum andern in der Entwicklung (»Gesetz der Stetigkeit«, als Anwendung des logischen Kontinuitätsprinzips auf Erfahrungsinhalte). Die Stetigkeit des Ich-Zusammenhanges ist die subjektive Quelle, das Muster aller Stetigkeit.

Den Begriff des Stetigen (syneches) formuliert zuerst ARISTOTELES. Stetig ist jede Größe, deren Teile, durch gemeinsame Grenzen verbunden, zu einem Ganzen vereint sind. Legetai de syneches hotan tauto genêtai kai hen to hekaterou peras hois haptontai kai synechontai, hôste dêlon hoti to syneches en toutois ex hôn hen ti pephyke gignesthai kata tên synapsin
(Met. XI 12, 1069 a 5 squ.. V 26, 1023 b 32. Phys. V 3, 227 a 10 squ.). Das Stetige besteht nicht aus letzten, unteilbaren Einheiten, sondern ist ins unendliche teilbar: adynaton ex adiairetôn einai ti syneches (Phys. VI 1, 231a 24). phaneron de kai hoti pan syneches diaireton eis aei diaireta. ei gar eis adiaireta diairoito to syneches, estai adiaireton haptomenon. hen gar to eschaton, kai haptetai tôn synechôn (Phys. V 3, 231 b 16 squ.). Das Stetige ist demnach to diaireton eis aei diaireta (De coel. I 1, 268 a 6). Es gibt syneches physei und bia (Met. VII 16, 1040 b 15) Gegensatz ist das Diskontinuierliche (diôrismenon). –

THOMAS bestimmt: »Quando... multae partes continentur in uno et quasi simul se tenent, tunc est continuum« (5 phys. 5).

Nach GOCLEN gibt es »continuum proprie« (naturale, artificiale) und »improprie« (corporale, virtuale) (Lex. philos. p. 465).

MICRAELIUS definiert: »Continuitas est, cum partes rei communi termino copulantur« (Lex. philos. p. 278).

Besondere Bedeutung hat der Stetigkeitsbegriff (mathematisch: Differentialrechnung, und metaphysisch: s. Monade) für LEIBNIZ. Alle Veränderungen in der Welt sind kontinuierlich. Die »loi de continuité« lautet: »Lorsque la différence de deux cas peut être diminuée, au dessous de toute grandeur donnée, in datis ou dans ce qui est posé, il faut qu'elle se puisse trouver aussi diminuée au dessous de toute grandeur donnée in quaesitis ou dans ce qui en résulte« (Math. Schr. hrsg. von Gerh. VI, 129 ff.). In der Natur gibt es keinen Hiatus. »Tout va par degrés dans la nature et rien par saut« (Nouv. Ess. IV, ch. 16). »que la nature ne fait jamais des sauts« (l. c. Préf.). Alle Wesen sind stetig miteinander verbunden (Monadol. 61). Die »lex continuationis seriei suarum operationum« einer jeden Monade (s.d.) besagt, dass die Aufeinanderfolge der inneren Zustände eines Wesens stetig-gesetzmäßig ist, alle Grade und Teile durchläuft (Gerh. IV, 398). –

CHR. WOLF definiert: »Wenn die Teile dergestalt in ihrer Ordnung aufeinander folgen, dass man zwischen ihnen nicht andere in einer andern Ordnung setzen kann, so saget man, es gehe in einem fort, und heißet ein auf solche Art zusammengesetztes Ding ein stetiges Ding« (Vern. Ged. I, § 58. vgl. Ontolog. § 554).

KANT
definiert: »Continuum... est quantum, quod non constat simplicibus.« »Lex autem continuitatis metaphysica haec est: mutationes omnes sunt continuae s. fluunt, h. e. non succedunt sibi status oppositi,nisi per seriem statuum diversorum intermedium« (De mund. sensib. sct. III, 4). - Stetigkeit ist »die Eigenschaft der Größen, nach welcher an ihnen kein Teil der kleinstmögliche (kein Teil einfach) ist« (Krit. d. rein. Vern. S. 165). Raum und Zeit sind »quanta continua, weil kein Teil derselben gegeben werden kann, ohne ihn zwischen Grenzen (Punkten und Augenblicken) einzuschließen, mithin nur so, dass dieser Teil wiederum ein Raum oder eine Zeit ist.« Der Raum besteht nur aus Räumen, die Zeit aus Zeiten: »Punkte und Augenblicke sind nur Grenzen, d. i. bloße Stellen ihrer Einschränkung, Stellen aber setzen jederzeit jene Anschauungen, die sie beschränken oder bestimmen sollen, voraus, und aus bloßen Stellen, als aus Bestandteilen, die noch vor dem Raume oder der Zeit gegeben werden könnten, kann weder Raum noch Zeit zusammengesetzt werden. Dergleichen Größen kann man auch fließende nennen, weil die Synthesis (der produktiven Einbildungskraft) in ihrer Erzeugung ein Fortgang in der Zeit ist, deren Kontinuität man besonders durch den Ausdruck des Fließens (Verfließens) zu bezeichnen pflegt.« »Alle Erscheinungen überhaupt sind demnach kontinuierliche Größen, sowohl ihrer Anschauung nach, als extensive, oder der bloßen Wahrnehmung (Empfindung und mithin Realität) nach, als intensive Größen. Wenn die Synthesis des Mannigfaltigen der Erscheinung unterbrochen ist, so ist dieses ein Aggregat von vielen Erscheinungen, und nicht eigentlich Erscheinung als ein Quantum« (l. c. S. 165 f.). Raum und Zeit sind mit unendlich verschiedenen Graden von Realität erfüllt (l. c. S. 167).

Nach ÜBERWEG ist stetig »eine Größe, welche sich um unendlich kleine Unterschiede vermehren und vermindern läßt« (Welt- und Lebensansch. S. 271 f.)

E. DÜHRING
erklärt: »Die Betätigung der Identität im unmittelbaren Übergange von einem Element zum andern ist... das begrifflich Wesentliche der Stetigkeit« (Log. S. 198).

RIEHL betont: »Der stetige Zusammenhang unter den Wahrnehmungen, ihre Beziehung auf ein und dasselbe Objekt können nicht selbst wahrgenommen werden. Sie müssen also aus der Einheit des Denkens stammen« (Philos. Krit. II 2, 46). E.

COHEN
bestimmt: »Das Prinzip der Kontinuität bedeutet die Voraussetzung: conscientia non facit saltus« (Princ. d. Infin. S. 37). »Die Kontinuität ist also eine allgemeine Grundlage des Bewusstseins: nicht auf Haufen disparater Elemente verwiesen zu sein, sondern im Zusammenhange vergleichbarer Glieder zu wurzeln« (ib.). »Die Kontinuität ist diejenige Qualität, welche die Quantität der Zahl-Einheit zum Unendlichkleinen der Realität vertieft« (l. c. S. 40). Die Kontinuität ist nicht eine Kategorie, sondern ein »Gesetz der Operationen« des Denkens, ein »Denkgesetz« (Log. S. 75). Sie ist »das Denkgesetz desjenigen Zusammenhanges, welcher die Erzeugung der Einheit der Erkenntnis und dadurch die Einheit des Gegenstandes ermöglicht und zur ununterbrochenen Durchführung bringt« (l. c. S. 76).

E. MACH lehrt: »Hat der forschende Intellekt durch Anpassung die Gewohnheit erworben, zwei Dinge A und B in Gedanken zu verbinden, so sucht derselbe diese Gewohnheit auch unter etwas veränderten Umständen nach Möglichkeit festzuhalten. Überall, wo A auftritt, wird B hinzugedacht. Man kann das sich hierin aussprechende Prinzip, welches in dem Streben nach Ökonomie seine Wurzel hat und welches bei den großen Forschern besonders klar hervortritt, das Prinzip der Stetigkeit oder Kontinuität nennen« (Anal. d. Empf.4, S. 47). Es wird modifiziert durch das »Prinzip der zureichenden Bestimmtheit oder der zureichenden Differenzierung« (l. c. S. 47 f.).

Nach OSTWALD lautet das Stetigkeitsgesetz: »Sind die Eigenschaften einer stetigen Mannigfaltigkeit an zwei hinreichend nahe liegenden Punkten bekannt, so liegt die Eigenschaft an einem zwischen den beiden Punkten liegenden Punkte zwischen den Eigenschaften dieser Punkte« (Vorles. üb. Nat.2, S. 127). Es gibt stetige und unstetige Mannigfaltigkeiten (l. c. S. 137).

Nach FECHNER findet psychophysische Kontinuität statt, »sofern eine psychische Mannigfaltigkeit eine einheitliche oder einfache psychische Resultante gibt« (Elem. d. Psychophys. II, 528. vgl. STUMPF, unter »Evolution«). - Die Kontinuität des menschlichen Geistes zeigt sich in der Geschichte der Kultur (vgl. L. STEIN, An d. Wende d. Jahrh. P,. 118). Vgl. Teilbarkeit

Sûfismus S. 3318
(von »sûf«, dem groben Rock der asketischen Sûfi) heißt eine Richtung der arabischen Mystik, die neuplatonische Elemente enthält und Emanationslehre ist.

Tabula rasa (leere, unbeschriebene Tafel) S. 3353
ist nach der Ansicht des Sensualismus die Seele vor aller Erfahrung, durch die sie gleichsam erst beschrieben wird. Das will (im extremsten Falle) sagen, die Seele, der Geist habe keinerlei angeborene Erkenntnisse oder Begriffe, keine präempirischen Anlagen und Potenzen, keine Spontaneität, sondern verhalte sich den Eindrücken der Außenwelt gegenüber rein rezeptiv, passiv, bringe nichts zur Erfahrung hinzu, trage nichts aus Eigenem zum Zustandekommen der Erkenntnis schöpferisch bei, sondern sammle und ordne nur das von außen Empfangene.

Der Vergleich der Seele mit einer Wachstafel findet sich schon bei PLATO (kêrinon ekmageion, apotypousthai: Theaet. 191 C).

Eine Stelle des ARISTOTELES ist zuweilen irrtümlich im sensualistischen Sinne verstanden worden: hoti dynamei pôs esti ta noêta ho nous, all' entelecheia ouden, prin an noê. dei d' houtôs hôsper en grammateiô hô mêden hyparchei entelecheia gegrammenon (De an. III 4, 429 b 30 squ.).

Mit einem unbeschriebenen Blatte vergleichen die Stoiker die Seele bei der Geburt: Hoi de Stôikoi phasin. hotan anthrôpos genêtai, echei to êgemonikon meros tês psychês autou hôsper chartên euergon (energon) eis apographên. eis touto oun mia hekastê tôn dianoiôn aisthêseis enapographei tês hautou phantasias (Plut., Plac. IV, 11. Gal., Hist.philos. 92, Dox. 635). tên typôsin kata eisochên te kai exochên, hôsper kai dia tôn daktyliôn ginomenên tou kêrou typôsin (Sext. Empir. adv. Math. VII, 228. Cicer., Acad. I, 11. vgl. PHILO, Leg. alleg. I. 3. BOËTHIUS, De consol. V, 4. AUGUSTINUS, De civ. Dei VII, 7. STEIN, Psychol. d. Stoa II, 113 f.). -

Bei AEGYDIUS ROMANUS findet sich für das grammateion... des Aristoteles (s. oben) zuerst »tabula rasa« (Prantl, G. d. L. III, 261). –

Bei ERASMUS: »tabula complanata« (De instit. matrim. Christ. 602, 3), »anima vacua« (De pueris 426, 34).

Mit einer leeren Tafel, bezw. mit einem unbeschriebenen Papier vergleichen die Seele F. M. VAN HELMONT, HOBBES, GASSENDI. »tabula rasa« bei DESCARTES (Lum. natur. p. 76).

LOCKE
vergleicht den Geist vor der Erfahrung mit einem »white paper« (Ess. II, ch. I, § 2).

Dagegen betont LEIBNIZ, der Geist gleiche mehr einem geaderten Marmor (Nouv. Ess., préf.). -

ROSMINI bemerkt: »La tavola rasa è l'idea indeterminata dell' ente, che è in noi dalla nascita« (Nuovo saggio II, 118). Vgl. Sensualismus, Empirismus.

Tao S.3358
heißt nach der Lehre des chinesischen Philosophen LAO-TSZE das qualitätslose, immaterielle, vollkommene, absolute Ursein, aus dem alles emanierte (vgl. M. v. Brandt, Die chines. Philos. S. 53).

Teil S. 3372 ff. Siehe auch bei Kirchner
ist ein Relationsbegriff, der sein Korrelat im Begriff des Ganzen hat und der Niederschlag eines (realen oder idealen) Teilungsprozesses, einer Zerlegung, Analyse ist. »Teil« ist das durch die Analyse jeweilig aus einer Einheit Herausgehobene, was als solches unselbständig ist, mit anderen erst eine Einheit als Ganzes ausmacht.

ARISTOTELES
bestimmt: meros legetai hena men tropon eis ho diairetheiê an to poson hopôsoun ... allon de tropon ta katametrounta tôn toioutôn monon ... eti eis ha to eidos diairetheiê an aneu tou posou (Met. V 25, 1023 b 12 squ.). –

Nach dem Nominalisten ROSCELLINUS gibt es Teile nicht absolut, unabhängig vom Denken, sondern erst und nur in Beziehung auf dieses.

DUNS SCOTUS
unterscheidet »partes integrales« und »partes subiectivae«. während die ersteren erst zusammen ein Ganzes ausmachen, ist von den letzteren jedes wieder ein Ganzes (Sent. II, 3, 4). –

DESCARTES
bemerkt: »Je prends pour une seule partie... tout ce qui est joint ensemble, et qui n'est point en action pour se separer« (Le monde, Oeuvr. IV, p. 228).

Nach
SPINOZA sind (echt nominalistisch) Teil und Ganzes keine realen Wesenheiten, sondern Gedankendinge (De deo I, 2).

Nach LEIBNIZ ist Teil ein Gebilde, das in einem andern enthalten und ihm zugleich homogen ist (Initia rerum mathem. metaphys. Math. WW. VII, 17 ff.).

CHR. WOLF
definiert: »Multa, quae simul sumta idem sunt cum uno, dicuntur partes« (Ontolog. § 341). –

CHR. KRAUSE
erklärt: »Die Teile sind im Ganzen, nicht außer dem Ganzen: sie sind in ihrer Grenze zwar vom Ganzen als Ganzen und unter sich abgeteilt oder wesengeteilt, nicht aber von Ganzen, noch voneinander abgetrennt und losgerissen. Das Ganze ist in sie innerlich geteilt, nicht zertrennt. Die Teile sind selbst das Ganze und dem Ganzen wesentlich. sie ergänzen es nur, sofern es seine inneren Teile ist und in sich hat: das Ganze aber ist nicht nur seine Teile, sondern auch als das über seinen Teilen, worinnen sie sind. es ist über und vor seinen Teilen, den Teilen entgegengesetzt, insofern mehr und höher, als alle seine Teile zusammengenommen«(Urb. d. Menschh.3, S. 326). –

Nach
HUSSERL ist Teil »alles, was 'in' einem Gegenstande ist«, »alles, was der Gegenstand im realen Sinne 'hat'« (Log. Unt. II, 224 f. vgl. S. 269). »Selbständige Inhalte«sind da vorhanden, »wo die Elemente eines Vorstellungskomplexes (Inhaltsomplexes) ihrer Natur nach getrennt vorgestellt werden können« (l. c. S. 226. vgl. STUMPF, Psychol. Urspr. d. Raumvorst. S. 109).

UPHUES unterscheidet in Bezug auf getrennte Vorstellbarkeit und Existenz physische, metaphysische, logische Teile (Psychol. d. Erk. I, 89. vgl. SCHUPPE, Log. S. 121, 130, 150. SIGWART, Log. I2, 38, 41. II2, 62, 247 ff.). Vgl. Teilbarkeit.

Teilbarkeit
S. 3374ff. Siehe auch bei Kirchner
ist die Fähigkeit, in Teile sich zerlegen zu lassen, physisch oder nur mathematisch-gedanklich. Da die ideelle Teilbarkeit auf der an sich unbegrenzten, konstanten analytischen Funktion des Geistes beruht, die jeden geteilten Inhalt wieder als Ausgangspunkt neuer, möglicher Teilung setzt, so ist in diesem Sinne die Teilbarkeit der Objekte unendlich, d.h. wir kommen niemals zu letzten, unteilbaren Einheiten - wenigstens solange es sich um Objekte im Raum, um das Räumliche handelt. Dagegen begrenzt sich das Denken in dem Gedanken letzter, einfacher Kraftpunkte, die es als Wirkungszentren auffasst, nicht aber weiter zu zerlegen Anlass hat. Damit ist noch nicht die von unserem Bewusstsein unabhängige Existenz absolut-unteilbarer Einheiten, »Atome«, Kraftpunkte dargetan, wohl aber die Möglichkeit, der Teilung auf dynamischem Gebiet eine Grenze zu setzen, die objektiv-reale Gültigkeit besitzt.

»Letzte Teile« gibt es (absolut oder relativ) nach der Ansicht der Atomistik.

Nach ARISTOTELES ist das Stetige nur potentiell (dynamei) ins unendliche teilbar (Phys. III 7, 207 b). –

Nach DESCARTES folgt aus der Unfähigkeit des Intellekts, sich eine unendliche Teilbarkeit vorzustellen noch nicht, dass sie nicht existiert (Resp. ad I. obiect. p. 55).

Nach SPINOZA ist die Substanz unteilbar. Teilung findet nur in den Modis statt (De Deo I, 2). »Nullum substantiae attributum potest vere concipi, ex quo sequatur, substantiam posse dividi« (Eth. I, prop. XII). »Substantia absolute infinita est indivisibilis« (l. c. prop. XIII). Die Modi sind für sich als teilbar zu denken, aber es ist sinnlos, zu sagen, die ausgedehnte Substanz sei aus real unterschiedenen Teilen zusammengesetzt. Sinnlich vorgestellt, ist die Quantität teilbar, intellektuell erfasst aber unteilbar, unendlich (Ep. 29). –

Gegen die unendliche Teilbarkeit der Ausdehnung ist
H. MORE (Enchir. met.).

Nach HOBBES sind Raum und Zeit nicht ins unendliche geteilt, aber es gibt kein »minimum divisibile« (De corp. C. 7, 13).

Nach LOCKE kann man bei einem Stoffe von irgend welcher Größe im Denken zu keinem Ende seiner Teilbarkeit gelangen. man kann nicht die positive Vorstellung eines unendlich kleinen Körpers gewinnen, das Denken befindet sich in einem endlosen Fortgange, kann niemals anhalten (Ess. II, ch. 17, § 12).

LEIBNIZ
betrachtet das Stetige als ins unendliche teilbar (Theod. I B, § 195. s. Atom, Monade). -

BERKELEY
schließt daraus, daß wir nicht unendlich viele Teile in einem Ganzen perzipieren, es gebe keine solchen. »Jede einzelne begrenzte Ausdehnung, welche ein Objekt unseres Denkens werden kann, ist eine Idee, die nur in dem Geiste existieren kann, und demgemäß muß jeder Teil derselben perzipiert werden. Wenn ich also nicht unzählig viele Teile in irgend einer begrenzten Ausdehnung, die ich betrachte, perzipieren kann, so ist gewiss, daß sie nicht darin enthalten sind. es ist aber offenbar, daß ich nicht unzählig viele Teile in irgend einer einzelnen Linie, Fläche oder einem Körper unterscheiden kann, mag ich diese Gebilde sinnlich wahrnehmen oder sie mir in meinem Geiste vorstellen. hieraus schliefe Ich, dass dieselben darin nicht enthalten sind. Nichts kann mir klarer sein, als dass die Anschauungen, die ich betrachte, nichts anderes als meine eigenen Ideen sind, und es ist nicht weniger klar, dass ich die Ideen, die Ich habe, nicht in eine unendliche Zahl anderer Ideen auflösen kann, d.h. daß sie nicht ins unendliche teilbar sind.« Es ist ein »offenbarer Widerspruch, zu sagen, eine endliche Größe oder Ausdehnung bestehe aus unendlich vielen Teilen« (Princ. CXXIV). »Da keine Zahl von Teilen so groß ist, daß es nicht eine Linie geben könnte, die deren noch mehrere enthielte, so wird gesagt, die Linie von einem Zoll enthalte so viele Teile, dass deren Zahl jede angebbare Zahl überschreite. Dies ist wahr, nicht von jener Linie an sich, sondern nur von dem durch sie Bezeichneten. Hält man aber in seinem Denken diese Unterscheidung nicht fest, so kommt man unvermerkt zu dem Glauben, dass die kleine einzelne auf Papier gezeichnete Linie in sich selbst unzählig viele Teile habe. Es gibt nichts derartiges, wie den zehntausendsten Teil eines Zolles, wohl aber einer Meile oder des Erddurchmessers, welche durch jenen Zoll bezeichnet werden können« (l. c. CXXVII). Wenn wir sagen, eine Linie sei ins unendliche teilbar, meinen wir eigentlich eine unendlich große Linie (l. c. CXXVIII).

Nach
HUME leuchtet es ein, »dass alles, was ins endlose geteilt werden kann, aus einer unendlichen Anzahl von Teilen bestehen muss: dass es unmöglich ist, der Zahl der Teile eine Grenze zu setzen, ohne zu gleicher Zeit die Teilung selbst begrenzt zu denken. Wir bedürfen kaum eines eigentlichen Schlusses, um von hier aus zu der Einsicht zu gelangen, dass die Vorstellung, die wir uns von einer endlichen Qualität machen, nicht unendlich teilbar sein kann, dass wir vielmehr diese Vorstellung durch geeignete Unterscheidungen und Trennungen
auf Elemente müssen zurückführen können, die vollkommen einfach und unteilbar sind«
(Treat. II, sct. 1, S. 41 f.). Ebenso ist es gewiss, »dass die Einbildungskraft ein Minimum erreicht, d.h. sich eine Vorstellung zu machen vermag, innerhalb welcher, für die Vorstellung, jede weitere Teilung ausgeschlossen ist, die also ohne vollständige Vernichtung nicht mehr verkleinert werden kann«(l. c. S. 42). »Nichts kann kleiner sein als gewisse Objekte, die wir uns in der Phantasie vorstellen, und gewisse Bilder, welche den Sinnen sich darstellen, da es ja Vorstellungen und Bilder gibt, die vollkommen einfach und unteilbar sind« (l. c. S. 43). »Überall, wo Vorstellungen adäquate Nachbildungen von Gegenständen sind, haben auch alle Beziehungen, Widersprüche und Übereinstimmung in den Vorstellungen zugleich für die Gegenstände Geltung... Nun gibt es in uns Vorstellungen, die adäquate Nachbildungen der kleinsten Teile der Ausdehnung sind. durch welche Teilung und nochmalige Teilung auch wir uns solche Teile erreichtdenken, sie können niemals kleiner werden als gewisse Vorstellungen, die wir uns machen« (l. c. sct. 2,S. 44). »Alles, was unendlich oft geteilt werden kann, enthält eine unendliche Anzahl von Teilen in sich, sonst würde dem Teilen Einhalt geboten durch die unteilbaren Teile, die wir alsbald erreichen wurden. Wenn also eine beliebige endliche Ausdehnung unendlich teilbar ist, so kann es kein Widerspruch sein, wenn wir annehmen, daß eine endliche Ausdehnung eine unendliche Anzahl von Teilen in sich enthält. Und umgekehrt, wenn es ein Widerspruch ist, anzunehmen, dass eine endliche Ausdehnung eine unendliche Zahl von Teilen in sich enthält, so kann keine endliche Ausdehnung unendlich teilbar sein«(l. c. S. 45). Auch die Zeit besteht aus unteilbaren Elementen, Momenten (l. c. S. 47).

Die zwischen der Annahme endlicher und der der unendlichen Teilbarkeit bestehende »Antinomie« behebt KANT durch den Hinweis auf den Regress des Bewusstseins, der dem Unendlichen zugrundeliegt und der nicht mit fertig gegebenen unendlichen Teilen zu verwechseln ist. »Die Reihe der Bedingungen ist nur in der regressiven Synthesis selbst, nicht aber an sich in der Erscheinung, als einem eigenen, vor allem Regressus gegebenen Dinge anzutreffen. Daher werde Ich auch sagen müssen: die Menge der Teile in einer gegebenen Erscheinung ist an sich weder endlich noch unendlich, weil Erscheinung nichts an sich selbst Existierendes ist und die Teile allererst durch den Regressus der dekomponierenden Synthesis und in demselben gegeben werden, welcher Regressus niemals schlechthin ganz weder als endlich, noch als unendlich gegeben ist« (Krit. d. rein. Vern. S. 411). Die Teilbarkeit des Körpers gründet sich auf die Teilbarkeit des Raumes, und dieser ist »ins unendliche teilbar, ohne doch darum aus unendlich vielen Teilen zu bestehen« (l. c. S. 423). »Die unendliche Teilung bezeichnet nur die Erscheinung als quantum continuum und ist von der Erfüllung des Raumes unzertrennlich... Sobald aber etwas als quantum discretum angenommen wird: so ist die Menge der Einheiten darin bestimmt, daher auch jederzeit einer Zahl gleich« (l. c. S. 425). Die Materie ist »ins unendliche teilbar, und zwar in Teile, deren jeder wiederum Materie ist« (Met. Anf. d. Naturwiss. S. 43). Dies ist durch die Vernunft zu denken, aber nicht anschaulich zu machen. »Denn, was nur dadurch wirklich ist, dass es in der Vorstellung gegeben ist, davon ist auch nicht mehr gegeben, als soviel in der Vorstellung angetroffen wird, d. i. soweit der Progressus der Vorstellungen reicht. Also von Erscheinungen, deren Teilung ins unendliche geht, kann man nur sagen, dass der Teile der Erscheinung so viel sind, als wir deren nur geben, d. i. soweit wir nur immer teilen mögen. Denn die Teile, als zur Existenz einer Erscheinung gehörig, existieren nur in Gedanken, nämlich in der Teilung selbst. Nun geht zwar die Teilung ins Unendliche, aber sie ist doch niemals als unendlich gegeben: also folgt daraus nicht, dass das Teilbare eine unendliche Menge Teile an sich selbst und außer unserer Vorstellung in sich enthalte, darum weil seine Teilung ins unendliche geht. Denn es ist nicht das Ding, sondern nur diese Vorstellung desselben, deren Teilung, ob sie zwar ins unendliche fortgesetzt werden kann und im Objekte, das an sich unbekannt ist, dazu auch ein Grund ist, dennoch niemals vollendet, folglich ganz gegeben werden kann und also auch keine wirkliche unendliche Menge im Objecte (als die ein ausdrücklicher Widerspruch sein würde) beweiset«(l. c. S. 49 f.). »Nun muß freilich das Zusammengesetzte der Dinge an sich selbst aus dem Einfachen bestehen, denn die Teile müssen hier vor aller Zusammensetzung gegeben sein. Aber das Zusammengesetzte in der Erscheinung besteht nicht aus dem Einfachen, weil in der Erscheinung, die niemals anders als zusammengesetzt (ausgedehnt) gegeben werden kann, die Teile nur durch Teilung und also nicht vor dem Zusammengesetzten, sondern nur in demselben gegeben werden können« (l. c. S. 52).

Nach AD. WEISHAUPT gibt es keine ins unendliche teilbare Materie. »Wäre die Materie in das unendliche teilbar, so würde der kleinste Weltteil so viele Teile enthalten, als der größte, als das Universum selbst, oder es gäbe was ebenso unmöglich ist, ein Unendliches, das kleiner oder größer wäre. Es gibt sodann ein Ganzes ohne Teile, oder ich muß auf letzte Teile kommen« (Üb. Material. u. Ideal. S. 26). Jeder Teil der Materie besteht aus Teilen, die nicht weiter zusammengesetzt sind
(l. c. S. 27). –

SCHELLING
erklärt: »Da die Materie nichts anderes ist als das Produkt einer ursprünglichen Synthesis (entgegengesetzter Kräfte) in der Anschauung, so geht man damit den Sophismen, die unendliche Teilbarkeit der Materie betreffend, aus dem Wege, indem man ebensowenig nötig hat, mit einer sich selbst missverstehenden Metaphysik zu behaupten, die Materie bestehe aus unendlich vielen Teilen (was widersinnig ist) als mit dem Atomistiker der Freiheit der Einbildungskraft im Teilen Grenzen zu setzen. Denn wenn die Materie ursprünglich nichts anderes ist als ein Produkt meiner Syntesis, so kann Ich diese Synthesis auch ins unendliche fortsetzen - meiner Teilung der Materie ins unendliche fort ein Substrat geben.« »Dass die Materie aus Teilen bestehe, ist ein bloßes Urteil des Verstandes. Sie besteht aus Teilen, wenn und solange ich sie teilen will. Aber dass sie ursprünglich, an sich, aus Teilen bestehe, ist falsch, denn ursprüng-lich - in der produktiven Anschauung - entsteht sie als ein Ganzes aus entgegengesetzten Kräften, und erst durch dieses Ganze in der Anschauung werden Teile für den Verstand möglich« (Naturphilos. S. 356f.).

Nach HEGEL ist die Materie ins unendliche teilbar, d.h. »dies ist ihre Natur, daß, was als Ganzes gesetzt wird, als eins schlechthin sich selbst äußerlich, ein Vieles sei. Aber sie ist nicht in der Tat ein Geteiltes, so daß sie aus Atomen bestünde. sondern dies ist eine Möglichkeit, die nur Möglichkeit ist, d.h. dieses Teilen ins unendliche ist nicht etwas Positives, Wirkliches, sondern nur ein subjektives Vorstellen« (Naturphilos. S. 26 f.).

Nach HERBART ist die »unendlich vielfache Möglichkeit, zwischen je zwei Reihen... noch unzählige andere zu bestimmen, die ebenfalls ihre Verschmelzungen eingegangen sein könnten, der Grund der unendlichen Teilbarkeit des sinnlichen Raumes« (Psychol. als Wissensch. II, 96).

Nach
WAITZ ist Teilbarkeit nur ein Ausdruck »für den Vorbehalt, daß die Grenze denkbarer Teilung niemalsüberschritten werden könne durch eine wirklich vorkommende Teilung« (Lehrb. S. 612 f.).

Nach J. H. FICHTE bedeutet die unendliche Teilbarkeit nur »die Möglichkeit, jedes kleinste Raum- oder Körperkontinuum auch noch als ein Diskretes, unendlich mögliche Unterschiede in sich Zulassendes zu denken. Darum aber ist es nicht wirklich zusammengesetzt aus unendlich kleinsten Raumteilen und kleinsten Körperchen«(Anthropol. S. 203).

Nach ULRICI ist es »kein Widerspruch, Dinge anzunehmen, die zwar als bloße Quanta ins unendliche teilbar sein würden, deren Qualität aber diese bloß mögliche Teilbarkeit unmöglich macht oder dergestalt beschränkt, dass sie auf einem gewissen Punkte zur wirklichen Unteilbarkeit wird« (Gott u. d. Nat. S. 442. vgl. S. 426 f.).

Nach MAMIANI sind die Körper weder aktuell noch potenziell ins unendliche teilbar. Die Körperelemente sind einfach, unausgedehnt (Conf. II, 46 ff.).

Nach M. MÜLLER sind unsere Sinne nie klein genug, um die kleinsten Dinge zu erfassen. Die Minima erreichen wir nie. Unsere Sinne kennen kein wirklich Unteilbares, sie fühlen die Wirklichkeit einer unendlich kleinen Ausdehnung (Relig. S. 42 f.).

Nach
KROMAN ist es ziemlich sicher, daß es für die faktische Teilbarkeit gewisse Grenzen gibt, die durch das Mittel der Natur nicht zu überschreiten sind. Atome als Kraftpunkte sind anzunehmen (Unsere Naturerk. S. 405, 426 ff.).

Nach SCHOLKMANN ist das Ausgedehnte als solches ins unendliche teilbar zu denken. »Trotzdem muss ein Zusammengesetztes doch eine Grundeinheit haben, und um diese zu finden, gibt es nur eine Möglichkeit, nämlich die Annahme, dass das, was von der Teilung betroffen wird, in letzter Form selber kein Ausgedehntes, sondern seinem innern Wesen nach Unteilbares sei, welches das Ausgedehntsein als seine Wirkung aus sich herausstelle« (Grdl. ein. Philos. d. Christent. S. 16).

Nach WUNDT ist es denkbar, »daß das Gegebene seiner anschaulichen Form nach stetig, also ins unendliche teilbar vorgestellt werde, seinem begrifflichen Wesen nach aber aus einfachen Elementen bestehe« (Syst. d. Philos.2, S. 345 ff.).

Nach H. CORNELIUS ist jeder endliche Teil des Raumes nicht als ein von vornherein aus positiv unendlich vielen Teilen zusammengesetztes Ganzes aufzufassen, sondern »es ist nur für den Fortschritt der immer weiter gehenden Teilung jedes solchen Raumes in unserem Denken keine Grenze gesetzt« (Einl. in d. Philos. S. 332).

Nach SOCOLIU bestehen die Körper aus Atomen. »Da das Atom nicht in der Anschauung gegeben ist, so kann auch seine Weiterteilung nicht einmal vorgestellt werden. weshalb auch die berühmte 'unendliche Teilbarkeit' in Wirklichkeit nichts weiter ist als das Wiederholen in unbestimmter Anzahl eines und desselben willkürlichen Vorstellungsaktes im Kopfe eines unklaren Denkers« (Grundprobl.d. Philos. S. VIII).

Nach
L. DILLES ist die Materie als solche nur ein »aufgehobenes Moment« im Ich. Als solches ist sie der Möglichkeit nach in infinitum teilbar, ohne aus geschiedenen Teilen zu bestehen. Das, woraus sie besteht, ist das Ichwesen, welches in sie idealiter geteilt ist (Weg zur Met. S. 139). Vgl. Unendlich.

Teleologie (teleios, logos) S. 490f. Siehe auch bei Kirchner
Zweckmäßigkeitslehre. Teleologisch: vom Standpunkte dieser Lehre, auf Zweckmäßigkeit, Zwecke bezüglich. Nach der teleologischen Weltanschauung gibt es in der Welt Zweckursachen, Finalität, Wirken nach Zwecken, durch Zwecke, Zielstrebigkeit . In mehreren Grundformen tritt diese Lehre auf:

1) Die Zweckbetrachtung ist nur »regulativ« , »heuristisch«.


2) Sie ist
»konstitutiv«, bezieht sich auf die absolute Wirklichkeit:

a. transzendente Teleologie
(Zwecke von außen, durch Gott gesetzt).

b. immanente Teleologie (Zwecke als Ziele des Strebens, Wollens der Dinge selbst).

Während die dualistische Teleologie Zweck- und Kausalgeschehen als zwei selbständige Vorgänge auffaßt, betont die monistischeTeleologie, daß Kausalität und Finalität nur zwei Seiten, Auffassungsweisen eines Geschehens sind. Daher stehen teleologische und rein kausale (bezw. mechanistisch-energetische) Weltanschauung nicht in Gegensatz sondern, ergänzen einander, werden philosophisch in einer höheren Synthese vereinigt.

Teleologen sind in verschiedener Weise
ANAXAGORAS, SOKRATES, PLATO, ARISTOTELES, die Stoiker (teilweise), PLOTIN, die christlichen, scholastischen Philosophen, ferner H. MORE, CUDWORTH, LEIBNIZ, CHR. WOLF, SHAFTESBURY, KANT, SCHELLING, DE BONALD, SCHOPENHAUER, J.H. FICHTE, ULRICI, LOTZE, TRENDELENBURG, HARMS, G. SPICKER, CARRIERE, FECHNER, E. v. HARTMANN, WUNDT, SIGWART, F. ERHARDT, L. BUSSE, KIRCHNER, RAVAISSON, LACHELIER, FOUILLÉE, J. FISKE, J. WARD u. a.

Antiteleologisch sind besonders: LUCREZ, BACON, HOBBES, DESCARTES, SPINOZA, die streng mechanistische Weltanschauung.

Dysteleologie: Lehre vom Unzweckmäßigen
(E. HAECKEL, Gener. Morphol. 1866, II, 266 ff.). -

Telepathie (têle, pathos, Fernfühlen) S. 3390
heißt die von mancher (besonders der »okkultistischen«) Seite behauptete direkte, geistige Gedanken-, Vorstellungsübertragung durch Entfernungen hin, so dass jemand Entferntes (mit)vorstellen (durch eine Art »Fernsinn«) oder Gedanken anderer miterleben kann.

Telepathistische Lehren finden sich bei AGRIPPA (Occ. Philos. I, 6. III, 43), PARACELSUS (Philos. sagax I,4), SWEDENBORG u. a., bei RICHET u. a. Vgl. dagegen E. PARISH (Zur Kritik des telepath. Beweismaterials, 1897).

Theismus (theos) S. 3406 ff. Siehe auch bei Kirchner
heißt im Gegensatz zum Atheismus

1) die Annahme eines Gottes,

2)
im Unterschiede vom Pantheismus die Annahme eines außer- und überweltlichen Gottes,

3) im Unterschiede vom Deismus die Annahme eines persönlichen Gottes, der durch seinen Willen, durch seine Kraft ewig in der Welt wirkt, als »lebendiger« Gott.
Vgl. Gott, Deismus.

KANT erklärt, »der Deist glaube einen Gott, der Theist aber einen lebendigen Gott (summam intelligentiam)« (Krit. d. rein. Vern. S. 496). Der Theismus leitet die Weltzweckmäßigkeit »von dem Urgrunde des Weltalls, als einem mit Absicht hervorbringenden(ursprünglich lebenden) verständigen Wesen ab« (Kr.d. Urt. II, § 72). Es gibt einen »skeptischen« und »dogmatischen« Atheismus. Diesem ist der »moralische Theismus« gegenüberzustellen. »Dieser ist zwar kritisch, d.h. er verfolget alle speculativen Beweise für das Dasein Gottes Schritt für Schritt und erkennet sie für unzulänglich, ja er behauptet schlechterdings, da, es der speculativen Vernunft unmöglich sei, das Dasein eines höchsten Wesens apodiktisch gewiß zu demonstrieren. dessenungeachtet ist er fest überzeugt von der Existenz eines solchen Wesens und hat einen zweifellosen Glauben an dasselbe aus praktischem Grunde.« Das Fundament dieses Glaubens, die Moral, ist unerschütterlich (Vorles. üb. d. philos. Religionslehre S. 29 f.). -

Theisten
sind in neuerer Zeit JACOBI, BOUTERWEK (Lehrb. d. philos. Wissensch. I, 259), FR. SCHLEGEL, F. BAADER, GÜNTHER, MICHELET, der Gott als absolute Persönlichkeit auffaßt (Anthropol. S. 520 f.). C. H. WEISSE., FROHSCHAMMER, BRANISS, nach welchem Gott, »absolut freies Für-sich-sein, d. i. absolute Persönlichkeit« ist (Syst. d. Met. S. 198), K. PH. FISCHER (Die Idee d. Gottheit 1839), TRENDELENBURG, W. ROSENKRANTZ, CHALYBAEUS u. a. Einen speculativen Theismus lehren J. H. FICHTE (»Ethischer Theismus«, vgl. Psychol. II, 29 ff.. Specul. Theol. 1846/47. Die theist. Weltansch.1873), ULRICI (Gott u. d. Nat.. Gott u. d. Mensch), J. U. WIRTH (Die speculat. Idee Gottes 1845), H. SCHWARZ (Gott, Nat. u. Mensch, 1857), R. SEYDEL, THRANDORFF, J. SENGLER (Die Idee Gottes, 1845/52), L. SCHMID, TH. WEBER, F. HOFMANN (Theism. u. Panth., 1861), FR. ROHMER Vermittlung des Theismus mit dem Pantheismus: das All als Leib Gottes, in Gott geworden, Raum und Zeit als Bestandteile Gottes. (Wissensch. u.Leben, 1871/92), H. SPÄTH: (Welt u. Gott, 1867. Theism. u. Panth., 1878), NIC. STÜRKEN (Metaph. Essays, 1882), A. L. KYM, J. EITLE (Gr. d. Philos., 1892) u. a., ferner DE BONALD, LAMMENAIS, KÉRATRY, V. COUSIN (Du vrai p. 407 ff.), RAVAISSON, SECRÉTAN, A. C. FRASER (Philos. of Theism., 1899), J. LINDSAY (Recent Advances in Theistic Philos. of Relig., 1897) u. a. Vgl. Gott

Theodizee (theos, dikê, Recht): S. 3408. Siehe auch bei Kirchner
Rechtfertigung Gottes gegenüber den in der Welt vorgefundenen, vorfindbaren Übeln, unter der Voraussetzung, daß die Existenz des Schlechten, Bösen nicht in Widerspruch mit der Idee der Vollkommenheit Gottes oder der Alleinheit stehen kann und darf.

Theogonie S. 3409
Gottesentstehung als Inhalt eines Mythus (HESIOD u. a.).

Theologie theologia (theologikê), S. 3409 Siehe auch bei Kirchner
Gotteslehre, Wissenschaft von Gottes Beziehung zur Welt, von der Beziehung des Menschen zu Gott, Religionswissenschaft (seit ABAELARD). Natürliche Theologie ist die rein vernünftige, philosophische, Speculative Theologie, im Unterschiede von der kirchlichen Theologie.

ARISTOTELES versteht unter theologoi die alten Kosmo- und Theogonisten (Met. III 4, 1000 a 9). theologikê ist bei ihm die Metaphysik .

Ein Teil der Philosophie ist die
theologia bei den Stoikern (Diog. L. VII 1, 41). –

JUSTINUS
versteht unter theologein »aliquem nominare deum.« (Dial. 56), aber auch »religiöse Übungen anstellen« (l. c. 113).

Bei ATHENAGORAS ist Theologie die Lehre von Gott und seinen Attributen.

Schon TERTULLIAN unterscheidet »theologica mythica« und »physica« (vgl. Harnack, Dogmengesch. I3, 483). –

Der Gedanke einer »negativen Theologie«, welche Gottes Wesen als positiv unbestimmbar erklärt, tritt schon bei CLEMENS ALEXANDRINUS auf: ouch ho estin, ho de mê esti gnôrisantes (Strom. V, p. 582. V, 587 squ.).

Nach
GREGOR VON NYSSA ist Gott über alle Kategorien erhaben (Contr. Eunom. XII).

Nach AUGUSTINUS ist die Theologie »scientia, quae est de rebus ad salutem hominum pertinentibus« (De trin. XIV, 1).Sie ist »de divinitate sermo et ratio« (De civ. Dei VIII,1). Gott »scitur melius nesciendo« (De ord. II, 44). »Cuins nulla scientia est in anima, nisi scire, quomodo eum nesciat« (l. c. II, 47). In keiner der Kategorien ist Gott bestimmbar (De trin. V, 6. Conf. IV, 29). –

DIONYSIUS AREOPAGITA
unterscheidet bejahende (kataphatikê) und negative (apophatikê) Theologie. Letztere betrachtet Gott als den über alle Prädicate Erhabenen, als Überseienden, nur im Nichtwissen Nahbaren (De myst. theol. l ff.. De div. nom. 1, 4. 4, 2. 13, l ff.. De eccl. hier. 2, 3).

Die gleiche Einteilung der Theologie findet sich bei SCOTUS ERIUGENA (De div. nat. II, 30. vgl. I, 14). Die negative Theologie ist vorzuziehen. »Minus enim valet ad ineffabilis divinae essentiae significationem affirmatio quam negatio« (l. c. III, 20. IV, 5). –

Zur Philosophie zählt die »Theologie« JOH. DAMASCENUS (Dial. 3). –

ALBERTUS MAGNUS
erklärt: »Theologia est impressio quaedam et sigillatio divinae sapientiae in nobis«, »scientia certissimae credulitatis« (Sum. th. I, prol.. vgl. I, 4).

Nach J. GERSON gibt es »theologia symbolica« (geht aus vom extra nos durch sensus), »theologia propria« (intra nos, ratio), »theologia mystica« (supra nos, intelligentia). »Theologia mystica est coniunctio amorosa dilecti cum dilecto, quod exsuperat omnem sensum, quod vulnerat, quod coniungit ignotis ignote tanquam in divina caligine« (De myst. theol. 6).

»Theologia naturalis« stammt von RAYMUND VON SABUNDE.

Die Gliederung der Theologie in »affirmativa« und »negativa« bei NICOLAUS CUSANUS (De doct. ignor. I, 24, 26), BOVILLUS (De nihilo 11, l, 4).

NIC. TAURELLUS bestimmt: »Theologiam divinae voluntatis revelatione definismus et philosophiam Dei cognitione« (De aetern. rer., praef. l. Philos. triumph. p. 88).

Einen Teil der Wissenschaft bildet die
»theologia naturalis« bei F. BACON (De dign. II, 2 f.).

Natürliche Theologie ist nach CHR. WOLF »der Teil der Weltweisheit, darinnen von Gott und dem Ursprunge der Creaturen von ihm gehandelt wird« (Vern. Ged. von d. Kr. d. m. Verst. S. 7. Philos. rat. §57. vgl. Theol. natur.).

BAUMGARTEN definiert: »Theologia naturalis est scientia de deo, quatenus sine fide cognosci potest« (Met. § 800).

Nach CRUSIUS ist die natürliche Theologie »eine theoretische Wissenschaft von der Existenz und denen Eigenschaften und denen Wirkungen Gottes«
(Vernunftwahrh. § 204). -

Nach
KANT ist Theologie »das System unserer Erkenntnis vom höchsten Wesen«. »Die Kenntnis alles dessen, was bei Gott stattfindet, ist, was wir theologia archetypa nennen, und diese findet nur bei ihm statt. Das System der Erkenntnis dessen, was von Gott in der menschlichen Natur lieget, heißt theologia ectypa, und diese kann sehr mangelhaft sein« (Vorles.üb. d. philos. Relig. S. 4). »Die Theologie kann nicht dazu dienen, uns die Erscheinungen der Natur erklären zu können.« In der Wissenschaft gleich auf Gott zurückgehen, ist »faule Vernunft« (l. c. S. 7). Anwendung der Theologie auf Moralität ist natürliche Religion (l. c. S. 8). Die natürliche Theologie ist »die Hypothesis aller Religion« (l. c. S. 8). Die natürliche Theologie ist: a. theologia rationalis, b. empirica - Theologie der Vernunft und der Offenbarung. Erstere ist speculativ oder moralisch. die speculative Theologie ist transcendental (unabhängig von aller Erfahrung), natural (Kosmo-, Physikotheologie) (l. c. S. 10 ff.). –

Nach HILLEBRAND soll die »speculative« Theologie »das Göttliche in seiner logischen Wahrheit zugleich als positive Wirklichkeit aufweisen« (Philos. d. Geist. II, 315).

Als Abschluß aller philosophischen und theologischen Disciplinen betrachtet
GIOBERTI die »teologia universale« (Introd. I, 5).

Nach
VACHEROT ist die Theologie »science de l'ideal universel« (Mét. III, 220).

Nach
L. FEUERBACH ist die Theologie »Anthropologie«, weil der Gott des Menschen nichts ist als »das vergötterte Wesen des Menschen«(WW. VIII, 20).

Theophanie (theophania, theophaneia) S. 3413 Siehe auch bei Kirchner
göttliche Erscheinung, Offenbarung in der Außen- und Innenwelt, göttliche Selbstdarstellung in der Welt.

Solche
Theophanie, »apparitio Dei.« (De div. nat. I, 7 ff.) lehrt SCOTUS ERIUGENA. Gott schafft, wird das All in seinen Theophanien (l. c. III, 4). »At vero in suis theophaniis incipiens apparere veluti ex nihilo aliquid dicitur procedere... ideoque omnis visibilis et invisibilis creatura theophania, i.e. divina apparitio potest appellari« (l. c. III, 19). »Theophanias autem dici visibilium et invisibilium species, quarum ordine et pulchritudine cognoscitur deus esse et invenitur nonquis est, sed quia solummodo est«. (l. c. V, 26). -

ALBERTUS MAGNUS
bestimmt: »Theophania est illuminatio procedens ab intus ad manifestationem alicuius occulti« (Sum. th. II, 49, 1). Vgl. Offenbarung.

Theosophie (theos, sophia): S. 3418. Siehe auch bei Kirchner
Gottesweisheit, intuitives (phantasiemäßiges), mystisches, »occultes« Wissen von Gott und dem Wesen, der Einheit der Dinge, Beziehung alles Erkennens auf Gott. Theosophisch sind die Lehren indischer Philosophie, PLOTINs, der Gnostiker , Mystiker, besonders VALENTIN WEIGELs, J. BÖHMEs, SWEDENBORGs, ST. MARTINs, BAADERs, SCHELLINGs (in der Endperiode), OKENs u. a.

ROSMINI
versteht unter »Teosofia« die Wissenschaft vom Sein und vom Seienden (Ontologie, Theologie, Kosmologie. Teosof.I, 1 ff.).

Nach J. H. FICHTE lehrt der theosophische Standpunkt, daß der wahre Erzeuger neuer Gedanken in uns Gott sei (Psychol. I, S. XXIII. Anthropol. S. 608 ff.).

Eine Erneuerung hat, unter dem Einflusse indischer »Geheimlehre«, die Theosophie in der Gegenwart erfahren . -

Vor der Umwandlung der Theologie in Theosophie warnt KANT (Krit.d. Urt. 89).

Tod S. 3427ff.
ist das Aufhören des bestimmten individuellen Lebens, die Auflösung des individuellen Bewußtseinscomplexes parallel mit dem Aufhören des leiblichen Stoffwechsels, der organischen Functionen.

Nach PLATO ist der Tod eine Trennung der Seele vom Leibe, lysis kai chôrismos psychês apo sômatos (Phaed. 67 C, D).

EPIKUR betont, der Tod brauche uns nicht zu kümmern: ho thanatos ouden pros hêmas. to gar dialythen anaisthêtei, to d' anaisthê toun ouden pros hêmas (Diog. L. X, 139).

Nach CICERO ist der Tod nicht, wenn wir sind, und wenn er ist, sind wir nicht (Tusc. disp. I. Cato maior 18, 66).

MARC AUREL
bemerkt: thanatos anapaula aisthêtikês antitypias (In se ips. VI, 28)

Nach PLOTIN ist der Tod ein Gut, da durch ihn die Seele gänzlich zur Tugend gelangen kann (Enn. I, 7, 3).

Das Christentum sieht im Tode überhaupt eine Strafe, eine Folge des Sündenfalls (vgl. TERTULLIAN, De an. 52). -

Nach
SCOTUS ERIUGENA ist der Tod die Rückkehr des Körpers in die Elemente, ohne daß die Beziehung zum Ganzen und zur Seele aufhört (De div. nat. III, 9. 38).

Nach AGRIPPA ist der Tod nur die Trennung von Leib und Seele (Occ. Philos. III, 36).

Nach J. B. VAN HELMONT ist der Tod eine »dispositio« der vom Archaeus verlassenen Materie (Magn. oport. p. 153).

Nach
GASSENDI ist der Tod »privatio sensus, propter excessum animae« (Philos. Epic. synt. II, sct. 3, 22).

Nach LEIBNIZ ist der Tod nur eine Involution des Organismus (Monadol. 73).

Nach HERDER ist der Tod eine Verwandlung.

Nach GOETHE ist der Tod ein Kunstgriff der Natur, viel Leben zu haben.

Nach
AD. WEISHAUPT heißt Sterben nicht, gänzlich aufhören, ohne alle Vorstellungen sein. »Es heißt vielmehr, eine andere neue Organisation erhalten, seine Receptivität verändern, diese nämlichen Gegenstände auf eine andere Art sehen, erkennen, die Raupenhaut abstreifen, dem, was außer uns ist, die Maske abnehmen, näher in das Innere der Kräfte, obgleich auch dann noch sehr unvollständig,
eindringen.« »Der Tod ist der Übergang von einer Art, die Gegenstände zu sehen, zu einer ganz neuen«
(Üb. Material. u. Ideal. S. 132 ff.). -

Nach CHR. KRAUSE ist der Tod nur ein Übergang zu neuem Leben.

Nach NOVALIS ist er ein Heimgehen zum Urgrunde der Dinge.

Nach SCHUBERT ist die Ursache des leiblichen Todes das Vorherrschendwerden der zentrifugalen Richtung des Lebens (Lehrb. d.
Menschen u. Seelenk. S. 64 ff.. 161 ff.. vgl. Gesch. d.Seele § 22). -


Nach HEGEL ist der Tod die Allgemeinheit, zu der der einzelne als solcher gelangt (Phänomenol. S. 336). »Die Allgemeinheit, nach welcher das Tier als einzelnes eine endliche Existenz ist, zeigt sich an ihm als die abstracte Macht in dem Ausgang des selbst abstracten, innerhalb seiner vorgehenden Processes. Seine Unangemessenheit zur Allgemeinheit ist seine ursprüngliche Krankheit und der angeborene Keim des Todes. Das Aufheben dieser Unangemessenheit ist selbst das Vollstrecken dieses Schicksals. Das Individuum hebt sie auf, indem es derAllgemeinheit seine Einzelheit einbildet, aber hiermit,insofern sie abstract und unmittelbar ist, nur eine abstracte Objectivität erreicht, worin seine Tätigkeit sich abgestumpft, verknöchert hat und das Leben zur proceßlosen Gewohnheit geworden ist, so daß es sich so aus sich selbst tötet.« »Das Lebendige als einzelnes stirbt an der Gewohnheit des Lebens, indem es sich in seinen Körper, seine Realität hineinlebt«(Naturphilos. S. 692 ff.). Durch das Phänomen des Todes ist »das letzte Außer-sich-sein der Natur« aufgehoben, und »der in ihr nur an sich seiende Begriff ist damit für sich geworden«. Die Natur geht so inGeist über, der wie ein Phönix aus ihr entspringt (l. c.S. 694 ff.: Encykl. § 375 f.). -

Nach BENEKE entsteht der Tod »keineswegs durch eine Schwächung, sondern vielmehr durch die fortwährende Verstärkung der innern Ausbildung« (Lehrb. d. Psychol. § 342). »Das Wesentliche des Todes besteht lediglich in der Vernichtung des Zusammenhanges zwischen dem innern Seelenleben und der Außenwelt, von welchen freilich während unseres Erdenlebens die bewußte Entwicklung unserer Seele abhängig ist« (ib.). Durch die reichere Ausbildung des innern Seelenseins wird das Leben der Seele nach innen gezogen, die Reizaufnahme und Anbildung neuer Vermögen beschränkt, endlich ganz sistiert, womit das Bewußtsein aufhört, der Tod eintritt (l. c. § 390 f.. vgl. Syst. d. Met. S. 456 ff.).

Nach
SCHOPENHAUER ist der Tod nur ein »oberflächliches Phänomen«, von dem das Wesen der Dinge, der einheitliche Wille, der außer Raum und Zeit ist, nicht betroffen wird. Tod und Geburt sind nur »Vibrationen« der ewig lebenden Gattung, der Idee (W. a. W. u. V. II. Bd., C. 41). »So oft ein Mensch stirbt, geht eine Welt unter, nämlich die er in seinem Kopfe trägt«. (Neue Paralipom. § 287). »Der Tod ist... die Belehrung, welche dem Egoismus durch den Lauf der Natur wird« (ib.). Der Tod ist die Ablösung von der Verkehrtheit des Lebens (l. c. § 301).

Nach HEBBEL, ist der Tod ein Opfer, welches der Mensch der Idee bringt (Tageb. II, 287. vgl. II, 104 f.).

Nach
FECHNER ist der Tod »nur ein rascherer und plötzlicherer Wechsel des Leibes und damit das schnelle Ersteigen einer neuen Lebensstufe« (Üb. d. Seelenfr. S. 120), ein Erlöschen des sinnlichen Anschauungslebens (Zend-Av. II, 191).

Nach
J. H. FICHTE ist der Tod ein »organischer Vorgang, welchen der Lebensproceß selber aus sich erzeugt« (Anthropol. S. 317), ein »Ausscheidungsproceß« (l. c. S. 318), ein »vollständiges Fallenlassen der sinnlichen Medien« (l. c. S. 319 ff).

Nach
DU PREL, ist der Tod die »Entleibung« des Astralleibes, die Ablösung des sinnlichen Bewußtseins durch das transzendentale (Monist. Seelenl. S. 192, 278 ff.).

Nach H. WOLFF ist der Tod nur eine Änderung der äußeren Erscheinungsweise (Kosm. II, 317).

Nach
BR. WILLE ist der Tod »abgetanes Leben«, er entspringt natürlicherweise dem Willen zum Sterben, zur Erlösung von den engen
Ich-Schranken
(vgl. GOETHE: »Sich aufzugeben ist Genuß«), zum Erwachen zur wahren Lebendigkeit (Offenb. d. Wachholderb. I, 222, II, 391 ff.).

Nach E. DÜHRING ist der Tod ein »Akt des Lebens selbst«, Ende des individuellen Lebens (Wert d. Leb.3, S. 170ff.).

Nach PAULSEN ist der (normale) Tod der innerlich notwendige Abschluß des Lebens (Syst. d. Eth. I5, 316). Vgl. WEISMANN, Die Dauer des Lebens, 1882. GÖTTE, Üb. d. Urspr. d. Todes, 1883.

Übel (kakon, malum) S.3509ff.
ist ein Wertbegriff, bedeutet alles als schlecht, unvollkommen, schädlich, unzweckmäßig Gewertete, alles, was dem zwecksetzenden und nach Zwecken beurteilenden Geiste als nicht sein-sollend gilt. Subjektiv ist ein Übel, insofern es auf das Gefühl des einzelnen bezogen wird, objektves Übel ist die durch allgemeingültiges Urteil festgestellte Unzweckmäßigkeit. Beide Arten des Übels sind aber relativ, ein Übel an sich kann es nicht geben, nur in Beziehung zu irgendeinem, sei es individuell-immanenten, sei es universaltranszendenten Zwecke ist etwas gut oder vom Übel. Da aber Zwecke Willensintentionen sind, so ist das Übel mit dem Wollen gesetzt, unter der Voraussetzung, daß eine Vielheit von Willensintentionen besteht. Der Individualwille kommt, im Streben nach Selbsterhaltung, in Konflikt mit anderen Willen, und das Produkt desselben ist das Übel. Die relative Harmonie der Einzelwillen verringert das Übel, und die absolute Harmonie alles Wollens in der Welt müßte das Übel gänzlich aufheben. Vielleicht aber ist der Selbstwille, der Wille zur Individualität, ein ewiges Weltprinzip, das niemals durch den Willen zur Einheit des Alls aufzuheben ist, aufgehoben werden soll, weil zur Vollkommenheit des Ganzen gehörend, und dann ist
das Übel sowohl eine ewige Folge der Selbstbejahung(der »Urschuld«) als auch ein ewiger Faktor der Entwicklung: an sich ein Negatives, eine Privatio, wirkt es positiv, durch Reizung des Willens
(vgl. GOETHE, Faust I). Das ist die Theodizee, die Konkordanz der Tatsache des Übels mit der Idee der Vollkommenheit der höchsten All-Einheit, der Gottheit. -

Das mit der Individualität gesetzte ist das metaphysische Übel. Davon sind die physischen (z.B. Krankheit), moralischen, sozialen Übel zu unterscheiden. Zunächst einige Erklärungen des Begriffes »Übel«.

Nach MICRAELIUS ist das Übel »privatio boni, seu defectus perfectionis debitae inesse«, kein Seiendes (ens) (Lex. philos. p. 615). Es gibt kein »malum metaphysicum«, welches dem Guten entgegengesetzt ist, »quia omne ens quoad essentiam bonum est« (l. c. p. 616. ).

Nach HOBBES nennt der Mensch ein Übel dasjenige, »quod aversionis in ipso et odii causa est« (Leviath. I, 6).

SPINOZA definiert: »Id malum vocamus, quod causa est tristitiae, hoc est, quod nostram agendi potentium minuit vel coërcet« (Eth. IV, prop.XXX). In der Natur (an sich) gibt es weder Gutes nach Schlechtes (De Deo II, 4).

Nach LOCKE ist ein Übel alles, was Schmerz (Unlust) veranlaßt oder steigert oder Lust mindert oder ein anderes Übel bereitet oder ein Gut entzieht (Ess. II, ch. 20, §2).

LEIBNIZ
unterscheidet physisches, metaphysisches, moralisches Übel. Alles Übel ist ein Negatives, eine »Beraubung« des Guten (Theod. IB, § 21, 153).

CHR. WOLF definiert: »Quicquid nos statumque nostrum sive internum, sive externum, imperfectiores reddit, malum est« (Psychol. empir. § 565).

Nach PLATNER ist das Übel »das Leiden lebendiger Wesen« (Philos. Aphor. I, §1089).

Nach KANT gibt es »Übel des Mangels (mala defectus) und Übel der Beraubung (mala privationis)«. »Die ersteren sind Verneinungen, zu deren entgegengesetzter Position kein Grund ist, die letzteren setzen positive Gründe voraus, dasjenige Gute aufzuheben, wozu wirklich ein anderer Grund ist, und sind ein negatives Gute« (Vers., den Begr. d. negat. Größ. in d. Weltweish. einzuführ., 2. Abschn., S. 36. vgl. Krit. d.prakt. Vern. I. T1., 1. B., 2. Hptst.).

Nach G. E. SCHULZE ist ein Übel »der Gegenstand des Verabscheuens« (Psych. Anthropol. S. 406).

HEGEL erklärt: »Das Übel ist nichts anderes als die Unangemessenheit des Seins zu dem Sollen« (Encykl. § 472).

Nach SCHOPENHAUER ist ein Übel »alles dem jedesmaligen Streben des Willens nicht Zusagende« (W. a. W. u. V. I. Bd., § 65).

Über Grund und Bedeutung des Übels bestehen verschiedene Ansichten und mehrfache Versuche einer Theodizee, letztere teils durch Betonung der Subjektivitat und Redativität der Übel, teils durch Hinweis auf die Zugehörigkeit des Übels zum Guten, zur Weltordnung.

HERAKLIT erklärt: tô men theô kala panta kai agatha kai dikaia, anthrôpoi de ha men adika hypei-lêphasin, ha de dikaia (Fragm. 61).

Nach PLATO ist die Gottheit schuldlos (anaitios) an dem Übel (Tim. 42 D. vgl. Gut).

Die Stoiker lehren die vernünftige Ordnung des Alls. das All ist vollkommen, die Übel tragen nur zur Herstellung des Guten bei, sind für das
Ganze notwendig. Das Böse stammt nicht von Gott, sondern von den Bösen, und das Schlechte wird von Gott zum Guten gelenkt
(vgl. Stob., Ecl. I, 30. SENECA, Ep. 87, 11. MARC AUREL, In se ips. V, 8. VIII, 35. PLUTARCH, Stoic. rep. 44, 6. 35, 1. Diog. L. VII, 96).

Eine Theodizee gibt auch PLOTIN. »Die Vernunft... bewirkt das sogenannte Böse selbst vernunftgemäß, indem sie nicht will, daß alles gut sei, gleichwie ein Künstler nicht alles an einem Tier zu Augen macht. Demgemäß machte denn auch die Ver-nunft nicht alles zu Göttern, sondern teils Götter, teils Dämonen, eine zweite Natur, dann Menschen und Tiere der Reihe nach, nicht aus Neid, sondern mit Vernunft, welche intellectuelle Mannigfaltigkeit in sich hat« (Enn. III, 2, 11). »Die mit Recht über die Bösen verhängten Strafen nun muß man füglich der Ordnung zuschreiben, die da alles gebührend leitet. Was aber den Guten mit Unrecht zustößt, wie Züchtigungen, Armut, Krankheit: soll man das als eine Folge früherer Sünden bezeichnen? Es ist dies ja mit verflochten und kündigt sich im voraus an, so daß es anscheinend gleichfalls nach der Vernunft geschieht. Jedoch geschieht es nicht nach naturnotwendiger Vernunft, und es lag nicht in der Absicht, sondern war eine unbeabsichtigte Folge... Vielleicht ist sogar dieses Unrecht... von Nutzen für den Zusammenhang des Ganzen. Was auf Grund früherer Verhältnisse geschieht, ist doch wohl nichts Unrechtes. Denn man darf nicht glauben, daß einiges in einer bestimmten Ordnung beschlossen, anderes dem eigenen Belieben überlassen ist. Denn wenn alles nach Ursachen und natürlichen Consequenzen, nach einem Gedanken (Grunde) und einer Ordnung geschehen muß, so muß man annehmen, daß auch die kleineren Dinge mit hineingeordnet und verwebt sind« (l. c. IV, 3, 16).

Die mittelalterliche Philosophie betrachtet in der Regel das Übel als ein Negatives, als bloße »Beraubung« des (allein seienden) Guten. So nach GREGOR VON NYSSA. Das Böse hat etwas Gutes an sich (De hom. opif. 20).

Nach ORIGENES ist das Böse ein ouk on, eine sterêsis (In Joh. II, 7).

Gegen die manichäische Auffassung des Übels wendet sich
AUGUSTINUS. Das Übel trägt zur Schönheit bei, dient dem Guten (De civ. Dei XI, 18. XVII, 11. De ord. I, 18. Enchir. 3). -

MAIMONIDES
erklärt: »Omne malum in ente aliquo existente existens est privatio boni alicuius e bonis illius« (Doct. perplex. III, 10).

Nach
ALBERTUS MAGNUS ist das Übel »privatio primae formae boni« (Sum. th. I, 27, 1). Das Übel hat nur eine negative Ursache: »Mali non potest esse aliqua causa nisi deficiens« (l. c. II, qu. 1). Das Übel erhöht das Gute: »Malum iuxta bonum positum eminentius et commendabilius facit bonum« (l. c. II, 62, 2).

Nach THOMAS ist das Übel eine »privatio debitae perfectionis« (Contr. gent. I, 71), »privatio eius, quod quis natus est et debet habere« (l. c. III, 7), »privatio« oder »defectus boni« (Sum. th I, 49, l c. 48, 5). Das Übel trägt zur Güte des Ganzen bei: »Bonus totius praeeminet bono partis. Ad prudentem igitur gubernatorem pertinet, negligere aliquem defectum bonitatis in parte, ut fiat augmentum bonitatis in toto« (Contr. gent. III, 71). Es gibt »malum secundum quid« und »malum in se«.

Nach BAYLE kommt das Böse nicht von Gott (Dictionn., »Manichéens«).

Eine systematische Theodizee gibt LEIBNIZ. Das physische Übel (Schmerz) dient der Strafe und Besserung, das moralische Übel (die Sünde) ist ein Product der Willensfreiheit, das metaphysische Übel aber gehört zur Weltordnung, es war in der Sphäre der ewigen Wahrheiten als eine Möglichkeit eingeschlossen, mußte verwirklicht werden, als zum Wesen des Endlichen gehörend, dem Gott nicht alle Vollkommenheit mitteilen konnte. Das Übel trägt zur Vollkommenheit des Weltganzen bei, ist eine »Beraubung«, wirkt Gutes (Theodic. I B, § 23ff., 31 ff., 153). »Tout don parfait venant du père des lumières au lieu que les imperfections et les défauts des opérations viennent de la limitation originale que la création n'a pu manquer de recevoir avec le premiercommencement de son être par les raisons idéales qui la bornent« (l. c. I, § 30 ff.).

CHR. WOLF
erklärt: »Da... alles, was wir Übel und Böses nennen, aus den Einschränkungen der Dinge herstammt, so hat Gott bei dem Übel und dem Bösen nichts mit zu tun, sondern es ist der Creatur ihr eigenes« (Vern. Ged. I, § 1056).

Die Relativität der Übel betont R. CUDWORTH (True intell. syst. I, 5).

Nach
W. KING ist das Übel ein Relatives. Die Unvollkommenheit der Dinge ist notwendig, kein Endliches kann die Vollkommenheit Gottes haben. Die physischen Übel tragen zur Energie des Lebens bei, die moralischen beruhen auf der Willensfreiheit (De origine mali, 1702).

Nach JOHN CLARKE liegt das Schlechte in den Schranken unserer Erkenntnis (An Inquir. into the causes and origin of Evil, 1720).

Theodizeen
geben auch W. DERHAM (Physico-Theology, 1713), JOHN RAY (Three physico-theological discourses, 1721) u. a.

Nach
PRIESTLEY sind alle scheinbaren Übel in Gott gut (Of philos. necess. 1777, p. VIII).

Ähnlich wie Leibniz lehrt ROBINET (De la nat. I, l).

Schriften über Theodizee zählen auf: BAUMEISTER (Historia de doctrina de optimo mundo, 1741), WOLFART (Controversiae de mundo optimo, 1745). -

FEDER erklärt: »Keine Welt kann ohne Mängel und Einschränkung der einzelnen Teile und Kräfte sein. denn sie bestehet aus endlichen Substanzen. Dies nennt man das metaphysische Übel. Ohne dasselbe kann also keine Welt sein« (Log. u. Met. S. 377. vgl. SULZER, Verm. Schr. S. 323 ff. BILFINGER, De orig. mali. PESSING, Notw. d. Üb.. VILLAUME, Urspr. d. Üb.).

PLATNER erklärt: »Das in der Welt zugelassene Übel entsteht teils aus den Unvollkommenheiten der geistigen und materiellen Wesen, teils
aus den Verhältnissen und Einschränkungen, welche durch derselben Verknüpfung entspringen«
(Log. u. Met. § 519 f.). -

Nach KANT ist Theodizee »die Verteidigung der höchsten Weisheit des Welturhebers gegen die Anklage, welche die Vernunft aus dem
Zweckwidrigen in der Welt gegen jene erhebt«
(WW. VI, 77).

Nach
HEGEL wird in der Geschichte das Negative zu einem Untergeordneten und Überwundenen (WW. IX, 19).

Nach
HILLEBRAND hat das Übel sein Wesen »in dem oppositiv-negativen Verhältnisse der endlichen Dinge gegen die Bedürfnisse der subjektiven Individualität« (Philos. d. Geist. II, 127).

CHR. KRAUSE lehrt, daß das Gute selbst an dem Übel der Grundbestand ist, daß »alle einzelnen Grundbeständnisse, Elemente oder Momente des Übels für sich gut sind und nur durch die wesenwidrige Beziehung und Verbindung seiner Grundbeständnisse ein Übel und
ein Böses entspringt und wirklich wird«
(Allgem. Lebenslehre, S. 96). Grund des Bösen ist die »Ungottinnigkeit« (Vorles. S. 529). Das Böse stammt nicht aus Gottes Willen, sondern aus der Endlichkeit und dem allseitigen Zusammenleben der unvollkommenen Wesen. es wird von Gott aufgehoben (Urb. d. Menschh.3, S. 334).

Nach MAMIANI ist das Übel schon mit der Natur des Endlichen gegeben (Conf. II, 107 ff.. vgl. V. COUSIN, Du vrai p. 407 ff.).

Nach FECHNER taucht das Übel »nur im Gebiete der Einzelnheiten« auf (Zend. Av. I, 244). Gott selbst wird vom Übel nicht betroffen (Tagesans. S. 50). Das Übel liegt nicht im Willen, sondern in einer »Urnotwendigkeit des Seins«, vermöge der das Sein überhaupt nicht sein konnte, ohne dem Übel zu verfallen (l. c. S. 51 ff.).

Von einer »Urschuld« des Alogischen im Absoluten, Unbewußten als Grund des Übels spricht E. v. HARTMANN .

E. DÜHRING hält die widerlichen Gebilde und Störungen in der Natur für Nebenabfälle oder Verunstaltungen in der Ausführung des allgemeinen Entwurfs, Verfehlungen von Zwecken (Wirklichkeitsphilos. S. 91).

HAGEMANN erklärt das metaphysische Übel als notwendig, da die endliche Welt dem Unendlichen gegenüberunvollkommen, mit Negation behaftet sein muß (Met.2, S. 198 f.). Das physische Übel ist »Privation oder Mangel dessen, was einem Geschöpfe naturgemäß zukommen sollte. Dahin gehören die Leiden, Krankheiten, Defecte der sinnlich-geistigen Menschennatur. Gott hat diese nicht für sich bezweckt, als wenn ihm das Leiden seiner Geschöpfe gefallen könnte, sondern nur als Mittel zu höheren Zwecken, sei es,um das sittlich gute Streben der Menschen zu fördern,sei es, um ihre sittlichen Verkehrtheiten zu strafen und so die moralische Ordnung aufrecht zu erhalten« (l. c. S. 199). Das moralische Übel »haftet nur an demfreien Willen eines geschaffenen Wesens, an dem Eigenwillen desselben, welcher selbstsüchtig sich gegenGottes heiligen Willen auflehnt. Es gibt also kein Böses als substantielles Sein« Sofern Gott diese Weltund freie Wesen wollte, konnte er nicht umhin, das Böse zu dulden. »Zudem ist es der Weisheit Gottes angemessen, daß er Wesen mit der Freiheit zu sündigen schaffte, damit deren Verähnlichung mit ihm als eine durch angestrengte Willenskraft erworbene, im Kampfe mit dem Bösen erprobte um so wertvoller sei« (ib.).

M. PERTY lehrt: »Gottes Werke sind zwar der Idee, der Conception nach vollkommen, aber es können während der Entwicklung z.B. der Organismen oder in deren späterem Leben widrige Umstände eintreten, auf welche die Organismen nicht berechnet sein können. Das läßt dann viele an Gottes Weisheit und Liebe zweifeln. Der Conflict mit der äußeren Welt ist aber zur Entwicklung absolut notwendig, zugleich fördernd und störend« (Die myst. Tats. S. 4).

O. CASPARI erklärt: »Übel empfinden nur Wesen, die mit Gefühl und Empfindung begabt sind.«Die Übel entstehen dadurch, »daß Wesen, die von Grund aus individuell und autonom sind, unter bestimmten Constellationen sich gegeneinander verdunkeln, verwirren, aufheben, täuschen, hintergehen und übervorteilen können in der allerverschiedensten Weise. Umgekehrt können freilich auch nur solche Wesen dem
gegenüber sich einander wiederum erleuchten, erquicken, hingeben, fördern, lebensvoll erfrischen und ihre tiefste Lebenslust miteinander erhöhen«
(Zusammenh. d. Dinge S. 441, 443, 413 ff.).

Nach A. DORNER ist das Böse nur am Guten und beruht nur »auf einem falschen Verhältnis an sich guter Factoren. Es ist nur Durchgangspunkt der Entwicklung«, wird überwunden, bis es schließlich »durch gottbegeisterte Tätigkeit in seiner völligen Nichtigkeit offenbar wird und in der Gottmenschheit immer mehr verschwindet, in welcher der von Gottes Geist erfüllte Geist zu freier, alle Gegensätze überwindender Tätigkeit belebt wird« (Gr. d. Relig. S. 238 f.. vgl. Eth. S. 116 f., 534 ff.). Vgl. G. SPICKER, Vers. ein. neuen Gottesbegr. S. 217 ff.. ÖLZELTNEVIN, Kosmodicee. RENOUVIER, Nouv. Monadol. p. 454 ff.. L. BOURDEAU, Cause et origine du mal, Rev. philos. T. 50, 1900, p. 113 ff. -

Übermensch S.3522ff. Siehe auch bei Kirchner
ist eigentlich nichts anderes als die Idee des vollkommeneren, des vollkommensten Menschen, sowohl als Gattung wie auch als Individualität (Genie) gedacht.

Der Ausdruck »Übermensch« findet sich schon bei HEINR. MÜLLER, dann bei HERDER, GOETHE, HIPPEL, JEAN PAUL (vgl. Zeitschr. f. deutsche Wortforsch., hrsg. von Fr. Kluge,I, 1 ff.). bei GOETHE (»Faust«, »Zueignung«), welcher fragt, ob nicht der Mensch nur »ein Wurf nach einem höheren Ziele ist« (Gespräche, hrsgegeb. von Biedermann II, 263).

Verwandt mit dem Begriffe des (individuellen) Übermenschen ist der Begriff des
»Helden« bei CARLYLE.

Ähnlich erklärt
RENAN: »Der Zweck, den die Welt verfolgt, liegt... darin: Götter, höhere Wesen zu schaffen, welchen die übrigen bewußten Wesen Verehrung erweisen, und denen zu dienen sie glücklich sein sollen« (Philos. Dial. u. Fragm. S. 75). Der Zweck der Menschheit ist »die Hervorbringung großer Männer«(l. c. S. 76). »Die Masse arbeitet. einige erfüllen für sie die höheren Functionen des Lebens« (l. c. S. 91).

In diesem Sinne (teilweise) prägt den Begriff des Übermenschen
NIETZSCHE. Er versteht unter ihm zweierlei:

1) das Genie, das mit künstlerischer Souveränität (s. F. SCHLEGEL: Ironie) oder kraftvollster Rücksichtslosigkeit seine hochwertige Persönlichkeit, ausgerüstet mit der autonom Werte setzenden »Herrenmoral« , entfaltet, auslebt, durchsetzt (etwa wie der starke, freie Renaissancemensch), also die biologisch und geistig weit aus der Masse hervorragende, mit höchstem »Willen zur Macht« ausgestattete Persönlichkeit, die Selbstzweck ist, für die die Masse nur Mittel ist.

2) einen ähnlichen Gattungstypus, auf den alle Entwicklung hinzielt, das Produkt langer, glücklicher (auch bewußt-planmäßiger) Züchtung. An der Züchtung des Übermenschen zu arbeiten, ist Lebenswerk der Menschheit (WW. VII, 138 f.. VIII, 218 f.. u. ö.).


Unendlich S.3557ff. Siehe auch bei Kirchner
ist, was kein Ende hat, was endlos ist, d.h. was über jede Grenze, die gegeben ist oder vom Denken sich selbst gesteckt werden kann, hinausliegt.

Das Unendlich-Große ist die über jede denkbare, bestimmbare Größe hinausliegende zu denkende Größe, das Unendlich-Kleine das unter jeder denkbaren, bestimmbaren Größe (Kleinheit) Liegende, zu Denkende. Das (mathematisch) Unendliche ist also nichts Gegebenes, nichts Concretes, Abgeschlossenes, sondern wird nur im grenzenlosen Fortgang (Progress, Regress) des Denkens, in unvollendbarer Synthese gesetzt, postuliert, zur Aufgabe gemacht (aufgegeben). Subjectiv beruht das Unendliche auf der Fähigkeit der Phantasie und des Denkens, zu jeder möglichen Größe eine weitere hinzuzutun, anderseits jede mögliche Größe auch nach unten hin auf weitere Größen zurückzuführen (Teilbarkeit), also auf der Constanz der größesetzenden Function des Bewußtseins.

Die Unendlichkeit der Zeit bedeutet zunächst nur, daß wir diese Anschauungsform consequent anwenden müssen, so auch die Unendlichkeit des Raumes. Beide sind uns nicht als unendlich gegeben, sondern werden in Gedanken auf jeden möglichen Erfahrungs-Inhalt angewandt. Teilweise verhält es sich auch so mit der Unendlichkeit der Materie und der Kraft. Das metaphysisch Unendliche ist das über alles Endliche Erhabene, das Unbedingte, Absolute, Schrankenlose, das All in sich Befassende, für das Erkennen (direct) Transcendente, aber als Absolutes zu Postulierendes, der Inbegriff alles Seins nicht als Quantum, sondern als unerschöpfliche Kraft gedacht.


Während im
Altertum, bei den Griechen, infolge der hohen Wertung alles Maßes, das Unbegrenzte, Unendliche meist weniger gilt als das Begrenzte, wird seit PHILO und (seit der christlichen Philosophie) das Unendliche zunächst in Gottes Wirken, später (seit der Renaissance) auch der Welt hoch gewertet (vgl J. COHN, Gesch. d. Unendl. S. 33).

Als »Aditi« tritt die Idee der Unendlichkeit in der indischen Philosophie auf.

Das »Unbegrenzte« (apeiron) macht ANAXIMANDER zum Weltprincip.Dieses muß unbegrenzt sein, weil ein endliches Princip sich in seinen Productionen erschöpfen würde (Plut., Plac. I, 3). Das Apeiron scheidet unendliche Welten aus tous hapantas apeirous ontas kosmous, (Dox. D. 579). Es gibt immer noch ein Kleineres als das Kleinste, ein Größeres als das Größte (Fragm. 5). Einen unbegrenzten Urstoff nehmen ANAXIMANDER und DIOGENES von APOLLONIA an.

ANAXAGORAS lehrt die Existenz einer Unendlichkeit von »Homöomerien«.

Den Pythagoreern gilt die gerade Zahl als apeiron, als ein Princip des Seienden (Aristot., Met. I 5, 987 a 16 B. Peras). einai to exô tou ouranou apeiron - die Welt ist unbegrenzt (Arist., Phys. III 4, 203a 7). so auch ARCHELAUS to pan apeiron (Diog. L. II 4, 17).

HERAKLIT betrachtet das Werden als unendlich.

Die Eleaten setzen die Unendlichkeit in das Sein. Dieses ist nach MELISSUS aphtharton, apeiron (Simpl. ad Phys. 22. Diog. L. IX 4, 24).

PARMENIDES,
das Seiende die Form einer Kugel, eines sich selbst Begrenzenden to holonpeperanthai messothen isopales, (Aristot., Phys. III 6,207 a 11 squ.. vgl. über ZENO: Antinomien).

Die Existenz unendlicher Welten und unendlich vieler Atome lehrt
DEMOKRIT apeirous t' einai kosmous ... kai tas atomous d' apeirous einai kata megethos kai plêthos, (Diog. L. IX 7, 44). apeira einaita panta ... to men pan apeiron phêsin, (l. c. IV 7, 30 squ.). Das Leere (kenon) ist unbegrenzt (Stob. Ecl. I 18, 380).

Nach PLATO ist die Welt begrenzt (Arist., Phys. III 4, 203 a. vgl. Peras). Das apeiron ist das mallon te kai hêtton Fähige (Phileb. 466 squ.). Die Materie ist unbegrenzt, bestimmungslos.

Nach HERAKLIDES VON PONTUS ist die Ausdehnung der Welt unendlich (Stob. Ecl. I, 440). -

Nach ARISTOTELES gibt es kein vollendetes Unendliches, kein Unendliches energeia, sondern nur dynamei, der Möglichkeit nach, nur als Progreß ins Unendliche, durch prosthesis und diairesis. Malista de physikou esti skepsasthai ei esti megethos aisthêton apeiron ... hena men dê tropon to adynaton dielthein tô mê pephykenai diienai, hôsper hê phônê aoratos. allôs de to diexodon echon ateleutêton, ê ho molis, êho pephykos echein ê amphoterôs (Phys. III 4, 204 a 1 squ. . Met. XI 10, 1066 a 35 squ.). chôriston men oun einai to apeiron tôn aisthêtôn, auto ti on apeiron, ouch hoion te. ei gar mête megethos esti mête plêthos, all' ousia auto esti to apeiron kai mê symbebêkos, adiaireton estai. to gar diaireton ê megethos estai ê plêthos. ei de adiaireton, ouk apeiron, ei mê hôs hê phônê aoratos. all' ouch houtôs oute phasin einai hoi phaskontes einai to apeiron oute hêmeis zêtoumen, all' hôs adiexodon. eti ei kata symbebêkos esti to apeiron, ouk an eiê stoicheion tôn ontôn, hê apeiron, hôsper oude to aoraton tês dialektou, kaitoi hê phônê estin aoratos.eti pôs endechetai einai ti auto apeiron, eiper mê kaiarithmon kai megethos, hôn esti kath' hauto pathos ti to apeiron. eti gar hêtton anankê ê ton arithmon ê to megethos. phaneron de kai hoti ouk endechetai einai to apeiron hôs energeia on kai hôs ousian kai archên ... polla d' apeira to auto einai adynaton ... adynaton to entelecheia on apeiron (Phys. III 5, 204 a 8 squ.). to apeiron esti men prosthesei esti de kai aphairesei. to de megethos hoti men kat' energeian ouk estin apeiron, eirêtai, diairesei d' estin. ou gar chalepon anelein tas atomous grammas. leipetai oun dynamei einai to apeiron (Phys. III 6, 206 a 14 squ.). holôs men gar houtôs esti to apeiron, tô aei allo kai allo lambanesthai, kai to lambanomenon men aei einai peperasmenon, all' aei ge heteron kai heteron. hôste to apeiron ou dei lambanein hôs todeti, hoion anthrôpon ê oikian, all' hôs hêmera legetaikai ho agôn, hois to einai ouch hôs ousia tis gegonen, all' aei en genesei kai phthora, ei kai pe-perasmenon, all' aei ge heteron kai heteron (Phys. II 6, 206 a 27 squ.). -

Nach den Stoikern ist der Raum unendlich, die Welt hingegen begrenzt hena ton kosmon einai kai touton peperasmenon - to kenon apeiron (Diog. L. VII 1, 140).

Auf eine subjective Erscheinung, auf das Ermüden der Seele im Progreß führt den Unendlichkeitsbegriff SENECA zurück: »Ubi aliquid animus diu protulit et magnitudinem eius sequendo lassatus est, infinitum coepit vocari... eodem modo aliquid difficulter secari cogitavimus. novissime crescente hac difficultate insecabile inventum est« (Ep. 118, 17).

Nach EPIKUR ist (gegen die Stoa) die Unendlichkeit des Raumes mit der Endlichkeit der Dinge (der Welt) nicht vereinbar, da diese letzteren auseinandergestreut würden. wäre aber der Raum endlich, so hätten die unendlichen Dinge keinen Ort. Unendlich ist das All der Dinge, unendlich der Raum, unendliche Welten gibt es: alla mên kai to pan apeiron esti. to gar peperasmenon akron echei. to d' akron par' heteron ti theôreitai. hôste ouk echon akron peras ouk echei, peras d' oukechon apeiron an eiê kai ou peperasmenon. kai mên kai tô plêthei tôn sômatôn apeiron esti to pan kai tô megethei tou kenou. eite gar ên to kenon apeiron, ta de sômata hôrismena, oudamou an emene ta sômata, all' ephereto kata to apeiron kenon diesparmena, ouk echonta ta hypereidonta kai stellonta kata tas anakopas. eite to kenon ên hôrismenon, ouk an eiche ta apeira sômata hopou an esti ... kai kath' hekastên de schêmatôsin haplôs apeiroi eisin atomoi, tais de diaphorais ouch haplôs apeiron, alla monon anerilêptoi (Diog. L. X, 41 squ.). alla mên kai kosmoi apeiroi eisin, eith' homoioi toutô eit' anomoioi. hai te gar atomoi apeiroi ousai, hôs arti apedeichthê, pherontai kai porrhôtatô. ou gar katênalôntai hai toiautai atomoi ex hôn an genoito kosmos ê hyph' hô an poiêtheiê, out' eis hena out' eis peperasmenous, outh' hosoi toioutoi, outh' hosoi diaphoroi toutô. hôst' ouden to empodizon. esti prostên apeirian tôn kosmôn (Diog. L. X, 45). pan de megethos hyparchon oute chrêsimon esti pros tas tôn poiotêtôn diaphoras. aphichthai te mellei kai pros hêmas horatê atomos. ho ou theôreitai ginomenon outh' hopôs an ginoito horatê atomos estin epinoêsai. pros de toutois ou dei nomizein en tô horismenô sômati apeirous onkous einai oud' hopêlikousoun. hôst' ou monon tên eis apeiron tomên epi toulatton anaireteon, hina mê pant' asthenê poiômen kai hôs en tais perilêpsesi tôn athroôn eis to mê on anankazômetha ta onta thlibontes katanaliskein. alla kai tên metabasin mê nomisteon ginesthai en tois hôrismenois eis apeiron epi
toulatton
(Diog. L. X, 56 squ.).

LUCREZ erklärt: »Omne quod est igitur nulla regione viarum finitumst.« »Praeterea si iam finitum constituatur omne quod est spatium, si quis procurrat ad oras ultimus extremas iaciatque volatile telum, id validis utrum contortum viribus ire quo fuerit missum mavis longeque volare, an prohibere aliquid censes obstareque posse...« (De rer. nat. I, 958 squ.). »Praeterea spatium summai totius omne undique si inclusum certis consisteret oris finitum que foret, iam copia materiai undique ponderibus solidis confluxet ad imum, nec res ulla geri sub caeli tegmine posset, nec foret omnino caelum neque lumina solis. quippe ubi materies omnis cumulata iaceret ex infinito iam tempore subsidendo« (l. c. I, 984 squ.. vgl. I, 990 squ.. 1035 squ.. II, 80 squ.). Der Raum ist ohne Grenze (l. c. II, 92 squ.).

PHILO bestimmt Gott als unendlich, vollkommen (vgl.auch von den Psalmen: 90, 102).

PLOTIN
das göttliche »Eine« (hen), welches an Kraft unbegreiflich ist (Enn. VI 9, 6. vgl. VI, 6, 2 squ.). Zum Begriffe des Unendlichen gehört die Abwesenheit jedes Mangels. Das Intelligible ist (dynamisch) unendlich, weil es nichts von sich aufbraucht (l. c. III, 7, 5). >>Emanation. Der Körper ist ins unendliche hin teilbar (l. c. II, 4, 7). Die Materie ist apeiron (l. c. II, 4, 15).

Nach ORIGENES hat Gott die Welt begrenzt geschaffen (De princ. II, 9), er schafft immer neue Welten (l. c. III, 5).

Nach AUGUSTINUS ist die Zeit erst mit der Welt erschaffen worden (Conf. XI, 11 ff.). »Mentem divinam omnino immutabilem cuiuslibet infinitatis capacem et innumera omnia sine cogitationis alternatione numerantem« (De civ. Dei XII, 17).

Die Unendlichkeit Gottes betonen JOH. DAMASCENUS (De orth. fide I), SCOTUS ERIUGENIA, ANSELM, PETRUS LOMBARDUS (Lib. sent. I, d. 42, 2), IBN GEBIROL, MAIMONIDES u. a.

Die Motakallimûn lehren die Begrenztheit der Welt, der Zeit, des Geschehens.

Raum und Zeit sind endlich nach
SAADJA (vgl. Lasswitz, G. d. At. I, 152). -

Nach PETRUS HISPANUS ist »unendlich« 1) »quod non potest pertransiri«, 2) »quod habettransitum imperfectum«, 3) »secundum appositionem,ut numerus«, 4) »secundum divisionem«, 5) »utroque modo«(vgl. Prantl, G. d. L. III, 67).

ALBERTUS MAGNUS bemerkt: »Infinitum triplex, sc. potentia tantum, sicut quantum: potentia et actu, sicut quantum divisum: et actu tantum, sicut causa prima« (Sum. th. I, 14, 1).

THOMAS betont: »Intellectus humanus nec actu, nec habitu potest intelligere infinita, sed in potentia tantum« (Sum. th. I, 86, 2). »In rebus
materialibus non inventur infinitum in actu, sed solumin potentia«
(ib.). »Magnitudo non est actu infinita« (3 phys. 10 b). »In rebus materialibus aliquid dicitur infinitum per privationem formalis terminationis.« »Deus dicitur infinitus, sicut forma quae non est terminata per aliquam materiam«(vgl. Sum. th. I, 7, l).

DUNS SCOTUS bestimmt Gott als in jeder Beziehung unendlich. So auch RAYMUND VON SABUNDE (vgl. Stöckl II, 944).

Nach WILH. VON OCCAM ist die Unendlichkeit Gottes nicht logisch beweisbar (Quodlib. theol. II, 2). -

Über Stetigkeit, Teilbarkeit handelt THOMAS DE BRADWARDINA (vgl. M. Curtze, Zeitschr. f. Mathem. u. Phys. XIII, Supplem. 1868, S. 86 ff.). -

Nach GOCLEN gibt es »infinitum per se« (Gott) und »per accidens« (Lex. philos. p. 237).

MICRAELIUS bemerkt: »In physicis infinitum corpus actu non datur. interim infinitum est aliquid potenti (Lex. philos. p. 543). »Infinitum theologiae sumitur pro eo, quod terminos essentiae non habet adeoque aeternum est nec potest desinere« (l. c. p. 544).

Nach NICOLAUS CUSANUS ist Gott, das Maximum und Minimum, das Centrum und die Peripherie, das alles Umfassende, in allem Seiende, unendlich (De doct. ignor. I, 2, 12 ff.). »Infinitas materiae est primitiva, Dei negativa« (l. c. II, l, 4: 11). Die Welt ist nicht unendlich, sondern nur grenzenlos. Der absoluten Unendlichkeit Gottes steht die contrahierte Unendlichkeit, die Unbegrenztheit gegenüber (L c. II, 8).

Ähnlich lehrt G. BRUNO. »Dico l'universo tutto infi-nito, perchè non a margine, termine, nè superficie« (Dell infin. p. 25. vgl. De la causa, V). Das Unendliche kann nicht sinnlich wahrgenommen werden (l. c. p. 2).

Nach KEPLER muß das Universum endlich sein (Opp. ed. Fritsch II, 687 ff.).

GALILEI läßt die Frage unentschieden (vgl. Cohn, Gesch. d. Unendl. S.110). Unendliche Welten gibt es (l. c. p. 7 j De immenso I, 9 f.. VIII, 3).

Nach PATRITIUS ist die Welt unendlich und endlich zugleich (Pancosm. VIII, p. 82 f.). Das Endliche ist ein Teil des Unendlichen (ib.). Ihrer Masse nach ist die Welt unendlich, so auch der Raum (l. c. p. 83).

Nach F. M. VAN HELMONT ist für uns die Menge der Dinge unendlich, unzählbar, aber Gott kennt ihre Zahl (vgl. Ritter XII, 21).

Nach CAMPANELLA ist das Unendliche immateriell (Univ. philos. I, 1, 9). Die Materie ist nicht unendlich (l. c. I, 2, 5. II, 7, 5).

L. DA VINCI bemerkt: »Ogni quantità continua intelettuamente è divisibile in infinito« (Scritti publ. da J. P. Richter, 1883, II, 308.
Cohn, Gesch. d. Unendl. S. 127).


Gegen die unendliche Teilbarkeit ist P. RAMUS (Phys. III, 5. IV, 1. V, 1).

Nach DESCARTES hat die Idee des Unendlichen das Prius vor der des Endlichen. Letztere entsteht durch Einschränkung jener (Ep. I, 119). »priorem quoddammodo in me esse perceptionem infiniti quam finiti, hoc est Dei, quam mei ipsius« (Medit. III, p. 21). Infinites und Indefinites sind zu unterscheiden: »Distinguo inter indefinitum et infinitum illudque tantum proprie infinitum appello, in quo nulla et parte limites inveniuntur, quo sensu solus Deus est infinitus. illa autem, in quibus sub aliqua tantum ratione finem non agnosco, ut extensio spatii imaginarii, multitudo numerorum, divisibilitas partium, quantitatis et similia, indefinita quidem appello, non autem finita, quia non omni ex parte fine carent« (Resp. ad I. obiect. p. 59). »Nullis unquam fatigabimur disputationibus de infinito: Nam sane cum simus finiti, absurdum
esset nos aliquid de ipso determinare, atque sic illud quasi finire ac comprehendere conari. Non igitur respondere curabimus iis, qui quaerunt, an si daretur linea infinita, eius media pars esset etiam infinita. vel an numerus infinitus sit par anve impar, et talia: quia de iis nulli videntur debere cogitare, nisi qui mentem suam infinitam esse arbitrantur. Nos autem illa omnia, in quibus sub aliqua consideratione nullum finem poterimus invenire, non quidem affirmabimus esse infinita, sed ut indefinita spectabimus. Ita quia non possumus imaginari extensionem tam magnam, quin intelligamus adhuc maiorem esse posse, dicemusmagnitudinem rerum possibilium esse indefinitam. Et quia non potest dividi aliquod corpus in tot partes, quin singulare adhuc ex his partibus divisibiles intelligantur, putabimus quantitatem esse indefinite divisi-bilem. Et quia non potest fingi tantus stellarum numerus, quin plures adhuc a Deo creari potuisse credamus, illarum etiam numerum indefinitum supponemus. atque ita de reliquis«
(Princ. philos. I, 26). »Cognoscimus praeterea hunc mundum, sive substantiae corporeae universitatem, nullos extensionis suae fineshabere. Ubicunque enim fines illos esse fingamus, semper ultra ipsos aliqua spatia indefinite extensa nonmodo imaginamur, sed etiam vere imaginabilia, realiaesse percipimus. ac proinde etiam substantiam corpoream indefinite extensam in iis contineri. Quia... idea eius extensionis, quam in spatio qualicunque concipimus, eadem plane est cum idea substantiae corporeae« (l. c. II, 26). »Haecque indefinita dicemus potius quam infinita. tum ut nomen infiniti soli Deo reservemus, quia in eosolo omni ex parte, non modo nullos limites agnoscimus, sed etiam positive nullos esse intelligimus. tum etiam, quia non eodem modo positive intelligimus, alias res aliqua ex parte limitibus carere, sed negative tantum eorum limites, si quos habeant, inveniri a nobis non posse confitemur« (l. c. I, 27). Das Unendliche (Gott) kann nicht comprehendiert, nur intelligiert werden (Resp. I).

Nach GASSENDI sind Raum und Zeit unendlich, aber nicht die Welt (Phil. Epic. synt. II, sct. I, 2).

Nach D. SENNERT ist ein Unendliches »actu« unmöglich (Epit. natur. scient. I, 5).

Nach SPINOZA ist das Unendliche in verschiedener Weise zu nehmen. Es ist: 1) »Quod sua natura sive vi suae definitionis sequitur
esse infinitum2) »Quod nullus habet fines3) »Cuius partes, quamvis eius maximas et minimas habeamus, nullo tamen numero adaequare et explicare possumus.« 4)»Quod solum modo intelligere, non vero imaginari - quod etiam imaginari possumus«
(Ep. 29). Die Substanz ist ihrem Wesen nach unendlich, mit ihr ihre Attribute. Zahl, Maß, Zeit sind indefinit (ib.). Die göttliche Substanz ist »ens absolute infinitum«, bestehend »infinitis attributis«, sie involviert keinerlei Negation (Eth. I, prop. VI). Die Unendlichkeit liegt im Wesen der Substanz, kommt ihr notwendig zu (l. c. I, prop. VIII). Die absolut unendliche Substanz ist unteilbar (l. c. I, prop. XIII). Nur in der Imagination, unschaulich, nicht begrifflich ist die Größe teilbar. »Si quis tamen iam quaerat, cur nos ex natura ita propensi sumus ad dividendam quantitatem, ei respondebo, quod quantitas duobus modis a nobis concipitur, abstracte scilicetsive superficialiter, prout nempe ipsam imaginamur, vel ut substantia, quod a solo intellectu fit. Si itaque ad quantitatem attendimus, prout in imaginatione est, quod saepe et facilius a nobis fit, reperietur finita di-visibilis et ex partibus conflata. si autem ad ipsam, prout in intellectu est, attendimus, et eam, quatenus substantia est. concipmus, quod difficillime fit, tum... infinita, unica et indivisibilis reperietur.«Nur »modaliter«, nicht »realiter« sind Teile zu unterscheiden (l. c. I, prop. XV, schol.). Aus dem Wesen der göttlichen Natur folgt Unendliches auf unendliche Weise: »Ex necessitate divinae naturae infinita infinitis modis... sequi debent« (l. c. I, prop. XVI). -

Die Unbegreiflichkeit der unendlichen Teilbarkeit betont die Logik von
PORT-ROYAL (l. c. IV, 1).

So auch MALEBRANCHE, welcher lehrt: »L'esprit n'aperçoit aucune chose que dans l'idée qu'il a de l'infini« (Rech. II, 6. III, 1, 2). Die Ideen sind im Unendlichen eingeschlossen, sind Teile desselben.

Ähnlich bemerkt FÉNÉLON: »C'est dans l'infini que je vois le fini. En donnant a l'infini diverses bornes, je fais, pour ainsi dire, du créateur diverses natures créés et bornées« (De l'exist. de Dieu p. 143 f.). Die Idee des Unendlichen ist weder verworren noch negativ, sondern
durchaus positiv
(l. c. p. 123 ff.).

Nach O. VON GUERICKE ist die Welt begrenzt (vgl. Cohn, Gesch d. Unendl. S. 152).

Den Unendlichkeitsbegriff erörtert kurz F. BACON (Nov. organ. I, 48).

HOBBES betont, daß wir vom Unendlichen kein »phantasma« haben, das Unendliche bedeutet nur, daß wir bei einem Dinge keine Grenzen erreichen können. »Quicquid imaginamur, finitum est. Nulla ergo est idea neque conceptus, qui oriri potest a voce hac, infinitum. Animus humanus imaginem infinitae magnitudinis capere non potest... Quando dicimus rem aliquam esse infinitam, hoc tantum significamus, non posse nos illius rei terminos et limites concipere, neque aliud concipere praeter nostram impotentiam propriam« (Leviath. I, 3. De corp. C. 7, 11). Eine unendliche Zahl ist jene, die alles Gegebene überschreitet (De corp. C. 7, 12).

Nach LOCKE werden die Prädicate endlich und unendlich zunächst nur den Dingen beigelegt, welche aus Teilen bestehen und welche der Verminderung oder Vergrößerung fähig sind (Ess. II, ch. 17, § 1). Da die empirischen Objecte endlich, begrenzt sind, so fragt es sich, wie wir zur Idee des Unendlichen kommen (l. c. § 2). Sie beruht auf der Constanz unseres hinzuzählenden Vermögens. Wir haben bei unserem Vervielfachen von Größen nirgends einen Grund, damit anzuhalten. »Indem so die Kraft, den Raum in Gedanken noch größer zu machen, immer bleibt, bildet sich daraus die Idee des unendlichen Raumes« (l. c. § 3). Nichts hält uns ab, den Raum in Gedanken immer weiter auszudehnen (l. c. § 4). So hat auch die Idee der Dauer keine Grenzen (l. c. § 5), wir können Vorstellungen ohne Grenze aneinander fügen (l. c. § 6). Aber das Unendliche ist nichts Abgeschlossenes, keine positive Vorstellung, sondern besteht im Fortgange des Denkens. »Wenngleich die Idee der Unendlichkeit aus dem Begriff der Größe und aus der endlosen Vermehrung entspringt, welche die Seele mit der Größe vornehmen kann, indem sie sie so oft wiederholt, als es ihr beliebt, so würde es doch in unserem Denken große Verwirrung anrichten, wenn man die Unendlichkeit mit irgend einer von der Seele vorgestellten Größe verbinden wollte... Denn unsere Idee der Unendlichkeit ist eine endlos wachsende Vorstellung. Wenn man daher ist einer Größe, welche die Seele sich zu einer Zeit bestimmt vorstellt (die, mag sie so groß sein, als sie will, nicht größer werden kann als sie ist), die Unendlichkeit hinzufügt, so ist dies so, als wenn man einer zunehmenden Masse ein Maß anfügen wollte. Es ist deshalb keine nutzlose Spitzfindigkeit, wenn ich verlange, daß man genau zwischen der Unendlichkeit des Raumes und einem unendlichen Raume unterscheide. Erstere ist nur ein angenommener endloser Fortgang der Seele über irgend welche wiederholten Vorstellungen vom Raum. Sollte aber die Seele wirklich die Vorstellung des unendlichen Raumes haben, so müßte sie wirklich schon alle jene wiederholten Vorstellungen des Raumes durchgegangen sein und übersehen, obgleich bei einer endlosen Wiederholung diese sich ihr niemals bieten kann, da dies einen klaren Widerspruch enthält« (l. c. § 7). »Sobald man die Vorstellung von einer auch noch so großen Ausdehnung oder Dauer bildet, so wird offenbar die Seele damit fertig und komm zum Abschluß. allein dies widerspricht der Idee des Unendlichen, in welcher das Denken kein Ende finden kann«(ib.). Die klarste Idee der Unendlichkeit gewährt die Zahl (l. c. § 9). Die Ewigkeit erscheint nach allen Seiten als unendlich, »weil man das unendliche Ende der Zahl, d.h. das Vermögen, ohne Ende zu vermehren, dabei nach beiden Richtungen wendet« (l. c. § 10). Ähnliches gilt vom Raum: Man betrachtet sich selbst als im Mittelpunkte befindlich und verfolgt nach allen Richtungen die endlosen Zahlenreihen (l. c. § 11 ff.. gl. § 22).

Nach J. TOLAND ist das All an Ausdehnung und Kraft unendlich (Pantheistic. p. 6 ff.).

COLLIER findet im Begriffe des Unendlichen Widersprüche ( Clav. univ. II, 3. vgl. II, 4. vgl. BAYLE, Dict., Art. Zénon).

Gegen das Unendlichkleine ist BERKELEY (The Analyst, Works 1871, III, 259 ff.).

Nach LEIBNIZ haben wir nicht die Idee eine unendlichen Ganzen oder eines aus Teilen sich zusammensetzenden Unendlichen. Wir können denken, daß etwas keine Grenzen hat, daß es kein letztes endliches Ganzes gibt. daraus folgt aber nicht, daß wir die Vorstellung eines unendlichen Ganzen besitzen. Es gibt keine unendliche gerade Linie, aber jede Grade kann verlängert oder von einer andern größeren übertroffen werden (Gerh. VI, 579 ff.. Theod. I B, § 195. Nouv. Ess. II, ch. 27). Das wahre Unendliche ist nur im Absoluten, welches jeder Zusammensetzung vorausgeht (l. c. ch 27, §1). Einen absoluten Raum als unendliches Ganzes kann man sich aber nicht vorstellen, das ist ein in sich widersprechender Begriff. die unendlichen Ganzheiten und Kleinheiten haben nur in der mathematischen Berechnung Sinn (l. c. § 5). Weil das Stetige ins unendliche teilbar ist, gibt es im kleinsten Teile des Stoffes eine unendliche Menge von Geschöpfen. Raum und Zeit sind ins unendliche teilbar (Erdm. p. 436, 449, 744. Pertz III, 7, 22). Die unendlich kleinen und großen Quantitäten sind Fictionen, aber nützlich und notwendig für die Rechnung (Differentialrechnung. vgl. auch NEWTONs Entdeckung auf diesem Gebiete) (Pertz III, 4, 218). »L'idée de l'absolu est antérieure dans la nature des choses à celles des bornes qu'on ajoute« ( Nouv. Ess. II, ch. 14, § 27). Die Ausdehnung der Welt ist unendlich (Gerh. VII, 395 f.).

CHR. WOLF
bestimmt: »Infinitum in Mathesi dicimus, in quo nulli assignari possunt limites, ultra quos augeri amplius nequeat« (Ontolog. § 796 f.). »Infinitum parvum in Mathesi dicitur, cui nullus assignari potest limes, ultra quem imminui amplius nequit« (l. c. § 802). »Ens infinitum« ist das Wesen, »in quo sunt omnia simul, quae eidem actu inesse possunt«(l. c. § 838).

BAUMGARTEN
definiert das »ens infinitum« als »ens, quod actu est« (Met. § 359).

CRUSIUS
erklärt: »Ein Ding, das Schranken hat, heißt endlich. Unendlich aber ist ein Ding, das keine Schranken hat.« Unendlich ist das, »dessen Realität sich nicht weiter, auch nicht einmal in Gedanken, vermehren läßt« (Vernunftwahrh. § 133).

Nach H. S. REIMARUS ist eine vollendete Unendlichkeit undenkbar (Nat. Relig.2, 1755, S. 4 ff.).

Nach LAMBERT ist das Unendliche unerkennbar (Anl. zur Architekt. II, § 904 ff.).

PLATNER betont, »daß der Mensch nicht vermögend ist, sich das Endliche zu denken, wiefern er nicht vermögend ist, etwas zu denken, was von nichts begrenzt, daß der Begriff vom Endlichen nichts anderes ist als der Begriff von Teilen und Absätzen einer unendlichen Stetigkeit, daß der Mensch fähiger und geneigter ist, sich die Fülle des göttlichen Verstandes,den Umfang der Zeit und der Ausdehnung unendlich zu denken als endlich, daß jedoch der Begriff des Menschen vom Unendlichen nichts anderes ist als der Begriff einer unerschöpflich vermehrbaren Größe« (Philos. Aphor. I, § 1209). »Das Unvermögen des menschlichen Verstandes, sich den Anfang der mit und die Schranken der Ausdehnung zu denken, ist gegründet in der Denkart der Phantasie, welche selbst das Nichts unter einem Bilde vorstellt, und folglich das Nichts, welches außer dem All der Zeit und der Ausdehnung ist, in ein etwas verwandelt« (l. c. § 1210). »Jedoch ist jener Begriff des Unendlichen, in welchem nichts gedacht wird als die unerschöpfliche Vermehrbarkeit einer Größe, der Begriff des mathematisch Unendlichen, nicht des metaphysischen«(l. c.§ 1211). »Für die metaphysische Unendlichkeit des höchsten Wesens hat der menschliche Verstand keine Idee, als nur die auf Grundbegriffen beruhende Einsicht der reinen Vernunft, daß seinem Wesen und seinen Vollkommenheiten die Größe schlechterdings widerspreche« (l. c. § 1212). -

Nach VOLTAIRE gibt es keine positive Idee des Unendlichen (Philos. ignor. p. 120 f.. vgl. Dict. philos., art. Infini). Der Raum ist unendlich, die Materie nicht (Élém. de la philos. de Newton ch. 2). Es gibt Atome (Dict. philos., art. Atomes). Vgl. D'ALEMBERT, Mél. V, § 14 f.. FONTNELLE, Élém. de la géom. de l'infini 1827, Préf. (Cohn, Gesch. d. Unendl. S. 225, 227).

KANT verbindet den Gedanken des unendlichen Progresses mit dem der Phänomenalität dessen,was als unendlich gedacht wird. Die »Antinomien« löst er so, daß er erklärt, die Welt existiere »weder als ein an sich unendliches, noch als ein an sich endliches Ganzes«, da sie nur Erscheinung ist. Sie ist »nur im empirischen Regressus der Reihe der Erscheinungen und für sich selbst gar nicht anzutreffen. Daher, wenn diese jederzeit bedingt ist, so ist sie niemals ganz gegeben, und die Welt ist also kein unbedingtes Ganzes« (Krit. d. rein. Vern. S. 410). »Der Grundsatz der Vernunft also ist eigentlich nur eine Regel, welche in der Reihe der Bedingungen gegebener Erscheinungen einen Regressus gebietet, dem es niemals erlaubt ist, bei einem schlechthin Unbedingten stehen zu bleiben«(l. c. S. 413). »Wenn das Ganze in der empirischen Anschauung gegeben worden, so geht der Regressus in der Reihe seiner innern Bedingungen ins unendliche: ist aber nur ein Glied der Reihe gegeben, von welchem der Regressus zur absoluten Totalität allererst fortgehen soll: so findet nur ein Rückgang in unbestimmte Weite (in indefinitum) statt. So muß von der Teilung einer zwischen ihren Grenzen gegebenen Materie (eines Körpers) gesagt werden: sie gehe ins unendliche« (l. c. S. 415). - »In keinem von beiden Fällen, sowohl dem Regressus in infinitum, als dem in indefinitum, wird die Reihe der Bedingungen als unendlich im Object gegeben angesehen. Es sind nicht Dinge, die an sich selbst, sondern nur Erscheinungen, die, als Bedingungen voneinander, nur im Regressus selbst gegeben werden. Also ist die Frage nicht mehr: wie groß diese Reihe der Bedingungen an sich selbst sei, ob endlich oder unendlich, denn sie ist nichts an sich selbst, sondern: wie wir den empirischen Regressus anstellen und wie weit wir ihn fortsetzen sollen. Und da ist denn ein namhafter Unterschied in Ansehung der Regel dieses Fortschritts. Wenn das Ganze empirisch gegeben worden, so ist es möglich, ins unendliche in der Reihe seiner inneren Bedingungen zurückzugehen.Ist jenes aber nicht gegeben, sondern soll durch empirischen Regressus allererst gegeben werden, so kann ich nur sagen: es ist ins unendliche möglich, zu noch höheren Bedingungen der Reihe fortzugehen. Im ersteren Falle konnte ich sagen: es sind immer mehr Glieder da und empirisch gegeben, als, ich durch den Regressus (der Decomposition) erreiche. im zweiten aber: ich kann im Regressus noch immer weiter gehen, weil kein Glied als schlechthin unbedingt empirisch gegeben ist, und also noch immer ein höheres Glied als möglich und mithin die Nachfrage nach demselben als notwendig zuläßt« (l. c. S. 416 f.). - Weder anschaulich noch begrifflich ist uns die Weltgröße bestimmt gegeben. »Ich kann demnach nicht sagen: die Welt ist der vergangenen Zeit oder dem Raume nach unendlich. Denn dergleichen Begriff von Größe, als einer gegebenen Unendlichkeit, ist empirisch, mithin auch in Ansehung der Welt, als eines Gegenstandes der Sinne, schlechterdings unmöglich. Ich werde auch nicht sagen: der Regressus von einer gegebenen Wahrnehmung an, zu allem dem, was diese im Raume sowohl als der vergangenen Zeit in einer Reihe begrenzt, geht ins unendliche, denn dieses setzt die unendliche Weltgröße voraus, auch nicht: sie ist endlich, denn die absolute Grenze ist gleichfalls empirisch unmöglich. Demnach werde ich nichts von dem ganzen Gegenstande der Erfahrung (der Sinnenwelt), sondern nur von der Regel, nach welcher Erfahrung ihrem Gegenstande angemessen, angestellt und fortgesetzt werden soll, sagen können« (l. c. S. 420 f.). - Die Welt hat »keinen ersten Anfang der Zeit und keine äußerste Grenze dem Raume nach«. »Denn im entgegengesetzten Falle würde sie durch die leere Zeit einer- und durch den leeren Raum anderseits begrenzt sein. Da sie nun als Erscheinung keines von beiden an sich selbst sein kann, denn Erscheinung ist kein Ding an sich selbst, so müßte eine Wahrnehmung der Begrenzung durch schlechthin leere Zeit oder leeren Raum möglich sein, durch welchen diese Weltenden in einer möglichen Erfahrung gegeben wären. Eine solche Erfahrung aber, als völlig leer an Inhalt, ist unmöglich. Also ist eine absolute Weltgrenze empirisch, mithin auch schlechterdings unmöglich.« »Hieraus folgt denn zugleich die bejahende Antwort: der Regressus in der Reihe der Welterscheinungen, als ins Bestimmung der Weltgröße, geht in indefinitum, welches ebensoviel sagt, als: die Sinnenwelt hat keine absolute Größe, sondern der empirische Regressus... hat seine Regel, nämlich von einem jeden Gliede der Reihe, als einem Bedingten, jederzeit zu einem noch entfernteren (es sei durch eigene Erfahrung, oder den Leitfaden der Geschichte, oder die Kette der Wirkungen und ihrer Ursachen) fortzuschreiten« (l. c. S. 421). »Aller Anfang ist in der Zeit, und alle Grenze des Ausgedehnten im Raume. Raum und Zeit aber sind nur in der Sinnenwelt. Mithin sind nur Erscheinungen in der Welt bedingterweise, die Welt aber selbst weder bedingt, noch auf unbegrenzte Art begrenzt« (l. c. S. 422. s. Teilbarkeit. vgl. De mund. sens. sct. V, § 28. WW. I, 293. Krit. d. Urt. § 26. vgl. Raum, Zeit). In seiner vorkritischen Periode lehrt Kant die Unendlichkeit der Welt (WW. I, 23. I, 292 ff.).

Nach SAL. MAIMON sind die Unendlichkeitsbegriffe »bloße Ideen, die keine Objecte, sondern das Entstehen der Objecte vorstellen«, »Grenzbegriffe«, entstehend durch einen Regressus (Vers. üb. d. Transcend. S. 28). Wir denken die unendliche Zahl durch Succession, der absolute Intellect aber simultan (l. c. S. 228, 237). -

J. G. FICHTE
betrachtet die Tätigkeitdes Ich als ins unendliche gehend. Das absolute Ich ist »unendlich und unbeschränkt«. »Alles, was ist,setzt es, und was es nicht setzt, ist nicht (für dasselbe,und außer demselben ist nichts). Alles aber, was es setzt, setzt es als Ich, und das Ich setzt es, als alles, was es setzt. Mithin faßt in dieser Rücksicht das Ich in sich alles, d. i. eine unendliche unbeschränkte Realität.« »Insofern das Ich sich ein Nicht-Ich entgegensetzt, setzt es notwendig Schranken und sich selbst in diese Schranken. Es verteilt die Totalität des gesetzten Seins überhaupt an das Ich und an das Nicht-Ich und setzt demnach insofern sich notwendig als endlich« (Gr.d. g. Wiss. S. 232 f.). »Insofern das Ich sich als unendlich setzt, geht seine Tätigkeit (des Setzens) auf das Ich selbst, und auf nichts anderes, als das Ich. Seine ganze Tätigkeit geht auf das Ich, und diese Tätigkeit ist der Grund und der Umfang alles Seins. Unendlich ist demnach das Ich, inwiefern seine Tätigkeit in sich selbst zurückgeht, und insofern ist denn auch seine Tätigkeit unendlich, weil das Product derselben, das Ich, unendlich ist... Die reine Tätigkeit des Ich allein und das reine Ich allein ist unendlich. Die reine Tätigkeit aber ist diejenige, die gar kein Object hat, sondern in sich selbst zurückgeht.« »Endlich ist das Ich, insofern seine Tätigkeit objectiv ist« (l. c. S. 234 f.). Beim Setzen des Gegenstandes liegt der Grenzpunkt da, »wohin in die Unendlichkeit ihn das Ich setzt. Das Ich ist endlich, weil es begrenzt sein soll, aber es ist in dieser Endlichkeit unendlich, weil die Grenze ins unendliche immer weiter hinausgesetzt werden kann. Es ist seiner Endlichkeit nach unendlich, und seiner Unendlichkeit nach endlich« (l. c. S. 237). Das unendliche absolute Streben kommt als solches nicht zum Bewußtsein, »weil Bewußtsein nur durch Reflexion und Reflexion nur durch Bestimmung möglich ist« (l. c. S. 252). »Dennoch schwebt die Idee einer solchen zu vollendenden Unendlichkeit uns vor und ist im Innersten unseres Wesens enthalten«(l. c. S. 253). »Das Ich ist unendlich, aber bloß seinem Streben nach, es strebt unendlich zu sein« (l. c. S. 203 f.).

Ähnlich bemerkt SCHELLING: »Daß die ursprünglich unendliche Tätigkeit des Ich sich selbst begrenze, d.h. in eine endliche verwandle (im Selbstbewußtsein) ist nur dann begreiflich, wenn sich beweisen läßt, daß das Ich als Ich unbegrenzt sein kann, nur insofern es begrenzt ist, und umgekehrt, daß es als Ich begrenzt, nur insofern es unbegrenzt ist.« »Das Ich ist alles, was es ist, nur für sich selbst. Das Ich ist unendlich, heißt also, es istunendlich für sich selbst« (Syst. d. transcendental. Ideal. S. 72). »Das Ich ist unendlich für sich selbst, heißt, es ist unendlich für seine Selbstanschauung. Aber das Ich, indem es sich anschaut, wird endlich. Dieser Widerspruch ist nur dadurch aufzulösen, daß das Ich in dieser Endlichkeit sich unendlich wird, d.h.daß es sich anschaut als ein unendliches Werden« (l. c. S. 73 f.). Der Raum wird durch die Zeit, die Zeit durch den Raum endlich, d.h. bestimmt und gemessen (l. c. S. 216). »Die Endlichkeit im eigenen Sein der Dinge ist ein Abfall von Gott« (WW. I 6, 566 f.).

Nach J. J. WAGNER ist die Endlichkeit »nichts als das Leben, in welchem Grenzen gesetzt werden durch es selbst« (Organ. d. menschl. Erk. S. 11).

Nach ESCHENMAYER ist für Gott die Welt nicht unendlich (Gr. d. Naturphilos. S. 11).

STEFFENS erklärt: »Schauen wir ein Endliches als ein solches, so hat dieses Endliche den Grund seines Daseins nicht in sich selbst. Es ist bestimmt durch ein anderes Einzelnes, dieses wieder durch ein anderes, und so fort ins unendliche
Jedes Endliche weist auf eine unendliche Möglichkeit hin. Für die Vernunft aber ist »jede endliche Wirklichkeit mit der unendlichen Möglichkeit unmittelbar verknüpft, und ein jeder Potenz bezeichnet ein wahrhaft Ewiges nur unter der bestimmten Potenz des Besondern« (Grdz. d. philos. Naturwiss. S. 5). Für die ewige Vernunft ist das Endliche ein Nicht-Reales (l. c. S. 6). In der Vernunft erkennen heißt, »ein jedes Einzelne in seinem Wesen, d.h. in der Potenz des Ewigen erkennen« (l. c. S. 6. vgl. Ewigkeit: Spinoza). Jeder Begriff ist als solcher ein Unvergängliches (l. c. S. 9. vgl. Anthropol. S. 202 f.). -

HEGEL
betont: »Es ist... nur Bewußtlosigkeit, nicht einzusehen, daß eben die Bezeichnung von etwas als einem Endlichen oder Beschränkten den Beweis von der wirklichen Gegenwart des Unendlichen, Unbeschränkten enthält, daß das Wissen von Grenze nur sein kann, insofern das Unbegrenzte diesseits im Bewußtsein ist« (Encykl. § 60). Zu unterscheiden sindscharf das Indefinite, die »schlechte Unendlichkeit« und die »wahrhafte Unendlichkeit«. »Etwas wird ein Anderes, aber das Andere ist selbst ein Etwas, also wird es gleichfalls ein Anderes und so fort ins unendliche«(l. c. § 93). »Diese Unendlichkeit ist die schlechte oder negative Unendlichkeit, indem sie nichts ist, als die Negation des Endlichen, welches aber ebenso wieder entsteht, somit ebensosehr nicht aufgehoben ist - oder diese Unendlichkeit direkt nur das Sollen des Aufhebens des Endlichen aus. Der Progreß ins unendliche bleibt bei dem Aussprechen des Widerspruchs stehen, den das Endliche enthält, daß es sowohl Etwas ist als sein Anderes, und ist das perennierende Fortsetzen des Wechsels dieser einander herbeiführenden Bestimmungen« (l. c. § 94). (l. c. S. 27 f.).

Nach K. ROSENKRANZ ist das Etwas »durch seine unmittelbare Ursprünglichkeit wie durch sein Verhalten nach außen endlich, denn gerade, weil es diese Qualität hat, gerade, weil es sich von anderm Dasein unterscheidet, schließt es jedes andere Etwas ebenso von sich aus, als es umgekehrt von diesem ausgeschlossen wird« (Syst. d. Wissensch. S. 19). Das Dasein ist unendlich, »sofern es die noch unbestimmte Möglichkeit der Bestimmung ist«. Diese Unendlichkeit ist »nur die abstracte des Mangels der Bestimmtheit. Sie ist die leere Unendlichkeit« (l. c. S. 21 f.). Der Progreß ins unendliche ist die Endlosigkeit, die schlechte Unendlichkeit (l. c. S. 22). »Das abstract Unendliche ist nur die Abwesenheit aller Beschränkung. der ohne Ende fortlaufende Übergang von Schranke zu Schranke ist nur die negative Unendlichkeit. das sich selbst beschränkende, von seinen Schranken befreiende und in dieser Tätigkeit sich gleich bleibende Dasein ist dagegen dasactu infinitum, das wirkliche, nämlich in seinem Wirken Unendliche« (l. c. S. 23). Das Endliche ist »das im Unendlichen von demselben Gesetzte« (ib.). Das wahrhaft Unendliche geht nur aus sich selbst hervor (l. c. S. 24). -

Nach HILLEBRAND ist das Unendliche »die überzeitliche Verhältnismäßigkeit alles Einzelnen, das Dasein der Dinge in ihrer schlechthin ewigen Immanenz« (Philos. d. Geist. I, 31). Die Endlichkeit ist »die reine Selbstexistenz der einzelnenDinge... ohne ihre reale Beziehung auf die absolute und höchste Substanz« (l. c. I, 30).

CHR. KRAUSE erklärt: »Durch das Begrenztsein ist der Teil dem Ganzen entgegengesetzt und mit ihm, als Ganzem ungleichartig; aber innerhalb seiner Grenze ist derselbe dem Ganzen gleichartig, also ähnlich. Daher ist Endlichsein nicht Schlechtsein, sondern es ist Wesentlichsein in bestimmter Grenze« (Urb. d. Menschheit3, S.326).

C. H. WEISSE bestimmt: »Dasein ist Endlichkeit, ist relatives Sein, Sein in Anderem und für Anderes.« Das Daseiende wird zum Endlichen durch die »in ihm enthaltene Verneinung des Anderen«. Was kein anderes außer sich hat, ist das Unendliche, Absolute, die »Totalität des Daseienden als Totalität betrachtet« (Grdz. d. Met. S. 145 f.). Die Unendlichkeit ist, dem Endlichen gegenüber, die »Wahrheit des Seins« (l. c. S.147). »Sein ist nur eines und eben darum, weil es eines ist, schlechthin unendlich« (l. c. S. 152). Das Unendliche ist im Endlichen, das Endliche im Unendlichen. »Denn ein Unendliches, welches ein Endliches außer sich oder neben sich hätte, würde durch dieses Endliche eben begrenzt«(l. c. S. 154). Alles Seiende kann aber seine ihm innewohnende Unendlichkeit nur dadurch betätigen, »daß es
einen unendlichen Progreß daseiender Momente aus sich herausstellt, daß es sich selbst in einen solchen Progreß hineinbildet«
(l. c. S.158).

Nach GIOBERTI ist Gott die actuale Unendlichkeit. die kosmische Unendlichkeit existiert nur durch ihn (Protolog. II, 568 ff.).

Nach CHALYBAEUS ist die Materie das räumlich-zeitlich Unendliche (Syst. d.Wissenschaftslehre, S. 106, 113). -

Nach HERBART ist die Unendlichkeit »ein Prädicat für Gedankendinge, mit deren Construction wir niemals fertig werden«. Das Reale der Materie kann nicht unendlich sein (Lehrb. zur Einl.5, S. 179 ff., 181). Der Begriff des Unendlichen entspringt aus der Erkenntnis der Gleichartigkeit des Fortschritts in der Reihenbildung von Raum, Zeit, Zahl (vgl. G. SCHILLING, Lehrb. d. Psychol. S. 153 f.).

Ähnlich lehrt WAITZ. Der Raum ist unendlich nur durch den unvollendbaren Versuch, ihn »trotz seiner notwendigen Unbestimmtheit und Gestaltlosigkeit zu umfassen undin Grenzen einzuschließen« (Lehrb. d. Psychol. S. 611 f.).

Nach VOLKMANN schließt die unendliche Zeitreihe das Bewußtsein »des fruchtlos erneuerten Messens in sich ein« (Lehrb. d. Psychol. II4, 29). »An die Umbildung der Raumreihe von der Bestimmtheit des Inhalts zur Leerheit schließt sich auch die Befreiung derselben von der Endlichkeit der Abgrenzung an Haben nämlich die leeren Raumreihen den gehörigen Grad von Regsamkeit angenommen, dann dient fast jede Setzung eines Endgliedes nur zum Anknüpfungspunkt für die Evolution einer neuenReihe, jede Grenze nur zur Aufforderung zum Weitergehen, jedes Hier nur zur Anregung der Frage: 'Was daneben?' Von seiner positiven Seite aus kann der unendliche Raum natürlich ebensowenig vorgestellt werden, wie die unendliche Zeit, aber der negativen Bedeutung nach bleibt das Vorstellen des unendlichen Raumes hinter dem der unendlichen Zeit zurück. Der Grund hiervon ist leicht einzusehen: die unendliche Raumreihe muß nämlich dem unendlichen Progressus noch den unendlichen Regressus beifügen. der Wendepunkt jedoch, der von dem einen zu dem andern führt, zerstört in der Regel den Eindruck des Grenzenlosen, wozu noch kommt, daß die Raumunendlichkeit eine Construction nach drei Dimensionen in Anspruch nimmt. Daher geschieht es, daß wir, um den Raum unendlich vorzustellen, gern auf das Vorstellen der unendlichen Zeit zurückgreifen, indem wir uns die unendliche Raumreihe eigentlich nur durch eine unbegrenzte Operation mit begrenzten Raumreihen vorstellen. Uns gilt auf diese Weise jener Raum als unendlich, den auszumessen nur die unendliche Zeitlänge auslangen würde« (l. c. S. 91 f.). -

Nach TRENDELENBURG ist das Unendliche nichts anderes als die über ihr jeweiliges Product hinausgehende Bewegung (Log. I2, 167).

CZOLBE erklärt: »Wenn freilich die Vorstellung des Raumes unmittelbar immer begrenzt ist (wie alle Vorstellungen), so habe ich daneben doch das Bewußtsein, immer noch weitergehen zu können... Der Raum ist neben den sinnlichen Wahrnehmungen und Körpern durchaus selbständig etwas drittes Unendliches oder Unbegrenztes« (Gr. u. Urspr. d. menschl. Erk. S. 96). -

Nach J. H. FICHTE bedeutet Endlichsein, »den Grund seiner Existenz in einem Andern haben, nur durch Anderes sein« (Specul. Theol. S. 61 ff.). »Wer sich... als ein Endliches fühlt und begreift, kann diesen Urteilsact nur dadurch vollziehen, daß er sich an dem ursprünglich ihm beiwohnenden Begriffe ('Idee') des Unendlichen negiert« (Psychol. I, 722).

Ähnlich lehrt ULRICI (Gott u. d. Nat. S. 623). Eine realiter unendliche Größe ist eine contradictio in adiecto (l. c. S. 446). Das Universum kann nicht begrenzt sein, weil es nichts außer ihm geben kann, das nicht zu ihm gehörte, aber es kann auch nicht als grenzenlos gedacht
werden, weil das Ganze der Welt, als aus lauter begrenzten Teilen bestehend, selbst ein Begrenztes sein muß und weil die Unendlichkeit Gottes nur ein Grenzbegriff ist
(l. c. S. 619 f.). Das Endliche (die Welt) ist ein durch das Unendliche (Gott) Gesetztes (l. c. S. 655 ff.). Das Universum ist zugleich begrenzt und unbegrenzt (l. c. S. 661).

M. CARRIERE bemerkt: »Das Endliche ist das in Raum und Zeit Begrenzte. Wir aber können es nur dadurch als endlich bezeichnen, daß wir es auf den Begriff des Unendlichen bestehen und es von dem unterscheiden. Damit bestimmt sich das Unendliche als das, was nichts
außer ihm hat, kein Vor oder Nach, kein Neben, und daraus ergibt sich, daß die Einheit innerhalb welcher alles Unterschiedliche besteht, das Unendliche selbst ist«
(Sittl. Weltordn. S. 131).

Nach M. MÜLLER ist der Keim zur Idee des Unendlichen schon in den frühesten sinnlichen Eindrücken eingeschlossen (Urspr. u. Entwickl. d. Relig. S. 36). »Dem Menschen muß alles, von dem seine Sinne kein Ende sehen und keine Grenzen bestimmen können, als im vollen Sinne des Wortes endlos und grenzenlos erscheinen.« Der Mensch empfindet den »Druck des Unendlichen« (l. c. S. 41). Jede Wahrnehmung des Endlichen ist von der Fühlung des Unendlichen begleitet (l. c. S. 50). Das Unendliche ist keine bloße Idee, sondern ein Wahrnehmbares (l. c. S. 52).

HAGEMANN
bestimmt: »Das mathematisch Unendliche ist eine Größe, die keine Grenzen hat, also entweder eine unendliche Zahl oder eine unendliche Ausdehnung. Eine solche Größe aber kann niemals in Wirklichkeit existieren, weil Zahl und Ausdehnung immer größer gedacht werden, also niemals unendlichgroß sein können. Also ist das mathematisch Unendliche nur in unseren Gedanken real. Das Wirkliche, welches ihm entspricht, ist endlich und begrenzt, aber der Möglichkeit nach unendlich, weil es ohne Ende vergrößert werden kann und durch stete Zunahme seine Grenzen immer weiter gerückt werden. Daher ist das mathematisch Unendliche nur das Unendliche der Möglichkeit nach (infinitum potentia oder infinitum, auch das synkategorematisch Unendliche genannt).« »Das metaphysisch Unendliche ist das im Sein schrankenlose Wesen, welches als solches reine Wirklichkeit, die Fülle des Seins oder schlechthin vollkommen ist« (Met.2, S. 35). Den Begriff des Unendlichen gewinnen wir »durch eine doppelte Verneinung, indem wir zunächst in dem, was wir erkennen, Schranken setzen, d.h. es als endlich auffassen, sodann die Schranken dieses Endlichen negieren« (l. c. S. 35 f.).

E. V. HARTMANN erklärt: »In der objectiv realen Sphäre gibt es weder unendliche Ausdehnung, noch unendliche Geschwindigkeit, weil es ein Widerspruch wäre, daß eine vollendete Unendlichkeit existierte. Es gibt nur die potentielle Unendlichkeit als Möglichkeit des endlosen Fortschritts und der endlosen Steigerung.« Zeit und Raum sind actuell endlich, die Atome reell unteilbar (Kategorienlehre S. 274 f.). Zum mathematisch Unendlichen treibt die »Incommensurabilität des Discreten durch das Continuierliche und umgekehrt, und die Nötigung, diese Incommensurabilität wenigstens annähernd zu überwinden« (l. c. S. 275). Das Absolute hat mit Quantität nichts zu tun, ist daher auch nicht unendlich (l. c. S. 276). Gott ist weder quantitativ noch qualitativ unendlich, »weil eine vollendete Unendlichkeit ein Widerspruch und eine qualitative Unendlichkeit ein in keinem Sinne haltbarer Begriff ist«. »Qualitative Unendlichkeit ist unmöglich als unendlicher Grad einer
bestimmten Qualität, weil bei unendlicher Intensitätssteigerung jede Qualität die Bestimmtheit einbüßt, in der sie besteht«
(Zur Gesch. u. Begründ. d. Pessim.2, S. 311).

Nach SCHNEIDEWIN ist Unendlichkeit eine subjective Kategorie, bezieht sich auf die Möglichkeit im Denken, im Fortschreiten desselben (Die Unendl. d. Welt, so schon L. KUHLENBECK). In diesem Sinne ist der Raum unendlich (l. c. S. 91 ff.), aber er ist nicht als unendlich gegeben (l. c. S. 97).

R.HAMERLING
betont: »Niemals ist das Endliche aus dem Unendlichen hervorgegangen: es ist noch bis zum heutigen Tage in ihm.« »Das Unendliche existiert nirgends als im Endlichen« (Atomist. d. Will. I, 134).

Nach P. CARUS ist es das unerreichbare Ideal des Unendlichkeitsbegriffes, die Unendlichkeit zu erfassen. Er ist nicht falsch, wohl aber immer unvollkommen (Metaphys. S. 31).

Nach O. LIEBMANN hieße, die Zeit fängt an, so viel wie: in diesem Zeitpunkt ist die Zeit da, während sie in dem vorangehenden noch nicht da war. Da dies sinnlos ist, so ist die Zeit a priori anfangslos und, aus analogen Gründen, auch endlos (Anal. d. Wirkl.2, S. 396).

RABIER unterscheidet: »L'infini, c'est ce qui est actuellement sans limites: par exemple, l'espace. L'indéfini, c'est cequi est actuellement limité, mais dont l'accroissement possible est illimité: par exemple le nombre« (Psychol. p. 457).

Nach FOUILLÉE ist das Unendliche »une grandeur sans limites« (Psychol. d. id.-forc. II, 197. vgl. JANET, Princ. de mét. II, 83 ff.). -

Nach H.CORNELIUS verschwindet der Widerspruch der »Antinomien« betreffs des Unendlichen, sobald wir »uns darüber klar bleiben, daß in dem Begriffe der Welt nur eine Zusammenfassung unserer Erfahrungen besitzen, daß also auch das Dasein der Welt niemals weiter reicht, als die Einordnung unserer Erfahrungen unter die Kategorien unseres Denkens«. Es tritt »an die Stelle des positiven Unendlichkeitsbegriffes der rein negative Begriff der Unbegrenztheit im Fortgange unserer Erfahrungen«. »Die Welt ist zeitlich und räumlich nicht als positiv unendlich gegeben, sondern sie ist nur die zeitliche und räumliche Mannigfaltigkeit unserer Erfahrungen, innerhalb deren dem Fortschreiten unserer Erfahrung und unseres Vorstellens nirgends eine Grenze gesetzt ist.« -

WUNDT unterscheidet das »Infinite« und das »Transfinite« (vgl. G. CANTOR, Grundleg. ein. allgem. Mannigfaltigkeitslehre 1883, S. 13). Ersteres bedeutet das Endlose, die unvollendbare Unendlichkeit, letzteres die vollendete Unendlichkeit, das Überendliche, »was alle Grenzen meßbarer Größen überschreitet«. Der absolute Unendlichkeitsbegriff kann »nur in der Form eines von den erzeugenden Operationen völlig abstrahierenden Postulates gedacht werden«. Die unendliche Totalität ist nie erreichbar, sie kann nur als der letzte Grund der unbegrenzten Synthesis festgehalten werden (Log. II2 1, 153, 461 f.. Ess. 3, S. 70. Syst. d. Philos.2, S. 340 ff.). Der quantitative Unendlichkeitsbegriff entspringt aus dem Denknotwendigkeit, vor jeden Anfang der Zeit noch einmal die Zeit, hinter jede Grenze des Raumes abermals den Raum zu setzen, und dies ist wieder in der Constanz der Anschauungsformen begründet. Wir müssen die Welt logisch als ein unendlich Werdendes denken. »Da Zeit und Raum constante Bestandteile aller Erfahrung sind, so kann auch unser Denken in der Verknüpfung der Erfahrungen niemals von ihnen abstrahieren. Wollten wir aber eine Grenze von Raum und Zeit voraussetzen, so würde darin zugleich die begriffliche Function einer Zeit- und raumlosen Erfahrung oder die Forderung eines Denkens von unvorstellbarem Inhalt gegeben sein« (Ess. 3, S. 62 ff.. Log. II2 1, 463). Die Unendlichkeit der Zeit ist ein begriffliches Postulat, keine vollziehbare Vorstellung (l. c. I2, 486 f.). Bei den Begriffen Materie und Naturcausalität liegt die Möglichkeit vor,relative Grenzpunkte zu finden, über die das Denken aber immer wieder hinaus zu gehen strebt. Wegen der (vielleicht nur vorläufigen) Schwierigkeit, diese Art von Unendlichkeit auszudenken, läßt sich annehmen, - daß »die Dichtigkeit der Materie von einem bestimmten Punkte an allmählich ins unendliche abnehme«. »Die einfachste Voraussetzung würde hier die Abnahme nach dem Verhältnis einer convergierenden unendlichen Reihe sein, so daß zwar die Ausdehnung der Materie unendlich, ihre Masse aber endlich bliebe.« Auch die causale Veränderung kann als begrenzt gedacht werden, indem die Bewegung der Materie lange Zeit hindurch in einem bloßen Oscillieren der Teilchen um die nämlichen Gleichgewichtslagen bestanden haben kann (Syst. d. Philos.2, S. 356 ff.. Log. II2 1, 466 f.. Ess. 3, S. 82. Vierteljahrsschr. f. wissensch. Philos. I, 80 f.. Philos. Stud. II, 537).

SCHUPPE erklärt: »Wenn jedes Gegebenen räumliche und zeitliche Bestimmtheit eo ipso Nachbarräume und Nachbarzeiten setzt, so liegt es schon daran, daß nirgend Halt gemacht werden, niemals eine Raum- und Zeitgrenze gedacht werden kann, hinter welcher die Raum- und Zeitlosigkeit begänne. Denn die Grenze fällt eben immer in den Raum und in die Zeit, und deshalb ist Begrenztheit des Raumes und der Zeit Überhaupt ein Unding.« »Die Unendlichkeit als gegebene Größe zu denken, ist durch obiges noch nicht verlangt. Denn zur gegebenen Größe gehört die Wahrnehmbarkeit« (Log. B. 83 f.).

Nach A. RIEHL ist vollendete Unendlichkeit ein Widerspruch (Philos. Krit. II 2, 285 ff.). Der Raum kann wohl unbegrenzt und die räumlich angeschaute Welt doch begrenzt sein (l. c. S. 289 ff.). Materie undKraft sind, weil unveränderlich, von endlicher Größe (l. c. S. 202 f.). Die Welt ist der Masse nach endlich (l. c. S. 303). -

E.. DÜHRING betont: »Infinita quantitas data evidentissima contradictio in adiecto est« (De tempor., spat., causal. p. 35). Die Unendlichkeit ist nicht Eigenschaft der Zahl selbst, sondern nur der »synthetischen Function, durch welche die Zahlenreihe erzeugt wird«, sie besteht nur im unbegrenzten Zählen (Natürl. Dialekt. S. 122 f.). Es besteht das »Gesetz der bestimmten Anzahl«. Raum und Zeit sind nur in Gedanken unendlich teilbar. Es gibt keine »wüste, sich widersprechende Unendlichkeit«. Das Geschehen, als materielle Veränderung, hat einen Anfang, zwar keinen »unbedingten«, wohl aber einen durch irgend welche Elemente ermöglichten (Log. S. 191 f.). Die bloß »subjective Schrankenlosigkeit« der Zeit hat kein objectives Gegenstück (l. c. S. 192). Unendlichkeit besteht nur im Sinne der Unmöglichkeit, jemals zu etwas abschließend Letztem zu gelangen (Wirklichkeitsphilos. S. 52). Die Natur muß »unerschöpflich sein in radicalen Veränderungen«(l. c. S. 54).

Nach MAINLÄNDER besteht die Unendlichkeit nur »in der ungehinderten Tätigkeit in indefinitum eines Erkenntnisvermögens« (Philos. d. Erlös. S. 39). Die Welt ist, als Totalität endlicher Kraftsphären, endlich (l. c. S. 35 ff.).

Nach NIETZSCHE: ist das Werden unendlich, die Kraft aber bestimmt, endlich, so daß das Gleiche immer wieder kommen muß (WW. XV, 380. s. Apokatastasis). Das Wesen der Kraft ist flüssig, aber ihr Maß ist fest (l. c. S. 382 ff.). Die Welt muß »als bestimmte Größe von Kraft
und als bestimmte Zahl von Kraftcentren« gedacht werden
(l. c. S. 384. vgl. XII 1, 203 ff.). Die Welt ist »ein Ungeheuer von Kraft, ohne Anfang, ohne Ende, eine feste, eherne Größe und Kraft, welche nicht größer, nicht kleiner wird, die sich nicht verbraucht, sondern nur verwandelt, als Ganzes unveränderlich groß, ein Haushalt ohne Ausgaben und Einbußen, aber ebenso ohne Zuwachs, ohne Einnahmen, vom 'Nichts' umschlossen als von seiner Grenze, nichts Verschwimmendes, Verschwendetes, nichts Unendlich-Ausgedehntes [antike Wertung des Begrenzten!], sondern als bestimmte Kraft einem bestimmten Raum eingelegt« (l. c. XV, S. 384 f.).

Im Unendlichkleinen liegt nach FR. SCHULTZE das Problem der Kausalität. »Wir müssen alle Erscheinungen aus dem Unendlichkleinen erklären, und das Unendlichkleine ist selbst keine Erscheinung«,sondern ein notwendiger Gedanke, ein Unbedingtes (Philos. d. Naturwiss. I, 52 f.).

Nach
H. COHEN ist das Unendlichkleine »Grund und Werkzeug des realen Gegenstandes« (Princ. d. Infinites. S. 133). Es macht, als die intensive Größe, das Reale aus (ib.). »In dem Unendlichkleinen wird als in seinem natürlichen Elemente und Ursprung das Endliche gegründet« (l. c. S. 133 f.). Das Unendlichkleine stellt das Sein dar. Die Einheiten, welche das Unendlichkleine zu zählen sich erkühnt, »sind von der Empfindung nicht abzulesen und mit der Empfindung nicht zu sammeln. Sie sind aus dem Ursprung des Denkens, als des Seins, erzeugt. Und sie sollen auf Grund dieses Ursprungs das Seiende selbst bedeuten« (Log. S. 113 f.). - Vgl. G. CANTOR, Zur Lehre vomTransfiniten, 1890. B. KERRY, Syst. ein. Theorie d. Grenzbegriffe, 1890. HODGSON, The conception of infinity, Mind, 1893. G. S. FULLERTON, The conception of the infinite, 1887. -

Ungrund S. 3600
nennt J. BÖHME den irrationellen Teil in Gott, die ewige Natur, Zweiheit in Gott.

Unio mystica S. 3600
mystische Vereinigung der Seele mit Gott im Zustande der Ekstase. Schon im Vedanta gelehrt.

Unsterblichkeit (immortalitas) S. 3603 ff.
ist, allgemein, Unvergänglichkeit eines Wesens, eines lebenden Wesens, insbesondere einer (menschlichen) Seele. Die Idee der Unsterblichkeit entsteht als Reim schon bei »Naturvölkern«, indem besonders die im Traume erscheinenden Bilder Verstorbener für wirkliche, nach dem Tode weiterexistierende Wesen gehalten werden. Psychologisch liegt der Idee der Unsterblichkeit der über den organischen Tod hinaus behauptete Selbsterhaltungswille (dessen Kehrseite die Scheu vordem »Nichtsein« ist) zugrunde. Logisch basiert die Unsterblichkeitsidee auf dem Postulate der Constanz, Permanenz des Seienden nicht bloß außer, sondern auch in uns. Ethisch liegen ihr allerlei Wünsche und Forderungen nach vergeltender Gerechtigkeit, nach zweckvollem Auswirken der Persönlichkeit u. a. zugrunde. Von der Vorstellung einer Unsterblichkeit des ganzen Individuums entwickelt sich die Unsterblichkeitsidee zum Begriffe oder doch zur besonderen Wertung rein geistiger Unsterblichkeit. Empirisch erhärten läßt sich die Idee dieser Unsterblichkeit nicht, aber erkenntnistheoretisch läßt sich ihr durch den Hinweis auf die Subjectivität der Zeit- welche in der Ichheit ihre Wurzel hat, so daß diese Ichheit (an sich) zeitlos, weil erst zeitsetzend, ist - eine Stütze geben, die noch durch metaphysische Erwägungen befestigt werden kann. Das »empirische Ich« freilich kann nur als in seinen Wirkungen, in seinem »Tatenleib« unsterblich betrachtet werden. Es hat actuale, nicht substantielle Unsterblichkeit, wie es ja auch ein Gewordenes ist. Absolut unsterblich kann eben nur das Überzeitliche, aller Vorstellungswelt schon zugrunde Liegende, in den Einzel-Ichs sich verendlichende Geistige sein.

Bei den Indern, Ägyptern u. a. besteht die Lehre von der Seelenwanderung. Die Lehre von einem Schattenreich (Hades) bei Griechen, Hebräern(Scheol), von Himmel und Hölle im Christentum (Auferstehung), Mohammedanismus.

Bei den Griechen lehren schon die Orphiker die Unsterblichkeit der Seele (vgl. Diog. L. I 1, 24).

So auch PHEREKYDES (»animos hominum esse sempiternos«, Cicer., Tusc. disp. I, 16, 38).

Unsterblich ist die Seele nach ALKMAEON: athanaton einai dia to eoikenai tois athanatois, touto d' hyparchein autê hôs aei kinoumenê. kineisthai gar kai ta theia panta synechôs aei (Aristot., De an. I 2, 405 a 30 squ.).

Die Überzeugung von der Unsterblichkeit der Seele hegt SOKRATES.

Verschiedene Argumente für die Unsterblichkeit bringt PLATO vor: das Wesen der Seele als Princip des Lebens, dem der absolute Tod widerspricht (Phaedr. 245. vgl. Republ. X, 609), die Verwandtschaft der Seele mit den ewigen Ideen, die Natur des Erkennens ( Präexistenz) u. a. (Phaed. 62 Squ.). Psychê pasa athanatos. to gar aeikinêton athanaton. to d' allo kinoun kai hyp' allou kinoumenon, paulan echon kinêseôs, paulan echei zôês. monon dê to auto kinoun, hate ouk apoleipon heauto, ou pote lêgei kinoumenon, alla kai tois allois hosa pan to gignomenon gignesthai, autên de mêd' ex henos ... epeidê de agenêton esti, kai adiaphthoron auto anankê einai ... mê allo ti einai to
auto heauto kinoun ê psychên, ex anankês agenêton te kai athanaton psychê an eiê
(Phaedr. 245 C squ.. vgl. Meno 80 squ.. Tim. 69).

Nach ARISTOTELES ist nur der geistige Teil des Menschen, nicht das Lebensprincip unsterblich, nur der nous (Geist), thyrathen in den Menschen gelangt und von ihm trennbar ist: chôristheis d' esti monon touth' hoper esti, kai touto monon athanaton kai aidion (De an. III 5, 430 a 22 squ.).

Von den Stoikern lehrt KLEANTHES, daß alle Seelen bis zur Ekpyrosis dauern, CHRYSIPP dagegen, daß nur die Seelen der Weisen (relativ) unsterblich seien. Die Weltseele, deren Teile die Einzelseelen sind, ist absolut unsterblich (Diog. L. VII 1, 156 squ.. M. Aurel, In se ips. IV, 21).

Unsterblich ist die Seele nach CICERO (Tusc. disp. I, 27, 66).

Nach SENECA ist die Unsterblichkeit ungewiß (Ep. 56, 63. 102. Consol. ad Polyb. 28).

Nach TACITUS sind wenigstens einige ausgezeichnete Seelen unsterblich (Agric. 46).

PLUTARCH
nimmt eine Unsterblichkeit an (Consol. ad uxor. 61).

PLINIUS hält den Glauben an Unsterblichkeit für eine schädliche Einbildung (Histor. nat. VII, 56).

Die Unsterblichkeit des Geistes lehrt PHILO (Quod Deus immut. 10). So auch NEMESIUS (Peri phys. 3).

Im Neuen Testament ist die persönliche Unsterblichkeit mehrfach ausgesprochen (Matth. 10, 28. Hebr. 9, 27. 1. Cor. 13, 12, u. ö.). Die Apologeten betrachten sie als ein Geschenk Gottes (Harnack, Dogmengesch. I3, 493).

THEOPHILUS erklärt: ho theos athanaton ton anthrôpon ap' archês pepoiêkei (Ad Autol. II, 27).

Unsterblich ist die Seele des Menschen nach TERTULLIAN (De an. 41 ff.), GREGOR VON NYSSA (De creat. hom. 27), AUGUSTINUS, nach welchem die Unsterblichkeit der Seele aus ihremTeilhaben an den ewigen Wahrheiten folgt (Soliloqu. II, 2 ff.. De immort. an. 1 ff.),

AENEAS VON GAZA, nach welchem der logos der Körper überhaupt unvergänglich ist (Theophr. p. 56, 65. vgl. Ritter VI, 492) u. a. -

Die Unsterblichkeit der geistigen Seele lehrt
MAIMONIDES (Doct. perplex. III), so auch AVICENNA (De Almah. 3).

Nach AVERROËS ist nur der allgemeine (active) Intellect unsterblich (Destruct. destruct. II, 2 ff.). -

Nach ALBERTUS MAGNUS ist die Seele schon deshalb unsterblich, weil sie eine »ex se ipsa causa«, eine vom Körper dem Princip nach unabhängige Form ist (De nat. et or. an. II, 8).

Nach THOMAS weist schon der natürliche Trieb des Geistes nach Fortleben, der doch nicht eitel sein kann, auf die Unsterblichkeit der Seele hin. »intellectus naturaliter desiderat esse semper. Naturale autem desiderium non potest esse inane. Omnis igitur intellectualis substantia est incorruptibilis« (Sum. th. I, 75, 6). Dazu kommt noch u. a. die Idee der Vergeltung (In 1. sent. 2, d. 19, 1. vgl. Contr. gent. II, 49 ff.).

Die Unsterblichkeit lehren
BONAVENTURA (In lib. sent. d. 19, 1,: 1) u. a.

Sowohl die »Averroisten« als die »Alexandristen« der Renaissancezeit leugnen die individuelle Unsterblichkeit. nur der allgemeine Intellect ist, nach den ersteren, unsterblich, so auch nach SIGER VON BRABANT(Quaest. de anima intellectiva. vgl. Mandonnet, Siger de Brab. 1899): Die letzteren negieren auch dies. So POMPONATIUS, welcher bemerkt: »Mihi... videtur, quod nullae rationes adduci possunt cogentes, animam esse immortalem, minusque probantes animam esse mortalem« (De immortal. an. C. 15, p. 120. vgl. C. 12).

So auch SIMON PORTA (De anim. et mente hum. 1551). -

Nach MARSIL. FICINUS sind alle Seelen unsterblich (De immort. animor.). Eine Theosis findet im Jenseits statt.

Nach AGRIPPA ist die Seele als göttlicher Gedanke unsterblich (Occ. philos. III, 44. vgl. III, 36, 41).

Die Unsterblichkeit der Seele lehren J. B. VAN HELMONT (Imago ment. p. 267), CAMPANELLA (De sensu rer. II, 24 f.), CARDANUS (De subtil. 14. De variet. 8), G. BRUNO (De tripl. min. I, C. 3).

Nach SPINOZA ist der menschliche Geist unsterblich, sofern er das Ewige denkt, an diesem teilhat. »Mens humana non potest cum corpore absolute destrui, sed eius aliquid remanet, quod aeternum est« (Eth. V, prop. XXIII). »In Deo datur necessario conceptus seu idea, quae corporis humani essentiam exprimit, quae propterea aliquid necessario est, quod ad essentiam mentis humanae pertinet. Sed menti humanae nullam durationem, quae tempore definiri potest, tribuimus, nisi quatenus corporis actualem existentiam, quae per durationem explicatur et tempore definiri potest, exprimit, hoc est ipsi durationem non tribuimus nisi durante corpore. Quum tamen aliquid nihilo minus sit id, quod aeterna quadam necessitate per ipsam Dei essentiam concipitur, erit necessario hoc aliquid, quod ad mentis essentiam pertinet, aeternum« (l. c. dem.). Unser Geist ist, sofern er die Wesenheit des Körpers »sub specie aeternitatis« einschließt, ewig. »Est... haec idea, quae corporis essentiam sub specie aeternitatis exprimit, certus cogitandi modus, qui ad mentis essentium pertinet quique necessario aeternus est. Nec tamen fieri potest, ut recordemur nos ante corpus exstitisse, quandoquidem nec in corpore ulla eius vestigia dari, nec aeternitas tempore definiri, nec ullam ad tempus relationem habere potest. At nihilo minus sentimus experimurque, nos aeternos esse. Nam mens non minus res illas sentit, quas intelligendo concipit, quam quas in memoria habet. Mentis enim oculi, quibus res videt observatque, sunt ipsae demonstrationes. Quamvis itaque non recordemur nos ante corpus exstitisse, sentimus tamen mentem nostram, quatenus corporis essentium sub aeternitatis specie involvit, aeternam esse, et hanc eius existentiam tempore definiri sive per durationem explicari non posse. Mens igitur nostra eatenus tantum dici durare eiusque existentia certo tempore definiri, potest, quatenus actualem corporis existentiam involvit, et eatenus tantum potentiam habet rerum existentiam tempore determinandi easque sub duratione concipiendi« (l. c. schol.). Sofern der Geist sich und seinen Körper unter der Form der Ewigkeit betrachtet,weiß er unmittelbar, daß er in Gott ist, durch Gott gedacht wird. Je stärker die damit verknüpfte intellectuelle Liebe Gottes, desto mehr weiß sich der Geist als unsterblich, sofern er activer Intellect, nicht bloß sinnliches Bewußtsein (imaginatio) ist.

Die Unsterblichkeit der Seele lehren DESCARTES, REGIS (Syst. d. Philos. I, 265), CHARRON (als Glaube. De la sag. I, 7), GASSENDI, H. MORE (Opp. II), CLARKE (Works 1738/42) u. a.

Nach LEIBNIZ sind alle Lebewesen unvergänglich, der Mensch hat aber auch persönliche Unsterblichkeit (Theod. I B, § 89 f.).

Nach BERKELEY ist die Seele unteilbar, unkörperlich, folglich auch unzerstörbar, von Natur aus unsterblich (Princ. CXLI).

Nach FERGUSON ist »die Begierde nach Unsterblichkeit ein Instinct und kann vernünftigerweise als eine Anzeige dessen angesehen werden, was der Urheber dieser Begierde zu tun willens sei« (Grunds. d. Moralphilos. S.119).

Die Unsterblichkeit der Seele negiert HUME (Ess. on suic. and the immort. of the soul).

Nach CONDILLAC (Trait. des anim. II, 7), BONNET besteht sie, während die Materialisten die Annahme derselben bekämpfen.

Nach DIDEROT besteht die Unsterblichkeit nur im Fortleben im Andenken der Nachwelt. -

Die Unsterblichkeit der Seele lehren CHR. WOLF (Vern. Ged. I, § 926. Theol. natural.), BAUMGARTEN (Met. § 776 ff.), THÜMMIG (De immortal. animae, 1721), VON CREUZ (Vers. üb. d.Seele, 1753), CRUSIUS, G. F. MEIER (Beweis, daß die menschl. Seele ewig lebt, 1753), H. S. REIMARUS (Abhandl. üb. d. natürl. Theol., 1754), SULZER (Verm. philos. Schrift., 1773), MENDELSSOHN (Phaedon, S. 65 ff.). FEDER (Log. u. Met. S. 427 ff.),

PLATNER, welcher betont: »Wenn die menschliche Seele eine Kraft im engeren Verstande, eine Substanz und nicht eine Zusammensetzung m Substanzen ist: so läßt sich, weil vom Sein zum Nichtsein kein Übergang stattfindet in der Natur der Dinge, natürlicherweise nicht begreifen das Ende ihres Seins, so wenig als voraussetzen eine allmähliche Vernichtung ihres Wesens«(Philos. Aphor. I, §1174. vgl. Log. u. Met. S. 189). Weitere Gründe sind:

»1) Daß der Mensch, vermöge seiner Vernunft und Moralität, zumal in einem analogisch wahrscheinlichen, stufenmäßigen Fortschreiten seiner Kräfte, fähig ist eines immer größeren Anteils an der Einsicht und Bewirkung des Endzwecks der göttlichen Weisheit, ohne Unsterblichkeit aber der ganze Plan der menschlichen Natur ohne Ausführung bleibt und der Endzweck der Welt, zu seiner Ausführung, sehr tüchtiger Mittel beraubt wird.

2) daß der Mensch, durch die Vernunft und Moralität, mit Gott und der Ewigkeit zusammenhängt.

3) daß, ohne Unsterblichkeit, die mehr auf Versagung als auf Genuß hinweisende Vernunft für den Menschen ohne Zweck, und

4) sein leidenvolles Leben ohne Trost und Hoffnung wäre. daß es ganz mit dem Begriffe der göttlichen Güte streitet, den Menschen in dem vorschwebenden Anblicke zahlloser Weltensysteme und eines unendlichen Reichs der Vorsehung, durch die natürlichsten Schlüsse zu dem Gedanken der Unsterblichkeit hinweisen, ihn mit einer Art von vorhergegönnter Offenbarung eines göttlichen Weltplans zu erfreuen und zu einer künftigen höheren Bestimmung zu berufen. und dann, wenn er gelernt hat, daß gegenwärtiges Sein nichts und künftiges Sein alles ist, mit dem Tode seine ganze Existenz zu vernichten«
(Log. u. Met. S. 191).

AD. WEISHAUPT meint: »Nach dem Tode wird... der Mensch nicht mehr denken... Aber dann wird die vorstellende Kraft nicht gänzlich
aufhören. Unser Geist, unser Ich... wird eine neue höhere Modification erhalten«.
Der Tod ist die (fortschreitende) »Einweihung in höhere Weltkenntnisse«(Üb. Material. u. Ideal. S. 134 f.). Das Ich bleibt weit ein Teil dieses Weltalls (l. c. S. 135 ff.. vgl. FLÜGGE, Gesch. d. Glaub. an Unsterbl.).

Letzteres betont auch HERDER, GOETHE, welcher erklärt: »Die Überzeugung von unserer Fortdauer entspringt mir aus dem Begriffe der Tätigkeit, denn wenn ich bis an mein Ende rastlos wirke, so ist die Natur verpflichtet, mir eine andere Form des Daseins anzuweisen, wenn
die jetzige meinen Geist nicht mehr auszuhalten vermag«
(Gespr. mit Eckerm. II, 56. Gespr. hrsg. von Biedermann III, 62 ff.. Zahme Xenien III).

Daß die Unsterblichkeit der Seele nicht logisch zu beweisen sei, betont KANT. Gegen die Argumentation der Unzerstörbarkeit der Seele aus ihrer Einfachheit (bei Mendelssohn u. a.) bemerkt er, man bedenke dabei nicht, »daß, wenn er gleich der Seele diese einfache Natur einräumen, da sie nämlich kein Mannigfaltiges außereinander, mithin keine extensive Größe enthält, man ihr doch, so wenig wie irgend einem Exi-stierenden, intensive Größe, d. i. einen Grad der Realität in Ansehung aller ihrer Vermögen, ja überhaupt alles dessen, was das Dasein ausmacht, ableugnen könne, welcher durch alle unendlich vielen kleineren Grade abnehmen und so die vorgebliche Substanz... obgleich nicht durch Zerteilung, doch durch allmähliche Nachlassung (remissio) ihrer Kräfte (mithin durch Elanguescenz...) in nichts verwandelt werden könne. Denn selbst das Bewußtsein hat jederzeit einen Grad, der immer noch vermindert werden kann, folglich auch das Vermögen, sich seiner bewußt zu sein, und so alle übrigen Vermögen. - Also bleibt die Beharrlichkeit der Seele, als bloß Gegenstandes des inneren Sinnes, unbewiesen und selbst unerweislich« (Krit. d. rein. Vern. S. 691 f.). Wohl aber ist die Unsterblichkeit ein Postulat der praktischen Vernunft . »Die völlige Angemessenheit des Willens aber zum moralischen Gesetze ist Heiligkeit, eine Vollkommenheit, deren kein vernünftiges Wesen der Sinnenwelt in keinem Zeitpunkte seines Daseins fähig ist. Da sie indessen gleichwohl als praktisch notwendig gefordert wird, so kann sie nur in einem ins unendliche gehenden Progressus zu jener völligen Angemessenheit angetroffen werden, und es ist nach Principien der reinen praktischen Vernunft notwendig, eine solche praktische Fortschreitung als das reale Object unseres Willens anzunehmen«. »Dieser unendliche Progressus ist aber nur unter Voraussetzung einer ins unendliche forddauernden Existenz und Persönlichkeit desselben vernünftigen Wesens (welche man die Unsterblichkeit der Seele nennt) möglich. Also ist das höchste Gut, praktisch, nur unter der Voraussetzung der Unsterblichkeit der Seelemöglich, mithin diese, als unzertrennlich mit dem moralischen Gesetz verbinden, ein Postulat der reinen praktischen Vernunft« (Krit. d. prakt. Vern. 1. T1., 2.B., 2. Hpst., S. 14. vgl. WW. III, 288, 528. V, 486. Vorles. üb. Met. 1821, S. 233 ff.). Da der Mensch in dieser Welt der Glückseligkeit, der er sich würdig gemacht, nicht teilhaftig werden kann, so »muß eine andere Welt sein oder ein Zustand, wo das Wohlbefinden des Geschöpfs dem Wohlverhalten desselben adäquat sein wird« (Vorl. üb. Met. S. 241 ff.. vgl. Vorl. Kants üb. Met., hrsg. von Heinze 1894, S. 676 f.). -

Ähnlich lehren
KRUG (Handb. d. Philos. I, 75, 307), JAKOB und andere Kantianer.

Die Unsterblichkeit der Ichheit lehrt J. G. FICHTE.

Nach SCHELLING ist der Endzweck der Welt ihre »Zernichtung als einer Welt«. Da dies nur in unendlicher Annäherung geschehen kann, ist das Ich unsterblich (Vom Ich, S. 100 f.). Die menschliche Unsterblichkeit ist das »Dämonische«. Der Tod ist die »reductio ad essentiam«, das wahre Sein des Menschen ist unsterblich (WW. I 6, 60 f.. I 7, 476 ff.). C.

G. CARUS erklärt: »Die an sich als Idee überhaupt schon den Tod nicht kennende Seele gelangt durch ihr sich Darleben in Zeit und Raum mittelst des Schemas der Organisation dahin, gleichwie aus einem Spiegel aus dieser Organisation sich selbst zu erkennen und ihrer selbst als Individuum bewußt zu werden. Wird sie aber somit sich ihrer selbst bewußt, d. i. erfaßt sie ihr eigenes Wesen einmal seiner eigenen göttlichen und also unendlichen Natur nach, so ist auch hiermit die Notwendigkeit einer unendlichen Fortbildung unwiderleglich gegeben« (Vorles. üb. Psychol. S. 426 f.).

Nach J. E. V. BERGER ist das Finden des Göttlichen in uns der Grund unseres Glaubens an Unsterblichkeit. Ein ewiges All bedingt ein ewiges Erkanntsein (Grdz. d. Sittenlehre, 1827).

Nach ESCHENMAYER haben wir für Unsterblichkeit ein »Ahnungsvermögen« (Psychol. S. 20).

Nach TROXLER ist jeder Mensch im Geiste des Lebens unsterblich (Blicke in d. Wesen d. Mensch. S. 41 ff.). -

SCHLEIERMACHER bemerkt: »Mitten in der Endlichkeit eins werden mit dem Unendlichen und ewig sein in jedem Augenblicke, das ist die Unsterblichkeitder Religion« (Üb. d. Relig. 2, S. 144).

Nach HEGEL ist der Geist ewig, unsterblich, »denn weil er, als die Wahrheit, selbst sein Gegenstand ist, so ist er von seiner Realität untrennbar - das Allgemeine, das sich selbst als Allgemeines darstellt« (Naturphilos. S. 693).

Daß die Lehre Hegels die persönliche Unsterblichkeit nicht annehmbar mache, betont FR. RICHTER (Die neue Unsterblichkeitslehre, 1833. Veranlassung des Unsterblichkeitsstreites in der HegelschenSchule). -

Die Unsterblichkeit des allgemeinen, jedem immanenten, an sich zeitlosen Willens zum Leben lehrt SCHOPENHAUER. »Als ein notwendiges aber wird sein Dasein erkennen, wer erwägt, daß bis jetzt, da er existiert, bereits eine unendliche Zeit, also auch eine Unendlichkeit von Veränderungen abgelaufen ist, er aber dieser ungeachtet doch da ist: die ganze Möglichkeit aller Zustände hat sich also bereits erschöpft, ohne sein Dasein aufheben zu können. Könnte er jemals nicht sein, so wäre er jetzt schon nicht. Denn die Unendlichkeit der bereits abgelaufenen Zeit, mit der darin erschöpften Möglichkeit ihrer Vorgänge, verbürgt, daß, was existiert, notwendig existiert. Mithin hat jeder sich als ein notwendiges Wesen zu begreifen, d.h. als ein welches, aus dessen wahrer und erschöpfender Definition, wenn man sie nur hätte, das Dasein desselben folgen würde.In diesem Gedankengange liegt wirklich der allein im-manente, d.h. sich im Bereich erfahrungsmäßiger Data haltende Beweis der Unvergänglichkeit unseres eigentlichen Wesens« (W. a. W. u. V. II. Bd., a. 41). -

Nach HILLEBRAND ist die Unsterblichkeit der Seele »die ewige Zukunft der concreten substantiellen Selbstheit der Seele« (Philos. d. Geist. I, 124 ff.)

Unsterblich ist die Seele nach
HERBART (Lehrb. zurEinl.5, S. 267), BENEKE (s. Tod), GALUPPI, V. COUSIN (Du vrai p. 418 ff.), RENOUVIER u. a.

Die persönliche Unsterblichkeit lehren C. H. WEISSE (Psychol. u. Unsterblichkeitslehre, 1869), J. H. FICHTE (Die Seelenfortdauer, 1867), ULRICI (Gott u. d. Nat. S. 734), M. CARRIERE: »Für die Realisierung des Guten wie für unsere Selbstvervollkommnung fordern wir die Unsterblichkeit«(Sittl. Welt-ordn. S. 334 ff.), FR. ROHMER (Wissensch. u. Leben), HELLENBACH (Der Individual. S. 261), DROSSBACH (Harm. d. Ergebn. S. 209 ff., 257), REICHENBACH, DU PREL: »Das transcendentale Subject läßt im Tode seine irdische Erscheinungsformfallen, kann aber damit nicht selbst verschwinden« (Monist. Seelenlehre, S. 98, vgl. S. 278 ff.), SCHMIDT (Die Unsterbl. d. Seele, 1886), SPILLER (Gott im Lichte d. Naturwiss., 1883), SCHMID-KUNZ (Suggest. S. 283), FR. SCHULTZE (Unsterblichkeit der »Psychaden«. vgl. Seelenk.), H. WOLFF (Unsterblichkeit der »Bionten«. Kosmos). Ferner G. CLASS (Untersuch. zur Phänomenol. u. Ontol. d. menschl. Geistes, 1896), G. SPICKER, nach welchem die Unendlichkeitsforderung der »in Gedanken über das Leben hinaus fortgesetzte Selbsterhaltungstrieb« ist (Vers. ein. neuen Gottesbegr. S. 282. vgl. G. RUNZE, Die Psychol. d. Unsterblichkeitsglaub. u.d. Unsterblichkeitsleugn. 1894), der ähnlich wie Kant argumentiert (l. c. B. 310), U. KRAMAR (Die Hypothese d. Seele, 1898), J. SPIEGLER (Die Unsterbl. d.Seele, 1895, S. 122), G. THIELE (Philos. d. Selbstbewußts.) u. a. Religionsphilosophen, ferner J. D. HUBER (Die Idee d. Unsterbl., 1864), HAGEMANN (Met.2, S. 201 ff.), GUTBERLET (Met.) u. a.

Nach A. DORNER ist das Ichbewußtsein nicht durch den Körper hervorgebracht, sondern die Tätigkeit des Ich nur durch den Körper in bestimmte Bahnen geleitet. daher ist gegen die Möglichkeit der Unsterblichkeit nichts einzuwenden. Um seines wertvollen Inhalts willen ist das Ich auf die Unsterblichkeit hin angelegt (Gr. d. Helig. S. 246 f.).

LOTZE erklärt: »Nichts kann uns... hindern, die Sterblichkeit der Seelen im allgemeinen zu behaupten,aber es kann sein, daß die zurücknehmbare Position einer Seele im Laufe der Welt dennoch nicht zurückgenommen wird« (Med. Psychol. S. 164). »Ist in der
Entwicklung eines geistigen Lebens ein Inhalt realisiert worden von so hohem Werte, daß er in dem Ganzen der Welt unverlierbar erhalten zu werden verdient, so werden wir glauben können, daß er erhalten wird«
(ib.). Sicher ist nur, es werde alles, was entstanden, »ewig fortdauern, sobald es für den Zusammenhang der Welt einen unveränderlichen Wert hat, aber es werde selbstverständlich wieder aufhören zu sein, wenn dies nicht der Fall ist« (Grdz. d. Psychol. S. 74. Met.2, S. 487).

Nach PLANCK kann »nur in der selbstlos universellen Betätigung, nicht in der eigenen (individuellen) Fortdauer« der höchste Zweck des Geistes liegen (Testam. ein. Deutschen, S. 501).

Das ist auch die Ansicht von WUNDT. Die individualistische Unsterblichkeitsidee ist egoistisch, hedonistisch (Syst. d. Philos.2, S. 671 ff.). Gefordert wird mit Recht nur, »daß alle geistigen Schöpfungen einen absoluten, unverstörbaren Wert besitzen« (l. c. S. 674, vgl. S. 670 ff.). Jede geistige Kraft behauptet ihren unvergänglichen Wert in dem Werdeproceß des Geistes (l. c. S. 673 f.).

Nach E. v. HARTMANN ist nicht das Ich, sondern das metaphysische Subject unsterblich (Philos. d. Unbew.3, S. 707). So auch A. DREWS (Das Ich, S. 299 ff.).

An Stelle der Unsterblichkeit setzt NIETZSCHE die »ewige Wiederkunft« (g. Apokatastasis). -

Nach FECHNER ist das Jenseits »nur die Erweiterung des diesseits schon in Gott geführten Lebens« (Tagesans. S. 39). Das sinnliche Anschauungsleben als solches erlischt, es folgt ein »Erinnerungsleben im höheren Geist« (l. c. S. 41. Zend-Av. II, 191), wobei die Individualität der Seele erhalten bleibt (Zend-Av. II, 192 ff.). Der Tod ist eine zweite Geburt (l. c. S. 200). Die Wirkungen des Leibes leben (als der »geistige Leib« des Paulus) weiter (l. c. S. 202). Eine Gemeinschaft der Geister im Jenseits, im Allgeist besteht (I. c. S. 222). Teilnahme am Selbstbewußtsein des höheren Geistes findet statt (l. c. S. 215). Himmel und Hölle sind »Gemeinsamkeiten verschiedener Zustände und Verhältnisse« (l. c. S.222 ff.. vgl. Büchl. vom Leb. nach d. Tode5, 1887).

Ähnlich lehrt BR. WILLE (Offenbar. d. Wachholderb. II, 49 u. ff.).

Nach RENAN lebt der Mensch, wo er wirkt. »Das menschliche Leben zeichnet wie eine Zirkelspitze durch seine moralische Kehrseite eine kleine Furche in den Schoß der Unendlichkeit.« »In dem Gedächtnisse Gottes sind die Menschen unsterblich« (Dial. u. Fragm. S. 101 ff.).

Nach DURAND DE GROS ist die Seele substantiell, nicht ihrem Bewußtsein nach, unsterblich (Ontolog et Psychol. physiol. 1871).

Nach SCHUPPE ist das allgemeine, zeitlose Bewußtsein unsterblich (Grdz. d. Eth. S. 393). Tod und Geburt »betreffen nur die Corection des einen in allen identischen Bewußtseins überhaupt in einem Leibe« (l. c. S. 395).

Nach H. CORNELIUS ist »die Behauptung der Verstörung unseres psychischen Lebens durch den Tod wissenschaftlich so wenig berechtigt, als die Behauptung der Fortdauer unseres psychischen Lebens nach dem Tode« (Einl. in d. Philos. S. 321). -

Nach L. FEUERBACH ist der Gedanke der Unsterblichkeit der Ausdruck eines Wunsches (WW. X, 209 ff.). »Ewig ist der Mensch, ewig ist der Geist, unvergänglich und unendlich das Bewußtsein, und ewig werden daher auch Menschen, Personen, Bewußte sein. Du selbst aber als bestimmte Person, nur Object des Bewußtseins, nicht selbst das Bewußtsein, trittst notwendig einst außer Bewußtsein und an deine Stelle kommt eine neue frische Person in die Welt des Bewußtseins« (WW. III, 72).

Ähnlich lehrt D. FR. STRAUSS (Der alte u. d. neue Glaube).

B. CARNERI betont: »Der Geist ist unzerstörbar wie die Materie, aber der einzelne Geist ist zerstörbar wie der einzelne Körper« (Sittlichk. u. Darwinism. S. 341f.).

CZOLBE meint: »Nimmermehr die Unsterblichkeit, nur der Tod auf ewig ist ein wahrhaft befriedigender Abschluß des Lebens, ist für den Begriff der Harmonie der Welt notwendig« (Gr. u. Urspr. d. menschl. Erk. S. 180).

E. HAECKEL erklärt: »Unsterblichkeit im wissenschaftlichen Sinne ist Erhaltung der Substanz«. »Der ganze Kosmos ist unsterblich« (Der Monism. S.24. Welträtsel). Ahnlich L. BÜCHNER und andere Materialisten.

Nach GIZYCKI ist Unsterblichkeit Leben im Geiste anderer Menschen (Moralphilos. S. 365 ff.). - Vgl. FERGUSON, Grdz. d. Moralphilos. S. 105, 118. B. H. BLASCHE, Philos. Unsterblichkeitslehre, 1831. J. ROYCE, The Idea of Immortality,1900. V. BERNIES, Spiritualité et immortalité, 1901. MÜNSTERBERD, Grdz. d. Psychol. I, 397 . SPIESS, Entwicklungsgesch. d. Vorstellungen vom Zustand nach dem Tod 1877. HENNE AM RHYN, Das Jenseits, 1880. E. RHODE, Psyche.B. TEMPLER Die Unsterblichkeitslehre bei d. jüd. Philosophen d. Mittelalters, 1895. Vgl. Tod, Seelenwanderung.

Upanishad (eig. Geheimnis) S. 3633.
Geheimlehre, Name der Vedânta, der späteren Veda-Philosophie (vgl. DEUSSEN, 60 Upanish. S. 1 ff.. Allg. Gesch. d. Philos. I 2, 13 ff.). Vgl. Brahman, Atman, Maya, u.s.w.

Urkraft S.3633f.
primäre, absolute, allem Geschehen zugrunde liegende Kraft. Oft wird Gott als die Urkraft bezeichnet, so z.B. von ULRICI (Gott u. d. Nat. S. 626).

Eine Urkraft als Absolutes lehren H. SPENCER, RATZENHOFER u. a.

Ursprung (origo) S. 3659f. Siehe auch bei Kirchner
Ur-Entstehung, erstes Werden, Erzeugung von Dingen, Vorgängen, Begriffen. Nach dem Ursprunge der Welt fragen die Kosmogonien.

Mit dem Ursprunge von Vorstellungen und Begriffen beschäftigt sich die Psychologie, die Erkenntnistheorie. –

Nach MICRAELIUS ist »origo« »via a primo principio ad illa, quae inde deducuntur« (Lex. philos. p. 772). –

Nach J. J. WAGNER ist der Ursprung »der Gegensatz,..., mit welchem im Umfange des Grundwesens neue Bildungen beginnen«(Organ. d. menschl. Erk. S. 39). –

Eine Logik des Ursprungs lehrt H. COHEN. Durch den Ursprung ist die Erkenntnis bedingt. Das Denken ist »Denken des Ursprungs«, des Werdens der Erkenntnisinhalte aus ihren Elementen. Der Ursprung ist das Denkgesetz der Denkgesetze (Log. 63. 32 ff., 100). vgl. Unendlich.

Urtatsache S. 3660 Siehe auch bei Kirchner
letzte, absolute, primäre Tatsache, Tathandlung. Das Bewußtsein ist eine »Urtatsache«, ist unableitbar.

Verbindung S. 3745 ff.
Zusammenfügung einer Mannigfaltigkeit zu einem Ganzen, zu einer Einheit, Zusammenhang von Teilen in einer Totalität. Durch ihre Wechselwirkungen sind alle Dinge zur Einheit des Universums verbunden. Im Bewusstsein stellt assoziative und apperzeptive Synthese psychische Verbindungen her, so aber, dass das Bewusstsein von Anfang ein noch undifferenziertes Ganzes ist, das sich in Elemente gliedert, die nun aufs neue zur Einheit verbunden werden.

FEDER erklärt: »In Verbindung oder im Zusammenhange sind Dinge nach der gemeinen Bedeutung dieser Worte, wenn sie aneinander grenzen, aufeinander fortfuhren, auseinander entspringen, einen Einfluss ineinander haben.« Die Philosophie unterscheidet ideale und reale Verbindung. »Eine Verbindung, die die Dinge nur in der Vorstellung bekommen, heißt ideale Verbindung oder idealer Zusammenhang. Diejenige aber, die sie auch außer der Vorstellung haben, heißt reell« (Log. u. Met. S. 252 f.). –

Nach KANT ist die Verbindung des Mannigfaltigen im Bewusstsein erst ein Produkt der Synthesis des Geistes, welcher den Stoff der Empfindungen nach der ihm ureigenen Gesetzmäßigkeit formt. Alle Verbindung ist »Zusammensetzung (compositio) oder Verknüpfung (nexus)«. »Die erstere ist die Synthesis des Mannigfaltigen, was nicht notwendig zueinander gehört... und dergleichen ist die Synthesis des Gleichartigen in allem, was mathematisch erwogen werden kann (welche Synthesis wiederum in die der Aggregation und Koalition eingeteilt werden kann, davon die erstere auf extensive, die andere auf intensive Größen gerichtet ist). Die zweite Verbindung (nexus) ist die Synthesis des Mannigfaltigen, sofern es notwendig zueinander gehört, wie z.B. das Akzidenz zu irgend einer Substanz, oder die Wirkung zu der Ursache - mithin auch als ungleichartig doch a priori verbunden vorgestellt wird, welche Verbindung, weil sie nicht willkürlich ist, ich darum dynamisch nenne, weil sie die Verbindung des Daseins des Mannigfaltigen betrifft (die wiederum in die physische der Erscheinungen untereinander und metaphysische, ihre Verbindung im Erkenntnisvermögen a priori, eingeteilt werden kann)« (Krit. d. rein. Vern. S. 158, Anwerk.). –

Nach HILLEBRAND ist die Verbindung der Wesen »nur der bestimmte Ausdruck der realen Unterordnung mehrerer Substanzen« (Philos. d. Geist.I, 23). –

Nach FRIES entspringen die Vorstellungen des Allgemeinen und der Verbindung »aus der Selbsttätigkeit der reinen Vernunft. das Denken des Verstandes setzt sie als gegeben in der Vernunft voraus und beobachtet sie in dieser« (Syst. d. Log. S. 94).

Dagegen meint HERBART: »Die Verbindung des Mannigfaltigen geschieht gar nicht durch irgend etwas, das man einen Aktus nennen könnte, am wenigsten durch einen Akt der Spontaneität. - sie ist der unmittelbare Erfolg der Einheit der Seele. Die Verbindung des Mannigfaltigen richtet sich ferner allemal nach der Art und Weise, wie die sinnlichen Eindrücke zusammentreffen - sie ist gegeben« (Lehrb. zur Psychol.3, S. 49).

Nach BENEKE bleiben von dem »Gegeneinanderüberfließen der beweglichen Elemente« Spuren in der Seele zurück, »und hierdurch werden, wie alle dauernden Verbindungen, so namentlich auch die Verbindungen ungleichartiger Gebilde zu Gruppen und Reihen... begründet« (Lehrb. d. Psychol. § 34). Diese Verbindungen sind etwas im Innern der Seele Reales (ib., vgl. §145 ff.). –

Nach A. RIEHL ist alle objektive Verbindung die »Synthese des Bewusstseins durch seine Identität« (Philos. Krit. II 1, 234).

Dass die Synthese eine notwendige Bedingung der Bewusstseinsverbindungen ist, betont u. a. auch HÖFFDING (Psychol.2, S. 153).

Nach L. T. HOBHOUSE ist die Verknüpfung der Elemente schon in der Wahrnehmung gegeben (The theory of knowledge, 1896).

KÜLPE
unterscheidet zwei Arten psychischer Verbindung: Verschmelzung und Verknüpfung. »Jene ist die innigere, diese die losere Verbindung. Eine Verschmelzung tritt dann ein, wenn diesich vereinigenden Qualitäten mehr oder weniger hinter dem Gesamteindruck, den sie bilden, zurücktreten, wenn sie also sämtlich oder teilweise durch die Verbindung an ihrer Deutlichkeit Einbuße erleiden. Der Gesamteindruck kann hierbei eine Art Resultante gleichwertiger Qualitäten sein oder unter der Herrschaft eines oder mehrerer prävalierender Elemente stehen. Eine gleichzeitige Verbindung von Tönen darf als typisches Beispiel einer Verschmelzung gelten. Von einer Verknüpfung dagegen reden um, wenn die Erkennbarkeit der einzelnen Qualitäten entweder durch ihre Verbindung nicht leidet, sie also in voller Selbständigkeit erhalten bleibt, oder sogar erhöht wird. Die Bildung eines qualitativen Gesamteindruckswird hier mehr oder weniger erschwert durch die ungeminderte Geltung der elementaren Bestandteile. Als typisches Beispiel der Verknüpfung kann der sog. simultane Farbenkontrast gelten, die Verbindung von verschiedenen nebeneinander bestehenden Farbenempfindungen« (Gr. d. Psychol. S. 21 f.).

K. GROOS unterscheidet drei Hauptklassen von psychischen Verbindungen: Verwachsungen oder Verwebungen, Verknüpfungen, bewusste Beziehungen (wie E. SCHRADER) (Der ästhet. Genuß, S. 25). –

Unter einer (sozialen) Verbindung versteht F. TÖNNIES die durch das positive Verhältnis von Förderungen gebildete Gruppe von Willen (Gemeinsch. u. Gesellsch. B.3).


Vermögen (dynamis, potentia, potestas, vis), S. 3766ff.
Potenz, ist reale Möglichkeit. Der Begriff des Vermögens ist ein zur Kategorie der Kraft gehörender Grundbegriff, der in der inneren Erfahrung, im Bewusstsein der Macht des Willens zur Ausführung von Intentionen wurzelt, welches »Können« auf die Objekte der Außenwelt projiziert wird, so dass sie zu kraftbegabten Wesen werden (Introjektion, Ding, Objekt).

Das »Vermögen« ist kein selbständiger Zustand, keine besondere Wesenheit, sondern die im Willen, in der Kraft, in einem Wirklichen selbst schon eingeschlossene spezifische Wirkungs- oder Seinsfähigkeit (aktives, passives Vermögen). -

Den Begriff des Vermögens, dynamis, als des Werden-, Sein-könnens' prägt ARISTOTELES (Möglichkeit, Kraft. vgl. über die Unterscheidung aktiver und passiver, rezeptiver Potenz: Met. IX, 1 squ.. V, 12).

Diese Unterscheidung auch bei PLOTIN (Enn. II, 5, 1), ferner bei AVERROËS (Epit. met. tr. 3),

ALBERTUS MAGNUS.
Nach ihm ist die »potentia activa« »principium transmutationis aliud secundum quod aliud«, die »potentia passiva« »principium transmutationis ex. alio secundum quod aliud« (Sum. th. I, 76). »Virtus activa« und »passiva« (Sum. th. I, 19, 8c),

»potentia activa« und »passiva« unterscheidet THOMAS (l. c. I, 77, 3c). Die passiven Kräfte »non possunt exire in actum propriae actionis, nisi moveantur a suis activis« (De trin. pr. 1, 1c). Es gibt »potentia cum ratione« und »irrationalis« (Sum. th. I, 79, 12a. vgl. Aristoteles, Met. IX 2, 1046b 2: dynamis meta logou, alogos). »Cuius est potentia, eius est actio« (Sum. th. I, 51, 3c. vgl. Aristoteles, De somn. 1, 454 a 8: hou gar hê dynamis, toutou kai hê energeia). »facultas« bedeutet »potestatem, qua aliquid habetur ad motum« (2 sent. 24, 1).

ANTONIUS ANDREAE
unterscheidet »potentia subiectiva« (»in re per comparationem ad materium«) und »potentia obiectiva« (»per comparationem ad agens«) (vgl. Prantl, G. d. L. III, 279). –

GOCLEN bemerkt: »Potentia vero est vel activa vel passiva. Illa est habilitas ad agendum: haec est habilitas ad patiendum« (Lex. philos. p. 565).

Nach CAMPANELLA ist die Potenz die erste »Primalität« des Seienden. »Potestas quidem essendi praecedit omnem potestatem« (Univ. philos. II, 6, 5).

CLAUBERG unterscheidet von der »potentia«, der »agendi possibilitas« die Fähigkeit (»facultas«, Ontosoph. § 85),

LEIBNIZ die »vis activa« von der bloßen Wirkunsgsmöglichkeit (Erdm. p. 121).

Nach CHR. WOLF ist die Potenz »possibilitas agendi« (Ontolog. § 716). Das Vermögen ist »nur eine Möglichkeit, etwas tut, dem aber nichts abgeht, um das zu tun, was es nicht tut« (Diss. de la liberté § 11. vgl. Dessoir, Gesch. d. Psychol. I, 199).

Nach KIESEWETTER ist das Vermögen der »Grund der Möglichkeit einer Sache« (Gr. d. Log. § 10).

J. G. FICHTE betont: »Ein Vermögen ist nichts Wirkliches, sondern nur dasjenige, was wir der Wirklichkeit vorher denken, um sie in eine Reihe unseres Denkens aufnehmen zu können« (Syst. d. Sittenlehre, S. 23. vgl. S. 94).

Nach BIUNDE ist Kraft »das in dem Grunde, wodurch er wirkt«, Vermögen das, wodurch er wirken kann (Empir. Psychol. I 2, 177).

Nach HEGEL ist das Vermögen »die fixierte Bestimmtheit eines Inhalts, als Reflexion-in-sich vorgestellt« (Encykl. § 442). –

Im Sinne des Aristoteles (Met. VIII, 6) erklärt W. ROSENKRANTZ: »Jede Entwicklung ist ein Übergang vom Vermögen zur Wirklichkeit (a potentia ad actum), d.h. von einem Zustande, in dem etwas das, was es sein kann, noch nicht ist, in einen Zustand, in welchem es das, was es vorher nur sein konnte, wirklich ist« (Wissensch. d. Wiss. I, 7 f.).

LEWES erklärt: »By faculty is commonly understood the power or aptitude of an agent toperform a certain action or class of actions« (Probl. III, 27).

PAULHAN bestimmt: »Une faculté, c'est la possibilité de certaines catégories de phénomènes, dans certaines circomstances« (Physiol. de l'esprit p. 9).

A. HÖFLER erklärt: »Die Begriffe Fähigkeit, Kraft, Vermögen, Disposition stehen in nächster Beziehung zum Kausalbegriffe: sie bezeichnen solche Teilursachen gegebener Erscheinungen, welche 1) im Vergleiche zu andern Teilursachen... mehr oder minder bleibende Bedingungen sind, die aber 2) als solche nicht direkt wahrgenommen, sondern nur aus dem gesetzmäßigen Stattfinden der Erscheinungen erschlossen werden können« ( Grundlehren d. Log. S. 45).

Nach SIGWART ist das Vermögen »diejenige Natur des geistigen Subjekts, vermöge der es aus sich selbst heraus auf gewisse Veranlassung hin Tätigkeiten produziert, die nicht bloß Fortsetzungen der früheren sind, vermöge der es in der Zeit sich entfaltet und damit verwirklicht, was in seiner Anlage enthalten ist« (Log. II2, 206). - Vergleiche Kraft, Materie.


Vielheit S.3822f.
ist die Setzung einer Mehrheit, d.h. einer Anzahl von einzelnen, von Einheiten . Die Vielheit der Dinge als empirische Realität, wie sie durch das analytisch-synthetische Denken vorgefunden, gesetzt ist, verträgt sich wohl mit einer transcendenten, metaphysischen Einheit des Wirklichen (s. Monismus, Pantheismus).

Die Vielheit der Dinge ist bloßer Schein nach der Veda-Philosophie, nach der Lehre der Eleaten, nach welcher das Seiende eines ist
hen monon esti. (vgl. Simpl. ad. Phys. 30r, 139 f.. De cael. 137r, MELISSUS, Fragm. 17).

Daß das »Eine« sich selbst (durch »Schauen«) zum Vielen macht, lehrt PLOTIN (Enn. VI, 2, 6). –

Nach AVEROËS hat die Vielheit, Besonderung ihren Grund in der Materie, »plurificatio numeralis individualis provenit ex materia« (Destruct. destr. II, d. 3. vgl. Individuation).

Nach
THOMAS bezeichnet »multitudo absoluta« oder »transcendens« die über allen Gattungen des Seins liegende Vielheit (Sum. th. I, 30, 3), im Unterschiede von der »multitudo numeralis«.

GIOBERTI erklärt: »L'uno crea il moltiplice«, und die Vielheit tendiert zum Einen (Introd. I, 5. »il moltiplice ritorna all' uno«).

Nach W. ROSENKRANTZ entsteht die Vielheit »durch die Aufnahme des verschieden Bestimmten in eine höhere Einheit mit Festhaltung der Verschiedenheit«. Die Vielheit kann nur »durch Zusammenfassen von Einheiten zu einer gemeinschaftlichen Vorstellung gedacht werden« (Wissensch. d. Wiss. II, 213). –

LOTZE erklärt: »Die Mannigfaltigkeit der Elemente wird... von Anfang an ein abgeschlossenes System bilden, das in seiner Ganzheit zusammengefaßt einen Ausdruck der ganzenNatur des Einen bildet« (Mikrok. II2, 48 ff.).

Eine Einheit in der Vielheit der Wesen lehren auch FRAUENSTÄDT, WUNDT, DU PREL, M. WARTENBERG u. a.

Nach A. DORNER ruft die göttliche Action »auf Grund der relativ selbständig gesetzten Potenzen Einheitspunkte hervor, die in ihrer Weise activ sind, in denen die eine göttliche Action als eine besondere Act der Tätigkeit dem jeweiligen Einheitspunkt gemäß sich offenbart« (Gr. d. Relig. S. 37). -
Vgl. J.. J. WAGNER, Organ. d. menschl. Erk. S. 13 ff.. BRANISS, Syst. d. Met. S. 225 f.. G. H. FICHTE, Psychol. I, S. IX (metaphysischer Individualismus). SIGWART, Log. I2, 205 ff. - Vgl. Zahl.

Vision (visio, horama, »Gesicht«, Schauung) S. 3825 Siehe auch bei Kirchner
ist eine Gesichtshalluzination, wobei Dinge, Gestalten scheinbar gesehen werden. In der Mystik und Religionsgeschichte spielen Visionen keine geringe Rolle.
Vgl.
LEIBNIZ (Erdm. p. 246), MAASS (Üb. d. Einbild. S. 262), die Schriften von SCHUBERT, J. H. FICHTE u. a. - siehe auch Ekstase

Vitalismus (vita, Leben) S. 3826f.
heißt jener biologisch-naturphilosophische Standpunkt, welcher die Lebensfunktionen aus dem Wirken einer »Lebenskraft« erklärt (vgl. auch J. B. VAN HELMONT, De rer. nat. p. 34 ff.. MAMIANI, Confess. II, 419 ff.. VULPIAN, Leçons sur la physiol. du cerveau, 1867 ist Gegner. COURNOT, Matérial., vitalisme et rational. 1875: Anhänger. HAGEMANN, Met. S. 86).

Der »Neo- Vitalismus« berücksichtigt die physikalisch-chemische Natur der Lebensprozesse, betont aber deren Eigenartigkeit gegenüber dem Anorganischen und die Notwendigkeit, gestaltende, dirigierende Kräfte, die erst innerhalb des Organismus auftreten, anzunehmen . Rein mechanistisch ist das Leben nicht zu begreifen.

Hauptvertreter sind: E. RINDFLEISCH, Ärztliche Philos. 1888. G. v. BUNGE, Mechanism. u. Vitalismus, in: Lehrb. d. physiol. u. pathol. Chemie. O. HAMANN, Entwicklungslehre u. Darwinism. 1892. G. WOLFF, Mechan. u. Vitalism. 1902. H. DRIESCH, Die organischen Regulationen. K. C. SCHNEIDER, Vitalismus, 1903. E. v. HARTMANN, Mechan. u. Vitalism. in d. mod. Biologie, Arch. f. system. Philos. S. 139 ff., 331 ff., u. a. - Vgl. Leben, Lebenskraft.

Volksgeist (Volksseele) S.3830f.
ist der in einer Volksgemeinschaft lebendige, in der Erzeugung social-geistiger Gebilde wirksame Gesamtgeist.

Vom Volksgeist, »l'esprit général d'une nation«, spricht schon MONTESQUIEU (L'espr. des lois XIX, 4). »Plusieurs choses gouvernent les hommes: le climat, la religion, les lois, les maximes du gouvernement, les exemples des choses passées, les moeurs, les manières. d'où il se forme un esprit général qui en resulte« (ib.).

VOLTAIRE spricht vom »esprit des hommes«

WEGELIN vom »esprit des nations« (Sur la philos. de l'histoire 1772, II, 463), »esprit de la so-ciéte« (l. c. I, 457), vom »innenwohnenden Geist der Zeiten und der Welten«

J. G. FICHTE (Grdz. d. gegenwärt. Zeitalt. S. 26), von »Volksgeistern« HEGEL.

Nach RENAN haben die Völker einen specifischen Geist (Philos. Dial. u. Fragm. S. 67 f.).

Nach ROCHOLL ist der Volksgeist »nur die Art der den Vielen gemeinsamen Anschauung« (Philos. d. Gesch. II, 543). Ähnlich u. a. auch WENTSCHER
(Eth. I, 64 f.).

Nach WUNDT ist die Volksseele »ein Erzeugnis der Einzelseelen, aus denen sie sich zusammensetzt. aber diese sind nicht minder Erzeugnisse der Volksseele, an der sie teilnehmen«. Ein specifisches Merkmal der Volksseele ist besonders die »Continuität psychischer Entwicklungsreihen bei fortwährendem Untergang ihrer individuellen Träger« (Völkerpsychol. I 1, S. 10 f.).

Vollkommenheit (perfectio) S. 3831 Siehe auch bei Kirchner
ist ein Norm- oder Idealbegriff, entspringend der Idee, die wir uns von der absoluten Vollständigkeit, Vollendung alles dessen, was zu einem Inbegriff von Dingen gehört, bilden. Vollkommen ist etwas, relativ, sofern es alles aufweist, was der Begriff, die Idee der Sache fordert.

Absolute Vollkommenheit eines Wesens ist ein Ideal, das nur annähernd verwirklicht erscheint, so daß absolute Vollkommenheit real nur dem höchsten Wesen, d.h. dem unendlichen Inbegriff alles Seins in höchster Einheit, Gott, eignet. Eine Tendenz nach Vervollkommnung, nach Entfaltung und Steigerung der Anlagen und Kräfte ist den Lebewesen in verschiedenem Grade eigen. Sie ist ein wesentlicher Factor der Evolution und beim Menschen der Culturentwicklung. Die Idee der Cultur ist nichts anderes als die Idee möglichster Vervollkommnung des Menschen im Sinne der Humanität.

ARISTOTELES erklärt: teleion legetai hen men hou mê estin exô ti labein mêde hen morion, hoion chronos teleios hekastou houtos hou mê estin exô labein chronon tina hos toutou meros esti tou chronou. kai to kat' aretên kai to eu mê echon hyperbolên pros to genos, hoion teleios iatros kai teleios aulêtês, hotan kata to eidos tês oikeias aretês mêden elleipôsin (Met. V 16, 1021b 12 squ.). Die Tugend ist eine teleiôsis (ib.) . –


Im ontologischen Argument spielt der Vollkommenheitsbegriff eine Rolle, wie überhaupt in der mittelalterlichen Philosophie und noch darüber hinaus Vollkommenheit und Realität aufeinander bezogen werden.

Nach THOMAS ist Vollkommenheit die »bonitas« eines Wesens (Contr. gent. I, 38). »Perfectio enim rei consistit in hoc, quod pertingat ad finem« (De nom. 1, 2). Die »perfectio prima« ist jene, »secundum quod res in sua substantia est perfecta«, die »perfectio secunda« ist der Zweck eines Dinges (Sum. th. I, 6, 3. 1, 73, 1. Contr. gent. I, 50. vgl. II, 46). –

Nach GOCLEN ist Vollkommenheit »constitutio entis in summo integritatis et bonitatis sibi convenientis gradu« (Lex. philos p. 814).

MICRAELIUS
bestimmt: »Perfectio est carentia defectus.« »Perfectum est, cui ad essentiam nihil deest.« Die »perfectio essentialis« ist »prima«, die »perfectio accidentalis« »secunda«. Die »perfectio eminens« kommt Gott zu (Lex. Philos. p. 812 f.).

Realität und Vollkommenheit identificiert SPINOZA dahin, daß ein Wesen um so vollkommener ist, je realer, seinskräftiger es ist. »Sein« ist eine Vollkommenheit (De Deo I, 4). »Per perfectionem in genere realitatem... intelligam, hoc est, rei cuiuscumque essentium, quatenus certo modo existit et operatur, nulla ipsius durationis habita ratione«(Eth. 1 V, praef.). Sofern wir die Wesen in bezug auf die allgemeine Idee des Seins ergleichen und finden, daß manche »plus entitatis seu realitatis« haben als andere, »eatenus alia aliis perfectiora esse dicimus. et quatenus iisdem aliquid tribuimus, quod negationom nom involvit, ut terminus, finis, impotentia etc., eatenus ipsa imperfecta appellamus, quia nostram mentem non aeque afficiunt, ac illa, quae perfecta vocamus, et non quod ipsis aliquid, quod suum sit, deficiat vel quod natura peccaverit« (ib.).


Nach LEIBNIZ ist Vollkommenheit »gradus realitatis positivae« (Epist. ad Wolf.), unbedingte Realität (Theod. I B, § 33), »Erhöhung des Wesens« (Gerh. VII, 87). Das Universum ist als Ganzes vollkommen (Erdm. p. 758).

CHR. WOLF definiert: »Perfectio est consensus in varietate, seu plurium a se invicem differentium in uno« (Ontolog. § 503). Die Vollkommenheit ist »vera« oder »apparens« (Psychol. empir. § 510). Vollkommenheit ist »die Zusammenstimmung des Mächtigen« (Vern. Ged. I, § 152).

BILFINGER erklärt: »Perfectum, cuius omnia consentiunt« (Diluc. § 122).

Nach
CRUSIUS ist Vollkommenheit »die Summe der positiven Realität, welche man einem Dinge zuschreibet« (Vernunftwahrh. § 180).

Nach PLATNER ist Vollkommenheit »die Zusammenstimmung des Mannigfaltigen zu einem guten Erfolg« (Philos. Aphor. I, § 1036). »Vollkommenheit ist alles, was tauglich ist zum Guten.« Es gibt »innerliche« und »äußerliche« Vollkommenheit. »Eine vollkommene Welt wäre... eine solche, in welcher alles zusammenstimmte zu der größten möglichen Glückseligkeit aller möglichen lebendigen Wesen« (Log. u. Met. S. 162 ff.).

Nach COCHIUS ist der Trieb zur »Erweiterung«, zur Vollkommenheit ein Grundtrieb des Menschen (Üb. d. Neigungen).

Ähnlich lehrt MENDELSSOHN (Philos. Schrift I, 20).

AD. WEISHAUPT erklärt: »Meine innere Vollkommenheit ist... mein Zweck. alles übrige ist Mittel, um zu dieser zu gelangen. - Aber diese innere Vollkommenheit besteht in der Vollkommenheit meiner vorzüglichsten Kräfte. Diese sind Wille und Verstand« (Üb. Material. u. Idealism. S. 210 ff.).

KANT bemerkt: »Das Wort 'Vollkommenheit' ist mancher Mißdeutung ausgesetzt. Es wird bisweilen als ein zur Transcendentalphilosophie gehörender Begriff der Allheit des Mannigfaltigen, was zusammengenommen ein Ding ausmacht, - dann aber auch, als zur Teleologie gehörend, so verstanden, daß es die Zusammenstimmung der Beschaffenheiten eines Dinges zu einem Zwecke bedeutet. Man könnte die Vollkommenheit in der ersten Bedeutung die quantitative (materiale), in der zweiten die qualitative (formale) Vollkommenheit nennen. Jene kann nur eine sein... Von dieser aber kann es in einem Dinge mehrere geben.« Zweck des Handelns ist für den Menschen die Vollkommenheit als »Cultur seines Vermögens«, des Verstandes und Willens (Met. d. Sitten II, S. 14 f.). Vollkommene Pflicht ist »diejenige, die keine Ausnahme zum Vorteil der Neigung verstattet« (Grundleg. zur Met. d. Sitt. 2. Abschn. S. 56). -

Nach KIESEWETTER ist Vollkommenheit »Vollständigkeit eines Dinges in seiner Art« (Gr. d. Log. S.244).

J. G. FICHTE erklärt, Endziel des Menschen sei seine vollkommene Übereinstimmung mit sich selbst, d.h. »Vervollkommnung ins unendliche« (Üb. d. Bestimm. d. Gelehrten 1. Vorles., S. 13 f.).

Nach HEGEL wirkt in der Geschichte ein »Trieb der Perfectibilität«. Die geistige Entwicklung ist ein Kampf des Geistes gegen sich selbst (Philos. d. Gesch. I, S. 51).

Nach ZEISING ist Vollkommenheit Allheit, Göttlichkeit (Ästhet. Forsch. S. 120 f.).

Nach LOTZE besteht eine Tendenz der Wesen auf Vervollkommnung ihrer inneren Zustände (Mikrok. I2, 38).

Nach
HERBART u. a. ist die Vollkommenheit eine der praktisch-sittlichen Ideen (vgl. ALLHIN, Gr. d. allgem. Eth. S. 118 ff.).

Nach ULRICI ist der Begriff der Vollkommenheit a priori, eine unserem Denken immanente Norm, eine ethische Kategorie (Gott u. d Nat. S. 601), die Urkategorie der Ethik (ib.).

HAGEMANN definiert: »Vollkommen ist das Sein, welches zu seiner Fülle gekommen ist, also diejenigen Bestimmtheiten oder Realitäten hat, die es seinem Begriffe nach haben kann oder seiner Bestimmung nach haben soll. Dasjenige Sein, welches lautere Realität ohne irgend einen Mangel ist, nennen wir absolut vollkommen, relativ vollkommen hingegen das Sein, welches diejenigen Realitäten hat, die ihm als diesem bestimmten Sein nicht Fehlen dürfen« (Met.2, S. 18).

Vollkommen
nennen wir, nach C. STANGE, »einen Gegenstand, bei dem alle die Merkmale, welche in dem Allgemeinbegriff des Gegenstandes enthalten sind, sich nachweisen lassen«(Einl. in d. Eth. lI, 61)..

v. HARTMANN erklärt: »Der Begriff der Vollkommenheit hat nur in der Sphäre des Endlichen und Relativen einen Sinn, wo es Gattungen, Exemplare und Ideale gibt, und die Exemplare mehr oder minder dem Gattungsideal entsprechen können. in der Sphäre des Absoluten verliert der Begriff jeden Sinn« (Zur Gesch. u. Begründ. d. Pessimism.2, S. 311 f.).

Nach RABIER ist vollkommen »qui est complet, achevé, ce à quoi on ne peut rien ajouter« (Psychol. p. 457) Vgl. JANET, Princ. de mét. II, 95 ff.. FOUILLÉE, Psychol. des id.-forc. II, 99 ff. -

Vorsehung (pronoia, providentia): S. 3854
das Vorauswissen und Vorausbestimmen der Geschehnisse, die Vorsorge durch Gottes vernünftigen Willen.

Den Glauben an eine Vorsehung haben das Judentum, das Christentum, der Islam u. a. Religionen, ferner die

Stoiker (vgl. MARC AUREL, In se ips. II, 3),

PLOTIN
(Enn. III, 2), BOËTHIUS (De consol. philos. IV), AUGUSTINUS,

JOHANNES DAMASCENUS (»Providentia est voluntas Dei, propter quom omnia, quae sunt, convenientem deductionem suscipiunt,« bei Alb. Magnus, Sum. th. I, 67, 2),

THOMAS (»providentia dicitur cognitio, quod porro a rebus infimis constituta quasi ab excelso rerum caecumine, cuncta, prospiciat«, De verit. 5, 1 ob. 4),

LEIBNIZ (Theodic.), GOETHE, KANT (WW. Rosenkr. VII, 257 f.), CHALYBAEUS (Wissenschaftslehre S. 334 ff.), STAHL (Philos. d. Rechts II3, 1, 40 ff.). J. H. FICHTE (Psychol. II, 82), HAGEMANN (Met.3, S. 194 ff.) u. a. - Vergleiche Schicksal.


Wechselwirkung S. 3995ff.
gegenseitiges Aufeinanderwirken der Dinge. Prinzip von Wirkung und Gegenwirkung. Durch die allgemeine Wechselwirkung sind die Dinge zur Einheit der Welt verbunden, anderseits setzt die Tatsache der Wechselwirkung schon eine primäre Einheit des Seins voraus.

SPINOZA erklärt: »Quae res nihil commune inter se habent, earum una alterius causa esse non potest« (Eth. I, prop. III).

Die Okkasionalisten und LEIBNIZ leugnen alle direkte Wechselwirkung (s. Harmonie). –

Das mechanische Prinzip der Wechselwirkung formuliert NEWTON: Die Wirkungen zweier Körper aufeinander müssen stets gleich und von entgegengesetzter Richtung sein. so auch HUYGHENS u. a. –

LESSING bemerkt: »Alles in der Natur ist mit allem verbunden. alles durchkreuzt sich, alles wechselt mit allem. Alles verändert sich in das andere« (Hamb. Dramat. II, 1).

Nach KANT reicht das bloße gleichzeitige Dasein der Substanzen zur Begründung ihrer Verbindung nicht aus, dazu ist noch eine Gemeinschaft des Ursprungs erforderlich (Princ. prim. sct. III, 2). Später bestimmt er die Wechselwirkung als eine die Erfahrung, die Ordnung der Erscheinungen bedingende Kategorie.
»Alle Substanzen, sofern sie zugleich sind, stehen in durchgängiger Gemeinschaft (d. i. Wechselwirkung untereinander)«
(Krit. d. rein. Vern. S. 196). Nur unter der Bedingung der Wechselwirkung können Substanzen als zugleich existierend erkannt werden.

»
Dinge sind zugleich, sofern sie in einer und derselben Zeit existieren. Woran erkennt man aber, dass sie in einer und derselben Zeit sind? Wenn die Ordnung in der Synthesis der Apprehension dieses Mannigfaltigen gleichgültig ist, d. i. von A durch B, C, D auf E oder auch umgekehrt von E zu A gehen kann. Denn wäre sie in der Zeit nacheinander (in der Ordnung, die von A anhebt und in E endigt), so ist es unmöglich, die Apprehension in der Wahrnehmung von E anzuheben und rückwärts zu A fortzugehen, weil A zur vergangenen Zeit gehört und also kein Gegenstand der Apprehension mehr sein kann.«

»
Nehmet nun an: In einer Mannigfaltigkeit von Substanzen als Erscheinungen wäre jede derselben völlig isoliert, d. i. keine wirkte in die andere und empfinge von dieser wechselseitig Einflüsse, so sage ich, dass das Zugleichsein derselben kein Gegenstand einer möglichen Wahrnehmung sein würde, und das Dasein der einen, durch keinen Weg der empirischen Synthesis, auf das Dasein der anderen führen könnte. Denn wenn ihr auch gedenkt, sie wären durch einen völlig leeren Raum getrennt, so würde die Wahrnehmung, die von der einen zur andern in der Zeit fortgeht, zwar dieses ihr Dasein vermittelst einer folgenden Wahrnehmung bestimmen, aber nicht unterscheiden können, ob die Erscheinung objektiv auf die erstere folge oder mit jener vielmehr zugleich sei.«

»
Es muss also noch außer dem bloßen Dasein etwas sein, wodurch A dem B seine Stelle in der Zeit bestimmt und umgekehrt auch wiederum B dem A, weil nur unter dieser Bedingung gedachte Substanzen, als zugleich existierend, empirisch vorgestellt werden können. Nun bestimmt nur dasjenige dem andern seine Stelle in der Zeit, was die Ursache von ihm oder seinen Bestimmungen ist. Also muss jede Substanz (da sie nur in Ansehung ihrer Bestimmungen Folge sein kann) die Kausalität gewisser Bestimmungen in der andern und zugleich die Wirkungen von der Kausalität der andern in sich enthalten, d. i. sie müssen in dynamischer Gemeinschaft (unmittelbar oder mittelbar) stehen, wenn das Zugleichsein in irgend einer möglichen Erfahrung erkannt werden soll. Nun ist aber alles dasjenige in Ansehung der Gegenstände der Erfahrung notwendig, ohne welches die Erfahrung von diesen Gegenständen selbst unmöglich sein würde. Also ist es allen Substanzen in der Erscheinung, sofern sie zugleich sind, notwendig, in durchgängiger Gemeinschaft der Wechselwirkung untereinander zu stehen«
(l. c. S. 197 f.).

SCHELLING betont: »Es ist überhaupt kein Kausalitätsverhältnis konstruierbar ohne Wechselwirkung« (Syst. d. tr. Ideal. S. 228. vgl. HEGEL, Encykl. § 154 ff.).

Nach CHR. KRAUSE findet alle Wechselwirkung im Urwesen statt (Urb. d. Menschheit3, S. 329). »Nach Gottes Weltordnung werden alle Wesen mit allen Wesen in mittelbare oder unmittelbare Beziehung gesetzt. sie kommen in Verhältnisse der Gemeinschaft und der Geselligkeit« (l. c. S. 55 ff.).

Nach J. H. FICHTE ist der göttliche Raum (auch NEWTON, CLARKE) die Grundbedingung jeder Wechselwirkung (Psychol. I, 31).

LOTZE erklärt: »Nur wenn die einzelnen Dinge nicht selbständig oder verlassen im Leeren schwimmen, über das keine Beziehung hinüberreichen kann, nur wenn sie alle, indem sie endliche Einzelheiten sind, doch zugleich nur Teile einer einzigen sie alle umfassenden, innerlich in sich hegenden unendlichen Substanz sind, ist ihre Wechselwirkung aufeinander oder das, was wir so nennen, möglich« (Mikrok. III2, 482). Die Korrespondenz der Dinge beruht darauf, »dass alles Seiende nur ein unendliches Wesen ist, das in den einzelnen Dingen seine stets gleiche mit sich identische Natur notwendig in zusammenpassenden Formen ausprägt« (l. c. S. 384. vgl. Gdz. d. Psychol. § 79). Lotze betont, »dass die wahren Wechselwirkungen der Dinge nicht in Mitteilung äußerer Bewegungen bestehen, sondern dass primitiv ein innerer Zustand des einen auf die innere Natur des andern wirke, die Änderungen der Lage und Bewegung dagegen nur Konsequenzen und Erscheinungsweisen dieses inneren Verkehrs sind« (Med. Psychol. S. 203). –

Nach HERBART gibt es keine eigentliche Wechselwirkung.

Nach E. v. HARTMANN ist die Wechselwirkung nur ein Spezialfall der Kausalität (Kategorienlehre, S. 384).

Nach FR. SCHULTZE wirkt alles mittelbar oder unmittelbar auf alles (Philos. d. Naturwiss. II, 343. vgl. Sympatheia tôn holôn. Sympathie).

Nach L. DILLES kann eine Substanz auf eine andere nicht »einwirken« , auch nicht ein Ding auf das Ich, sondern: »Das Ich erhält nur vorübergehend gewisse ideelle Teile der Dinge an sich gleichsam in sein Wesen einverleibt, hineingebracht. Und deren Harmonie resp. Disharmonie mit dem Grund-Ich ist eben all die Förderung resp. Störung desselben, seiner Integrität. Das sind seine Affektionen. Affizieren ist nicht eine Tätigkeit, die von den Dingen an sich auf das Ich überginge, sondern ist ein innigeres Einswerden gewisser ideeller Teile der Dinge an sich mit dem Ich (resp. größeres Separiertwerden)« (Weg zur Met. I, 254). - Vgl. G. BIEDERMANN, Philos. als Begriffswissensch. II, 103 ff.. CHALYBAEUS, Wissenschaftslehre, S. 137 ff.. DORNER, Das menschl. Erkennen, 18S7, u. a.
Vgl. Kausalität, Wirken, Sympathie, Monaden.

Psychophysische Wechselwirkung
, zu ergänzen ist hier das Folgende:

AUGUSTINUS bemerkt: »Non putandum est, corpus aliquod agere in spiritum, quasi spiritus corpori facienti materiae vice subdatur« (Sup. genes. ad lit. XII).

Und THOMAS: »Nihil corporeum imprimere potest in rem incorpoream« (Sum. th. I, 84, 6). -

Nach DESCARTES wirken Seele und Leib (unter der »Assistenz Gottes«) aufeinander ein. Von der »glandula pinealis« (Zirbeldrüse) des Gehirns erregt die Seele die Lebensgeister (Pass. anim. I, 34). Nur die Richtung der physischen Bewegung ändert die Seele, nicht bringt sie neue Bewegungen hervor (Resp. IV, p. 126). –

Die Wechselwirkung von Geist und Körper lehrt GÜNTHER (Vorsch. zur specul. Theol.2, 1846, I, 220 ff.).

In anderer Weise LOTZE (Mikrok. I2, 308 ff.. Med. Psychol. S. 66 ff.).

Ferner HORWICZ (Psychol. Anal. I, 22, 143 f.), HAGEMANN (Met.2, S. 125. Psychol.3, S. 21). WENTSCHER (Eth. I, 291 ff., vgl. S. 303). H. SCHWARZ (Psychol. d. Will. S,. 376. Das Verh. von Leib u. Seele, Monatshefte d. Comenius-Gesellsch. VI, 248, f.) u. a.

E. MACH
bemerkt: »Mit der Konstanz der Energie ist der Ablauf physikalischer Prozesse beschränkt, aber keineswegs vollkommen eindeutig bestimmt. Die Erfüllung des Energieprinzips in allen physiologischen Fällen lehrt bloß, daß die Seele weder Arbeit verbraucht noch leistet. Darum könnte sie noch mitbestimmend sein,« aber es ist kein solches Agens anzunehmen (Anal. d. Empfind.4, S. 45).

L. BUSSE erklärt: »Geist und Körper, Seele und Leib sind einander zugleich entgegengesetzt und stehen in Wechselwirkung, miteinander als einander ergänzende Bestandteile des absoluten, sie beide umfassenden und in sich fassenden Weltganzen« (Geist u. Körp. S. 474.).

W. JERUSALEM bemerkt: »Die Wechselwirkung zwischen psychischen und physischen Vorgängen ist die erste und einige Form der Kausalität, die wir wirklich erleben.« »Diese Wechselwirkung ist darum nicht minder begreiflich, weil sie mehr als begreiflich ist. Sie ist aber mehr als begreiflich, weil sie unmittelbar erlebt wird und somit auch die Quelle alles Begreifens ist« (Urteilsfunkt. S. 261 f.). vgl. SIMMEL, Einl. in d. Moralwiss. II, 291. -
Vgl. Dualismus, Parallelismus, Energie, Kausalität.


Weisheit (sophia, sapientia) S.4002f. Siehe auch bei Kirchner
ist jenes Maß von theoretisch-praktischem Wissen, welches zu einer möglichst vollkommenen, rationellen Lebensführung befähigt. -

Der »Weise« ist das Ideal der indischen Philosophie, er ist auch das Ideal der Stoiker. Er ist vollkommen, hat alle Tugend, ist frei, gleicht dem Gotte (vgl. Seneca, De prov. l. Plut., Adv. Stoic. rep. 33). -

Das »Buch der Weisheit« bezeichnet die Weisheit (sophia, hagion pneuma) als »das Hauchen der göttlichen Kraft« (Weish. 7, 25 f.). Die Weisheit Gottes ist vor allen Dingen. Das Wort Gottes ist der Brunnen der Weisheit, das ewige Gebot ihre Quelle (Jes. Sir. 1, 4 f.).

Nach BASILIDES emaniert die Sophia mit der »Dynamis« aus dem Logos bezw. der Phronesis (bei Iren. II, 24, 3). -

THOMAS bestimmt: »Sapientia in cognitione altissimarum causarum consistit« (Contr. gent I, 94). »Sapiens« ist einer,»inquantum ordinat humanos actus ad debitum finem« (l. c. I, 1. Sum. th. I, 1, 6. vgl. AUGUSTINUS, De lib. arb. II, 9, 26).

Nach LEIBNIZ ist die Weisheit »eine vollkommene Wissenschaft aller derjenigen Sachen, die menschliches Gemüt nur ergreifen kann« (Gerh. VII, 90).

Nach CHR. WOLF ist sie »eine Wissenschaft, die Absichten dergestalt einzurichten, daß eine ein Mittel der andern wird, und hinwiederum dergleichen Mittel zu erwählen, die uns zu unseren Absichten führen« (Vern. Ged, I, § 914).

KANT definiert: »Weisheit... ist die Zusammenstimmung des Willens zum Endzweck, dem höchsten Gut« (Verkünd. d. nah. Abschl. ein. Tract. zum ewig. Fried. in d. Philos. 1. Abschn., S. 87. vgl. W. ROSENKRANTZ, Wiss. d. Wiss. I, 5). -

SCHOPENHAUER erklärt: »Weisheit scheint mir nicht bloß theoretische, sondern auch praktische Vollkommenheit zu bezeichnen. Ich würde sie definieren als die vollendete, richtige Erkenntnis der Dinge, im ganzen und allgemeinen, die den Menschen so völlig durchdrungen hat, daß sie nun auch in seinem Handeln hervortritt, indem sie sein Tun überall leitet« (Parerg. II, § 351).

GUTBERLET bestimmt: »Unter Weisheit versteht man einen sehr hohen Grad der Vollkommenheit im Erkennen« (Log. u. Erk. S. 1).

SIDGWICK e
rklärt: »Wisdom is the faculty and habit of choosing the best means to the best ends« (Meth. of Eth.3, p. 328).

Welt (kosmos, mundus) S. 4004ff. Siehe auch bei Kirchner
ist die Gesamtheit aller Dinge, der Inbegriff aller endlichen Wesen, deren Zusammen in der Idee einer Totalität, der Welt, gedacht wird. Die Welt ist die »natura naturata«, der Inbegriff der Einzeldinge und Einzelereignisse als solcher, wie sie in gesetzmäßiger Weise miteinander verknüpft sind und den Gegenstand möglicher (aber niemals abzuschließender) Erfahrung bilden (»empirischer« Weltbegriff), oder aber der Inbegriff der »transcendenten Factoren«, welche in den Objecten sich darstellen (»metaphysischer« Weltbegriff). Im weiteren Sinne ist die Welt eins mit dem Universum, im engeren ist (unsere) Welt ein Teil desselben, gibt es unzählige »Welten« (Planetensysteme). Jeder Bestandteil der Welt ist innerweltlich, Gott ist, als höchste synthetische Einheit, überweltlich.

Eine Vielheit von Welten neben- und nacheinander gibt es nach dem Buddhismus u. a. (s. Unendlichkeit).

Als kosmos soll die Welt zuerst PYTHAGORAS bezeichnet haben (Plac. II, 1. Stob. Ecl. I 21, 450: hos kai prôtos ônomase tên tôn holôn periochên kosmonek tês en autô taxeôs).

Dem HIKETAS (Cic., Acad. II, 39) und EKPHANTUS (Plac. III, 13) wird die Lehre von der Bewegung der Erde um ihre Achse zugeschrieben (später wird die heliocentrische Theorie von ARISTARCH VON SAMOS aufgestellt). -

Nach HERAKLIT ist die Welt ein ewiges, unentstandenes, lebendiges, seelenvolles »Feuer«, pyr aeizôon,haptomenon metrô kai aposbennymenon metrô (Clem. Alex., Strom. V, 559. vgl. Principien, Ekpyrosis, Apokatastasis).

Nach PLATO ist die Welt ein treffliches Erzeugnis des Demiurgen sie ist ein beseeltes Wesen (zôon empsychon), ein sichtbarer, seliger Gott (theos aisthêtos), ein eikôn tou poiêtou, Bild des Schöpfers (Tim. 30, 46 C, 92 B. Phaedo 98 B Theaet. 176 C).

Nach ARISTOTELES ist die Welt hê tou holou systasis (De coel. I 10, 280 a 21). Gott bewegt von der Peripherie aus die Welt. Die Bewegung einer Sphäre geht auf die von ihr umschlossene Sphäre über (vgl. Met. XII, 8. Phys.V). Die Fixsternsphäre hat die kreisförmige Bewegung. Die Planeten-Sphären werden durch immaterielle Wesen bewegt. Die Erde ist unbewegt in der Mitte der Welt.

Die Stoiker unterscheiden to pan (Universum) und to holon (Welt). Ersteres ist das All samt dem leeren Raum, letzteres das außerhalb des
Leeren Seiende:
pan men gar einai syn tô kenô tô apeirô, holon de chôris tou kenou ton kosmon. mête auxesthai de mête meiousthai ton kosmon (Stob. Ecl.I 21, 442). Die Welt ist systêma ex ouranou kai gês kai tôn en toutois physeôn, ê to ek theôn kai anthrôpôn systêma kai ek tôn heneka toutôn gegonotôn. legetai d' heteros kosmos ho theos, kath' hon hê diakosmêsis ginetai kai teleioutai (l. c. I, 21, 445 squ.).

Die Sonne ist (nach KLEANTHES) das hêgemonikon der Welt (l. c. S. 452). Die Welt ist ein beseeltes Wesen zôon empsychon kai logikon, (Diog. L. VII 1, 139), denn von ihr stammt die menschliche Seele (l. c. 142 squ.). Periodisch entsteht und vergeht die Welt (Apokatastasis, Ekpyrosis. vgl. Nemes., De nat. hom. 38.) s. Unendlich.

EPIKUR erklärt: Kosmos esti periochê tis ouranou astra te kai gên kai panta ta phainomena periechousa, apotomên echousa apo tou apeirou kai katalêgousa en perasinê araiô ê pyknô ê en periagomenô ê en stasin echonti kai strongylên ê trigônon ê hoiandêpote perigraphên (Diog. L. X, 88 squ). s. Unendlich.

Nach PLINIUS ist die Welt ein göttliches Wesen (Histor. natur. II, 6).

PHILO bezeichnet die sichtbare Welt alsden jüngeren Sohn Gottes. Es gibt auch eine Idealwelt.

Nach PLOTIN ist die Welt eine Emanation schließlich der Gottheit . Sie ist zôon - psychên mian echon eis panta autou merê (Enn. IV, 4, 32. vgl. III, 2, 2. )

Nach AUGUSTINUS ist die Welt ein »aliud Dei«, ein Geschöpf Gottes, aus nichts erschaffen (s. Schöpfung), um der Güte willen geschaffen (De civ. Dei XI,10. 21 ff.), Confess. XII, 7). Sie ist eine Einheit, geordnet (De civ. Dei XII, 4. XV, 5. De ord. I, 3).

Nach SCOTUS ERIUGENA geht die (intelligible) Welt ewig aus Gott hervor (De div. nat. III, 16). Sie ist unvergänglich (l. c. V, 18, 24).

Auch nach ALGAZEL geht die Welt ewig aus Gott hervor.

Von einem
»mundus archetypus« sprechen die Scholastiker. -

MICRAELIUS
definiert: »Mundus est compages seu systema corporum naturalium tam coelestium quam elementarium«(Lex. philos. p. 689).

Nach NICOLAUS CUSANUS ist das Universum eine »Contraction« der Gottheit, »contractum maximum atque unum« (De doct. ignor. II, 4). Es gibt drei Welten: geistige, mittlere, sinnliche Welt.

Nach PICO gibt es eine überhimmlische, himmlische und irdische Welt, nach AGRIPPA eine elementare (elementaris) astrale (coelestis), seelisch-geistige Welt (intellectualis) (Occ. Philos. I, 1).

Nach GEORG. GEM. PLETHON u. a. gibt es eine Idealwelt als Urbild der sinnlichen Welt, so auch nach PATRITIUS (Panarch. XIII, 29).

Nach CAMPANELLA besteht ein »mundus archetypus« (Univ. philos. VII, 6, 12. vgl. X, 1, 3. XIII, 1, 3). Die Welt ist empfindend (De sensu rer. I, 10).

Auch nach F. ZORZI ist die Welt ein lebendiges Wesen, so auch nach G. BRUNO, der sie als »magnum animal« bezeichnet (De umbr. idear. p. 31. vgl. Del l'infin. p. 25, 67 ff.. s. Unendlich). -

Nach GASSENDI ist die Welt ein Teil des Universums. sie ist nicht ewig (Philos. Epic. Synt. II, sct. II, 2).

Nach J. BÖHME. ist die Welt eine Emanation, ein Spiegel der Gottheit. Gott machte sich creatürlich.

LEIBNIZ definiert »Welt« als die ganze Folge und Zusammenstellung aller bestehenden Dinge (Theod. I B, § 8 f..).

Nach CHR. WOLF ist die Welt »series entium finitorum tam simultaneorum, quam successivorum inter se connexorum« (Cosmolog. § 48).
Die Welt ist »eine Reihe unveränderlicher Dinge..., die nebeneinander sind undaufeinander folgen, insgesamt aber miteinander verknüpft sind« (Vern. Ged. I, § 544 ff.).

BAUMGARTEN
bestimmt: »Mundus est series (multitudo, totum) actualium finitorum, quae non est pars alterins« (Met. § 534) und BILFINGER: »Mundus est series (collectio vel universitas) rerum omnium mutabilium simul et successive existentium atqus inter se connexarum« (Dilucid. § 139).

Nach CRUSIUS ist die Welt »eine solche reale Verknüpfung endlicher Dinge, welche nicht selbst wiederum ein Teil vom andern ist« (Vernunftwahrh. § 350). Vgl. MAUPERTUIS, Essai de cosmolog., 1750. LAMBERT, Kosmol. Briefe, 1761. FONTENELLE, Entretiens sur la pluralité des mondes, 1750.

Nach KANT ist »Welt« »das mathematische Ganze aller Erscheinungen und die Totalität ihrer Synthesis« (Kr. d. rein. Vern. S. 348). Er lehrt (ähnlich im wesentlichen später LAPLACE, Exposit. du système du monde, 1796) die bekannte Theorie von der Entstehung unseres Planetensystems (Allgem.Naturgesch. u. Theor. d. Himmels, 1755). Nicht durch einen von außen den Umschwung erteilenden Gott (wie bei NEWTON), sondern durch die Naturkräfte selbst ist das Werden des Planetensystems zu erklären. Durch Zusammenballung der ursprünglichen Dunstmasse entstanden die Himmelskörper. »Die Materien..., daraus die Planeten, die Kometen, ja die Sonne bestehen, müssen anfänglich in dem Raume des planetischen Systems ausgebreitet gewesen sein und in diesem Zustande sich in Bewegung versetzt haben, welche sie beibehalten haben, als sie sich in besonderen Klumpen vereinigten und die Himmelskörper bildeten, welche alle den ehemals zerstreuten Stoff der Weltmaterie in sich fassen.« »Man ist hierbei nicht lange in Verlegenheit, das Triebwerk zu entdecken, welches diesen Stoff der bildenden Natur in Bewegung gesetzt haben möge. Der Antrieb selber, der die Vereinigung der Massen zuwege brachte, die Kraft der Anziehung, welche der Materie wesentlich beiwohnt und sich dieser bei der ersten Regung der Natur zur ersten Ursache der Bewegung so wohl schickt, war die Quelle derselben«(WW. I, 321). Eine intelligible Welt, eine Welt vernünftiger Wesen als ein Reich der Zwecke, ist möglich, und zwar durch die eigene Gesetzgebung aller Personen als Glieder (Grundleg. zur Met. d. Sitt. 2. Abschn., S. 76). -

KRUG erklärt: »Wenn die Uridee der Vernunft auf das Vorgestellte als ein unbedingtes Object des Denkens bezogen wird, so entspringt hieraus die Idee: absolute Einheit aller sich einander bedingenden Erscheinungen, mithin die Vorstellung von der Welt als einem absoluten Inbegriffe aller in Raum und Zeit existierenden, obwohl in ihrer Totalität nicht wahrnehmbaren Dinge. Daher ist dieses Ganze nicht als
Sinnenwelt (mundus sensibilis), sondern als Verstandes- oder Vernunftwelt (mundus intelligibilis) zu betrachten«
(Handb. d. Philos. I, 309 ff.). Die Welt ist für uns nur erkennbar, als sie »ein Inbegriff von Erscheinungen oder von Gegenständen möglicher Er-fahrung in gesetzlicher Verknüpfung«ist (L C. S. 314).

Nach FRIES ist die Welt »das verbundene Ganze aller möglichen Gegenstände unserer Erkenntnis« (Syst. d. Log. S. 97).

Nach SCHLEIERMACHER ist die Welt »die vollständige Einheit des endlichen Seins als Ineinander von Natur und Vernunft in einem alles in sich schließenden Organismus« (Philos. Sittenlehre § 53). -

Nach SCHELLING ist die Welt der »Abdruck« des »ewigen und unendlichen Sich-selber-wollens« des Absoluten (WW. I 2, 362. vgl. L. OKEN, Üb. d. Universum, 1808. J. E. v. BERGER, Philos. Darstell. d. Weltalls I, 1808). -

Nach SCHOPENHAUER ist die Welt an sich Wille -

Nach CHR. KRAUSE ist die Welt »das vollständige Vereinganze aller in irgend einer Hinsicht endlichen Wesen und Wesenheiten«(Vorles.
S. 249 ff.. vgl. Panentheismus).
Es gibt eine objective Welt der Ideen (Urb. d. Menschh.3, S. 10). »Die Welt der Ideen ist eine selbständige, ewige und freie Wiederholung des ganzen Weltbaues innerhalb der Vernunft. Sie ist unendlich, vollständig, vor aller Zeit und nur einmal, allen Geistern zur Vermählung mit der Welt des Individuellen offen« (l. c. S. 34). In der »Uridee Gottes« ruhen die Ideen aller Wesen (ib.). Die Welt ist ein Gottesreich, in welchem alle Dinge in vorherbestimmter Harmonie sich befinden (l. c. S. 57).

Nach HEGEL ist die Welt »das Aggregat der weltlichen Dinge, nur das Zusammen dieser unendlichen Menge von Existenzen« (WW. XII, 359). »Die Welt der Endlichkeit, Zeitlichkeit, Veränderlichkeit, Vergänglichkeit ist nicht das Wahre, sondern das Unendliche, Ewige, Unveränderliche« (ib.). »Der absolute, seiner selbst sich bewußte Geist, ist... das Erste und einzig Wahre. Die endliche Welt, die so ein Gesetztes ist, ist hiemit ein Moment in diesem Geiste« (WW. XI, 132).

Nach ZEISING ist die Welt »Gott in seiner Entzweiung, in seinem Abfall von sich selbst« (Ästhet. Forsch. S. 58. vgl. G. BIEDERMANN, Phi-
los. als Begriffswiss. II, 251 ff.).


Nach ULRICI ist die Welt ein Gedanke Gottes, ewig von ihm geschaffen (Gott u. d. Nat. S. 643 ff.).

Nach FECHNER ist die Welt eine Entäußerung Gottes (Zend-Av. I, 264 f.).

MAINLÄNDER erklärt: »Gott ist gestorben, und sein Tod war das Leben der Welt« (Philos. d. Erlös. S. 108).

Nach E. v. HARTMANN ist der Weltproceß ein Kampf des Logischen mit dem Alogischen.

Nach NIETZSCHE ist die Welt ein Complex von Willen zu Leben, als Spiel von Kräften zugleich Eins und Vieles, ewig sich wandelnd, ewig zurücklaufend, eine »dionysischeWelt des Ewig-sich-selber-schaffens, des Ewig-sich-selber-zerstörens« (WW. XV, 384 f.).

Nach VACHEROT ist die Welt die Realität Gottes (Met.).

Nach FR. ROHMER ist das Universum der Körper Gottes, in Gott geworden (Wissensch. u. Leben I, 1871).

Nach J. BERGMANN sind alle Dinge in einem Dinge enthalten und bilden dadurch den Zusammenhang, der Welt an sich heißt. »Man kann auch dieses Ding selbst die Welt nennen oder das Weltganze, und die in ihm befaßten Dinge seine Teile, nur darf man dann das Verhältnis des Ganzen zu den Teilen nicht mit demjenigen des zusammengesetzten zu den Elementen, aus welchen es zusammengesetzt ist und in deren Summe oder Aggregat es besteht, identificieren« (Vorles. üb. Met. S. 410). -

Nach HAGEMANN ist die »Welt« »die Gesamtheit der empirisch gegebenen Wirklichkeit« (Met.2, S. 51).

HUSSERL erklärt »Welt« als »die gesamte gegenständliche Einheit, welche dem idealen System aller Tatsachen entspricht und von ihm untrennbar ist« (Log. Unters. I, 121).

Nach L. DUMONT ist die Welt eine Gesamtheit von Empfindungen, das Ich eine besondere Gruppe solcher (Vergn. u. Schmerz S. 136). Ähnlich nach E. MACH ( Empfindung).

Nach FOUILLÉE läßt sich die Welt als »une vaste société d'êtres« betrachten (Scienc. social. p. 417).

Nach E. G. OPITZ ist die Welt an sich unräumlich und unzeitlich (Grundr. ein. Socialwiss. I, 1897).

Nach P. MONGRÉ ist die Welt ein Chaos (Das Chaos S. 180. vgl. S. 139). Sie ist ein verschwindender Specialfall dem Chaos gegenüber, der nur für das Bewußtsein Realität besitzt (l. c. S. 207). »Jedes willkürlich gewählte Weltprincip scheidet, wenn es hinreichend eng ist und sonst unseren Begriffen einer empirischen Welt ungefähr entspricht, aus dem Chaos einen Kosmos aus, d.h. aus der Gesamtheit aller Weltzustände eine (linear ausgedehnte) Gesamtheit bestimmter Weltzustände.« Wir erkennen, »daß in das Chaos eine unzählbare Menge kosmischer Welten eingesponnen ist, deren jede ihren Inhabern als einzige und ausschließlich reale Welt erscheint« (l. c. S. 208).

Nach WUNDT ist die Welt eine Stufenfolge von Willenseinsheiten (Syst. d. Philos.2, S. 407 ff.). Ihrer geistigen Seite nach besonders ist die Welt »Entwicklung, ewiges Werden und Geschehen«(l. c. S. 666 ff.). - Vgl. GIOBERTI, Protolog. II, 107. STEUDEL, Philos. I 2, 320 ff.. EUCKEN, Kampf um ein. geist. Lebensinh. S. 9, u. a. -

Weltgeist S. 4016
siehe Geist, Weltseele, Gott.

Welträtsel S.4017
sind allgemeinste Probleme der Philosophie, die vielleicht niemals zur völlig abschließenden, endgültigen Lösung - weil sie eben metaphysisch sind - zu bringen sind. DU-BOIS-REYMOND unterscheidet sieben Welträtsel.

»Transzendent«, unerforschlich sind:


1) das Wesen von Materie und Kraft,
2) der Ursprung der Bewegung,
3) das Entstehen der Empfindung,
4) die Willensfreiheit.

Nicht transzendent sind:

5) der Ursprung des Lebens,
6) die Zweckmäßigkeit der Lebewesen,
7) Entstehung des vernünftigen Denkens und der Sprachursprung

(Die sieben Welträtsel, 1882. Üb. d. Grenzen d. Naturerk. 1872. vgl. Red. u. Aufs. I, 381 ff.). - Vgl. E. HÄCKEL, Die Welträtsel.

Weltseele S. 4018 ff. Siehe auch bei Kirchner
ist die, von verschiedenen Philosophen angenommene, Seele der Welt, d.h. das einheitliche Lebens- und geistige Prinzip, das in allen Dingen wirksam ist und von dem die Einzelseelen Teile oder Ausflüsse sind. Als Weltgeist (Weltvernunft, Weltwille) wird oft Gott betrachtet, als ein die Welt, das All geistig durchwaltendes Princip.

Ale Weltseele bestimmen das Brahman die Upanishads (vgl. Deussen, Allg. Gesch. d. Philos. I 2,179 f.).

Eine Weltseele gibt es nach PLATO. Sie ist vom Demiurg geschaffen und hat in sich die Welt de Körper, sie erkennt alles, indem sie aus
einem Unteilbaren und einem Teilbaren besteht. Sie ist die Bewegerin der Welt (Tim. 34 squ.). Psychên de eis to meson autou theis dia pantos te eteine kai eti exôthen to sôma autê periekalypse tautê, kai kyklô dê kyklon strephomenon ouranon hena mononerêmon katestêse, di' aretên de auton hautô dynamenon xyngignesthai kai oudenos heterou prosdeomenon, gnôrimon de kai philon hikanôs auton autô. dia panta dê tauta eudaimona theon auton egennêsato (Tim. 34 B squ., vgl. 33).

Nach der Lehre der
Stoiker ist die Weltseele das pneuma, sofern es alles belebt. »Animans est... mundus composque rationis« (Cicer., De nat. deor. II, 8). hen zôon ho kosmos mian ousian kai psychên mian epechon (M. Aurel, In so ips. IV, 40. VI, 40. VII, 9).

Als Emanation des »Geistes«, als Einheit der Einzelseelen, als Bildnerin der Welt bestimmt die Weltseele PLOTIN: zôa epoiêse panta empneusasa autois zôên ... autê ekosmêsen ... kinei ... zên poiei (Enn V, 1, 2).

Eine Weltseele nehmen die Manichäer an (August., De vera relig. IX, 16).

ORIGENES erklärt: »Universum mundum velut animal quoddam immensum atque immane opinandum puto, quod quasi ab una anima, virtute Dei ac ratione teneatur« (De princ. I, 1, 3).

Nach CLAUDIANUS MAMERTINUS ist die Welt »non in toto mundo... tota, sed sicut Deus ubique totus in universitate, ita haec ubique tota invenitur in corpore« (De stat. anim. III, 2).

Eine allgemeine Seele gibt es nach AVERROES. -

Mit dem heiligen Geist identificiert die Weltseele ABAELARD (Theol. Christ. I, 1013), so auch WILHELM VON CONCHES, welcher bestimmt: »Animamundi est naturalis vigor, quo habent quaedam res tantum moveri, quaedam crescere, quaedam sentire, quaedam discernere« (bei Stöckl I, 216).

Nach BERNHARD VON CHARTRES ist die Weltseele, welche die Materie belebt, ein Ausfluß des göttlichen Geistes.

Einen »spiritus mundi« als »quinta essentia« lehrt AGRIPPA (Occ. philos. I, 14). Die »anima mundi« ist »vita quaedam unica, omnia replens, omnia perfundens, omnia colligens et connectens, ut unam reddat totius mundi machinam« (De occ. philos. II, 57).

Ähnlich lehrt CARDANUS (De subtil.), F. ZORZI (De harmon. mund. 1525), PATRITIUS (Panpsych. IV, 54 ff.. Panarch. XI), CAMPANELLA. Nach ihm ist die Weltseele ein Werkzeug Gottes, das nach den göttlichen Ideen wirkt (De sens. rer. II, 32. III, 1 ff.).

Als »anima universalis« bezeichnet Gott ANDREAS CAESALPINUS (Quaest. peripat. 1571).

Beseelt ist die Welt nach GIORD. BRUNO (Del l'infin. p.25, 67 ff.. De la causa).

Einen
»calor vitalis« »quasi anima« der Welt lehrt GASSENDI (Phys. sct. IV, 8).

Nach R. FLUDD ist die Weltseele halb geistig, halb körperlich, sie beseelt alle Elemente, ist die Quelle der Einzelseelen (Histor. utriusque cosmi, C. 9 f.). »Animam... vocamus eam unionem seu mixtionem, quae facta est inter effluxum illum. aeternum, ac subtilissimum mundi spiritum ipsius praesentia creatum«(Philos. mos. sct. II, 1, 4).

Einen ordnenden Weltgeist gibt es nach
SHAFTESBURY (The Moral. III, 1).

CHR. THOMASIUS erklärt: »Der Geist ist eine Kraft, d. i. ein Ding, welches ohne Zutun der Materie bestehen kann, in welchem alle materialischen Dinge bewegt werden und welches auch diesen die Bewegung gibt, sie ausspannt, zerteilt, vereinigt, zusammendrückt, anzieht, von sich stößt, erleuchtet, erwärmt, kältet, durchdringt, mit einen, Worte, in der Materie wirkt und ihr gehörige Gestalt gibt« (Vers.
vom Wes. d. Geist. 1709, S. 75, 97).


An eine Weltseele glaubt GOETHE (WW. II, 224).

Als Ursache organischer und anorganischer Gebilde betrachtet die Weltseele SAL. MAIMON (Üb. d. Weltseele, Berl. Journal f. Aufklär. VIII, 1790).

Nach SCHELLING ist die Weltseele das allgemeine Princip, welches »die Continutität der anorganischen und der organischen Welt unterhält und die ganze Natur zu einem allgemeinen Organismus verknüpft« (WW. I 4, 569).

J. J. WAGNER erklärt: »Die lebendige Gestalt des Absoluten ist die Welt, und in dieser Beziehung gedacht istdas Absolute die reine Lebendigkeit oder Seele der Welt« (Syst. d. Idealphilos. S. XLIX).

Nach GIOBERTI hat die Welt als Intelligibles eine Seele.

SCHOPENHAUER erklärt: »Weltseele ist der Wille, Weltgeist das reine Subject des Erkennens« (Neue Paralipom. § 472).

Als Weltgeist faßt die Gottheit FECHNER auf (Zend-Av. I, 288).

Nach CZOLBE werden die einzelnen Empfindungen und Gefühle »aus den die Körperwelt, mithin auch das Gehirn der Menschen und Tiere durchdringenden unbegrenzten Raume, in welchem sie als sein ruhender Inhalt, als tote, unsichtbare Spannkraft überall verborgen sind,
durch ganz bestimmte Gehirnbewegungen als lebendige, zum Bewußtsein kommende Kräfte freigemacht oder ausgelöst«
(Gr. u. Urspr. d. menschl. Erk. S. 200). Diesen geistigen Inhalt des Raumes nennt Czolbe Weltseele (l. c. S. 201 ff.). Der Geist ist nicht eine Function des Nervensystems, sondern besteht in rein mechanischen Äußerungen der unabhängigen Weltseele, welche das Nervensystem nur vermittelt (l. c. S.209). »Die Seele des Menschen ist die Summe der durch Gehirntätigkeiten bedingten, aus Empfindungenund Gefühlen der Weltseele sich zusammenfügenden und in derselben wieder verschwindenden Mosaikbilder« (l. c. S. 210).

Einen Allgeist gibt es nach M. VENETIANER (s. Panpsychismus), S. BRASSAI, BACKHAUS (Wesen d. Hum. S. 80) u. a.

Nach EMERSON umfaßt die »Überseele« alle Dinge (Essays, S. 86 ff.). Vgl. M. MESSER, Die moderne Seele 1903, S. 34, 41, 109, 130.

Werden S.4023ff.
ist ein Grundbegriff, der sich auf die stetige Veränderung der Dinge, auf den Wechsel der Zeitinhalte, auf das Geschehen (Entstehen und Vergehen) bezieht. Werden ist Wechsel des und im Seienden, Entwicklung, im engeren Sinne Entstehen von Seiendem, im Gegensatze zum Vergehen. Werden ist Zusammenschluß einer Reihe von Momenten zu einem relativ Abgeschlossenen, Constanten, Seienden. Da absolute Ruhe im Endlichen nirgends besteht, so ist das Werden ein allgemeines. Da aber das Werdende sich mehr oder weniger im Werden erhält, so hat es ein relatives Sein, und damit ist auch das Werden nur relativ. Im Unendlichen ist das Werdende zugleich das (absolut) Seiende. Das All selbst kann nicht »werden« im Sinne des Entstehens (s. Ewigkeit).

Während die Eleaten alles Werden für Schein erklären, macht HERAKLIT das Werden zum Princip der Welt. Das All ist stete Umwandlung, Veränderung, die Ruhe ist nur Schein. Im ewigen Wechsel nur beharrt, erhält sich das All. Alles fließt (panta rhei), nichts beharrt. Man kann nicht zweimal in ebendenselben Fluß steigen: Legei pou Hêrakleitos hoti panta chôrei kai ouden menei, kai potamou rhoê apeikazôn ta onta legei, hôs dis es ton auton potamon ouk an embaiês (Plat., Cratyl. 402 A), weswegen man die Herakliteer auch tous rheontas nannte (Plat., Theaet. 181 A).

Nach KRATYLOS kann man auch nicht einmal in denselben Fluß steigen (Aristot., Met. IV 5, 1010 a 12 squ.).

Das beständige Werden der Dinge lehrt auch PROTAGORAS: ek de dê phoras te kai kinêseôs kai kraseôs pros allêla gignetai panta, ha dê phamen einai, ouk orthôs prosagoreuontes. esti men gar oudepot' ouden, aei de gignetai (Plat., Theaet. 152 D).

Nur für die Welt der Sinnendinge gibt PLATO das ständige Werden zu (s. Idee). Die Sinnendinge sind stets werdend, nie seiend: ti to on aei, genesin de ouk echon, kai ti to gignomenon men aei, on de oudepote. to men dê noêsei meta logou perilêpton, aei kata tauta on, to d' au doxê met' aisthêseôs alogou doxaston, gignomenon kai apollymenon, ontôs de oudepote on (Tim. 27 D. vgl. 52 A. Phileb. 59 A). Das Werden erfolgt aus Gegensätzen ek tôn enantiôn ta enantia (Phaed. 70 E squ.).

Daß das Werden nur mit dem Sein , nicht absolut bestehen kann, betont ARISTOTELES, nach welchem die Principien der Dinge ungeworden,unvergänglich sind: Hêmeis de kai pros tauton ton logos eroumen, hoti to men metaballon hote metaballei echei tina autois alêthê logos mê oiesthai einai. kaitoi esti g' amphisbêtêsimon. to te gar apoballon echei ti eti touapoballomenou, kai tou gignomenou êdê anankê ti einai. holôs te ei phtheiretai, hyparxei ti on. kai ei gignetai, ex hou gignetai kai hyph' hou gennatai, anankaion einai, kai touto mê ienai eis apeiron (Met. IV 5, 1010 a 15 squ.). Die Form ist das (causal-teleologische) Princip,welches den Stoff aus der Potentialität in die Actualität übergehen läßt -

Das ständige Werden der Dinge lehrt MARC AUREL hê te gar ousia hoion potamos en diênekei rhysei (In se ips. V, 14. vgl. XI, 29).

Nach KANT ist jedes Vergehen ein »negatives Entstehen, d. i. es wird, um etwas Positives, was da ist, aufzuheben, eben sowohl ein wahrer Realgrund erfordert, als um es hervorzubringen, wenn es nicht ist« (Negat. Größ. 3. Abschn., S. 44 f.). –

CABANIS erklärt: »Tout est sans cesse en mouvement dans la nature. tous les corps sont dans une continuelle fluctuation« (Rapp. I, 237).

Nach BOUTERWEK ist im Absoluten kein Werden (Lehrb. d. philos. Wissensch.I, 143).

Nach SCHELLING ist das Werden nur unter der Bedingung einer Begrenzung (Schranke) zu denken. Das Ich ist (wie nach J. G. FICHTE) unendliches Werden (Syst. d. tr. Ideal. S. 73).

Als ewigen Proceß faßt die Welt HEGEL auf. Das Werden ist die Einheit von Sein und Nichts, die »Unruhe in sich« (Encykl. § 88 f.). Im Sein ist das Nichtsein enthalten und umgekehrt, und so ist das All insofern ein Werden (WW. XIII, 334. s. Dialektik).

So erklärt auch K. ROSENKRANZ: »Das Werden ist weder nur Sein, noch nur Nichtsein, weil es sowohl Sein als Nichtsein ist und weil das Sein an sich entweder nur als reines Sein oder als reines Nichts sich bestimmt« (Syst. d. Wissensch. S. 15 f.).

Nach HILLEBRAND hat im Werden das Sein »gleichsam den immanenten Uranfang seiner ewigen Wahrheit«(Philos. d. Geist. II, 56).

Bei C. H. WEISSE bedeutet der Satz, daß alles Sein ein (zeitliches) Werden ist, »daß alles Unmittelbare auf ein Anderes, auf eine Erfüllung und Vollendung seiner selbst hinweist« (Grdz. d. Met. S. 124).

Nach W. ROSENKRANTZ ist das Werden »ein Übergang des Nichtseienden zum Sein«. Alles Sein setzt voraus: eine Möglichkeit des Seins und eine Ursache, durch welche diese Möglichkeit in Wirklichkeit gesetzt wird (Wissensch. d. Wiss. I, 348 ff.).

Nach M. CARRIERE gibt es kein Werden an sich, alles Werden ist Entwicklung und Veränderung eines Seienden (Sittl. Weltordn. S. 96). Das Sein ist ein beständig Werdendes (l. c. S. 129).

Nach R. HAMERLING ist alles Werden nur »die Verwandlung eines Seienden in ein Anderes« (Atomist. d. Will. I, 123).

HARMS erklärt: »Das, was das Werden bedingt, ist kein Werden, sondern ein Sein« (Psychol. S. 64 f.). Alles Werden und Geschehen ist Wirkung und niemals Ursache. Daß Werden ist »nicht an sich, sondern für uns unendlich, an sich aber endlich und bedingt«. »Es ist nur ein Erkenntnis-, aber kein Sachgrund« (l. c. S. 72).

HAGEMANN bestimmt: »Werden ist Übergang (Bewegung) entweder vom Nichtdasein zum Dasein, oder umgekehrt vom Dasein zum Nichtdasein, oder endlich vom Sosein zum Anderssein. Das Werden setzt immer ein Wirkliches voraus, wodurch es verursacht wird« (Met.2, S. 44 f.).

Nach K. LASSWITZ heißt Werden »zur Wirklichkeit des Seins gelangen« (Wirkl. S. 156).

WUNDT
zählt den Begriff des Werdens zu den reinen Wirklichkeitsbegriffen (Philos. Stud. II. Syst. d. Philos.2, S. 228 ff.). Die Welt ist ewiges Werden und Geschehen, aber »nicht ein Werden, das ziellos nur das Vorhandene zerstört, damit Neues an seine Stelle trete, sondern stetiger Zusammenhang zweckvoller Gestaltungen« (Syst. d. Philos.2, S. 666 ff.).

HUXLEY bemerkt: »Und je mehr wir in die Natur der Dinge eindringen, desto augenscheinlicher wird es, daß, was wir Ruhe nennen, nichts ist als unbemerktes Geschehen. daß der scheinbare Friede nur stiller, aber erbitterter Kampf ist« (Essays, S. 261).

Ähnlich lehrt NIETZSCHE. Es gibt nur ein ewiges Werden, das in jedem Einzelwesen steckt. Das Individuum ist ein Glied in der Kette des Werdens, ist diese selbst (WW. XV, 321). Alles Werden ist »ein Feststellen von Grad- und Kraftverhältnissen«, ein Kampf (l. c. XV, 280). Die Welt besteht im Werden, erhält sich in ihm (l. c. XV, 384), das Sein ist Schein, Phantasieproduct infolge der Schwäche unserer Sinne (WW. XII, 1, 6 ff.).

So ist auch nach ILAR. SOCOLIU der Begriff des Seins der Wirklichkeit unadäquat und muß von dem des »Werdens schlechthin« abgelöst werden (Grundprobl. d. Philos. S. XV).

Nach M. PALÁGYI zeigt uns die Auffassung des Raumes als eines dynamischen »die Welt der Erscheinungen in einem ewigen Flusse begriffen«. »Wir müssen sagen, daß alle Erscheinung fließt, weil der Raum selbst ein fließender oder dynamischer ist«
(Log. auf d. Scheidewege, S. 129). –

Widerspruch (antilegein, antiphasis, contradictio) S.4060ff. Siehe auch bei Kirchner
ist das (unlogische) Verhältnis zweier Urteile, Sätze zueinander, wonach das eine eben dasselbe von ebendemselben in ebenderselben Beziehung verneint, negiert, was durch das andere behauptet, bejaht, gesetzt wird. Auch Begriffe können, als Elemente von (möglichen) Urteilen einander widersprechen . Widerspruch ist vom (realen) Gegensatz zu unterscheiden, ersterer ist nur im Reden und Denken, letzterer kann auch in der Wirklichkeit sein. Daß das Denken sich nicht widersprechen solle, sagt der Satz vom Widerspruche.

Nach PROTAGORAS läßt sich von allem das Entgegengesetzte behaupten prôtos ephê dyo logous einai peri pantos pragmatos antikeimenous allêlois (Diog. L. IX 8, 51). kai ton' Antisthenous logon ton peirômenon apodeiknyein hôs ouk estin antilegein, houtos prôtos dieilektai (l. c. 53. Plat., Euthyd. 286 C. Cratyl. 429 C).

Nach ANTISTHENES kann man nur Identitätsurteile fällen, ein Widerspruch ist so nicht möglich mê einai antilegein (Aristot., Met. V 29, 1024 b 33).

Nach ARISTOTELES findet ein Widerspruch statt, wenn Bejahung und Verneinung einander entgegenstehen, und zwar in derselben Beziehung und ohne Äquivocation (De interpret. 6, 17 a 33 squ.). –

THOMAS bestimmt »contradictio« als »oppositio affirmationis et negationis«. »Contradictio consistit in sola remotione affirmationis per negationem« (1 perih. 9 b).
Daß das Widerspruchsvolle nicht außerhalb des Denkens bestehen kann, wird wiederholt betont (vgl. GOCLEN, Lex. philos. p. 983).

Nach REUCHLIN ist die Vernunft die Einheit der Gegensätze und Widersprüche des Verstandes, »in mente datur coincindere contraria et contradictoria, quae in ratione longissime separantur«(De arte cabbalist. 1517, vgl. Überweg-Heinze III9, 15. s. Coincidenz).

Nach DESCARTES können Widersprüche im göttlichen Geiste denkbar sein (Resp. VI). Ähnlich BAYLE, MALEBRANCHE (Rech. III, 1, 2), POIRET (De Deo, anima et mundo III, 16). –

CHR. WOLF definiert: »Contradictio est simultanea eiusdem affirmatio et negatio« (Log. § 30). »Es wird... zu einem Widerspruche erfordert, daß dasjenige, was bekräftigt wird, auch zugleich verneint wird« (Vern. Ged. I, § 11)

H. S. REIMARUS bestimmt: »Widersprechende Sätze... sind, wenn der eine Satz eben dasselbe von eben demselben Dinge bejahet, was der andere verneinet« (Vernunftlehre, § 162).

Nach PLATNER ist in einem Begriffe Widerspruch, »wenn seine Merkmale einander aufheben« (Philos. Aphor. I, § 820). -

KRUG erklärt: »Im engern Sinne... heißen Begriffe widersprechend (contradictoriae), wenn sie einander unmittelbar, geradezu oder durch einfache Verneinung... aufheben, bloß widerstreitend..., wenn sie einander mittelbar oder durch Setzung eines andern... aufheben«(Handb. d. Philos. I, § 137).

FRIES
erklärt: »Ein Begriff und sein Gegenteil heißen widersprechende Vorstellungen« (Syst. d. Log. S. 121).

SCHELLING
bemerkt: »Was zum Handeln treibt, ja zwingt, ist allein der Widerspruch« (WW. I 8, 219).

Nach HEGEL (vgl. PLATO, Rep. 523 squ.) ist der »Widerspruch« sowohl dem Denken wie dem Sein, der Wirklichkeit (welche an sich selbst ein Denken ist, (s. Dialektik) »wesentlich und notwendig« (Encykl. § 48). Der Widerspruch, der im Begriffe steckt, ist das dialektische, das zur Entwicklung treibende Moment des Geschehens (Rechtsphilos. S. 40. vgl. Gegensatz, auch bei HERAKLIT).

Einen Widerspruch nur im Sein, nicht im Denken statuiert BAHNSEN (s. Dialektik). –

Nach HERBART hingegen kann das sich Widersprechende nicht real sein. Widerspruch ist »Unmöglichkeit eines Gedankens« (Hauptp. d. Met. S. 6). »Herausschaffung des Widerspruchs ist der eigentliche Actus der Speculation« (l. c. S. 7), vermittelst der »Methode der Beziehungen«. In den durch die Erfahrung uns aufgedrungenen formalen Begriffen stecken Widersprüche, deren Beseitigung die Aufgabe der Philosophie ist (Allg. Met., Einl. I, 5 ff.. Lehrb. zur Einl.5, § 116 ff.. HARTENSTEIN, Met. S. 62 ff.). Vgl. dagegen TRENDELENBURG, Histor. Beitr. zur Philos. 1855, II, 313 ff.. HARMS, Psychol. S. 13.

Nach TRENDELENBURG ist der Widerspruch der »Ausdruck des schlechterdings Unverträglichen, was an sich jeder Vermittlung spottet« (Log. Unters. II2, 152).

FR. MAUTHNER
betont: »Ein Widerspruch ist in der Wirklichkeitwelt undenkbar. Denkbar und wirklich ist er nur im Denken oder im Sprechen der Menschen« (Sprachkrit. II, 50).

Nach H. COHEN ist der Widerspruch kein Moment im Denkinhalt, sondern in der Tätigkeit des Urteils (Log. S. 90 f.).

M. PALÁGYI bemerkt: »In dem dualen Bau des sprachlichen Satzes liegt es begründet, daß alle unsere Gedanken ohne Ausnahme mit einem innern Widerspruche behaftet sein können, sobald unser geistiges Auge zu flimmern beginnt und wir die Dinge mit ihren sprachlichen Zeichen vermischen und verwirren« (Neue Theor. d. Raum. u. d. Zeit, S. VII f.).


Wille zur Macht S. 4104 ff.
Als »Willen zur Macht« bestimmt das Treibende in allem Geschehen NIETZSCHE. Der bewusste Wille ist aber nichts Einfaches (WW. VII 1, 10), er besteht aus Gefühlen, Affekten, Strebungen, darunter der Affekt des »Kommandos« (WW. VII, 1, 19. V, S. 165 f.. XV, 266, 298, 302). Das bewusste Wollen ist schon Produkt, es liegt ihm der »Wille zur Macht« als Tendenz, als Streben, zugrunde.

Der Wille zur Macht, zur »Akkumulation von Kraft« beherrscht alles. Aneignen, Herrschen, Mehr-werden, Stärker-werden ist der Kern des Seins (WW. XV, 296). »Der Grad von Widerstand und der Grad von Übermacht - darum handelt es sich bei allem Geschehen« (WW. XV, 297). Jedes Atom ist schon ein Quantum »Wille zur Macht«. Die Dinge sind nichts als »dynamische Quanta, in einem Spannungsverhältnis zu allen anderen dynamischen Quanten« (WW. XV, 297).

Alle Kausalität ist Kampf zweier an Macht ungleichen Elemente (WW. XV, 299). Es gibt keinen primären »Willen zum Dasein«, aber einen Willen zur Veränderung und Steigerung des Daseins (WW. XI, 6, 269). Der Wille zur Macht wirkt im Mechanischen, Chemischen, Organischen, Geistigen, Sozialen, Ethischen, Ästhetischen (s. Bewusstsein, Sittlichkeit, Übermensch). Das Ich ist nichts als verkörperter Wille zur Macht (WW. XV, 311). Nichts am Leben hat Wert als der Grad der Macht, dieser ist der höchste Wertmesser (WW. XV, 10). (Über den Willen zur Macht s. auch Macht [Hobbes]. Vergleiche auch EMERSON: »Das Leben ist ein Verlangen nach Macht«, Lebensführ. C. 2, S. 44 ff., 48: »Plus-Mensch«).


Zahl (arithmos, numerus) S. 4261 ff. Siehe auch bei Kirchner
ist die Heraushebung (Unterscheidung) und Zusammenfassung einer gleichartigen Mannigfaltigkeit zur (complexen) Einheit, sie entsteht durch (primäres) Zählen, d.h. durch wiederholte Setzung der Einheit und Verbindung, Synthesis der Einheitssetzungen. Das Zählen ist ein zeitlicher Vorgang, die (fertige) Zahl hingegen abstrahiert nicht bloß von allem qualitativen Inhalt, der für sie gleichgültig ist, nicht in Betracht kommt -, sondern auch von räumlich-zeitlichen Bestimmungen. Das Zählen kann ebenso gut an Objecten der Außenwelt als an Vorstellungen, Denkacten u.s.w. vorgenommen werden, es ist in seiner Gesetzmäßigkeit unabhängig von der Existenzart des zu Zählenden. Die Zahlgesetze, wurzelnd im Wesen des Denkens überhaupt, gelten daher unbedingt für alle möglichen Inhalte. sie sind rein formaler Natur. Der Zahlbegriff hat seine Quelle in der Bewußtseinstätigkeit, ist insofern a priori , kommt aber ursprünglich nur am Erfahrungsinhalte zur Ausbildung, durch welche auch weiterhin die Bestimmtheit (Größe) der Zahlen bedingt ist, so daß (teilweise) die Zahl (Anzahl) ein objectives Fundament besitzt. Doch darf deswegen die Zahl noch nicht zu einer metaphysischen Wesenheit hypostasier twerden, wie dies seit den Pythagoreern zuweilen geschehen ist.

Nach der Lehre der Pythagoreer ist die Zahl das Wesen der Dinge. Die Principien der Zahlen, das Gerade und Ungerade (Unbegrenzte und Begrenzte), sind auch die Principien der Dinge. Die Dinge sind eine »Nachahmung« (mimêsis) der Zahlen, welche letztere substantiell Wesenheit besitzen, die Eigenschaften der Dinge bestimmen: metaphysisch - quantitative Weltanschauung. Alles ist nach Zahlenverhältnissen geordnet, wird durch Zahl erkannt (Philol. Fragm., Mull. 13). Die arithmôn stoicheia sind zugleich die Elemente der Dinge, nämlich to artion kai to peritton (apeiron, peperasmenon, perainonta), aus welchen alle Verhältnisse entstehen. 'Archas arithmous ... hypetithento, hoti edokei autois to prôton archê einai kai to asyntheton (Alex. Aphrod. in Arist. Met. I, schol. Arist. p. 551a). arithmous einai phasin auta ta pragmata (Aristot., Met. I 6, 987 b 28). hoi men gar Pythagoreioi mimêsei ta onta phasin einai tôn arithmôn (l. c.I 6, 987 b 11).

Daß sich diese Ansicht aus der Beschäftigung der
Pythagoreer mit der Mathematik ergeben, sagt Aristoteles: hoi kaloumenoi Pythagoreioi
tôn mathêmatôn hapsamenoi prôton tauta proêgagon, kai entraphentes en autois tas toutôn archas tôn ontôn archas ôêthêsan einai pantôn. epei de toutôn hoi arithmoi physei prôtoi, en de tois arithmois edokoun theôrein homoiômata polla tois ousi kai gignomenois, mallon ê en pyri kai gê kai hydati, hoti to men toiondi tôn arithmôn pathos dikaiosynê, to de toiondi psychê kai nous, heteron dekairos kai tôn allôn hôs eipein hekaston homoiôs. etide tôn harmoniôn en arithmois horôntes ta pathê kai tous logous. hoi d'arithmoi pasês tês physeôs prôtoi, ta tôn arithmôn stoicheia tôn ontôn stoicheiapantôn hypelabon einai, kai ton holon ouranon harmonian einai kai arithmon. kai hosa eichon homologoumena deiknynai en te tois arithmois kai tois harmoniais pros ta tou ouranou pathê kai merê kai pros tên holên diakosmêsin tauta synagontes ephêrmotton ... phainontai dê kai houtoi ton arithmon nomizontes archên einai kai hôs hylên tois ousi kai hôs pathê te kai hexeis, tou d' arithmou stoicheia to t' artion kai to peritton. toutôn de to men apeiron, to de peperasmenon, to d' hen ex amphoterôn einai toutôn kai gar artion einai kai peritton, ton d' arithmon ek tou henos, arithmous de, kathaper eirêtai, ton holon ouranon
(Met. I 5, 985 b 23 squ.). hoi de Pythagoreioi dia to horan polla tôn arithmônpathê hyparchonta tois aisthêtois sômasin, einai men arithmous epoiêsan ta onta, ou chôristous de, all' ex arithmôn ta onta (Met. XIV 3, 1090 a 20 squ.). - gnômonika gar ha physis tô arithmô kai hagemonika kai didaskalika tôn aporoumenô pantoskai agnooumenô panti. ou gar ês dêlon oudeni ouden tôn pragmatôn oute autôn poth' hauta oute allô pot' allo, ai mê ês arithmos kai ha toutô essia. nyn de houtos kattan psychan harmosdôn aisthêsi panta gnôsta kai potagora allalois kata gnômonos physin apergazetai, sômatôn kai schizôn tôs logôs chôris hekastôs tôn pragmatôn tôn te apeirôn kai tôn perainontôn. idois de ka ou monon en tois daimoniois kai theiois pragmasi tan tô arithmô physin kai tan dynamin ischyousan, alla kai en tois anthrôpinois ergois kai logois pasi panta, kai kattas damiourgias tas technikas pasas, kai kattan mousikan ... pseudos de oudamôs es arithmon empitnei (PHILOLAUS, Stob. Ecl. I, 8). -

In seiner letzten Periode bestimmt PLATO die Ideen als (metaphysische) Zahlen (vgl. Aristot., Met. I, 6. XIII. XIV, 1. Simplic. ad Phys. 247, 256 Dox. D.).

Hypostasiert werden die Zahlen auch von den Neupythagoreern. Diese sehen in den Zahlen logous en tê hylê (vgl. Heinze, Lehre vom Logos, S. 180).

Nach MODERATUS ist die Eins das Symbol der Einheit, die Ursache der Harmonie, die Zwei aber das Symbol der Anderheit, der Veränderung (Porphyr., Vit. Pythag. 48 ff.). Die Zahl ist ein 'systêma monadôn, ê propodismos plêthous apo monados archomenos kai anapodismos eis monada katalêgôn (Stob. Ecl. I, 18).

Nach NIKOMACHUS sind die Zahlen als Urbilder der Dinge im göttlichen Geiste. Die Zahl ist plêthos hôrismenon (Arithm. I, 7. vgl. Überweg-Heinze, Grundr. I9, 362. Zeller, Philos. d. Griech. III, 23, 120f.). -

Nach der Kabbalâ sind Zahlen und Buchstaben Elemente des göttlichen Wortes (Soha).

Als Urbilder der Dinge werden die Zahlen von den »treuen Brüdern von Basra« (2. Hälfte d. 9. Jahrh.) bestimmt. -

NICOLAUS CUSANUS erblickt in der (göttlichen) Zahl das Urbild der Dinge. Die Zahl ist »ratio explicata« (De coniect. I, 4). Die unendliche Einheit ist Grund und Anfang der Zahl.

Nach FRANZ. ZORZI ist alles in der Welt nach Zahlen geordnet. Zwischen irdischer und himmlischer Welt besteht eine Harmonie. Die Seele ist eine vernünftige Zahl (De harmonia mundi, 1549). -

ARISTOTELES definiert die Zahl als die Menge des Gemessenen, der Maße (plêthos memetrêmenon kai plêthos metrôn). Daher ist die Eins (hen) noch keine Zahl: oude gar to metron metra, all' archê kai to metron kai to hen (Met. XIV 1, 1088 a 5 squ.).esti gar arithmos plêthos heni metrêton (Met. X 6, 1057 a 3). to gar plêthos adiairetôn estin arithmos (Met. XI 9, 1085 b 22). Die Zahl gehört zu den aisthêta koina (De anim. II, 6, 3).

Nach EUKLID ist die Zahl to ek monadôn synkeimenon plêthos (Elem. VII).

So auch BOËTHIUS: »Numerus est acervus ex unitatibus profusus.«

Nach JOH. PHILOPONUS setzt die sinnlich-anschauliche Tätigkeit der Seele die Vielheit, der bestimmte Zahlbegriff aber ist ein Denkproduct (vgl. Siebeck, Gesch d. Psychol. I 2, 351). -

Nach ALANUS AB INSULIS ist die Zahl »naturalis discretorum summa«.

Nach THOMAS ist die Zahl »multitudomensurata per unum« (Sum. th. I, 7, 4c), »aggregatio unitatum« (7 phys. 8). Sie entsteht »per divisionem continui« (De pot. 3, 16 ad 3).

So auch DUNS SCOTUS. Dieser unterscheidet: »numerus essentialis« (aus der Teilung der ersten göttlichen Einheit), »numerus naturalis« oder »formalis«, »numerus accidentalis« (die mathematische Zahl), die Zahl, durch welche gezählt wird. -

Nach SUAREZ ist die Zahl weder Substanz noch Accidens, sondern eine Collection von Accidenzen zur Einheit (Met. disp. 41, sct. l, 16). Die Zahl ist nicht ein Geschöpf des Denkens, sondern wird von der Vernunft erkannt (l. c. sct. 1, 18).

MICRAELIUS bestimmt: »Numerus est compositarum unitatum aggregatio«(Lex. philos. p. 721). »Numerus numerans seu formalis est, quem anima apprehendit abstractum ab omni materia. Dicitur etiam mathematicus.« »Numerus numeratus et materialis est, cuius unitates sunt res.« »Numerus transcendentalis, qui etiam reperitur in rebus incorporeis numero distinctis, distinguendus est a numero praedicamentali, qui est in genere quantitatis« (l. c. p. 722). »Numerare est intelligere multitudinem rerum« (ib.).

Nach HOBBES ist das Zählen eine »actio animi«, ein geistiger Act (De corp. C. 7, 7). Das Denken ist ein Rechnen.

Daß die Zahl als solche nur begrifflich ist
, betont DESCARTES: »Cum numerus non in ullis rebus creatis, sed tantum in abstracto sive in genere consideratur, est modus cogitandi duntaxat« (Princ. philos. I, 58). Doch entspringt die Anzahl aus der Unterscheidung der Dinge: »Numerus autem in ipsis rebus oritur ab earum distinctione« (l. c. I, 60).

Auch SPINOZA bemerkt: »Numerum nihil esse praeter cogitandi seu potius imaginandi modos« (Epist. 29).

Nach LOCKE ist die einfachste Vorstellung die der Einheit oder Eine. Jede Vorstellung führt diese Vorstellung mit sich, daher ist sie die bekannteste und allgemeinste Vorstellung (Ess. II, ch. 15, § 1). »Durch Wiederholung der 1 und Verbindung beider bildet man daraus die Sammelvorstellung, die man mit 2 bezeichnet. Wer so verfährt und zu der letzten Sammel-Zahl immer wieder eine Einheit hinzufügt und ihr einen Namen gibt, kann zählen oder hat die Vorstellung verschiedener Ansammlungen von Einsen, die voneinander verschieden sind, und zwar so weit, als er für jede dieser Zahlen Namen hat, und er diese Reihe von Zahlen mit ihren Namen behalten kann. Alles Zählen besteht nur in der Hinzufügung einer Eins mehr und in Belegung der neuen zusammengefaßten Vorstellung mit einem besondern Namen oder Zeichen, um sie unter den vorhergehenden und den nachfolgenden zu erkennen und von jeder größern oder kleinern Menge von Einsen zu unterscheiden« (l. c. § 5). Die Zahl gehört zu den primären Qualitäten (l. c. II, ch. 8, § 11).

NEWTON definiert: »Per numerum non tam multitudinem unitatum quam abstractam qualitatis cuiusvis ad aliam eiusdem generis quantitatem, quae pro unitate habetur, rationem intelligimus« (Arithmet. universal. C. 2 f.)

Nach LEIBNIZ ist die Zahl eine »idea adaequata« und (virtuell) angeboren. Doch muß sie gelernt und an Beispielen erprobt werden (Erdm. p. 294. vgl. p. 209, 340, 361, 363, 399. Baumann, Lehr. von R., Z. u. M., II, 38 ff.).

Als Collection von Einheiten bestimmt die Zahl BONNET: »Si l'esprit, ne considérant dans un objet que l'existence, la désigne par le mot d'unité, de la collection de semblables unités il déduira la notion du nombre« (Ess. anal. XV, 255. vgl. Ess. de Psychol. ch. 14. vgl. CONDILLAC, Trait. d. sens. I, ch. 4, § 5 ff.).

BERKELEY erklärt: »Daß die Zahl durchaus ein Product des Geistes sei..., wird einem jeden einleuchten, der bedenkt, daß das nämliche Ding eine verschiedene Zahlbezeichnung erhält, wenn der Geist es in verschiedenen Beziehungen betrachtet... Die Zahl ist so augenscheinlich relativ und von dem menschlichen Verstande abhängig, daß es kaum zu denken ist, daß irgend jemand ihr eine absolute Existenz außerhalb des Geistes zuschreiben könne... Und in jedem Betracht ist es klar, daß die Einheit sichauf eine besondere Combination von Ideen bezieht, welche der Geist willkürlich zusammenstellt« (Princ. XII)

CRUCIUS bestimmt die Zahl als einen Begriff, »darinnen man sich mehrere Dinge, in welchen man einerlei Wesen betrachtet..., inwiefern sie mehrere sind, vorstellt« (Vernunftwahrh. § 91. vgl. CHR. WOLF, Anfangsgründe sämtl. mathemat. Wissensch. 1710).

Nach KANT ist das reine Schema der Größe die Zahl, »welche eine Vorstellung ist, die die successive Addition von einem zu einem (gleichartigen) zusammen befaßt« (Krit. d. rein. Vern. S. 145). Die Zahl ist durch die Zeitanschauung bedingt. »Vergesse ich im Zählen, daß die Einheiten, die mir jetzt vor Sinnen schweben, nach und nach zueinander von mir hinzugetan worden sind, so würde ich nicht die Erzeugung der Menge, durch diese Hinzutuung von einem zu einem, mithin auch nicht der Zahl erkennen, denn dieser Begriff besteht lediglich in dem Bewußtsein dieser Einheit der Synthesis«(l. c. S. 118. s. Urteil, synthetisches).

Nach BIUNDE ist der Zahlbegriff ein reiner, apriorischer Begriff. Das Beisammenfinden mehrerer sehr gleicher Dinge bestimmt uns, Einheit zu denken. Der Zahlbegriff ist aus dem reinen Denkacte abstrahiert (Empir. Psychol. I 2, 49 ff.).

Nach SCHELLING ist die Zahl »Größe mit Zeit verbunden« (Syst. d. tr. Ideal. S. 304).

Im Sinne HEGELS erklärt K. ROSENKRANZ: Das Quantum, die Eins machet das Princip aller quantitativen Bestimmungen aus. »Die Eins ist die Urzahl, die Null ist die Unzahl im Sinn des Nichtdaseins einer quantitativen Begrenzung« (Syst. d. Wissensch. S. 32 f.).

Nach ZEISING ist die Zahl die »einseitige und nur durch das Subject zusammengefaßte, Quantität der zeitlichen Erscheinungen« (Ästhet. Forsch. S. 119).

Nach C. H. WEISSE wird die Eins erst etwas durch die Beziehung auf ein anderes. Dese Beziehung ist es, was durch die Zahlen ausgesprochen wird. »Jede Zahl ist das, was sie ist, nicht durch äußerliches Zusammennehmen der vorausgesetzten Eins..., sondern ausdrückliches Aufheben der als für sich seiend vorausgesetzten Eins.« In jeder Zahl ist »die Unendlichkeit der übrigen Zahlen schon enthalten, aber eben nur als Unendlichkeit, nicht auch als Bestimmtheit« (Grdz. d. Met. S. 175 ff.). »Das successive Setzen der Zahlen, welches von dem außerphilosophischen Verstande als ein successives Verinnerlichen, nämlich Sich-aneignen des Äußerlichen vorgestellt wird, wird von der philosophierenden Vernunft als ein successives Veräußerlichen der in jeder einzelnen Zahl, weil in der Zahl überhaupt, innerlichen Unendlichkeit erkannt« (l. c. S. 177 ff.). Die Zahl gehört, als Totalität der bestimmten Zahlen, zu den Kategorien (l. c. S. 182).

Nach CHALYBAEUS ist die Zahl »das subjectiv-objective Resultat oder Positum des Zählens, welches das Einteilen (Unterscheiden - Verbinden) oder die subjective Synthesis selbst ist« (Wissenschaftslehre, S. 118). -

Nach HERBART hat die Zahl mit der Zeit »nicht mehr gemein als hundert andere Vorstellungsarten, die auch nur allmählich konnten erzeugt werden« (Psychol. als Wissensch. II, 162.)

Ähnlich BENEKE, (Syst. d. Log. I, 279). Der wissenschaftliche Begriff der Zahl ist der des »Mehr und Minder« (Psychol. als Wissensch. II, 163). Ähnlich wie Herbart (Psychol. als Wissensch. § 116), STIEDENROTH (Psychol. I, 250), WAITZ (Lehrb. d. Psychol. S. 602), G. SCHILLING (Lehrb. d. Psychol.S. 67) bestimmt

VOLKMANN: »Die Zahl beruht auf dem Zählen, das Zählen aber ist ein Messen, und gemessen werden kann nur, was sich aus dem Gesamteindrucke zu den Formen des Nach- oder Nebeneinander erhoben hat.« »Die Vorstellung der Zahl ist... bedingt: erstlich durch das Gegebensein einer Reihe, deren Glieder qualitativ gleich sind oder doch als gleich genommen werden, zweitens durch das Hervortreten und Festgehaltenwerden der Vorstellung des einzelnen Gliedes, drittens durch die Abmessung der Reihe durch das festgehaltene Reihenglied, und vier-tens durch die Zusammenfassung der Messungen in ein ganzes« (Lehrb. d. Psychol. II4, 113).

Nach W. ROSENKRANTZ ist das Zählen »ein wiederholtes Selbstbestimmen des endlichen Geistes in der Zeit, und die Zahl entsteht durch ein Zusammenfassen aller dieser Bestimmungen in eine gemeinsame Selbstbestimmung«(Wissensch. d. Wissens II, 252). Nur durch Fortbewegung unseres Denkens von einem Inhalt zum andern können wir zählen (ib.).

Nach HARMS ruht die Zahl »auf einem Systeme, auf einer gleichartigen Einheit, wodurch und woraus eine Vielheit geordnet wird. Sie bestimmt nach einer Regel das Verhältnis, in welchem eine Vielheit zu einer Einheit steht. Sie erkennt aus dem Ganzen das Einzelne. Die Zahl entsteht nicht durch Addition, sondern durch ein Ganzes, ein System, worin die Rechnungsarten stattfinden. Der Wert jeder Zahl ist durch ihr System bedingt« (Psychol. S. 7 f.).

Nach V. KIRCHMANN ist die Zahl »eine Beziehung mehrerer gleichen und getrennten Gegenstände« (Kat. d. Philos.3, S. 40. vgl. BALLAUF, Grundlehr. d. Psychol. S. 191 f.). -

F. A. LANGE
führt die Zahl auf die Raumvorstellung zurück. Jede kleinere Zahl wird ursprünglich durch einen Sonderact der Synthesis der Anschauungen gebildet (Log. Stud. S. 140). Der Raum ist das Urbild aller discreten Größen. Die Zahl als Summe entsteht durch Zusammenfassung gleichartiger discreter Größen (l. c. S. 141).

Nach J. ST. MILL entsteht die Zahl durch Abstraction von Gruppen von Objecten. Alle Zahlen sind Zahlen von etwas, beziehen sich auf Dinge (Log. I, 2, ch. 6, § 2).

Einen zeitlichen Charakter hat die Zahl nach HAMILTON, BAIN. die Zahl ist eine Reihe discreter Eindrücke (Log. II, 200 ff.).

Als abstracte Vorstellung faßt die Zahl HELMHOLTZ auf (Zählen u. Messen, Philos. Aufs., E. Zeller gewidmet, 1887, S. 15 ff.). »Das Zählen ist ein Verfahren, welches darauf beruht, daß wir uns imstande finden, die Reihenfolge, in der Bewußtseinszustände zeitlich nacheinander eingetreten sind, im Gedächtnis zu behalten.« Die Zahlensind zunächst »eine Reihe willkürlich gewählter Zeichen.... für welche nur eine bestimmte Art des Aufeinanderfolgens als die gesetzmäßige oder nach gewöhnlicher Ausdrucksweise natürliche von uns festgehalten wird« (l. c. S, 22. ähnlich KRONECKER, Üb. d. Zahlbegriff, Zeller-Festschr. 1887, S. 261).

Nach RIEHL entsteht die Zahl durch »wiederholte Setzung desselben Unterschiedes« (Philos. Krit. II 1, S. 73 f.).

Nach B. ERDMANN sind die Zahlen »die nur durch ihre Stellung unterschiedenen Glieder einer Reihe von Gegenständen..., deren Aufeinanderfolge durch die... Gleichungen der grundlegenden Rechnungsoperation bestimmt ist« (Log. I, 105).

Nach SIGWART wird das, was als identisch gesetzt und von einem andern unterschieden wird, ebendarin ebenso wie dieses andere als eins gesetzt, »und indemwir diese zusammengehörigen Functionen in ihrer Beziehung zueinander ins Bewußtsein erheben, entsteht mit dem Begriffe des Eins auch der von Zwei, und damit die Grundlage aller Zahlbegriffe« (Log. II2, 40). »Aus dem Bewußtsein der Tätigkeiten, die wir bei jeder Vorstellung von Objecten vollziehen, erwächst das Zählen und der Begriff der Zahl« (l. c. S. 41). »Sämtliche Zahlbegriffe sind... nur in immer höheren Synthesen sich vollziehende Entwicklungen der formellen Functionen, die wir in jedem Denkacte überhaupt durch Einheitsetzen und Unterscheiden üben« (l. c. S. 41 f.). Nicht durch bloße Abstraction von den concreten Dingen entsteht die Zahl (l. c. S. 43). Jede Zahl ist »eine Vielheit als zusammengefaßt und abgeschlossen, und insofern als Einheit gedacht« (l. c. S. 45).

Ähnlich lehrt teilweise JEVONS: »Number is but another name for diversity. Exact identity is unity, and with difference arises plurality«. »Plurality arises when and only when we detect difference«. Die abstracte Zahl ist »the empty form of difference«(Princ. of Science II, ch. 8, p. 156).

Ähnlich lehrt SCHUPPE (Erk. Log. S. 405 ff.). SCHUPPE erklärt, »daß die Zahl immer unterscheidet oder eine Verschiedenheit voraussetzt und zugleich in der Zusammenfassung der Verschiedenen eine Einheit herstellt« (Log. S. 102). »Fingieren wir zwei absolut gleiche Dinge, so kann ihre Zweiheit bei ihrer sonstigen absoluten Ununterscheidbarkeit nur noch darin bestehen, daß dieses qualitativ Eine an zwei verschiedenen Stellen im Raume wahrnehmbar ist. Wenn nun auch die Qualitäten sieh vielfach unterscheiden, wie bei den gezählten Farben, Menschen, Dingen, so kann es zwar an diesen Dingen liegen, daß das in ihnen enthaltene Identische nur an verschiedenen Orten (resp. Zeitpunkten) wahrnehmbar sein kann, aber die Zahl ignoriert diese Unterschiede gänzlich und gründet sichnur auf die Verschiedenheiten des Wo und Wann, an welchem dieses Identische erscheint« (l. c. S. 103 f.).

EBBINGHAUS erklärt: »Das Bewußtsein von Einheit in Vielheit, losgelöst von den verschiedenen Empfindungsinhalten, an denen es ursprünglich zur Anschauung kommt, ist die Vorstellung der Zahl« (Grdz. d. Psychol. I, 486 ff.). -

Nach J. BAUMANN läßt sich ohne Vorstellungssuccession der Begriff der Eins anwenden. »Was wir als Punkt setzen, oder nicht mehr als geteilt setzen wollen, das sehen wir als eines an... Jede Vorstellung ist eine, wenn abgegrenzt gegen eine andere« (Lehren von R., Z. u. M. II, 668f.). Das Urteil: 7 + 5 = 12 ist (wie nach Kant) ein synthetisches Urteil a priori, d.h. eine Erkenntnis, welche in rein geistiger tätiger Anschauung vollzogen wird und nicht bloß auf dem Satze des Widerspruchs beruht (l. c. S. 669). Die Zahlen sind keine von den äußeren Dingen abgezogenen Begriffe, doch sind wir im Zählen durch die Dinge selbst motiviert (l. c. S. 669 f.).
Allgemein sind die Zahlen und ihre elementaren Operationen, »weil wir sie zu freier innerer Verfügbarkeit haben und jeden Augenblick die Probe an ihnen machen können, und bei ihrer Durchsichtigkeit im einzelnen Fall die Regel selber zu erkennen ist. Die Sicherheit des Rechnens gründet sich darin, daß es ursprüngliche Tätigkeit ist, die nicht anders gemacht werden kann« (l. c. S. 670).

Nach O. SCHNEIDER sind die Zahlbegriffe »die selbstgeschaffenen Ideen, Idealgebilde von Dingen, welche die Eigenschaft haben, daß sie auseinander, durch stetiges Hinzufügen des als Eins gesetzten Dinges und durch stetige Verdinglichung des neuen Merkmalscomplexes entstehen« (Transcendentalpsychol. S. 139).

Nach H. COHEN hat die Zahl ihren Ursprung nicht in den Dingen, sondern in der »Einheit des Bewußtseins« (Princ. d. Infin. S. 22). Die wahre Einheit besteht in dem Unendlichkleinen (Log. S. 116). Sie ist die Realität (ib.). Das »Urteil der Realität« erzeugt die Zahl als Kategorie (ib.). »Die Zahl, als Kategorie... bedeutet, daß sie als das methodische, unersetzliche Mittel anzuerkennen sei für die Erzeugung des Gegenstandes« (l. c. S. 117). Sie ist das Fundament, in welchem der Gegenstand seine Realität empfängt, welche eben nichts anderes ist als Zahl (ib.). Die Zahl erzeugt den Inhalt, darf das Sein bedeuten (l. c. S. 143).

Nach HUSSERL ist die zeitliche Succession nur für die Entstehung der Zahlvorstellungen unerläßlich, aber die zeitliche Ordnung geht in den Inhalt des Zahlbegriffs nicht ein (Philos d. Arithm. 1891, I, 24 ff.). »Vielheit« ist »durch die Reflexion auf die besondere und in ihrer Besonderheit wohl bemerkbare Einigungsweise von Inhalten, wie sie jeder concrete Inbegriff aufweist« (l. c. I, 15 ff.). Die Zahl ist nicht ein Teil des psychischen Erlebnisses, des Zählens, nichts Reales (Log. Unters. I, 171). Sie ist zeitlos, ist die »ideale Species, die im Sinne der Arithmetik schlechthin eine ist, in welchen Acten sie auch gegenständlich werden mag« (ib.). Etwas und Eins, Vielheit und Anzahl sind Kategorien, Relationsbegriffe (Philos. d. Arithm. I, 91).

Nach P. NATORP ist die Zahl »der reine Ausdruck, nicht irgend eines in der Erfahrung vorgefundenen Gegenstandes, oder bloß, einer höchst allgemein verbreiteten Eigenschaft solcher, sondern des gesetzlichen Verfahrens des Verstandes, einen Gegenstand überhaupt, im Denken ursprünglich, und erst folgeweise in der Erfahrung, als einen, zwei u.s.f. zu setzen und solcher Setzung gemäß zu erkennen«(Socialpädagog.2, S. 307). Daß 2 X 2= 4 ist, »ist kein Geschehen in der Zeit, weder ein einzelnes noch ein allgemeines, sondern ein Stattfinden, das an gar keine Zeitbedingung gebunden ist oder sie irgendwie einschließt« (l. c. s. 18). -

Nach E. V. HARTMANN ist das Zählen ein Messen. Das Messen entspringt aus der Vereinigung des Vergleichens und Trennens (Kategorienlehre, S. 250). »Alle Zahlenentstehen unmittelbar durch Messen und drücken Maßverhältnisse aus. mittelbar entstehen sie durch Verbindung und Trennung von Maßverhältnissen oder durch das Messen von Maßverhältnissen aneinander« (l. c. S. 257).

Nach HEYMANS
heißt Objecte zählen, sie »mit den Zahlwörtern von 'eins' an paarweise im Denken zusammenfassen« (Ges. u. Elem. d. wissensch. Denk. S. 156). Die reinen Zahlen bedeuten»die fest geordneten Laute, welche wir als Maßstab, die Anzahl gegebener Objecte zu bestimmen, verwenden« (l. c. S. 158 ff.).

Nach STRICKER ist die benannte Zahl »an und für sich nur der Ausdruck von motorischen Innervationen« (Stud. üb. Assoc. S. 79). Das Zählen beruht auf motorischen Acten (l. c. S. 83). Die Zahlenvorstellungen sind innere Gestaltungen, durch Muskelinnervationen geschaffen (l. c. S. 83). Die Sätze der Mathematik sind unabhängig von der Sinnenwelt, beruhen bloß auf der Erkenntnis der Abhängigkeit unserer Muskelimpulse von unserem Willen, auf innerem Experiment (l. c. S. 87).

Nach WUNDT ist der Ausgangspunkt für die Entwicklung des Zahlbegriffs die Einheit. Träger des Einheitsbegriffs ist der einzelne Denkact. »Die Function des Zählens besteht, worauf sie sich auch beziehen möge, immer in einer Verbindung einzelner Denkacte zu zusammengesetzten Einheiten. In dieser Beziehung ist die Function des Zählens nur eine specielle Äußerung der logischen Function des Denkens selbst. Sie entsteht aus der Verbindung aufeinander folgender Denkacte, wenn von dem Inhalt der letzteren völlig abstrahiert wird. Wie die Eins alles Mögliche bezeichnet, was als einzelner Denkact gegeben sein kann, so stellt jede aus Einheiten zusammengesetzte Zahl eine Reihe von Denkacten beliebigen Inhalts dar, die entweder wirklich durchlaufen worden sind, oder deren Vollzug man als eine Aufgabe bezeichnen will, deren Lösung in derselben Weise geschehen kann, in welcher unser Denken fortwährend einzelne Vorstellungen zu zusammengesetzteren Einheiten verbindet. Nur daraus, daß die Zahl ein aus der discursiven Beschaffenheit des Denkens notwendig hervorgehender abstracter Begriff ist, wird es erklärlich, daß weitaus die meisten Zahlen Aufgaben sind, die wir niemals wirklich lösen, d.h. niemals wirklich aus den Einheiten zusammenfügen, aus denen sie bestehen.« »Der Begriff der Zahl ist, was nach Elimination aller... wechselnden Elemente als das Constante zurückbleibt, die Verbindung der einzelnen Denkacte als solcher, abgesehen von jedem Inhalt« (Log. I2, 521 ff.. II2, 1, 131 ff., 199 ff.). »Die Zahl ist die Zusammenfassung eines Mannigfaltigen zur Einheit« (Syst. d. Philos.2, S. 240).

Nach H. CORNELIUS entspringt der Zahlbegriff unmittelbar aus dem Wahrnehmungsprocesse. Jeder Inhalt muß als Teil einer Mehrheit gedacht werden (Psychol. S. 174 f.). Einheit und Mehrheit sind formale Kategorien der Wahrnehmung, gelten unabhängig von der Beschaffenheit des Inhalts (l. c. S. 178). -

W. JERUSALEM erklärt: »Die Zahlbegriffe verdanken... ihre Entstehung der objectiven Beschaffenheit der Dinge einerseits und der Urteilsfunction anderseits. Gruppen gleicher Objecte mußten früh die Aufmerksamkeit erregen, und die Betrachtung solcher Gruppen zwang den Menschen, ein und dasselbe Benennungsurteil zu wiederholen. Wie oft er es aber zu wiederholen habe, das war nicht Sache der Willkür, sondern das wurde eben durch die Anzahl der Individuen bestimmt, die in der Gruppe vereinigt waren.« »Jede Zahl ist eine Synthese. Sie besteht aus Einheiten, ist aber doch ein Ganzes, welches in sich die einzelnen Objecte vereinigt und durch diese Vereinigung zu einem neuen Kraftcentrum wird, in welchem Kräfte immanent sind, die erst durch diese Vereinigung geschaffen worden sind. Diese Synthese erlangt aber nur dadurch hinreichende Festigkeit, daß die Gruppe immer beisammen bleibt und nach der Wiederholung der einzelnen Urteilsacte wieder als ein Ganzes gleichsam zusammengeschaut und zusammengefaßt werden kann« (Die Urteilsfunction, S. 254 f.). - Vgl. W. BRIX, Üb. d. mathem. Zahlbegriff, Philos. Stud. V, 671 ff.. R. DEDEKIND,Was sind u. was sollen die Zahlen? 1888. G. FREGE,Die Grundlagen der Arithmet., 1888. B. KURY, ÜberAnschauung u. ihre psych. Verarbeit., Vierteljahrsschr. f. wissensch. Philos. 1885-91. CHR. EHRENFELS, Zur Philos. d. Mathemat., Vierteljahrsschr. f. wissensch. Philos. 1891, 285 ff.. G. FR. LIPPS, Untersuch. üb. d. Grundlag. d. Mathemat., Philos. Stud. IX-XII. M. FACK, Zählen und Rechnen, Zeitschr. f. Philos. u. Pädagog. II, 196 ff., u. )

Zufall (tychê, automaton, casus) S. 4335 ff. Siehe auch bei Kirchner
1) das Walten unbeabsichtigter, unvorhergesehener Ereignisse,

2) das Zusammentreffen zweier Ereignisse, das einer Berechnung nicht zugänglich ist, so aber, daß sowohl jedes der Vorgänge Wirkung einer Causalreihe, als auch das Zusammentreffen beider Causalreihen im Weltzusammenhang an sich begründet sein muß. Das Zufällige in diesem Sinne ist das für uns nicht gesetzlich Bestimmbare, nicht zur Allgemeinheit und Notwendigkeit des Gesetzes Erhebbare. Eine große Rolle spielt der »Zufall«, bedingt durch das Zusammentreffen von Causalreihen sowie durch die Individualitäten, in der Geschichte.

Nach ARISTOTELES ist tychê die Ursache von allem, was aus einer beabsichtigten Handlung unbeabsichtigt entsteht: hê tychê aitia kata symbebêkos en tois kata proairesin heneka tou (Phys. II, 5). vgl. II, 6: to automaton kai hê tychê, aitia hôn an ê nous genoito aitios ê physis, hotan kata symbebêkos aition ti genêtai toutôn autôn. Die tychê bezieht sich auf die prakta (l. c. II 6, 197 b 3), das automaton hingegen gilt für das Geschehen überhaupt (l. c. II 6, 197 b 19 squ.). Das logisch Zufällige, Accidentielle ist das nur im einzelnen, nicht begrifflich-allgemein Bestehende.

Daß der Zufall nur ein Ausdruck für unsere Unkenntnis der Ursachen sei hêmin men automaton, aitia d' ouk automaton: (HIPPOKRATES?), betonen die Stoiker (Plac. philos. I, 29. vgl. Aristot., Phys. II, 4. Stob. Ecl, I 6, 218).

Einen Zufall anerkennen die Epikureer (vgl. LUCREZ, De rer. nat. II, 216 squ.). -

Nach BOËTHIUS besteht der Zufall bloß darin, »dass durch eine auf ein bestimmtes Ziel gerichtete Tätigkeit ein ganz unerwarteter, durch verschiedene selbständig zusammentreffende Ursachen bewirkter Effecterzielt wird« (De consol. philos. V).

Ähnlich die Scholastiker. Nach THOMAS ist »contingens«, »quod potest esse et non esse« (Sum. th. I, 86, 3 c).

Auf den absoluten Willen Gottes führt den Zufall DUNS SCOTUS zurück.

Nach G. PLETHON beruht das Zufällige auf dem Zusammentreffen verschiedener Ursachen.

Nach CAMPANELLA beruht die Contingenz auf dem Teilhaben der Dinge am »non-ens« und der »impotentia« (Univ. philos. III, 2).

Nach HOBBES beruht der Zufall auf unserer Unkenntnis der Ursachen.

So bemerkt auch SPINOZA: »Res aliqua nulla alia de causa contingens dicitur nisi respectu defectus nostrae cognitionis« (Eth. I, prop. XXXIII, schol. 1). Die Vernunft erkennt alles als notwendig. »Res singulares voco contingentes, quatenus, dum ad causas, ex quibus produci debent, attendimus, nescimus, an ipsae determinatae sint ad easdem producendum« (Eth. IV,def. III).

Ähnlich lehrt LEIBNIZ (Theod. II, Anh. II, § 2).

HUME erklärt ähnlich: »Thongh there be not such a thing as change in the world, our ignorance of the real cause of any event has the same influence on the understanding« (Vgl. Treat. III, sct. 11. vgl. S. 172f., 178f.).

DESTUTT DE TRACY
bemerkt: »Nous appellons contingens les effets dont nous voyons la cause sans voir l'enchaînement des causes de cette cause« (Élém. d' idéol. III, ch. 8, p. 356). -

Nach CHR. WOLF ist dasjenige zufällig, »davon das Entgegengesetzte auch sein kann, oder dem das Entgegengesetzte nicht widerspricht« (Vern. Ged. I, § 175. vgl. § 663 ff.. Ontolog. § 309 f.).

Nach PLATNER ist zufällig »alles das,dessen Möglichkeit, nicht aber Wirklichkeit gegründet ist in dem Geschlecht oder Wesen eines Dinges« (Philos. Aphor. 1, § 1005. vgl. FEDER, Log. u. Met. S. 234).

Nach MENDELSSOHN nennt man Zufall das Zusammentreffen von »Begebenheiten, die auf- oder nebeneinander folgen, ohne daß die eine die andere unmittelbar hervorgebracht« (Morgenst. I, 11, S. 179 f.. vgl. I, 16, S. 284 ff.).

Nach GARVE ist Zufall ein »Zusammenfluß von Ursachen, die wir nicht auseinandersetzen können« (Samml. ein.Abhandl. I, 131). –

KANT
bestimmt: »Zufällig, im reinen Sinne der Kategorie, ist das, dessen contradictorisches Gegenteil möglich ist« (Krit. d. rein. Vern. S. 380). Das »Bedingte im Dasein überhaupt« heißt zufällig (Krit. d. Urt.).

Nach SCHELLING ist das erste Seiende, als nicht determiniert, zugleich »das erste Zufällige (Urzufall(WW. I 10, 101. vgl. II 2, 153).

HEGEL bestimmt die Zufälligkeit als die »Einheit von Möglichkeit und Wirklichkeit« (Log. II, 205). Was nicht restlos in den Begriff eingeht, ist das Zufällige. »Die Zufälligkeit und Bestimmbarkeit von außen hat in der Sphäre der Natur ihr Recht.« »Es ist die Ohnmacht der Natur, die Begriffsbestimmungen nur abstract zu erhalten und die Ausführung des Besondern äußerer Bestimmbarkeit auszusetzen« (Naturphilos. S. 36 f.. vgl. K. FISCHER, Log. u. Met.2, S. 387).

Nach BOLZANO ist zufällig ein Gegenstand, wenn er ist, ohne doch notwendig zu sein (Wissenschaftslehre II, § 182, S. 230). Vgl. K. ROSENKRANZ, Wissensch. d. log. Idee I, 439.

Nach J. ST. MILL besteht der Zufall im der nicht gesetzlich bestimmten Verbindung zweier Causalreihen (Log. II, 55).

SCHOPENHAUER erklärt: »Das contradictorische Gegenteil, d.h. die Verneinung der Notwendigkeit, ist die Zufälligkeit. Der Inhalt dieses Begriffs ist daher negativ, nämlich weiter nichts als dieses: Mangel der durch den Satz vom Grunde ausgedrückten Verbindung. Folglich ist auch das Zufällige immer nur relativ. Nämlich in Beziehung auf etwas, das nicht sein Grund ist, ist es ein solches. Jedes Object... ist allemal notwendig und zufällig zugleich. notwendig in Beziehung auf das eine, zufällig in Beziehung auf alles übrige. Denn ihre Berührung in Zeit und Raum mit allem übrigen ist ein bloßes Zusammentreffen, ohne notwendige Verbindung: daher auch die Wörter Zufall, symptôma, contingens. So wenig daher, wie ein absolut Notwendiges, ist ein absolut Zufälliges denkbar. Denn dieses letztere wäre eben ein Object, welches zu keinem andern im Verhältnis der Folge zum Grunde stände. Die Unvorstellbarkeit eines solchen ist aber gerade der negativ ausgedrückte Inhalt des Satzes vom Grunde, welcher also erst umgestoßen werden mußte, um ein absolut Zufälliges zu denken...« »In der Natur, sofern sie anschauliche Vorstellung ist, ist alles, was geschieht, notwendig, denn es geht aus seiner Ursache hervor. Betrachten wir aber dieses einzelne in Beziehung auf das übrige, welches nicht seine Ursache ist, so erkennen wir es als zufällig: dies ist aber schon eine abstracte Reflexion« (W. a. W. u. V. I, 462).

Nach K. E. V. BAER ist Zufall »ein Geschehen, das mit einem andern Geschehen zusammentrifft, mit dem es nicht in ursächlichem. Zusammenhang steht« (Stud. auf d. Gebiete d. Naturwiss. S. 71).

Nach RÜMELIN besteht Zufall, »wo aus dem zeitlichen und räumlichen Zusammentreffen von zweien oder mehreren, unter sich durch kein Causalverhältnis verbundenen Ereignissen neue Wirkungen hervorgebracht werden, die ohne diesen Contact nicht eingetreten wären« (Red. u. Aufs. II, 130).

Nach B. CARNERI ist Zufall »nur die Kreuzung verschiedener Tätigkeitsrichtungen, infolge deren das, was aus dem ungestörten Fortschreiten der einen Richtung entstanden wäre, durch das Eingreifen einer andern, nicht im Causalnexus dieser Richtung liegenden Tätigkeit entweder modificiert wird oder ganz unterbleibt« (Sittl. u. Darwin. S. 124).

Nach WINDELBAND ist Zufall (subjectiv) »das durch keine Notwendigkeit bedingte Wirklichwerden einer Möglichkeit« (Die Lehren vom Zufall 1870, S. 4 f.). Die »räumlich-zeitliche Coincidenz von Tatsachen, zwischen denen kein Verhältnis der Causalität stattfindet«, ist der relative Zufall (l. c. S. 22. vgl. S. 24). Zufall ist jede Coincidenz von Tatsachen, »die weder miteinander im Verhältnis von Ursache und Wirkung stehen noch von einer gemeinschaftlichen Ursache abhängen, also nicht notwendig miteinander verbunden sind« (l. c. S. 24 ff.). Der Zufall ist (wie K.FISCHER, Log. u. Met.2, S. 387 sagt) »das vereinzelte Factum« (l. c. S. 27). In keiner Wirkung stellt sich ein einzelnes Gesetz rein dar (l. c. S. 29). Die Modificationen, die Fälle des Gesetzes sind als einzelne Fälle zufällig (l. c. S. 30. vgl. TRENDELENBURG, Log. Unt. II, 192). In dem »Eintritt unberechenbarer Nebenbedingungen« besteht der Zufall (l. c. S. 31). Zufällig ist ferner, »was entweder gegen oder ohne die menschliche Absicht in dem Bereich der zweckmäßigen Handlungen vor sich geht« (l. c. S. 57), ferner die nicht im Zweck des Weltgeschehens liegenden Nebenwirkungen (l. c. S. 67). In allen Fällen ist der Zufall »ein Princip unserer Betrachtung, nicht ein Princip des Geschehens: er ist eine Anschauungsweise des einzelnen, sofern es in irgend einer Weise vom Allgemeinen getrennt wird, und enthüllt sich immer als eine Täuschung, wo er auf das Allgemeine selbst als Realprincip angewendet werden soll« (l, c. S. 68 f.). »Überall, wo durch das menschliche Denken das Allgemeine und das Besondere auseinander gerissen werden, entsteht das Phänomen der Zufälligkeit: die reale Welt als die vollkommene Identität des Allgemeinen und des Besondern kennt nur die innige Einheit einer gemeinschaftlichen Wirksamkeit, in der alles, wie es darin seinen Grund der Entstehung hat, auch seine wertvolle Verwendung findet« (l. c. S. 78 ff.).

Die Subjectivität des Zufalls lehrt M. CARRIERE. Er gilt nur für die unbeabsichtigten Ereignisse, die durch die Lebensäußerungen verschiedener Wesen sich mit ergeben (Ästh. II, 33).

Den objectiven absoluten Zufall leugnet H. LORM (Grundlos. Optimism. S. 182). so auch E. DÜHRING (Wirklichkeitsphilos. S. 380) u. a.

Nach WUNDT sind zufällig »die Wirkungen derjenigen Ursachen, durch welche die Erscheinungen im einzelnen in unregelmäßiger Weise abgeändert werden, während sie sich bei gehäufter Beobachtung vollständig aufheben« (Log. I, 401).

Nach SCHUPPE ist etwas zufällig »in Relation auf einen solchen Vorgänger oder Begleiter, dessen Qualität mit der des als zufällig Bezeichneten nicht gesetzlich vereint ist, sondern letztere weder fordert noch ausschließt« (Log. S. 68. vgl. S. 76).

M. PALÁGYI erklärt: »Eine jede Tatsache ist notwendig, und es gibt nirgends zufällige Tatsachen.« In der ewigen Ordnung hat alles seine feste Stelle (Log. auf d. Scheidew. S. 152 ff.). –

G. SIMMEL bemerkt: »Die Zufälligkeit ist aus unserem Weltbild nicht zu entfernen, weil der Anfang desselben zufällig war und alles Spätere nur eine Entwicklung dieses ersten Zustandes ist - eine Entwicklung, welche erst unter Voraussetzung eben dieses nicht mehr zufällig ist« (Probl. d. Geschichtsphilos. 1892, S. 42).

Nach BOUTROUX gibt es in der Natur etwas, was nicht notwendige Folge des Vorhergehenden ist (La contingence des lois de la nature. vgl. JANET, Princ. d. mét. p. 30 ff.). - Vgl. M. CANTOR, Das Gesetz im Zufall, 1877. L. NOËL, La philos. de la contingence, Revue Néo-Scolastique IX, 1901. -


Aus: Rudolf Eisler: Wörterbuch der philosophischen Begriffe, Digitale Bibliothek Band 3: Geschichte der Philosophie
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