Symeon der neue Theologe (949 – 1022)

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Inhaltsverzeichnis
Leben in Christus
Christus, der Lebensgrund


Leben in Christus
Ich habe gesprochen: Götter seid ihr, Söhne des Höchsten allesamt. Ps 81, 6
Das prophetische Wort des Psalmes soll sich an uns erfüllen:
»Söhne des Allerhöchsten« sein! O Wunder! In Christus wird der Mensch an Geist und Leib mit Gott vereinigt, teilhaft des göttlichen Wesens, eins mit ihm durch Kindschaftsannahme, und besteht nun aus Leib, Seele und göttlichem Geist, an dem er teilhat.

Darum sprach Jesus: »Bleibet in mir, daß ihr viel Frucht bringt!« (Joh 15,4.8). »Ich habe die Herrlichkeit, die Du mir gegeben hast, auch ihnen gegeben, damit sie eins seien, so wie wir eins sind« (17,21).

Nichts steht im Wege, daß wir zum »Vollmaß der Lebenshöhe Christi gelangen« (Eph 4, 13), wenn wir nur wollen. Auch die Menschen, die mitten im unruhigen Treiben der Welt sind, werden, wenn sie nur ihrer Berufung entsprechen, von Gott mit großen Gaben beschenkt.

Ins Grenzenlose weist alle Erleuchtung der Seele. Wer sie empfängt, der rührt wohl an die Grenzen der Sinne, aber findet den Anbeginn der Erkenntnis des Geistes. Unmöglich kann, wer aus ganzer Seele sucht, nicht finden — jetzt wohl findet er nur zum Teil, mit Nichtsbegreifen und mit Erkenntnis des immer Größeren, in der kommenden Welt aber vollkommen, mit allen Geheiligten.

So kommt denn, spricht der Herr: »Ich bin die Auferstehung und das Leben« (Joh 11,25); ich bin »das Senfkorn, in die Erde gesenkt« (Mt 13,31), ich bin »das Himmelreich, das in euch ist« (Lk 17,21); ich bin meinen Dienern das geistige Paradies an Stelle des irdisch Sinnenhaften, und darein setze ich alle, die an mich glauben, neugeboren im Geiste. Denn ich bin in ihnen und sie in mir, und sie überwinden die Welt, weil sie mich, den Starken, bei sich haben. Ich bin die klare Quelle des unsterblichen Stromes, darin sich baden, die mich lieben. Ich bin die Sonne, die heute und morgen in ihnen aufgeht; ich scheine durch Ihren Geist, und sie preisen mich. S.76
Aus: Otto Karrer, Jahrbuch der Seele . Aus der Weisheit der christlichen Jahrhunderte. Verlag Ars Sacra Josef Müller München

Christus, der Lebensgrund
Keiner, der in ihm bleibt, sündigt, denn seine Lebenskraft bleibt in ihm, und er kann nicht sündigen, weil er aus Gott geboren ist.
4 Joh 3,6. 9
Es gibt einen Grundsatz für alle Christen, die zum Heile kommen, und dieser Grundsatz heißt; Glaubensanschluß an Jesus Christus, unsern Herrn. Ohne dies wird der Mensch durch Bergschluchten und Wüsteneien irren. Und keiner Ordnung folgen, heißt einer schmählichen Willkür folgen, an deren Anfang die Flucht vor Gott, an deren Ende die Sinnlosigkeit steht, und alles dazwischen ist ein vergebliches Mühen und Jagen, und es ist kein Heil in allem.

Der Herr spricht: »Dazu bin ich gekommen, um der Wahrheit Zeugnis zu geben« (Joh 18,37). Jenem aber, der ihn fragte, was Wahrheit sei, gab er keine Antwort: er wußte ihn unfähig, das verborgene Geheimnis zu fassen.

Er muß herrschen im Menschen, denn anders kann das innerste Wesen der menschlichen Person nicht zur wahren Entfaltung kommen, anders der Ungeist, der durch das Böse herrscht, nicht überwunden werden.

Aus dem ersten Grundsatz folgt ein zweiter: weder gesündigt haben noch sündigen ist die eigentliche Sünde: wie für einen Blinden nicht »gestrauchelt sein« oder »straucheln« die Blindheit selber ist, und wie beim Kranken das Verlangen nach schädlicher Speise nicht die Krankheit selber ist, sondern ihr Zeichen, so auch hier: nicht teilzuhaben an Christi Göttlichkeit, am Sohne Gottes, der für uns am Kreuz gehangen, — das ist die Sünde.

Wer nicht Gemeinschaft mit Jesus Christus hat, wird bestimmt in Sünde fallen; und an Christus teilhaben, mit ihm in Gemeinschaft sein, das ist »die Gerechtigkeit«. In ihm leben die Christen. Gott hat sich in ihm so sehr zu uns herabgelassen, daß er Gestalt und Wesen unserer Art annahm, um uns verwandt zu sein, damit wir durch die Gemeinschaft mit ihm das menschenwürdige Leben finden. S.128
Aus: Otto Karrer, Jahrbuch der Seele . Aus der Weisheit der christlichen Jahrhunderte. Verlag Ars Sacra Josef Müller München