Averroes, arabisch: Ibn Ruschd (1126 – 1198)
Arabischer
Philosoph und Arzt; Richter in Sevilla und Córdoba; Averroes wurde im Mittelalter auch der »Kommentator« (des Aristoteles) genannt. Charakteristisch für ihn ist die Lehre vom
anfanglosen Bestehen der Welt, die aber doch (?) von Gott erschaffen sei.
Der denkende Geist (der Nous des Aristoteles) ist nicht in den Einzelmenschen vervielfältigt, sondern ein einziges, rein geistiges Wesen, das von
außen auf die menschliche Seele einwirkt. Die Unsterblichkeit der
individuellen Seele lehnt er daher in seinem De Anima-Kommentar zu Aristoteles ab. Andererseits argumentiert er aber auch wieder auf der Basis des Korans und der Offenbarung für ein Leben nach dem Tode. Dazu sind nach seiner
Ansicht drei Interpretationsmöglichkeiten denkbar: (1) Die Auferstehung ist körperlich und das jenseitige Leben unterscheidet vom diesseitigen im wesentlichen nur durch die Dauer. (2) Das Leben nach dem Tode ist körperlich, jedoch aber deutlich vom irdischen Leben unterschieden. (3) Es gibt keine körperliche Auferstehung, nur die Seele allein lebt weiter. Diese und andere Lehren stimmen nach seiner Ansicht alle mit dem Koran überein, da in diesem ein mehrfacher Sinn anzunehmen sei. Siehe auch Wikipedia , Kirchenlexikon und Seelen-Überleben |
Eigenschaften
Gottes
Die Eigenschaften, welche der Koran ausdrücklich zur Qualifikation des
Schöpfers, Hervorbringers der Welt anführt, sind die Eigenschaften
der Vollkommenheit, die im Menschen vorhanden sind, nämlich sieben: das Wissen, das Leben,
die Macht, der Wille,
das Hören,
das Sehen,
die Rede.
Was das Wissen betrifft, so hat der Koran durch die Stelle Sur. LXVII, 14 in
der Form des Beweises darauf aufmerksam gemacht. Sollte
der nicht wissen, der geschaffen hat? Er der Scharfsehende, Kundige. Die Art des Beweises besteht darin, daß das Erschaffene vermöge der
Ordnung, die in seinen Teilen sich vorfindet, nämlich dass einer wegen
des andern da ist, und vermöge der Übereinstimmung von ihnen allen
für den durch dieses Erschaffene bezweckten Nutzen, darauf hinweist, dass
es nicht von einem Hervorbringer, der bloß Natur ist, herkomme, sondern
von einem Schöpfer, der das, was, auf den Zweck geht, in Rücksicht
auf den Zweck angeordnet hat; und es also notwendig ist, dass er ein Wissen davon habe. S.55 [...]
Die Eigenschaft des Lebens kommt offenbar
von der Eigenschaft des Wissens her: nämlich es ist offenbar in der sinnlichen
Welt das Leben eine notwendige Bedingung des Wissens, und bei einer notwendigen
Bedingung darf man das Urteil von der sinnlichen Welt auf die übersinnliche
übertragen. Und hierin haben sie Recht.
Die Qualifikation Gottes mit der Eigenschaft des Willens erhellt daraus, dass es eine notwendige Bedingung des Hervorgehens einer
Sache von einem wissenden Agens ist, dass dieses die Sache will: ebenso
ist es notwendige Bedingung, dass es die Macht
dazu hat. S. 56 [...]
Wenn man frägt: von wo steht die Eigenschaft der Rede fest? so
antworten wir: Sie steht für Gott fest, wegen des Bestehens der Eigenschaften
des Wissens und der Macht der wundervollen Hervorbringung in ihm. Denn die Rede ist nichts mehr, als dass der Redende eine Aktion ausübt, wodurch
er den Angeredeten auf das Wissen hinweist, das in seiner Seele ist, oder wodurch
der Angeredete in die Lage kommt, dass ihm jenes Wissen, das in seiner
Seele ist, enthüllt wird. Diese Aktion ist eine der Aktionen des Hervorbringers.
S. 57 [...]
Die beiden Eigenschaften des Hörens
und Sehens legt das Religionsgesetz Gott
bei, weil sie speziell auf Ideen, die man an existierenden Wesen wahrnimmt,
und die der Verstand nicht wahrnimmt, sich beziehen. Da es Bedingung für
den Hervorbringer ist, alles, was in dem Hervorgebrachten ist, wahrzunehmen,
so muss er diese beiden Apperzeptionen besitzen, und er muß sowohl
die Objekte der Wahrnehmung des Sehens als die des Hörens wissen, da sie
von ihm gemacht sind. S.59
Aus: Collegia Philosophische Texte, Philosophie und Theologie von Averroes (S.55-59)
Übersetzt von Marcus Joseph Müller. Mit einem Nachwort von Matthias
Vollmer
© 1991 by Akademie Verlag, Berlin
Veröffentlichung auf Philos-Website mit freundlicher Erlaubnis des Akademie
Verlags, Berlin