Martin Luther (1483 – 1546)

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Der Glaube an Jesus Christum (Aus dem Galaterbrief-Kommentar 1535)
Jesus (Ein Sermon von der Bereitung zum Sterben 1519)


Der Glaube an Jesus Christum
Aus dem Galaterbrief-Kommentar 1535
Weil wir wissen, daß der Mensch durch des Gesetzes Werke nicht gerecht wird, sondern durch den Glauben an Jesum Christum, so glauben wir auch an den Glauben an Jesus Christum, auf daß wir gerecht werden durch den Glauben an Christum und nicht durch des Gesetzes Werke; denn durch des Gesetzes Werke wird kein Fleisch gerecht (Gal. 2, 16).

Die rechte christliche Lehre ist diese: der Mensch soll zu allererst durch das Gesetz erkennen, daß er ein Sünder ist, der keine Möglichkeit hat, irgendein gutes Werk zu tun. Denn das Gesetz sagt: du bist ein böser Baum; darum stehen alle deine Gedanken, Worte und Werke im Widerstreit gegen Gott. Du kannst also die Gnade nicht verdienen mit deinen Werken. Versuchst du es aber trotzdem, dann machst du das Übel nur noch stärker; denn du kannst, da du ein böser Baum bist, nur böse Früchte bringen, d. h. du kannst nichts als Sünde tun. »Denn alles, was nicht aus dem Glauben geht, ist Sünde« (Röm. 14, 23).Darum: die Gnade durch vorhergehende Werke verdienen wollen, das heißt soviel wie: Gott durch Sünden versöhnen wollen. Das aber ist nichts anderes als Sünden auf Sünden häufen, Gott lästern und seinen Zorn herausfordern. Wird der Mensch durch das Gesetz also unterwiesen, in Schrecken gesetzt und geniedrigt, sieht er wirklich die Größe seiner Sünde und findet er bei sich selbst auch nicht einen Schimmer mehr von Liebe zu Gott, dann rechtfertiget er Gott in seinem Wort und bekennt sich des ewigen Todes und der Verdammnis schuldig. So ist denn der christlichen Lehre erster Teil die Predigt der Buße und der Erkenntnis des eigenen Ich.

Ihr anderer Teil aber ist der: Willst gerettet werden, dann kannst du deine Rettung nicht durch Werke zustande bringen, sondern »Gott hat seinen Eingeborenen Sohn gesandt in die Welt, daß wir durch ihn leben sollen«(Joh. 4, 9).Der ist gekreuzigt worden und ist gestorben für dich und hat deine Sünden an seinem Leibe geopfert. Da ist kein Eines- und Einigsein mit Gottes Willen oder irgend ein Werk, das der Gnade vorausginge, sondern eitel Zorn, Sünde, Schrecken und Tod. Das Gesetz entdeckt als lediglich die Sünde, es setzt in gar großen Schrecken und niedriget, und so bereitet es zur Gerechtmachung und treibet zu Christus. Gott hat nämlich durch sein Wort offenbart, daß er wolle ein gnädiger Vater sein, der uns ohn` all unser Verdienst – wir können ja schlechterdings nichts verdienen! – umsonst Vergebung der Sünden, Gerechtigkeit und ewiges Leben um Christi willen schenken möchte; denn er ist ein Gott, der seine Gaben schenkt, ohne auf irgendetwas zu rechnen und das ist seine Ehre und Majestät. Aber die kann er nicht verteidigen wider die Werkgerechten. Sie mögen Gnade und ewiges Leben nicht umsonst von ihm hinnehmen, wollen sie vielmehr mit ihren Werken verdienen und ihm also seine Ehre und göttliche Majestät rauben. Um diese behalten zu können, muß er das Gesetz vorherschicken, damit es als ein Blitz und Donner vom Himmel her jene so sehr harten Felsen erschrecke und zerschmeiße.

Das ist in Summa unsere Theologie von der christlichen Gerechtigkeit wider die abscheulichen und ungeheuerlichen Redensarten der Sophisten von dem Verdienst des Menschen, der im Einklang mit Gottes Willen und würdig lebe, oder von den Werken vor und nach der Gnade.

Der Mensch soll zuerst durch das Gesetz dahin gebracht werden, daß er sich selbst erkennt, auf daß er es lerne, mit dem Propheten zu beten: »Alle haben gesündigt und mangeln des Ruhmes vor Gott«. »Da ist kein Gerechter, auch nicht einer, keiner, der verständig wäre, keiner, der nach Gott frage; sie sind allesamt abgewichen« usw. (Ps. 14, 1-3). Und weiter: »Dir allein habe ich gesündigt« usw. (Ps. 51, 6) . . .

Ist aber der Mensch durch das Gesetz geniedriget und zu seiner selbst Erkenntnis gebracht worden, dann steht er wahrhaft in der Buße – die wahre Buße beginnt nämlich mit der Furcht und dem Gericht Gottes! – und dann sieht er: ich bin ein so großer Sünder, dass ich aus eigenen Kräften, durch mein Bemühen und durch meine Werke von meinen Sünden nicht befreit werden kann. Dann erst verstehet er recht, was Paulus sagen will, wenn er spricht: Der Mensch ist ein Knecht und Gefangener der Sünde, und: Gott hat alles beschlossen unter die Sünde, die ganze Welt ist schuldig vor Gott usw. (Röm. 7, 23; 6 ,20; Gal. 3, 22).

Da hebt dann das Seufzen an: Wer kann hier Hilfe bringen? Denn der Mensch, der so vom Gesetz in Schrecken versetzt ist, der hofft ganz und gar weg von seinen eigenen Kräften, der schaut aus und seufzt nach der Hilfe eines Mittlers und Heilandes. Da kommt dann zu gelegener Zeit das heilsame Wort des Evangeliums und spricht: Sei getrost mein Sohn, vergeben sind dir deine Sünden. Glaube an Jesus Christus, der für deine Sünden gekreuzigt worden ist usw. Fühlst du deine Sünden, dann sieh sie nicht an dir an, sondern bedenke, daß sie auf Christus gelegt sind, dessen Wunden dich geheilt haben usw. (Jes. 53, 5; 1. Petr. 2, 24). Das ist der Anfang der Seligkeit. So werden wir von der Sünde frei und gerecht gemacht, und so wird uns ewiges Leben geschenkt, nicht um unserer Verdienste und Werke willen, sondern um des Glaubens willen, durch den wir Christus ergreifen . . .

Er hat reichlich für uns genug getan. »Durch sein eigenes Blut ist er einmal in das Heilige gegangen« usw. (Hebr. 9, 12). »Wir werden gerecht gemacht umsonst durch die Gnade Gottes, durch die Erlösung, so durch Jesus Christus geschehen ist, welchen Gott hat vorgestellt zu einem Gnadenstuhl durch den Glauben in seinem Blut« usw. (Röm. 3, 25; 4, 5) . . .

Der Glaube ergreift Christus und hat ihn gegenwärtig und hält ihn eingeschlossen wie der Ring den Edelstein, und wer erfunden wird als einer, der Christus mit solcher Zuversicht im Herzen ergriffen hat, den erachtet Gott für gerecht. Das ist die Weise und das Verdienst, dadurch wir zur Vergebung der Sünden und zur Gerechtigkeit gelangen. Dieweil du an mich glaubst, spricht Gott, und dein Glaube Christum ergreift, den ich dir geschenkt habe, daß er wäre dein Mittler und Hoherpriester, darum sollst du gerecht sein . . .

Nachdem wir den Glauben an Christus also gelehrt haben, lehren wir auch von guten Werken. Weil du im Glauben Christus ergriffen hast, durch welchen du gerecht bist, so fange an, gute Werke zu tun: liebe Gott und liebe den Nächsten, rufe Gott an, danke ihm, predige ihn, lobe ihn, tue wohl deinem Nächsten und diene ihm, verrichte dein Officium! Das sind die wahrhaft guten Werke, die aus dem Glauben und einem fröhlichen Herzen fließen, weil wir umsonst Vergebung der Sünden durch Christus empfangen haben. Alles, was es hernach an Kreuz und Leiden zu tragen gibt, ist leicht zu tragen. Denn das Joch, das Christus auferlegt, ist sanft, und seine Last ist leicht (Matth. 11, 30). Denn dieweil die Sünde vergeben und das Gewissen befreit ist von der Last und dem Beißen der Sünde, kann ein Christ alles leicht tragen. In seinem Innern ist alles sanft und süß; darum tut und leidet er alles willig. Wann aber ein Mensch einhergeht in eigener Gerechtigkeit, so fällt ihm alles, was er tut und leidet, schwer und ist ihm eine Last, weil er`s nur widerwillig tut.

Darum sagen wir: der ist ein Christ – nicht, wer keine Sünde hat oder fühlt, sondern wem seine Sünde von Gott um des Glaubens an Christus willen nicht zugerechnet wird. Diese Lehre bringt festen Trost den Gewissen, so in rechten Ängsten sind, und darum ist es nicht umsonst, daß wir so oft und mit so großem Bedacht die Botschaft in das Gewissen hämmern, daß die Sünden vergeben sind und Gerechtigkeit zugerechnet wird um Christi willen; desgleichen daß ein Christ nichts, gar nichts solle zu schaffen haben mit dem Gesetz und der Sünde, zumal dann nicht, wenn er angefochten wird. Als Christ steht er über dem Gesetz und der Sünde. Denn er hat in seinem Herzen gegenwärtig und eingeschlossen Christus, den Herrn des Gesetzes, gleichwie ein Ring einen Edelstein umfangen hält. Darum: wenn ihn das Gesetz anklagt, wenn die Sünde ihn in große Schrecken setzt usw., dann sieht er Christus an. Hat er den Glauben ergriffen, so hat er bei sich den Sieger über Gesetz, Sünde, Tod und Teufel - Christus, der über alle herrscht, daß sie nicht schaden können.

Darum ist ein Christ recht verstanden frei von allen Gesetzen und niemand, weder innerlich noch äußerlich, untertan. Aber ich sage ausdrücklich: sofern er ein Christ ist – ich sage nicht: sofern er ein Mann oder Weib! -, d. h. also: sofern er ein Gewissen hat, das gesättigt, geschmückt und reich gemacht ist mit jenem Glauben, mit jenem großen und unbegreiflichen Schatz oder, wie Paulus sagt, mit jener unaussprechlichen Gabe, die gar nicht hoch genug erhoben und gerühmt werden kann, weil sie Kindern und Erben Gottes macht. Von daher ist es zu verstehen, daß ein Christ größer ist als die ganze Welt, weil er die scheinbar kleine Gabe im Herzen hat; aber dieser kleine Schatz und Lohn, den er im Glauben hat und hält, ist größer denn Himmel und Erde, denn Christus ist größer, der selbst diese Gabe ist.

Christus hat uns erlöst vom Fluch des Gesetzes, da ward er ein Fluch für uns (Gal. 3, 13).

Paulus sagt nicht: Christus sei für sich ein Fluch geworden, er sagt: »für uns«. Der Akzent liegt also auf dem Wörtlein »für uns«. Denn Christus ist, was seine eigene Person angeht, unschuldig; mithin hätte er nicht an das Holz gehängt werden sollen. Dieweil aber jeder Mörder nach dem Gesetz gehängt werden sollte, mußte auch Christus nach des Moses Gesetz gehängt werden; denn er übernahm ja die Rolle eines Sünders und Mörders, und zwar nicht die eines einzelnen, sondern die aller Sünder und Mörder.

… Mit Danksagung und zuversichtlichem Glauben sollen wir die so überaus süße und trostreiche Lehre annehmen, die uns sagt, daß Christus, indem er für uns ein Fluch, d. h. ein dem Zorne Gottes ausgelieferter Sünder wurde, sich in unser Fleisch und Blut verkleidet, unsere Sünde auf seine Schulter nimmt und spricht: Ich, ich habe die Sünden getan, die alle Menschen begangen haben. So ist er wirklich ein Fluch geworden nach dem Gesetz, nicht für sich, sondern – wie Paulus sagt - »für uns«. Hätte er nämlich meine, deine, ja der ganzen Welt Sünden nicht auf sich genommen, das Gesetz hätte kein Recht auf ihn gehabt; es verdammt nur die Sünder und sie hält es unter dem Fluch. Christus hätte also weder ein Verfluchter werden noch sterben können, weil ja die Ursache des Fluches und des Todes die Sünde ist, davon er frei war. Weil er aber unsere Sünde nicht als unter einem Zwange stehend, sondern freiwillig auf sich genommen, darum mußte er Gottes Strafe und Zorn tragen, nicht für seine Person – die war gerecht und konnte nicht überwunden werden von der Sünde, konnte mithin auch nicht schuldig werden -, sondern für unsere Person.

So ist er einen seligen Tausch eingegangen. Er hat unser sündiges Wesen angenommen und hat uns gegeben sein unschuldig, sieghaft Wesen. Also angetan und bekleidet werden wir frei gemacht von dem Fluch des Gesetzes, weil Christus mit seinem eigenen Willen ein Fluch ward für uns. Er spricht: Ich für meine Person, nach meiner Menschheit und nach meiner Gottheit, bin ein Gesegneter und bedarf schlechthin keines Dinges; aber ich will mich selbst entäußern, will euer Kleid und Hülle annehmen, d. h. eure menschliche Natur; in ihr will ich über die Erde gehen und den Tod erleiden, auf daß ich euch los mache vom Tode.

Und da er nun in unsrer Gestalt die Sünde der ganzen Welt trug, ist er gegriffen worden und hat gelitten und wurde ans Kreuz geschlagen und ist gestorben und zu einem Fluch geworden für uns. Weil er aber menschliche und göttliche Person war, konnte er unmöglich vom Tode gehalten werden. Darum ist er auferstanden am dritten Tage vom Tode, und nun lebt er in Ewigkeit und wir hinfort an ihm keine Sünde erfunden, kein Tod, auch unsere Gestalt nicht, sondern lauter Gerechtigkeit, Leben und ewige Seligkeit.

Dieses Bild müssen wir anschauen und müssen es in festem Glauben ergreifen. Wer das tut, der hat Christi Unschuld und Sieg, und wäre er gleich ein noch so großer Sünder. Aber dieses Bild kann nicht ergriffen werden durch den Willen zur Liebe, sondern nur durch eine vom Glauben erleuchtete Vernunft. Darum werden wir durch den Glauben allein gerecht gemacht, weil der Glaube allein diesen Sieg Christi ergreift. Also: soviel du glaubst, soviel hast du. Glaubst du, daß Sünde, Tod und Fluch abgetan sind, dann sind sie abgetan, weil Christus sie in sich selbst besiegt und aufgehoben hat und weil er will, daß wir glauben sollen: gleichwie in seiner Person hinfort keine Gestalt des Sünders, keine Spur des Todes ist, also auch sei das alles nicht mehr in n unserer Person, da er ja alles für uns vollbracht hat usw.

Darum – wenn dich deine Sünde lässet in Ängsten sein, wenn der Tod dich in Schrecken setzt, so bedenke, daß du es mit einem nichtigen Schemen und mit einer Illusion des Teufels zu tun hast, wie es ja gewißlich ist. Denn in Wirklichkeit ist keine Sünde, kein Fluch, kein Teufel mehr da. Christus hat sie alle besiegt und unter seine Füße getreten. So ist denn der Sieg Christi ganz gewiß, und ist hie kein Mangel; denn es ist gewißlich wahr. Aber an unserm Glauben fehlt`s. Denn der Vernunft fällt`s gar sauer, diese unschätzbaren Güter zu glauben. Und dann kommen auch noch der Teufel und die Schwarmgeister herzu, die darauf allein aus sind, dass sie uns diese Lehre verdunkeln und rauben – jener mit seinen giftigen Pfeilen, diese mit ihrer verkehrten, gottlosen Lehre. Und vornehmlich um diese Artikels willen, den wir so eifrig treiben, erdulden wir den Haß und die Verfolgung Satans und der Welt. Denn der Satan fühlt die Macht und Frucht dieses Artikels.

Daß es aber, dieweil Christus jetzt König ist, überhaupt keine Sünde, keinen Tod und keinen Fluch mehr gibt, das bekennen wir täglich im Glaubensbekenntnis der Apostel, da wir sprechen: »Ich glaube eine heilige Kirche«. Das ist just dasselbe, als wenn wir sprechen würden: Ich glaube, daß in der Kirche keine Sünde, kein Tod ist, weil die, so an Christus glauben, keine Sünder, nicht des Todes schuldig, vielmehr ganz und gar heilig und gerecht sind, Herren der Sünde und des Todes und also lebend in Ewigkeit. Aber solches sieht nur der Glaube. Darum sprechen wir: »Ich glaube eine heilige Kirche«. Wenn du aber deine Vernunft zu Rate ziehst und siehest auf das, was vor Augen ist, dann wirst du zu einem entgegengesetzten Urteil kommen; denn du siehst ja so vieles an den Frommen, was die Ärgernis erregt. Du gewahrst, wie sie immer wieder fallen, sündigen und schwach sind im Glauben, mit Zorn und Neid und anderen bösen Neigungen zu kämpfen haben. Also – das ist der Schluß, den du ziehst – ist die Kirche nicht heilig. Ich bestreite die Richtigkeit dieser Schlußfolgerung. Ja, wenn ich mich oder meinen Nächsten ansehe, dann wird die Kirche nie und nimmermehr heilig sein. Blicke ich aber auf Christus, der die Kirche heilig und rein macht, dann ist sie ganz heilig. Den er hat die Sünden der ganzen Welt getragen.

Darum sind die Sünden in Wahrheit nicht dort, wo man sie sieht; denn nach der Theologie des Paulus sind Sünde, Tod und Fluch nicht mehr in der Welt, sie sind vielmehr in Christus, welcher ist Gottes Lamm, das der Welt Sünden trägt. Er ward ein Fluch, damit er uns frei machte vom Fluche. Wenn`s nach der Lehre der Philosophen und nach der Vernunft geht, dann sind Sünde, Tod und Fluch nirgend sonst als in der Welt, im Fleisch oder in den Sündern. Es kann nämlich ein sophistischer Theologe nicht anders von der Sünde reden als ein heidnischer Philosoph, das heißt so: Die Eigenschaft haftet am Wesen oder Gegenstand. Gleichwie also die Farbe an der Wand klebt, also klebt die Sünde der Welt, dem Fleisch oder Gewissen an. Sie muß darum durch entgegengesetzte Regungen, soll heißen: durch die Liebe getilgt werden. Die wahre Theologie aber lehrt, daß keine Sünde mehr in der Welt ist, weil Christus, auf den der Vater die Sünden der ganzen Welt warf (Jes.53, 6), sie an seinem Leibe besiegt, zunichte gemacht und getötet hat. Er ist einmal der Sünde gestorben und stirbt, nachdem er von den Toten auferweckt ist, hinfort nicht mehr (Röm. 6, 9). Wo also der Glaube an Christus ist, da ist die Sünde wahrhaftig abgetan, gestorben und begraben. Wo aber der Glaube an Christus nicht ist, da bleibt die Sünde. Obgleich noch ein Rest von Sünde in den Heiligen ist, weil sie nicht den völligen Glauben haben usw., so ist dieser Rest doch tot, weil er nicht zugerechnet wird um des Glaubens an Christus willen . . .

Christus wird aber weder durch das Gesetz noch durch die Werke ergriffen, sondern durch die Vernunft oder durch den Verstand, der durch den Glauben erleuchtet ist. Jenes Ergreifen Christi durch den Glauben ist – das Wort in seinem eigentlichen Verstand genommen – das betrachtende Leben, von dem die Sophisten so viel schwatzen, aber sie wissen nicht, was sie reden, und jenes Betrachten, dadurch Christus ergriffen wird, ist nicht die alberne Einbildung der Sophisten und Mönche, die sich auf wunderliche Vorstellungen gründet, die über ihr Begreifen weit hinaus gehen, sondern es ist das theologische, gläubige und göttliche Anschauen der am Pfahl erhöhten Schlange, d. h. Christi, der am Kreuze hängt für meine, für deine, ja für der ganzen Welt Sünden. Und also ist deutlich, daß der Glaube allein gerecht macht. Nachdem wir aber durch den Glauben gerecht gemacht sind, gehen wir hinaus ins tätige Leben. So hätten die Sophisten zwischen dem betrachtenden und tätigen Leben in rechter Weise unterscheiden können, wenn sie das eine das Evangelium, das andere aber das Gesetz genannt hätten, anders ausgedrückt: wenn sie gelehrt hätten, daß das betrachtende Leben von Gottes Wort umschlossen werden und durch Gottes Wort Richtung bekommen müsse und daß man in einem solchen Leben schlechterdings nichts zu betrachten habe als das Wort des Evangeliums, daß hingegen das tätige Leben aus dem Gesetz kommen müsse, das Christum nicht ergreift, sondern sich in Werken Liebe gegen den Nächsten übt. S.293ff.
Kröner Stuttgart, Kröners Taschenausgabe Band 95, Martin Luther, Theologie des Kreuzes. Die religiösen Schriften . Herausgegeben von Georg Helbig . ©1933 by Alfred Kröner Verlag Leipzig
Veröffentlichung auf Philos-Website mit freundlicher Erlaubnis des Alfred Kröner Verlages, Stuttgart

Jesus
Ein Sermon von der Bereitung zum Sterben 1519
Zum ersten: dieweil der Tod ein Abschied ist von dieser Welt und allen ihren Händeln, ist not, daß der Mensch sein zeitlich Gut ordentlich bestelle, wie es geordnet sein soll oder er es zu ordnen gedenkt, damit nicht bleibe nach seinem Tod Ursache für Zank, Hader oder sonst einem Irrtum unter seinen nachgelassenen Freunden. Und dies ist ein leiblicher oder äußerlicher Abschied von dieser Welt, und es wird Urlaub und Abschied gegeben dem Gut.

Zum zweiten: daß man auch geistlich Abschied nehme, das ist, man vergebe freundlich, in lauterer Gesinnung um Gottes willen allen Menschen, wie sie uns beleidigt haben. Wiederum auch begehre man Vergebung in lauterer Gesinnung um Gottes willen Vergebung von allen Menschen, deren wir viele ohn` Zweifel beleidigt haben, zumindest mit bösen Beispielen oder zuwenig Wohltaten, wie wir schuldig gewesen nach dem Gebot brüderlicher christlicher Liebe, damit die Seele nicht bleibe behaftet mit irgendeiner Handel auf Erden.

Zum dritten:
wenn so jedermann Urlaub auf Erden gegeben ist, soll man sich allein zu Gott richten, da der Weg des Sterbens sich auch hinkehret und uns führet. Und hier hebt an die enge Pforte, der schmale Steig zum Leben. Den muß ein jeglicher zu gehen fröhlich wagen; denn er ist wohl sehr enge, er ist aber nicht lang (Matthäus 7, 14), und es geht hier zu, gleichwie wenn ein Kind aus der kleinen Wohnung, seiner Mutter Leib, mit Gefahr und Ängsten geboren wird in diesen weiten Himmel und Erde, das ist auf die Welt: so geht auch der Mensch durch die enge Pforte des Todes aus diesem Leben. Und wiewohl der Himmel und die Welt, darin wir jetzt leben, groß und weit angesehen werden, so ist es doch alles gegen den zukünftigen Himmel so viel enger und kleiner, denn der Mutter Leib gegen diesen Himmel ist. Darum heißt der lieben Heiligen Sterben eine neue Geburt, und ihre Feste nennt man auf Latein Natale, einen Tag ihrer Geburt.
Das sind, anläßlich der Wiederkehr ihres Todestages gehaltenen kirchlichen Feiern. Der Tod ist seit Christi Tod und Auferstehung der »Übergang« zum Leben für alle, die an Christum wahrlich glauben. So wird dem Christgläubigen der Todestag zum Geburtstag.

Aber der enge Gang des Todes macht, daß uns dies Leben weit und jenes enge dünkt. Darum muß man das glauben und an der leiblichen Geburt eines Kindes lernen, wie Christus sagt:

»Ein Weib, wenn es gebiert, so leidet es Angst. Wenn sie aber genesen ist, so gedenkt sie der Angst nimmer, dieweil ein Mensch geboren ist von ihr in die Welt.« (Joh. 16,21)

Also muß im Sterben auch muß man sich auf die Angst mutig unterziehen und wissen, daß danach ein großer Raum und Freude sein wird.

Zum vierten: solches Zurichten und solche Bereitung auf diese Fahrt besteht darin, daß man sich mit lauterer Beichte (sonderlich der größten Stücke und derer, die zur Zeit im Gedächtnis mit größtmöglichem Fleiß gefunden werden) und den heiligen christlichen Sakramenten des heiligen wahren Leibes Christi und der Ölung versorge, dieselben andächtig begehre und mit großer Zuversicht empfange, so man sie haben kann; wo aber nicht, soll nicht destoweniger das Verlangen und Begehren derselben tröstlich sein, und man soll nicht über dem Sterben zu sehr erschrecken. Christus spricht: »Alle Dinge sind möglich dem, der da glaubt.« (Mark. 9,23) Denn die Sakramente sind auch nichts anderes denn Zeichen, die zum Glauben dienen und reizen, wie wir sehen werden; ohne den Glauben sind sie nichts nütze.
Sie wirken nicht die Gerechtigkeit, weil sie vollzogen werden, sondern weil sie geglaubt werden. So urteilte bereits
Augustinus.

Zum Fünften
soll man je und je zusehen mit allem Ernst und Fleiß, daß man die heiligen Sakramente groß achte, sie in Ehren habe, sich frei und fröhlich auf sie verlasse und sie gegen Sünde, Tod und Hölle also wäge, daß sie weit darüber hinausschlagen, auch viel mehr nach den Sakramenten und ihren Tugenden frage, denn nach den Sünden. Wie aber den Sakramenten die rechte Ehre widerfahre, und was die Tugenden sind, muß man wissen. Die Ehre, daß ich glaube, es sei wahr und geschehe mir, was die Sakramente bedeuten und alles, was Gott darin sagt und anzeigt, daß man mit Marien, der Mutter Gottes, in festem Glauben spreche: »Mir geschehe nach deinen Worten und Zeichen« (Luk. 1,38). Denn weil daselbst Gott durch den Priester redet und zeichnet, könnte man Gott keine größere Unehre in seinem Wort und Werk tun, denn zweifeln, ob es wahr sei, und keine größere Ehre tun, denn glauben, daß es wahr sei, und sich frei darauf verlassen.

Zum sechsten:
Die Tugenden der Sakramente zu erkennen, muß man vorher wissen die Untugenden, dawider sie fechten und uns gegeben sind. Ihrer sind drei:

die erste das schreckliche Bild des Todes.

Die zweite das grauenhafte, mannigfaltige Bild der Sünde,

die dritte das unerträgliche und unvermeidliche Bild der Hölle und ewiger Verdammnis.

Nun wächst ein jegliches aus diesen dreien und wird groß und stark aus seinen Zusätzen. -

Der Tod wird groß und erschreckend dadurch, daß die blöde, verzagte Natur dasselbe Bild sich zu tief einbildet, zu sehr vor Augen hat. Darauf steuert nun der Teufel los, auf daß der Mensch die gräßliche Gebärde und das Bild des Todes tief betrachte, dadurch bekümmert, weich und zaghaft werde; denn so soll er sich wohl alle die schrecklichen, plötzlichen, bösen Tode vorhalten, die ein Mensch je gesehen, gehört oder gelesen hat; daneben soll er mit einwickeln den Zorn Gottes, wie er vor Zeiten hier und da die Sünder geplagt und verdorben hat, damit er die blöde Natur zur Furcht des Todes und zur Liebe und zur Sorge des Lebens treibe, wodurch der Mensch, zu sehr beladen mit solchen Gedanken, Gott vergessen, den Tod fliehen und hassen und also Gott am letzten Ende ungehorsam erfunden werden und bleiben soll. Denn je tiefer der Tod betrachtet, angesehen und erkannt wird, umso schwerer und gefährlicher ist das Sterben. Im Leben sollte man sich mit des Todes Gedanken üben und sie zu uns fordern, wenn er noch ferne ist und einen nicht treibt. Aber im Sterben, wenn er von selbst schon allzu stark da ist, ist es gefährlich und nichts nütze. Da muß man sein Bild ausschlagen und nicht sehen wollen, wie wir hören werden. So hat der Tod seine Kraft und Stärke in der Blödigkeit unserer Natur und darin, daß er zur Unzeit zuviel angesehen und betrachtet wird.

Zum siebenten:
die Sünde wächst auch und wird groß auch durch ihr zu vieles Ansehen und zu tiefes Bedenken. Dazu hilft die Blödigkeit unseres Gewissens, das sich selbst vor Gott schämt und greulich straft. Da hat der Teufel denn ein Bad gefunden, das er gesucht; da treibt er, da macht er die Sünde so viel und groß; da soll er alle die vorhalten, die gesündigt haben, und wie viele mit wenigeren Sünden verdammt sind, daß der Mensch abermals muß verzagen oder unwillig werden zu sterben und also Gottes vergessen und ungehorsam erfunden bleiben bis in den Tod, sonderlich weil der Mensch meint, er müsse die Sünde alsdann betrachten und tue wohl recht und nützlich daran, daß er damit um¬gehe. Also findet er sich dann unbereitet und ungeschickt, so sehr, daß auch alle seine guten Werke zu Sünden geworden sind. Daraus muß dann folgen ein unwilliges Sterben, Ungehorsam gegen Gottes Willen und ewiges Verdammen. Denn die Sünde betrachten hat da keinen Platz noch Zeit; das soll man in der Zeit des Lebens tun. Also verkehret uns der böse Geist alle Dinge: im Leben, da wir sollten des Todes, der Sünde, der Hölle Bild stetig vor Augen haben — wie in Psalm 51,5 steht: »Meine Sünden sind mir allezeit vor Augen« —, da tut er uns die Augen zu und verbirgt dieselben Bilder. Im Tod, da wir sollten nur das Leben, die Gnade und die Seligkeit vor Augen haben, tut er uns dann allererst die Augen auf und ängstet uns mit den unzeitigen Bildern, damit wir die rechten Bilder nicht sehen sollen.

Zum achten: die Hölle wird groß und wächst auch dadurch, daß man sie zu viel ansieht und durch hartes Bedenken zur Unzeit. Dazu verhilft über die Maßen sehr, daß man Gottes Urteil nicht weiß; dahin treibet der böse Geist die Seele, daß sie, mit überflüssigem, mit unnützem Vorwitz, ja mit allergefährlichstem Vornehmen beladen, erforschen soll göttlichen Rates Geheimnis, ob es vorgesehen sei oder nicht. Hier übt der Teufel seine letzte, größte, listigste Kunst und Vermögen. Und damit führet er den Menschen, so er nicht auf der Hut ist, über Gott, so daß er Zeichen göttlichen Willens sucht und ungeduldig wird darüber, daß er nicht wissen soll, ob er vorgesehen sei; er macht ihm seinen Gott verdächtig, daß er sich viel nach einem andern Gott sehnt. Kurz: hier gedenkt er, Gottes Liebe mit einem Sturmwind auszulöschen und Haß gegen Gott zu erwecken. Je mehr der Mensch dem Teufel folget und diese Gedanken leidet, je gefährlicher steht es um ihn, und zuletzt kann er sich nicht erhalten, er fällt in Gotteshaß und -lästerung. Denn was ist es anderes, dass ich es wissen will ob ich vorgesehen sei? Denn ich will alles wissen, was Gott weiß, und ihm gleich sein, so daß er nicht mehr wisse denn ich, und also Gott nicht Gott sei, so er nicht mehr wissen soll als ich. Da hält der Teufel vor, wie viele Heiden, Juden, Christenkinder verloren werden, und treibt es mit solchen gefährlichen und vergeblichen Gedanken so weit, daß der Mensch, ob er sonst gern stürbe, doch in diesem Stück unwillig wird. Das heißt: mit der Hölle angefochten werden, wenn der Mensch mit Gedanken seiner Erwählung wird angefochten, darüber im Psalter gar viel Klagens ist. Wer hier gewinnt, der hat Hölle, Sünde, Tod auf einem Haufen überwunden.

Zum neunten: nun muß man in dieser Handel allen Fleiß daran wenden, daß man dieser drei Bilder keines ins Haus lade noch den Teufel über die Tür male; sie werden selbst allzu stark hereinfallen und das Herz mit ihrem Ansehen, Disputieren und Zeigen ganz und gar innehaben wollen. Und wo das geschieht, ist der Mensch verloren, er hat Gottes ganz vergessen. Denn diese Bilder gehören zu nichts anderem in diese Zeit, als daß man mit ihnen fechte und sie austreibe; ja, wo sie allein sind, ohne daß man durch sie hindurchsieht auf andere Bilder, gehören sie nirgend anderswohin als in die Hölle unter die Teufel. Wer nun gut mit ihnen fechten will und sie austreiben, dem wird es nicht genügen, daß er sich mit ihnen zerre und schlage oder ringe. Denn sie werden ihm zu stark sein, und es wird ärger und ärger. Die Kunst besteht allein darin, sie fallen zu lassen und nichts mit ihnen handeln. Wie geht das aber zu? Es geht also zu: Du mußt den Tod im Leben, die Sünde in der Gnade, die Hölle im Himmel ansehen und dich von diesem Ansehen oder Blick nicht lassen treiben, wenn dir‘s gleich alle Engel, alle Kreatur, ja - wenn dich‘s auch dünkt, Gott selbst anders vorlegen, was sie doch nicht tun. Aber der böse Geist täuscht solches vor. Wie soll man dem tun?

Zum zehnten:
du mußt den Tod nicht für sich noch in dir oder deiner Natur ansehen oder betrachten, auch nicht in denen, die durch Gottes Zorn getötet sind, die der Tod überwunden hat; wenn du das tust, dann bist verloren und wirst überwunden. Sondern du mußt deine Augen, deines Herzens Gedanken und alle deine Sinne gewaltiglich kehren von demselben Bild und den Tod stark und emsig ansehen nur in denen, die in Gottes Gnade gestorben sind und den Tod überwunden haben, vornehmlich in Christo, darnach in allen seinen Heiligen.

Sieh`, in diesen Bildern wird dir der Tod nicht schrecklich noch greulich, vielmehr verächtlich und getötet und im Leben erwürgt und überwunden. Denn Christus ist nichts denn eitel Leben, seine Heiligen auch. Je tiefer und fester du dir dieses Bild einbildest und ansiehst, umso mehr fällt des Todes Bild dahin und verschwindet von selbst, ohne alles Zerren und Streiten, und hat also dein Herz Frieden und kann mit Christo und in Christo ruhig sterben, wie Offenbarung 14, 13 steht: »Selig sind, die in dem Herrn Christo sterben.« Darauf ist hingewiesen 4.Mose 21,6ff.: Da die Kinder von Israel, von den feurigen Schlangen gebissen, sich nicht denselben Schlangen zerren, sondern die tote eherne Schlange ansehen mußten, da fielen die lebendigen von selbst ab und vergingen. Also mußt du dich um den Tod Christi allein bekümmern, dann wirst du das Leben finden; und wo du den Tod anderswo ansiehst, tötet er dich mit großer Unruhe und Pein. Darum sagt Christus: »In der Welt« - das ist: auch in uns selbst - »werdet ihr Unruhe haben, in mir aber den Frieden.« (Joh. 16, 33)

Zum elften:
also mußt du die Sünde nicht ansehen in den Sündern noch in deinem Gewissen noch in denen, die in Sünden endlich bleiben und verdammt sind — du fährest gewißlich hinten nach und wirst überwunden; sondern abkehren mußt du deine Gedanken und die Sünde nur in der Gnade Bild ansehen und dasselbe Bild mit aller Kraft in dich bilden und vor Augen haben.

Der Gnade Bild ist nichts anderes denn Christus am Kreuz und alle seine lieben Heiligen. Wie versteht man das? Das ist Gnade und Barmherzigkeit, daß Christus am Kreuz deine Sünde von dir nimmt, sie für dich trägt und sie erwürgt. Und dasselbe festiglich glauben und vor Augen haben, nicht daran zweifeln — das heißt: das Gnadenbild ansehen und in sich bilden. Desselbengleichen tragen auch alle Heiligen in ihrem Leiden und Sterben auf sich deine Sünde und leiden und arbeiten für dich, wie geschrieben steht: »Einer trage des andern Bürden, so erfüllet ihr Christi Gebot« (Gal. 6, 2). Also spricht er selber: »Kommet zu mir alle, die ihr beladen seid und arbeitet, ich will euch helfen.« (Matth. 11, 28) Sieh`, so kannst du deine Sünde sicher ansehen, nur nicht mit den Augen deines Gewissens; sieh`, da sind Sünden nimmer Sünde; da sind sie überwunden und in Christo verschlungen. Denn gleich wie er deinen Tod auf sich nimmt und ihn erwürgt, dass er dir nicht schaden kann, so du anders glaubst, daß er dir das tut, und deinen Tod in ihm, nicht in dir ansiehst, also nimmt er auch deine Sünde auf sich und überwindet sie in seiner Gerechtigkeit aus lauter Gnade dir zugut. So du das glaubst, so tun sie (d. i. Sünde und Tod) dir nimmer Schaden. Also ist Christus, des Lebens und der Gnade Bild, wider des Todes und der Sünde Bild unser Trost. Das sagt Paulus 1. Kor. 15, 57: »Gott sei Lob und Dank, daß er uns in Christo gegeben hat Überwindung der Sünde und des Todes!«

Zum zwölften mußt du die Hölle und ewige Pein samt der Erwählung nicht in dir, nicht in ihr selbst, nicht in denen, die verdammt sind, ansehen, dich auch nicht bekümmern um die vielen Menschen in der ganzen Welt, die nicht erwählt sind. Denn siehst du dich nicht vor, so wird dich dies Bild geschwind stürzen und zu Boden stoßen. Darum mußt du hier Gewalt üben, die Augen fest zuhalten vor solchem Blick. Denn es ist gar nichts nütze, ob du tausend Jahre damit umgingest, verdirbt dich allzumal. Du mußt doch Gott Gott sein lassen, daß er nicht mehr von dir wisse als du selbst. Darum sieh das himmlische Bild Christum an, der um deinetwillen zur Hölle gefahren und von Gott verlassen gewesen ist als einer, der verdammt sei ewiglich, da er sprach am Kreuz: »Eli, Eli, lama asabthani. O mein Gott, o mein Gott, warum hast du mich verlassen?« (Matth. 27, 46)

Sieh`, in dem Bild ist überwunden deine Hölle und deine ungewisse Erwählung gewiß gemacht. Denn so du damit allein dich bekümmerst und das glaubst, daß es für dich geschehen, so wirst du in diesem Glauben gewißlich erhalten. Darum laß dir‘s nur nicht aus den Augen nehmen und suche dich nur in Christo, nicht in dir, so wirst du dich ewiglich in ihm finden.

Also wenn du Christum und alle seine Heiligen ansiehest und dir die Gnade Gottes wohlgefällt, der sie also erwählet hat, und bleibst nur fest in demselben Wohlgefallen, so bist du auch schon erwählet, wie er sagt 1. Mose 12, 3: »Alle, die dich benedeien, sollen gebenedeit sein.« Hangest du aber nicht hieran allein und verfällst deinen eigenen Gedanken dich, so wird dir eine Unlust erwachen gegen Gott und seine Heiligen und also wirst du in dir nichts Gutes finden. Davor hüte dich; denn da wird der böse Geist dich hintreiben mit vielen Listen.

Zum dreizehnten:
diese drei Bilder oder Streite sind angedeutet Richter 7, 16ff., da Gideon die Midianiter mit dreihundert Mann an drei Orten in der Nacht angriff, doch nicht mehr tat, als daß er Drommeten blasen und leere Krüge und Fackeln zusammenschlagen ließ, daß die Feinde flohen und sich selbst erwürgten. Also fliehen der Tod, die Sünde und die Hölle mit allen ihren Kräften, wenn wir nur Christi und seiner Heiligen leuchtende Bilder in uns üben in der Nacht, das ist im Glauben, der die bösen Bilder nicht siehet noch sehen mag, dazu uns mit Gottes Wort als mit Drommeten reizen und stärken. So führt dasselbe Bild Jesaja 9, 4 gar lieblich ein wider dieselben drei Bilder und spricht von Christus: »Die Last seiner Bürde, die Rute auf seinem Rücken, das Szepter seines Treibers hast du überwunden gleichwie zu Zeiten der Midianiter, die Gideon überwand«, als spräche er: »Deines Volkes Sünde« - sie ist eine schwere Last seiner Bürde in seinem Gewissen - »und den Tod« - der da ist eine Rute oder Strafe, der da drückt seinen Rücken - »und die Hölle« - die ein Szepter und Gewalt ist des Treibers, damit gefordert wird ewiges Bezahlen für die Sünde - »alles hast du überwunden, wie es denn geschehen ist zu den Zeiten Midians: durch den Glauben, durch welchen Gideon ohne einen Schwertschlag die Feinde verjagte«.

Wann hat er das getan? Am Kreuz. Denn daselbst hat er uns sich selbst bereitet als ein dreifältiges Bild, unserm Glauben vorzuhalten wider die drei Bilder, mit denen uns der böse Geist und unsere Natur anficht, uns aus dem Glauben zu reißen. Er ist das lebendige und unsterbliche Bild wider den Tod, den er erlitten und doch mit seiner Auferstehung von den Toten überwunden hat in seinem Leben. Er ist das Bild der Gnade Gottes wider die Sünde, die er auf sich genommen und durch seinen unüberwindlichen Gehorsam überwunden hat. Er ist das himmlische Bild, der, verlassen von Gott, als ein Verdammter und nachdem er durch seine allermächtigste Liebe die Hölle überwunden hat, bezeugt, daß er der liebste Sohn sei und daß uns allen dasselbe zu eigen gegeben, so wir also glauben.

Zum vierzehnten:
zum Überfluß hat er nicht allein in sich selbst die Sünde, Tod und Hölle überwunden und uns vorgehalten, das zu glauben; sondern er hat zu größerem Trost auch selbst die Anfechtung erlitten und überwunden, die wir in diesem Bilde haben. Er ist genauso angefochten mit dem Tod, der Sünde, der Hölle Bild wie wir.

Des Todes Bild
hielten sie ihm vor, da die Juden sagten: »Er steige herab vom Kreuz; er hat andere gesund gemacht, er helfe sich nun selbst« (Matth.27, 40; 42), als sprächen sie: »Da, da siehst du den Tod. Du mußt sterben. Da hilft nichts dagegen«, gleichwie der Teufel einem sterbenden Menschen des Todes Bild vorrückt und mit schrecklichem Bilde die blöde Natur erschüttert.

Der Sünde Bild
hielten sie ihm vor, da sie sagten: »Er hat andere gesund gemacht; ist er Gottes Sohn, so steige er herab« usw., als sprächen sie: »Seine Werke sind falsch und lauter Trügerei gewesen; er ist des Teufels Sohn und nicht Gottes Sohn, er ist des Teufels mit Leib und mit Seele, er hat nie etwas Gutes getan, sondern eitel Bosheit«.

Und gleichwie die Juden Christo diese drei Bilder zutrieben unordentlich unter einander, also wird der Mensch von denselben zugleich auf einmal ordentlich bestürmt, damit er irre gemacht werde und ja bald verzweifle, wie der Herr die Zerstörung Jerusalems beschreibt Luk.19, 43: daß ihre Feinde sie umgeben mit einem Schutt, damit sie nicht heraus kommen könnten (das ist der Tod); daß sie sie an allen Enden ängsten und treiben, damit sie nirgends bleiben könnten (das sind die Sünden); zum dritten, daß sie sie niederschlagen zur Erden und keinen Stein auf dem andern lassen (das ist die Hölle und Verzweiflung).

Der Hölle Bild trieben sie zu ihm, da sie sagten: »Er vertraut Gott; laß sehen, ob er ihn erlöse; er sagt, er sei Gottes Sohn« (Matth. 27, 43), als sprächen sie: »Er gehört in die Hölle. Gott hat ihn nicht erwählt, er ist ewig verloren. Es hilft hier kein Vertrauen oder Hoffen, alles ist umsonst.«

Wie wir nun sehen, daß Christus zu all den Worten und greulichen Bildern still schweigt, ficht nicht mit ihnen, tut, als höre oder sehe er sie nicht, antwortet auf keines. Und wenn er schon geantwortet hätte, so hätte er nur Ursache gegeben, daß sie noch mehr und noch greulicher geplärrt und getrieben hätten; sondern allein auf den liebsten Willen seines Vaters hat er acht, so ganz und gar, daß er seines Todes, seiner Sünde, seiner Hölle, auf ihn getrieben, vergißt und für sie bittet (Luk. 23, 34), für ihren Tod, Sünde und Hölle. Also sollen wir dieselben Bilder auch lassen herfallen und abfallen, wie sie wollen oder mögen, und nur daran denken, daß wir an dem Willen Gottes hängen. Der ist, daß wir in Christo haften und festiglich glauben, unser Tod, Sünde und Hölle sei uns in ihm überwunden und könne uns nicht schaden, auf dass also Christi Bild in uns allein sei und wir mit ihm disputieren und handeln.

Zum fünfzehnten:
nun kommen wir wieder zu den heiligen Sakramenten und ihren Tugenden, daß wir lernen, wozu sie gut sind und sie zu brauchen. Welchem nun die Gnade und Zeit verliehen sind, daß er beichtet, absolviert wird, da Abendmahl und die letzten Ölung erhält, der hat wohl große Ursache, Gott zu lieben, zu loben und zu danken und fröhlich zu sterben, so er anders sich tröstlich verlässet und glaubt auf die Sakramente, wie oben gesagt ist; denn in den Sakramenten handelt, redet, wirkt durch den Priester dein Gott Christus selbst mit dir, und geschehen da nicht Menschenwerke oder — worte. Da verspricht dir Gott selbst alle Dinge, die jetzt von Christus gesagt sind, und er will, daß die Sakramente ein Wahrzeichen und eine Urkunde seien. Christi Leben soll deinen Tod, sein Gehorsam soll deine Sünde, seine Liebe deine Hölle auf sich genommen und überwunden haben. Dazu wirst du durch dieselben Sakramente ein Leib und vereinigt mit allen Heiligen und kommst in die rechte Gemeinschaft der Heiligen, also daß sie mit dir in Christo sterben, Sünde tragen, die Hölle überwinden.

Daraus folgt, daß die Sakramente, also die äußerlichen Worte Gottes, durch einen Priester gesprochen, ein gar großer Trost sind und gleichsam ein sichtliches Zeichen göttlicher Meinung, daran man sich halten soll mit einem festen Glauben wie an einen festen Stab, mit dem Jakob, der Patriarch, durch den Jordan ging (1. Mos. 32, 10), oder wie an eine Laterne, nach der man sich richten und auf die man ein Auge haben soll mit allem Fleiß durch den finstern Weg des Todes, der Sünde und der Hölle, wie der Prophet sagt: »Dein Wort, Herr, ist ein Licht meiner Füße« (Ps. 119, 105). Und Sankt Peter sagt: »Wir haben ein gewisses Wort Gottes, und ihr tut wohl daran, so ihr sein wahrnehmet« (2. Petr. 1, 19). Es kann sonst nichts helfen in Todesnöten; denn mit dem Zeichen werden alle erhalten, die erhalten werden. Es weiset auf Christus und sein Bild, so daß du magst wider des Tods, der Sünde und Hölle Bild sagen: »Gott hat mir zugesagt und gegeben ein gewisses Zeichen seiner Gnade in den Sakramenten, daß Christi Leben meinen Tod in seinem Tod überwunden habe, daß sein Gehorsam meine Sünde in seinem Leiden vertilget, seine Liebe meine Hölle in seiner Gottverlassenheit zerstört habe. Das Zeichen, das Zusagen meiner Seligkeit, wird mir nicht belügen noch betrügen. Gott hat es gesagt. Gott kann nicht lügen, weder mit Worten noch mit Werken.« Und wer also pocht und sich auf die Sakramente stellt, dessen Erwählung und Vorsehung wird sich von selbst, ohne seine Sorge und Mühe, wohl finden.

Zum sechzehnten:
hierin liegt die allergrößte Macht: daß man die heiligen Sakramente, in welchen eitel Worte, Zusagen, Zeichen Gottes geschehen, hoch achte, in Ehren halte, sich darauf verlasse, das heißt, daß man weder an den Sakramenten noch an den Dingen, deren sie gewisse Zeichen sind, zweifle; denn wo daran gezweifelt wird, ist alles verloren. Denn wie wir glauben, so wird uns geschehen, wie Christus sagt (Matth.21, 21). »Was hülfe es, daß du dir vorbildetest und glaubtest, der Tod, die Sünde, die Hölle der andern seien in Christus überwunden, wenn du nicht auch glaubst, daß dein Tod, deine Sünde, deine Hölle für dich da überwunden und vertilgt seien und du ebenso erlöst seist?« Dann wäre das Sakrament gar umsonst, weil du nicht glaubst die Dinge, die dir daselbst angezeigt, gegeben und versprochen werden. Das ist aber die grauenhafteste Sünde, die geschehen kann, durch welche Gott selber in seinem Wort, Zeichen und Werk für einen Lügner geachtet wird, der etwas redet, zeigt, zusagt, was er nicht meine noch halten wolle. Derhalben ist nicht zu scherzen mit den Sakramenten. Es muß der Glaube da sein, der sich darauf verlasse und es fröhlich wage auf solche Zeichen und Zusage hin. Was wäre das für ein Seligmacher oder Gott, der uns nicht könnte oder wollte vom Tod, von Sünde, Hölle selig machen? Es muß groß sein, was der rechte Gott zusagt und wirkt.

So kommt dann der Teufel und bläst dir ein: »Ja! wie, wenn ich dann die Sakramente unwürdig empfangen und mich durch meine Unwürdigkeit solcher Gnade beraubt hätte?« Hier mache das Kreuz vor dich! Laß dich Würdigkeit oder Unwürdigkeit nichts anfechten. Schau nur zu, daß du glaubst, es seien gewisse Zeichen, wahre Worte Gottes, so bist und bleibst du wohl würdig. Glaube macht würdig, Zweifel macht unwürdig. Darum will der böse Geist dich mit der Würdigkeit und Unwürdigkeit irreleiten, daß er dir einen Zweifel und dadurch die Sakramente mit ihren Werken zunichte und Gott in seinen Worten zu einem Lügner mache.

Gott gibt dir um deiner Würdigkeit willen nichts. Er bauet auch sein Wort und Sakrament auf deine Würdigkeit nicht, sondern aus lauter Gnaden bauet er dich Unwürdigen auf sein Wort und Zeichen. Daran halt` nur fest und sprich:

»Der mir sein Zeichen und Wort gibt und gegeben hat, daß Christi Leben, Gnade und Himmel meinen Tod, Sünde, Hölle mir unschädlich gemacht habe, der ist Gott, der wird mir die Dinge wohl halten. Hat mich der Priester absolviert, so verlaß ich mich drauf als auf Gottes eigenes Wort. Sind es denn Gottes Worte, so wird es wahr sein. Dabei bleib´ ich. Darauf sterb` ich«.


Denn du sollst ebenso fest trauen auf des Priesters Absolution, als ob dir Gott einen besonderen Engel oder Apostel sendet, ja, als ob dich Christus selbst absolvieret.

Zum siebzehnten:
Sieh`, einen solchen Vorteil hat, wer die Sakramente erlangt, daß er ein Zeichen Gottes erlangt und Zusage, daran er seinen Glauben üben und stärken kann: er sei zu Christi Bild und Gütern berufen. Ohne diese Zeichen arbeiten die andern allein im Glauben und erlangen sie mit der Begierde des Herzens, wiewohl sie auch erhalten werden, so sie in demselben Glauben bestehen. Also sollst du sagen über dem Sakrament des Altars:

»Hat mir der Priester gegeben den heiligen Leib Christi, was ein Zeichen und Zusagen ist der Gemeinschaft mit allen Engeln und Heiligen, daß sie mich lieb haben, für mich sorgen, bitten und mit mir leiden, sterben, Sünde tragen und Hölle überwinden, so wird und muß es also sein. Das göttliche Zeichen trügt mich nicht, und ich lasse mir‘s nicht nehmen. Ich wollte eher die ganze Welt, mich selbst verleugnen, ehe ich daran zweifelte, mein Gott, der sei mir gewiß und wahrhaftig in diesem seinem Zeichen und Zusagen; ich sei seiner würdig oder nicht, so bin ich ein Glied der Christenheit nach dem, wie dieses Sakrament lautet und was es anzeigt. Es ist besser, ich sei unwürdig, denn Gott nicht für wahrhaftig gehalten werde. Hebe dich weg, Teufel, wenn du mir‘s anders sagst.«


Nun siehe, man findet viele Leute, die gern wollten gewiß sein oder ein Zeichen haben vom Himmel, wie sie mit Gott dran wären, und ihre Erwählung wissen. Und wenn sie schon ein solches Zeichen bekämen und doch nicht glaubten, was hülfe es ihnen? Was hülfen alle Zeichen ohne Glauben? Was halfen den Juden Christi und der Apostel Zeichen? Was helfen noch heute die hochwürdigen Zeichen der Sakramente und das Wort Gottes? Warum halten sie sich nicht an die Sakramente, die gewisse und eingesetzte Zeichen sind, von allen Heiligen erprobt und versucht, als gewiß erfunden von allen denen, die da geglaubt und alles überkommen haben, was sie bezeichnen? Also sollten wir die Sakramente erkennen, was sie seien, wozu sie dienen, wie man ihrer gebrauchen soll. So

finden wir, daß kein größer Ding auf Erden sei, das betrübte Herzen und böse Gewissen lieblicher trösten kann; denn in den Sakramenten sind Worte Gottes. Die dienen dazu, daß sie uns Christum zeigen und zusagen mit all seinem Gut, das er selbst ist, wider den Tod, Sünde und Hölle. Nun ist kein Ding lieblicher begehrenswerter zu hören, als wie den Tod, Sünde, Hölle zu vertilgen. Das geschieht durch Christus in uns, so wir des Sakraments recht gebrauchen. Der Brauch ist nichts anderes denn glauben, es sei also, wie die Sakramente durch Gottes Wort zusagen und verpflichten. Darum ist not, daß man nicht allein die drei Bilder in Christo ansehe und die Gegenbilder damit austreibe und fallen lasse, sondern daß man ein gewisses Zeichen habe, das uns versichere, es sei auch uns gegeben. Das sind die Sakramente.

Zum achtzehnten: kein Christenmensch soll an seinem Ende daran zweifeln, daß er nicht allein sei in seinem Sterben, sondern gewiß sein, daß nach Anzeigung des Sakraments auf ihn gar viele Augen sehen. Zum ersten Gottes und Christi Augen darum, daß er seinem Wort glaubt und seinem Sakrament anhangt; darnach die lieben Engel, die Heiligen und alle Christen; denn daran ist kein Zweifel, dass - wie das Sakrament des Altars anzeigt - sie allesamt wie ein einiger Körper zu seinem Gliede laufen; sie helfen ihm den Tod, die Sünde, die Hölle überwinden und tragen alle mit ihm.

Da geht das Werk der Liebe und Gemeinschaft der Heiligen im Ernst und gewaltiglich. Und ein Christenmensch soll sich` auch vorbilden und keinen Zweifel darob haben. So wird dann keck, zu sterben; denn wer dran zweifelt, der glaubt nicht an das hochwürdige Sakrament des Leibes Christi, in welchem gezeigt, zugesagt, zur Pflicht gemacht wird Gemeinschaft, Hilfe, Liebe, Trost und Beistand aller Heiligen in allen Nöten. Denn so du glaubst an die Zeichen und Worte Gottes, so hat Gott ein Auge auf dich, wie er sagt: »Firmabo usw.: Ich will meine Augen stets auf dich gerichtet haben, daß du nicht untergehest« (Ps. 3 2, 8). So aber Gott auf dich sieht, so sehen ihm nach alle Engel, alle Heiligen, alle Kreaturen; und so du in dem Glauben bleibst, so halten sie alle die Hände unter. Geht deine Seele aus, so sind sie da und empfangen dich. Du kannst nicht untergehen. Das ist bezeugt von Elisa (2. Kön. 6, 16), der zu seinem Knecht sprach: »Fürchte dich nicht, ihrer sind mehr mit uns, denn mit ihnen«, wo doch die Feinde sie umringt hatten und sie niemand anderen sahen. Aber Gott tat dem Knecht die Augen auf; da war um sie ein großer Haufe feuriger Pferde und Wagen. So ist es auch gewiß um einen jeglichen, der Gott glaubt.

Da werden denn die Sprüche laut: »Der Engel Gottes wird sich kümmern um die, so Gott fürchten, und wird sie erlösen« (Ps. 34, 8); »Welche Gott vertrauen, die werden unbeweglich sein wie der Berg Zion. Er wird ewiglich bleiben. Hohe Berge (das sind Engel) sind in seinem Umkreis, und Gott selber umringt sein Volk von nun an bis in Ewigkeit« (Ps. 125, 1); »Er hat seinen Engeln dich befohlen. Auf den Händen sollen sie dich tragen und dich bewahren, wohin du gehst, daß du nicht stoßest deinen Fuß an irgendeinen Stein. Auf Schlangen und Basilisken sollst du gehen, und auf Löwen und Drachen sollst du treten (das ist, alle Stärke und List des Teufels werden dir nichts tun); denn er hat auf mich vertrauet. Ich will ihn erlösen. Ich will bei ihm sein in allen seinen Anfechtungen. Ich will Ihm aushelfen und ihn zu Ehren bringen. Ich will ihn voll machen mit Ewigkeit. Ich will ihm offenbaren meine ewige Gnade.«(Ps. 91, 11ff.). Also spricht auch der Apostel, daß die Engel, deren unzählig viele sind, allzumal dienstbar sind und ausgeschickt um derer willen, die da selig werden (Hebr. 1,14).

Dies sind alles große Dinge. Wer mag‘s glauben? Darum soll man wissen, daß es Gottes Werke sind, die größer sind, als jemand denken vermag, und daß er sie doch wirket in solchem kleinen Zeichen der Sakramente, damit er uns lehre, ein wie großes Ding sei ein rechter Glaube an Gott sei.

Zum neunzehnten: aber niemand soll sich vermessen, solche Dinge aus seinen Kräften zu üben; sondern jeder soll Gott demütiglich bitten, daß er solchen Glauben und Verstand seiner heiligen Sakramente in uns schaffe und erhalte, auf daß es also mit Furcht und Demut zugehe und wir nicht uns solche Werke zuschreiben, sondern Gott die Ehre lassen. Dazu soll er alle heiligen Engel, besonders seinen Engel, die Mutter Gottes, alle Apostel und lieben Heiligen anrufen, sonderlich die, zu denen Gott ihm besondere Andacht gegeben hat. Er soll aber also bitten, daß er nicht zweifle, das Gebet werde erhört. Dazu hat er zwei Ursachen:

die erste, daß er eben gehört hat aus der Schrift, wie Gott ihnen – den Engeln und Heiligen - befohlen hat und wie das Sakrament gibt, daß sie lieben und helfen müssen allen denen, die da glauben. Das soll man ihnen vorhalten und aufrücken: nicht, daß sie es nicht wissen oder sonst nicht täten, sondern daß der Glaube und Zuversicht zu ihnen und durch sie zu Gott umso stärker und fröhlicher werde, dem Tod unter die Augen zu gehen.

Die andere Ursache ist die, daß Gott geboten hat, wenn wir beten wollen, daß wir ja fest glauben, es geschehe, was wir bitten, und sei ein wahrhaftiges Amen (Mark. 11, 24). Dies Gebot muß man Gott auch aufrücken und sagen: »Mein Gott, du hast geboten, zu bitten und zu glauben, die Bitte werde erhört. Darauf bitt` ich und verlaß ich mich, du werdest mich nicht lassen und mir einen rechten Glauben geben«.

Dazu sollte man das ganze Leben lang Gott und seine Heiligen bitten für die letzte Stunde um einen rechten Glauben, wie denn gar fein gesungen wird am Pfingsttag:

»Nun bitten wir den heiligen Geist
um den rechten Glauben allermeist,
wenn wir heimfahrn aus diesem Elende« usw.


Und wenn die Stunde gekommen ist zu sterben, soll man Gott desselben Gebets erinnern, neben seinem Gebot und Zusagen, ohn´ allen Zweifel, es sei erhört; denn so er geboten hat, zu bitten und zu trauen im Gebet, dazu Gnade gegeben zu bitten, was sollte man zweifeln, er hab`s darum alles getan, daß er es erhören und erfüllen will?

Zum zwanzigsten:
nun siehe, was soll dir dein Gott mehr tun, daß du den Tod willig annehmest, ihn nicht fürchtest, sondern überwindest? Er weist und gibt dir in Christo des Lebens, der Gnade, der Seligkeit Bild, daß du vor des Todes, der Sünde, der Hölle Bild dich nicht entsetzest. Er legt dazu deinen Tod, deine Sünde, deine Hölle auf seinen liebsten Sohn und überwindet sie für dich, macht sie dir unschädlich. Er läßt dazu deine Anfechtung des Todes, der Sünde, der Hölle auch über seinen Sohn ergehen und lehrt, dich darin zu halten, und macht sie unschädlich, dazu auch erträglich. Er gibt dir für das alles ein gewisses Wahrzeichen, damit du ja nicht daran zweifelst, nämlich die heiligen Sakramente. Er befiehlt seinen Engeln, allen Heiligen, allen Kreaturen, daß sie mit ihm auf dich sehen, deiner Seele wahrnehmen und sie empfangen. Er gebietet, du sollst solches von ihm erbitten und der Erhörung gewiß sein. Was kann oder soll er mehr tun? Darum siehst du, daß er ein wahrer Gott ist und rechte, große, göttliche Werke mit dir wirkt. Warum sollte er dir nicht etwas Großes auferlegen (wie`s das Sterben ist), wenn er so großen Vorteil, Hilfe und Stärke dazu tut, auf daß er versuche, was seine Gnade vermag? Wie geschrieben steht Ps. 111, 2: »Die Werke Gottes sind groß und auserwählt nach all seinem Wohlgefallen.«

Derhalben muß man zusehen, daß man je und je mit großen Freuden des Herzens danke seinem göttlichen Willen, daß er mit uns wider Tod, Sünde und Hölle so wunderlich, reichlich und unermeßlich Gnade und Barmherzigkeit übt, und sich nicht so sehr vor dem Tod fürchten, als vielmehr seine Gnade preisen und lieben; denn die Liebe und das Lob erleichtern das Sterben gar sehr, wie er sagt durch Jesaja: »Ich will zäumen deinen Mund mit meinem Lob, daß du nicht untergehest.« (Jes.48, 9) Dazu helfe uns Gott. Amen. S.125ff.
Kröner Stuttgart, Kröners Taschenausgabe Band 95, Martin Luther, Theologie des Kreuzes. Die religiösen Schriften. Herausgegeben von Georg Helbig . ©1933 by Alfred Kröner Verlag Leipzig
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