Johannes Calvin, eigentlich Jean Cauvin (1509 –1564)

Französischer Reformator, der sich nach dem Studium der Rechte zur Reformation bekannte und deshalb 1534 von Paris nach Basel flüchten musste. Seit 1536 war er als evangelischer Prediger in Genf tätig, wurde aber 1538 wegen übergroßer Sittenstrenge ausgewiesen und lebte bis 1541 als Seelsorger der französischen Flüchtlingsgemeinde in Straßburg. Hier traf er mit Melanchthon und Martin Luther zusammen. Nach seiner Rückberufung führte er in Genf eine strenge Kirchenzucht ein, die von einem Konsistorium überwacht und von den weltlichen Behörden unterstützt wurde. Der heftige Kampf zwischen Anhängern und Gegnern Calvins endete erst 1555 nach zahlreichen Verbannungen und Hinrichtungen zugunsten der neuen Lehre. In seinem Hauptwerk, der »Christianae religionis institutio« (1536), entwickelte er vor allem den Gedanken der Prädestination, die jedoch nicht zur Passivität führt, sondern zur rastlosen Tätigkeit treibt: Aus dem Erfolg des Menschen kann nach Calvin auf seine Erwählung geschlossen werden. Er selbst vermittelte in der Abendmahlslehre zwischen Luther und Zwingli. Über Genf hinaus hat er an der Durchsetzung der Reformation in ganz Europa mitgewirkt, insbesondere durch seinen ausgedehnten Briefwechsel. Diesem Ziel diente auch die von ihm 1559 gegründete Genfer Akademie, die den Führern des reformierten Protestantismus das Rüstzeug für ihren Kampf gab.

Siehe auch Wikipedia, Heiligenlexikon und Kirchenlexikon

Inhaltsverzeichnis

Ein Herr
Unaufgebbare Kennzeichen
Die Anordnung
     

Ein Herr
Institutio (CR Bd. 30 Seite 747)
Gott allein muss man die Erkenntnis seiner Kirche überlassen, deren Fundament ja seine verborgene Erwählung ist .. . Die Kirche heißt ,,katholisch« oder ,,allgemein«. Weshalb? Antwort: man könnte nicht zwei oder drei ,,Kirchen“ finden, ohne daß damit Christus in Stücke gerissen würde — und das kann doch nicht geschehen! Nein, alle Auserwählten Gottes sind dergestalt in Christus miteinander verbunden, daß sie, wie sie ja an einem Haupte hängen, auch gleichsam zu einem Leibe zusammenwachsen . . . Sie sind wahrhaft eins geworden, als solche, die in einem Glauben, einer Hoffnung, einer Liebe, in dem gleichen Geist Gottes miteinander leben. Sie sind nicht nur zum gleichen Erbe des ewigen Lebens berufen, sondern auch zum Teilhaben an dem einen Gott und dem einen Christus.

Mag nun auch solche traurige Ode, wie sie uns von allen Seiten entgegentritt, mit lauter Stimme zu bezeugen scheinen, es sei von der Kirche nichts mehr übrig, so sollen wir doch wissen, daß Christi Tod seine Frucht trägt und daß Gott seine Kirche auf wunderbare Weise gleichsam in dunkler Verborgenheit bewahrt ...
S.18

Unaufgebbare Kennzeichen
Institutio (CR Bd. 30 Seite 753 und 754)
Es bleibt ein besonderes Vorrecht, das sich Gott selber vorbehalten hat, zu erkennen, wer die Seinigen sind ... Menschen, die weder ihn noch sich selber kennen, die kennt er und hat er mit seinem Zeichen versehen. Und aus der Zahl derer, die öffentlich sein Zeichen tragen, schauen allein seine Augen die, die ohne Heuchelei heilig sind und die — was schließlich das Hauptstück unseres Heils ist! — bis zum Ende beharren werden.
Weil aber Gott auf der anderen Seite vorhergesehen hat, daß es für uns einigermaßen nützlich ist zu wissen, welche Menschen wir denn für seine Kinder halten sollen, darum hat er sich in diesem Stück unserem Fassungsvermögen angepaßt. Da aber die Gewißheit um den Glauben des anderen hierzu nicht erforderlich war, so hat er an deren Stelle gewissermaßen das Urteil der Liebe gesetzt. Darnach sollen wir die Menschen als Glieder der Kirche erkennen, die durch das Bekenntnis des Glaubens, durch das Beispiel ihres Lebens und durch die Teilnahme an den Sakramenten mit uns den gleichen Gott und Christus bekennen.
S.28

Die Anordnung
lnstitutio (CR Bd. 30 Seite 749 bis 751 i. A.)
Gott könnte die Seinigen in einem einzigen Augenblick zur Vollendung kommen lassen. Dennoch hat er den Willen, daß sie allein durch die Erziehung der Kirche zum Mannesalter heranwachsen. Die Art und Weise solcher Erziehung kommt so zum Zuge, daß den Dienern am Wort die Predigt des Evangeliums aufgetragen wird ... Daraus folgt, daß alle, die diese geistliche Nahrung verachten, die ihnen von Gott durch die Hand der Kirche geboten wird, wert sind, an Hunger und Mangel zugrunde zugehen. Gewiß, Gott gibt uns den Glauben ins Herz, — aber durch die Predigt seines Evangeliums. Paulus erklärt, daß der Glaube
»aus dem Hören« kommt (Röm. 10, 17). Ebenso steht auch die Macht, selig zu machen, allein bei Gott, aber — wiederum nach Paulus — Gott entfaltet diese Macht in der Predigt des Evangeliums . . . So will Gott auch heute noch uns durch Menschen unterweisen ...
Wer aber meint, dass die Autorität der Lehre durch die Armseligkeit der Menschen, die zur Unterweisung berufen sind, zunichte gemacht werde, der beweist damit seine Undankbarkeit. So ist es nämlich: unter all den vielen hervorragenden Gaben, mit denen Gott das Menschengeschlecht geziert hat, ist dieses Vorrecht ganz einzigartig, dass er sich herbeilässt, Mund und Zunge von Menschen so hoch zu achten, dass in ihnen seine Stimme laut wird! Deshalb wollen wir es uns nicht verdrießen lassen, auch unsererseits die Predigt des Heils, wie sie uns auf sein Geheiß und durch seinen Mund verkündet wird, gehorsam anzunehmen.

Obwohl Gottes Kraft nicht an solche äußeren Mittel gefesselt ist, so hat er doch uns an diese geordnete Art der Unterweisung gebunden
. S.36
Aus: Johannes Calvin und die Kirche Ein Lesebuch mit Texten und Themen. Eingeleitet und ausgewählt von Udo Smidt
Evangelisches Verlagswerk Stuttgart