Abu Nasr Mohammed ihn Mohammed ibn Tarchan Al-Farabi (870 - 950)

 

Persischer Arzt, Mathematiker, Musiker, Mystiker und Philosoph, der türkischer Abstammung war. Farabi wird als der bedeutendste islamische Philosoph vor Avicenna (Ibn Sina) angesehen. Er war Sohn eines Generals und hatte in Bagdad studiert. Er wurde vor allem durch seine Kommentare zu Aristoteles berühmt. Daneben befasste er sich auch mit den Schriften anderer griechischer Philosophen und Naturwissenschaftler und verfasste eigene psychologische und metaphysische Abhandlungen. Seine berühmtesten Schriften sind die »Siegel der Weisheit« (Fusus ul-Hilkam) und die Abhandlung über die Idealstadt (Risala fi Ara Ahl il-Madinat il-Fadila), in der er die musterhafte Gesellschaftsordnung einer von Weisen regierten idealen Gemeinschaft beschreibt. Farabis Schriften sind mystisch angehaucht auf und von sufischem Geiste erfüllt. Seine Lehren fußen auf der gedanklichen Einheit der Philosophie. Die anderen philosophischen Systeme — zum Beispiel die von Aristoteles und Platon – waren für ihn nur verschiedene Ausdrucksformen ein- und derselben Wahrheit. Farabi, dessen Hauptverdienst es war, dass er als erster der arabischen Welt die Lehren der griechischen Philosophie erschloss, übte auch einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf die christliche Scholastik aus.

Siehe auch Wikipedia und Kirchenlexikon

Inhaltsverzeichnis
Die Prophetie
Die Engel
Der Mensch
Das Glück

Die Prophetie

Die Prophetie ist in ihrem Geiste in eigentümlicher Weise mit einer heiligen (göttlichen) Kraft ausgestattet, der die innere Natur der großen Welt der göttlichen Schöpfung (ebenso) gehorcht, wie deinem Geiste die der kleinen. Daher vermag die prophetische Kraft auch wirkliche Wunder zu vollbringen, deren Ausführung jenseits menschlicher Befähigung und Gewohnheit liegt.

Ihr Spiegel ist nicht verrostet, und folglich hinderte nichts die Propheten daran, sich das einprägen zu lassen, was auf der wohlbewahrten Tafel von der unvergänglichen Schrift steht.

Die Engel, welche die Boten Allahs sind, tragen von dem, was bei Allah ist, der ganzen Schöpfung zu.

Die Engel
Die Engel sind Wissensformen, und ihre Substanz besteht in den erfindenden Wissenschaften. Die Engel sind weder wie Tafeln mit Zeichnungen, noch wie die Brust voll Wissenschaften, vielmehr sind sie erfindende in ihrem Wesen bestehende Wissenschaften.

Sie schauen auf das oberste Wesen und prägen ihrer Wesenheit das, was sie erschauen, ein. Sie sind unabhängig, frei, jedoch redet sie der Heilige Geist im Wachen an, und der menschliche Geist verkehrt mit ihnen im Schlafe.

Der Mensch
Der Leib des Menschen zerfällt in Offenbares und Geheimes. Offenbar ist dieser in seinen Gliedern und Dimensionen sinnlich faßbare Leib. Denn die sinnliche Wahrnehmung erfaßt das Sichtbare, und die Anatomie lehrt das Innere desselben kennen. Geheim aber sind die Kräfte des Geistes des Menschen.

Die Kräfte des menschlichen Geistes zerfallen in zwei Teile; der eine derselben ist mit dem Tun betraut, der andere mit dem Erkennen. Das Tun aber zerfällt wiederum in dreierlei: es ist pflanzlich, tierisch und menschlich. Das Erkennen aber besteht aus zweierlei: es ist tierisch oder menschlich. Und diese fünf finden sich nun beim Menschen vor...

Das pflanzliche Tun hat den Zweck, das Individuum zu erhalten und zu entwickeln. Ferner muß es die Art erhalten und durch Fortpflanzung derselben Beständigkeit verleihen.

Eine der Kräfte des menschlichen Geistes beherrscht sie; die Menschen nennen dieselbe die pflanzliche Kraft, und wir brauchen dies nicht weiter zu erklären.

Das tierische Tun besteht in der Herbeiziehung des Nützlichen, wie dies die Begierde verlangt, und in dem Wegstoßen des Schädlichen, so wie dies die Furcht erheischt.

Auch dies gehört zu den Kräften des menschlichen Geistes. Das menschliche Tun beruht auf der Wahl des Schönen und des Nützlichen, um dadurch zu dem dem irdischen Leben gesteckten Ziele zu gelangen.

Oft hat die Torheit Gewalt über das Rechte. Doch führt zu diesem ein von der Erfahrung unterstützter Verstand. Derselbe erst verleiht dem Menschen Lebensart und ziert ihn mit Bildung, nachdem er durch die ursprüngliche Vernunft wohl dazu hergerichtet ist.

Das Erkennen ist der Einprägung zu vergleichen. So wie das Wachs zuerst dem Siegel gegenüber fremd ist, bis daß es — wenn dasselbe eingeprägt wird — dieses eng umschließt und Kennzeichen und Bild von dem Siegel in ihm zurückbleibt — ebenso steht der Erkennende der Form fremd gegenüber. Wenn er sich aber die Form angeeignet hat, so verbindet sich ihm die Erkenntnis davon.

So entnimmt auch die sinnliche Wahrnehmung vom Wahrgenommenen ein Bild, welches sie der Erinnerung so anvertraut, daß dieselbe, auch wenn sie das Wahrnehmbare nicht mehr vor sich hat, es doch dem Gedächtnis einprägt.

Die kreatürliche Erkenntnis findet entweder am Sichtbaren oder am Unsichtbaren statt. Das Sichtbare wird durch die fünf Sinne... erfaßt. Die Erfassung des Unsichtbaren aber nennt man.., die Vermutung (Ahnung).

Jeder der äußeren Sinne nimmt von dem Wahrgenommenen ein Bild von der Qualität desselben auf. . . Hinter den äußeren Organen liegen Netze und Jagdseile für das, was die sinnliche Wahrnehmung an Formen ergab.

Hierzu gehört eine Kraft, welche die formgebende heißt; sie liegt wohl geordnet im Vorderteil des Gehirns. Sie hält die Formen des Wahrgenommenen fest, nachdem dieselben von den Berührungspunkten der Sinne oder ihren Treffpunkten geschwunden und somit die Wahrnehmung gewichen ist.
Es bleibt in ihnen eine Kraft, welche Ahnung (Phantasie) heißt. Sie erfaßt von dem Wahrgenommenen das, was nicht direkt wahrgenommen wird...

Ferner gibt es eine Kraft, welche die bewahrende heißt, und sie ist die Schatzkammer für das, was die Ahnung erfaßte, ebenso wie die formbildende Kraft die Schatzkammer für das von den Sinnen Erfaßte ist.

Dann gibt es eine Kraft, welche die nachdenkende heißt, und sie beherrscht das, was in der Schatzkammer der formbildendcn und bewahrenden Kraft niedergelegt ist. So mischt sich und trennt sich das eine mit und von dem anderen. Diese (letztere) Kraft aber heißt nur dann die nachdenkende, wenn der Geist des Menschen und der Verstand sie anwendet; wendet dagegen die Ahnung sie an, so heißt sie die Einbildungskraft.

Das Glück
Die Endvollendung ist nun das Glück. Es besteht darin, dass die Seele des Menschen in der Vollkommenheit ihres Seins so weit gelangt, daß sie zu ihrem Bestehen eines Stoffes nicht mehr bedarf, das heißt, daß sie zur Gesamtheit jener Dinge gehöre, die frei vom Körper sind, und (daß) sie in die Menge der vom Stoff freien Substanzen (des Immateriellen) eintrete, und dann in diesem Zustande immerfort verbleibe.

Nur ist dabei festzuhalten, daß die Stufe dieser Seelen noch unter der Stufe des schaffenden Verstandes steht. Diese kann nur durch freiwillentliches Tun erreicht werden, was zum Teil aus nachdenklichem, zum Teile aus körperlichem Tun besteht.

Es wird aber nicht durch ein Tun erreicht, so wie dieses sich trifft, sondern nur durch ein wohlbegrenztes und bemessenes Tun, welches aus äußeren und inneren, wohlbegrenzten und bemessenen Eigenschaften hervorgeht.

Dies ist hervorzuheben, weil es auch ein freiwillentliches Tun gibt, welches am Glücke hindert.

Das Glück ist das wegen seines Wesens erstrebte Gute. Dasselbe dient überhaupt nicht — auch nicht zu irgend einer Zeit — dazu, um dadurch etwas anderes zu erreichen, auch gibt es nach dem Glück nicht noch etwas anderes, Herrlicheres, was der Mensch erreichen könnte.

Das freiwillentliche Tun, welches dazu dient, das Glück zu erreichen, besteht in guten Werken.
Die äußeren und inneren Anlagen, aus denen dieses Tun aber hervorgeht, sind nun die Tugenden. Diese sind nicht etwa schon wegen ihres Wesens gut, sondern sie sind gut wegen des Glücks. Dagegen sind die Handlungen, die am Glücke hindern, Frevel, das heißt: schlechte Werke. Die inneren und äußeren Eigenschaften aber, von denen dieses Tun ausgeht, heißen Laster und sind schimpflich und gemein.
S.141ff.
Enthalten in: Islamische Geisteswelt. Von Mohammed bis zur Gegenwart. Herausgegeben von Rudolf Jockel , Holle Verlag , Darmstadt