Sri Nimbârka (vermutlich 14. Jahrhundert n. Chr.)
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Indischer
Brahmane aus dem Telugu-Gebiet, der eine Sekte gründete, die Krishna als das Brahma
und Râdhâ als Gemahlin
Krishnas besonders verehrte. Nimbârkas
Philosophie wird als »Sonderungs-Unsonderungs-Lehre«
(Bhedâbheda-vâda) oder »Zweiheits-Nichtzweiheits-Lehre«
(Dvaitâdvaita-vâda) bezeichnet,
weil sie Monismus und Pluralismus ausgleichen sollte. Nach dieser Lehre ist Gott zwar bewirkende Ursache von Materie und Seele; diese sind aber
nicht mit ihm identisch, weil Gott ein Wesen besonderer Art ist, das nicht
nur beide überragt, sondern von dem sie auch total abhängig sind.
Die Grundzüge dieser Lehre sind in folgendem Gedicht von zehn Strophen
(Dasha-shlokî) dargestellt. Siehe auch Wikipedia |
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Die Grundzüge
der »Zweiheits-Nichtzweiheits-Lehre«
1. Die individuelle Seele ist ihrem Wesen nach Erkenntnis, von Krishna abhängig,
fähig, mit einem Leibe verbunden oder von einem solchen getrennt zu sein,
atom-groß, je entsprechend ihrem Körper (von
anderen Seelen) verschieden, erkenntnishaft und
in unendlich vielen (Exemplaren) vorhanden.
2. Die Seele
ist mit der anfangslosen Mâyâ verbunden. Ihre wahre Natur erkennt
man durch Gottes Gnade. Sie ist entweder erlöst oder an den Sansâra gebunden. Die
Erlösten sind dies entweder von Ewigkeit her
(wie Gatuda und andere Wesen
in Vishnus Umgebung), oder sie haben das
Heil erst erlangt, nachdem sie von der Weltwanderung frei wurden.
3. Das Ungeistige (Leblose)
ist von drei Arten:
erstens aus der Urmaterie
(prakriti oder mâyâ) entstanden
und deshalb von weißer, roter oder schwarzer Farbe (d.h.
aus den drei Gunas bestehend);
zweitens nicht aus der Urmaterie
entstanden, wie der »unstoffliche« Körper Gottes und die Paläste, Gärten usw. seiner himmlischen
Welt;
drittens die Zeit.
4. Laßt uns meditieren über Krishna,
den lotusäugigen Hari. Er ist von Natur aus
frei von allen Fehlern und eine einzige Fülle von restlos schönen
Eigenschaften; als seine Glieder läßt er seine Machtentfaltungen (vyûhas, Inkarnationen usw.) aus sich hervorgehen; er ist das höchste
Brahma, nach dem gestrebt wird.
5. Laßt uns immer denken
an Râdhâ, die alle gehegten Wünsche
erfüllt. Sie strahlt in Freude in vollendeter Schönheit an der linken
Seite (Krishnas) und ist von Tausenden von Gefährtinnen
umgeben.
6. (Dieses Brahma) ist beständig von den Menschen zu verehren,
damit sie frei werden von der Fortdauer des Dunkels des
Nichtwissens. So wurde von Sanandana und
anderen Weisen zu Nârada gesagt, der
(dann) die vollständige Wahrheit unmittelbar erfaßte.
7. Alle
Erkenntnis von jewedem Ding ist nach der Offenbarung und der Überlieferung
real (also keine Illusion), weil das
Brahma ihr Selbst (ihre wahre Substanz) ist.
Dieses ist die Lehre der Veda-Kenner. Aus der Offenbarung und den (Brahma-)Sûtras ergibt sich (aber auch) mit Gewissheit, dass es drei Weltprinzipien
(Gott, Materie, Seelen) gibt.
8. Es läßt
sich kein anderes Heil absehen außer (durch
die Verehrung des) Fußlotus Krishna,
welcher von Brahmâ und Shiva
und anderen (Göttern)
angebetet wird. Auf den Wunsch des Frommen offenbart sich (Vishnu),
der unausdenkbare Kräfte hat und dessen Wesen unbegreiflich
ist, aus Gnade in einer leicht meditierbaren Gestalt (d.h. als Fischavatâra usw.).
9. Gottes
Gnade entsteht bei dem, der sich seiner Erbärmlichkeit
bewußt ist. Dank dieser Gnade erwächst die Gottergebenheit
(bhakti), d.h. eine besondere Art von
Liebe zu der großen Seele (des Alls),
zu (Vishnu), der keinen Herrn übet sich hat.
Diese Bhakti ist entweder eine solche höchsten Grades oder eine Bhakti
niederer Form, die ein Hilfsmittel (zur Erlangung) der
höchsten (Bhakti) bildet.
10. Die folgenden fünf
Dinge müssen die echten Gottesgläubigen kennen:
erstens das Wesen des zu verehrenden Gottes,
zweitens das Verhältnis,
in dem der Verehrer zu Gott steht,
drittens die Wirkungen (Frucht)
der Gnade,
viertens die aus der Bhakti entspringende
Gemütsstimmung und
fünftens die Natur des
Hemmenden (das der
Entwicklung der Bhakti entgegensteht wie Materialismus, Gleichgültigkeit
gegen religiöse Ideen, Verehrung anderer Götter usw.).
S.205ff.
Aus: Indische Geisteswelt. Eine Auswahl von Texten in deutscher Übersetzung.
Eingeleitet und herausgegeben von Helmuth von Glasenapp. Band I Glaube und Weisheit
der Hindus. Holle Verlag . Baden-Baden