Maria Magdalena von Pazzi (1566 – 1607)

  Italienische Nonne und Mystikerin von adliger Geburt, die im Jahre 1582 in das Karmeliterinnenkloster in ihrer Heimatstadt Florenz eingetreten ist. Maria Magdalena hatte zahlreiche visionäre Gesichte, in denen auch öfters Katharina von Siena auftrat. Ihre Visionen erreichten schließlich in der mystischen Vereinigung mit Gott ihren unüberschreitbaren Höhepunkt. Heilige (Gedenktag: 25. 5.)

Siehe Wikipedia und Heiligenlexikon

Inhaltsverzeichnis
Inbrunst und ekstatische Glut der Liebe zu Gott
Mystische Vereinigung mit Gott

Inbrunst und ekstatische Glut der Liebe zu Gott
Außer der beständigen Inbrunst, die ihr das Herz schmelzen, sie unablässig an Gott denken, von Gott reden, für Gott wirken machte und sie oftmals von Sinnen brachte und ganz in Gott setzte, kam sie zuweilen in eine so große Glut, daß sie sich nicht mehr in ihrer Brust verschließen ließ, sondern sich über ihr Angesicht, in ihr Tun ergoß und ihren Worten ausbrach. Sie, die gewöhnlich infolge der Bußeübung schwach, hinfällig, bleich und abgezehrt war, erstarkte ganz, wenn sie von diesen Flammen der Liebe überrascht wurde, und ihr Angesicht wurde voll und glühend, ihre Augen wie zwei glänzende Sterne, und der Blick heiter und froh wie eines seligen Engels. Sie fand keine Ruhe, kein Bleiben. Um diese Glut auszuschütten, die sie in sich nicht halten konnte, war sie gezwungen, sich zu regen und in wunderbarer Weise zu bewegen. Daher sah man sie in diesen Ausbrüchen schnell von Ort zu Ort laufen; wie rasend vor Liebe, ging sie durch das Kloster und rief mit lauter Stimme: »Liebe, Liebe, Liebe.« Und da sie einen so großen Brand der Liebe nicht ertragen konnte, sprach sie: »O mein Herr, nicht mehr Liebe, nicht mehr Liebe.. .« Zu den Schwestern, die ihr folgten, sagte sie: »Ihr wisset nicht, teure Schwestern, das mein Jesus nichts anderes ist als Liebe, ja toll von Liebe. Toll von Liebe, sage ich, bist du, mein Jesus, und stets werde ich es sagen. Du bist ganz lieblich und fröhlich, du erquickst und tröstest, du nährst und vereinigst, du bist Pein und Kühlung, Mühe und Rast, Tod und Leben in einem. Was ist nicht in dir? Du bist weise und mutwillig, erhaben und maßlos, wunderbar und unsäglich.«

Andere Male brannte sie vor Begier, daß dieser liebende Gott von den Menschen erkannt und verehrt werde, und zum Himmel gewendet sprach sie:

»O Liebe, o Liebe! gib mir eine so starke Stimme, o mein Herr, daß wenn sie dich Liebe nennt, sie gehört werde vom Osten bis zum Westen und von allen Teilen der Welt bis in die Hölle, damit du erkannt und verehrt werdest als die wahre Liebe. O Liebe, du durchdringst und durchbohrst, du zerreißest und bindest, du regierst alle Dinge, du bist Himmel und Erde, Feuer und Luft, Blut und Wasser: du bist Gott und Mensch.«

Einem Bilde des Jesuskindes die Zierate abstreifend, sprach sie: »Ich will dich nackt, o mein Jesus, denn ich könnte dich in der Unendlichkeit deiner Tugenden und Vollkommenheiten nicht ertragen; ich will deine nackte, nackte Menschheit.«

Mystische Vereinigung mit Gott (aus ihren Mitteilungen)
Ich sah, daß Jesus sich seiner Braut mit engster Einung vereinigte, sein Haupt auf das Haupt seiner Braut legte, seine Augen auf die ihren, seinen Mund, seine Hände, seine Füße, alle seine Glieder auf die ihren, so daß die Braut Ein Ding mit ihm wurde und alles wollte, was der Bräutigam wollte, alles sah, was der Bräutigam sah, alles kostete, was der Bräutigam kostete. Und nichts anderes will Gott, als daß die Seele sich ihm in dieser Weise vereinige und daß er ganz mit ihr vereinigt sei. Und wenn die Seele ihr Haupt an Jesu Haupte hat, kann sie nichts wollen, als sich mit Gott zu vereinigen, und daß Gott sich ihr vereinige. Gott sieht sich ganz in sich und aus sich allein ist er seiner fähig und sieht sich selber in allen Kreaturen, auch in denen, die kein Empfinden haben, und in ihnen durch die Kraft, da er ihnen das Sein gibt und sie wirken und fruchttragen macht. So sieht die Seele, da sie ihre Augen an denen Jesu hat, sich selbst in Gott und Gott in allen Dingen.

Nach der allerheiligsten Kommunion betrachtete ich die große Einung der Seele mit Gott durch das Sakrament, und in einem Augenblick fand ich mich ganz mit Gott geeint, in Gott verwandelt, und außerhalb aller leiblichen Empfindung, so daß ich, hätte man mich in einen Feuerofen geworfen und verbrannt, nichts verspürt hätte. Ich wußte nicht, ob ich tot, ob lebendig, ob im Leibe, ob in der Seele, ob auf der Erde, ob im Himmel sei; ich sah allein den ganzen glorreichen Gott in sich selber, sich selber lauter lieben, sich selber unendlich erkennen, alle geschaffenen Dinge in lauterer unendlicher Liebe umfangen, eine Einheit in Dreien, eine ungeteilte Dreifaltigkeit, ein Gott an Liebe schrankenlos, an Güte allerhaben, unfaßbar und unforschbar: so daß ich, da ich mit ihm war, nichts mehr von mir fand; sondern nur dieses sah ich, daß ich in Gott bin, aber mich sah ich nicht, nur Gott allein.
S.213ff.
Aus: Sloterdijk (Hrsg.): Mystische Zeugnisse aller Zeiten und Völker gesammelt von Martin Buber, Diederichs DG 100