Kolumban, der Jüngere (ca. 542 - 615)
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Irischer Mönch und Missionar, den Alemannen, Franken und Langobarden als »ihren Apostel« bezeichnen. Hochgebildet, von prophetischem Geist erfüllt, von unermüdlicher Energie und herzensgutem religiösem Idealismus getrieben, versuchte er in seinem missionarischen Eifer das Böse niederzuringen, in der vergeblichen Hoffnung, so das Gute herbeizuzwingen. Siehe auch Wikipedia und Heiligenlexikon |
Inhaltsverzeichnis
Das
Vergängliche und das Ewige
Das
Gottesbild im Menschen
Das Vergängliche
und das Ewige
Hab` nicht vor Augen, du armer Mensch, was du bist, sondern das, was du sein
wirst! Was du bist, ist ein Augenblick, was du sein wirst,
ist immer. Darum sollst du nicht lässig sein! Erkämpfe dir
rasch, was du ewig besitzen wirst! Die Sehnsucht ewigen Lohnes bezwinge die
Unlust zeitlicher Mühe . . . Was frommt dir Freude und Lust, im Träume
gekostet? Träume, auch noch so lange, sind kurz für den Träumer!
Was sind die Freuden des Lebens anders als Träume?
Erwache also, mein Sohn, erwache aus dieser Nacht! Suche das Licht, entzünde
die Lampe und lies!
Die Welt sinkt bereits zusammen. Der Hirt der Hirten naht zu seiner letzten
Wiederkunft heran. Wir stehen am Rande der Zeiten; unsere Tage sind voll Gefahren.
Durch die Schrecknisse, die sich um uns bereiten, will der Herr des Himmels
uns aufrütteln aus unserem Schlafe der Trägheit, damit Er uns wohlgerüstet
finde bei seinem furchtbaren Erscheinen. Siehe, die Völker überall
sind in Verwirrung und Aufregung, siehe, die Reiche zerfallen! Bald wird der
Allerhöchste seine Stimme ertönen lassen, und die Erde wird erzittern
vor Ihm. Habe wohl acht, dass Er dich nicht nachlässig finde, wenn Er erscheint!
Es genügt nicht, an dich nur zu denken: du hast die Sorge für viele
auf dir – wem viel anvertraut ist, von dem wird auch viel verlangt werden.
Die Welt vergeht und nimmt täglich ab . . . Die Schönheit
des Menschen altert und schwindet. Das strahlende Antlitz Christi ist
lieblich über alles und verdient mehr Liebe als die Blüte dieses gebrechlichen
Fleisches.
Was ist das Beste in der Welt? Dem Schöpfer gefallen, seinem Willen gemäß leben und gottselig das Ewige anstreben. Denn Heiligkeit
und Recht ist der Wille des Heiligen und Gerechten . . . Wer durch Gottes Geschenk
begreift, wie er leben soll, um aus einem Sterblichen ein Unsterblicher, aus
einem Toren ein Weiser, aus einem irdischen Menschen ein himmlischer zu werden,
der muß vor allen Dingen eine klare Einsicht haben und sie verwenden,
um gut zu leben und nicht zu sehen, was ist, sondern was sein wird. Denn einst
wird er sein, was er jetzt nicht ist. Durch das, was er sieht, soll er denken
an das, was er nicht sieht, und das zu trachten, wozu er erschaffen ist . .
.
Die Welt müssen wir gleichsam zertreten unter unseren Füßen.
Und es zertritt sie, wer sich selbst besiegt, wer vorher den Sünden abstirbt
als der Natur, vorher im Geiste als im Fleische. Niemand, der sich selbst schont,
kann die Welt hassen; denn in sich selber muß er die Welt lieben oder
hassen.
Wenige leben so, als stürben sie täglich . . . Und doch muß
jeder so leben, dass es ein tägliches Sterben sei, um das Ewige nur, das
Himmlische zu denken, wo er ewig und himmlisch sein wird, wenn er`s verdient
hat. Denn was vor dieser Welt gewesen, das wird auch nach der Welt sein in Ewigkeit.
Es ist, doch erscheint es nicht, und es ist uns so heimlich, dass wir davon
den Menschen nicht sagen können. Denn es dringt nicht in das Herz und in
die Ohren eines Menschen und wird nicht vernommen von menschlichem Sinn.
O armer Mensch! Was du siehst, musst du hassen, und das, was du lieben musst,
kennst du nicht! Eine Schlinge ist dir das Leben, du wirst verstrickt, ob du
willst oder nicht. In dir selber hast du, was dich verstrickt – in dir
selber hast du nicht, was dich löst . . .
O mein Herr und Gott! Vertilge Du aus meiner Seele, was immer der Widersacher
darin gepflanzt hat! Entferne aus meinem Herzen, von meinen Lippen jegliche
Bosheit! Erleuchte meinen Verstand und stärke meinen Willen, dass ich Dich
allein suche, Dir allein diene in Tat und Wahrheit! Gib mir, o Herr, dankbare
Gesinnung, Liebe, Keuschheit, Glauben! Gib mir, wovon du weißt, dass meine
Seele dessen bedarf.
Das Gottesbild
im Menschen
Moses schrieb im Gesetze: »Gott schuf den Menschen
nach seinem Bild und Gleichnis.« – Betrachtet, ich bitte
euch, die Erhabenheit dieses Ausspruchs! Gott, der Allmächtige,
der Unsichtbare, der Unbegreifliche, der Unaussprechliche, der Unvergleichbare,
bildet den Menschen aus Erdenstaub und adelt ihn mit der Würde seines Ebenbildes!
Was hat der Mensch mit Gott gemein? Was der Staub mit dem Geiste? Denn »Gott
ist ein Geist«. Groß ist die Würde des Menschen, wenn
er das Bild Gottes in seiner Seele bewahrt; groß aber auch seine Schuld,
wenn er es schändet. Mißbraucht er die Kräfte, die Gott ihm
eingehaucht, so verdirbt und zerstört er seine Gottähnlichkeit. Gebraucht
er sie aber in rechter Weise, so wird er Gott immer ähnlicher.
Was also Gott uns gab, da Er uns schuf, das müssen wir Ihm zurückgeben.
Was das aber sei, das hat Er uns selber gesagt: »Gott den Herrn lieben
aus ganzem Herzen!« Denn »Er hat uns geliebt, von Anbeginn und noch
ehe wir waren«. Die Liebe Gottes, das ist die Erneuerung des Gottesbildes
in uns.
Derjenige aber liebt Gott, der seine Gebote hält. Sein Gebot aber ist die
gegenseitige Liebe: »Liebet einander, wie ich euch
geliebt habe!« Die wahre Liebe aber ist nicht eine solche mit
der Zunge, sondern in Tat und Wahrheit.
Geben wir also unserem Gott und Vater sein Ebenbild lauter
zurück! Geben wir es Ihm wieder in Heiligkeit, weil Er heilig ist,
in Liebe und Milde, weil Er die Liebe ist, in Gerechtigkeit, weil er gerecht
und wahr ist! . . . Lassen wir Christus selbst sein Bild in uns malen, das Bild,
das Er mit den Worten zeichnete: »Meinen Frieden
gebe ich euch, meinen Frieden hinterlasse ich euch!«
Nichts ist Gott teurer als die geistige Liebe. Sie ist das erste und größte
Gebot, nach jenem Wort des Apostels: »Brüder,
wir wissen, dass wir aus dem Tod ins Leben übergegangen sind, weil wir
die Brüder lieben. Wer nicht liebt, der bleibt im Tode.«
Mit dieser Liebe möge Der uns mehr und mehr durchdringen, der da ist der
Geber des Friedens und der Gott der Liebe, unser Herr und Heiland Jesus Christus,
dem Ehre und Ruhm sei in alle Ewigkeit! Amen. S.314ff.
Aus: Der mystische Strom. Von Paulus bis Thomas von Aquin. Von Otto Karrer.
Verlag Ars sacra Josef Müller, München