Hermann Friedrich Kohlbrügge (1803 – 1875)
In
Amsterdam geborener evangelischer Prediger und Theologe,
der sich zunächst den mystischen Gedanken Tersteegens zuneigte, dann aber doch sich zum überzeugten Verfechter der Gnadenlehre Luthers wandelte. Siehe auch Wikipedia , Heiligenlexikon und Kirchenlexikon |
Getrennt von
Gott
Demnach soll man das Wort Sünde
bei dem Apostel nicht so verstehen, als denke er dabei an ein gewisses Laster,
auch meint er damit nicht Sinnlichkeit oder Selbstsucht,
sondern er hat das Ganze des menschlichen Elends großartig nach der Geschichte,
sodann nach Geist vor sich. Und da meint er also: das Abgetretensein
von dem lebendigen Gott, aus Vorwitz
und Misstrauen gegen Gott,
und das sich dem Teufel anheimgegeben hat, dessen
Willen zu tun, anstatt
dass man bei dem Worte geblieben wäre, welches aus Gottes
Mund gegangen. S. 218f.
Von Gott getröstet
Wie das Kind, das in der Wiege liegt und gar nicht ruhen kann, auch nicht lächeln
will und laut aufweint oder ächzt mit halb erstorbenem Blick, verborgenen Schmerzes wegen, welchen es der Mutter nicht klagen kann — denn es fehlt
ihm der Verstand und die Sprache, den Schmerz zu nennen oder anzuweisen —, durch die liebende
Mutter selbst aus der Wiege genommen und gepflegt wird, bis dass aller Schmerz dahin ist: eben so werden wir, wenn wir beschwert einhergehen und fragen
nach Wahrheit,
nach Gerechtigkeit, nach Trost, ohne zu wissen, wie und was wir Gott fragen
und klagen sollen, — denn es fehlt auch uns Verstand und Sprache, es ihm
deutlich zu machen — von Gott selbst aufgenommen,
geherzt, gepflegt, bis dass jeder Schmerz gewichen ist, und wir ihm danken,
dass er unseres Angesichts Hilfe und unser Gott ist.
S. 222
Die Heiligen
Bei «Heilige» denkt man immer an sittliche
Vollkommenheit,
denke du aber dabei an die
Liebe Gottes. Denn diejenigen, welche er heilig heißt, heißt er deswegen so, weil er sich derselben angenommen und
sich zu ihnen bekannt hat und ihnen den Zuspruch seines Friedens zukommen lässt.
Weil also sein Wort zu ihnen gekommen, deshalb sind sie heilig, und dafür halte du es, du, dem es um Heiligkeit geht, dass du heilig bist, weil das Wort zu dir gekommen. Denn das Wort belegt mit seiner
Herrlichkeit. Diejenigen aber, welche das Wort mit seiner Herrlichkeit
belegt, sind eben deshalb in den Augen Gottes
heilig, weil sie,
an und für sich, sich gar nicht helfen können, sondern schwache Gefäße
sind. Deshalb heißt es auch nicht: die Heiligen können sich selbst
durchschlagen, sondern: der Geist vertritt sie nach dem, das Gott
gefällt.
«Heilige» sind also Leute, welche der
Gesundheit bedürfen und auch darnach von Herzensgrunde sich sehnen. Es
geht ihnen darum, dass sie vor Gott einhergehen, wie es
Gott gefällt; sie sind aber eben deshalb manchmal darüber angefochten,
dass es ihnen nicht so ergeht, wie es sein sollte. Es geht ihnen darum,
dass ihr ganzes Sein nach Gott sei, das finden sie aber nicht; mit welchem
Trost sie aber dabei von Gott getröstet werden, und was er für sie
tut, dem wollen wir zu dieser Stunde miteinander nachgehen. S.
284f.
Aus: Jakob Studer, Für alle Tage, Ein christliches Lesebuch, Fretz &
Wasmuth Verlag AG. Zürich