William Penn (1644 –1718)
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Englischer Quäker und Gründer von Pennsylvania. Als Quäker war Penn vor Verfolgungen nicht sicher und musste mehrmals in Gefängnis. Als prominenter Admiralssohn konnte er jedoch seinen Einfluss bei Hof erhalten und 1674—82 West New Jersey, 1681 Pennsylvania und 1682 Delaware erwerben. Am 27. 10. 1682 übernahm er den ihm vom englischen König überlassenen Koloniebereich »Pennsylvania«, für den er im Rahmen seines sogenannten »Heiligen Experiments« folgende Leitgrundsätze aufstellte: 1. dem Gott der Wahrheit und den für ihren Glauben Verfolgten zu dienen, 2. ein Experiment zum Vorbild für andere Staaten auszuführen 3. Heiden nicht durch Zwang, sondern durch Gerechtigkeit und Milde zu bekehren. In seinem »heiligen Experiment« schuf Penn auf der Grundlage von Religionsfreiheit, nicht nur freundschaftliche Nachbarbeziehungen zu den Indianern, sondern auch – nicht zuletzt infolge günstiger Bedingungen für den Landerwerb – in Pennsylvania eine Freistatt für Quäker und Angehörige anderer Glaubensgemeinschaften. Bei Aufenthalten in seiner Kolonie (1682—84, 1699—1701) regelte er mit politischem Geschick ihre Angelegenheiten und gründete 1683 Philadelphia. Penns Pläne für einen europäischen Völkerbund (1693) und eine Vereinigung der britischen Kolonien in Nordamerika (1697) waren zum Scheitern verurteilt. Siehe auch Wikipedia, Heiligenlexikon und Kirchenlexikon |
Inhaltsverzeichnis
Eine ernste Ermahnung an alle Menschen, sich zum Herrn zu bekehren und ihn zu suchen . . .
Über Nächstenliebe
Eine
ernste Ermahnung an alle Menschen, sich zum Herrn zu bekehren und ihn zu suchen,
solange er zu finden ist (1677)
Liebe Freunde, welcher religiösen Überzeugung ihr auch seid und mit
welchem Namen ihr genannt werdet, lasst mich um eure aufmerksame und ernste
Durchsicht dieser Botschaft bitten, deren einzige Absicht die Beförderung
eurer gegenwärtigen und ewigen Wohlfahrt ist.
Möchtet ihr Gott nicht nur als euren Schöpfer, sondern ebenso auch
als euren Erlöser kennen! Er besucht euch ebenso gewiss durch den
Geist des zweiten Adam <Christus>, wie er euch ja geschaffen hat in der
Natur des ersten Adam. Wie ihr in dem einen fielt, mögt ihr ebenso in dem
andern von euerm gefallenen und verdorbenen Zustand wieder auferstehen und ein
neu gestaltetes, neu geborenes und erwähltes Volk für Gott werden. »Dies ist mein lieber Sohn, an welchem ich Wohlgefallen
habe, den sollt ihr hören«, sagt Gott der Vater (Luk. 9, 35). Und was sagt Christus der Sohn? »Lernet von mir, denn
ich bin sanftmütig und von Herzen demütig, so werdet ihr Ruhe finden
für eure Seelen« (Matth. 11, 29). Denn außerhalb Christi.
außerhalb seines Geistes und seines Wesens können wir wahrlich keinen
Frieden finden. Keinen Frieden den Bösen, keinen Frieden den Stolzen und
Gottlosen, sagt der Herr (Jes. 48, 22. 57, 21).
Liebe Freunde, ihr müsst täglich euer Kreuz auf euch nehmen und
ihm nachfolgen, sonst könnt ihr nicht seine Jünger sein, seine Nachfolger,
sein Volk, seine Freunde, diejenigen, an denen er Wohlgefallen hat. Seine Lehre
sind nicht so sehr die guten Worte. die ihr in Glaubensbekenntnissen und Katechismen
lest, als vielmehr das Leben und das innere Lehren seines Geistes in euren Herzen.
Und seine Religion ist nicht Meinung, sondern Erfahrung, nicht Vorstellung,
sondern Genuß, Leben anstatt Tod, Bekehrung, Wiedergeburt, kurz, Unbeflecktsein
und »Heiligkeit, ohne die niemand den Herrn sehen wird« (Hebr. 12, 14).
Das ist der Glaube und die Religion Jesu. Kein Glaube sonst ist
echt. Denn ein Glaube, der keine Frucht hervorbringt, der weder die Welt überwindet
noch durch Liebe und Gehorsam tätig ist, kann nicht wahrer Glaube sein.
Der Apostel sagt: »Selbst die Teufel glauben und zittern« (Jak. 2, 19). Aber was kann ihr Glauben nützen, wenn ihr Wesen unverändert
bleibt? Was, wenn trotz allen Glaubens ihr Glaube nicht durch die Liebe tätig
ist (Gal. 5, 6) und sie trotz aller Wahrheitserkenntnis der Wahrheit nicht gehorchen?
Deswegen, Freunde, müsst ihr euch völlig darüber klar sein,
was für einen Glauben und was für eine Religion ihr habt, um nicht
durch Selbstgefälligkeit ins Verderben zu geraten. Wenn es der wahre, reine,
unbefleckte, apostolische Glaube ist (Jak. 1, 27), dann werdet ihr leichte Herzen
und ruhige Gewissen haben sowie eine Hoffnung, die euch nicht beschämen
wird. Andernfalls, glaubt mir, wird euch, gleich welchen Bekenntnisses ihr seid,
Schwermütigkeit, Qual und Drangsal an jenem Tage überwältigen,
an dem Gott mit euch ins Gericht gehen wird. Aus diesem Grunde, meine lieben
Landsleute und Mitmenschen, bitte ich euch, »solange
es heute heißt« (Hebr. 3, 13), mit eurem ganzen Herzen zum
Herrn euch zu bekehren und in eurem eigenen Gewissen auf seine Stimme zu horchen,
die euch zur Heiligkeit beruft, und euer Herz nicht gegen seine Zurechtweisungen
zu verhärten. Denn belehrende Zurechtweisungen sind der Weg zum Leben,
zu unendlichem Leben. Würdet ihr vielmehr bedenken, dass Gott euch
überall und in allem und dazu unaufhörlich sieht, so würde sich
daraus eine völlig andere Sicht eurer Lage ergeben. Dann würdet ihr
nämlich mit jenem Alten sagen: »Der Herr war hier
und ich wusste es nicht« (1. Mose 28, 16). Gewiss würde
dann Furcht, heilige Furcht, euch ergreifen. Ehrfurcht vor der allgegenwärtigen
Majestät Gottes würde euch packen. Und ihr würdet vor Gott nicht
das tun, was ihr euch vor den Menschen zu tun schämen würdet. Denn
kein Ort ist vor ihm verborgen, Licht und Finsternis sind ihm gleich. Ob ihr
allein seid oder in Gesellschaft, er ist euer Zeuge! Vielleicht kann seine Stimme
in solcher Zeit besser von euch vernommen werden.
Sündigt also nicht vor dem Angesichte Gottes! Verachtet nicht in Auflehnung
gegen seinen Geist, der in euch ist, sein Zeugnis! Hört es vielmehr, nehmt
es auf und liebt es! Dann werdet ihr aus ihm geboren und Kinder dessen werden,
dessen Auge die finstersten Winkel durchdringt und die verborgensten Ecken findet.
Er, der die Herzen erforscht und die Nieren der Menschen prüft, stellt
ihre Sünde genau vor sich und erkennt ihre allerinwendigsten Gedanken.
Ist das der Fall, was für Persönlichkeiten müsstet ihr sein,
ihr Menschenkinder! Gebt euch nicht zufrieden mit Äußerlichem, mit
einem Namen, einem Bekenntnis, einer Kirchengliedschaft! Denn es kommt nicht
bloß auf das an, was ihr sagt, sondern vielmehr auf das, was ihr tut.
Kehrt euch aber nach innen und prüft euer eigenes Herz. Erkennt, welche
Gesinnungen gegenüber Gott, seinem Gesetz und seiner Wahrheit euer Inwendiges
erfüllen. Seid streng und wahrhaftig in eurem Forschen, wie ihr eure Seelen
retten wollt. Wenn euer Sinn auf himmlische Dinge gerichtet ist und Heiligkeit
und Liebe eures Herzens Eifer und Neigung sind, wird es mit euch für immer
wohlstehen. Christus wird dann euer Leben und Sterben
euer ewiger Gewinn sein (Phil. 1, 21). Denn gesegnet ist das Volk und
die Nation, deren Gott der Herr ist.
Wenn aber die Liebe und der Geist der Welt vorherrschen, wenn Hochmut, Habsucht,
Verschwendung, Neid, Bitterkeit und eitler Ruhm, wenn alle diese Dinge, die
dem Willen und dem Wesen Gottes und seines heiligen Lammes so sehr entgegengesetzt
sind, über euch Macht haben, dann schmeichelt euch nicht selbstgefällig.
Ihr könnt so nicht wahre Christen sein noch im Wohlgefallen Gottes stehn.
Denn ihr ruft in diesem Zustand seinen Namen vergeblich an, und gerade eure
Gebete und Opfer sind Gott ein Greuel. Gott fordert das Herz: Gib
mir, mein Sohn, dein Herz“ (Spr. 23, 26). Er hat dem Menschen alles Übrige gegeben. Aber das <Herz> will Gott für sich selbst haben,
wenn der Mensch ihn zu seinem Gott und Freund haben will. Betrügt euch
deswegen nicht selbst, ihr Söhne und Töchter Adams! Denn glaubt, so
wie ihr sät, so müsst ihr ernten. Und es
gibt keine Reue im Grabe.
Wacht darum auf, wacht auf vom Schlafe dieser Welt! Sehet, der Richter ist nahe,
und der Mitternachtsschrei (Matth. 25, 6) kann über euch kommen wie ein
Dieb in der Nacht. Macht euch bereit, macht euch bereit, damit ihr nicht für
ewig ausgeschlossen seid! Bedenkt, dass es keine andere Rettung vor dem
zukünftigen Zorn gibt als die Rettung von der Sünde! So sagt der Engel: »Du sollst seinen Namen Jesus nennen, denn er wird sein
Volk retten von ihren Sünden« (Matth. 1, 21). Denn nur die,
die reines Herzens sind, schauen Gott (Matth. 5, 8). Nichts, was Gott ungleich
ist, kann ihm gefallen, viel weniger mit ihm ewig leben.
Möge er euch mit der Macht seines Geistes ergreifen! Möge er eure
zufriedene Ruhe auf dem breiten Wege zerbrechen (Matth. 7, 13)! Möge er
euch euren Ungehorsam ihm gegenüber tief bewusst werden lassen! Möge
er euch wahre Zerknirschung und Reue schenken! Möge er in euch »ein reines
Herz schaffen und einen neuen rechten Geist geben« (Ps. 51, 12), dass
ihr heilig, eifrig und mildtätig seid, dass ihr tut, was ihr sagt,
und dass ihr die ewige Wahrheit nicht nur bekennt, sondern besitzt.
Ich schließe mit den Worten des Apostels: Endlich,
liebe Brüder, was wahrhaftig ist, was ehrbar, was gerecht, was rein, was
lieblich, was wohllautet, ist etwa eine Tugend, ist etwa ein Lob, dem denket
nach“ (Phil. 4, 8)!
Über
Nächstenliebe
Nächstenliebe ist ein naher Nachbar der Barmherzigkeit. Nach allgemeiner
Annahme besteht sie darin, nicht tadelsüchtig zu sein und die Armen zu
unterstützen. Zum ersten denkt daran, dass ihr gerichtet werdet, und
zum zweiten gedenkt, daß ihr nur Haushalter seid. Deswegen, »richtet
nicht, auf dass ihr nicht gerichtet werdet« (Matth. 7, 1). Seid euch klar, bevor ihr einen Stein schleudert. Zieht
den Balken aus eurem eigenen Auge (Matth. 7,5), das ist eine demütigende,
aber heilsame Lehre. Richtet deswegen auf eure eigene Gefahr bin. Seid auf ein
gerechtes Urteil bedacht, wie ihr es vor dem großen Richter verantworten
wollt. Dieser Teil der Nächstenliebe schließt auch Zuträgerei,
Verleumdung, Ausplauderei, üblen Argwohn aus, höchst verderbliche
Torheiten und Übel, vor denen ihr euch hüten sollt. Lest 1. Kor. 13.
Was die andere Seite der Nächstenliebe, die Unterstützung der Armen,
anlangt, so ist das eine Pflicht, die ihr Gott schuldet. Ihr habt alles, was
ihr habt oder genießen könnt, als geliehenes zinspflichtiges Gut.
Das Sprichwort lautet: »Wer den Armen gibt, leiht dem Herrn« (Spr. 19,
17). Aber noch zutreffender kann gesagt werden: ,,Der
Herr leiht uns, den Armen zu geben“. Diese sind durch die Vorsehung
zumindest Teilhaber von euch und haben ein Recht, um das ihr sie nicht betrügen
dürft. Ihr habt allerdings das Privileg, wann, was und wem. Doch wenn ihr
auf euren Führer achtet und auf den Zweck achtgebt, werdet ihr auch dafür
eine Regel haben.
Ich empfehle hauptsächlich kleine Kinder, Witwen, Kranke und Alte an euch.
Spart eher etwas von eurem eigenen Bauch ab, als daß ihr sie in Not kommen
lasst. Vermeidet die große Sünde unnötiger Ausgaben für
eure Person und für euer Haus, während die Armen hungrig und nackend
sind. Mein Herz ist oft bewegt worden, wenn ich sehr alte und kranke Personen
sah. Besonders aber, wenn ich arme hilflose Kinder sah, wie sie jede Nacht in
bitterem Wetter an den Türschwellen in den offenen Straßen aus Mangel
an besserer Wohnung liegen. Ich habe diese Überlegung gemacht: »Wenn du
so ausgesetzt wärest, wie schwer würde es sein auszuhalten«! Der Unterschied zwischen unserer und ihrer Lage hat mich zu demütigem Dank
an Gott, zu großem Mitleid und zu mancher Hilfe für jene armen Geschöpfe
gedrängt.
Noch einmal: Seid gut zu den Armen! Was sage ich? Seid gerecht zu ihnen, und
ihr werdet gut zu euch selbst sein. Haltet das für eure Pflicht und tut
es gewissenhaft. Lasst die rührende Stelle Matth. 25, 35—46
in eurem Geist lebendig sein: »Ich hin hungrig und durstig
und nackend, krank und gefangen gewesen, und ihr habt mir gedienet.«
Und auch den darauf folgenden Segen. Ferner auch, was er zu einer anderen Gattung
Menschen sagte: »Ich bin hungrig und durstig und nackend
und krank und gefangen gewesen, und ihr habt mir nicht gedient.« Denn
ein furchtbarer Urteilsspruch über die hartherzige Welt folgt danach.
Höret, was der Psalmist sagt: »Wohl dem, der sich des Dürftigen annimmt!
Den wird der Herr erretten zur bösen Zeit. Der Herr wird ihn bewahren und
beim Leben erhalten und es ihm lassen wohlgehen auf Erden und wird ihn nicht
geben in seiner Feinde Willen. Der Herr wird ihn erquicken auf seinem Siechbette;
du hilfst ihm von aller seiner Krankheit« (Ps. 41, 2—4).
Das ist der Lohn für alle, welche treue Haushalter und Verwalter für
die Armen auf der Erde sind. Seid vorsichtig mit Entschuldigungen! Sie sind,
wie ich weiß, schnell bei der Hand, aber lest Sprüche 3, 27—28: »Weigere dich nicht, dem Dürftigen Gutes zu tun,
so deine Hand von Gott hat, solches zu tun. Sprich nicht zu deinem Nächsten:
Gehe hin und komm wieder, morgen will ich dir geben, so du es doch wohl hast.«
Behaltet in eurem Sinn Christi Lehre: »Gib dem, der dich
bittet, und wende dich nicht von dem, der dir abborgen will« (Matth.
5, 42). Aber vor allem denkt an die arme Witwe, die ihr Scherflein gab. Christus
zog sie allen andern vor, weil sie alles gegeben hatte. Und es war für
Gottes Schatzkasten (Mark. 12, 42—44)!
Aus: Der Protestantismus des 17. Jahrhunderts. Herausgegeben
von Winfried Zeller (S.379ff.)
In der Reihe: Klassiker des Protestantismus. Herausgegeben von Christel Matthias
Schröder Band V, Sammlung Dieterich
Carl Schünemann Verlag Bremen