Isaac Newton (1643 - 1727)

Genialer englischer Philosoph, Physiker und Mathematiker. Sein für die physikalische und astronomische Forschung einflussreichstes Werk sind die 1687 erschienene »Philosophiä naturalis principia mathematica«, in denen er mit Hilfe einer selbst entwickelten Fluxionsrechnung (ein anderes Wort für Differentialrechnung) die Keplerschen Gesetze aus dem Newtonschen Gravitationsgesetz hergeleitet und zusammen mit den Axiomen der Mechanik (Newton-Axiomen) zum Fundament der klassischen theoretischen Physik und Himmelsmechanik ausgebaut werden.

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Inhaltsverzeichnis
Der höchste Gott ist ein unendliches, ewiges und vollkommenes Wesen
Es muss ein unkörperliches, lebendiges, intelligentes und allgegenwärtiges Wesen geben

Der höchste Gott ist ein unendliches, ewiges und vollkommenes Wesen
Diese bewundernswürdige Einrichtung der Sonne, der Planeten und Kometen hat nur aus dem Ratschlusse und der Herrschaft eines alles einsehenden und allmächtigen Wesens hervorgehen können. Wenn jeder Fixstern das Zentrum eines dem unserigen ähnlichen Systems ist, so muss das Ganze, da es das Gepräge eines und desselben Zweckes trägt, bestimmt einem und demselben Herrscher unterworfen sein. Das Licht der Fixsterne ist von derselben Natur wie das der Sonne, und alle Systeme senden einander ihr Licht zu. Ferner sieht man, dass derjenige, welcher diese Welt eingerichtet hat, die Fixsterne in ungeheure Entfernungen von einander gestellt hat, damit diese Kugeln nicht, vermöge ihrer Schwerkraft, aufeinander fallen. [...]

Dieses unendliche Wesen beherrscht alles, nicht als
Weltseele, sondern als Herr aller Dinge. Wegen dieser Herrschaft pflegt unser Herr Gott Pantokrator, d.h. der Herr über Alles genannt zu werden. Denn das Wort Gott (Deus) bezieht sich auf Diener, und die Gottheit ist die Herrschaft Gottes nicht über einen eigentlichen Körper, wie diejenigen annahmen, welche Gott einzig zur Weltseele machen, sondern über Diener. Der höchste Gott ist ein unendliches, ewiges und durchaus vollkommenes Wesen; ein Wesen aber, wie vollkommen es auch sei, wenn es keine Herrschaft ausübte, würde nicht Gott sein. Wir sagen nämlich wohl: mein Gott, unser Gott, der Gott Israels, der Gott der Götter, der Herr der Herrn; aber wir sagen nie: mein Ewiger, euer Ewiger, der Ewige Israels, der Ewige der Götter und eben so wenig mein Unendlicher, noch mein Vollkommener; weil diese Bezeichnungen sich nicht auf unterworfene Wesen beziehen. Das Wort Gott (Deus) bezeichnet bisweilen Herr, aber jeder Herr ist nicht Gott. Die Herrschaft eines geistigen Wesens ist es, was Gott ausmacht; sie ist wahr im wahren Gott, die höchste im höchsten und die erdichtete im erdichteten Gotte. Es folgt hieraus, dass der wahre Gott ein lebendiger, einsichtiger und mächtiger Gott, dass er über dem Weltall erhaben und durchaus vollkommen ist. Er ist ewig und unendlich, allmächtig und allwissend, d.h. er währt von Ewigkeit zu Ewigkeit, von Unendlichkeit zu Unendlichkeit, er regiert alles, er kennt alles, was ist oder was sein kann. [...]

Ebenso wie der Blinde keine Idee von den Farben hat, haben wir auch durchaus keine Idee von der Weise, wie der weiseste Gott fühlt und alle Dinge erkennt. Er hat weder einen Körper noch eine körperliche Gestalt; er kann also weder gesehen, noch gehört, noch berührt werden, und man darf ihn unter keiner fühlbaren Gestalt anbeten. Wir haben wohl eine Vorstellung von seinen Eigenschaften, aber keine von seinen Bestandteilen. Wir sehen nur die Gestalt und Farbe der Körper, wir hören ihre Töne, wir fühlen ihre äußere Oberfläche, wir riechen und schmecken sie; was aber die inneren Substanzen betrifft, so erkennen wir sie weder durch irgend einen Sinn, noch durch Nachdenken, und noch weniger haben wir eine Vorstellung von der Substanz Gottes. Wir kennen ihn nur durch seine Eigenschaften und Attribute, durch die höchst weise und vorzügliche Einrichtung aller Dinge und durch ihre Endursachen; wir bewundern ihn wegen seiner Vollkommenheiten, wir verehren ihn und beten ihn an wegen seiner Herrschaft. Wir als Untertanen beten ihn an, denn Gott ohne Vorsehung, ohne Herrschaft und ohne Endursachen ist nichts anderes als das Schicksal und die Natur.

Die blinde metaphysische Notwendigkeit, welche stets und überall dieselbe ist, kann keine Veränderung der Dinge hervorbringen; die ganze, im bezug auf Zeit und Ort herrschende Verschiedenheit aller Dinge kann nur von dem Willen und der Weisheit eines notwendig existierenden Wesens herrühren.. [...]

Aus: Sir Isaac Newtons Mathematische Prinzipien der Naturlehre. Mit Bemerkungen und Erläuterungen hg. von P. H Wolfers, Berlin 1872
Enthalten in: Der Weg der Physik – 2500 Jahre physikalischen Denkens. Ausgewählt und eingeleitet von Shmuel Sambursky (S.397f.)
Erschienen im als Dünndruck-Ausgabe im Deutschen Taschenbuch Verlag, dtv-bibliothek 6093

Es muss ein unkörperliches, lebendiges, intelligentes und allgegenwärtiges Wesen geben
Was erfüllt die von Materie fast leeren Räume, und woher kommt es, dass Sonne und Planeten einander anziehen. ohne dass eine dichte Materie sich zwischen ihnen befindet? Woher kommt es, dass die Natur nichts vergebens tut, und woher rührt all die Ordnung und Schönheit der Welt? Zu welchem Zwecke gibt es Kometen, und woher kommt es, dass die Planeten sich alle in Konzentrischen Kreisen nach einer und derselben Richtung bewegen, wahrend die Kometen auf alle möglichen Weisen in sehr exzentrischen Bahnen laufen, und was hindert die Fixsterne daran, dass sie nicht auf einander fallen? Wie wurden die Körper der Tiere so kunstvoll ersonnen und zu welchem Zwecke dienen ihre einzelnen Teile? Wurde das Auge hergestellt ohne Fertigkeit in der Optik und das Ohr ohne die Wissenschaft vom Schall? Wie geschsieht es, dass die Bewegungen des Körpers dem Willen folgen, und woher rührt der Instinkt der Tiere? Ist nicht der Sitz der Empfindung beim Tiere da, wo die empfindende Substanz sich befindet, und wohin die wahrnehmbaren Bilder der Außenwelt durch die Nerven und das Gehirn geleitet werden, um dort durch ihre unmittelbare Gegenwart bei dieser Substanz zur Wahrnehmung zu gelangen?

Und da dies Alles so wohl eingerichtet ist, wird es nicht aus den Naturerscheinungen offenbar, dass es ein unkörperliches, lebendiges, intelligentes und allgegenwärtiges Wesen geben muss, welches im unendlichen Raume, gleichsam seinem Empfindungsorgane, alle Dinge in ihrem Innersten durchschaut und sie in unmittelbarer Gegenwart völlig begreift, Dinge, von denen in unser kleines Empfindungsorgan durch die Sinne nur die Bilder geleitet und von dem, was in uns empfindet und denkt, geschaut und betrachtet werden? Und wenn uns auch jeder richtige, in dieser Philosophie getane Schritt nicht unmittelbar zur Erkenntnis der ersten Ursache führt, bringt er uns doch dieser Erkenntniss näher und ist deshalb hoch zu schätzen. S.121 [...]

Mit Hilfe dieser Prinzipien scheinen nun alle materiellen Dinge aus den erwähnten harten und festen Teilchen zusammengesetzt und bei der Schöpfung nach dem Plane eines intelligenten Wesens verschiedentlich angeordnet zu sein; denn ihm, der sie schuf, ziemte es auch, sie zu ordnen. Und wenn er dies gethan hat, so ist es unphilosophisch, nach einem anderen Ursprunge der Welt zu suchen oder zu behaupten, sie sei durch die bloßen Naturgesetze aus einem Chaos entstanden, wenn sie auch, einmal gebildet, nach diesem Gesetze lange Zeit fortbestehen kann. Denn während allerdings die Kometen sich in sehr exzentrischen Bahnen aller möglichen Lagen bewegen, konnte doch niemals ein blinder Zufall bewirken, dass alle die Planeten nach einer und derselben Richtung in konzentrischen Kreisen gehen, einige unbeträchtliche Unregelmäßigkeiten ausgenommen, die von der gegenseitigen Wirkung der Kometen und Planeten auf einander herrühren und wohl so lange anwachsen werden, bis das ganze System einer Umbildung bedarf. Eine solche wundervolle Gesetzmäßigkeit im Planetensystem muss einer bestimmten Sorgfalt und Auswahl entsprechen. Und ebenso die Gleichförmigkeit in den Körpern der Tiere; sie haben im allgemeinen zwei gleichgeformte Seiten, eine rechte und eine linke, und an jeder Seite ihres Körpers hinten zwei Beine und vorn entweder zwei Beine oder zwei Arme oder zwei Flügel auf den Schultern, dazwischen einen in das Rückgrat auslaufenden Hals und darauf ein Haupt, an diesem zwei Ohren, zwei Augen, eine Nase, einen Mund, eine Zunge, immer in gleicher Weise angeordnet. Auch die Bildung jener äußerst kunstvollen Teile des Tierkörpers, der Augen, Ohren. des Gehirns. der Muskeln, des Herzens, der Lunge, des Zwerchfells, der Drüsen, des Kehlkopfes, der Hände, der Schwingen, der Schwimmblase, der natürlichen Brillen [durchsichtigen Häutchen vor den Augen mancher Tiere] und anderer Sinnes— und Bewegungsorgane, der Instinkt der Insekten, wie der wilden Tiere, kann nur entstanden sein durch die Weisheit und Intelligenz eines mächtigen, ewig lebenden Wesens. welches allgegenwärtig die Körper durch seinen Willen in seinem unbegrenzten, gleichförmigen Empfindungsorgane zu bewegen und dadurch die Teile des Universums zu bilden und umzubilden vermag, besser, als wir durch unseren Willen die Teile unsres eigenen Körpers zu bewegen im Stande sind. Und doch dürfen wir die Welt nicht als den Körper Gottes und ihre Teile als Teile von Gott betrachten. Er ist ein einheitliches Wesen ohne Organe, Glieder oder Teile, und Jenes sind seine Kreaturen, ihm unterworfen und seinem Willen dienend; er ist ebenso wenig ihre Seele, als die Seele eines Menschen die Seele ist von den Bildern der Außenwelt, die durch seine Sinnesorgane in ihm zur Wahrnehmung gelangen, wo er sie durch seine unmittelbare Gegenwart, ohne Zwischenkunft eines dritten Dinges wahrnimmt. Die Sinnesorgane dienen nicht dazu, dass die Seele die Bilder der Außenwelt in ihrem Empfindungsorgane wahrnimmt, sondern nur, um sie dorthin zu leiten; Gott hat solche Organe nicht nötig, da er bei den Dingen überall allgegenwärtig ist. Und da der Raum bis in das Unendliche teilbar ist und die Materie sich nicht nothwendig an jeder Stelle des Raumes befindet, so muss auch zugegeben werden, dass Gott auch Teile der Materie von verschiedener Größe und Gestalt, in verschiedenen Verhältnissen zum ganzen Raume und vielleicht von verschiedenen Dichtigkeiten und Kräften zu erschaffen vermag und dadurch die Naturgesetze verändern und an verschiedenen Orten des Weltalls Welten verschiedener Art erschaffen kann. Ich sehe in alledem nicht den geringsten Widerspruch.

Wie in der Mathematik, so sollte auch in der Naturforschung bei Erforschung schwieriger Dinge die analytische Methode der synthetischen vorausgehen. Diese Analysis besteht darin, dass man aus Experimenten und Beobachtungen durch Induction allgemeine Schlüsse zieht und gegen diese keine Einwendungen zulässt, die nicht aus Experimenten oder ans anderen gewissen Wahrheiten entnommen sind. Denn Hypothesen werden in der experimentellen Naturforschung nicht betrachtet. Wenn auch die durch Induktion aus den Experimenten und Beobachtungen gewonnenen Resultate nicht als Beweise allgemeiner Schlüsse gelten können, so ist es doch der beste Weg, Schlüsse zu ziehen, den die Natur der Dinge zulässt, und [der Schluss] muss für um so strenger gelten, je allgemeiner die Induktion ist. Wenn bei den Erscheinungen keine Ausnahme mit unterläuft, so kann der Schluss allgemein ausgesprochen werden. Wenn aber einmal später durch die Experimente sich eine Ausnahme ergibt, so muss der Schluss unter Angabe der Ausnahmen ausgesprochen werden. Auf diese Weise können wir in der Analysis vom Zusammengesetzten zum Einfachen, von den Bewegungen zu den sie erzeugenden Kräften fortschreiten, überhaupt von den Wirkungen zu ihren Ursachen, von den besonderen Ursachen zu den allgemeineren, bis der Beweis mit der allgemeinsten Ursache endigt. Dies ist die Methode der Analysis; die Synthesis dagegen besteht darin, dass die entdeckten Ursachen als Prinzipien genommen werden, von denen ausgehend die Erscheinungen erklärt und die Erklärungen bewiesen werden. [...]

Wenn aber die Naturphilosophie durch Befolgung dieser Methode schließlich in allen ihren Teilen vollendet sein wird, so werden auch die Grenzen der Moralphilosophie sich erweitern. Denn soweit wir im Stande sind, durch die Naturphilosophie die erste Ursache der Dinge zu erfahren, und welche Macht sie über uns hat und welche Wohltaten wir von ihr empfangen, so weit werden uns auch durch die Erkenntnis der Natur unsere Pflichten gegen sie, wie gegen uns unter einander klar werden. Und es ist kein Zweifel: hätte nicht die Verehrung falscher Götter die Heiden verblendet. so wäre ihre Moralphilosophie weiter gegangen, als bis zu den vier Kardinaltugenden, und anstatt die Seelenwanderung und die Anbetung von Sonne und Mond und von toten Helden zu lehren, würden sie uns die Verehrung unseres wahren Schöpfers und Wohltäters gelehrt haben, wie ihre Vorfahren unter der Herrschaft des Noah und seiner Söhne taten, bevor sie selbst verderbt wurden.
S.144ff.
Aus: Optik oder Abhandlung über Spiegelungen, Brechungen, Beugungen und Farben des Lichts von Isaac Newton
Aus dem Englischen übersetzt und herausgegeben von W. Abendroth
Ostwalds Klassiker der exakten Wissenschaften Band 96
© Verlag Harri Deutsch, Thum und Frankfurt am Main 1998
Veröffentlichung auf Philos-Website mit freundlicher Erlaubnis des Harri Deutsch Verlages