Paul Fleming (1609 – 1640)

  Deutscher Arzt und Barockdichter, der 1631 zum »Kaiserlichen Poeten« gekrönt wurde.

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Inhaltsverzeichnis

In allen meinen Taten
Laß dich nur nichts nicht dauren
  Gedanken über die Zeit  

In allen meinen Taten
In allen meinen Taten
Laß ich den Höchsten raten,
Der alles kann und hat;
Er muß zu allen Dingen,
Solls anders wohl gelingen,
Selbst geben Rat und Tat.

Nichts ist es spat und frühe,
Um alle meine Mühe,
Mein Sorgen ist umsunst.
Er mags mit meinen Sachen
Nach seinem Willen machen,
Ich stells in seine Gunst.

Es kann mir nichts geschehen,
Als was er hat versehen,
Und was mir selig ist.
Ich nähm es, wie ers giebet;
Was ihm von mir beliebet,
Das hab auch ich erkiest.

Ich traue seiner Gnaden,
Die mich für allem Schaden,
Für allen Übel schützt.
Leb ich nach seinen Sätzen,
So wird mich nichts verletzen,
Nichts fehlen, was mir nützt.

Er wolle meiner Sünden
In Gnaden mich entbinden,
Durchstreichen meine Schuld.
Er wird auf mein Verbrechen
Nicht stracks das Urteil sprechen
Und haben noch Geduld.

Ich zieh in ferne Lande,
Zu nützen einem Stande,
An den er mich bestellt.
Sein Segen wird mir lassen,
Was gut und recht ist, fassen,
Zu dienen seiner Welt.

Bin ich in wilder Wüsten
So bin ich doch bey Christen,
Und Christus ist bey mir.
Der Helfer in Gefahren
Der kan mich doch bewahren
Wie dorte so auch hier.

Er wird zu diesen Reisen
Gewünschten Fortgang weisen,
Wohl helfen hin und her,
Gesundheit, Heyl und Leben,
Zeit, Wind und Wetter geben
Und alles nach Begehr.

Sein Engel, der getreue,
Macht meine Feinde scheue,
Tritt zwischen mich und sie.
Durch seinen Zug, den frommen,
Sind wir so weit nun kommen
Und wissen fast nicht wie.

Leg ich mich späte nieder,
Erwach ich frühe wieder,
Lieg oder zieh ich fort,
In Schwachheit und in Banden
Und was mir stoßt zu handen,
So tröstet mich sein Wort.

Hat er es denn beschlossen,
So will ich unverdrossen
An mein Verhängnis gehn.
Kein Unfall unter allen
Wird mir zu harte fallen,
Ich will ihn überstehn.

Ihm hab ich mich ergeben,
Zu sterben und zu leben,
Sobald er mir gebeut:
Es sei heut oder morgen,
Dafür laß ich ihn sorgen;
Er weiß die rechte Zeit.

Gefällt es seiner Güte
Und sagt mir mein Gemühte
Nicht was vergeblichs zu,
So werd ich Gott noch preisen
Mit manchen schönen Weisen
Daheim in meiner Ruh.

Indes wird er den meinen
Mit Segen auch erscheinen,
Ihr Schutz wie meiner seyn,
Wird beyderseits gewehren,
Was unser Wunsch und Zähren
Ihn bitten überein.

So sei nun, Seele, deine,
Und traue dem alleine,
Der dich geschaffen hat.
Es gehe, wie es gehe;
Dein Vater in der Höhe
Weiß allen Sachen Rat.

Laß dich nur nichts nicht dauren
Laß dich nur nichts nicht dauren
Mit Trauren;
Sei stille!
Wie Gott es fügt,
So sei vergnügt
Mein Wille.

Was willst du heute sorgen
Auf morgen
Der Eine
Steht allem für,
Der gibt auch dir
Das Deine.

Sei nur in allen Handel
Ohn Wandel,
Steh feste!
Was Gott beschleußt,
Das ist und heißt Das Beste.

Gedanken über die Zeit
Ihr lebet in der Zeit und kennt doch keine Zeit;
So wißt, ihr Menschen, nicht von und in was ihr seid.
Dies wißt ihr, daß ihr seid in einer Zeit geboren
Und daß ihr werdet auch in einer Zeit verloren.
Was aber war die Zeit, die euch in sich gebracht
Und was wird diese sein, die euch zu nichts mehr macht
Die Zeit ist was und nichts, der Mensch in gleichem Falle,
Doch was dasselbe was und nichts sei, zweifeln alle.
Die Zeit, die stirbt in sich und zeugt sich auch aus sich.
Dies kommt aus mir und dir, von dem du bist und ich.
Der Mensch ist in der Zeit; sie ist in ihm ingleichen,
Doch aber muß der Mensch, wenn sie noch bleibet, weichen.
Die Zeit ist, was ihr seid, und ihr seid, was die Zeit,
Nur daß ihr wenger noch, als was die Zeit ist, seid.
Ach daß doch jene Zeit, die ohne Zeit ist, käme
Und uns aus dieser Zeit in ihre Zeiten nähme,
Und aus uns selbsten uns, daß wir gleich könnten sein,
Wie der itzt jener Zeit, die keine Zeit geht ein!

Aus: Deutsche Gedichte aus vier Jahrhunderten (S. 49ff, 62.). Ausgewählt von Emil Staiger und Martin Hürlimann, Atlantis Verlag Zürich