Johann Albrecht Bengel (1687 – 1752)
>>>Gott
Der
Weg zum Himmel
Gott hat seinen eingebornen Sohn gesandt in die Welt, dass er die Sünde
und alles Unheil, in das der Mensch sich selber gestürzt hat und aus dem
er sich nicht wieder heraushelfen kann, wegnehmen, Gerechtigkeit, Leben und
Seligkeit wiederbringen und den Menschen zu dem verlorengegangenen Bild Gottes
und zur Gemeinschaft mit dem ewigen Licht wieder herstellen sollte. Dieses Gebot
des himmlischen Vaters hat der Sohn willig vollbracht, indem er sich für
unsre Sünden selbst geopfert, das Gesetz vollkommen erfüllt, die Strafe
getragen, uns von dem Fluch befreit, mit Gott versöhnt, von der Gewalt
der Sünden, des Todes und des Teufels erlöst und die Gabe des Heiligen
Geistes und des ewigen Lebens erworben hat. Durch das Verdienst, die Macht und
die Fürbitte dieses einigen Mittlers kommen wir zu Gott; wir können
solchen Verdienstes nicht anders teilhaftig werden als durch eine herzhafte
Ergreifung und Aneignung desselben. Durch den Glauben an den Namen Jesu Christi,
des Sohnes Gottes, werden wir gerecht und selig und frei von unsern Sünden
und deren Schuld, vom Fluch, von der Herrschaft (Eph. 2, 2), vom bösen
Gewissen und allem Unheil. Es kommt auf keine Kreatur und deren fremdes oder
eigenes vorangehendes, mitwirkendes oder nachfolgendes Werk an, sondern allein
auf den Glauben. Solchen Glauben haben nicht alle, die ihn im Munde führen.
Er ist eine Gabe, ein Werk, eine Kraft und ein Licht Gottes, durch das der Mensch
erleuchtet, belebt und bewogen wird, bei tiefster Erkenntnis und Empfindung
seines eignen Verderbens, seiner Armut und Ohnmacht, bei demütiger Verleugnung
eigner Tüchtigkeit und Würdigkeit und bei sehnendem Verlangen nach
lauterer Gnade in dem einigen, vom Vater dargestellten und durchs Wort dem zagenden
Herzen angepriesenen Mittler alle Gerechtigkeit, Kraft und Seligkeit zu suchen.
Man wird sich damit schützen und bewahren vor dem Zorn Gottes, vor der
Anklage des Gesetzes und des Gewissens, vor dem Fluch und der Herrschaft der
Sünde und vor dem Anspruch des Todes und der Hölle.
Wo solcher Glaube ist, da ist unfehlbar und unausbleiblich eine gründliche
Änderung des Sinnes, ein Missfallen an allem Ungöttlichen und
ein Ekel vor allem eitlen Wesen, eine Untertänigkeit des Herzens gegen
Gott und seine heiligen Gebote, ein kindlicher, freiwilliger, ehrerbietiger,
gelassener und dankbarer Geist gegenüber Gott, dem himmlischen Vater, ein
vorsichtiger Wandel vor seinem Angesicht, ein vertraulicher Umgang mit ihm im
Gebet, eine sorgfältige Abschirmung seiner selbst gegen alle Lockungen
des Fleisches, der Welt und ihres Fürsten, ein milder, sanfter, liebreicher
und wohltätiger Sinn gegen den Nächsten und eine stete Begierde, im
Guten immer fester und völliger zu werden. Obwohl nun der Glaube ohne dies
alles nicht sein kann, so ist‘s doch der Glaube allein, der Christus ergreift
und uns gerecht und selig macht. Im Gegensatz dazu ist allein der Unglaube die
Formal- und Hauptursache der Verdammnis der Menschen (Mark. 16; Joh. 3); denn
ein Ungläubiger will wider die Krankheit seiner verdammlichen Sünden
die in Christus bereitete Arznei nicht bei sich wirken lassen.
Aus: Johann Albrecht Bengel: In der Gegenwart Gottes.
Bekenntnisse und Zeugnisse S.39-40
Zeugnisse der Schwabenväter, Band VII, Verlag Ernst Franz, Metzingen
Das
Blut Jesu Christi
I. Das Blut Jesu Christi ist
während seines Leidens und nach seinem Tod aufs reichlichste vergossen
worden.
Bei den Opfern des Alten Testaments wurde ein Blutvergießen verlangt;
das Blut musste ganz vergossen werden, so dass nichts in den Adern
und Gefäßen der Körper zurückbleiben durfte. Dies ist auch
bei der einzigen Aufopferung geschehen, die im Neuen Testament erwähnt
wird. Eine vollständige Vergießung des allerkostbarsten Blutes ist
damals geschehen: im Garten durch den Schweiß, im Richthaus durch die
Geißelung, am Kreuz durch die Nägel und nach dem Tod durch den Speer.
So ist Christus völlig getötet worden nach dem Fleisch (1. Petr. 3,
18). Dass von der ganzen Masse des Blutes auch nur ein Tropfen in dem allerheiligsten
Leibe zurückgeblieben sei, wird schwerlich jemand sagen können, der
die Worte des 22. Psalms, Vers 15 und 16, recht überlegt:
»Wie Wasser bin ich ausgeschüttet ... Wie eine
Scherbe ist vertrocknet meine Kraft, und meine Zunge klebt an meinem Gaumen,
und in den Staub des Todes hast du mich gelegt.«
In Wahrheit ist das Lamm Gottes geschlachtet worden. Es ist nicht der eine Teil
seines Blutes vergossen worden, der andere aber unvergossen geblieben; sondern
wie der ganze Leib dahingegeben, so ist auch das ganze Blut vergossen worden (Matth. 26, 28). Das Vergießen des Blutes und der Tod Christi stehen zwar
der Zeit nach nebeneinander, jedoch ist jenes nicht die Ursache von diesem.
Er hat wahrhaftig sein Blut und sein Leben gelassen, aber nicht durch natürliche
Ursachen, die bei denen, die sonst eines gewaltsamen Todes sterben, den Tod
bewirken. Dies bringt der Vorzug seiner Person mit sich.
II. Auf die einmal geschehene Vergießung seines Blutes ist der Zustand
erfolgt, in dem es ein vergossenes Blut war.
Das wirkliche Vergießen des Blutes ging vor sich, als es vergossen wurde.
Als Zustand des vergossenen Blutes bezeichnen wir jedes Dasein des Blutes außerhalb
des Leibes des Herrn, es sei nur kurz oder lang.
III. Dieses Blut ist auch in dem Zustand, da es als vergossen anzusehen ist,
von aller Verwesung frei.
»Nicht mit vergänglichen Dingen, mit Silber oder Gold sind wir losgekauft,
sondern mit dem teuren Blut Christi, als eines Lammes ohne Fehl und Flecken«
(1. Petr. 1, 18 .19). Die Kostbarkeit dieses Blutes schließt die Verwesung
aus. Dies bleibt gewiss und unleugbar, und keineswegs können wir die
ungeziemenden Meinungen einiger (Ausleger) über das vergossene Blut des
Herrn billigen.
IV. Man kann nicht behaupten, dass das vergossene Blut hernach wieder
in die Adern des heiligen Leibes aufgefasst worden sei.
Die menschliche Vernunft faßt nur, was dem natürlichen Leben gemäß
ist. Daher gründen wir uns allein auf die Schrift. Diese erwähnt gar
häufig die Blutvergießung und den Tod Jesu Christi, und nicht weniger
preist sie seine Auferstehung und sein immerwährendes Leben. Aber von dem
wieder in den Leib aufgenommenen Blut gibt sie keine ausdrückliche Nachricht,
auch kann diese Auffassung durch keine Folgerung aus der Schrift hergeleitet
werden. Es wäre mindestens ein übereilter Schluss zu sagen: »Das
Blut Christi ist nicht verwest, folglich ist es wieder in die Adern zurückgekommen«.
Wenn die drei Tage über, da Jesus unter den Toten war, der Leib ohne Blut
und das Blut außerhalb des Leibes unverwest geblieben sind, so bleibt
noch vielmehr nach überstandenem Tod jedes von beiden ohne das andere unverwest.
Lasst uns hören, was die Schrift an die Hand gibt!
V. Zur Zeit der Auffahrt Christi ist das Blut, das
vom Leibe abgesondert war, in den Himmel eingebracht worden.
Der Eingang des Priesters des Neuen Testamentes in das wahre Heiligtum war die
Himmelfahrt. Es ist zwar beim Tod Jesu Christi der Vorhang des irdischen Tempels
zerrissen worden, wodurch auch der Himmel als das wahre Heiligtum eröffnet
wurde; aber der Eingang selbst ist durch die Himmelfahrt geschehen. Am dritten
Tag nach dem Tod war die Auferstehung; am vierzigsten Tag nach der Auferstehung
war die Himmelfahrt. Es ist aber Christus durch sein eignes Blut in das Heilige
eingegangen (nicht nur nach der Vergießung und kraft der Vergießung
seines Blutes, auch nicht mit dem wieder in den Leib aufgenommenen Blut, sondern
durch das Blut); folglich hat dieser Priester sein eignes Blut als vom Leib
abgesondert in das Heiligtum hineingetragen. Daher beschuldigt man den mit Recht
der Vermessenheit, der glaubt, daß die Teilchen des Fleisches Christi,
die an der Geißel, an den Nägeln und an der Dornenkrone hängen
geblieben und die vergossenen Blutströpflein durch ein Wunder auf Erden
aufbehalten und im heiligen Abendmahl vervielfältigt würden. Zur Zeit
des Eingangs oder der Himmelfahrt hatte Christus ein vom Leib abgesondertes
Blut. Der Leib war ohne Blut, aber dennoch nicht entseelt, sondern lebendig.
Wenn das Blut im Leib gewesen wäre, so hätte es nicht dem Vorbild
des Priesters im Alten Testament entsprochen, der mit dem Blut der Tiere in
das Heiligtum einging (Hebr. 9, 7. 25 und vor allem Hebr. 9, 12, wo sich die
Wörtlein >durch< eben mit diesem Nachdruck aufeinander beziehen).
Dass man bei der Ähnlichkeit des Vorbildes und des Gegenbildes bleiben
müsse, erkannte Witsius in seiner Disertation »Vom Priestertum Aarons
und Christi«, wo er von der Stelle Hebr. 13, 11 handelt. Er erklärt
das Blut Christi für die Seele Christi, und das ohne Grund; denn es wird
wie beim Vorbild so auch beim Gegenbild im eigentlichen Sinn so genanntes Blut
angezeigt. Es hat auch Sibrandus Lubbertus eine ziemlich matte Erklärung
in seinem zweiten Buch gegen die Socinianer »Von Jesus Christus, dem Heiland«,
wo er sagt: »Gleichwie der levitische Priester mit dem Blut des geschlachteten
Opfers für sich und für das Volk im levitischen Heiligtum erschien,
so erscheint Christus nicht eben mit seinem materiellen vergossenen Blut, sondern
nach der Kraft und Wirkung seines für uns vergossenen Blutes für uns
im Himmel«.
Der Apostel redet aber nicht von der Kraft und Wirkung des Blutes, sondern von
dem eignen Blut Christi, durch das der Eingang in das Heilige geschehen sei.
Auch nennt er es nicht ein materielles Blut, sondern das Blut dessen, der durch
den ewigen Geist sich selbst untadelig Gott geopfert hat. Diesen apostolischen
Nachdruck haben hin und wieder treffliche Ausleger in ihren Reden nachgeahmt.
Chrysostomus in seiner 33. Predigt über Hebräer 13: »Der eigentliche
Hergang des Leidens war von außen, von außen, sage ich; aber in
den Himmel ist das Blut hineingetragen worden. So siehst du denn, dass
wir jenes Blutes teilhaftig sind, das in das Heilige, in das wahre Heilige nämlich,
hineingetragen wurde, jenes Opfers, das allein der Hohepriester zu genießen
hatte«. Konrad Pellican sagt über Hebräer 9: »Christus
hat den Wert seines Blutes für uns, die wir erlöst sein sollten, Gott
dem Vater in den Himmel hineingebracht«. Johannes Calvin spricht über
Hebräer 10: »Das Blut der Tiere konnte, da es sogleich in die Fäulnis
überging, seine Kraft nicht lange behalten; aber das Blut Christi, das
von keiner Fäulnis angegriffen wird, sondern allezeit in reiner Farbe fließt,
wird uns bis ans Ende der Welt hinreichend sein. Es ist kein Wunder, daß
die geschlachteten Tieropfer keine lebendigmachende Kraft hatten, da sie selbst
tot waren; Christus aber, der von dem Tode auferstanden ist, damit er uns das
Leben mitteile, ergießt sein eignes (Leben) in uns. Dies ist eine immerwährende
Zueignung des Mittels zum Leben in der Art, daß vor dem Angesicht des
Vaters das Blut Christi zu aller Zeit träufelt, gewissermaßen um
Himmel und Erde zu befeuchten«. Und über Kapitel 13: »Christus
hat sein Blut in das himmlische Heiligtum eingetragen, um die Sünden der
Welt zu versühnen«. Wiederum: »Der Apostel scheint (Hebräer
13, 20) meines Erachtens damit anzudeuten, Christus sei so von den Toten auferstanden,
daß sein Tod gleichwohl nicht abgeschafft sei, sondern eine ewige Wirkung
behalte, als wollte er sagen, Gott hat seinen Sohn auferweckt, aber so, daß
das Blut, das er einmal im Tod vergossen hat, zur Bestätigung des ewigen
Bundes, nach der Auferstehung fortdauert und seine Frucht bringt, als ob es
immerfort flösse«. Hurinio über Hebräer 13: »Christus
hat sein eignes Blut in das Allerheiligste eingetragen«.
VI. Das Blut Jesu Christi bleibt immer ein vergossenes
Blut.
Wenn irgend einmal das Blut Jesu Christi hätte können oder sollen
in seinen Leib wieder zurückkommen, so konnte und mußte es im Augenblick
der Auferstehung, nicht aber erst hernach geschehen. Aus dem vorigen Satz geht
hervor, daß dies vor der Himmelfahrt nicht geschehen ist, mithin ist es
nicht bei der Auferstehung geschehen. Überhaupt ist keine Zeit ausfindig
zu machen, die wir für jene Aufnahme (des Blutes) nachweisen könnten.
Der Zustand des vergossenen Blutes ist ein immerwährender. Jesus selber
ist im Himmel, und sein Leib, auch sein Blut, ist im Himmel; aber um deswillen
ist nunmehr sein Blut nicht im Leibe. Ich möchte das Gesicht, Offenbarung
1, 14, von der weißen Farbe des Hauptes Jesu Christi, als wenn sie die
Abwesenheit des Blutes anzeigte, nicht hierauf beziehen; denn die Farbe bezieht
sich auf die schneeweißen Haupthaare, wogegen das Angesicht in Vers 16
mit der in ihrer Macht leuchtenden Sonne verglichen wird. Auch berufen wir uns
nicht wie Augustinus auf das, was Lukas 24, 39 vorkommt; denn das Blut, wenn
es auch schon im Körper ist, läßt sich weniger fühlen und
sehen, als das Fleisch und die Gebeine. Es gibt noch andere Merkmale des vom
Leib abgesonderten Blutes. Die Heilige Schrift stellt den Leib und das Blut
nicht nur beim Leiden und Tod des Herrn, sondern auch bei dem zum Gedächtnis
seines Todes eingesetzten Abendmahl als voneinander geschieden vor. Man erwäge
Hebräer 13, 9—14; 10, 10 . 29; 1. Korinther 11, 24 ff. Der Ausdruck
in der biblischen Verkündigung richtet sich nach der wahren Beschaffenheit
der Sache selbst. Darum wird der Leib und das Blut Christi mit so genauer Unterscheidung
betrachtet, weil in der Sache selbst ein Unterschied oder eine Scheidung stattfindet.
Demnach befindet sich noch jetzt das Blut als vergossenes Blut im Himmel vor
den Augen Gottes. Noch jetzt redet es für uns. Noch jetzt ist es ein Blut
der Besprengung (1. Petr. 1, 2). Das Blut Abels, das die Erde mit offenem Munde
aus der Hand Kains eingeschluckt hatte, schrie, als es vom Leib abgesondert
war. Das Blut Jesu Christi, das ebenfalls abgesondert ist, redet im Himmel mächtiger
und gütiger. Eben um dieser Ursache willen wird das Blut der Besprengung
in der vorliegenden Stelle (Hebr. 12, 24) neben Jesus besonders bezeugt, wie
auch in Kapitel 10, 19 . 21 der Eingang des Heiligtums im Blut Jesu und eben
dieser große Priester selbst besonders gepriesen wird, auch Kapitel 13,
12 das Blut Jesu abgesondert und nicht in Verbindung mit dem Leib (vgl. Vers
111) betrachtet und endlich Kapitel 13, 20 selbst von der Auferweckung des großen
Hirten der Schafe gesagt wird, daß sie durch das Blut des ewigen Testaments
geschehen sei. Man vergleiche des ehrwürdigen Rieger »Historie der
Böhmischen Brüder«, wo sich aus den von Herrn Kanzler Pfaff
entdeckten Spuren ein sehr weites Feld alter und neuer Meinungen auf solche
Weise vor uns eröffnet, daß diese von jenem geschickt vorgetragene
Meinung sich durch alle Schwierigkeiten, die den übrigen entgegenstehen,
von selber durchschlägt. Das vergossene Blut selbst, nicht nur die Vergießung
des Blutes, ist der Preis der ewigen Erlösung. Dieser Preis, der Gott dargebracht
worden ist, bleibt dargebracht, ohne in den Leib des Erlösers wieder zurückgegeben
zu werden. Die Erlösung ist ewig. Die Gültigkeit des Lösegeldes
ist ebenfalls ewig, nicht anders, als ob der Erlöser täglich für
uns am Kreuz hängend seinen Geist aufgäbe. In seinem Tod war eine
unauflösliche Kraft des Lebens; in seinem Leben ist eine immerwährende
Gültigkeit des Todes. Selbst der Tod des Herrn hat die Schwachheit seines
Lebens in der Welt verschlungen, da er des Blutes und des Fleisches teilhaftig
geworden war, damit er sterben könnte (2, 14). So führt eben dieser
Tod als der Übergang zum herrlichen Leben sogleich etwas mit sich, das
dem herrlichen Leben gemäß war (1. Tim. 3, 16). Die Verkündigung
des Todes des Herrn umfaßt demnach eine Erinnerung an ihn im Ganzen, auch
an sein Begräbnis und seine Auferstehung (mit der jener genau verbunden
wird, 1. Kor. 15, 4), an die Himmelfahrt und an das Sitzen zur Rechten Gottes,
bis daß er kommt (1. Kor. 11, 26). Der große Hirte der Schafe ist
von den Toten ausgeführt worden; aber das Testament, durch dessen Blut
er ausgeführt wurde, ist ewig (Hebr. 13, 20). Hieraus wird deutlich, mit
welch besonderer Art Johannes das Lamm beschrieben hat, das er selber als geschlachtetes
Lamm in seinem Leben und in seiner Herrlichkeit gesehen hat.
VII. Dies haben auch die alten Kirchenlehrer erkannt.
Mit großer Übereinstimmung haben sie dafür gehalten, dass
der Leib des Herrn ohne Blut oder auch ein blutleerer Körper sei.
VIII. Die persönliche Vereinigung und der Zustand des vergossenen Blutes
vertragen sich ganz gut miteinander.
Sie hoben einander nicht auf während der drei Tage des Todes (Christi);
sie werden daher noch viel weniger nach Ablauf der drei Tage jemals gegeneinander
sein. Diese Ansicht läßt weder von dem Nestorianischen noch von dem
Eutychianischen Irrtum das mindeste aufkommen.
IX. Die Auferstehung und das verherrlichte Leben Jesu Christi heben den Zustand
des vergossenen Blutes nicht auf.
Sollte jemand dafür halten, es sei auch nach dem Seitenstich ein wenig
vom Blut im Leib des Heilands zurückgeblieben, so könnte es nach natürlichen
Gründen umso weniger nötig scheinen, dass das vergossene Blut
wieder in den Körper zurückgebracht worden wäre. Allein es ist
in der Tat alles Blut vergossen und dennoch nicht wieder zurückgebracht
worden. Das natürliche oder seelische Leben hängt zwar vom Blut und
dessen Umlauf ab und wird durchs Brot erhalten; das Wort Gottes aber nährt
die Leiber der Heiligen ohne Brot. Man sehe darüber Mose (2. Mose 24, 18;
34, 28), ebenso Elia (1. Kön. 19, 8), vor allem aber Jesus Christus (Matth.
4, 2 .4)! Schon an seiner geziemenden Kleidung (Joh. 19, 23) ist zu erkennen,
dass seine ganze Lebensweise die Reinigkeit aller Sterblichen weit übertroffen
hat. Wenn nun die Kraft Gottes dies auf Erden zu leisten vermag, wieviel mehr
wird es weiter geschehen im Himmel (Matth. 22, 29). Das Leben in der Herrlichkeit
hat keinen Umlauf des Geblüts nötig; es ist ganz und gar aus Gott
(Röm. 6, 4. 10; 1. Kor. 6, 13; 15, 44 . 50). Unser Leib und unser Blut
ist der Verwesung unterworfen. Was nun mit unsrem Blut vorgehen wird, weiß
ich nicht (wir achten selber im natürlichen Leben einen sehr starken Blutverlust,
wenn er nicht zum Tode führt, weniger als die Verstümmelung eines
Fingers oder eines Gelenkes); den Leib aber wird der Heiland seinem verherrlichten
Leib gleichförmig machen. »Wir halten für erwiesen, dass
der Streit (Michaels, Offb. Joh. 12) nicht sogleich nach der Himmelfahrt zu
Ende gebracht worden wäre, wenn nicht das hineingebrachte Blut des Lammes
das Anklagerecht des Drachen geschwächt hätte« (siehe auch Hedinger:
Neues Testament über Hebr, 9, 24; 10, 14). Die Öffnung in der Seite,
die bei einem natürlichen Körper eine tödliche Wunde wäre,
ist ein immerwährendes Denkmal und ein Schmuck des verherrlichten Lebens.
Das Wort girim, das bei Hesekiel 37, 6. 8 im Grundtext vorkommt, bedeutet nicht
»Adern«, sondern Nerven und Muskeln.
X. Der Zustand des vergossenen Blutes gibt eine ungemein
starke Bestätigung für das Abendmahl unter beiderlei Gestalt.
Die Verteidiger des Abendmahls unter einerlei Gestalt haben keinen scheinbareren
Vorwand als den, dass der Leib nicht ohne Blut sei. Nun aber wird beim
heiligen Abendmahl der Leib und das Blut des Herrn mit der genauesten Unterscheidung
dargestellt. Zuerst sagt er: »Das ist mein Leib!« hernach: »Das
ist mein Blut!« Mithin wird der Leib nicht unter dem Blut gereicht, sondern
für sich, und das Blut wird nicht unter dem Leib gereicht, sondern auch
für sich. Lightfoot bezieht sich in seinen Chron. Alten Testamentes hier
auf 1. Mose 9, 4. Sehr treffend aber schreibt Dannhauer: »Die himmlische
Sache bei dem heiligen Trank (im Abendmahl) ist das Blut Jesu Christi, das für
die Jünger und für viele vergossen worden ist und, weil es unverweslich
ist, auch jetzt noch existiert (1. Petr. 1, 19), das Christus in das nicht mit
Händen gemachte Heiligtum hereingetragen hat und das dennoch ebendasselbe
ist, das unter den Leiden vergossen worden ist. Man hat sich dabei nicht in
das müßige Schulgezänk über die Reliquien des Blutes Christi
und von der Wiederaufnahme desselben einzulassen.« Beim Tod des Herrn
wurde das Blut vom Leib getrennt. So bringt es denn die Verkündigung seines
Todes mit sich, daß das gesegnete Brot zur Erinnerung an den Herrn gegessen
und der gesegnete Kelch ebenfalls zur Erinnerung an den Herrn getrunken wird (1. Kor. 11, 24. 25). Ein sehr tiefsinniges theologisches Urteil hat Thomas
Bromley in seinen zehn Traktätchen über die verschiedene Art, den
Leib und das Blut Christi zu genießen.
XI. Diese Darstellung stärkt in trefflicher Weise unsren Glauben.
Bromley schreibt in seiner »Eröffnung des Paradieses«: »Im
Heiligtum wird das Blut des ewigen Bundes gesprengt, welches durch den Herrn
Jesus nach seiner Himmelfahrt einmal auf besondere Weise geschehen ist nach
der Schriftstelle Hebräer 9, 12: >Er ist durch sein eigen Blut einmal
in das Heiligtum eingegangen und hat eine ewige Erlösung erfunden. Dies
wird aber auch jetzt noch zu gewissen Zeiten durch den großen Hohenpriester
fortgesetzt, um den durch die Sünde gereizten Zorn Gottes zu besänftigen.
Daher wird es ein Blut der Besprengung genannt um seines Gebrauchs willen, der
im Himmel und in dem Gewissen der Heiligen auf Erden fortgesetzt wird«
(Hebr. 9,14). Das mögen die beurteilen, die ein geistliches Urteil haben.
Allerdings genießen die Gläubigen bei aller Übung des Glaubens,
hauptsächlich aber beim heiligen Abendmahl, die kräftigen Wirkungen
des Blutes Jesu gerade so, als ob sie sich in dem nämlichen Augenblick
befänden, da sein Blut vergossen worden ist.
XII. Die ganze Sache ist wert, von den Liebhabern Christi noch viel genauer
erwogen zu werden.
Was der selige Andreas Adam Hochsteuer in seinem Versuch über den Eingang
des Hohenpriesters in das Allerheiligste geschrieben hat, kann mit der vorliegenden
Betrachtung verglichen werden: »Wir zweifeln nicht, dass der Leser
aus der Abhandlung über diese so schwere und auch von großen Auslegern
mit Stillschweigen übergangenen Materie merken wird, wieviel für unser
Nachforschen noch übrig bleibe, und wird die Bemühung, die wir zur
Untersuchung der verborgenen Wahrheit angewandt haben, zur Ehre des Heilands
nützen.« Ich bekenne, dass ich meine Betrachtung noch wenig
ausgearbeitet finde. Bei einer solchen Sache sind wenige dahin zu bringen, dass
sie aushalten und zu ihrer Erwägung sich die erforderliche Zeit und Muße
nehmen. Wer aber nicht sogleich wieder abspringt, wird aus dem, was anfangs
befremdlich war, hernach Süßigkeit und Wachstum seines Glaubens empfinden.
Ich will jedoch niemand etwas aufdrängen; nur bitte ich verständige
Männer, dass sie sich die Mühe machen, die ganze Sache nicht
mit dem Maßstab menschlicher, sondern göttlicher Gesinnung gewissenhaft
zu untersuchen. Es geht dabei nicht um fleischliche Neugier, sondern um das
Verlangen nach Erkenntnis des Erlösers, soweit es ihm selber belieben wird,
seine Herrlichkeit durch die Strahlen des apostolischen Zeugnisses den Seinen
zu offenbaren.
In den Auslegungen über die Heilige Schrift und in den christlichen Lehrbüchern
wird man über diese Sache nicht leicht eine ausführliche Abhandlung
oder auch nur eine kurze Belehrung antreffen. Dies hat vermutlich folgende Ursachen:
1. In der Lehre von den Gnadenwirkungen sagt man: die wirkende Ursache ist der
heilige Geist. Das ist nun wohl richtig; aber die Erwähnung Christi und
seines Verdienstes geschieht nur bei der Frage nach der äußerlichen,
bewegenden Ursache. Daher kommt es denn, daß weder an dem einen noch an
dem andern Ort die kräftige Wirkung Christi und seines Blutes in Betracht
gezogen wird.
2. Eine eigentliche Betrachtung des Blutes Christi wird selten angestellt, und
viele wenden sich sogleich zu einer verblümten Bedeutung, da sie unter
dem Wort >Blut< entweder das ganze Verdienst Christi oder sein Leben,
seine Seele verstehen.
3. In Erbauungsschriften richtet man sein Augenmerk lieber sogleich auf die
heiligen und seligen Früchte als auf die Beschaffenheit der Wirkungen selbst,
aus denen diese Früchte entstehen.
Man lese zum Beispiel die Schrift eines Ungenannten, die den Titel trägt:
»Die reinigende Kraft des Blutes Jesu Christi« (Prenzlau, 1745).
Was mich betrifft, so bin ich schon in meiner Jugend mit Begierde dem Gedanken
einer gründlichen Untersuchung über das Verhältnis des Verdienstes
Christi zu unserem Heil umgegangen. Trotz vielem Überlegen ist es aber
doch niemals zu einem eigenen Aufsatz über diese Sache gekommen. Der Herr
Jesus verleihe uns um seinetwillen einen erwünschten Strahl seines Lichtes!
Amen.
1. Durch das Blut Christi widerfährt uns eine zweifache Wohltat, nämlich
a) die Erlösung von der Schuld der Sünde und
b) die Mitteilung neuer
Lebenskräfte, die sich dann in guten Werken äußern. Jene heißt
die Rechtfertigung durch das Blut Jesu Christi. Diese erlangt, wer das Fleisch
Christi isst und sein Blut trinkt (Joh. 6).
2. Weil aber das Blut Christi ein Blut der Besprengung ist, so fragt es sich,
ob dieses Blut den Gläubigen als eigentliches Blut auf beide Weisen, wie
oben erwähnt, oder nur auf die erste Weise zugute komme.
3. Im Alten Testament waren viele Besprengungen; man mag nun auf die Personen
sehen, die die Besprengung vollzogen, oder auf die Materie, mit der die Besprengung
geschah, oder auf die Menschen und Sachen, für die und an denen die Besprengung
vollzogen wurde, oder zuletzt auf den Zweck der Besprengung zur Einweihung,
Heiligung usw. Eine Besprengung geschah bei Aaron und seinen Söhnen (2.
Mose 19, 21 und 3. Mose 8, 23 ff) und bei dem ganzen Volk (2. Mose 24, 8), beide
gleich im Anfang zur Einweihung und mithin, wenn man so sagen will, ein für
allemal. Bei den Aussätzigen gab es auch eine Art von Einweihung zum Umgang
mit anderen Israeliten, von denen sie eine Zeitlang abgesondert waren. Die Besprengung
neben dem Altar war immer etwas Besonderes. Die Israeliten aber wurden ihrerseits
durch das Essen der Opfer in der Gemeinschaft mit Gott erhalten.
4. Im Neuen Testament gibt es eine Besprengung, die durch das Blut Christi geschieht.
Weil dies die einzige Besprengung ist und alle levitischen Einrichtungen auf
Christus zielen, so müssen alle levitischen Besprengungen nur Schattenbilder
dieser einen Besprengung gewesen sein; daher wird in der Tat das Blut Christi
wegen seiner geistlichen Vortrefflichkeit gepriesen nicht nur im Vergleich mit
dem Blut der Ochsen und Böcke, sondern auch im Vergleich mit der Asche
der Kuh in Verbindung mit der leiblichen Besprengung zur Reinigung der Unreinen
(Hebr. 9, 13).
5. Es wird die Besprengung des Blutes 1. Petrus 1, 2 und wiederum das Blut der
Besprengung in unserer vorliegenden Stelle (Hebr. 12, 24) erwähnt. Auch
heißt es, dass wir an den Herzen besprengt und durch diese Besprengung
vom bösen Gewissen befreit seien, dadurch wir ein wahrhaftige» Herz
in Völligkeit des Glaubens haben. Mehr wird über die Besprengung im
Neuen Testament nicht mitgeteilt; aber Jesaja weissagt (52,15): »Also
wird er (Christus, der große Diener Jehovas) viele Nationen besprengen,
dass auch Könige werden ihren Mund vor ihm zuhalten usw.« Da
werden wir (auf einmal) sehen, wer der ist, der besprengt, wer die sind, die
besprengt werden, wie jene Besprengung eine Folge seiner Leiden ist und dass daraus der Gehorsam des Glaubens entsteht, wie auch Petrus die Besprengung des
Blutes Christi mit dem Gehorsam verbindet.
6. Die levitischen Besprengungen reinigten nicht auf natürliche, sondern
auf moralische Weise; denn
a) es wurde nicht etwa die Hand oder sonst ein bestimmter Teil des menschlichen
Körpers, der in besonderer Weise befleckt worden war, oder gar der ganze
Leib besprengt, sondern die Besprengung geschah im allgemeinen, mochte dabei
das Blut oder Wasser der Besprengung hinfallen, wo es wollte.
b) Die Besprengung hatte eine Ähnlichkeit mit dem Blut des Osterlammes
(2. Mose 12, 7 . 13), das nicht über die Körper, sondern über
die Türschwellen ausgegossen wurde und doch den Israeliten zum Vorteil
gereichte.
c) Nach der Besprengung musste der Besprengte erst seinen Leib und seine
Kleider waschen; mithin hatte die Besprengung eine moralische und das Waschen
eine natürliche Wirkung.
7. Mit diesem Waschen stimmt im Neuen Testament das Waschen überein, das
dem reinen Wasser, dem Heiligen Geist, zugeschrieben wird (1. Kor. 6, 11; Hebr.
10, 23), aber auch dem Blut Christi. »Er hat uns gewaschen von unsern
Sünden mit seinem Blut« (Offb. 1, 5) und: »Sie haben ihre Kleider
gewaschen und hell gemacht im Blut des Lammes« (Offb. 7, 14).
8. Die Besprengung aber hat eine moralische Kraft. Dorscheus sagt: »Jene
Besprengung geschieht nicht anders als nur durch die Mitteilung der verdienstlichen
Kraft oder vielmehr der erworbenen Genugtuung und Erlösung Jesu Christi«.
9. Jene Stelle in Johannes 6 von dem Essen des Fleisches Christi und von dem
Trinken seines Blutes hat eine große Bedeutung. Man muss aber die
Worte nicht allzu weit ausdehnen; denn Jesus hat sich dort (wie er es gegen
harte Widersacher je und je zu tun pflegte) einer besonderen verblümten
Redeweise bedient, wie er sie seinen Jüngern gegenüber weder vorher
noch nachher jemals gebraucht hat. Der Ausdruck »wahrhaftig« in Vers 55 ist aus Johannes 15,1 zu erläutern: »Ich bin der wahrhaftige
Weinstock«. Es bleibt aber trotzdem etwas Gleichnishaftes selbst in dem
Wort, das die Beschaffenheit des Weinstocks anzeigen soll. In jenem Ausspruch:
»Mein Fleisch ist wahrhaftig eine Speise« usw. steht »wahrhaftig«
nicht mit dem Wort »Speise«, sondern mit der Versicherung »es
ist« in Verbindung, so dass die Sache gegen den Widerspruch behauptet
wird. Am Anfang und am Ende des Gespräches wird das Essen des Fleisches
Christi und das Trinken seines Blutes (wie Joh. 3 die neue Geburt) mit dem Begriff
vom Glauben gleichgestellt. Durch solche Vorstellungen wird verhütet, dass
jemand den Glauben zu gering und zu leicht nimmt, und durch die Ausdrücke
vom Glauben werden wir belehrt, dass die Vorstellungen nicht gar zuviel
Schwierigkeit haben.
10. Bei dem allem ist klar und gewiss, dass durch das Essen des Fleisches
Christi und durch das Trinken seines Blutes oder durch den Glauben die Christen
a) mit Christus innigst vereinigt werden,
b) diese Vereinigung seinem Fleisch, das sie essen, und. seinem Blut, das sie
trinken, zu verdanken haben und
c) das Fleisch und Blut eine kräftige und durchdringende Wirkung in ihnen
habe und ihnen das ewige Leben bringe.
11. Wo dem Blut Christi sonst die Reinigung von Sünden zugeschrieben wird,
ist dies nach der Art des Zusammenhangs entweder moralisch oder natürlich
oder beides zugleich gefasst zu verstehen, so zum Beispiel Hebräer
1, 3; 1. Johannes 1, 7. Dies gilt auch von dem Sieg in Offenbarung 12, 11.
12. Dies alles reicht über die Natur hinaus; es ist daher höchst nötig,
dass man sich vor dem süßen Betrug menschlicher Sinne hütet.
Wenn sich zum Beispiel eine Kraft des heiligen Geistes in die Seele oder wohl
auch in den Leib ergießt, soll man es nicht unterdrücken. Man kommt
nicht durch das Gefühl zum Glauben, wiewohl der Glaube je und je etwas
nach sich zieht, das man fühlen kann. Auch dies wollen wir ja nicht mit
dem Namen »Liebesglut« oder sonst einer natürlichen Eigenschaft
bezeichnen. Was sich ungezwungen ergibt, das wollen wir mit demütigem Dank
annehmen und ohne Prahlerei bewahren Es soll sich aber niemand andern zum Vorbild
und Muster aufdrängen, noch es andern auf solche Weise nachzumachen suchen.
Viele kommen sonst in eine heftige und gewaltsame Betriebsamkeit hinein, dass
sie meinen, sie müssten eben dieselben Erfahrungen und Gefühle
bei sich selber erzwingen. Bei solchem Bestreben wird die Natur ermüdet,
so dass sie sich endlich im Traum durch das beruhigt, was sie selber ohne
ihr Wissen ausrichtet.
13. Kurz, das kostbare Blut Christi wird uns bei der Besprengung, bei der Abwaschung,
beim Trinken um der persönlichen Vereinigung willen auf eine reelle, jedoch
übernatürliche und daher ganz unbegreifliche Weise zugeeignet. Dies
(was 1. Joh. 11, 7 vom Blut Jesu Christi gesagt wird) »muss nicht
nur vom Verdienst des Blutes Christi, wie er es am Kreuz auf einmal zustandegebracht
hat, verstanden werden, sondern Johannes handelt in dieser Stelle davon, daß
bei dem Geschäft der Rechtfertigung nicht allein die göttliche Natur
in Christus, sondern auch sein Blut auf eine wirksame Art uns von allen Sünden
reinige. So ist das Fleisch Christi eine lebendigmachende Speise« (Konkordienformel
Art. 8 Von der Person Christi).
14. Auf gleiche Weise hat unsererseits der Glaube nicht nur eine moralische
Kraft, sondern gewissermaßen auch eine natürliche Tätigkeit
und Wirkung zu unserer Rechtfertigung und Seligkeit.
15. Mich soll es freuen, wenn durch das, was jetzt gesagt worden ist, Anlaß
gegeben wird zur Vermehrung der Liebe und der Erkenntnis unseres Erlösers,
der sein Blut an uns gerückt hat. Die Fähigkeit unseres Herzens zu
heiligen Geheimnissen wird nicht so sehr durch Übung des Verstandes als
durch Wachstum des neuen Menschen erweitert.
16. Jesus vermag auf das völligste selig zu machen, die durch ihn zu Gott
hintreten, weil er ja immerdar lebt, um für sie einzukommen.
Aus: Johann Albrecht Bengel: Das Wort des Vaters rede
du! Ausgewählte Schriften, Predigten und Lieder S.48-64
Herausgegeben und mit Einführung und Anmerkung versehen von Dr. theol.
J. Roessle
Zeugnisse der Schwabenväter, Band VI, Verlag Ernst Franz, Metzingen