Teresa von Jesus [von Ávila, »die Große«] (1515 – 1582)

  Spanische Karmeliterin, Mystikerin und Kirchenlehrerin. Teresa Sanchéz de Cepeda y Ahumada, wie sie mit bürgerlichem Namen hieß, war das jüngste von zwölf Kindern einer spanischen Adelsfamilie. 1535 trat sie in den Orden der Karmeliterinnen ein, den sie später mit der Hilfe von Johannes vom Kreuz reformierte. Nach dem Erwachen aus einem Zusammenbruch, in dem sie in eine totenähnliche Starre fiel, hatte sie ihre ersten mystischen Visionen. Teresa gilt als die größte christliche Mystikerin und gehört zu den Klassikern der spanischen Sprache und zu den bedeutendsten Vertreterinnen der katholischen Reform. Bereits 1614 wurde Teresa selig gesprochen und 1617 zur Patronin von Spanien ernannt. Heilig gesprochen wurde sie 1622 und 1970 von Papst Paul VI. zur Kirchenlehrerin ernannt.
– Gedenktag: 15.10.

Siehe auch Wikipedia, Heiligenlexikon und Kirchenlexikon

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Peter Paul Rubens

Painting out of copyright, photograph, if applicable: Copyright © 2005 David Monniaux

Inhaltsverzeichnis
Die Einung in der Erhebung und Verzückung des übernatürlichen Gebets
Die Tröstung in der schmerzlichen Kraft der Liebe


Die Einung in der Erhebung und Verzückung des übernatürlichen Gebets
Brief an ihren Beichtvater, Pater Rodrigo Alvarez
Es ist so schwer, von den inneren Dingen zu sprechen, und noch schwerer, dies auf eine Art zu tun, dass sie verstanden werden könnten, namentlich aber in kurzer Weise, dass, wenn es der Gehorsam nicht wirkt, es ein Schwieriges ist, das Rechte zu treffen, zumal bei so schwierigen Gegenständen. Es schadet ein wenig, wenn ich Ungereimtes vorbringe, da dieses in Hände kommt, welche noch größere Torheiten von mir erhalten haben werden. In allem, was ich sage werde, bitte ich Euer Gnaden zu bedenken, dass ich keineswegs die Absicht habe zu meinen, ich hätte das Rechte getroffen; denn es könnte möglich sein, dass ich es selber nicht verstünde. Versichern aber kann ich, dass ich nichts sagen werde, was ich nicht einige Male oder viele Male selbst erfahren habe. Ob es gut sei oder nicht, mögen Euer Gnaden beurteilen und mich davon in Kenntnis setzen...

Das erste, wie mir scheint, übernatürliche Gebet, das ich in mir wahrgenommen habe, ... ist eine innerliche Sammlung, die in der Seele so empfunden wird, da
ss es ihr vorkommt, als habe sie andere Sinne als die äußeren und als wolle sie sich aus dem Getöse dieser äußeren zurückziehen. Es zieht sie zuweilen so nach sich, dass sie die Lust anwandelt, die Augen zu schließen und nichts zu sehen, nichts zu hören, nichts zu verstehen, als das, womit die Seele sich eben beschäftigt, nämlich mit Gott ganz allein zu verhandeln. Es verliert sich hier kein Sinn, keine Kraft, alles bleibt unversehrt, jedoch nur um mit Gott umzugehen. Dem so etwas gegeben wurde, wird es leicht verstehen, nicht aber, wem es nicht geschah; wenigstens bedarf es bei einem solchen vieler Worte und Gleichnisse.

Aus dieser Einsammlung entsteht oftmals eine Ruhe und ein innerer Frieden, wobei die Seele sich also befindet, dass ihr nichts zu tun übrig scheint; sogar das Reden ist ihr lästig, ich meine das Hersagen des Gebetes und das Sinnen der Betrachtung; sie will nichts als Liebe. Dies währt eine Weile, und manche Weile.

Aus diesem Gebete geht gewöhnlich ein Schlaf hervor, den man den Schlaf der Kräfte nennt, die jedoch weder so betäubt noch so schwebend sind, dass man ihn eine Verzückung nennen könnte; es ist auch keine Einung.

Zuweilen, ja oftmals nimmt die Seele wahr, dass ihr Wille allein geeint ist, und erkennt sehr klar (so scheint es mir wenigstens), dass er ganz in Gott beschäftigt ist. Zugleich fühlt die Seele die Unmöglichkeit, etwas Anderes zu sein und etwas Anderes zu wirken. Die beiden andern Seelenkräfte sind frei für alle Geschäfte und Übungen im Dienste Gottes...

Wenn eine Einung aller Seelenkräfte geschieht, ist es ganz anders; denn alsdann können sie in keinem Dinge wirken, denn der Verstand ist wie entsetzt. Der Wille liebt mehr, als er versteht; aber er versteht auch nicht, ob er liebt, noch was er tut, dass er es sagen könnte. Das Gedächtnis ist, wie mir scheint, hier gar nicht da, noch das Denken, und die Sinne nicht wach, sondern es ist, als ob man sie verloren hätte, damit die Seele dem, was sie genießt, mehr obliegen könne, wie mir scheint. Dieser Zustand verliert sich in kurzer Zeit und geht schnell vorüber...

Die Verzückung und die Erhebung sind, wie mich dünkt, eines... Der einzige Unterschied zwischen ihr und der Verzückung ist dieser: die Verzückung dauert länger und ist im Äußeren wahrnehmbar. Der Atem wird so verkürzt, daß man nicht reden, auch die Augen nicht auftun kann... Wenn die Verzückung groß ist, werden die Hände eiskalt und strecken sich zuweilen aus wie Stangen, und der Körper verharrt in dem Zustand, worin sie ihn ergriff, auf den Füßen oder kniend. Die Seele steht dabei so sehr im Genusse dessen, was der Herr ihr darstellt, dass es ist, als vergesse sie den Leib zu beleben und lasse ihn hilflos zurück. Dauert dieser Zustand länger an, so bleibt in den Gliedern eine Empfindung davon zurück..
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Der Unterschied, der zwischen der Verzückung und der Hinwegführung besteht, ist dieser, daß in der Verzückung die Seele allmählich den äußeren Dingen abstirbt, die Sinne verliert und Gott lebt; die Hinwegführung aber findet sich mit einer einzigen Erkenntnis ein, die Gott mit einer solchen Schnelligkeit dem Innersten der Seele eingibt, da
ss es scheint, ihr höherer Teil werde entführt; es dünkt sie, er enthebe sie dem Leibe. Und sie bedarf im Anfang des Mutes, um sich in die Arme des Herrn zu werfen, dass er sie hebe, wohin er will. Denn solange Gott die Seele nicht in den Frieden setzt, wohin er sie erheben will — erheben, sage ich, damit sie hohe Dinge vernehme —, muss sie wahrlich im Anfange wohl entschlossen sein, für ihn zu sterben; denn die arme Seele weiß nicht, was daraus werden solle...

Der geistige Flug ist ein Etwas, das ich nicht zu nennen weiß und das aus dem inneren Seelengrunde aufsteigt... Es kommt mir vor, als müssten Seele und Geist ein Wesen sein. Etwa ein Feuer, das groß werden soll und alles zum Brennen bereit hat, so ist die Seele mit der Bereitschaft, die sie für Gott hat, wie ein Feuer; es entbrennt schnell, wirft eine Flamme und lodert empor, obwohl das Feuer in seinem Wesen unten ist, auch dadurch nicht aufhört, Feuer zu sein, dass die Flamme nach oben steigt. So begegnet es der Seele, die aus sich so schnell etwas, und zwar etwas so Köstliches hervorbringt, das in die oberen Sphären steigt und dahin kommt, wo Gott es haben will. Es erscheint in Wahrheit als ein Flug; ich weiß kein anderes mehr geeignetes Gleichnis. Ich weiß nur, da
ss man den geistigen Flug sehr deutlich wahrnimmt und dass man ihn nicht verhindern kann.

Es scheint, als ob jenes Vöglein, der Geist, diesem Elend des Fleisches, diesem Kerker des Leibes sich entschwinge, damit es, aus ihm befreit, sich mehr dem hingeben könne, was der Herr ihm gewährt. Es ist ein so zartes und feines, köstliches Ding darum, so weit die Seele es verstehen kann, dass es ihr vorkommt, es könne darin keine Täuschung obwalten, noch in irgendeinem dieser Dinge. Ist der Zustand vorüber, so gering ist, dass er alle Ursache zur Furcht zu haben meint; wiewohl im Innern der Seele Gewissheit und Zuversicht bleiben...

Den Ansturm nenne ich eine Begierde, die die Seele zuweilen befällt, ohne daß ein Gebet voraufgegangen wäre; meistens ist auch eine jähe Kunde da, daß Gott nicht hier sei, und kein Wort, das die Seele vernähme, das zu ihm ginge.
Diese Kunde ist zuweilen so mächtig und von solcher Stärke, da
ss sie in einem Augenblick von Sinnen bringt. Wie wenn einem Menschen plötzlich eine schmerzliche Nachricht oder eine große Überraschung mitgeteilt wird oder anderes dieser Art, das dem Gedanken die Überlegung raubt, sich trösten zu können, so dass er wie betäubt ist. So ist es auch hier, nur dass die Pein von einer solchen Sache kommt, von der die Seele die Erkenntnis hat, dass ein Tod für sie wohl angewandt ist.

Daher kommt es, dass alles, was die Seele nun empfängt, ihr nur zu größerer Pein gereicht, als wolle der Herr nur dies, dass ihr ganzes Sein zu nichts anderem nütze sei und daß sie keinen Trost erhalten noch sich erinnern solle, es sei Gottes Wille, dass sie lebe. Sie vermeint vielmehr, in einer großen Einsamkeit und Verlassenheit von allem zu sein, die sich nicht beschreiben lässt; denn die ganze Welt mit allen ihren Dingen macht ihr Pein und es kommt ihr vor, als ob keine Kreatur ihr Gesellschaft leisten wolle.

Die Seele begehrt nichts als ihren Schöpfer; sie erkennt nun, wie dieses ohne ihren Tod unmöglich ist; da sie sich aber nicht selbst töten darf, stirbt sie aus Verlangen zu sterben dergestalt, daß in Wahrheit Gefahr des Todes darin ist. Sie erblickt sich gleichsam zwischen Himmel und Erde hängend und weiß nicht, was sie aus sich machen soll. Von einer Zeit zur anderen gibt Gott ihr eine Kenntnis seiner, auf das sie inne werde, was sie entbehrt; dies geschieht auf eine so seltsame Art, dass man es nicht sagen kann, noch die Pein beschreiben; denn es gibt auf Erden keine, wenigstens unter allen, die ich erlitten habe, die ihr gliche. Wenn sie nur eine halbe Stunde währt, wird der Körper so aus seiner Verbindung gebracht und die Gebeine so zerrissen, daß den Händen nicht mehr so viel Kraft bleibt, dass sie zu schreiben vermöchten...

Von alledem spürt die Seele nichts, bis jener Ansturm vorüber ist. Denn sie hat genug damit zu tun, ihn innerlich zu fühlen, und ich glaube, sie würde schwere Martern nicht verspüren. Sie ist jedoch bei vollen Sinnen und kann reden und blicken, gehen aber nicht, weil der große Stoß der Liebe sie niedergeworfen hat... Die Seele erkennt wohl, dass es eine große Gnade des Herrn ist; dauerte es aber an, das Leben würde nicht lange mehr standhalten... Eine andere Art des Gebetes gleicht einer Verwundung, die der Seele in Wahrheit erscheint, als ob sie ein Pfeil durch das Herz, in ihr Eigenstes träfe. Das erweckt einen großen Schmerz, der in Klagen ausbricht, aber so süß ist, dass die Seele seiner nie entbehren möchte. Dieser Schmerz ist nicht ein Empfinden der Sinne, noch ist zu verstehen, die Wunde sei eine leibliche Wunde, denn nur im Innern der Seele ist der Eindruck, ohne dass ein Leid des Körpers erschiene. Aber da es nicht anders kundzugeben ist als durch Gleichnisse, geraten sie wohl plump, allein ich weiß es auf keine andere Weise zu sagen. Solche Dinge lassen sich weder sagen noch schreiben; denn es ist keinem möglich sie zu begreifen, als dem, der es selber erfahren hat, ich meine wie tief der Schmerz eindringt... Zu andern Malen erscheint es, als ob diese Wunde der Liebe aus dem innern Grunde der Seele die große Bewegungen hervorlockte, die heraufzubringen, wenn der Herr sie nicht gibt, sie durchaus nicht vermag, deren sie sich nicht erwehren kann, wenn es sein Wille ist, sie ihr zu geben. Diese Bewegungen sind so lebendige und zarte Wünsche nach Gott, dass man sie nicht aussprechen kann; da aber die Seele sich gefesselt sieht, dass sie Gott nicht, wie sie möchte, genießen kann, fasst sie einen großen Abscheu gegen den Leib. Er erscheint der Seele wie eine hohe Mauer, die sie verhindert, das zu genießen, was sie vor dieser Zeit, wie ihr scheint, ohne das Hemmnis des Leibes in sich genießen würde.

Die Tröstung in der schmerzlichen Kraft der Liebe
Brief an Petrus von Alcantara
Die Weise, die ich jetzt im Gebete innehalte, ist diese: Selten vermag ich, wenn ich im Gebete bin, mit dem Verstande nachzudenken, denn alsbald beginnt die Seele sich einzusammeln und in die Ruhsamkeit oder Verzückung zu gelangen, so dass sie die Sinne durchaus nicht gebrauchen kann, das Gehör etwa ausgenommen, und auch dieses taugt dann nicht, etwas anderes zu vernehmen.

Es geschieht mir oftmals, dass ich, ohne irgendwie an Gott denken zu wollen, vielmehr ganz anderen Dingen nachsinnend, und in der Meinung, ich könnte es bei noch so starkem Bemühen nicht zum Gebete bringen, weil ich in großer Dürre bin, wozu die körperlichen Schmerzen beitragen, so jählings von der Einsammlung und der geistigen Erhebung ergriffen werde, dass ich mich nicht bewahren kann. Aber ein Augenblick reicht nicht hin, um die Wirkungen und den Gewinn zu hinterlassen, die daraus folgen. Das vollzieht sich, ohne dasas ich eine Vision hätte oder etwas vornähme, oder wüsste, wo ich bin, nur scheint mir meine Seele sich zu verlieren. Zugleich aber schaue ich sie in so großem Gewinne, dass, wenn ich auch ein ganzes Jahr darauf wenden wollte, ihn zu erlangen, es mir unmöglich gelingen würde.

Andere Male überfällt mich ein so mächtiger Ansturm mit einem solchen Zergehen vor Gott, dass ich mich nicht wahren kann. Es dünkt mich, mein Leben wolle zerrinnen, und so treibt es mich, laut aufzuschreien und Gott anzurufen. Dies überfällt mich mit großer Gewalt. Zuweilen vermag ich nicht, sitzen zu bleiben, so große Ängste werden mir eingetan. Diese Pein kommt mir, ohne dass ich danach trachte, sie ist jedoch so beschaffen, dass die Seele nimmer, so lange sie lebt, aus ihr herauskommen möchte. Diese Ängste meinen den Willen, nicht mehr zu leben, und es erscheint uns, als könne man im Leben keine Hilfe empfangen, der Tod aber sei das Mittel, Gott zu sehen, ihn aber darf man sich nicht erwählen. Damit scheint es dann meiner Seele, als seien alle wohl getröstet, nur sie nicht, und als fänden alle Hilfe in ihrer Trübsal, nur sie nicht. Dies schafft eine solche Bedrängnis, dass, gewährte der Herr nicht Hilfe mit einer Verzückung, in der sich alles beruhigt und die Seele in großen Frieden und großes Genügen kommt, es unmöglich wäre, aus dieser Pein sich zu befreien.

Noch andere Male ergreift mich eine Begierde, Gott zu dienen, unter einem so heftigen Ansturm, dass ich ihn nicht groß genug darstellen kann; ihn begleitet ein Schmerz über die Wahrnehmung, wie wenig nutz ich bin. Alsdann dünkt es mich, mir könne nichts, keine Beschwerde, kein Tod, keine Marter geschehen, die ich nicht mit Leichtigkeit ertragen müsste. Dies geschieht ebenfalls ohne Nachdenken in einem Augenblicke, darin ich mich gänzlich verwandle, ohne da
ss ich wüsste, woher solche Kraft mir kommt. Ich vermeinte, ich müsste laut rufen und allen zu erkennen geben, wie notwendig es für sie ist, sich nicht mit Wenigem zu begnügen, und wie groß das Gut ist, das Gott uns geben wird, wenn wir uns dafür bereiten. Ich sage, dass jenes Verlangen so heftig ist, dass ich mich in mir selber zerstöre. Es scheint mir dann, ich begehrte das, was mir nicht möglich ist. Es scheint mir, ich sei an diesen Leib gebunden worden, um außerstand zu kommen, Gott und meinem Orden auch nur in etwas zu dienen. Denn stünde ich nicht darin, ich würde ungemeine Dinge vollbringen, soweit meine Kräfte es ermöglichen. Weil ich nun sehe, wie ganz ohne alle Macht ich bin, Gott zu dienen, empfinde ich diesen Schmerz dermaßen, dass ich ihn nicht darstellen kann. Zuletzt aber erlange ich die Gabe: die Tröstung Gottes. S.216ff.
Aus: Sloterdijk (Hrsg.): Mystische Zeugnisse aller Zeiten und Völker gesammelt von Martin Buber, Diederichs DG 100