Angelo Secchi (1818 – 1878)

  Italienischer Physiker, Astronom und Jesuitenpater, der wesentliche Beiträge zur Sonnenforschung und Astrophysik lieferte und als einer der ersten die Photographie in der Astronomie benutzte, wobei er 1851 die verschiedenen Phasen der Sonnenfinsternis photographierte. Er ist der Hauptbegründer der spektralanalytischen Untersuchung der Sonne und der Fixsterne; in den Jahren 1864 – 1868 untersuchte er mehr als 4000 Sternspektren und 1867 schuf er die erste Spektralklassifikation der Sterne. Er verfasste so bedeutende Werke wie »Die Sonne«, »Die Einheit der Naturkräfte« und »Die Fixsternwelt«.

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Eigenschaften der Kraft, die uns ins Leben rief
Wenn wir in uns eine Kraft besitzen, die sich von der Materie unterscheidet, wenn der Mensch selbst in seinem edlern Teile durch dieses Prinzip gebildet ist und wenn er nicht selbst sein Urheber ist, so muss notwendig die Ursache, die ihn ins Leben rief, mindestens gleiche Wesenheiten und gleiche Fähigkeiten haben, sie muss also persönlich, vernünftig und verständig sein . . . allein, da wir in der Reihe der Ursachen nicht bis ins Unendliche zurückgehen können, so muss schließlich eine existieren, welche alle Eigenschaften, welche wir durch einfache Übertragung empfangen haben, in vorwiegendem Grade besitzt. Und diese Ursache, dieses Wesen nennen wir Gott, ein Wesen, welches von uns und der ganzen Welt durchaus verschieden und unbegreiflich ist, so dass wir nur sagen können: in Ihm leben, weben und sind wir (Apostelgeschichte 17, 28).

Die Größe der Schöpfung
Ich weiß wohl, dass jene Leute, um sich das Ansehen großer Denker zu geben, uns des Schwachsinns anklagen und uns Anthropomorphisten schelten, als ob wir so einfältig wären , den Schöpfer für jenen alten Mann mit weißem Bart und flatterndem Gewande zu halten, wie ihn Raphael in seinen Loggien abgebildet hat. Dies sind Witze oder richtiger Verleumdungen von Leuten, die ihre eigene Unwissenheit unter gelehrt klingenden Phrasen verbergen wollen. Der Geist ist es, der in Wahrheit schafft und denkt, und wenn der Mensch diese Eigenschaft irgendwie durch Mitteilung besitzt, so setzen wir Gott nicht gleich mit uns selbst, wenn wir Ihm diese Eigenschaft im höchsten Maße zuschreiben; wir beschränken Ihn auch nicht auf ein Sonderdasein, wenn wir uns vorstellen, dass er alles sieht, alles kennt, als reiner Geist alles erhält, dass wir in Ihm leben, uns bewegen und existieren, und dass wir seine Geschöpfe sind. Wenn die Armut unseres Geistes oder vielmehr unserer Sprache und zwingt, über Ihn minder genaue Ausdrücke zu gebrauchen, so ist uns dieser Mangel doch recht gut bekannt. Nicht wir machen Ihn zum Menschen, jener von der Kunst gewählte Typus ist der einzige, der uns als Symbol dienen kann, und beansprucht keineswegs, die Wahrheit auszudrücken.

Man macht ferner den Christen zum Vorwurf, dass sie einen persönlichen Gott anerkennen; allein hier tritt die eigene Unwissenheit jener Leute so recht zu Tage. Sie fassen nämlich dieses Wort in demselben Sinne auf, in welchem man es von Menschen aussagt, ohne zu bedenken, dass es in dem erhabenen Mysterium des Christentums etwas ganz anderes bedeutet . . . . Es wäre wünschenswert, dass, wenn sie entscheiden und lästern wollen, sie sich wenigstens Mühe gäben, die Worte zu verstehen, welche sie in ihrem Munde zu misshandeln wagen. Man verlacht in der Genesis die Figur eines Gottes, der arbeitet, ausruht und im Garten spazieren geht. Die Toren begreifen nicht, dass jene Redewendungen nur die ehrwürdige Spur einer bildlichen Ausdrucksweise sind, welche einem hohen Volke die erhabensten Wahrheiten und den Ursprung der Dinge zum Verständnis bringen sollte, weil eine tiefere Sprache unverstanden geblieben wäre. Sie vergessen, dass, als es sich darum handelte, die Idee der Gottheit einer mit allen Feinheiten der ägyptischen Kultur vertrauten Person zu erklären, die erhabenste Redeweise zur Anwendung kam, die je den Ausdruck des Gedankens formuliert hat: »Ich bin der Seiende, der da Ist, sendet mich zu euch« (2. Buch Moses 3, 14).

Sie werden freilich einwenden, dass ich ganz von meinem Thema abschweife; wohl wahr, es ist nicht meines Amtes mich hierüber zu verbreiten; aber auch für jene ist es nicht am Platze, auf Schritt und Tritt opportune importune, unsre heiligsten Glaubenssätze mit Spott und Hohn zu überschütten, und geblendet von der Anatomie einer Monere oder eines Bathybius, uns als beschränkte Köpfe zum besten haben. Mögen sie sich damit unterhalten, ihre Polypen und Vibrionen zu präparieren und nicht das zu schmähen unternehmen, was sie nicht verstehen, indem sie ihre verwegene Sprache in den Himmel verlegen.

Wir würden sie in Ruhe lassen, wenn sie diese Ungereimtheiten in ihrem Gehirn behielten, wo sie
frei denken können, so viel sie wollen, aber dort behalten sie sie nicht, sondern erfüllen damit die Unterrichtsbücher des Volkes und der Jugend, sie geben sie als Resultat des großartigen Fortschrittes der Wissenschaft aus, und unsre Italiener vergessen die großen Traditionen eines Vallisneri, eines Redi, eines Spallanzani u . s. v. a. Demütig ziehen sie vor ihren Ungereimtheiten (spropositi) den Hut ab und schätzen sich glücklich, mehr ungereimtes Zeug schwätzen zu können als jene. O dieser Schmach unsres Jahrhunderts.
S. 14-17
Aus: Die grössten Geister über die höchsten Fragen. Aussprüche und Charakterzüge erster (nicht-theologischer) Autoritäten des 19. Jahrhunderts. Zusammengestellt von Dr. H. Engel.
Verlag von Carl Hirsch. Konstanz
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