Ottokar
Prohaska (1858 - 1927)
Erzbischof von Székesfehérvár
(Stuhlweissenburg) in Ungarn, der als »Kommunist« beschimpft wurde, weil er im Jahre 1912 während
einer Rede vor der Sozialen Missionsgesellschaft in Budapest kritisiert hatte,
dass die Armenpflege in den Kreisen des Hochadels zu einer Modeerscheinung geworden
sei: Soziale Arbeit, die mit »möglichst großen
Straußenfedern am Hut« bewerkstelligt würde, sei aber
eher schädlich als nützlich.
Weltgeschichte und
Gericht
Wenn der Geist kommt, wird er der Welt die Augen öffnen über Sünde,
Gerechtigkeit und Gericht. Joh 16,8
Die Leiden, die über Gute und Böse gekommen sind, brachten Verwirrung
in das sittliche Empfinden gar vieler. Ihr Glaube an das Gute, an die Gerechtigkeit
wurde schwankend, als sie die Ungerechtigkeit und Bosheit frech ihr Haupt erheben
und so viel Bosheit vom Glück begünstigt sahen. Wie bauen wir ihnen
das zerstörte Heiligtum des Vertrauens zur sittlichen Ordnung wieder auf?
Vor allem wohl, indem wir ihnen zu Gemüte führen, dass auf Erden ständig
ein großer Kampf zwischen Gut, und Bös, zwischen Gottes Gnade und
menschlicher Sündigkeit vor sich geht. Jeder von uns steht mitten in diesem
Kampf. »Es hat immer Gute und Böse, Gläubige
und Gottlose gegeben«, sagt Thomas von Kempen. Ist auch das Böse
auf Erden eine große Macht, so beweist das nicht, dass wir nicht mit allen
Kräften trachten sollen, gut und gerecht zu sein und zu »hungern
und dürsten nach der Gerechtigkeit« (Mt
5, 6). Wer wahrhaft und edel denkt, wird es doch stets als eine Sendung
von oben betrachten, für das Gute, für die Gerechtigkeit und Tugend
Zeugnis abzulegen. Christus selbst ist gekommen, Zeugnis für die Gerechtigkeit
abzulegen, und »der Geist wird von mir Zeugnis geben«,
sagt er (Joh 15,26).
An dieser Sendung müssen wir festhalten, ohne Wunder und Ausnahmen für
uns zu erwarten. Sollte das Böse für eine Zeit den Sieg erringen,
wir aber im Kampfe unterliegen müssen, so gilt es mit dem Bewußtsein
zu sterben, dass Gott, der Herr, seine Sache zum endgültigen Siege führen
wird. Die babylonischen Jünglinge erwarteten kein Wunder in ihrem Kampf
(Dan 3,17 f.), sie sagten nicht: Gott muss uns
befreien! Sie sagten: »Gott möge tun, was Er
für gut findet, wir aber wollen tun, was Er von uns erwartet«.
Solche Zeugen für das Reich Gottes sucht Christus.
(Dezember 2)
Aus: Jahrbuch des Christen. Mit Texten aus der Weltliteratur. Ausgewählt
von Otto Karrer. Verlag Ars Sacra, Joseph Müller, München