Edgar Allan Poe (1809 – 1849)

   Amerikanischer Schriftsteller, Journalist und Zeitungsredakteur, der als der bedeutendste Vertreter der amerikanischen Romantik angesehen wird. In Europa ist er vor allem durch Charles Baudelaire bekannt geworden. Poe zeichnet sich durch analytischen Scharfsinn aus, mit dem er in durchaus philosophischer Manier spekulativ in kreativer Weise hinter die Dinge zu blicken versucht. In seinen Kurzgeschichten und Novellen tritt sein ausgeprägter Hang zum Makabren, Unheimlichen, Grauenvollen, Übersinnlichen offen zu Tage. In dem Essay »Eureka« (1848; deutsch »Heureka«) versucht er eine bemerkenswert kreative Kosmogonietheorie aufzustellen.

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Inhaltsverzeichnis

Mesmeristische Enthüllungen
Die Macht des Wortes
  Der schaffende Gedanke Gottes
Heureka
 

Mesmeristische Enthüllungen
Wenn man sich über eine eigentliche Theorie des Magnetismus auch noch unklar ist, so glaubt man jetzt doch im Allgemeinen schon an seine erstaunlichen Wirkungen. Alle, die noch zweifeln, sind Zweifler von Profession — eine unnütze, ohnmächtige und wenig ehrenwerte Gesellschaft.

Es wäre heute nur noch Zeitverschwendung, wenn man beweisen wollte, dass der Mensch durch eine bloße Willensanstrengung seinen Mitmenschen so beeinflussen kann, dass er in eine anormale Verfassung gerät, deren Erscheinungen denen des Todes sehr ähnlich sind oder ihnen wenigstens näher kommen, als die Erscheinungen irgendeines anderen, normalen und uns bewussten Zustandes; das ferner während der ganzen Dauer dieses Zustandes die so beeinflusste Person nur mit Anstrengung und folglich sehr schwach die äußeren Organe der Sinne gebrauchen kann und dennoch mit sonderbar geschärftem Empfindungsvermögen auf bis jetzt unbekannten und vielleicht nicht zu erkennenden Wegen Dinge wahrnimmt, die außerhalb des Erfassungsvermögens unserer Physis liegen: dass überdies seine intellektuellen Fähigkeiten sich in wunderbarer Weise stärken, sich steigern, und dass die geheime Beziehung zu demjenigen unter dessen Einfluss die betreffende Person steht, eine sehr tiefe und innige ist; und endlich, dass die Empfänglichkeit für die Beeinflussungen mit jedem Versuche wächst und zu gleicher Zeit die bewirkten Erscheinungen in gleichem Maße ausgedehnter und
ausgesprochener auftreten.

Ich sage also, dass es überflüssig ist, diese verschiedenen Tatsachen, in deren allgemeinem Wesen das Gesetz des Mesmerismus beschlossen liegt, beweisen zu wollen — und will meine Leser mit einer so zwecklosen Beweisführung denn auch nicht belästigen. Meine Absicht ist eine ganz andere: Ich möchte — einer ganzen Welt von Vorurteilen zum Trotz — ohne Erläuterungen, doch mit allen Einzelheiten, ein sehr merkwürdiges Zwiegespräch zwischen einem Schlafwachen und mir selbst hier wiedererzählen.

Ich hatte seit langer Zeit die Gewohnheit, die betreffende Person, einen
Herrn Vankirk, in magnetischen Schlaf zu versetzen und ihn schon dahin gebracht, dass er eine besonders starke Empfänglichkeit für magnetische Einflüsse zeigte. Bereits seit mehreren Monaten litt Herr Vankirk an vorgeschrittener Schwindsucht. Durch meine Striche hatte ich ihm bedeutende Erleichterung verschafft, so dass ich nicht besonders überrascht war, als er mich Mittwoch, den 15., nachts an sein Lager rufen ließ.

Der Kranke litt an heftigen Schmerzen in der Herzgegend, zeigte alle Symptome des Asthmas und atmete infolgedessen sehr schwer. Bei ähnlichen Krämpfen hatte er meist durch Auflegen von Senfpflaster auf die Nervenzentren Erleichterung gefunden. In dieser Nacht jedoch war dieses Hilfsmittel erfolglos geblieben.

Als ich in das Zimmer trat, begrüßte er mich mit einem liebenswürdigen Lächeln und schien sich, obwohl er starke körperliche Schmerzen litt, seelisch sehr wohl zu befinden.


»Ich habe zu Ihnen geschickt,« sagte er, »weniger um mir eine körperliche Erleichterung verschaffen, als um mich über gewisse psychische Eindrücke, die mir neuerdings viel Angst und Überraschung verursacht haben, aufzuklären. Ich brauche Ihnen wohl nicht zu sagen, wie skeptisch ich mich bis jetzt zu dem Glauben an eine Unsterblichkeit der Seele gestellt habe. Ich kann nicht leugnen, dass in dieser Seele, die ich stets verneinte, immer ein gewisses halbes Bewusstsein ihres eigenen Daseins existiert hat. Doch steigerte sich dieses halbe Bewusstsein niemals bis zur Überzeugung. Mit meinem Verstande hatte es nichts zu tun. Alle meine Anstrengungen, eine diesbezügliche logische Forschung anzustellen, machten mich nur noch skeptischer. Man riet mir, Cousin zu studieren. Ich studierte ihn also, – in seinen eigenen Werken wie in denen seiner europäischen und amerikanischen Schüler. So geriet auch der »Charles Elwood« des Herrn Brownson in meine Hände. Ich las das Buch mit größter Aufmerksamkeit und fand, dass es durchaus logisch geschrieben sei, doch waren unglücklicherweise die nicht ausschließlich logischen Teile die hauptsächlichsten Argumente des ungläubigen Helden des Buches. Schließlich kam es mir vor, als ob der Beweisführende sich nicht einmal selbst überzeugt habe, als ob das Ende des Buches gewissermaßen seinen Anfang vergessen — wie Trinculo seine Regierung. Kurz, die Ansicht festigte sich alsbald in mir, dass der Mensch, wenn man ihn auf intellektuellem Wege von seiner Unsterblichkeit überzeugen will, wohl niemals durch die bloßen Abstraktionen, die so lange bei den englischen, französischen und deutschen Moralisten üblich gewesen sind, zur Gewissheit gelangen wird. Abstraktionen vergnügen und üben den Geist, nehmen ihn jedoch nicht in Besitz. So lange wir auf dieser Erde wandeln, wird uns die Philosophie, davon bin ich überzeugt, immer vergeblich zu überreden suchen, Eigenschaften für Dinge zu halten. Der Wille mag schließlich zustimmen – die Seele, der Verstand nie.

Ich wiederhole also, dass ich nur halb und unsicher gefühlt, aber niemals geglaubt habe.

Nun hat sich dieses halbe Gefühl in der jüngsten Zeit so vertieft, dass es in Augenblicken fast der Einwilligung der Vernunft gleichkam, ich wenigstens eins vom anderen nur schwer zu unterscheiden vermochte. Die Ursache glaube ich mit Gewissheit dem Einfluss des Magnetismus zuschreiben zu können. Ich kann Ihnen das, was ich meine, nicht besser erklären, als durch die Hypothese, dass die Reizung durch den Magnetismus mich befähigt, eine Reihe von Vernunftschlüssen zu machen, die mich in meinem anormalen Zustand überzeugen, die jedoch mit dem magnetischen Phänomen verschwinden und nur durch ihre Wirkungen bis in mein gewöhnliches Dasein gelangen. Im schlafwachen Zustande besteht eine Gleichzeitigkeit zwischen der Beweisführung und dem Schlusse, zwischen der Ursache und der Wirkung. Kehrte ich in meinen natürlichen Zustand zurück, so verschwand die Ursache und nur die Wirkung blieb, vielleicht noch sehr abgeschwächt, zurück.

Diese Betrachtungen brachten mich auf den Gedanken, dass man aus einer Reihe wohl gewählter und mir im Zustande des Schlafwachens gestellter Fragen gute Erfolge erzielen könne. Sie haben ohne Zweifel oft beobachtet, dass alle Schlafwachen eine tiefe Kenntnis ihrer selbst haben und über ein ausgedehntes Wissen in allem, was den Magnetismus angeht, verfügen. Aus dieser Selbstkenntnis könnte man genügende Andeutungen zur Zusammenstellung eines ganzen Katechismus schöpfen.«


Natürlich willigte ich ein, das Experiment zu machen. Einige Striche versetzten Herrn Vankirk in magnetischen Schlaf. Er atmete sofort leichter und schien keine Schmerzen mehr zu leiden. Dann entspann sich — V. bedeutet Vankirk und P. bin ich — folgende Unterhaltung:

Poe.
Schlafen Sie?

Vankirk . Ja — nein, ich möchte tiefer schlafen.


P. (nach einigen neuen Strichen) Schlafen Sie jetzt gut?

V. Ja.

P.
Welchen Ausgang wird Ihre jetzige Krankheit haben?


V.
(nach langem Zögern und nur mit Anstrengung) Ich werde an derselben sterben.

P. Betrübt Sie der Gedanke an den Tod?

V.
(sehr lebhaft) Nein, nein!

P. Freuen Sie sich über diese Aussicht?


V.
Wäre ich wach, so würde ich mich auf den Tod freuen, jetzt ist‘s mir gleichgültig. Der magnetische Schlaf kommt dem Tode so nahe, dass ich befriedigt bin.


P. Ich möchte, dass Sie sich genauer erklärten, Herr Vankirk.


V. Gern, doch strengen Sie mich zu sehr an. Sie fragen mich nicht richtig!


P. Wie soll ich denn fragen?

V. Sie müssen am Anfang anfangen.

P. Am Anfang! Doch wo ist der Anfang?

V.
Sie wissen, der Anfang ist GOTT. (Dies sagte er in leisem, schauerndem Tone mit allen Zeichen der tiefsten Ehrfurcht.)

P. Was ist das: »Gott«?


V. (zögert eine Zeitlang) Ich kann es nicht sagen.

P. Ist Gott ein Geist?

V. Als ich wach war, wusste ich, was das Wort »Geist« bedeutete, doch jetzt ist es mir nur ein Wort wie zum Beispiel Wahrheit, Schönheit — eine Eigenschaft, meine ich.

P. Ist Gott nicht körperlos?

V. Es gibt keine Körperlosigkeit. Körperlosigkeit ist ein leeres Wort. Was nicht körperlich ist, das ist auch nicht wofern nicht Eigenschaften Dinge sind.

P. Gott ist also körperlich?

V. Nein. (Diese Antwort überraschte mich natürlich im höchsten Grade.)

P. Was ist er denn?

V. (nach einer langen Pause, murmelnd) Ich sehe es — doch ist es sehr schwer zu sagen. (Lange Pause.) Er ist nicht Geist, denn er existiert. Auch ist er nicht Stoff, wie Sie denselben auffassen. Es gibt Abstufungen in der Materie, von denen die Menschen nichts wissen, die gröbere nimmt die feinere in sich auf, die feinere durchdringt die gröbere. Die Atmosphäre zum Beispiel setzt das elektrische Prinzip in Bewegung. während das elektrische Prinzip die Atmosphäre durchdringt. Diese Abstufung der Materie nimmt in Verdünnungen und Verfeinerungen so lange zu, bis wir zu einer unzusammengesetzten — nicht aus Molekülen bestehenden unteilbaren — einzigen Materie gelangen — und hier erfährt das Gesetz der Durchdringung und der Aufnahme eine Veränderung. Diese äußerste — nicht aus Molekülen bestehende — Materie durchdringt nicht nur alle Dinge, sondern setzt sie auch in Bewegung und ist also alle Dinge in einem Ding, das sie selbst ist. Diese Materie ist Gott. Was die Menschen in dem Wort »Gedanken« auszudrücken suchen, ist diese Materie in der Bewegung.

P. Die Metaphysiker behaupten, dass sich jede Handlung auf Bewegung und Denken zurückführen lässt, und dass das letztere der Ursprung des ersteren ist.


V. Ich sehe jetzt ein, dass diese Annahme eine Begriffsverwirrung ist. Bewegung ist die Handlung des Geistes, nicht des Gedankens. Die unpartikulierte Materie oder Gott im Zustande der Ruhe ist das (soweit können wir‘s einigermaßen verstehen), was die Menschen »Geist« nennen. Und diese Fähigkeit des Selbstbewegens, die in der Wirkung dem Willen des Menschen gleichkommt, ist in der unteilbaren Materie das Resultat ihrer Einheit und Allmacht; wie, das weiß ich nicht und sehe jetzt ein, dass ich es niemals wissen werde. Diese unteilbare, durch ein Gesetz oder eine in ihr enthaltene Eigenschaft in Bewegung gesetzte Materie denkt.

P. Können Sie mir keine genauere Erklärung darüber geben, was Sie unter der »unpartikulierten Materie« verstehen?

V. In gleichem Maße, in dem die Materie sich abstuft, entgeht sie dem Erkenntnisvermögen des Menschen. Stellen wir uns ein Metall, ein Stück Holz, einen Wassertropfen, die Atmosphäre, ein Glas, den Wärmestoff, die Elektrizität, den Äther vor! Dies alles nennen wir Materie und schließen die ganze Materie in eine einzige, große Definition ein; trotzdem gibt es aber keine zwei Vorstellungen, die in ihrem Wesen verschiedener wären als die, die wir uns vom Metall und vom Äther machen. Wir fühlen uns unwiderstehlich versucht, den letzteren schon zu dem Geist oder zum Nichts zu rechnen. Nur die Gewissheit, dass er aus Atomen zusammengesetzt ist, hält uns davon ab. Und dabei müssen wir noch unseren primitiven Begriff von einem Atom zu Hilfe rufen und uns erinnern, dass es ein Etwas ist, das bei unbegrenzter Kleinheit Dichtigkeit, Greifbarkeit und Schwere besitzt. Sehen wir einmal von der Idee der Zusammensetzung aus Atomen ab, so wird es uns unmöglich, den Äther als eine Wesenheit oder wenigstens als eine Materie zu betrachten. Mangels eines besseren Wortes könnten wir ihn Geist nennen. Steigen wir nun noch eine Stufe über den lichttragenden Äther hinauf, stellen wir uns eine Materie vor, deren Dünnheit in demselben Verhältnis zum Äther wie der Äther zum Metall steht — und wir gelangen endlich trotz aller Schuldogmen zu einer Einheit — einer unzusammengesetzten Materie: denn wenn wir auch eine unbegrenzte Kleinheit der Atome selbst annehmen können, so wäre der Gedanke an eine unbegrenzte Kleinheit der sie trennenden Zwischenräume eine Absurdität. Wir würden an einem Punkte zu einem Grade von Dünnheit gelangen, bei dem, wenn die Atome in genügender Anzahl vorhanden sind, die Zwischenräume verschwinden würden und die Masse eine absolute Einheit werden müsste. Doch wenn wir einmal von der atomischen Zusammensetzung absehen, so entschwindet uns die Natur dieser Masse unaufhaltsam in das Gebiet dessen, was wir Geist nennen. Und dennoch ist es klar, dass sie ebenso gewiss wie früher Materie geblieben ist. Denn wir können uns unmöglich Geist vorstellen, da wir uns das, was nicht ist, nicht denken können. Wenn wir uns schmeicheln, zu seiner Erkenntnis gekommen zu sein, so täuschen wir nur unseren Verstand, der bloß eine unendlich verdünnte Materie erfasst hat.

P. Es scheint mir, dass man gegen diese Idee einer absoluten Kohäsion einen unwiderleglichen Einwurf machen kann; ich denke an den sehr schwachen Widerstand, den die Himmelskörper bei ihrem Umlauf durch den Raum zu erleiden haben — einen Widerstand, der, wie heute erwiesen ist, in gewissem, jedoch so geringem Maße besteht, dass er selbst dem Scharfsinne Newtons entgangen ist. Wir wissen, dass die Heftigkeit des Widerstandes der Körper im Verhältnis zu ihrer Dichtigkeit steht. Die absolute Kohäsion ist die absolute Dichtigkeit; wo keine Zwischenräume sind, kann kein Durchgang sein. Ein absolut dichter Äther würde dem Laufe eines Planeten ein unendlich wirksameres Hindernis entgegensetzen als ein Äther von Diamant oder Eisen.

V. Ihr Einwurf lässt sich gerade so leicht widerlegen, wie er unwiderleglich erscheint. — Was den Lauf eines Sternes angeht — nun, so macht es gar keinen Unterschied, ob der Stern durch den Äther geht oder der Äther durch den Stern. Es gibt keinen unerklärlicheren Irrtum als die Ansicht der Astronomen, welche die bekannten Verspätungen der Kometen ihrem Laufe durch den Äther zuschreiben: denn wie verdünnt man sich den Äther auch denken mag, er würde dem Umlauf der Gestirne in einer viel kürzeren Zeit ein Ende machen, als die Astronomen, die mit Leichtigkeit über einen Punkt hinweggingen, den sie nicht verstanden, angenommen haben. Die wirkliche Verspätung kommt überdies fast derjenigen gleich, die von der Reibung des Äthers während seines unaufhörlichen Durchgangs durch das Gestirn zu erwarten ist. Die Kraft des Widerstandes ist also eine doppelte: eine momentane, in sich selbst ruhende und eine endlos wachsende.

P. Doch liegt in all diesem — in dieser Identifizierung der reinen Materie mit Gott nicht etwas Unehrerbietiges? (Ich musste diese Frage wiederholen, ehe der Schlafwache ihren Sinn verstehen konnte).

V. Können Sie mir etwa sagen, weshalb die Materie weniger ehrwürdig ist als der Geist? Sie vergessen, dass die Materie, von der ich spreche, in jeder Hinsicht und in Anbetracht ihrer hohen Eigenschaften die wahre »Intelligenz« und der »Geist« der Schulen und zu gleicher Zeit das, was sie »Materie« nennen, ist. Gott mit all den dem Geiste zugeschriebenen Kräften ist nichts als die Vollkommenheit der Materie!

P. Sie behaupten also, dass die in Bewegung gesetzte, unpartikulierte Materie der Gedanke ist?

V. Im Allgemeinen ist diese Bewegung der universelle Gedanke des universellen Geistes. Dieser Gedanke schafft. Alle erschaffenen Dinge sind nur die Gedanken Gottes. —

P. Sie sagen: im Allgemeinen.

V. Ja, der universelle Geist ist Gott, für neue Individualitäten ist Materie nötig.


P. Aber Sie sprechen jetzt von »Geist« und »Materie« ganz so, wie es die Metaphysiker tun.


V. Ja, der Klarheit halber. Wenn ich Geist sage, so verstehe ich darunter die unpartikulierte oder äußerste Materie, unter dem Namen »Materie« dagegen alles andere.

P. Sie sagten: Für neue Individualitäten ist Materie notwendig?!

V. Ja, denn der Geist, der unverkörpert existiert, ist Gott. Um individuelle, denkende Wesen zu schaffen, war es nötig, Teile des göttlichen Geistes zu verkörpern. So wurde der Mensch individualisiert. Der körperlichen Einkleidung entblößt, würde er Gott sein. Die hauptsächliche Bewegung der verkörperten Partien der unpartikulierten Materie ist der Gedanke des Menschen, wie die Bewegung des Ganzen der Gedanke Gottes ist.

P. Sie sagen, dass der der körperlichen Einkleidung entblößte Mensch Gott sein würde?


V. (nach einigem Zögern) Das kann ich nicht gesagt haben, denn es wäre eine Absurdität.

P.
(sieht in seinen Aufzeichnungen nach) Sie haben behauptet, dass der Mensch, seiner körperlichen Einkleidung entblößt, Gott sein würde!

V. Und das ist wahr. Der so befreite Mensch würde Gott sein, denn er ist individualitätslos geworden; doch kann er nicht so befreit werden — wird es niemals werden. Wir müssten uns denn eine Handlung Gottes vorstellen, die wieder auf ihn selbst zurückfiele eine zwecklose, unnütze Handlung. Der Mensch ist ein Geschöpf. Die Geschöpfe sind die Gedanken Gottes. Der Gedanke ist seinem Wesen nach unwiderruflich.

P. Ich verstehe Sie nicht. Wollen Sie sagen, dass der Mensch sich niemals seines Körpers entledigen kann?

V. Ich sage, dass er niemals körperlos sein wird.


P. Erklären Sie mir dies näher. —


V. Der Mensch hat zwei Körper, einen im Keime vorhandenen und einen vollständigen, welche den beiden Zuständen der Raupe und des Schmetterlings entsprechen. Was wir Tod nennen, ist nichts weiter als eine schmerzhafte Metamorphose [Verwandlung in eine andere Gestalt]. Unsere jetzige Inkarnation [Verkörperung] ist eine fortschreitende, vorbereitende, zeitliche: unsere künftige Inkarnation ist eine vollkommene, endgültige und ewige. Dieses endgültige Leben ist der Sinn unseres jetzigen.

P. Aber wir haben eine greifbare Kenntnis von der Metamorphose der Raupe.

V. Wir gewiss, doch nicht die Raupe. Die Materie, aus der unser unvollendeter Körper besteht, ist den Organen dieses Körpers erfassbar: oder deutlicher: unsere unvollkommenen Organe sind der Materie, aus welcher unser unvollkommener Körper besteht, angepasst, doch nicht der Materie des vollkommenen Körpers. Dieser ist für unsere unentwickelten Sinne nicht wahrnehmbar. Wir sehen nur die Schale, die im Verwelken von der inneren Form fällt, und nicht die Form selbst, die jedoch, gleich wie die Schale, von denen wahrgenommen werden kann, die das endgültige Leben schon erreicht haben.

P. Sie haben oft gesagt, dass der magnetische Schlaf dem Tode sehr nahe komme! Wie geht dies zu?


V. Wenn ich sage, er kommt dem Tode nahe, so meine ich, dass er dem endgültigen Leben gleicht, denn im magnetischen Zustande feiern die Sinne meines unvollkommenen Lebens, und ich bemerke die äußeren Dinge direkt ohne Organe durch ein Mittel, dessen ich mich im endgültigen unorganischen Leben stets bedienen werde.

P. Im unorganischen Leben?

V. Ja, die Organe sind Werkzeuge, durch welche das Individuum mit gewissen Kategorien und Formen der Materie mit Ausschluss anderer Kategorien und Formen in Beziehung tritt. Die Organe des Menschen sind seinem unvollkommenen Zustande, und zwar dem ausschließlich, angepasst; sein endgültiger Zustand, der unorganisch ist, lässt ihn alles, unbegrenzt alles verstehen ausgenommen die Natur des Gotteswillens, d. h. die Bewegung der unpartikulierten Materie. Sie können sich eine ziemlich deutliche Vorstellung von dem endgültigen Körper machen, wenn Sie sich ihn als ein Gehirn vorstellen. Er ist es nicht, doch macht Ihnen diese Vorstellung leichter verständlich, was er ist. Ein leuchtender Körper teilt dem lichttragenden Äther Schwingungen mit. Diese Schwingungen erzeugen ähnliche auf der Netzhaut, diese teilt ähnliche dem Sehnerv mit, der Nerv überbringt sie dem Gehirn und das Gehirn der unpartikulierten Masse, die dasselbe durchdringt. Die Bewegung dieser letzteren ist der Gedanke und dessen erste Vibration die Wahrnehmung. Damit haben wir die Art und Weise, in der der Geist unseres unentwickelten Lebens mit der äußeren Welt verkehrt, und diese äußere Welt wird in unserem unentwickelten Leben durch die Idiosynkrasie unserer Organe begrenzt. Im endgültigen unorganischen Leben verkehrt die äußere Welt mit dem ganzen Körper, der aus einer Substanz besteht, die, wie ich schon sagte, dem Gehirn verwandt ist. und zwar ohne andere Vermittelung als die eines unendlich feineren Äthers als selbst des lichttragenden: und mittels dieses Äthers und in Übereinstimmung mit ihm schwingt der ganze Körper und setzt die unpartikulierte Materie, die ihn durchdringt, in Bewegung. Das fast unbegrenzte Wahrnehmungsvermögen im äußeren Leben müssten wir also dem Mangel an idiosynkratischen Organen zuschreiben. Die Organe sind gewissermaßen Käfige, in welche die unvollkommenen Menschen eingeschlossen sind, bis sie flügge werden.

P. Sie sprechen von unvollkommenen Wesen? Gibt es außer dem Menschen noch andere denkende unvollkommene Wesen?

V. Die unzähligen Anhäufungen feiner Materie in Nebelflecken, Planeten, Sonnen und anderen Körpern, welche weder Nebelflecke noch Sonnen noch Planeten sind, haben nur den einen Zweck, den idiosynkratischen Organen einer unendlichen Anzahl unvollkommener Wesen zur Nahrung zu dienen. Aber ohne die Notwendigkeit des unvollkommenen Lebens, das dem endgültigen Leben voraufgeht, würden keine solchen Welten existieren. Jede dieser Welten wird von einer unterschiedenen Art organischer, unvollkommener, denkender Wesen bewohnt. Bei allen entsprechen die Organe dem allgemeinen Charakter ihrer Wohnstätte. Nach dem Tode oder der Metamorphose gelangen auch diese Wesen zu dem endgültigen Leben, zur Unsterblichkeit, und erkennen alle Geheimnisse, nur nicht das Eine, vollbringen all ihre Handlungen und bewegen sich überallhin durch ihre bloße Willenstätigkeit; sie bewohnen nicht die Sterne, die wir für die einzig greifbaren Welten halten und für deren Lauf allein wir uns beschränkterweise den Raum geschaffen denken. sondern den Raum selbst: jene Unendlichkeit wirklicher Stofflichkeit, die die Sterne wie Schatten verschlingt und den Augen der Engel als Nicht-Wesenheiten erscheinen lässt.

P. Sie sagten, dass ohne die Notwendigkeit des unentwickelten Lebens Gestirne nicht erschaffen worden wären! Doch woher diese Notwendigkeit?

V. Im unorganischen Leben sowohl wie in der unorganischen Materie gibt es nichts, was die Handlungen des einen einfachen großen Gesetzes: des göttlichen Willens, aufhalten könnte. Das organische Leben und die organische Materie, diese zusammengesetzten, stofflichen, durch ein aus vielen Teilen bestehendes Gesetz beherrschten Dinge sind zu dem Zwecke ersonnen worden, ein Hindernis zu schaffen.

P. Aber weiter — woher die Notwendigkeit, ein Hindernis zu schaffen?

V. Das Resultat des unverletzten Gesetzes ist Vollkommenheit – Recht negatives Glück. Das Resultat eines verletzten Gesetzes ist Unvollkommenheit, Unrecht, positiver Schmerz. Kraft der Hindernisse, welche die Zahl, Zusammensetzung und Körperlichkeit der Gesetze des organischen Lebens und der Materie bilden, ist die Verletzung des Gesetzes in gewissem Maße möglich. So also ist der Schmerz, der im unorganischen Leben unmöglich ist, im organischen möglich.

P.
Zu welchem vernünftigen Zweck ist die Möglichkeit des Schmerzes erschaffen worden?

V. Alle Dinge sind nur durch Vergleich gut oder schlecht. Eine genügende Analyse wird zeigen, dass in allen Fällen der Genuss nur der Kontrast des Schmerzes ist. Positiver Genuss ist eine bloße Idee. Um bis zu einem gewissen Punkte glücklich sein zu können, müssen wir bis zu demselben Punkte gelitten haben. Niemals leiden, heißt, niemals glücklich sein. Doch habe ich gezeigt, dass es im unorganischen Leben keinen Schmerz gibt. So stellte sich also die Notwendigkeit des Schmerzes im organischen Leben heraus. Der Schmerz in unserem unentwickelten Dasein auf der Erde ist die einzige Grundlage und Bürgschaft für das Glück im ewigen Leben, im Himmel.

P. Sie gebrauchten noch einen Ausdruck. den ich nicht verstehen kann — .jene Unendlichkeit wirklicher Stofflichkeit‘?

V. Das mag daher kommen, dass Sie keine genügend »gegnerische« Auffassung von dem Ausdruck »Stofflichkeit« haben. Wir müssen sie nicht als eine Eigenschaft, sondern als eine Empfindung hinstellen; es ist die Wahrnehmung denkender Wesen der ihren Organen entsprechenden Materie. Es gibt auf Erden viele Dinge, die den Bewohnern der Venus ins Nichts entschwinden würden, und viele sichtbare und greifbare Dinge auf der Venus, deren Dasein wir nicht wahrnehmen können. Für die unorganischen Wesen ist die ganze unpartikulierte Materie Stoff, d. h.: die Ganzheit dessen, was wir Raum nennen, ist für sie die wirklichste Stofflichkeit; — die Gestirne jedoch entgehen, insoweit wir sie für die Materie halten, dem Wahrnehmungsvermögen der Engel im gleichen Maße, wie die uns unstofflich erscheinende unpartikulierte Materie den Organen.

Da der Schlafwache diese letzten Worte mit sehr schwacher Stimme ausgesprochen, blickte ich ihn genauer an und bemerkte in seinen Zügen einen Ausdruck, der mich ein wenig beunruhigte und mich veranlasste, ihn sofort zu wecken. Kaum hatte ich es getan, so sank er auf seine Kissen zurück und hauchte mit einem strahlenden Lächeln, das alle seine Züge erhellte, seinen Geist aus. Ich fand eine Minute später, dass sein Körper starr wie ein Stein war und seine Stirn kalt wie Eis — so wie sie erst wird, wenn die Hand Azraels sie schon lange berührt hat.

Hatte mir der Schlafwache seine letzten Mitteilungen schon aus dem Schattenreiche gemacht?
S. 184-202
Aus: Heureka und Romantische Erzählungen von Edgar Allan Poe, Band II der Werke Edgar Allan Poes im Verlag J.C.C.Bruns Minden in Westfalen 1922

Die Macht des Wortes
OINOS. O Agathos, verzeihe meinem Geiste, der eben erst in die Unsterblichkeit einging, diese letzte Schwachheit . . .

AGATHOS.
Du hast nichts gesagt, mein Oinos, das der Verzeihung bedürfte. Selbst hier kommt die Erkenntnis nicht unwillkürlich, kommt nicht aus bloßer schauender Seele. Bitte du die Engel nur mutig um Weisheit, auf dass sie dir gegeben werde!

OINOS.
In meinen Träumen hatte ich gehofft, in diesem jenseitigen Leben das Wesen aller Dinge wie durch eine Offenbarung zu erkennen und so durch restlose Erkenntnis glücklich zu sein . . .

AGATHOS.
Ach, nicht in der Erkenntnis liegt das Glück, sondern im Erwerben der Erkenntnis! Etwas auf Immer zu wissen, ist ewige Seligkeit; der Gedanke, alles zu wissen, wäre unheilvoll wie der Fluch des bösen Feindes.

OINOS. Aber weiß nicht der Allerhöchste »Alles«?

AGATHOS.
Da er auch der Allerseligste ist, muss dies das einzige sein, was selbst IHM unbekannt ist.

OINOS.
Aber werden wir nicht, da unsere Erkenntnis von Augenblick zu Augenblick wächst. zuletzt einmal alles wissen?

AGATHOS.
Blicke in diese abgründlichen Weiten hinab! Versuche einmal, diese Flucht zahlloser Sternengärten zu überschauen, während wir jetzt langsam durch sie dahingleiten weiter — weiter — und immer weiter! Wird nicht der Blick unseres Geistes fortwährend und wie durch endlose goldene Mauern aufgehalten?! durch endlose Mauern von Myriaden leuchtender Körper, deren übergroße Zahl wieder in eine Einheit zusammen zu rinnen scheint?!

OINOS. Ja — nun erkenne ich klar, dass die Unendlichkeit der Materie kein Traum ist.

AGATHOS.
Hier im Eden gibt es keine Träume — doch hörte ich einmal leise sagen, der einzige Zweck dieser Unendlichkeit der Materie sei der, stets neue, nie versiegende Quellen zu eröffnen, in denen die Seele ihren Durst nach Erkenntnis stillen könne, diesen Durst, der ewig in ihr brennt und den zu löschen ihren Tod be¬deuten würde. Frage mich also, Oinos! — frage mich mutig und ohne Furcht! Komm mit, wir wollen die laute Harmonie der Plejaden zu unserer Linken lassen und auf jene stillen Sternenwiesen jenseits des Orion hinübergleiten, wo statt Veilchen Sternblumen stehen. wo die Beete dreifacher und dreifarbiger Sonnenblumen leuchten.

OINOS
. Und nun, mein Agathos, belehre mich, während wir dahineilen! Sprich zu mir in den vertrauten Klängen der Erde! Ich habe nicht verstanden, was du mir eben über den Ursprung und die Entwicklung dessen, was wir während unserer Sterblichkeit Schöpfung zu nennen gewöhnt waren, andeutetest. Wolltest du sagen, dass der Schöpfer nicht Gott ist?

AGATHOS. Ich sage, dass die Gottheit nicht schafft.

OINOS. Wie soll ich das verstehen?

AGATHOS. Nur im Anfange schuf ER. Die scheinbaren »Geschöpfe«, die wir jetzt im Weltall beständig »werden« sehen, können nur als mittelbare, allmähliche, nicht als unmittelbare, sofortige Ergebnisse der göttlichen Schaffenskraft betrachtet werden.

OINOS.
Die Menschen, mein Agathos, würden diesen Gedanken für äußerst ketzerisch gehalten haben.

AGATHOS. Die Engel, mein Oinos, wissen, dass er einfach wahr ist.

OINOS. Bis hierher habe ich dich jetzt verstanden! Du sagst, dass gewisse Handlungen dessen, was wir Natur oder Naturgesetzlichkeit nennen, unter gewissen Umständen etwas hervorbringen, das lediglich den Anschein der Erschaffung hat. Ich erinnere mich sehr gut, dass kurz vor dem Untergange der Erde verschiedene erfolgreiche Experimente gemacht wurden, von denen einige Philosophen, eitel genug, als von der »Erschaffung der animalculae« sprachen.

AGATHOS. Die Fälle, von denen du redest, waren in der Tat Beispiele jener Erschaffung zweiten Grades — jener überhaupt einzigen Art von Erschaffung, die da wirkt, seitdem einst das erste Wort das erste Gesetz ins Dasein rief.

OINOS. Sind nicht jene Sternenwelten, die stündlich aus dem Abgrunde des Nichtseins in die Himmel emporsprühen — sind nicht diese Sterne das unmittelbare Werk SEINER Hände?

AGATHOS. Ich will versuchen, mein Oinos, dich Schritt für Schritt in meine Erkenntnis einzuführen. Du weißt sehr wohl, dass kein Gedanke verloren gehen kann und jede Handlung eine unendliche Wirkung hat. Als wir noch die Erde bewohnten, bewegten wir zum Beispiel unsere Hände und brachten dadurch die Atmosphäre, die den Erdball umgürtete, in Schwingung. Die Schwingung griff unbegrenzt um sich, bis sie jedes kleinste Teilchen der Erdenluft bewegt hatte, das von jetzt ab für immer durch die eine Bewegung der Hand beeinflusst worden war. Diese Tatsache war den Mathematikern unserer Erde wohl bekannt. Die durch bestimmte Einflüsse auf die Atmosphäre hervorgerufenen Wirkungen waren oft Gegenstand exakter Berechnungen — man bestimmte mit Leichtigkeit, zu welcher Zeit ein Einfluss von gegebener Stärke sich über den Erdkreis ausgebreitet und auf jedes Atom der Atmosphäre auf immer eingewirkt haben würde. Und umgekehrt rechnete man ohne Schwierigkeit aus einer unter gewissen Umständen gegebenen Wirkung die Stärke des ersten Einflusses heraus. Die Mathematiker nun, die erkannten. dass die Wirkungen eines jeden Einflusses absolut unbegrenzte seien, die einsahen, dass ein Teil dieser Wirkungen mittels der algebraischen Analyse aufs genaueste zu berechnen sei, und die sich auch von der leichten Anwendbarkeit der retrogradiven Berechnung überzeugt hatten — diese Männer erfuhren zu gleicher Zeit, dass die Spezies der Analyse in sich selbst die Fähigkeit zu unbegrenzter Vervollkommnung trage — dass ihrer Ausdehnung und ihrer Anwendbarkeit keine anderen Grenzen gezogen seien als die, welche auch den Verstand des jeweiligen Rechners beschränkten. Bei diesem Punkte jedoch blieben unsere Mathematiker stehen.

OINOS.
Und weshalb, Agathos, hätten sie weitergehen sollen?

AGATHOS. Weil sie dann zu einigen höchst interessanten Betrachtungen gekommen wären. Aus dem, was sie wussten, ging nämlich hervor, dass ein Wesen von unbegrenztem Verstande, ein Wesen, das die algebraische Analyse vollkommen ausüben konnte, jeden Einfluss auf die Luft. und durch die Luft jeden Einfluss auf den Äther, bis in seine weitliegendsten Folgen zu dem unendlich entferntesten Zeitpunkte auszurechnen befähigt sein müsse. Es lässt sich in der Tat beweisen, dass jeder Einfluss auf die Luft zum Schlusse auf jede Erscheinung im Weltall seine Wirkung ausübt; und das Wesen von unbegrenztem Verstande, das wir uns eben vorgestellt haben, könnte die entfernten Schwingungen eines Einflusses weiter verfolgen weiter in allen seinen Wirkungen auf jedes Atom der Materie — aufwärts und weiter in allen Veränderungen, die sie bei alten Formen hervorrufen. oder, mit anderen Worten, bis dahin, wo sie eben Neues schaffen — und noch weiter, bis dahin, wo sie sich, endlich wirkungslos geworden, am Throne der Gottheit zerschlagen. Und nicht nur dieses könnte ein solches Wesen tun, es könnte auch zu jeder Zeit aus jedem gegebenen Resultate — zum Beispiel aus einem der zahllosen Kometen — durch die retrogradive Analyse herausrechnen, welchem ersten Anstoße es sein Dasein verdankt. Natürlich ist es das Vorrecht der Gottheit allein, die retrogradive Analyse in dieser absoluten Vollkommenheit anwenden und zu jeder Zeit jede Wirkung auf ihre Ursache zurückführen zu können: doch besitzt die ganze Schar der Engel-Intelligenzen diese Fähigkeit in allen Gradstufen bis kurz an die Vollkommenheit hinan.

OINOS. Du sprachest aber bloß von Einflüssen auf die Luft!

AGATHOS. Wenn ich von der Luft sprach, bezog ich mich bloß auf die Erde, aber meine Grundbehauptung trifft auch für alle Einflüsse auf den Rhythmus des Äthers zu, der, weil er, und zwar er allein, den ganzen Raum durchdringt, das große Medium aller Schöpfung ist.

OINOS. Also jede Bewegung schafft, welcher Natur sie auch immer sei?!


AGATHOS.
Es muss so sein: doch lehrt uns jede tiefer eindringende Philosophie seit langem, dass alle Bewegung ihren Ursprung im Gedanken hat, und die Quelle jedes Gedankens ist —

OINOS. GOTT!


AGATHOS. Ich sprach zu dir, Oinos, einem Kinde der schönen Erde, die vor kurzem unterging, sprach zu dir von den Einflüssen auf die Atmosphäre der Erde. Durchzuckte da nicht plötzlich ein Gedanke an die physische Macht des Wortes deinen Sinn? Hat nicht jedes gesprochene Wort Einfluss auf die Atmosphäre?

OINOS. Weshalb, Agathos, weinst du jetzt plötzlich — und weshalb, o weshalb, lässest du deine Schwingen sinken, während wir über diesen schönen Stern dahinschweben, — den grünsten und doch zerklüftetsten, den wir auf unserem Fluge gesehen? Seine strahlenden Blumen gemahnen mich an einen schönen Traum seine tobenden Vulkane an die Leidenschaften eines unseligen Menschenherzens!

AGATHOS. Sie sind es auch — Sie sind es auch! Vor drei Jahrhunderten rief ich diesen Stern mit gerungenen Händen und überströmenden Augen zu Füßen meiner Geliebten durch wenige leidenschaftliche Worte ins Dasein. Seine strahlenden Blumen entblühten dem schönsten aller, ach! unerfüllten Träume, und seine tobenden Vulkane sind in Wahrheit die Leidenschaften eines unseligen Menschenherzens. S. 203-209
Aus: Heureka und Romantische Erzählungen von Edgar Allan Poe, Band II der Werke Edgar Allan Poes im Verlag J.C.C.Bruns Minden in Westfalen 1922

Der schaffende Gedanke Gottes
Poe an Lowell (1844)
Ich glaube nicht an die Geistigkeit und halte sie nur für ein Wort. Niemand hat sich einen Begriff vom Geiste machen können. Was nicht ist, können wir uns nicht vorstellen. Wir täuschen uns selbst mit der Idee einer unendlich geläuterten Materie. Die Materie entzieht sich den Sinnen stufenweise: ein Stein, ein Metall, eine Flüssigkeit, die Atmosphäre, ein Gas, der Äther, der das Licht trägt. Darüber hinaus gibt es noch andere verdünnte Modifikationen. Aber mit allen verbinden wir den Begriff einer Zusammensetzung von Teilen, einer Bildung aus Atomen. Nur deshalb glauben wir, dass der Geist verschieden sei; denn der Geist, so sagen wir uns, besteht nicht aus Teilen und ist also keine Materie. Es ist jedoch klar, dass, wenn wir mit unsren Ideen weit genug gehen, wir an einen Punkt kommen werden, wo die Teile sich verschmelzen; denn obgleich die Atome unendlich klein sind, ist eine unendliche Kleinheit der Zwischenräume absurd.

Die nicht atomische Materie, die alles durchdringt und beseelt, ist Gott. Ihre Wirksamkeit ist der schaffende Gedanke Gottes. Der Mensch und die anderen denkenden Wesen sind Individualisationen der nicht atomischen Materie. Der Mensch existiert als »Person«, weil er in (atomische) Materie gehüllt ist, die ihn sondert. So umhüllt, lebt er ein niederes Leben. Was wir Tod nennen, ist nur die schmerzhafte Wandlung. Die Sterne sind die Wohnungen von Wesen unentwickelter Form. Im Tode wird aus dem Wurm der Schmetterling, der noch immer von Materie ist, aber von einer Materie, die unsere Organe nicht erkennen. Vielleicht, dass gelegentlich der Hellseher (sleep-waker) direkt, ohne Organe, auf mesmeristischem Wege sie zu erkennen vermag. So kann ein Hellseher Geistererscheinungen sehen. S.329f.
Aus: Geist und Geisteswelt, Fragmente aus der Literatur des Übersinnlichen von Thomas Wandler, Rudolf Kaemmerer Verlag, Berlin-Dresden 1923

Aus Heureka – Versuch über das materielle und geistige Weltall
Ich will von dem physischen, metaphysischen und mathematischen — vom materiellen und geistigen Weltall sprechen: von seinem Wesen und Ursprung, seiner Schöpfung, seinem gegenwärtigen Zustand und seiner Zukunft. Zudem bin ich verwegen genug, zu Folgerungen herauszufordern, durch deren Aussagen der Scharfsinn vieler großer und mit Recht verehrter Gelehrter in Frage gestellt wird.

Zu Beginn möchte ich so scharf wie möglich — nicht die Theorie verkünden, die ich zu beweisen hoffe — denn, die Mathematiker mögen behaupten, was sie wollen, es gibt, in dieser Welt wenigstens, durchaus nichts derart wie einen Beweis; nur den leitenden Gedanken möchte ich aussprechen, zu dem ich dieses ganze Buch hindurch den Leser verführen will.

Meine allgemeine Behauptung also ist: In der ursprünglichen Einheit des ersten Dinges liegt die Ursache aller Dinge, mit der Anlage zu ihrer unvermeidlichen Vernichtung.

Um sich diesen Gedanken anschaulich zu machen, schlage ich vor, das Weltall dergestalt mit den Blicken zu umfassen, dass der Geist imstande ist, den Eindruck eines Individuums zu erhalten, zu gewahren.

Wer vom Gipfel des Ätna seine Augen gemächlich umherschweifen lässt, wird hauptsächlich von der Ausdehnung und Verschiedenartigkeit des Bildes berührt. Nur, wenn er sich schnell auf dem Absatz herumdrehte, könnte er hoffen, das Panorama in der Herrlichkeit seines Einsseins zu erfassen. Aber da noch niemand daran gedacht hat, sich auf der Spitze des Ätna auf dem Absatz herumzudrehen, so hat noch niemand die volle Einzigkeit des Anblicks in sein Hirn aufgenommen; und so hinwiederum haben die mannigfachen Betrachtungen, die in dieser Einzigkeit gebettet liegen, bisher noch kein wirksames Dasein für die Menschheit gehabt.

Ich kenne überhaupt keine Untersuchung, in der ein Überblick über das Weltall — dieses Wort in seiner umfassendsten und einzig berechtigten Bedeutung genommen — gegeben würde; und es mag schon hier erwähnt werden, dass ich überall in diesem Versuch, wo ich das Wort »Weltall«
ohne besonderen Zusatz anwende, das Folgende damit ausdrücken will: die denkbar weiteste Ausdehnung des Raumes, einbegriffen alle geistigen und materiellen Dinge, deren Existenz man sich innerhalb des Bezirks dieser Ausdehnung vorstellen kann. Wenn ich dagegen von dem spreche, was gewöhnlich unter dem »Weltall« begriffen wird, so wähle ich die einschränkende Bezeichnung »das Sternenweltall«. Aus dem Folgenden wird man ersehen, weshalb diese Unterscheidung notwendig scheint.

Doch selbst unter den Untersuchungen, die sich mit dem tatsächlich begrenzten, wenn auch angeblich unbegrenzten Sternenweltall beschäftigen, kenne ich keine, in der ein Überblick auch nur über dieses begrenzte All so gegeben wäre, dass man daraus auf seine Individualität zu schließen berechtigt wäre. Am nächsten kommt einem solchen Werk der »Kosmos« Alexanders von Humboldt. Jedoch stellt er den Gegenstand nicht in seiner Individualität dar, sondern in seiner mannigfaltigen Gesamtheit. Sein Thema in seinem letzten Ergebnis ist das Gesetz eines jeden Teils des bloß körperlich-räumlichen Weltalls, so wie dieses Gesetz verknüpft ist mit den Gesetzen eines jeden anderen Teiles dieses bloß körperlich - räumlichen Alls. Ihm handelt es sich nur um die Verknüpfung und das Verschleifen des Mannigfaltigen. In einem Wort: er erörtert die Gesamtheit der materiellen Beziehungen und enthüllt dem Auge der Philosophie alle Folgerungen, die bisher hinter dieser Gesamtheit verborgen gelegen haben. So erstaunlich er jedoch in gedrängtem Überblick jeden Punkt seines Gegenstandes behandelt hat, die bloße Menge dieser Punkte bringt notwendigerweise ein Anwachsen des Details und so ein Verkümmern des Geistigen mit sich, so dass keinerlei Eindruck von Individualität aufkommen kann.

Mir scheint, wenn wir dieses Ziel, und damit die Folgerungen, Schlüsse, Eindrücke, Spekulationen oder, wenn sich nichts Besseres bietet, bloß die Vermutungen erlangen wollen, die sich aus ihm ergeben, dann tut uns so etwas not wie ein geistiges Auf-dem-Absatz-Herumdrehen. Wir brauchen eine so stürmische Bewegung aller Dinge um den Mittelpunkt des Schauens, dass das Unbedeutende völlig verschwindet und das Auffallende sich in eins vermengt. In einem Überblick dieser Art befänden sich unter den verschwindenden Einzelheiten alle ausschließlich irdischen Angelegenheiten. Die Erde würde nur in ihren Planetenbeziehungen beachtet. In dieser Schau wird der Mensch zur Menschheit, ein Glied in der kosmischen Familie geistbegabter Wesen.
S. 4-7 […]

Beginnen wir also ganz oben mit dem leersten aller Worte: »Unendlichkeit«. Dieses Wort, ebenso wie »Gott«, »Geist« und noch so einige Ausdrücke, die es entsprechend in allen Sprachen gibt, ist keineswegs die Bezeichnung für eine Vorstellung, sondern lediglich für ein Streben dahin. Es bezeichnet den Versuch, das Unaussprechliche auszusprechen. Man brauchte einen Ausdruck, der die Richtung dieses Bemühens festhalten sollte – die Wolke, hinter der ewig unsichtbar das Ziel dieses Strebens lag. Kurz, ein Wort war nötig, mit Hilfe dessen ein Mensch sich mit einem andern Menschen, und zwar mit einer bestimmten Tendenz des Menschengeistes, in Verbindung bringen konnte. Aus dieser Erfordernis entsprang das Wort »Unendlichkeit«, das demnach nur das Symbol für den Begriff eines Begriffs ist.

Hinsichtlich dieser Unendlichkeit, die uns hier beschäftigt — der Unendlichkeit des Raums — hören wir oft sagen, dieser Begriff sei zulässig — beruhe darauf — sei unumgänglich —, weil jede Vorstellung einer Begrenzung noch schwieriger zu fassen sei. Aber das ist nun eine der Phrasen, mit denen selbst tiefe Denker, wie zeitweilig vom Geist verlassen, gelegentlich sich selbst betrügen wollten. Der Trugschluss versteckt sich hinter dem Wort »Schwierigkeit«. Man sagt uns, der Geist hege die Vorstellung der Unbegrenztheit, weil es noch schwieriger sei, sich einen begrenzten Raum vorzustellen. Wäre nun diese Behauptung richtig formuliert, so wäre ihre vollkommene Torheit ohne weiteres sichtbar. Ganz gewiss nämlich gibt es in diesem Fall keine bloße Schwierigkeit. Die Aussage, die man machen müsste, wenn man ihr den eigentlich gemeinten Ausdruck ohne jede Sophisterei geben wollte, würde folgendermaßen aussehen: »Der Geist bildet den Begriff der Unbegrenztheit, weil die Vorstellung des begrenzten Raums noch unmöglicher ist.«

Nun sieht man sofort, dass es sich hier nicht um zwei Aussagen handelt, deren größere oder geringere Glaubwürdigkeit der Verstand untersuchen soll, oder um zwei Behauptungen, deren Begründung geprüft werden soll, vielmehr geht die Frage um zwei Vorstellungen, die einander direkt entgegengesetzt sind, die beide zugestandenermaßen unmöglich sind, und da wird nun gesagt, die eine könne der Verstand um deswillen fassen, weil die andere zu hegen noch unmöglicher sei. Nicht zwischen zwei Schwierigkeiten wird gewählt: man wählt vielmehr in der Einbildung — zwischen zwei Unmöglichkeiten. Bei den ersteren gibt es nun Gradunterschiede, aber nicht bei letzteren. Eine Aufgabe kann mehr oder weniger schwierig sein, aber sie ist entweder möglich oder unmöglich — da gibt es kein mehr oder weniger. Man kann etwa sagen: es ist schwieriger, die Anden zu besteigen als einen Ameisenhaufen; aber es kann nicht unmöglicher sein, die Materie der Anden zu vernichten als die Materie des Ameisenhaufens. Jemand kann mit geringerer Schwierigkeit zehn Fuß springen als zwanzig; aber es ist ebenso unmöglich, in den Mond zu springen wie auf den Hundsstern.

Da all das unleugbar ist; da der Geist in unserem Falle zwischen unmöglichen Vorstellungen zu wählen hat; da eine Unmöglichkeit nicht größer sein kann als die andere, und da also eine der andern nicht vorgezogen werden kann, bleibt den Philosophen, die aus den erwähnten Gründen die menschliche Vorstellung der Unendlichkeit, nein, sogar die Unendlichkeit als Tatsache behaupten wollen, nichts anderes übrig, als zu beweisen, dass ein unmögliches Ding möglich sei, indem sie zeigen, das ein anderes Ding — ebenfalls unmöglich ist. Man wird sagen, das sei Unsinn, und vielleicht ist es so; ich für mein Teil halte es in der Tat für kapitalen Unsinn, verzichte aber auf den Anspruch, es für meinen Unsinn auszugeben.

Jedoch die beste Art, aufzudecken, wie falsch die philosophische Beweisführung in dieser Frage ist, besteht darin, einfach auf eine Tatsache hinzuweisen, die man bisher übersehen hat — die Tatsache nämlich, dass diese Beweisführung ihre eigene Behauptung sowohl beweist als widerlegt. »Der Geist ist genötigt,« so sagen die Theologen und andere Gelehrte, »eine erste Ursache anzunehmen, weil sich ihm die größere Schwierigkeit entgegenstellt, immerfort Ursachen aus Ursachen ohne Ende anzunehmen.« Der Trugschluss liegt wie vorher in dem Wort »Schwierigkeit«; aber sehen wir doch, zu welcher Behauptung es hier verwandt wird. Eine erste Ursache wird behauptet. Und was ist eine erste Ursache? Die Grenze, hinter der keine Ursachen mehr sind. Und was ist eine solche Grenze anders als das Ende, die Endlichkeit? So wird in zwei Beweisführungen voll Gott weiß wieviel Philosophen derselbe Trugschluss gemacht, um einmal die Endlichkeit und das zweite Mal die Unendlichkeit herauszubringen; vielleicht könnte man auf diesem Wege auch noch das oder jenes beweisen? Die Trugschlüsse mindestens sind ganz unerträglich. Aber von ihnen abgesehen; was sie beweisen, ist in beiden Fällen dasselbe Nichts.

Ich hoffe, niemand kommt auf den Gedanken ich wolle hier die absolute Unmöglichkeit dessen behaupten, was wir mit dem Wort »Unendlichkeit« zu erreichen bestrebt sind. Mein einziger Zweck ist, die Torheit aufzudecken, die darin besteht, dass man die Unendlichkeit an sich selbst oder auch nur unsere Vorstellung von ihr durch so alberne Methoden, wie sie gewöhnlich angewandt werden, beweisen will.

Trotzdem möchte ich mir aber für mich persönlich die Bemerkung erlauben, dass ich mir die Unendlichkeit nicht vorstellen kann, und dass ich überzeugt bin, kein Mensch könne es. Ein Geist, der sich selbst nicht gründlicher kennt, der nicht daran gewöhnt ist, genau zu prüfen und zu untersuchen, was in ihm selbst vorgeht, wird sich allerdings oft täuschen und glauben, er habe die Vorstellung, von der hier die Rede ist. In dem Bemühen, sie zu haben, gehen wir Schritt um Schritt weiter, und in der Phantasie geht es so weiter und weiter zurück; und solange wir dieses Bemühen fortsetzen, können wir in der Tat sagen, dass wir die Tendenz haben, den Begriff zu bilden; und je länger wir dieses Bemühen unseres Geistes festhalten, um so stärker ist der Eindruck, dass wir die Vorstellung tatsächlich haben oder gehabt haben. Aber genau in dem Moment, wo wir dieses Bemühen einstellen wo wir glauben, den fertigen Begriff zu haben — die Vorstellung in uns vollendet zu haben —, da purzelt das ganze Gebäude unserer Phantasie zusammen, da wir ja bei einem letzten, also endlich begrenzten Punkt stehen geblieben sind. Diese Tatsache entgeht uns aber um deswillen, weil der Moment, wo wir den letzten Punkt festgehalten hatten, und der Moment, wo wir mit Denken innehalten, völlig zusammenfallen. Und wenn wir anderseits versuchen, den Begriff eines endlichen Raums zu bilden, so verläuft der Vorgang gerade umgekehrt, und die Sache stellt sich ebenfalls als unmöglich heraus.

Wir glauben an Gott. Es bleibt uns unbenommen, an einen endlichen oder unendlichen Raum zu glauben; aber unser Glaube in solchen Fällen ist recht eigentlich ein Glaubensartikel und weit entfernt von jenem andern Glauben, von jener Gewissheit des Intellekts, die die Voraussetzung für jede Vorstellungstätigkeit des Geistes bildet.

Es ist eine Tatsache, dass jedesmal, wenn ein Ausdruck von der Gattung, zu der »Unendlichkeit« gehört, ausgesprochen wird — von der Gattung der Begriffe von Begriffen — für alle, die überhaupt denken, nicht die Möglichkeit besteht, eine Vorstellung zu haben; es gelingt nur, den Blick des Geistes auf einen gegebenen Punkt am Firmament des Verstandes zu richten, auf einen Nebelfleck, der nicht weiter zerlegt werden kann. Der denkende Mensch bemüht sich auch nicht, ihn zu zerlegen; mit sicherem Instinkt bemerkt er sofort, dass es unmöglich ist, und vor allem: dass es für alle menschlichen Zwecke überflüssig ist, ihn zu zerlegen. Er gewahrt, dass die Gottheit die Lösung dieses Geheimnisses nicht gewollt hat. Er sieht sofort, dass es außerhalb des Menschenhirnes liegt, er sieht auch, wieso, wennschon nicht genau, warum. Es gibt freilich Leute, die durch ihr Bemühen, das Unerreichbare zu erreichen, und daneben durch den Jargon, den sie von sich geben, unter denen, die denken, sie denken, und denen Dunkelheit und Tiefe gleichbedeutend sind, den sehr zweifelhaften Ruhm des Tiefsinns erwerben; aber die edelste Eigenschaft des Geistes ist seine Selbsterkenntnis; und man könnte etwas doppelsinnig sagen: kein Nebel des Geistes kann weiter greifen als der, der sich bis zu den Grenzen unserer Erkenntnis erstreckt und gerade diese Grenzen nicht mehr begreift.

Der Leser wird nun also verstehen: wenn ich die Worte »Unendlichkeit des Raums« anwende, so verlange ich nicht die unmögliche Vorstellung einer absoluten Unendlichkeit. Ich meine nur »die denkbar größte Ausdehnung« des Raums — einen schattenhaften und schwankenden Bezirk, der bald einschrumpft und bald anschwillt, entsprechend den schwankenden Energien der Phantasie.

Bisher betrachtete man das Sternenweltall immer als zusammenfallend mit dem Weltall überhaupt, wie ich es zu Beginn dieser Abhandlung definiert habe. Man hielt es immer mehr oder weniger ausgesprochen mit der Annahme — wenigstens seit dem Anbruch der wissenschaftlichen Astronomie — dass wir an dem äußersten Punkt des Raums, den wir irgend erreichen können, immer noch nach allen Richtungen ein unendliches Sternenheer finden würden. Diesen unhaltbaren Gedanken hegte Pascal, als er den vielleicht gelungensten Versuch machte, die Vorstellung zu umschreiben, nach der wir mit dem Wort »Weltall« ringen. Er nennt es »eine Kugel, deren Mittelpunkt überall, deren Umfang nirgends ist«. Der Wortlaut dieser Definition trifft in der Tat auf das Sternenweltall nicht zu, aber wir können ihn mit einiger Einschränkung als Definition des eigentlichen Weltalls, das heißt des räumlichen Alls, akzeptieren; für alle praktischen Zwecke genügt er jedenfalls. Betrachten wir also das räumliche All als »eine Kugel, deren Mittelpunkt überall, deren Umfang nirgends ist«. Während es uns nämlich unmöglich ist, uns ein Ende des Raums auszudenken, macht es uns in Wahrheit keine Schwierigkeit, uns einen Raum mit einer Unendlichkeit von Anfängen auszumalen.

Nehmen wir also die Gottheit zu unserm Ausgangspunkt. Was die Aussagen über diese Gottheit an und für sich betrifft, so ist allein der kein Dummkopf, allein der kein Frevler, der — nichts über sie aussagt. »Nous ne connaissons rien«, sagt der Baron de Bielfeld, »nous ne connaissons rien de la nature ou de l‘essence de Dieu: — pour savoir ce qu‘il est, il faut être Dieu même.« »Wir wissen absolut nichts von der Natur oder dem Wesen Gottes — um zu verstehen, was er ist, müssten wir selbst Gott sein.«

»Wir müssten selbst Gott sein!« Trotz dieses niederschmetternden Satzes wage ich doch die Frage, ob dieses gegenwärtige Nichtwissen über das Wesen der Gottheit ein Nichtwissen ist, zu dem die Seele ewig verdammt ist.

Wie dem auch sei —: Er also — der zum wenigsten jetzt der Unfassbare ist — Er also — ein geistiges Wesen — damit meine ich: nicht materiell — diese Unterscheidung ersetzt für wissenschaftliche Zwecke eine umständliche Definition – Er also habe einmal — mit dieser Voraussetzung wollen wir uns heute Nacht begnügen — als geistiges Wesen existiert — und da habe er uns — an irgendeinem Punkt des Raums, den wir als Mittelpunkt annehmen wollen — zu irgend einer Zeit, in die einzudringen wir uns nicht vermessen, die aber jedenfalls ungeheuer entfernt ist — da also, sage ich, habe er uns erschaffen — oder kraft seines Willens aus dem Nichts geholt — erschaffen — als was? Dies ist ein bedeutsamer Moment in unserer Untersuchung. Als was dürfen wir einzig und allein vermuten, erstmals und ursprünglich erschaffen worden zu sein?

Wir sind zu einem Punkt gelangt, wo nur Intuition uns weiterhelfen kann — aber zunächst muss ich noch einmal darauf hinweisen, was allein wir uns unter Intuition vorstellen dürfen. Sie ist lediglich die Überzeugung, die aus Induktionen oder Deduktionen entspringt, die so schattenhaft verlaufen, dass sie unserem Bewusstsein entgehen, unsere Aufmerksamkeit nicht erregen oder sich der Ausdrucksmöglichkeit entziehen. In diesem Sinne behaupte ich nun — eine völlig unwiderstehliche, wiewohl unaussprechbare Intuition bringt mich zu dem Schlusse: Was Gott ursprünglich geschaffen hat — die Materie, die er kraft seines Willens zuerst aus seinem Geiste oder aus dem Nichts machte — konnte nichts anderes gewesen sein, als Materie im denkbar größten Grade von – wovon? — von Einfachheit.

Dies wird in meiner Abhandlung der einzige Satz sein, der lediglich ein Postulat ist. Ich gebrauche das Wort »Postulat« in seinem üblichen Sinn; aber ich behaupte, selbst dieser Satz, von dem ich ausgehe, ist wahrhaftig sehr, sehr weit davon entfernt, in Wirklichkeit bloß ein Postulat zu sein. Nichts ist je sicherer gewesen — kein Schluss, den je Menschen gezogen haben, war regelrechter, war strenger abgeleitet — aber ach! das Verfahren liegt jenseits der menschenmöglichen Denktätigkeit – in jedem Falle jenseits der menschlichen Sprache.

Gehen wir nun an die Untersuchung, was Materie sein muss, wenn sie im absoluten, im äußersten Zustand der Einfachheit ist. Da denken wir sofort an Ungeschiedenheit — an einen Kern — an einen Kern — einen Kern einer Art – eines Charakters — einer Natur — einer Größe — einer Gestalt — an einen Kern also ohne Gestalt, »öde und leer« — einen Kern, der ganz und gar Kern ist, ganz einzig, ein ungeteiltes Individuum, das nur darum nicht unteilbar ist, weil Der, der es kraft seines Willens schuf, es doch wohl durch eine unendlich geringere Anstrengung sein Willens auch teilen kann.

Einheit also ist alles, was ich von der Materie im Moment der ursprünglichen Schöpfung aussage; aber ich werde zeigen, dass dieses Prinzip der Einheit völlig genug ist, um den Ursprung, die gegenwärtigen Erscheinungen und die unvermeidliche, schließliche Vernichtung wenigstens des materiellen Weltalls zu erklären.

Die Bereitschaft, der ursprüngliche Kern zu sein, hat die Tat, oder besser gesagt die Empfängnis der Schöpfung vollendet. Wir gehen jetzt dazu über, zu untersuchen, zu welchem Ende wohl der Kern erschaffen wurde — das heißt, soweit wir jetzt schon imstande sind, dieses Ziel zu erkennen — die Entstehung des Weltalls eben aus diesem Kern.

Diese Entstehung entsprang daraus, dass das, was ursprünglich, also normalerweise Eins war, in den unnormalen Zustand der Vielheit gezwungen wurde. Eine Aktion dieser Art bedingt die Reaktion. Eine unter diesen Bedingungen vor sich gehende Zerstreuung aus der Einheit heraus schließt die Tendenz in sich, wieder zur Einheit zurückzukehren – diese Tendenz ist unausrottbar, bis ihr Genüge getan ist. Aber darauf komme ich späterhin ausführlicher.

Die Annahme völliger Einheit im ursprünglichen Kern schließt die Annahme unendlicher Teilbarkeit ein. Stellen wir uns also vor, der Kern sei durch die Zerstreuung in den Raum nahezu vollständig erschöpft. Nehmen wir an, von dem einen Kern als Mittelpunkt seien nach allen Richtungen — kugelförmig — in unermesslich große, aber doch begrenzte Entfernungen eine unaussprechlich große, doch beschränkte Zahl unvorstellbar, aber doch nicht unendlich kleiner Atome in den vorher leeren Raum ausgestrahlt.

Wenn wir nun diese so zerstreuten oder in Zerstreuung begriffenen Atome betrachten, ihre Quelle wie den Charakter des Plans, den ihre Zerstreuung aufweist, was sind da wohl die Bedingungen dieser Zerstreuung, die wir nicht etwa annehmen, sondern direkt folgern dürfen? Da Einheit ihre Quelle ist und Entfernen von der Einheit der Charakter des Plans, der in ihrer Zerstreuung hervortritt, dürfen wir getrost vermuten, dass dieser Charakter wenigstens im allgemeinen während der Durchführung des Plans beibehalten bleibt und einen Teil von ihm bildet — das heißt: wir dürfen uns getrost vorstellen, dass fortgesetzt und allenthalben von der Einzigkeit und Einfachheit des Ursprungs abgewichen wird. Aber sind wir berechtigt, um dieser Gründe willen anzunehmen, dass die Atome heterogen, ungleichartig, ungleich groß und ungleich entfernt voneinander sind? Deutlicher ausgedrückt: sollen wir annehmen, dass nicht zwei Atome in ihrer Zerstreuung dieselbe Natur oder dieselbe Gestalt oder dieselbe Größe haben? — und nachdem ihre Zerstreuung im Raume vollendet ist, dass sie alle ungleich weit voneinander entfernt sind? Auf diese Weise, unter solchen Umständen verstehen wir sehr leicht und sofort die konsequente und sehr einfache Durchführung eines jeden solchen Plans, wie ich ihn beschrieben habe, bis zur Vollendung — Mannigfaltigkeit aus der Einheit — Verschiedenheit aus der Identität — Heterogenität aus der Homogenität — Kompliziertheit aus der Einfachheit — in einem Wort, die größte Mehrheit der Rivalitäten aus dem erhaben unrelativen Einen. Zweifellos also wären wir berechtigt, all das, was ich angeführt habe, anzunehmen, wenn nicht zu erwägen wäre,

erstens, dass man einem göttlichen Akte nichts Überflüssiges zutrauen darf, und

zweitens, dass die Sache, die wir im Auge haben, ebenso tunlich erscheint, wenn einige der fraglichen Bedingungen im Anfang in Wegfall kommen, als wenn wir annehmen, sie seien alle von vornherein vorhanden. Was ich sagen will, ist, dass einige wegfallen können, weil sie im Rest enthalten sind oder wenigstens so unmittelbar daraus folgen, dass kein Unterschied wahrzunehmen ist.

Verschiedenheit der Größe zum Beispiel geht ohne weiteres daraus hervor, dass ein Atom auf Grund der Verschiedenheit der einzelnen Abstände einem zweiten Atom vor einem dritten den Vorzug gibt, wobei an Verschiedenheiten der einzelnen Abstände zwischen Quantitätszentren in benachbarten Atomen von verschiedener Gestalt zu denken ist — eine Sache, die der im allgemeinen gleichförmigen Verteilung der Atome durchaus nicht widerspricht. Ebenso leicht ist zu verstehen, dass Verschiedenheit in der Art sich lediglich aus Verschiedenheiten in Größe und Gestalt ergibt, die als mehr oder weniger zusammenfallend zu betrachten sind; — in der Tat können wir, da die Einheit des ursprünglichen Kerns absolute Homogenität in sich schließt, uns die Atome im Augenblicke ihrer Zerstreuung nicht der Art nach verschieden denken — es sei denn, dass wir gleichzeitig annehmen, der göttliche Wille trete bei Entsendung eines jeden Atoms in Kraft, um in jedem eine Veränderung seiner Wesenheit hervorzubringen – eine so tolle Vorstellung ist um so weniger zu dulden, als das beabsichtigte Ziel ebensowohl ohne solche kleinliche und mühevolle Einmischung erreicht wird.

Alles in allem sehen wir also, dass es überflüssig und demnach unphilosophisch wäre, von den Atomen in Bezug auf ihre Hervorbringungen irgend mehr auszusagen als Verschiedenheit der Gestalt im Augenblick ihrer Zerstreuung und Verschiedenheit der einzelnen Abstände nach der Zerstreuung — da alle übrigen Verschiedenheiten sich ohne weiteres aus diesen in den allerersten Stadien der Körperbildung ergeben: — wir begründen das Weltall so auf einer rein geometrischen Grundlage. Selbstverständlich ist es durchaus nicht notwendig, eine absolute Verschiedenheit auch nur der Gestalt zwischen allen ausgestrahlten Atomen anzunehmen, ebensowenig wie absolute Verschiedenheit der einzelnen Abstände in Bezug auf das Verhältnis eines jeden Atoms zu jedem anzunehmen ist. Lediglich die Erkenntnis wird erfordert, dass keine benachbarten Atome von gleicher Gestalt sind — keine Atome, die sich jemals einander nähern können, bis zu ihrer unvermeidlichen Wiedervereinigung am Ende.

Obwohl, wie gesagt, die aus ihrer Einheit ge¬rissenen Atome von vornherein und unausgesetzt während ihrer unnormalen Zerstreuung die Ten¬denz haben, zu ihrer normalen Einheit zurückzukehren, so ist es doch klar, dass dieser Tendenz zunächst nicht Folge gegeben wird — dass sie eine Tendenz ist und weiter nichts — bis die zerstreuende Energie nachlässt und so der Tendenz die Freiheit lässt, sich Genüge zu tun. Da der göttliche Akt als endgültig betrachtet wird und aufhört, sowie die Zerstreuung vollendet ist, so verstehen wir, dass sofort eine Reaktion eintritt — mit andern Worten, dass die Tendenz der getrennten Atome, in Eins zurückzukehren, sich Genüge tun kann.

Aber wenn die zerstreuende Energie nachlässt und in der weiteren Durchführung des Grundplans — der möglichst erschöpfenden Beziehungen nunmehr die Reaktion einsetzt, so gerät nun gerade durch die Tendenz zur Rückkehr, die sich allgemein durchsetzen will, der Plan in Gefahr, im einzelnen gestört zu werden. Vielheit ist das Ziel; aber es gibt nichts, was benachbarte Atome verbinden könnte, schon bevor sie irgendwie die Ziele. die die Vielheit mit sich führen würde, erreicht haben, sich nunmehr sofort der Reaktionstendenz zu überlassen und untereinander die absolute Einheit herzustellen; nichts kann die Aggregation zahlreicher einheitlicher Massen an zahlreichen Punkten des Raumes hemmen; mit andern Worten: nichts widerstreitet der Ansammlung zahlreicher Massen, von denen jede absolut Eins ist.

Wir sehen also, dass es zur wirksamen und durchgreifenden Ausführung des allgemeinen Plans einer Repulsionskraft [abstoßender Kraft] mit begrenzter Energie bedarf — ein für sich bestehendes Etwas ist nötig, das beim Nachlassen des zerstreuenden Willens gleichzeitig die Annäherung der Atome zulässt und ihre Verbindung verhindert; das erlaubt, dass sie sich unendlich nahe kommen, ihre positive Berührung aber ablehnt; in einem Wort, dieses Etwas muss — bis zu einem gewissen Zeitpunkt — die Macht haben, ihr tatsächliches Zusammenkommen zu verhindern, während es ihm nicht zusteht, ihr Entgegenkommen — in mannigfacher Hinsicht und bis zum äußersten Grade — irgend zu stören.

Die Repulsion, die in anderer Hinsicht, wie erwähnt, so ganz besonders beschränkt ist, hat — ich wiederhole es nur bis zu einem gewissen Zeitpunkt die Macht, ihr absolutes Zusammenkommen zu verhindern. Wir können uns unmöglich vorstellen, das Verlangen der Atome nach Einheit sei dazu verurteilt, niemals erfüllt zu werden; wir können uns nicht vorstellen, was einmal angefangen hat, komme niemals zu einem Ende — obwohl oft genug gesagt oder geträumt wird, solche Art Vorstellung sei möglich. Wir sind vielmehr zu der Folgerung genötigt, dass der Einfluss der Repulsion schließlich — wenn die Einheitstendenz in der Gesamtheit wirksam ist, aber niemals auch nur im geringsten vorher, ehe in Erfüllung der göttlichen Zwecke diese Gesamttendenz sich natürlich zur Geltung bringt — dass also dann die Repulsion einer andern Macht weicht, die ihr in diesem letzten Zeitraum genau in dem erforderlichen Umfange an Einfluss überlegen ist: so fällt dann das Weltall in das unvermeidliche, weil ursprüngliche und demnach normale Eine wieder zurück. Die Umstände, die hier miteinander in Einklang zu bringen sind, sind in der Tat sehr schwierig; es ist uns sogar nicht möglich, zu verstehen, wie sie in Einklang kommen können; nichtsdestoweniger ist die scheinbare Unmöglichkeit ein Prinzip, das sich aufs lebhafteste aufdrängt.

Dass das repulsive [abstoßende] Etwas wirklich existiert, sehen wir. Wir verwenden und kennen keine Kraft, die imstande wäre, zwei Atome miteinander zu verschmelzen. Dies ist nichts anderes als der wohlbegründete Satz von der Undurchdringlichkeit der Materie. Jedes Experiment beweist sie — jede Philosophie nimmt sie an. Die Bestimmung der Repulsion - die Notwendigkeit ihres Vorhandenseins habe ich zu zeigen versucht; aber von jedem Versuche, ihre Natur zu ergründen, habe ich in scheuer Ehrfurcht Abstand genommen, und zwar auf Grund intuitiver Überzeugung, dass das Prinzip in seinem Ausfluss ein rein geistiges ist — dass es in eine Form gehüllt ist, die jetzt in unserem Menschenzustande — von uns nicht erfasst werden kann — in die Form des Geistes an sich. In einem Wort, ich fühle hier, und hier allein, die Dazwischenkunft [Eingreifen] des Gottes, weil hier, hier allein, die Verschlingung so war, dass die Dazwischenkunft des Gottes geboten war.

Während wir in der Tat die Tendenz der zerstreuten Atome. zur Einheit zurückzukehren, sofort als Newtons Prinzip der Gravitation erkennen werden, gewahren wir, dass der von mir so genannte repulsive Einfluss, der der (sofortigen) Durchführung der Tendenz Schranken setzt, nichts anderes ist als das, was wir bisher gewohnt waren, bald Wärme, bald Magnetismus, bald Elektrizität zu nennen; wie wenig wir von seinem Ehrfurcht gebietenden Charakter wussten, zeigten wir durch die schwankende Terminologie, mit deren Hilfe wir ihn umschreiben wollten.

Nennen wir diesen Einfluss, nur für den Augenblick, Elektrizität, so wissen wir, dass jede experimentelle Erforschung der Elektrizität zum letzten Ergebnis das Prinzip oder Scheinprinzip der Heterogenität [Ungleichartigkeit, Verschiedenheit, Uneinheitlichkeit im Aufbau] hatte. Nur da, wo Dinge voneinander verschieden sind, ist Elektrizität wahrzunehmen; und, man darf annehmen, dass sie nie voneinander verschieden sind, ohne dass sie wirksam, wenn schon nicht wahrnehmbar ist. Dieses Ergebnis nun stimmt völlig überein mit dem, was ich auf nichtempirischem Wege gefunden habe. Ich habe behauptet, die Bestimmung des repulsiven Einflusses bestehe darin, die sofortige Einheit der zerstreuten Atome zu hindern; und diese Atome sind als voneinander verschieden dargestellt. Verschiedenheit ist ihr Charakter — ihr Wesen, gerade wie Nichtverschiedenheit das Wesen ihres Trachtens war. Wenn wir also sagen, ein Versuch, zwei beliebige von diesen Atomen zusammenzubringen. bringe den repulsiven Einfluss zu dem Bemühen, dieses Verschmelzen zu verhindern, so können wir uns ebensowohl des genau entsprechenden Satzes bedienen und sagen: ein Versuch, zwei Verschiedenheiten zusammenzubringen, führt zur Entwicklung von Elektrizität.

Alle Körper, die es gibt, sind natürlich aus diesen Atomen, die sich nachbarlich berühren, zusammengesetzt und müssen also als bloße Ansammlungen von größeren oder kleineren Verschiedenheiten betrachtet werden; und wenn man so zwei beliebige Ansammlungen zusammenbringen wollte, so wäre die Größe des Widerstandes, den der repulsive Geist ausübt, im Verhältnis der zwei Summen der Verschiedenheiten in jeder Ansammlung um eine abgekürzte Formel für diesen Ausdruck zu geben:

Der Grad der Elektrizität, die bei Annäherung zweier Körper entwickelt wird, ist proportional dem Unterschied zwischen den zwei Summen der Atome, aus denen die Körper zusammengesetzt sind. Dass keine zwei Körper absolut gleich sind, ist lediglich ein Zusatz zu dem hier Gesagten. Die Elektrizität also, die überall ist, entwickelt sich, wenn irgend zwei Körper einander genähert werden, aber sie wird erst wahrnehmbar, wenn es sich um Körper von merklicher Verschiedenheit handelt.

Auf die Elektrizität also — ich fahre fort, diese Bezeichnung vorläufig anzuwenden — können wir mit gutem Grunde die verschiedenen physikalischen Erscheinungen des Lichts, der Wärme und des Magnetismus zurückführen; aber noch weit weniger brauchen wir fürchten, zu irren, wenn wir von diesem völlig unkörperlichen Prinzip die wichtigeren Erscheinungen der Lebenskraft, des Bewusstseins und des Denkens ableiten. Über diesen Gegenstand will ich mich indessen an dieser Stelle nicht weiter verbreiten; ich weise nur auf das hin, was sich aufdrängt, mag man diese Erscheinungen im allgemeinen oder im speziellen betrachten: dass sie nämlich mindestens proportional dem Heterogenen sich zu verhalten scheinen.

Nehmen wir nun von den beiden zweideutigen Ausdrücken »Gravitation« und »Elektrizität« Abschied und bedienen wir uns der entschiedeneren Bezeichnungen »Attraktion« [Anziehung] und »Repulsion« [Abstoßung]. Erstere ist der Körper; letztere ist die Seele: die eine ist das materielle, die andere das geistige Prinzip des Weltalls. Es gibt keine andern Prinzipien. Alle Erscheinungen sind auf das eine oder das andere oder auf eine Kombination beider zurückzuführen. So ausnahmslos ist das der Fall, so völlig zu erweisen ist es, dass Attraktion und Repulsion die einzigen Attribute sind, durch die wir das Weltall wahrnehmen — anders ausgedrückt, durch die die Materie sich unserer Erkenntnis offenbart — dass wir für alle Zwecke der bloßen Beweisführung völlig zu der Annahme berechtigt sind, die Materie existiere nur als Attraktion und Repulsion — dass Attraktion und Repulsion die Materie sind — indem wir uns keinen Fall denken können, in dem wir nicht das Wort »Materie« und die Worte »Attraktion« und »Repulsion« (für eins genommen) als gleichbedeutende Bezeichnungen in der Logik anwenden und also auch miteinander vertauschen dürften.

Ich sagte vorhin, was ich als die Tendenz der zerstreuten Atome, in ihre ursprüngliche Einheit zurückzukehren, beschrieben habe, müsse als identisch mit Newtons Prinzip des Gravitationsgesetzes aufgefasst werden; und in der Tat kann eine solche Auffassung nur geringe Schwierigkeit machen, wenn wir Newtons Gravitation nur ganz im allgemeinen, als die Kraft, die die Materie dazu treibt, Materie anzuziehen, betrachten; das heißt, wenn wir den bekannten modus operandi [Art und Weise des Handelns, Tätigwerdens] der Newtonschen Kraft nicht beachten. Die Übereinstimmung im allgemeinen befriedigt uns; aber wenn wir näher zusehen, dann bemerken wir im speziellen vieles, was nicht zu stimmen scheint, und vieles, wo wenigstens keine Übereinstimmung konstatiert ist. Zum Beispiel scheint die Newtonsche Gravitation, wenn wir an bestimmte Formen denken, ganz und gar nicht eine Tendenz zur Einheit zu sein, sondern eher eine Tendenz aller Körper nach allen Richtungen — und dieser Satz scheint doch eine Tendenz zur Zerstreuung auszudrücken. Hier also fehlt die Übereinstimmung. Wenn wir ferner an das mathematische Gesetz denken, dass die Newtonische Tendenz beherrscht, so sehen wir klar, dass keine Übereinstimmung in Bezug auf den modus operandi wenigstens zwischen der Gravitation, wie sie bekannt ist, und der scheinbar einfachen und unmittelbaren Tendenz, die ich angenommen habe, ausgemacht ist.

Hier habe ich nun in der Tat den Punkt erreicht, wo es ratsam erscheint, meine Position dadurch zu stärken, dass ich meine Darstellungsmethode umkehre. Bisher sind wir a priori vorgegangen, von dem abstrakten Begriff der Einfachheit aus, der sehr geeignet war, den ursprünglichen Akt Gottes zu charakterisieren. Sehen wir jetzt zu, ob die festgestellten Tatsachen der Newtonischen Gravitation uns nicht a posteriori mit einigen Induktionen fördern können.

Was erklärt das Gesetz Newtons? Dass alle Körper sich gegenseitig anziehen, und zwar mit Kräften, die dem Quadrat ihrer Entfernungen proportional sind. Absichtlich habe ich an erster Stelle die gewöhnliche Fassung des Gesetzes gegeben, und ich gestehe: in dieser, wie in vielen andern üblichen Fassungen großer Wahrheiten, finden wir wenig, was uns erleuchten könnte. Wählen wir daher jetzt eine philosophischere Terminologie:

Jedes Atom eines jeden Körpers zieht jedes andere Atom sowohl seines eigenen wie jedes andern Körpers mit einer Kraft an, die sich umgekehrt verhält wie die Quadrate der Entfernungen zwischen dem anziehenden und dem angezogenen Atom. So ergießt sich in der Tat ein Strom der Erleuchtung über unsern Geist.

Aber sehen wir genau zu, was Newton eigentlich bewiesen hat — entsprechend den höchst widersinnigen Definitionen des Begriffs »Beweis«, wie sie die metaphysischen Schulen uns vorschreiben. Er war genötigt, sich damit zu begnügen, zu zeigen, wie völlig identisch die Bewegungen eines lediglich begrifflich vorhandenen Weltalls, das aus anziehenden und angezogenen Atomen besteht, die dem Gesetz, das er kündete, gehorchen, mit den Bewegungen des tatsächlich vorhandenen Weltalls sind, soweit es unserer Beobachtung zugänglich ist. Dies war der Inhalt seiner Demonstration — das heißt, dies war ihr Inhalt nach der Versicherung des konventionellen Cant der »Philosophien«. Seine Nachfolger häuften Beweise auf Beweise - Beweise in dem Sinne, wie ein unbefangener Verstand das Wort versteht — aber die Demonstration des Gesetzes selbst, so versichern die Metaphysiker, sei nicht im geringsten verbessert worden. Indessen wurde endlich sehr zur Genugtuung einiger intellektueller Erdarbeiter der »sichtbare, experimentelle Beweis« der Attraktion auf dieser Erde, in Übereinstimmung mit der Theorie Newtons, geführt. Dieser Beweis fand sich nebenbei und zufällig ein (wie fast alle wichtigen Wahrheiten), als man sich bemühte, die Durchschnittsfestigkeit der Erde festzustellen. Bei den berühmten Experimenten, die Maskelyne, Cavendish und Bailly zu diesem Zweck anstellten, wurde die Anziehung der Masse eines Berges gesehen, gefühlt, gemessen, und es stellte sich heraus, dass sie mathematisch genau mit der unsterblichen Theorie des englischen Astronomen übereinstimmte.

Aber trotz dieser Bestätigung dessen, was keiner Bestätigung bedurfte — trotz der so genannten Unterstützung der »Theorie« durch den so genannten »sichtbaren und experimentellen Beweis« trotz des Charakters dieser Unterstützung —. trotz alledem ist es zu sehen, dass die Vorstellungen, die sich selbst wirklich philosophisch angelegte Männer hinsichtlich der Gravitation einflößen lassen — und insbesondere die Vorstellungen, die der ge¬meine Mann hegt und hartnäckig festhält, fast immer auf einen besonderen Fall des Prinzips zurückgehen — der lediglich auf dem Planeten gilt, auf dem sie stehen.

Wohin muss nun eine so beschränkte Auffassung führen? Zu welcher Art Irrtum verleitet sie? Auf der Erde sehen und fühlen wir lediglich, dass die Gravitation alle Körper gegen den Mittelpunkt der Erde zieht. Kein Mensch ist auf den gewöhnlichen Wegen des Lebens dazu zu bringen, irgend etwas anderes zu sehen oder zu fühlen — zu der Wahrnehmung zu bringen, dass irgend etwas irgendwo eine gravitierende Tendenz nach irgendeiner andern Richtung hat als nach dem Mittelpunkt der Erde; und doch ist es (mit einer Ausnahme, die hernach angeführt wird) Tatsache, dass jedes irdische Ding (um jetzt nicht von jedem himmlischen Dinge zu reden) eine Tendenz hat nicht nur nach dem Mittelpunkt der Erde, sondern auch noch in jeder denkbaren andern Richtung.

Nun kann man freilich nicht behaupten, die Philosophen irrten ebenso in dieser Sache wie der gemeine Mann, aber trotzdem gestatten sie der Stimmung dieser verbreiteten Auffassung, einen Einfluss auf sie zu üben, ohne dass sie es wissen.

»Die Märchen des Altertums werden zwar nicht mehr geglaubt,«
so sagt Bryant in seiner sehr gelehrten »Mythologie«, »aber wir vergessen uns fortwährend und ziehen Schlüsse aus ihnen, als ob es tatsächlich vorhandene Wirklichkeiten waren«.

Was ich behaupten will, ist: die bloße Sinneswahrnehmung der Gravitation, wie wir sie auf der Erde kennen lernen, verführt uns Menschen zu der trügerischen Vorstellung, sie bestehe in dem Streben nach dem Mittelpunkt und gehöre also der Erde an — diese Sinneswahrnehmung hat selbst die mächtigsten Geister auf die Abwege dieses Irrtums gelenkt und sie anhaltend, wenn schon unmerklich, von den wirklichen Merkmalen des Prinzips entfernt und sie so bis zum heutigen Tage verhindert, die bedeutungsvolle Wahrheit auch nur zu ahnen, die gerade in der umgekehrten Richtung liegt — hinter den wesentlichen Merkmalen des Prinzips, die nicht nach dem Mittelpunkt und der Erde weisen, sondern nach dem Weltall und der Zerstreuung. Diese »bedeutungsvolle Wahrheit« ist: die Einheit als Quelle des Phänomens.

Ich wiederhole noch einmal die Definition der Gravitation: Jedes Atom eines jeden Körpers zieht jedes andere Atom, sowohl seines eigenen wie jedes andern Körpers an mit einer Kraft, die sich umgekehrt verhält wie die Quadrate der Entfernungen zwischen dem anziehenden und dem angezogenen Atom.

Hier bitte ich nun die Leser, mit mir einen Augenblick innezuhalten und die wunderbare — die unsägliche — die völlig unfassbare Kompliziertheit der Beziehungen zu betrachten, die in der Tatsache liegt, dass jedes Atom jedes andere Atom anzieht – lediglich in dieser Tatsache der Anziehung, ohne Rücksicht auf das Gesetz oder die Art und Weise, worin die Anziehung sich äußert — lediglich in der Tatsache, dass jedes Atom jedes andere Atom jeden Falles anzieht, bei einer so wilden Unzahl von Atomen, dass die, die zur Zusammensetzung einer Kanonenkugel gehören, wahrscheinlich, bloß die Anzahl in Betracht gezogen. die Menge der Sterne, die das Weltall bilden, übertreffen.

Hätten wir einfach entdeckt, dass jedes Atom einem bestimmten Lieblingspunkt zustrebe — einem besonders anziehenden Atom — so wäre uns damit schon eine Entdeckung auf gestoßen, die an und für sich genügt hätte, den Geist zu überwältigen: — aber wie ganz anders ist doch das, was uns in Wirklichkeit zu fassen zugemutet wird? Jedes Atom soll jedes andere Atom anziehen, soll sich zu seinen feinsten Bewegungen hingezogen fühlen, und zwar zu jedem einzelnen, zu allen zusammen zur selben Zeit, für immer und nach einem bestimmten Gesetz, dessen Kompliziertheit, selbst wenn wir es für sich allein betrachten könnten, bei weitem über die Fassungskraft des Menschen hinausginge.

Wenn ich daran gehe, den Einfluss des Stäubchens in einem Sonnenstrahl auf das Nachbarstäubchen festzustellen, kann ich meine Aufgabe erst dann als erfüllt betrachten, wenn ich vorher sämtliche Atome des Weltalls zähle und wiege und die genaue Lage eines jeden in einem bestimmten Augenblick feststelle. Wenn ich es wage, das mikroskopische Staubteilchen, das jetzt auf meiner Fingerspitze liegt, auch nur um den billionsten Teil eines Zolls von seiner Stelle zu rücken, was für eine Tat ist es, zu der ich den Mut hatte! Ich habe ein Werk vollbracht, das den Mond aus seinen Bahnen schleudert, das es zuwege bringt, dass die Sonne nicht länger mehr die Sonne ist, und das für ewige Zeiten das Geschick der zahllosen Myriaden von Sternen ändert, die sich flammend um den Thron ihres Schöpfers wälzen.

Diese Ideen — so beschaffene Vorstellungen — unausdenkbare Gedanken — Seelenträume eher als Schlüsse oder auch nur Erwägungen des Verstandes: — so beschaffene Ideen, ich wiederhole es, sind es einzig, mit deren Hilfe wir etwa hoffen können, das große Prinzip zu fassen: das Prinzip der Attraktion.

Nun aber, ergriffen von diesen Ideen — ergriffen von dieser Vision der wunderbaren Kompliziertheit der Attraktion — so soll nun irgend jemand, der befugt ist, solche Dinge im Geiste zu tragen, sich an die Aufgabe machen, ein Prinzip für diese von uns beobachteten Phänomene zu ersinnen — den Zustand zu bezeichnen, aus dem sie entsprungen sind.

Weist nicht diese offenbare Verbrüderung der Atome auf gemeinsame Abstammung hin? Legt nicht diese Sympathie, die so allbeherrschend, so unvertilgbar, so durchaus rücksichtslos ist, die Vermutung nahe, dass sie alle Kinder eines Vaters sind? Und erinnert sich unsere Vernunft nicht gern bei einem Extrem an das entgegengesetzte? Bringt uns nicht die Unendlichkeit der Teilung auf den äußersten Inbegriff des unteilbaren Individuums?

Deutet nicht die vollendetste Kompliziertheit auf das ausbündig Einfache? Nicht, dass die Atome, wie wir sie sehen, geteilt sind oder dass ihre gegenseitigen Beziehungen kompliziert sind — sondern dass sie unausdenkbar geteilt und unsäglich kompliziert sind: darauf, auf diese völlige Extravaganz der Umstände kommt es mir hier an, nicht auf die Umstände an sich Mit einem Wort: sind nicht die Atome darum, weil sie in alter Zeit einmal noch mehr als beisammen, weil sie ursprünglich und also in ihrer normalen Verfassung Eins waren — sind sie nicht gerade darum jetzt unter allen Umständen — in allen Stücken – nach allen Richtungen — mittels aller Arten der Annäherung — in allen Beziehungen und ohne jede Rücksicht — im Kampf um die Heimkehr begriffen, zurück zu diesem absolut, unrelativ und bedingungslos Einen?

Hier könnte jemand den Einwand erheben:

»Wenn es so ist, dass die Atome zum Einen zurückbegehren, warum sind wir dann nicht in der Lage, die Attraktion als eine »völlig allgemeine Tendenz gegen einen Mittelpunkt« definieren zu können? warum insbesondere kehren deine Atome — die Atome, die nach deiner Beschreibung von einem Mittelpunkt ausgestrahlt sind — nicht geradenwegs zum Zentralpunkt ihres Ursprungs zurück?«

Darauf antworte ich: das tun sie, wie ich genau zeigen werde; aber die Ursache, dass sie es tun, hat gar keine Beziehung zu dem Mittelpunkt als solchem. Sie streben alle geradlinig einem Mittelpunkte zu, weil sie kugelförmig in den Raum ausgestrahlt waren. Jedes Atom, das eine im allgemeinen gleichförmige Kugel von Atomen bilden hilft, findet natürlich in der Richtung nach dein Mittelpunkte mehr Atome als in jeder andern, und wird daher nach dieser Richtung hin getrieben — aber es wird nicht deshalb dahingetrieben, weil der Mittelpunkt der Punkt seines Ursprungs wäre. Die Atome sind nicht von einem bestimmten Punkt abhängig. Ich nehme nicht an, dass es die Räumlichkeit sei, weder im Konkreten noch im Abstrakten, woran sie gebunden sind.

Nichts Räumliches habe ich als ihren Ursprung erklärt. Ihr Erzeuger ist das Prinzip der Einheit. Das ist ihr verlorener Vater. Diese Einheit suchen sie stets — unmittelbar in allen Richtungen überall, wo sie auch nur teilweise zu finden ist: so stillen sie einigermaßen das unausrottbare Verlangen, so lange sie noch auf dem Wege zur völligen Befriedigung begriffen sind, die sie am Ende finden. Aus alledem folgt, dass jedes Prinzip, das imstande ist, uns den Grund für das Gesetz oder den modus operandi der Anziehungskraft im allgemeinen anzugeben, auch imstande sein wird, dieses Gesetz im besonderen zu erklären — das heißt, jedes Prinzip, das zeigt, warum die Atome dem gemeinsamen Zentrum ihrer Ausstrahlung mit einer Kraft zustreben, die dem Quadrat der Entfernungen proportional ist, wird auch gleichzeitig imstande sein, die demselben Gesetz entsprechende gegenseitige Anziehung der Atome untereinander zu erklären; denn das Streben nach dem Zentrum ist nichts anderes als das Streben eines jeden Atoms zu jedem, und keineswegs ein Streben nach einem Zentrum als solchem. — So sieht man nun auch, dass die Anerkennung meiner Aufstellungen keineswegs die Nötigung in sich schließt, die Ausdrucksweise in Newtons Definition der Gravitation zu ändern; diese erklärt, dass jedes Atom jedes andere Atom so und so anzieht. und erklärt lediglich dieses; aber es scheint (immer vorausgesetzt, dass meine Behauptungen sich schließlich als wahr herausstellen) klar, dass mancher naheliegende Irrtum in den künftigen Untersuchungen der Wissenschaft vermieden werden könnte, wenn ein etwas ausgiebigerer Wortlaut akzeptiert würde zum Beispiel: »Jedes Atom strebt zu jedem andern Atom, etc., mit einer Kraft etc.,: was zum gemeinsamen Ergebnis hat ein Streben aller mit derselben Kraft nach einem gemeinsamen Zentrum.«

Die Umkehrung unserer Darstellungsmethode hat uns also zu dem nämlichen Resultat geführt wie vorher; aber während die Intuition bei der zuerst angewandten Methode der Ausgangspunkt war, bildet sie bei der andern den Schlussstein. Als ich mich zuerst auf den Weg machte, konnte ich nur sagen, dass ich mit unwiderstehlicher Intuition fühle, dass Einheit das Charakteristische an der ursprünglichen Aktion Gottes ausmache — am Ende des zweiten Weges aber kann ich nur erklären, dass ich mit unwiderstehlicher Intuition gewahre, dass Einheit der Ursprung der beobachteten Phänomene der Newtonischen Gravitation ist. So also, nach der Auffassung der Schulgelehrten, beweise ich nichts. — So möge es sein: — nicht beweisen, nur hinweisen will ich — und überzeugen durch mein Hinweisen. Voll Stolz gewahre ich, dass es viele sehr tiefe und vorsichtig prüfende Köpfe gibt, die nicht anders können als ausnehmend zufrieden sein mit meinen — Hinweisen. Für diese Köpfe — wie für meinen eigenen — gibt es keine mathematische Demonstration, die auch nur den geringsten Wahrheitsbeweis der großen Wahrheit hinzufügen könnte, die ich aufgestellt habe — der Wahrheit der ursprünglichen Einheit als Quelle — als Prinzip der Phänomene des Weltalls. Ich für mein Teil bin nicht so gewiss, dass ich spreche und sehe - ich bin nicht so gewiss, dass mein Herz schlägt und meine Seele lebt - dass morgen die Sonne aufgeht — eine Wahrscheinlichkeit, die jetzt noch in der Zukunft liegt - nicht ein Tausendstel so gewiss zu sein kann ich mich rühmen wie von der unweigerlich erledigten Tatsache, dass alle Dinge und alle Begriffe von Dingen mit all der unsagbar großen Menge ihrer Beziehungen und Bedingtheiten auf einmal ins Dasein geschossen sind aus dem urersten und unbedingten Einen.

In Bezug auf die Newtonische Gravitation sagt Dr. Nichol, der beredte Verfasser der »Architektur des Himmels«: — »In Wahrheit haben wir kein Recht zu der Annahme, dass dieses große Gesetz, so wie es uns jetzt enthüllt ist, die letzte oder einfachste und dadurch die universelle und allumfassende Form einer großen Regel sei. Das Verhältnis, in dem seine Intensität sich je nach der Entfernung verringert, sieht nicht nach einem letzten Prinzip aus; dieses setzt immer die Einfachheit und Selbstevidenz der Axiome voraus, die die Grundlage der Geometrie bilden.«

Nun ist es allerdings ganz richtig, dass »letzte Prinzipien« im üblichen Sinne des Ausdrucks immer die Einfachheit geometrischer Axiome voraussetzen (so ein Ding wie »Selbstevidenz« gibt es nicht), aber diese Prinzipien sind selbstverständlich keine »letzten«; mit andern Worten: was wir gewohnt sind Prinzipien oder letzte Ursachen zu nennen, sind es genau genommen nicht — da es nur eine letzte Ursache, nur ein Prinzip geben kann: den Willen Gottes. Wir haben demnach kein Recht, auf Grund dessen, was wir in der Form von Regeln beobachten, denen wir törichterweise den Namen »Prinzipien« zu geben beschlossen haben, irgend etwas in Bezug auf die Merkmale eines wirklichen Prinzips anzunehmen. Die »letzten Prinzipien«, von deren geometrischer Einfachheit Dr. Nichol spricht, können diese geometrische Gestaltung haben und haben sie in der Tat, da sie einen Bestandteil eines ausgedehnten geometrischen Systems bilden und so allerdings ein System der Einfachheit sind — deren wahrhaft letztes Prinzip aber, wie wir wissen, das Verzehren des Zusammengesetzten — das heißt des Nichtintelligiblen — ist — denn ist das Wesen des göttlichen Geistes nicht Einfachheit?

Ich berief mich indessen nicht eigentlich darum auf die Bemerkung Dr. Nichols, um seine Philosophie in Frage zu stellen, sondern vielmehr, um bei der Gelegenheit auf die Tatsache aufmerksam zu machen, dass von keiner Seite ein Versuch gemacht worden ist — obwohl alle Welt zugegeben hat, dass irgendein Prinzip hinter dem Gravitationsgesetz stecken muss —, zu bestimmen, worin dieses Prinzip eigentlich besteht — abgesehen vielleicht von gelegentlichen phantastischen Versuchen, es mit dem Magnetismus oder Mesmerismius oder Swedenborgianismus oder Transzendentalismus oder sonst einem entzückenden -ismus desselben Schlags in Verbindung zu bringen — die alle miteinander von ein und demselben Schlag Menschen gehegt werden.

Der große Geist Newtons, der das Gesetz selbst kühn erfasste, entzog sich der Erklärung dieses Gesetzes durch ein Prinzip. Der Scharfsinn Laplaces, der beweglicher und mindestens umfassender, wenn nicht tiefer bohrend war, hatte nicht den Mut, das Problem anzugreifen. Aber vielleicht ist es nicht so sehr schwer, solches Zögern bei diesen zwei Astronomen zu verstehen. Sie waren, wie alle Mathematiker ersten Ranges, nur Mathematiker: wenigstens hatte ihr Geist eine stark ausgesprochene mathematisch-physikalische Tönung.

Was nicht deutlich im Bereich der Physik oder Mathematik lag, war ihnen etwas nicht Vorhandenes oder völlig schattenhaft. Dagegen dürfen wir uns wohl wundern, dass Leibniz, der in dieser Hinsicht eine bemerkenswerte Ausnahme von der Regel war und dessen Geistesart eine seltsame Mischung des Mathematischen mit dem Physikalisch-Metaphysischen war, den fraglichen Punkt nicht sofort aufspürte und feststellte. Newton wie Laplace hätten sich beide. wenn sie das Prinzip gesucht und dabei gefunden hätten, dass es ein physikalisches nicht gäbe, mit dem Schlusse beruhigt, dass es überhaupt keines gäbe: aber fast unmöglich ist es, sich vorzustellen, dass Leibniz nach fruchtlosem Absuchen des Bereiches der Physik nicht sofort seinen Fuß kühn und voll Hoffnung auf das altvertraute Gebiet im Königreiche der Metaphysik gesetzt hätte. In seinem Falle ist es in der Tat klar, dass er es unternommen haben muss, den Schatz zu suchen — dass er ihn schließlich nicht gefunden hat, kommt vielleicht daher, dass die Fee, die ihn führen sollte, die Phantasie, bei ihm nicht reich oder ausgebildet genug war, um ihn auf den rechten Weg zu bringen.

Ich erwähnte vorhin einige tatsächlich vorhandene tastende Versuche, die Gravitation auf etliche sehr unbestimmte -ismusse zurückzuführen. Diese Versuche jedoch, obwohl sie — mit Recht — kühn genannt wurden, gingen lediglich auf das Allgemeine — das leerste Allgemeine — am Gesetz Newtons aus. Nie ist man meines Wissens darangegangen, seinen modus operandi zu erklären. Ich habe daher allen Grund zu der Befürchtung, dass man mich von vornherein, bevor ich noch recht meine Behauptungen denen vorlegen kann, die allein berufen sind, über sie zu entscheiden, für verrückt halten wird, wenn ich hier ausspreche, dass der modus operandi des Gravitationsgesetzes eine ausnehmend einfache Sache und vollkommen zu erklären ist — dann nämlich, wenn wir uns ihm in geeignetem Aufstieg und in der rechten Richtung nähern — wenn wir ihn vom richtigen Standpunkt aus betrachten.

Gleichviel, ob wir die Idee, dass absolute Einheit die Quelle aller Dinge ist, aus der Betrachtung der Einfachheit gewinnen, die der nächstliegende Wesenszug der ursprünglichen Aktion Gottes ist; — oder ob wir zu ihr durch eine Übersicht über die Gesamtheit der Beziehungen der gravitierenden Phänomene gelangen: oder ob wir zu diesem Ergebnis dadurch kommen, dass wir die beiden Methoden einander unterstützen lassen; — gleichviel, jedenfalls haben wir die Idee, wenn überhaupt, nur in unlöslicher Verbindung mit einer andern mit der Vorstellung von der besonderen Beschaffenheit des Sternenweltalls, wie wir es jetzt gewahren — das heißt, einer unermesslichen Zerstreuung im Raume. Nun kann aber eine Verbindung zwischen diesen beiden Ideen — Einheit und Zerstreuung — nur dadurch hergestellt werden, dass wir eine dritte Idee haben — die der Ausstrahlung. Wenn absolute Einheit als Zentrum aufgefasst wird, dann ist das existierende Sternenweltall das Ergebnis einer Ausstrahlung aus diesem Zentrum.

Die Gesetze der Strahlung sind nun aber bekannt. Sie sind ein untrennbares Zubehör der sphärischen Geometrie. Sie gehören zu der Klasse der nichtdiskutierbaren geometrischen Besitztümer. Wir sagen von ihnen: »sie sind wahr – sie sind evident.« Zu fragen, warum sie wahr sind, wäre dasselbe, wie wenn man fragte, warum die Axiome wahr seien, auf die ihr Beweis sich stützt. Genau genommen ist nichts beweisbar: aber wenn überhaupt etwas bewiesen ist, dann sind es diese Gesetze! Aber — was sagen diese Gesetze? Wie — auf welchen Bahnen bewegt sich die Ausstrahlung aus einem Zentrum heraus?

Von einer Lichtquelle strahle Licht aus; wir nehmen an, das Licht werde von einer gegebenen Ebene aufgefangen, die ihre Lage so verändere, dass sie sich dem Lichtzentrum bald nähere, bald sich von ihm entferne; dann werden die Lichtmengen, die die Ebene empfängt, im selben Verhältnis kleiner werden wie die Quadrate der Entfernungen zwischen der Ebene und dem leuchtenden Körper größer werden; und ebenso werden sie im selben Verhältnis größer werden, wie die Quadrate kleiner werden.

Die Formel des Gesetzes kann so verallgemeinert werden: — die Zahl der Licht-Teilchen (oder, wenn dieser Ausdruck vorgezogen wird, die Zahl der Licht-Eindrücke), die von der bewegten Fläche empfangen werden, ist den Quadraten der Entfernungen der Ebene umgekehrt proportional. Wenn wir noch einmal verallgemeinern, so können wir sagen, dass die Zerstreuung die Verteilung — die Ausstrahlung mit einem Wort den Quadraten der Entfernungen direkt proportional ist.

Zum Beispiel:
in der Entfernung B vom Lichtzentrum A aus sind eine bestimmte Zahl Partikeln so zerteilt, dass sie die Fläche B einnehmen. In der doppelten Entfernung — also in C — sind sie um so viel mehr zerteilt, dass sie vier solche Flächen einnehmen: — in der dreifachen Entfernung, also in D, sind sie so viel weiter auseinander, dass sie neun solche Flächen besetzen; — und in der vierfachen Entfernung sind sie so zerstreut worden, dass sie sich über sechzehn solche Flächen verbreiten — und so immer weiter. Wenn wir allgemein sagen, dass die Ausstrahlung im direkten Verhältnis der Quadrate der Entfernungen vor sich geht, so benutzen wir den Ausdruck Ausstrahlung, um den Grad der Zerstreuung auszudrücken, je nachdem wir uns von dem Zentrum entfernen.

 

Wenn wir das Verhältnis umkehren und das Wort »Konzentration« benutzen, um den Grad der Sammlung zu bezeichnen, je nachdem wir aus einer Außenstellung zum Zentrum zurückkehren, so können wir sagen, dass die Konzentration im umgekehrten Verhältnis der Quadrate der Entfernungen vor sich geht. Mit andern Worten, wir sind zu dem Schlusse gelangt, dass — wenn die Hypothese zutrifft, wonach die Materie ursprünglich aus einem Zentrum ausstrahlte und jetzt auf der Rückkehr begriffen ist – dass die Konzentration bei der Rückkehr genau so verläuft, wie der uns bekannte Verlauf der Gravitationskraft ist.

Jetzt hätten wir, wenn uns die Annahme erlaubt wäre, dass die Konzentration genau die Kraft des Strebens nach dem Zentrum repräsentiert — dass die eine der andern genau proportional ist und dass der Verlauf beider dasselbe ist — alles gezeigt, was erforderlich ist. Die einzige Schwierigkeit, die also noch vorhanden ist, ist die, ein direktes Verhältnis zwischen der »Konzentration« und der Kraft der Konzentration herzustellen; und das ist natürlich geschehen, wenn wir ein solches Verhältnis zwischen der »Ausstrahlung« und der Kraft der Ausstrahlung herstellen.

Schon eine oberflächliche Übersicht über den Himmel zeigt uns sofort, dass die Sterne in ihrer Verteilung durch die Raumgegenden, in denen sie in ihrer Gesamtheit, roh gesagt in Form einer Kugel, gelegen sind, eine gewisse Gleichförmigkeit, eine gewisse einheitliche Gestaltung, Gleichmäßigkeit oder Gleichheit der Abstände gemeinsam haben: wobei diese Art von sehr allgemeiner, keineswegs absoluter Gleichmäßigkeit sich sehr wohl vereinbaren lässt mit meiner Theorie, dass die ursprünglich zerstreuten Atome mit gewissen Ausnahmen in ungleichen Abständen im Raum verteilt sind, eine Art der Verteilung, die zu dem offenbaren Entstehen einer unendlichen Kompliziertheit des Bedingten aus dem Bedingungslosen gehört. Ich ging, wie man sich erinnern wird, von der Idee einer im allgemeinen gleichförmigen, aber teilweise ungleichförmigen Verteilung der Atome aus; — und diese Idee, ich wiederhole es, wird durch einen Überblick über die Sterne, so wie sie da sind, bestärkt.

Aber selbst bei der Annahme einer bloß im allgemeinen geltenden Gleichmäßigkeit der Verteilung hinsichtlich der Atome erscheint eine Schwierigkeit, die sich ohne Zweifel schon denen unter meinen Lesern aufgedrängt hat, die meine Aufstellung im Gedächtnis behalten haben, wonach diese Gleichmäßigkeit der Verteilung von einer Ausstrahlung aus einem Zentrum bewirkt sei. Der erste Blick auf die Vorstellung Ausstrahlung zwingt uns, die bisher niemals davon getrennte und scheinbar davon untrennbare Vorstellung der Zusammenballung um ein Zentrum damit zu verbinden, wobei die Zerstreuung der Atome um so größer wird, je weiter wir uns von dem Zentrum entfernen – mit einem Wort, es drängt sich uns die Idee auf, dass die ausgestrahlte Materie ungleichmäßig im Raume verteilt ist. Nun habe ich an anderer Stelle bemerkt, dass gerade bei solchen Schwierigkeiten, wie die, die uns jetzt beschäftigt — bei solchen Unebenheiten unseres Wegs — solchen Absonderlichkeiten — solchen Auswüchsen auf der glatten Bahn des Gewöhnlichen — dass da, wenn irgendwo, die Vernunft auf ihrer Suche nach der Wahrheit den rechten Weg findet. Gerade die Schwierigkeit — die eben dargelegte »Absonderlichkeit« wirft mich mit sicherer Plötzlichkeit auf das Geheimnis — und nie vielleicht hätte ich dieses Geheimnis enthüllt, wenn nicht gerade diese Absonderlichkeit gewesen wäre und die Folgerungen, zu denen sie mir bloß um ihrer Absonderlichkeit willen verhilft.

Die Gedankengänge, um die es sich hier handelt, können etwas grob folgendermaßen skizziert werden: — Ich sage zu mir selbst — »Einheit, wie ich sie erklärt habe, ist eine Wahrheit — ich fühle sie: Zerstreuung ist eine Wahrheit — ich sehe sie: Ausstrahlung, durch die allein diese zwei Wahrheiten in Einklang gebracht werden können, ist eine erschlossene Wahrheit — ich muss sie annehmen: Gleichmäßigkeit der Zerstreuung, die zuerst a priori deduziert und dann durch den Überblick über die Phänomene unterstützt wurde, ist auch eine Wahrheit — ich erkenne sie an. So weit ist alles klar um mich: — es sind keine Wolken zu sehen, hinter denen das Geheimnis – das große Geheimnis des modus operandi der Gravitation — möglicherweise verborgen sein kann; aber dieses Geheimnis liegt hierherum, ganz bestimmt; und wäre hier nur eine Wolke in Sicht, es triebe mich dazu, hinter ihr das Geheimnis zu argwöhnen.«

Und gerade, wie ich das sage, kommt wirklich eine Wolke in Sicht. Diese Wolke ist die scheinbare Unmöglichkeit, meine Wahrheit Ausstrahlung mit meiner Wahrheit Gleichmäßigkeit der Zerstreuung in Einklang zu bringen. Jetzt sage ich: »hinter dieser scheinbaren Unmöglichkeit ist zu finden, was ich begehre.« Ich sage nicht »wirkliche Unmöglichkeit«; denn ein unzerstörbarer Glaube an meine Wahrheiten versichert mich, dass es alles in allem bloß eine Schwierigkeit ist, aber ich gehe weiter und sage mit unüberwindlichem Vertrauen, dass wir, wenn erst diese Schwierigkeit gelöst ist, in diese Lösung eingewickelt den Schlüssel zu dem Geheimnis finden werden, nach dem wir verlangen. Noch mehr — ich fühle, dass wir nur eine mögliche Lösung der Schwierigkeiten entdecken werden: und zwar deshalb, weil in dem Falle, dass es zwei gäbe, eine überflüssig wäre — zwecklos leer — ohne einen Schlüssel — da zu keinem Geheimnis der Natur ein Nachschlüssel gebraucht werden kann.

Und nun, sehen wir zu: — Die uns geläufigen Vorstellungen von Ausstrahlung — in der Tat, alle unsere bestimmten Vorstellungen von ihr — entstammen lediglich dem Vorgang, wie wir ihn im Licht exemplifiziert sehen. Da handelt es sich um ein unaufhörliches Hervorbrechen von Strahlenströmen, deren Stärke zum mindesten haben wir kein Recht, es anders zu vermuten keinerlei Schwankungen unterworfen ist. Nun müssen in jeder so beschaffenen Strahlung — die fortlaufend ist und deren Stärke unveränderlich ist — die Raumteile, die dem Zentrum näher liegen, mehr von der ausgestrahlten Materie erfüllt sein als die weiter entfernten. Aber ich habe keine so beschaffene Ausstrahlung angenommen. Ich nahm keine unaufhörliche Strahlung an; aus dem einfachen Grunde nämlich, weil diese Annahme erstens die Notwendigkeit eingeschlossen hätte, eine Vorstellung zu haben, die — wie ich gezeigt habe niemand haben kann und die überdies, wie ich nachher ausführlicher auseinandersetzen will, von jeder Erforschung des Firmaments widerlegt wird – ich meine die Vorstellung der absoluten Unendlichkeit des Sternenweltalls — und weil diese Annahme es zweitens unmöglich gemacht hätte, eine Reaktion — das heißt: die Gravitation — als jetzt existierend zu verstehen, da ja natürlich, solange eine Aktion dauert, keine Reaktion eintreten kann. Meine Annahme also — oder besser gesagt: mein unvermeidlicher Schluss aus richtigen Prämissen — lief auf eine endliche Ausstrahlung hinaus — auf eine, die schließlich aufhörte.

Ich will nun beschreiben, auf welche Weise es einzig und allein vorstellbar ist, dass die Materie sich in den Raum verbreitet und dabei zugleich die Bedingungen der Strahlung und die der im allgemeinen gleichmäßigen Verteilung erfüllt hat.

Zum Zwecke einer bequemen Veranschaulichung wollen wir uns zunächst eine hohle Kugel aus Glas oder dergleichen vorstellen, die den Raum versinnbildlichen soll, worin die Materie des Weltalls durch Strahlung aus dem absoluten unrelativen, unbedingten Kern, der sich im Mittelpunkt der Kugel befinde, zerstreut sei.

Eine gewisse Entfaltung der zerstreuenden Macht (nach unserer Voraussetzung: des göttlichen Willens) — mit andern Worten: eine gewisse Kraft — die nach dem entsandten Quantum Materie, das heißt, nach der Zahl der Atome, bemessen wird — entsendet durch Ausstrahlung diese bestimmte Zahl Atome, und schleudert sie nach allen Richtungen aus dem Zentrum heraus, wobei sie sich immer mehr voneinander entfernen, je weiter sie fortgehen — bis sie schließlich lose über die innere Oberfläche der Kugel verteilt sind.

Wenn diese Atome diese Lage erreicht haben, oder während sie auf dem Wege sind, sie zu erreichen, entsendet eine zweite, geringere Entladung derselben Kraft — oder eine zweite, geringere Entladung desselben Charakters — auf dieselbe Weise — das heißt, durch Ausstrahlung wie zuvor — eine zweite Atomschicht, die sich daranmacht, sich auf die erste zu lagern: und zwar ist auch in diesem Falle wie im früheren natürlich die Zahl der Atome das Maß der Kraft, die sie entsandt hat; anders ausgedrückt, die Kraft und die Zahl der Atome, die von ihr entsandt worden sind, sind einander, da die Kraft dem Zweck, dem sie dient, genau angepasst ist, direkt proportional.

Wenn diese zweite Schicht die ihr bestimmte Lage erreicht — oder während sie sich ihr nähert — macht sich eine dritte noch geringere Entfaltung der Kraft oder eine dritte geringere Kraft von nämlichem Charakter — da die Zahl der entsandten Atome in allen Fällen das Maß der Kraft ist – auf den Weg, eine dritte Schicht auf die zweite zu lagern, und so weiter, bis diese konzentrischen Schichten, die allmählich immer geringer geworden sind, schließlich bis zum Zentralpunkt hinabreichen und die zerstreuende Materie zugleich mit der zerstreuenden Kraft erschöpft ist.

So ist denn jetzt die Kugel vermittelst der Ausstrahlung mit Atomen gefüllt, die gleichmäßig verteilt sind. Den zwei notwendigen Bedingungen — Ausstrahlung und gleichmäßige Verteilung ist Genüge geschehen; und zwar durch den einzigen Vorgang, der uns die Vorstellung erlaubt, dass die Erfüllung der Bedingungen gleichzeitig möglich ist. Wenn ich nun voller Begierde den gegenwärtigen Zustand der Atome, wie sie in der Raumkugel verteilt sind, prüfe, so erwarte ich aus diesem Grunde zuversichtlich, das Geheimnis zu finden, nach dem ich suche — das urwichtige Prinzip des modus operandi des Newtonischen Gesetzes. Untersuchen wir also den gegenwärtigen Zustand der Atome.

Sie liegen in einem System konzentrischer Schichten. Sie sind gleichmäßig in der Kugel verteilt. Sie sind in diese Lage ausgestrahlt worden.

Wenn die Atome gleichmäßig verteilt sind, so werden um so mehr Atome auf einer von diesen konzentrischen Schichten oder Kugeloberflächen liegen, je größer die Oberfläche ist. Mit anderen Worten: die Zahl der Atome, die auf der Oberfläche einer solchen konzentrischen Kugel liegen, ist der Größe diese Oberfläche direkt proportional.

Aber in jedem System konzentrischer Kugeln sind die Oberflächen den Quadraten der Entfernungen vom Zentrum direkt proportional*
* Kurz ausgedrückt: die Kugeloberflächen verhalten sich wie die Quadrate ihrer Radien.

Daher ist die Zahl der Atome in jeder Schicht dem Quadrat der Entfernung dieser Schicht vom Zentrum direkt proportional.

Aber die Zahl der Atome in jeder Schicht ist das Maß der Kraft, die diese Schicht entsandt hat — das heißt: ist der Kraft direkt proportional.

Also ist die Kraft, die eine bestimmte Schicht ausgestrahlt hat. dem Quadrat der Entfernung dieser Schicht vom Zentrum direkt proportional, oder allgemein ausgedrückt:

Die Kraft der Ausstrahlung ist den Quadraten der Entfernungen direkt proportional gewesen.

Nun ist aber die Reaktion, wenn wir irgend etwas davon wissen, die umgekehrte Aktion. Da wir zuvörderst das allgemeine Prinzip der Gravitation als die Reaktion auf einen Akt betrachtet haben als den Ausdruck des Verlangens von seiten der Materie, den Zustand der Zerstreuung aufzugeben und in die Einheit, aus der sie entsprungen war, zurückzukehren; und da es zweitens unsern Geist verlangte, den Charakter dieser Sehnsucht festzustellen — die Art und Weise, in der sie ihre Natur offenbarte; mit andern Worten: da unser Geist ein wahrscheinliches Gesetz oder den modus operandi für die Rückkehr suchte. so musste er doch wohl zu dem Schlusse kommen, dass dieses Gesetz der Rückkehr genau die Umkehrung des Ausgangsgesetzes sein würde. Dass dieses sich so verhalte, das anzunehmen wird jedermann vollauf erlaubt sein müssen bis zu der Zeit wenigstens, bis einer so etwas wie einen einleuchtenden Grund angibt, warum es sich nicht so verhalten soll — bis zu dem Moment also, wo ein Gesetz der Rückkehr aufgestellt wird, das der Geist als vorzüglicher betrachten kann.

Die Materie also, die mit einer Kraft in den Raum strahlte, die sich im Verhältnis der Quadrate der Entfernungen veränderte, wird — das dürfen wir a priori vermuten — in der Richtung nach dem Zentrum der Strahlung mit einer Kraft zurückkehren, die sich umgekehrt wie die Quadrate der Entfernungen verändert: und ich habe bereits gezeigt, dass jedes Prinzip, das erklärt, warum die Atome, einem bestimmten Gesetz gehorchend, dem gemeinsamen Zentrum zustreben, zugleich als genügende Erklärung dafür gelten muss, warum sie einander zustreben. Denn in der Tat ist die Tendenz gegen das gemeinsame Zentrum nicht eine Tendenz zu einem Zentrum als solchem, sondern sie tritt darum ein, weil jedes Atom, das sich in der Richtung nach diesem Zentrum treiben lässt, damit den unmittelbarsten Weg zu seinem wahren und eigentlichen Zentrum verfolgt, der Einheit der absoluten Allvereinigung, die das Ende sein wird.

Die Auffassung, die aus dem hier Dargetanen spricht, bietet meinem eigenen Geiste nicht das mindeste Hindernis — aber diese Tatsache verblendet mich nicht gegen die Möglichkeit, dass meine Darlegung für solche dunkel ist, die weniger gewöhnt sind, mit Abstraktionen umzugehen: — und alles in allem ist es jedenfalls gut, die Sache noch von einem oder zwei andern Gesichtspunkten zu betrachten.

Der absolute, bedingungslose Kern, der ursprünglich durch den Willen Gottes geschaffen wurde, muss sich in einem Zustande des positiv Normalen oder der Richtigkeit befunden haben — denn Unrichtigkeit schließt Bedingtheit ein. Richtig ist positiv: unrichtig ist negativ — ist bloß die Negation des Richtigen; wie kalt die Negation von warm ist oder Dunkelheit von Licht. Dazu, dass ein Ding unrichtig ist, gehört notwendig ein anderes Ding, hinsichtlich dessen es unrichtig ist — irgendeine Bedingung, der es nicht Genüge tut; irgendein Gesetz, das es verletzt; irgendein Seiendes, das es beeinträchtigt.

Wenn ein solches Seiendes, Gesetz oder Bedingung nicht da ist, bezüglich dessen das Ding unrichtig ist — und vor allem, wenn überhaupt keine Wesen, Gesetze oder Bedingungen vorhanden sind — dann kann das Ding nicht unrichtig sein, es muss also richtig sein. Jedes Abweichen vom Zustande des Normalen schließt die Tendenz in sich, zu ihm zurückzukehren. Ein Abgehen vom Normalen — vom Richtigen — vom Gehörigen — kann aufgefasst werden als lediglich geschehen, um eine Schwierigkeit zu überwinden; und wenn die Kraft, die die Schwierigkeit überwindet, nicht ins Unendliche fortwirkt, so wird schließlich die unausrottbare Tendenz zur Rückkehr in der Lage sein, sich zu befriedigen und demnach zu handeln. Sowie die Kraft nachlässt, tritt die Tendenz in Aktion. Dies ist das Prinzip der Reaktion, aufgefasst als das unvermeidliche Ergebnis einer endlichen Aktion.

Mit einer Ausdrucksweise, deren scheinbare Affektiertheit man um ihrer Ausdrucksfülle willen verzeihen möge, können wir sagen: Reaktion ist die Rückkehr aus dem Zustande des Wie es ist und nicht sein sollte in den Zustand des Wie es ursprünglich war und also sein soll; — und man erlaube, dass ich noch hinzufüge: Die absolute Stärke der Reaktion würde ohne Zweifel immer direkt proportional mit dem Wirklichen — der Wahrheit — der Unbedingtheit — des Ursprünglichen gefunden werden — wenn es je möglich wäre, dieses letztere zu messen: — und folglich muss unter allen denkbaren Arten von Reaktion die die größte sein, die von der Tendenz hervorgebracht wird, die wir hier erörtern — der Tendenz, zum absolut Ursprünglichen — zum äußerst Primitiven zurückzukehren. Die Gravitation also muss die stärkste aller Kräfte sein - diesen Gedanken haben wir a priori gewonnen, und er wird überreichlich durch Induktion unterstützt. Welchen Gebrauch ich von ihm mache, wird sich aus dem folgenden ergeben.

Die Atome also, die aus dem normalen Zustande ihrer Einheit ausgeströmt sind, suchen zurückzukehren — wohin? Gewiss nicht zu einem bestimmten Punkt; denn es ist klar, dass die Tendenz der Atome gegen das gemeinsame Zentrum der Kugel nicht im mindesten sich hätte stören lassen, wenn das ganze materielle Weltall insgesamt in einen gewissen Abstand vom Punkte der Ausstrahlung projiziert worden wäre; die Atome hätten dann nicht den Punkt, von dem sie ursprünglich ausgegangen wären, im absoluten Raum gesucht.

Nur der Zustand ist es, nicht aber der Ort oder die Räumlichkeit, wo dieser Zustand erstmals entsprang, was diese Atome wieder herzustellen suchen; lediglich nach dem Zustand, der ihnen normal ist, verlangt es sie. »Aber sie suchen ein Zentrum« wird man sagen, »und ein Zentrum ist ein Punkt«. Richtig; aber sie suchen diesen Punkt nicht in seiner Eigenschaft als Punkt — (denn gesetzt den Fall, die ganze Kugel würde aus ihrer Lage gerückt, so würden sie immer noch das Zentrum suchen; und das Zentrum wäre dann ein neuer Punkt) — sondern darum, weil es sich auf Grund der Form, in der sie sich zusammen gefunden haben (der Form einer Kugel), so trifft, dass sie einzig und allein durch den fraglichen Punkt — den Mittelpunkt der Kugel ihr eigentliches Ziel, die Einheit, erreichen können. In der Richtung des Zentrums bemerkt jedes Atom mehr Atome als in jeder andern.

Jedes Atom wird gegen das Zentrum getrieben, weil in der geraden Linie, die es und das Zentrum verbindet und zur jenseitigen Kugeloberfläche führt, eine größere Zahl Atome liegen als in jeder anderen geraden Linie — eine größere Zahl Gegenstände. die auf der Suche nach dem Individual-Atom sind eine größere Zahl Tendenzen, die zur Einheit streben — eine größere Zahl Befriedigungen für seine eigene Tendenz zur Einheit mit einem Wort, weil in der Richtung des Zentrums die größte Möglichkeit liegt, immerfort die eigene individuelle Begierde zu befriedigen. Um kurz zu sein, der Zustand, Einheit, ist alles, was wirklich gesucht wird; und wenn es scheint, als ob die Atome den Mittelpunkt der Kugel suchen, so ist dies nur zufällig, durch ein Zusammentreffen — weil es sich so trifft, dass dieses Zentrum das einzig wesentliche Zentrum, die Einheit, einschließt oder umschließt oder in sich begreift. Aber auf Grund dieses Zusammenfallens oder Inbegriffenseins gibt es keine Möglichkeit, die Tendenz zur Einheit von der Tendenz zum konkreten Mittelpunkt in der Wirklichkeit zu trennen.

Daher ist die Tendenz der Atome nach dem gemeinsamen Mittelpunkt für alle praktischen Erfordernisse und alle logischen Zwecke die Tendenz eines jeden Atoms zu einem jeden; und die Tendenz von jedem zu jedem ist die Tendenz zum Mittelpunkt; und die eine Tendenz kann für die andere genommen werden; alles, was für die eine gilt, muss auch für die andere durchaus zutreffen; und folglich kann kein Prinzip, das die eine befriedigend erklärt, als Erklärung für die andere in Frage gestellt sein.

Wenn ich sorgsame Umschau halte nach einem vernünftigen Einwand gegen das, was ich vorgebracht habe, kann ich nichts entdecken; von der Art der Einwände freilich, die gewöhnlich von denen vorgebracht werden, die berufsmäßige Zweifler sind, gewahre ich sofort drei und will darangehen, mit ihnen der Reihe nach aufzuräumen.

Man kann mir erstens entgegenhalten: »Der Beweis. wonach die Stärke der Ausstrahlung (in dem oben erörterten Fall) den Quadraten der Ent¬fernungen direkt proportional sei, beruht auf einer unberechtigten Annahme — dass nämlich die Zahl der Atome in jeder Schicht das Maß der Stärke sei, mit der sie entsandt wurden.«

Ich erwidere: Ich bin nicht nur zu dieser Annahme berechtigt, sondern es wäre auch jede andere äußerst unberechtigt. Was ich annehme, ist einfach, dass eine Wirkung das Maß ihrer Ursache ist — dass jede Entfaltung des göttlichen Willens dem proportional ist, was diese Entfaltung hervorruft – dass die Mittel der Allmacht oder der Allwissenheit ihren Zwecken genau entsprechen. Ein Mangel oder ein Überschuss an Ursache kann keinerlei Wirkung zustande bringen. Wäre die Kraft, die eine bestimmte Schicht in ihre Lage ausstrahlte, mehr oder weniger stark gewesen, als für den Zweck notwendig war; das heißt: nicht direkt proportional dem Zweck, dann konnte diese Schicht nicht in diese Lage gestrahlt sein. Wäre die Kraft, die die Zahl Atome, die geeignet war, Gleichmäßigkeit der Verteilung herzustellen, in jede Schicht entsandte, der Zahl nicht direkt proportional gewesen, dann wäre die Zahl nicht eine solche gewesen, wie die gleichmäßige Verteilung sie erforderte.

Der zweite Einwand, der erhoben werden kann, verdient schon eher eine Antwort.

Es ist ein allgemein anerkanntes Prinzip der Dynamik, dass jeder Körper, der einen Stoß oder einen Anlass zur Bewegung empfängt, sich geradlinig immer vorwärts bewegt in der Richtung, die die treibende Kraft ihm mitgeteilt hat, bis er von einer andern Kraft abgelenkt oder zum Stehen gebracht wird. Wie ist es demnach zu verstehen, so kann gefragt werden, dass meine erste oder äußere Atomschicht mit ihrer Bewegung an dem Umfang der Glaskugel, die wir angenommen haben, aufhört, wenn keine zweite Kraft — eine, die nicht gleichfalls bloß »angenommen« ist — auftritt, um für diese Unterbrechung aufzukommen?

Ich erwidere: dieser Einwand entspringt diesmal tatsächlich einer »unberechtigten Annahme« — von seiten dessen, der den Einwand erhebt — nämlich der Annahme eines dynamischen Prinzips, zu einer Zeit, wo es überhaupt noch keine »Prinzipien« gibt. Ich verwende das Wort »Prinzip« natürlich im Sinne dessen, der den Einwand erhoben hat.

»Im Anfang« etwas anderes anzunehmen, ja, sogar zu fassen als lediglich die eine erste Ursache, das wahrhaft eigentliche Prinzip, den Willen Gottes, ist nicht möglich. Der ursprüngliche Akt, die Ausstrahlung aus der Einheit, muss von alledem, was die Welt jetzt »Prinzip« nennt, unabhängig gewesen sein — weil alles, was wir so bezeichnen, nur eine Folge der Reaktion auf diesen allerersten Akt ist. Ich nenne diesen Akt den »allerersten«, denn die Schöpfung des absoluten materiellen Kernes ist eigentlich mehr als Empfängnis denn als »Akt« in der gewöhnlichen Bedeutung des Wortes zu betrachten. So müssen wir den ursprünglichen Akt als den Urheber alles dessen betrachten, was wir jetzt »Prinzipien« nennen. Aber dieser ursprüngliche Akt selbst muss als dauernde Willensausübung angesehen werden. Das ist so zu verstehen, dass der Gedanke Gottes die Zerstreuung ins Werk setzte — mit ihr fortfuhr — sie ordnete und sich schließlich von ihr zurückzog, als sie vollständig war. Dann beginnt die Reaktion und durch sie das »Prinzip«, so wie wir das Wort anwenden. Es wäre indessen ratsam, die Anwendung dieses Wortes auf die beiden unmittelbaren Resultate, die aus dem Aufhören des göttlichen Willens entspringen, zu beschränken — nämlich die beiden Triebkräfte, Attraktion und Repulsion. Jede andere Naturkraft ist mehr oder weniger unmittelbar auf diese beiden zurückzuführen und sollte daher besser als Unterprinzip bezeichnet werden.

Es kann drittens eingewandt werden, diese besondere Art Verteilung, die ich den Atomen zugeschrieben habe, sei überhaupt nur »eine Hypothese« und weiter nichts.

Nun weiß ich freilich, dass das Wort Hypothese ein gewichtiger Schmiedehammer ist, der sofort von allen richtigen Diminutivdenkern beim ersten Auftauchen einer Behauptung. die nach einer Theorie aussieht, gepackt oder gar geschwungen wird. Aber mit »Hypothese« kann ich diesmal nicht im geringsten getroffen werden, auch nicht von denen, die den ungefügen Hammer heben können — seien es kleine oder große Männer.

Ich behaupte erstens: es ist einzig und allein in der beschriebenen Art und Weise denkbar, dass die Materie dergestalt ausströmte, dass sie gleichzeitig die Bedingungen der Strahlung und der im ganzen gleichmäßigen Verteilung erfüllte. Ich behaupte zweitens: diese Bedingungen haben sich mir in einer Reihe von Schlussfolgerungen, die ebenso peinlich logisch sind wie irgendwelche Beweisführung des Euklid, als Notwendigkeiten auf gedrängt; und ich behaupte drittens: selbst wenn der Vorwurf der »Hypothese« so völlig begründet wäre, wie er in der Tat unbegründet und unhaltbar ist, wäre doch die Gewissheit und Unbestreitbarkeit meines Resultats nicht in der geringsten Einzelheit erschüttert.

Zur Erklärung: die Newtonische Gravitation — ein Naturgesetz — ein Gesetz, dessen Tatsächlichkeit niemand leugnet, der nicht fürs Irrenhaus reif ist — ein Gesetz, dessen Aufstellung uns in Stand setzt, neun Zehntel aller Erscheinungen des Weltalls zu erklären — ein Gesetz also, das wir bloß deshalb, weil es uns in Stand setzt, diese Erscheinungen zu erklären, ohne Rücksicht auf sonstige Erwägungen, anzuerkennen völlig gewillt und genötigt sind — ein Gesetz aber trotzdem, bei dem weder das Prinzip noch der modus operandi des Prinzips jemals analysiert oder aufgezeigt worden ist — kurz, ein Gesetz, das in seinen Einzelheiten und im Ganzen der Erklärung überhaupt nicht zugänglich war — dieses Gesetz wird endlich als völlig erklärbar erkannt — vorausgesetzt, dass wir nur zugeben — was sollen wir zugeben? Eine Hypothese? Wie nun, wenn eine Hypothese – wenn eine bloße Hypothese — wenn eine Hypothese, für deren Annahme — wie in dem Fall einer so reinen Hypothese, wie es das Newtonische Gesetz selbst ist kein Schatten eines a priori-Grundes aufgebracht werden könnte – wenn also etwas, was so absolut nur Hypothese ist, wie hier angegeben wird, uns in Stand setzte, Zusammenhänge, die so wunderbar, so unsäglich verwickelt und scheinbar unvereinbar sind, wie es die Beziehungen in der Tat sind, von denen uns die Gravitation berichtet, befriedigend zu erklären — welches vernunftbegabte Wesen könnte sich albern darauf versteifen, selbst eine so absolute Hypothese dann noch länger eine Hypothese zu nennen — es sei denn, dass es in der Tat nur in dem Sinne fortführe, es so zu nennen, dass es sich ihm einfach nur um die ein für allemal zutreffende Definition von Worten handelte?

Aber was ist vielmehr diesmal der wirkliche Sachverhalt? was ist Tatsache? Nicht nur, dass es sich um keine Hypothese handelt, der wir etwa beipflichten sollen, damit das zur Genüge erklärte Prinzip zugelassen werde, vielmehr handelt es sich um eine logische Schlussfolgerung, der nicht beizupflichten wir aufgefordert sind, wenn wir ohne sie auskommen können — die wir einfach leugnen sollen, wenn wir können — um eine Schlussfolgerung, die so streng logisch ist, dass jeder, der sie bestreiten wollte, damit den Versuch machte, etwas Unbestreitbares zu bezweifeln — eine Schlussfolgerung, der wir nicht entrinnen können, wir mögen uns drehen, wie wir wollen; um ein Resultat handelt es sich, das uns entweder am Ende eines induktiven Aufstiegs entgegentritt, den wir bei den Erscheinungen eben des Gesetzes, um das es sich handelt, begonnen haben, oder am Schlusse eines deduktiven Abstiegs von der allereinfachsten aller denkbaren Aufstellungen aus — mit einem Wort: der Annahme der Einfachheit.

Und sollte man mich hier, bloß um der Rabulistik willen, mit dem Einwande bedrängen, wenn schon mein Ausgangspunkt, wie ich behaupte, die Annahme der absoluten Einfachheit sei, so sei eben Einfachheit, bloß an und für sich betrachtet, kein Axiom, und nur Deduktionen aus Axiomen seien unbestreitbar so antwortete ich folgendermaßen:

Jede Wissenschaft, außer der Logik, ist die Wissenschaft von gewissen konkreten Beziehungen. Arithmetik zum Beispiel ist die Wissenschaft von den Zahlenbeziehungen; Geometrie von den Beziehungen der Formen — Mathematik im allgemeinen die Wissenschaft von den allgemeinen Quantitätsbeziehungen — von allem, was vermehrt oder vermindert werden kann. Die Logik dagegen ist die Wissenschaft von den Beziehungen in abstracto — von den bedingungslosen Beziehungen – von den Beziehungen an und für sich. Ein Axiom in jeder einzelnen Wissenschaft außer der Logik ist daher bloß eine Behauptung, die gewisse konkrete Beziehungen aussagt, die zu einleuchtend sind, um bestritten werden zu können wie wenn wir zum Beispiel sagen, dass das Ganze größer ist als der Teil: und so ist wiederum das Prinzip des logischen Axioms – anders ausgedrückt: eines Axioms in abstracto — einfach Selbstverständlichkeit der Beziehungen. Nun ist es klar, dass etwas, was einem Kopfe einleuchtet, dem andern vielleicht nicht einleuchtet, ja, sogar, was einem Kopfe zu einer bestimmten Zeit einleuchtet, demselben Kopfe zu einer anderen Zeit vielleicht keineswegs einleuchtet. Es ist weiter klar, dass etwas, was heute der Mehrheit der Menschen oder der Mehrheit der besten Köpfe einleuchtet, morgen derselben Mehrheit mehr oder weniger oder vielleicht ganz und gar nicht einleuchtet. Es ist demnach offenbar, dass das axiomatische Prinzip selbst der Veränderung ausgesetzt ist, dass also natürlich auch die Axiome wandelbar sind. Da sie schwankend sind, schwanken notwendigerweise auch die »Wahrheiten«, die aus ihnen hervorgehen; oder anders ausgedrückt: sie können überhaupt nie als positive Wahrheiten aufgestellt werden: denn Wahrheit und Unveränderlichkeit sind eins.

Man wird jetzt bereitwillig zugeben, dass keine axiomatische Idee, keine Idee, die auf das fließende Prinzip der Selbstverständlichkeit der Beziehungen begründet ist, ein so sicheres, so zuverlässiges Fundament für einen Vernunftbau abgeben kann, wie solch eine Idee (worin sie auch bestehe, wo wir sie finden mögen, wenn sie überhaupt irgendwo zu finden ist) – die ganz und gar beziehungslos ist — die dem Verstande mit keinerlei Selbstverständlichkeit der Beziehungen, die man für mehr oder minder groß halten könnte, kommt, die vielmehr den Geist vor gar keine, nicht die leiseste Notwendigkeit stellt, irgendwelche Beziehungen überhaupt in Betracht zu ziehen. Wenn eine solche Idee nicht das ist, was wir zu unüberlegt ein »Axiom« nennen, so ist sie mindestens als deduktive Grundlage jedem Axiom, das je aufgestellt wurde oder allen denkbaren Axiomen zusammengenommen vorzuziehen; und genau so, wie ich es hier beschrieben habe, verhält es sich mit der Idee, mit der mein deduktives Verfahren, das von der Induktion so wirkungsvoll unterstützt wird, beginnt.

Mein ursprünglicher Kern ist weiter nichts als absolute Beziehungslosigkeit. Um zusammenzufassen, was ich ausgeführt habe: Ich bin davon ausgegangen, es einfach für ausgemacht zu nehmen, dass der Anfang nichts hinter sich und nichts vor sich hatte — dass er in der Tat ein Anfang war — dass er ein Anfang war und nichts anderes — kurz:

dass dieser Anfang war — was er war. Wenn das eine »bloße Annahme« sein soll, dann soll es eine »bloße Annahme« sein.

Um diesen Teil des Themas abzuschließen:

Ich bin vollauf berechtigt zu verkünden, dass das Gesetz, das wir gewohnt sind, Gravitation zu nennen, darauf beruht, dass die Materie bei ihrem Ursprung in Atomgestalt in eine begrenzte*) Raumkugel gestrahlt ist, aus einem individuellen, unbedingten, beziehungslosen und absoluten Kern, auf die einzige Weise, in der es möglich war, zugleich die zwei Bedingungen: Ausstrahlung und allgemein gleichmäßige Verteilung im Raume, zu erfüllen — das heißt, mit einer Kraft, die sich direkt proportional zu den Quadraten der Entfernungen zwischen den ausgestrahlten Atomen einerseits und dem Zentrum der Ausstrahlung anderseits veränderte.
*)»Begrenzte Kugel«. Eine Kugel ist notwendig begrenzt. Ich ziehe die Tautologie der Gefahr der Missdeutung vor. E. A. P.

Ich habe bereits angeführt, aus welchen Gründen ich der Annahme, dass die Materie von einer endlichen Kraft zerstreut worden ist, vor der andern, dass sich um eine unaufhörliche oder ins Unendliche fortgesetzte Kraft handle, den Vorzug gebe. Wenn wir eine unaufhörliche Kraft annähmen, wäre es zuvörderst ausgeschlossen, überhaupt eine Reaktion zu begreifen; und zweitens wäre erfordert, die unmögliche Vorstellung einer unendlichen Ausdehnung der Materie zu hegen. Halten wir uns bei der Unmöglichkeit der Vorstellung nicht auf: die unendliche Ausdehnung der Materie ist eine Idee, die, wenn nicht tatsächlich widerlegt, so doch mindestens in keiner Weise durch die Beobachtung der Gestirne mittels Fernrohrs verbürgt ist — worüber weiter unten mehr folgt: und dieser empirische Grund, an die ursprüngliche Endlichkeit der Materie zu glauben, wird durch nicht-empirische unterstützt.
Zum Beispiel: Nehmen wir für den Augenblick an, es sei der Gedanke möglich, dass der Raum von den ausgestrahlten Atomen erfüllt sei — das heißt, nehmen wir, so gut es geht, um unserer Beweisführung willen an, die Folge der ausgestrahlten Atome habe absolut kein Ende — dann ist es sonnenklar, dass — gesetzt selbst den Fall, der Wille Gottes habe sich von ihnen zurückgezogen und der Tendenz, zur Einheit zurückzukehren, sei es daher (abstrakt genommen) erlaubt gewesen, sich Genüge zu tun — dass diese Erlaubnis schemenhaft und machtlos gewesen wäre — praktisch wertlos und ohne jede Wirkung. Keine Reaktion hätte eintreten können; keine Bewegung zur Einheit hin hätte gemacht werden können; kein Gravitationsgesetz hätte zustande kommen können.

Zur Erklärung: Man räume ein, dass die abstrakte Tendenz irgendeines Atoms zu irgendeinem andern das unvermeidliche Resultat der Zerstreuung aus der normalen Einheit ist, man gebe zu, dass jedes gegebene Atom bereit ist, sich nach jeder gegebenen Richtung zu bewegen — dann ist es klar, dass das Atom, das in Bereitschaft ist, sich in Bewegung zu setzen, wenn es von allen Seiten von einer Unendlichkeit von Atomen umgeben ist, sich natürlich niemals in Bewegung setzen kann, dass es niemals eine Tendenz nach einer gegebenen Richtung befriedigen kann – weil eine genau gleiche Tendenz, die die erste aufwiegt, es nach der diametral entgegengesetzten Richtung zöge.

Mit anderen Worten: das Atom, das auf dem Sprunge ist, hat genau so viele Tendenzen zur Einheit hinter sich wie vor sich; denn es ist lediglich eine Albernheit, zu sagen, eine unendliche Linie sei länger oder kürzer als eine andere unendliche Linie, oder eine unendliche Zahl sei größer oder kleiner als eine andere unendliche Zahl. Daher muss das fragliche Atom für ewige Zeiten still stehen. Unter den unmöglichen Umständen, die wir nur um der Beweisführung willen bemüht waren, uns vorzustellen, hätte es keine Zusammenballung von Materie geben können — keine Gestirne — keine Welten — nichts als ein ewig atomhaftes und ereignisloses Weltall. Man mag es in der Tat ansehen, wie man will, die ganze Idee einer unbegrenzten Materie ist nicht nur unhaltbar, sondern unmöglich und widersinnig.

Wenn wir uns dagegen eine Atomkugel vorstellen, dann bemerken wir sofort eine Tendenz zur Vereinigung, die befriedigt werden kann. Da das gemeinsame Ergebnis der Tendenz von jedem zu jedem die Tendenz aller zum Zentrum ist, so beginnt der allgemeine Prozess der Verdichtung oder Annäherung sofort mit einer allgemeinen und gleichzeitigen Bewegung, sowie der göttliche Wille aufzuhören beginnt; wobei die individuellen Annäherungen oder erstrebten nicht vollendeten Vereinigungen der Atome untereinander den fast unendlichen Verschiedenheiten an Zeit, Grad und Bedingungen unterworfen sind auf Grund der außerordentlichen Vielheit der Beziehungen, die sich aus den Unterschieden in der Form ergibt; man erinnert sich, dass wir diese Verschiedenheit der Form als charakteristisch für die Atome im Augenblicke ihres Ausgangs aus dem ursprünglichen Kern vorausgesetzt haben ebenso wie die nachfolgende Ungleichheit der Abstände zwischen den einzelnen Atomen, die ebenfalls zu dieser Mannigfaltigkeit beiträgt.

Was ich dem Leser einzuprägen wünsche, ist die Gewissheit, dass in dem Augenblicke, wo die zerstreuende Kraft, der göttliche Wille, nachlässt, aus dem erörterten Zustande der Atome an unzähligen Punkten der Weltkugel unzählige Atomhaufen entstehen, die durch unzählige spezifische Verschiedenheiten an Form, Größe, Wesensart und Abstand voneinander sich auszeichnen. Die Entwicklung der Repulsion (Elektrizität) muss natürlich bei den allerersten einzelnen Versuchen, zur Einheit zu gelangen, eingesetzt haben, und muss im Verhältnis des Strebens nach Einswerden — das heißt: im Verhältnis der fortschreitenden Verdichtung oder, noch anders gesagt: der Heterogenität — fortgesetzt weiter gediehen sein.

So geleiten die beiden Grundprinzipien — Attraktion und Repulsion — das Materielle und das Geistige — einander für immer in der engsten Gemeinschaft. So gehen Leib und Seele Hand in Hand. S. 24-86 […]

Ich habe bereits gesagt, dass das Licht sich mit einer Schnelligkeit von 167 000 Meilen in der Sekunde fortpflanzt das sind etwa 10 Millionen Meilen in der Minute und etwa 600 Millionen Meilen in der Stunde: doch so weit entfernt von uns sind einige der Nebelflecke, dass selbst das Licht, das mit dieser Geschwindigkeit sich bewegt, uns aus diesen geheimnisvollen Regionen erst nach 3 Millionen Jahren erreicht. Überdies ist diese Berechnung von dem älteren Herschel aufgestellt und bezieht sich nur auf die verhältnismäßig nahen Sternhaufen, die er mit seinem eigenen Fernrohr erreichen konnte. Es gibt jedoch Nebel, die durch das magische Instrument des Lord Rosse in diesem Augenblicke die Geheimnisse einer Million vergangener Jahrhunderte uns zuflüstern.

Mit einem Wort: die Ereignisse, die wir jetzt — in diesem Augenblicke in jenen Welten gewahren — sind die nämlichen Ereignisse, die ihre Bewohner vor zehnmal hunderttausend Jahrhunderten interessierten. In solchen Zwischenräumen — solchen Entfernungen, wie sie diese Aufstellung auf die Seele — eher als auf den Geist legt — finden wir endlich die richtige Steigerung für alle bisher noch kleinlichen Betrachtungen der Quantität.

Da unsere Phantasie so mit den kosmischen Entfernungen beschäftigt ist, wollen wir die Gelegenheit benutzen, etwas auf die Schwierigkeit einzugehen, die uns so oft aufstieß, während wir den ausgetretenen Pfad der astronomischen Reflexion gingen: nämlich die erwähnten unermesslichen leeren Räume zu erklären — zu verstehen, warum so völlig unbenutzte und daher anscheinend so wertlose Abgründe zwischen Stern und Stern — zwischen Haufen und Haufen — gelegt worden sind — kurz gesagt, einen zureichenden Grund einzusehen für den riesenhaften Maßstab hinsichtlich des bloßen Raumes, nach dem wir das Weltall aufgebaut sehen.

Es ist, behaupte ich, begreiflich, dass die Astronomie keine richtige Erklärung für die Erscheinung aufgebracht hat: — jedoch legen es uns die Erwägungen, die uns in diesem Versuche Schritt für Schritt weitergeführt haben, nahe, klar und unmittelbar einzusehen, dass Raum und Dauer eins sind. Dazu, dass das Weltall über eine Zeit hin ausdauern konnte, die irgend der Größe der Materialien, die es zusammensetzen, und der Erhabenheit ihrer geistigen Zwecke entspräche, war es notwendig, dass die ursprüngliche Zerstreuung der Atome sich so unersprießlich weit ausdehnte, dass sie erst vor der Unendlichkeit Halt machte.

Mit einem Wort:
es war erforderlich, dass die Sterne aus dem Zustande unsichtbaren Nebels zur Sichtbarkeit gesammelt wurden — dass sie aus der Nebelgestalt fortgingen und fest zu werden begannen – dass sie in diesem Zustande dann alt und grau wurden und zahllosen und mannigfaltigen Abarten der Lebensentfaltung Geburt und Tod schufen — es war erforderlich, dass die Sterne all das tun konnten — dass sie völlig Zeit hatten. all diese göttlichen Zwecke zu erfüllen — und zwar all das während der Periode, in der alle Dinge ihre Rückkehr zur Einheit mit einer Geschwindigkeit bewerkstelligten, die im umgekehrten Verhältnis zu den Quadraten der Entfernungen anwächst, worin das unvermeidliche Ende begründet liegt.

Bei dem allen haben wir keine Schwierigkeit, die absolute Genauigkeit der göttlichen Anpassung zu verstehen. Die Dichtigkeit der einzelnen Sterne schreitet natürlich in dem Maße vorwärts, wie der Verdichtungsprozess sich verringert; Verdichtung und Heterogenität halten gleichen Schritt miteinander; an letzterer, die der Gradmesser der ersteren ist, messen wir die Entwicklung der Lebenskraft und des Geistes. So haben wir in der Dichtigkeit der Sternkugeln das Maß, das uns anzeigt, wie weit ihre Zwecke erfüllt sind. Je nachdem die Dichtigkeit fortschreitet — je nachdem die göttlichen Absichten erfüllt sind je weniger und immer weniger noch zu vollenden übrig bleibt — so entsprechend, im selben Verhältnis. müssen wir erwarten, dass das Ende um so beschleunigter eintritt: — und demnach wird der philosophische Geist leicht verstehen, dass die göttlichen Pläne bei der Bildung der Sterne sich mathematisch ihrer Erfüllung nähern; noch mehr: er wird gern dieser Annäherung einen mathematischen Ausdruck geben; er wird erklären, dass diese Annäherung den Quadraten der Entfernungen aller geschaffenen Dinge vom Ursprunge und Ausgangspunkte ihrer Schöpfung proportional ist.

Diese göttliche Anpassung ist jedoch nicht nur mathematisch genau, sie trägt auch etwas in sich, was sie eben zur göttlichen stempelt, zum Unterschiede von den Werken bloß menschlicher Baukunst. Ich meine die vollständige Gegenseitigkeit der Anpassung.

Zum Beispiel:
Wenn Menschen etwas errichten, so hat eine bestimmte Ursache eine bestimmte Wirkung; eine bestimmte Absicht bringt ein bestimmtes Ziel zuwege; aber das ist alles; wir sehen keine Gegenseitigkeit. Die Wirkung wirkt nicht auf die Ursache zurück; die Absicht tritt nicht in Beziehungen zu dem Ziele. In den Konstruktionen Gottes ist das Ziel entweder Plan oder Ziel, je nachdem wir es betrachten wollen — und wir können jederzeit eine Ursache für eine Wirkung nehmen oder umgekehrt — so dass wir nie absolut sicher entscheiden können, was das eine und was das andere ist.

Ein Beispiel: Im Polarklima verlangt die menschliche Konstitution, um ihre tierische Wärme zu erhalten, für die Verbrennung im Kapillarsystem die reichliche Zufuhr sehr stickstoffhaltiger Nahrung wie zum Beispiel Fischtran. Aber andererseits: fast die einzige Nahrung, die im Polarklima dem Menschen zur Verfügung steht, ist der Tran mächtiger Robben und Walfische. Ist nun der Tran vorhanden, weil er gebieterisch verlangt wird, oder wird nur dieses einzige verlangt, weil sonst nichts zu bekommen ist? Unmöglich zu entscheiden. Hier herrscht eine absolute Gegenseitigkeit der Anpassung.

Der Genuss, den wir aus der Erhaltung menschlicher Genialität schöpfen, ist umso größer, je mehr eine Annäherung an diese Art Gegenseitigkeit stattfindet. Beim Aufbau zum Beispiel des Planes in einem Werke der schönen Literatur sollten wir darauf sehen, die Ereignisse so anzuordnen, dass wir nicht imstande sind, von irgendeinem auszumachen, ob es von einem anderen herkommt oder ob es dieses andere herbeigeführt hat. In diesem Sinne ist natürlich Vollkommenheit des Planes praktisch unerreichbar — aber nur, weil es eine endliche Intelligenz war, die aufgebaut hat. Die Pläne Gottes sind vollkommen. Das Weltall ist ein Plan Gottes.

Und nun haben wir einen Punkt erreicht, wo der Geist wiederum genötigt ist, gegen seinen Hang zu Analogieschlüssen anzukämpfen — gegen sein an Monomanie [abnormer Zustand des Besessenseins von einer einzigen Idee] grenzendes Begehren des Unendlichen. Man hat Monde um Planeten kreisen sehen, Planeten um Sterne; und der poetische Instinkt der Menschheit — sein Instinkt fürs Symmetrische, wobei die Symmetrie nur eine Symmetrie der Oberfläche ist — dieser Instinkt, den die Seele nicht bloß des Menschen, sondern aller geschaffenen Wesen im Anfang aus der geometrischen Grundlage der Ausstrahlung des Weltalls empfing — bringt uns zu der Phantasie einer endlosen Ausdehnung dieses Systems von Kreisen. Wir verschließen unsere Augen der Deduktion wie der Induktion und bestehen darauf, uns eine kreisende Umdrehung aller Bahnen der Milchstraße um eine Riesenkugel vorzustellen, die wir für den Angelpunkt des Ganzen halten.

Von jedem Haufen in dem großen Haufen von Sternhaufen nehmen wir natürlich an, dass er in der nämlichen Weise eingerichtet und aufgebaut ist, und damit es der »Analogie« in keinem Stücke fehle, gehen wir dazu über, auch von diesen Haufen wieder anzunehmen, dass sie sich um eine noch erhabenere Kugel drehen; diese letztere wiederum mit ihren Haufen, die sie umkreisen, fassen wir auf als nur eine aus einer noch herrlicheren Reihe von Agglomerationen [Anhäufungen, Zusammenballungen], die ihrerseits sich um eine wieder andere Kugel im Kreise bewegen, die für sie Mittelpunkt ist — um eine Kugel, die noch viel unaussprechlicher erhaben ist — oder, besser gesagt, eine Kugel von unendlicher Erhabenheit unendlichmal multipliziert mit dem unendlich Erhabenen.

Das sind die ewig so weitergehenden Umstände, die die Phantasie ausmalen und die Vernunft, wenn möglich, betrachten soll, ohne sich widerwillig von dem Gemälde abwenden zu dürfen; so verlangt es die gebietende Stimme dessen, was gewisse Leute »Analogie« nennen. So beschaffen ist im allgemeinen das unaufhörliche Kreisen über Kreisen, das uns die Philosophie verstehen und erklären geheißen hat, wenigstens so gut wie wir können. Hie und da jedoch setzt uns ein Philosoph besonderen Schlages — einer, dessen Tollheit eine sehr entschiedene Wendung nimmt oder, mit Respekt zu sagen, dessen Genie stark ausgesprochene Waschfrauenneigungen hat, indem es alles dutzendweise erledigt — solch ein Philosoph setzt uns instand, den verborgenen Punkt, bei dem die fraglichen Umdrehungsvorgänge zum Ende kommen, und dieses mit Recht, deutlich zu sehen.

Es ist vielleicht kaum der Mühe wert, über die Träumereien Fouriers auch nur zu spotten: — aber in letzter Zeit ist viel die Rede gewesen von der Hypothese Mädlers — dass im Mittelpunkte der Milchstraße eine ungeheure Kugel sich befände, um die sich alle Systeme des Sternhaufens drehten Die Umlaufzeit unseres eigenen Systems ist sogar festgestellt worden — 117 Millionen Jahre.

Dass unsere Sonne eine Bewegung im Raume hat, die unabhängig ist von der Drehung um sich selbst und ihrer Umdrehung um das Gravitationszentrum des Systems, ist lange vermutet worden. Diese Bewegung, ihre Existenz zugegeben, müsste sich perspektivisch zeigen. Die Sterne in der Gegend des Firmaments, die wir hinter uns ließen, müssten sich in einer sehr langen Reihe von Jahren zusammendrängen: die auf der entgegengesetzten Seite müssten sich weiter voneinander entfernen. Nun glauben wir mit Hilfe der Geschichte der Astronomie dunkel behaupten zu können, einige solcher Erscheinungen hätten sich zugetragen. Auf Grund dessen ist erklärt worden, unser System bewege sich in der Richtung eines Punktes am Himmel, der dem Stern Zeta Herkulis gerade gegenüber sei; — aber dieser Schluss ist das äußerste, wozu wir logisch berechtigt sind. Mädler ist jedoch so weit gegangen, von einem einzelnen Stern, der Alkyone in den Plejaden, zu behaupten, er befinde sich an dem Fleck oder dicht bei ihm, um den herum eine allgemeine Kreisbewegung sich vollziehe.

Da wir nun durch die »Analogie« in erster Linie zu diesen Träumen geführt wurden, wäre es nicht mehr als billig, dass wir uns wenigstens bis zu gewissem Grade, während wir sie vorführen, an die Analogie halten; und dieselbe Analogie, die die Umdrehung behauptet, behauptet gleichzeitig eine Zentralkugel, um die sie vor sich gehen soll: — soweit war der Astronom konsequent. Diese Zentralsonne jedoch müsste nach den Gesetzen der Dynamik größer sein als alle die Kugeln, die sie umgeben, zusammengenommen. Von diesen gibt es etwa 100 Millionen. — »Warum also,« so wurde natürlich gefragt, »warum sehen wir diese ungeheure Zentralsonne nicht — deren Masse mindestens hundert Millionen mal so groß ist wie unsere Sonnen — warum sehen wir sie nicht — wir ganz besonders, die wir den mittleren Teil des Haufens bewohnen — just die Gegend, in deren Nähe unter allen Umständen dieser unvergleichliche Stern gelegen sein müsste?«

Die Antwort war schnell bei der Hand: — »Der Stern muss nichtleuchtend sein, wie unsere Planeten.« Hier wird also, um einen Zweck zu erreichen, die Analogie plötzlich fallen gelassen. »Nicht doch«, könnte man sagen, »wir wissen, dass nicht-leuchtende Sonnen tatsächlich existieren.« Allerdings haben wir mindestens Grund, dies zu vermuten: aber ganz gewiss haben wir nicht den geringsten Grund zu der Annahme, die bewussten nicht-leuchtenden Sonnen wurden umkreist von leuchtenden Sonnen, während diese wieder von nicht-leuchtenden Planeten umgeben wären und genau dazu müsste Mädler etwas Analoges am Himmel finden — denn genau das stellt er sich im Falle der Milchstraße vor. Wollen wir annehmen, die Sache verhalte sich so, so müssen wir wohl oder übel uns hier ausmalen, eine wie klägliche Verlegenheit das Warum ist es so allen a priori-Philosophen bereiten muss.

Aber selbst wenn wir, aller Analogie und allem in der Welt zum Trotz, zugäben, die ungeheure Zentralkugel könne nicht-leuchtend sein, so müssen wir doch weiter fragen, wieso diese enorme Kugel uns nicht durch die Lichtflut sichtbar gemacht wird, die von den 100 Millionen glorreicher Sonnen, die rings um sie herum glänzen, auf sie geworfen wird. Da man mit dieser Frage drängend wurde, scheint man den Gedanken an eine tatsächlich körperliche Zentralsonne einigermaßen aufgegeben zu haben; die Spekulation beeilte sich vielmehr, zu versichern, dass die Systeme des Haufens ihre Umdrehungen nur um ein immaterielles Gravitationszentrum vornähmen, das allen gemeinsam sei. Also auch hier wieder hat man, um einen Zweck zu erreichen, die Analogie fallen lassen. Die Planeten unseres Systems drehen sich allerdings um ein gemeinsames Gravitationszentrum; aber sie tun es infolge und in Verbindung mit einer materiellen Sonne, deren Masse die übrigen Teile des Systems mehr als aufwiegt.

Der mathematische Kreis ist eine Kurve, die aus unendlich vielen geraden Linien zusammengesetzt ist.
Aber dieser Begriff des Kreises — es handelt sich, wie bei allen geometrischen Begriffen, hier nur um einen mathematischen Begriff, zum Unterschied von einer praktisch ausführbaren Konstruktion ist diesmal ganz nüchtern tatsächlich eine praktische Vorstellung, und zwar eine solche, die wir einzig und allein in Bezug auf den majestätischen Kreis haben dürfen, um den es, zumindest in unserer Phantasie, sich handelt, wenn wir annehmen, unser System drehe sich um einen Punkt inmitten der Milchstraße. Die stärkste menschliche Phantasiekraft soll den Versuch machen, zum Begreifen eines so unermesslichen Umlaufes auch nur den ersten Schritt zu tun!

Es wäre kaum paradox, zu sagen, dass ein Blitz, der ewig über den Umfang dieses unsagbaren Kreises dahinführe, noch immer ewig sich in gerader Linie bewegte. Dass die Bahn unserer Sonne in einem solchen Kreise für irgendeine menschliche Wahrnehmung auch nur im geringsten von der geraden Linie abwiche, selbst in einer Million Jahre, ist eine Behauptung, die man nicht begründen könnte; und doch verlangt man von uns zu glauben, es sei eine Krümmung sichtbar geworden während der kurzen Zeit der Geschichte unserer Astronomie — während eines bloßen Moments — während des äußersten Nichts von zwei- oder dreitausend Jahren.

Man kann sagen, dass Mädler in Wirklichkeit eine Krümmung in der Richtung der jetzt wohlbegründeten Bahn unserer Sonne durch den Raum festgestellt hat. Wenn ich, falls es notwendig ist, zugebe, dass diese Tatsache der Wirklichkeit entspricht, so behaupte ich, dass damit nichts bewiesen ist als die Wirklichkeit der Tatsache — die Tatsache einer Krümmung. Für ihre vollständige Sicherstellung werden Jahrhunderte erforderlich sein; und wenn sie feststeht, wird sie irgendein binäres oder sonstwie multiples Verhältnis zwischen unserer Sonne und einem oder mehr Nachbarsternen anzeigen. Ich riskiere indessen nichts, wenn ich prophezeie, dass man nach Ablauf vieler Jahrhunderte alle Versuche, die Bahn unserer Sonne durch den Raum zu bestimmen, aufgegeben haben wird. Dies ist leicht zu verstehen, wenn wir die unendlichen Störungen erwägen, die sie in ihren fortwährend wechselnden Beziehungen zu anderen Bahnen bei der gemeinsamen Annäherung aller an den Kern der Milchstraße erleiden muss.

Aber wenn wir anstatt der Milchstraße andere Nebel prüfen wenn wir allgemein die Sternhaufen beobachten, die am Himmel zerstreut sind — finden wir die Bestätigung für Mädlers Hypothese oder finden wir sie nicht? Wir finden sie nicht. Die Formen der Haufen sind außerordentlich verschiedenartig, wenn wir sie flüchtig betrachten; aber bei genauer Beobachtung mittels mächtiger Fernrohre erkennen wir sehr scharf, dass sie alle mindestens annähernd Kugelgestalt haben — ihr Aufbau im allgemeinen ist nicht im Einklang mit der Idee einer Umdrehung um ein gemeinsames Zentrum.

»Es ist schwierig,« sagt Sir John Herschel, »sich irgendeine Vorstellung von der dynamischen Verfassung solcher Systeme zu machen. Einerseits ist es ohne Rotationsbewegung und Zentrifugalkraft kaum möglich, ihren Zustand für etwas anderes zu halten als den eines fortschreitenden Zusammenbruchs. Wenn wir aber andererseits eine solche Bewegung und so eine Kraft zugeben, so finden wir keine geringere Schwierigkeit darin, ihre Formen mit der Rotation des ganzen Systems (er meint: Haufens) um eine einzelne Achse zu vereinbaren, ohne die doch Zusammenstöße im Innern unvermeidlich erschienen.«

Einige Bemerkungen, die jüngst Dr. Nichol, der die kosmischen Zustände in einem ganz anderen Lichte sieht als ich in dieser Abhandlung, über die Nebelflecke machte sind ganz besonders auf den Fall, der uns hier beschäftigt, anwendbar.

Er sagt: »Wenn unsere größten Fernrohre auf sie gerichtet werden, so finden wir, dass die, die wir für unregelmäßig hielten, es nicht sind; sie nähern sich der Kugelgestalt. Hier ist einer, der oval aussah; aber das Fernrohr des Lord Rosse machte ihn zu einem Kreise Nun finden wir einen sehr bemerkenswerten Umstand in Bezug auf die vergleichsweise besonders unsteten Kreismassen der Nebelflecke. Wir finden, dass sie ganz und gar nicht kreisförmig sind, sondern im Gegenteil; und dass rings um sie, auf allen Seiten, Massen von Sternen sind, die sich anscheinend ausdehnen, als ob sie infolge der Aktion irgendeiner großen Gewalt einer großen Zentralmasse zustrebten.« *)
*) Man muss verstehen, dass ich hauptsächlich nur den Teil von Mädlers Hypothese leugne, der sich auf die Kreisbahnen bezieht. Natürlich wird eine große Zentralkugel, wenn sie jetzt nicht in unserem Haufen existiert, später vorhanden sein. Wann immer sie aber existiert, sie wird nur der Kern der Konsolidation sein. E. A. P.

Hätte ich mit meinen eigenen Worten auszuführen, was auf Grund der Hypothese, dass alle Materie, wie ich behaupte, jetzt im Begriff ist, zu ihrer ursprünglichen Einheit zurückzukehren, notwendigerweise der gegenwärtige Zustand jedes Nebelflecks sein muss, so würde ich einfach, nahezu wörtlich, mich der Ausdrücke bedienen, die hier Dr. Nichol gebraucht, obwohl er nicht die entfernteste Ahnung der erstaunlichen Wahrheit hat, die der Schlüssel zu diesen Nebularerscheinungen ist.

Und hier möchte ich meine Stellung noch mehr bestärken dürfen durch die Stimme eines, der größer ist als Mädler — eines Mannes überdies, für den all die Angaben Mädlers seit langem vertraute Dinge waren, die er sorgsam und gründlich erwogen hat. Im Hinblick auf die sorgfältigen Berechnungen Argelanders — dessen Untersuchungen eben die Grundlage für Mädler abgegeben haben — macht Humbold, dessen Kunst zu generalisieren, aus den Einzeltatsachen umfassende Ideen zu entwickeln, vielleicht nie ihresgleichen hatte, die folgende Bemerkung:

»Betrachtet man die nicht perspektivischen eigenen Bewegungen der Sterne, so scheinen viele gruppenweise einander in Richtung entgegengesetzt; und die bisher gesammelten Tatsachen machen es aufs wenigste nicht notwendig, anzunehmen, dass alle Teile unserer Sternenschicht oder gar der gesamten Sterneninseln, welche den Weltraum füllen, sich um einen großen, unbekannten, leuchtenden oder dunkeln Zentralkörper bewegen. Das Streben nach den letzten und höchsten Grundursachen macht freilich die reflektierende Tätigkeit des Menschen wie seine Phantasie zu einer solchen Annahme geneigt.«

Die Erscheinung, auf die hier hingewiesen wird dass – »viele Sterne gruppenweise einander in Richtung entgegengesetzt« sind — ist durch Mädlers Idee ganz und gar nicht zu erklären; jedoch geht sie als notwendige Folge aus dem hervor, was die Grundlage dieser Abhandlung bildet. Während die bloß allgemeine Richtung eines jeden Atoms eines jeden Mondes. Planeten, Sterns oder Haufens — nach meiner Hypothese natürlich absolut geradlinig wäre, während die allgemeine Bahn aller Körper eine gerade Linie wäre, die zu aller Zentrum führte, ist es trotzdem klar, dass dieser allgemeinen Geradlinigkeit etwas beigegeben ist, was man fast ohne Übertreibung eine Unendlichkeit besonderer Kurven nennen kann — eine Unendlichkeit lokaler Abweichungen von der Geradlinigkeit — das Ergebnis fortwährender Verschiebungen in der relativen Lage der zahllosen Massen, je nachdem jede auf ihrem eigenen besonderen Wege zum Ende vorschreitet.

Ich zitierte vorhin die folgenden Worte Sir John Herschels in Bezug auf die Sternhaufen:

»Einerseits, ohne Rotationsbewegung und Zentrifugalkraft ist es kaum möglich, ihren Zustand für etwas anderes zu halten als den des fortschreitenden Zusammenbruchs.« Es ist Tatsache, dass wir es, wenn wir die »Nebelflecke« mit einem starken Fernrohre beobachten, ganz unmöglich finden werden, diesen Gedanken des »Zusammenbruchs«, wenn wir ihn erst gefasst haben, nicht an allen Enden bestätigt zu finden. Ein Kern ist immer sichtlich, in dessen Richtung sich die Sterne zu stürzen scheinen; auch können diese Kerne durchaus nicht fälschlich für bloß perspektivische Erscheinungen gehalten werden die Haufen sind tatsächlich dichter in der Nähe des Zentrums, zerstreuter in den Teilen, die weiter davon entfernt sind. Mit einem Wort, wir sehen alles, wie wir es sehen müssten, wenn ein Zusammenbruch vorläge; dagegen muss im Allgemeinen von diesem Haufen gesagt werden, dass wir von Rechts wegen auf Grund des Augenscheins nur dann die Idee einer Kreisbewegung um ein Zentrum hegen können, wenn wir annehmen, dass möglicherweise in den entfernten Bezirken des Raumes dynamische Gesetze gelten, von denen wir nichts wissen.

Bei Herschel jedoch bemerken wir ein offenbares Widerstreben, die Nebelflecke als »in einem Zustande fortschreitenden Zusammenbruchs« befindlich zu betrachten. Aber wenn Tatsachen – wenn der Augenschein die Vermutung, dass sie in diesem Zustande sind, rechtfertigen, warum, so mag wohl gesagt werden, ist er abgeneigt, es zuzugeben? Lediglich auf Grund eines Vorurteils; bloß weil die Annahme einem vorgefassten und äußerst grundlosen Begriffe widerstreitet — dem Begriffe der Endlosigkeit — des ewigen Bestandes des Weltalls.

Wenn die Aufstellungen dieser Abhandlung haltbar sind, so ist der »Zustand fortschreitenden Zusammenbruches« genau der, den wir einzig und allein allen Dingen zuzuschreiben befugt sind; und mit gebührender Bescheidenheit möchte ich hier bekennen, dass ich für mein Teil nicht verstehen kann, wie irgend eine andere Auffassung der tatsächlichen Sachlage jemals ins Menschenhirn eindringen konnte. »Die Tendenz des Zusammenbruches« und »die Attraktion der Gravitationskraft« sind Ausdrücke, die man miteinander vertauschen kann. Wenn wir den einen oder den andern anwenden, so sprechen wir von der Reaktion auf den ersten Akt.

Nie war eine Notwendigkeit weniger dringend als die, anzunehmen. die Materie sei mit einer unausrottbaren Qualität begabt. die einen Teil ihrer materiellen Natur bilde — einer Qualität oder einem Triebe, die ewig untrennbar von ihr seien — einem unveräußerlichen Prinzip, kraft dessen jedes Atom fortwährend getrieben werde, sein Bruder-Atom zu suchen.

Nie war eine Notwendigkeit weniger dringend als die, so eine unphilosophische Idee zu haben. Schreiten wir keck über das vulgäre Denken hinaus und begreifen wir, metaphysisch, dass das Gravitationsprinzip zeitweise zur Materie gehört — nur weil sie zerstreut ist – nur weil sie als Vielheit existiert anstatt als Eines — dass es zu ihr gehört allein auf Grund dessen, dass sie ausgestrahlt ist — mit einem Worte: dass es ganz und gar zu ihrem Zustande gehört und nicht im geringsten zu ihr selbst.

Nach dieser Auffassung wird das Gravitationsprinzip, wenn die Ausstrahlung zu ihrer Quelle zurückgekehrt ist – wenn die Reaktion vollendet ist — nicht länger mehr existieren. Und in der Tat gibt es Astronomen, die zwar keineswegs den hier vorgetragenen Gedanken erfasst haben, die sich ihm aber doch genähert zu haben scheinen, indem sie erklären, dass es »unmöglich wäre, die Geltung des Gravitationsprinzips zu verstehen, wenn es nur einen einzigen Körper im Weltall gäbe«; das heißt, aus ihrer Auffassung der Materie heraus kommen sie zu einem Schlusse, zu dem ich auf deduktivem Wege gelange. Dass aber eine so erkenntnisschwangere Ansicht, wie die eben zitierte, so lange unfruchtbar bleiben konnte, ist doch ein Geheimnis, das zu ergründen mir schwer fällt.

Vielleicht jedoch ist es in hohem Grade unser Hang zum Ununterbrochenen — zum Analogen im vorliegenden Falle eigentlich mehr zum Symmetrischen — was uns irregeführt hat. Und in der Tat ist der Sinn für Symmetrie ein Instinkt, auf den man sich fast mit blindem Vertrauen verlassen kann. Er ist die poetische Essenz des Weltalls, das in der Majestät seiner Symmetrie nichts anderes ist als das erhabenste Gedicht. Nun sind Symmetrie und Übereinstimmung gleichbedeutende Ausdrücke: also sind Poesie und Wahrheit eins. Etwas ist übereinstimmend, zutreffend, im Verhältnis seiner Wahrheit — wahr im Verhältnis seiner Übereinstimmung. Eine vollständige Übereinstimmung, ein völliges Zutreffen kann nichts anderes sein, ich wiederhole es, als absolute Wahrheit. Wir können es also als zugestanden betrachten, dass der Mensch nicht lange oder weit in die Irre gehen kann, wenn er sich von seinem poetischen Instinkt, von dem ich sage, er sei identisch mit seinem Wahrheitsinstinkt, weil er ein Instinkt für Symmetrie ist, leiten lässt. Jedoch muss er sich hüten, dass er nicht unachtsam bloß auf die oberflächliche Symmetrie von Formen und Bewegungen aus ist und dadurch die wirklich wesentliche Symmetrie der Prinzipien, die jene bestimmen und regulieren, übersieht.

Dass die Gestirne sich schließlich in Eins verschmelzen, dass zuletzt alles in die Substanz einer einzigen ungeheuren Zentralkugel, die bereits existiere, hineingezogen würde, dieser Idee scheint die Phantasie der Menschheit in einer vergangenen Epoche vag und unbestimmt zugetan gewesen zu sein. In der Tat ist es eine außerordentlich einleuchtende Idee. Sie entspringt spontan aus einer ganz oberflächlichen Betrachtung der kreisförmigen und scheinbar sich drehenden oder wirbelnden Bewegungen der besonderen Teile des Weltalls, die sich unserer Beobachtung am unmittelbarsten und nächsten darbieten. Es gibt vielleicht keinen Menschen von gewöhnlicher Bildung und nur durchschnittlicher Reflexionsgabe, dem sich nicht zu gewisser Zeit diese Phantasie aufgedrängt hätte, als ob sie spontan käme oder intuitiv, mit all den Kennzeichen einer sehr tiefen und ursprünglichen Anschauung. Diese Anschauung jedoch, so allgemein verbreitet sie ist, ist meines Wissens nie aus abstrakten Erwägungen hervorgegangen; da sie im Gegenteil, wie gesagt, aus den wirbelnden Bewegungen um Mittelpunkte geschöpft wurde — suchte man auch die Begründung — die Ursache für die Sammlung aller Kugeln in einer, die man bereits existierend wähnte, natürlich in der nämlichen Richtung, unter diesen Kreisbewegungen selbst.

So geschah es, dass die Ankündigung von der allmählichen und vollkommen regelmäßigen Abnahme, die man in der Bahn des Enckeschen Kometen bei jeder erneuten Umdrehung um unsere Sonne beobachtete, bei den Astronomen die fast einhellige Meinung erzeugte, die fragliche Ursache sei gefunden – ein Prinzip sei entdeckt, das genüge, um das schließliche Zusammenfallen des ganzen Weltalls physikalisch zu erklären, das — ich wiederhole es — der analogische, symmetrische oder poetische Instinkt des Menschen von vorn¬herein entschlossen war, als etwas bedeutungsvolleres als eine bloße Hypothese aufzufassen.

Diese Ursache, dieser zureichende Grund für die schließliche Zusammenballung sollte in einem ausnehmend feinen, aber doch noch materiellen Medium bestehen, das den Raum durchdringe; dieses Medium sollte dadurch, dass es bis zu gewissem Grade den Kometen in seinem Laufe aufhielt, fortwährend seine Tangentialkraft schwächen und so der Zentripetalkraft das Übergewicht geben, die dann natürlich den Kometen bei jeder Umdrehung der Sonne mehr und mehr nähern und ihn eventuell in sie hineinschleudern müsste.

All das war streng logisch — das Medium oder den Äther vorausgesetzt; zu diesem Äther aber war man sehr unlogisch gekommen auf Grund der Annahme, dass kein anderer Modus als der eine entdeckt werden könne, der dazu diente, die beobachtete Abnahme in der Bahn des Kometen zu erklären: — als ob aus der Tatsache, dass wir keine andere Erklärungsart entdecken konnten, irgendwie folgte, es sei keine andere Erklärungsart möglich. Es ist klar, dass zahllose Ursachen in ihrem Zusammentreffen es bewirken könnten, die Bahn zu verkleinern, ohne dass es vielleicht für uns möglich wäre, auch nur eine davon kennen zu lernen. Mittlerweile ist aber vielleicht nie richtig gezeigt worden, warum nicht die Hemmung, die der Komet am Rande der Sonnenatmosphäre erleidet, durch die er in seiner Sonnennähe hindurchgeht, eine genügende Erklärung für die Erscheinung sein soll.

Dass Enckes Komet von der Sonne verschlungen werden wird, ist wahrscheinlich; dass alle Kometen des Systems schließlich verschlungen werden, ist mehr als bloß möglich; aber in diesem Falle muss das Prinzip der Vernichtung auf die Besonderheit der Umlaufsbahn zurückgeführt werden – darauf, dass die Kometen in ihrer Sonnennähe eng an die Sonne herankommen; es ist ein Prinzip, das nicht im geringsten die gewichtigen Kugeln berührt, die die eigentlichen materiellen Bestandteile des Weltalls sind. Was die Kometen im Allgemeinen angeht, so möchte ich hier beiläufig bemerken, dass wir nicht sehr fehlgehen werden, wenn wir sie als die Blitze des kosmischen Himmels betrachten.

Die Idee eines hemmenden Äthers und einer in Verbindung damit vor sich gehenden schließlichen Zusammenballung aller Dinge schien seiner Zeit jedoch durch die Beobachtung einer positiven Abnahme in der Bahn des Mondes der fest ist — bestätigt zu werden. Man stützte sich auf Berichte über Finsternisse, die vor 2500 Jahren stattgefunden hatten und bei denen es sich ergab, dass die Umdrehungsgeschwindigkeit des Trabanten damals beträchtlich geringer war als heute, so dass er, vorausgesetzt, dass seine Bahnbewegung genau dem Keplerschen Gesetze entspricht und damals, vor 2500 Jahren, genau bestimmt wurde, jetzt beinahe 9000 Meilen weiter voran ist, als er sein sollte.

Das Anwachsen der Geschwindigkeit bewies natürlich eine Verkleinerung der Bahn, und die Astronomen waren drauf und dran, zu glauben. die Annahme des Äthers sei die einzige Erklärungsart für die Erscheinung, als Lagrange ihnen zu Hilfe kam. Er zeigte, dass auf Grund der Gestaltung der Sphäroide die kürzere Achse ihrer Ellipsen eine veränderliche Länge aufweisen müsse, während die längere Achse unverändert bleibe; er zeigte ferner, dass diese Veränderung dauernd und vibrierend sei, so dass jede Bahn in einem Zustande des Überganges entweder vom Kreise zur Ellipse oder von der Ellipse zum Kreise sei. Im Falle des Mondes, wo die kleinere Achse im Abnehmen begriffen ist, geht die Bahn vom Kreise zur Ellipse über und nimmt daher ebenfalls ab; aber wenn nach einer langen Reihe von Jahren der äußerste Grad Exzentrizität erreicht ist, dann geht die kürzere Achse wieder dazu über, zuzunehmen, bis die Bahn zum Kreise wird, worauf der Prozess der Verkürzung von neuem beginnt, und so immer weiter. Im Falle der Erde geht die Bahn von der Ellipse zum Kreise über. Die so aufgeklärten Tatsachen machen natürlich jeglicher Notwendigkeit, einen Äther anzunehmen, und jeder Besorgnis. das System sei um des Äthers willen in Gefahr, in die Brüche zu gehen, ein Ende.

Man wird sich erinnern, dass ich selbst etwas angenommen habe. was wir Äther nennen können. Ich habe von einem feinen Einflusse gesprochen, von dem wir wissen, dass er immer bei der Materie ist, obwohl er sich erst durch die Heterogenität der Materie zeigt. Auf diesen Einfluss habe ich, ohne dass ich wagte, an den Versuch einer Erklärung seiner Ehrfurcht gebietenden Natur zu rühren, die verschiedenen Erscheinungen der Elektrizität, der Wärme, des Lichtes, des Magnetismus zurückgeführt, und ferner: der Lebenskraft, des Bewusstseins und des Denkens — mit einem Worte: des Psychischen. Man wird nun sofort sehen, dass der so aufgefasste Äther und der Äther der Astronomen von Grund aus verschieden sind, insofern der ihre Materie ist und meiner nicht.

Mit der Idee eines materiellen Äthers scheint der Gedanke an eine Zusammenballung des Weltalls vollständig aufgegeben, der so lange von der poetischen Phantasie der Menschheit gehegt worden war — die Zusammenballung, an die zu glauben eine gesunde Philosophie durchaus berechtigt gewesen wäre, mindestens bis zu gewissen Grade, wenn aus keinem anderen Grunde, so bloß darum, weil die poetische Phantasie sich für sie ausgesprochen hatte. Aber soweit die Astronomie — soweit bloße Physik bisher gesprochen hat, haben die Kreise des Weltalls kein vorstellbares Ende. Wäre indessen ein Ende auf Grund einer so unwesentlichen Ursache, wie ein solcher Äther sie vorstellt, erwiesen worden, so hätte sich der Instinkt des Menschen für die Anpassungsfähigkeit Gottes gegen diesen Beweis aufgelehnt. Wir hätten uns genötigt gesehen, das Weltall mit so einer Art Missfallen zu betrachten, wie wir es kennen lernen, wenn wir ein unnötig kompliziertes Werk menschlicher Technik ansehen. Die Schöpfung hätte auf uns einen ähnlichen Eindruck gemacht, wie ein unvollkommener Plan in einem Roman, wo der Knoten plump mit Hilfe eingemengter Zwischenfälle geschürzt ist, die der eigentlichen Fabel fremd und äußerlich angeklebt sind, wo doch die Verwicklung aus dem Schoße der These, aus dem Herzen der leitenden Idee entspringen müsste, wo sie als Re¬sultat aus dem Grundgedanken hervorgehen müsste, als untrennbarer und unweigerlicher Teil und Zu¬behör der ursprünglichen Konzeption des Buches.

Was ich unter der bloßen Oberflächensymmetrie verstanden wissen will, wird nun deutlicher einzusehen sein. Nur die Verlockung dieser Symmetrie ist Schuld daran, dass wir mit der allgemeinen Idee in die Irre geführt wurden, von der Mädlers Hypothese nur ein Teil ist — der Idee der wirbelnden Verengerung der Bahnen. Die Symmetrie des Prinzips dagegen verwirft diese rein physikalische Vorstellung und sieht das Ende aller Dinge in dein Begriffe des Anfangs metaphysisch inbegriffen; sucht und findet in diesem Ursprunge aller Dinge den Embryo dieses Endes und weiß, dass es frivol wäre, anzunehmen, dieses Ende trete weniger einfach ein — weniger unmittelbar — als in Form der Reaktion auf den urersten Akt.

Kommen wir nunmehr auf eine frühere Aufstellung zurück, fassen wir die Systeme – fassen wir jeden Stern mit den Planeten, die ihn begleiten — nur als ein riesenhaftes Atom auf, das im Raume mit genau derselben Neigung zur Einheit lebt, die im Anfang die wirklichen Atome nach ihrer Ausstrahlung in die Weltenkugel auszeichnete. Wie diese ursprünglichen Atome gegeneinander schossen in Linien, die im allgemeinen gerade waren, so wollen wir uns auch als mindestens im allgemeinen geradlinig die Wege der einzelnen System-Atome zu ihren Aggregationszentren vorstellen: — und in diesem unmittelbaren Zusammenfinden, wie die Systeme sich zu Haufen vereinigen, wie ebenso und gleichzeitig die Haufen sich zusammenfinden und die Konsolidierung fortschreitet — darin haben wir nun endlich das große Jetzt erreicht — die furchtbare Gegenwart — den augenblicklichen Zustand des Weltalls.

Von der noch schrecklicheren Zukunft können wir an Hand einer nicht unerlaubten Analogie eine Hypothese ausgestalten. Da das Gleichgewicht zwischen Zentripetal- und Zentrifugalkräften in jedem Systeme beim Eintritt einer gewissen Annäherung an den Kern des Haufens, zu dem es gehört, notwendig zerstört werden muss, müssen danach sofort chaotisch oder scheinbar chaotisch die Monde auf die Planeten, die Planeten auf die Sonnen und die Sonnen auf die Sterne losstürzen; und das allgemeine Ergebnis dieses Sturzes muss die Ansammlung der Myriaden jetzt-existierender Sterne zu einer beinahe unendlich geringeren Zahl von beinahe unendlich größeren Kugeln sein. Die Welten jener Zeit werden unermesslich größer sein als die unseren, aber es wird ihrer unermesslich weniger geben. Dann werden wahrhaftig aus unergründlichen Schlünden ungeheure Sonnen auf¬strahlen. All diese Herrlichkeit aber wird nur eine Stufe sein, die das große Ende verkündet. Dieses Ende kann die neue Genesis, die ich eben beschrieb, nur kurze Zeit aufhalten. Während sie sich vereinigten, sind die Sternhaufen mit unerhört anwachsender Schnelligkeit ihrem eigenen gemeinsamen Mittelpunkte zugeschossen, und nun, mit vertausendfachter elektrischer Geschwindigkeit, die nur ihrer eigenen Körpergröße und der seelenhaften Leidenschaft ihres Einheitsehnens entspricht, flammen die königlichen Trümmer des Sternenheeres endlich in ihre allvereinende Umarmung. Die unvermeidliche Katastrophe ist da.

Diese Katastrophe – aber was ist sie? Wir haben die Vereinigung der Kugeln vollendet gesehen. Von jetzt an — müssen wir jetzt nicht annehmen, dass eine einzige materielle Kugel aus Kugeln das Weltall bildet und umfasst? Eine Phantasie der Art würde völlig jeder Annahme und Auffassung dieser Abhandlung widerstreiten.

Ich habe bereits von der vollständigen Gegenseitigkeit der Anpassung gesprochen, die die besondere Eigenheit der Gotteskunst ist — sie zur göttlichen macht. Bis zu diesem Wendepunkte unserer Betrachtung haben wir den elektrischen Einfluss als ein Etwas betrachtet, kraft dessen Repulsion allein die Materie instand gesetzt wird, in dem Zustande der Zerstreuung zu existieren, der für die Erfüllung ihrer Zwecke notwendig ist: bis jetzt, mit einem Worte, haben wir den besagten Einfluss um der Materie willen eingesetzt sein lassen, um den Zielen der Materie behilflich zu sein. Auf Grund der Gegenseitigkeit, die anzunehmen wir vollkommen befugt sind, betrachten wir jetzt die Materie als einzig und allein um dieses Einflusses willen geschaffen — einzig und allein geschaffen, um den Zielen dieses psychischen Äthers zu dienen. Durch die Hilfe — vermittels — durch die Wirksamkeit der Materie, und kraft ihrer Heterogenität — wird dieser Äther offenbar — wird der Geist individualisiert. Nur in der Entfaltung dieses Äthers, durch Heterogenität geschieht es, dass besondere Stoffe der Materie belebt werden — empfindend und nur im Verhältnis der Heterogenität; wobei einige einen Grad der Empfindung erreichen, der das einschließt, was wir Denken nennen — Bewusstsein.

So genommen sind wir imstande, die Materie als Mittel aufzufassen — nicht als Ziel. Man sieht so, ihre Zwecke sind in ihrer Zerstreuung gelegen und mit der Rückkehr zur Einheit hören diese Zwecke auf. Die absolut zu Eins gewordene Kugel der Kugeln wäre zwecklos, gegenstandlos — daher könnte sie nicht einen Augenblick länger existieren. Die Materie, die um eines Zweckes willen geschaffen wurde, wäre ohne Frage nach Erreichung dieses Zweckes keine Materie mehr.

Bemühen wir uns, zu verstehen, dass sie verschwinden wird und dass Gott bleibt: alles in allem.

Dass jedes gotterzeugte Werk mit einer besonderen Bestimmung stehen und fallen muss, scheint mir hervorragend einleuchtend, und ich hege keinen Zweifel, dass die meisten meiner Leser, wenn sie merken, dass die schließliche Kugel von Kugeln zwecklos und gegenstandlos wäre, sich mit meinem: »also kann sie nicht länger existieren« zufrieden geben werden. Nichtsdestoweniger wollen wir, da der verblüffende Gedanke ihres augenblicklichen Verschwindens der Art ist, dass auch von dem stärksten Kopfe nicht verlangt werden kann, er solle ihn auf Grund so bloßer Abstraktion fassen, uns bemühen, die Idee von einem anderen und gewöhnlicheren Gesichtspunkte aus zu betrachten: wir wollen sehen, wie schön und von Grund aus sie bestätigt wird durch eine Anschauung der Materie a posteriori, wie wir sie tatsächlich vorfinden.

Ich habe früher gesagt, »dass wir, da Attraktion und Repulsion unleugbar die einzigen Attribute sind, durch die die Materie sich unserer Erkenntnis offenbart, völlig zu der Annahme berechtigt sind, die Materie existiere nur als Attraktion und Repulsion — mit anderen Worten: dass Attraktion und Repulsion die Materie sind; indem wir uns keinen Fall denken können, in dem wir nicht das Wort >Materie< und die Worte >Attraktion< und >Repulsion< (für eins genommen) als gleichbedeutende logische Bezeichnungen anwenden und also auch miteinander vertauschen dürften«.

Nun bedingt die Definition der Attraktion recht eigentlich Besonderung — das heißt: das Vorhandensein von Teilen. Teilchen oder Atomen; denn wir definieren sie als die Tendenz »jedes Atoms usw. zu jedem anderen Atom« usw., entsprechend einem bestimmten Gesetze. Natürlich, wo es keine Teile gibt — wo absolute Einheit ist — wo der Tendenz zum Einssein Genüge getan ist — da kann es keine Attraktion geben: — dies ist völlig erwiesen, und das lehrt jede Philosophie. Wenn also nach Erreichung ihrer Zwecke die Materie in ihren ursprünglichen Zustand — das Eine — zurückgekehrt sein wird – welcher Zustand die Austreibung des trennenden Äthers voraussetzt, dessen Bereich und dessen Brauchbarkeit sich darauf beschränken, die Atome bis zu dem großen Tage auseinander zu halten, wo dieser Äther nicht länger benötigt wird und das überwältigende Drängen der schließlich allumfassenden Attraktion endlich just so stark sein wird, ihn aufzutreiben: — wenn, sage ich, die Materie endlich den Äther ausgetrieben haben und zur absoluten Einheit zu¬rückgekehrt sein wird — so wird sie (um es für den Augenblick paradox auszudrücken) Materie ohne Attraktion und ohne Repulsion sein — mit anderen Worten: Materie ohne Materie — noch anders gesagt: nicht mehr Materie. Indem sie in die Einheit versinkt, sinkt sie mit eins in das Nichts, das die Einheit für jede endliche Vernunft sein muss — in das Nichtsein der Materie, aus der sie für unsere Fassungskraft einzig und allein hervorgerufen sein kann — geschaffen durch den Willen Gottes.

Ich wiederhole also: bemühen wir uns zu verstehen, dass die letzte Kugel der Kugeln augenblicklich verschwinden wird und dass Gott bleibt: alles in allem.

Aber soll es hier aufhören? Nicht doch. Wir können getrost annehmen, dass auf die Zusammenballung und Auflösung des Weltalls eine neue und vielleicht völlig andere Reihe von Zuständen folgt — eine andere Schöpfung und Ausstrahlung, die in sich selbst zurückkehrt — eine andere Aktion und Reaktion des göttlichen Willens. Lassen wir unsere Phantasie von dem allwaltenden Gesetz der Gesetze, dem Gesetz der periodischen Wiederkehr leiten, sind wir dann nicht fürwahr mehr als berechtigt, des Glaubens zu leben — sagen wir lieber: die Hoffnung zu hegen — dass die Vorgänge, denen wir hier nachzusinnen wagten, ewig und ewig und ewig erneut werden; dass ein neues Weltall ins Dasein schwillt und dann in Nichts zerfällt — bei jedem Schlage des Gottesherzens?

Nun aber dieses Gottesherz — was ist es? Es ist unser eigenes.

Möge die scheinbare Ehrfurchtlosigkeit dieses Gedankens unsere Seelen nicht scheuchen — prüfen wir ihn kühl und bewusst — in tief geruhsamer Selbsterforschung — nur so können wir hoffen, dass diese wundervollste Wahrheit zu uns kommt und still und mächtig unser eigen wird.

Die Erscheinungen, auf die an dieser Stelle unsere Schlüsse bauen, sind nur seelenhafte Schatten, aber darum doch von Grund aus gegenständlich.

Wir wandeln dahin, unter den Losen unseres Weltenseins, umkreist von dunklen und doch niemals schwindenden Erinnerungen an ein größeres Los — weit, weit in vergangenen Zeiten — unendlich heilig, unendlich furchtbar.

Wir verleben eine Jugend, die seltsam heimgesucht von solchen Träumen ist; doch nicht als Träume nehmen wir sie hin. Wir wissen es —: es sind Erinnerungen. So lange wir jung sind, ist der Unterschied zu hell, als dass wir nur einen Augenblick uns täuschen könnten.

Solange diese Jugend dauert, ist das Gefühl, dass wir leben, das natürlichste aller Gefühle. Wir verstehen es von Grund aus. Dass es eine Zeit gegeben haben solle, wo wir nicht lebten — oder dass es so hätte kommen können, dass wir überhaupt nie gelebt hätten – das sind fürwahr Betrachtungen, die wir in dieser Jugend schwer verstehen. Warum wir nicht leben sollten. die Frage ist, bis zum Beginn unseres Mannesalters, von allen am wenigsten zu beantworten. Leben – Leben an und für sich – Leben von jeher und in alle Ewigkeit — das scheint, bis zum Beginn des Mannesalters, der selbstverständliche Zustand scheint es, weil er es ist.

Doch nun kommt die Zeit, wo konventionelle Weltweisheit uns aus der Wahrheit unsres Traums erweckt. Zweifel, Staunen und Nichtfassenkönnen stellen sich gleichzeitig ein. Sie sagen: — »Du lebst, und es gab eine Zeit, wo du nicht lebtest. Du bist erschaffen worden. Es gibt einen Geist, der größer ist als der deine; und durch diesen Geist nur lebst du überall.« Diese Dinge zu fassen, ringen wir und können nicht können nicht, weil diese Dinge, unwahr wie sie sind, auch niemals zu begreifen sind.

Es lebt kein denkender Mensch, der nicht einmal, in einem lichten Momente seines Gedankenlebens, sich inmitten der Brandung vergebenen Bemühens verloren gefühlt hätte, zu fassen, zu glauben, es gebe irgend etwas, das größer sei, als seine eigene Seele. Die äußerste Unmöglichkeit, dass irgendeines Menschen Seele eine andere je über sich stellte; die schneidende, erschütternde Unlust und Empörung gegen diesen Gedanken — das alles und dazu das allerfüllende Streben nach Vollendung ist nur das geistige, mit dem Materiellen zusammenfallende Ringen der ursprünglichen Einheit — ist, für meinen Geist wenigstens, ein Zeugnis, das bei weitem alles hinter sich lässt, was der Mensch Beweis nennt, ein Zeugnis, dass keine Seele geringer ist, als eine andere — dass nichts größer ist, größer sein kann als irgendeine Seele — dass jede Seele, als Teil, ihr eigener Gott, ihr eigener Schöpfer ist: — mit einem Wort: dass Gott — der materielle und geistige Gott — jetzt einzig und allein in der zerstreuten Materie und dem zerstreuten Geist des Weltalls existiert; und dass die Wiedervereinigung dieser zerstreuten Materie und dieses zerstreuten Geistes nur die Wiederherstellung des rein geistigen und individuellen Gottes ist.

In dieser Deutung, und nur in dieser Deutung, begreifen wir die Rätsel göttlicher Ungerechtigkeit — unerbittlichen Schicksals. In dieser Deutung allein wird das Dasein des Übels begreiflich: in dieser Deutung aber wird es mehr —: erträglich. Unsere Seelen empören sich nicht länger gegen ein Leid, das wir selber uns selber auferlegt haben zur Förderung unserer eigenen Ziele — mit dem Ausblick — wenn auch nur flüchtigen Ausblick — auf die Vergrößerung unserer eigenen Freude.

Ich habe von den Erinnerungen gesprochen, die uns in unsrer Jugend heimsuchen. Manchmal folgen sie uns auch noch in unser Mannesalter: — nehmen mehr und mehr bestimmte Züge an: — reden dann und wann mit leisen Stimmen zu uns — also sprechend:

»Es war einmal in der Nacht der Zeiten, da gab es ein Wesen, das noch da ist — eines aus der absolut unendlichen Zahl ähnlicher Wesen, die die absolut unendlichen Bezirke des absolut unendlichen Raumes bevölkern. Es stand nicht und steht nicht in der Macht dieses Wesens — so wenig wie in eurer eigenen – durch tatsächliches Wachstum die Freude seines Daseins zu vergrößern; aber gerade wie es in eurer Macht steht, eure Genüsse auszudehnen oder einzuschränken (wobei die Summe des Glückes immer dieselbe bleibt), so eignete und eignet das gleiche Vermögen diesem göttlichen Wesen, das seine Ewigkeit in beständiger Abwechslung zwischen dem in sich zurückgezogenen Selbst und der fast unendlichen Selbst-Zerstreuung hinbringt. Was ihr das Weltall nennt, ist nur sein gegenwärtiger Zustand: Ausdehnung.

Er fühlt jetzt sein Leben in einer Unendlichkeit unvollkommener Freuden — der teilweisen und schmerzvermengten Freuden der unbegreiflich zahllosen Dinge, die ihr als seine Geschöpfe bezeichnet, doch die in Wahrheit nur unendliche Individualisierungen seiner selbst sind. All diese Geschöpfe - alle - die ihr belebt nennt, und ebenso die, denen ihr das Leben absprecht aus keinem besseren Grunde, als weil ihr keine Wirksamkeit ihres Lebens gewahret – all diese Geschöpfe haben, in größerem oder geringerem Grade, ein Vermögen für Lust und für Schmerz: — die Gesamtsumme ihrer Empfindungen aber ist genau dieselbe Menge Glück, die von Rechts wegen dem göttlichen Wesen zukommt, wenn es sich in sich selbst zurückgezogen hat.

Diese Geschöpfe sind alle mehr oder weniger bewusst; bewusst, erstlich ihres eigenen Selbst; bewusst, zweitens und nur durch schwaches, verschwimmendes Ahnen, der Identität mit dem göttlichen Wesen, von dem wir sprechen — der Identität mit Gott. Man stelle sich vor, dass von diesen zwei Arten des Bewusstseins während der langen Reihe von Zeiten der Zeiten, die vergehen müssen, bevor diese Myriaden individueller Geistwesen in Eins verschmelzen – wenn die strahlenden Sterne in Eins verschmelzen – die erstere schwächer, die letztere stärker wird. Man denke sich, dass der Sinn für die individuelle Identität allmählich untertaucht in das allgemeine Bewusstsein — dass der Mensch zum Beispiel unmerklich aufhört, sich als Mensch zu fühlen, und schließlich den überwältigend sieghaften Moment erreicht, wo er sein Dasein als das Jehovas erkennt. Mittlerweile bewahrt es in eurer Seele, dass alles Leben ist — Leben — Leben in Leben — das kleinere im größeren — und alles im göttlichen Geiste.« S. 148-182
Aus: Heureka und Romantische Erzählungen von Edgar Allan Poe, Band II der Werke Edgar Allan Poes im Verlag J.C.C.Bruns Minden in Westfalen 1922