August Graf von Platen (1796 – 1835)
eigentlich: Karl August Georg Maximilian Graf von Platen-Hallermünde

  Deutscher Dichter, zuerst die Offizierslaufbahn einschlug und dann (seit 1818) Sprachen und Literatur in Würzburg und Erlangen studierte. Als Dichter forderte Platen anstelle der romantischen Formauflösung noch einmal die makellose Vollkommenheit von Form und Gestalt. In seiner Lyrik bevorzugte er so anspruchsvolle Formen wie die des Ghasels, der Ode und des Sonetts.

Siehe auch Wikipedia

 

Inhaltsverzeichnis
Licht , Was soll ich? , Freiheit ,
An die Neue Schule , Es sei gesegnet, wer die Welt verachtet ,
Das Leben ein Traum ,
Das ist der wirkliche Schöpfungstag, an dem entstand die Schönheit

Wißt, daß Allah jedem Irdischen irgend eine Kraft verlieh



Licht

Licht, vom Himmel flammt es nieder,
Licht, empor zum Himmel flammt es;
Licht, es ist der große Mittler
Zwischen Gott und zwischen Menschen;
Als die Welt geboren wurde,
Ward das Licht vorangeboren,
Und so ward des Schöpfers Klarheit
Das Mysterium der Schöpfung;
Licht verschießt die heil‘gen Pfeile
Weiter immer, lichter immer,
Ahriman sogar, der dunkle,
Wird zuletzt vergehn im Lichte
. S.21
Aus: August von Platen, Gedichte, Auswahl und Nachwort von Heinrich HenelReclams Universalbibliothek Nr. 291, © 1968 Philipp Reclam jun., Stuttgart.
Veröffentlichung auf Philos-Website mit freundlicher Erlaubnis des Reclam Verlages

Was soll ich?
Noch im wollustvollen Mai des Lebens,
Wo die Seele sonst Entschlüsse sprüht,
Fühl ich in der Wärme meines Strebens,
Wie mein Lebenselement verglüht.
Nicht ein Windstoß, ein belebend warmer,
Meine Haare kräuselnd, weht mich an;
Leer und träge schifft ein Tatenarmer
Übern stillen Vater Ozean.

Was ich soll? Wer löst mir je die Frage?

Was ich kann? Wer gönnt mir den Versuch?
Was ich muß? Vermag ich‘s ohne Klage?
So viel Arbeit um ein Leichentuch!
Kommt und lispelt Mut ins Herz mir, zarte
Liederstimmen, die ihr lange schlieft,
Daß ich, wie ein Träumer, nicht entarte,
In verlorne Neigungen vertieft
. S.23
Aus: August von Platen, Gedichte, Auswahl und Nachwort von Heinrich Henel Reclams Universalbibliothek Nr. 291, © 1968 Philipp Reclam jun., Stuttgart.
Veröffentlichung auf Philos-Website mit freundlicher Erlaubnis des Reclam Verlages


Freiheit
Im Leben fühl ich stets, ich weiß nicht, welche Qual?
Gefahren ohne Maß! Gedanken ohne Zahl!
An Harmonie gebricht‘s den Formen um mich her,
Mir schauert‘s im Gemach, mir wird‘s zu eng im Saal!
Und tret ich auch hinaus, erholt sich kaum der Blick:
Was türmt sich im Gebürg? was schlingt sich im Getal?
Die Sterne sind so fern! die Blumen sind so tot!
Die Wolken sind so grau! die Berge sind so kahl!
Wie sollte die Natur befried‘gen ein Gemüt,
Die heute frisch und grün, die morgen welk und fahl?
Wohl ist, sobald das Ich sich schrankenlos ergeht,
Die Erde viel zu klein, der Himmel viel zu schmal!
Und auch gesell‘ges Glück erfüllt noch nicht das Herz,
Es wechsle das Gespräch! Es kreise der Pokal!
Und ach! Die Liebe selbst? Erwart ich noch vielleicht
Befriedigung von ihr, die mir den Frieden stahl?
Du aber, wer du seist, o send in meine Brust,
Wie einen glühnden Pfeil, den schöpferischen Strahl!
Dann ist die Seele voll und eingelullt der Schmerz,
Das Ich, es fühlt sich frei, wiewohl ihm fehlt die Wahl!
Und wenn der Lipp‘ entstürzt in Strömen der Gesang,
Verbindet Welt und Ich sein silberner Kanal
. S.39
Aus: August von Platen, Gedichte, Auswahl und Nachwort von Heinrich Henel Reclams Universalbibliothek Nr. 291, © 1968 Philipp Reclam jun., Stuttgart.
Veröffentlichung auf Philos-Website mit freundlicher Erlaubnis des Reclam Verlages


An die Neue Schule
Tadelt ihr mich, daß ich noch die homerischen Götter beschwöre?
Daß ich zu griechischer Form flüchtete, tadelt ihr mich?
Leider gelang mir‘s nie, euch selbst zu verstehn und das Eure,
Nicht den andächtigen Sinn, nicht das Geklingel des Schalls.
Möge der Pöbel sich freun an der Trommel der Janitscharen;
Aber ein feineres Ohr huldige feinerem Klang!
Laßt das Volk sich erbaun am anachoretischen Wahnsinn,
Wollt ihr Märchen, so zieht frömmigen sinnige vor!
Deutsche rühmt ihr zu sein und verachtet die fremden Gebilde;
Doch wer anders als ihr habt uns die Sprache verletzt?
Fühltet ihr nicht, daß sie stets tonlos im spanischen Halbreim,
Matt im geschraubten Sonett, leer in den Glossen an Geist?
Atmen melodisch die südlichen Töne verströmenden Wohllaut,
Gleichen die unsrigen doch wirbelnden Wassern im Sturz.
Aber ihr nahmt den Gesängen das Maß, und der Rede die Klarheit,
Aber der herrische Reim flüstert Gedanken euch zu.
Christlich verschmäht ihr und stolz die erhabene Schar des Olympus,
Reißt die Kamöne‘ hinweg von dem kastalischen Quell.
Fort mit verjährtem Betruge! so ruft ihr, und gebt zum Ersatz uns
Gütig den mönchischen Wust frommer Erfindungen preis,
Wechselt die Ilias gern um den Folioschatz der Legende,
Und die Reliquie nimmt, statt der Antike, Besitz.
Doch ihr entthront die Unsterblichen nicht; und sie werden noch heute
Zum unerschöpflichen Ruhm bildender Hände verehrt.
Ewig besteht, was ein glückliches Volk in der Blüte der Zeit schuf,
Aber der finstere Wahn trauriger Tage vergeht.
Recht hat jegliche Zeit; zwar gönnen wir jeglicher Ehre,
Doch was dem Ahne geziemt, ziemet dem Enkel nicht mehr.
Kaum noch erwachte die Welt aus dumpfer Jahrhunderte Schlummer,
Lockt ihr sie wieder zurück, wieder zur Höhle des Schlafs.
Ehrfurcht wehrt es der Kunst, zu berühren das ewige Rätsel,
Und sie erwählte dafür lieblicher Bilder Gewand:
Doch ihr, Frömmelnde, seid‘s, die den unaussprechlichen Weltgeist,
Ihn, den unendlichen Gott, nieder zum Jupiter ziehn
. S.135f.
Aus: August von Platen, Gedichte, Auswahl und Nachwort von Heinrich Henel Reclams Universalbibliothek Nr. 291, © 1968 Philipp Reclam jun., Stuttgart.
Veröffentlichung auf Philos-Website mit freundlicher Erlaubnis des Reclam Verlages

Es sei gesegnet, wer die Welt verachtet,
Denn falscher ist sie, als es Worte malen:
Sie sammelt grausam unsern Schmerz in Schalen,
Und reicht zum Trunk sie, wenn wir halb verschmachtet.
Mir, den als Werkzeug immer sie betrachtet,
Mir preßt Gesang sie aus mit tausend Qualen,
Läßt ihn vielleicht durch ferne Zeiten strahlen,
Ich aber werd als Opfertier geschlachtet.
O ihr, die ihr beneidetet mein Leben,
Und meinen glücklichen Beruf erhobet,
Wie könnt in Irrtum ihr so lange schweben?
Hätt‘ ich nicht jedes Gift der Welt erprobet,
Nie hätt‘ ich ganz dem Himmel mich ergeben,
Und nie vollendet, was ihr liebt und lobet
. S.137
Aus: August von Platen, Gedichte, Auswahl und Nachwort von Heinrich Henel Reclams Universalbibliothek Nr. 291, © 1968 Philipp Reclam jun., Stuttgart.
Veröffentlichung auf Philos-Website mit freundlicher Erlaubnis des Reclam Verlages


Das Leben ein Traum
Was uns Trost und Mut kann geben,
Um hienieden gern zu säumen?
Daß wir leben, wenn wir träumen,
Daß wir träumen, wenn wir leben.
Daß, sobald wir schlummernd liegen,
Wir das eitle Selbst entbehren,
Während uns aus andern Sphären
Ahnungsvolle Schauer wiegen.
Daß wir nach durchbüßten Strafen,
Nach durchrungenen Beschwerden
Hoffen dürfen, wach zu werden,
Wo wir ehmals eingeschlafen.
Laßt uns drum nach heil‘gen Räumen
Mutig und getröstet streben,
Weil wir träumen, wenn wir leben,
Weil wir leben, wenn wir träumen
. S.29
Aus: August von Platen, Wer wußte je das Leben? Ausgewählte Gedichte, insel taschenbuch it 1713


Das ist der wirkliche Schöpfungstag, an dem entstand die Schönheit;
Den Koran malte Muhammeds Hand, doch Gottes Hand die Schönheit;
Als Säulen türmte Zypressen sie zum Tempelbau der Luft auf,
Und rein entzündete Rosen-Glut und Tulpen-Brand die Schönheit;
Nicht schämen wir des geliebten Frons, der über uns verhängt, uns,
Der Kette weihen wir Kuß auf Kuß, mit der uns band die Schönheit;
Der Himmel sendet die Wolken weg, entschleierst du das Antlitz,
Was kann er wollen? Er ist dahin, es überwand die Schönheit;
Der Schenke setzte den leichten Fuß auf unsern Nacken siegreich,
Und Moschus duftete jedes Haar, auf welchem stand die Schönheit;
Weh dem, der wider das Weltgeschick mit Übermut sich auflehnt,
Wir folgen willig, und lockte bis — zu Grabes Rand die Schönheit;
Der liebeglühenden Trunkenheit gehorchen wir, wie Hafis,
Auch ihn betrog sie um guten Ruf und um Verstand, die Schönheit
. S.104f.
Aus: August von Platen, Wer wußte je das Leben? Ausgewählte Gedichte, insel taschenbuch it 1713

Wißt, daß Allah jedem Irdischen irgend eine Kraft verlieh:
Völlig war die Mondenkugel, der Prophet zerteilte sie
Wenn du keine Monde spaltest, ach, du spaltest jedes Herz,
Deine Wange Tulpengarten, deine Rede Melodie;
Meine wunde Stirne leg ich auf die Schwelle deiner Tür
Rede stehen hundert Lieder, wenn du fragst, warum und wie?
Meine Gabe sind Gedanken ohne Ziel und ohne Zaum,
Töricht wäre zu verschweigen, was im Busen vollgedieh;
Der Verliebte zwar, der Trunkne, guten Namen büßt er ein,
Aber wer nicht Alles opfert, besser dem, er lebte nie;
Wähnt ihr mich von Lust befangen, mich von Trunkenheit entmannt?
Wer in schnöder Fessel schmachtet, spricht er Worte, kühn wie die?
Einen weiß ich, mögt ihr alle mich verdammen, weiß ich doch,
Wen ich tausendmal verletzte, wer mir tausendmal verzieh;
Sieh mich hier im Staub, und setze deine Ferse mir aufs Haupt,
Mich, den letzten von den letzten deiner letzten Sklaven sieh!
Rauhes Deutsch nur kann ich stammeln, auszubreiten deinen Ruhm,
Lebte Hafis, er besänge dich melodisch auf Deri.
S.115
Aus: August von Platen, Wer wußte je das Leben? Ausgewählte Gedichte, insel taschenbuch it 1713