Péter Pázmány (1570 - 1637)

  Ungarischer Philosoph und Theologe, der - obwohl Sohn kalvinistischer Eltern - unter dem Einfluss seiner katholischen Stiefmutter und des Jesuiten István Szántó in das Jesuitenkolleg zu Klausenburg eintrat, Ordensmitglied wurde und den katholischen Glauben annahm. In Wien und Rom, wo Robert Bellarmin sein Lehrer war, erhielt er seine theologische Ausbildung. Nach Beendigung seiner Studien kam er auf Berufung Erzherzogs Karl nach Graz. Hier lehrte er an der Universität vorerst Philosophie (1597—1601), dann Theologie (1603—7). Pázmány bot dem protestantischen Polemiker István Magyari Paroli, der in allem Unheil in Ungarn – wie Türkenplage und Sittenverfall – eine Gottesstrafe sah, die wegen des »katholischen Götzendienstes« auf dem Land laste und wurde so zum größten Kämpfer und mächtigsten Vertreter der katholischen Restauration im geistigen Leben Ungarns. 1635 gründete er in Nagzyszombat (Tyrnau) eine Universität, die später nach Budapest verlegt wurde. Pázmány übersetzte lateinische Religions- und Gebetsbücher, darunter »Die Nachfolge Christi« von Thomas von Kempis, ins Ungarische und schrieb neue, in denen er die Herrlichkeit Gottes der menschlichen Unvollkommenheit gegenüber stellt und zur Demut mahnt. Pázmány die will die katholische Lehre in einer volkstümlichen Sprache vermitteln. Angereichert mit Sprichwörtern und Bildern aus der Natur, ist seine Schreibweise humorvoll, klar und leicht verständlich. Die wichtigste dieser Schriften ist der »Wegweiser zur göttlichen Wahrheit«, aus dem die folgenden Textauszüge stammen.

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Der »Wegweiser zur göttlichen Wahrheit«
Vorwort
Aufbau und Inhalt der in diesem Buche zusammengefaßten Wahrheit
Gemäß den wahrhaftigen Tatsachen unserer Sünden sehen wir mit unseren Augen und fühlen wir mit unseren Händen jene Dinge, die man — hörten wir nur eine Kunde von ihnen — vielleicht gar nicht glauben würde. Nachdem nämlich in unserem von so vielen Gefahren heimgesuchten, fast zur Asche gewordenen geliebten Heimatland das Band der christlichen Einheit zerrissen war und sich alle Übel verbreiteten, erfasste die Menschen eine so dunkle Blindheit, daß sie die Kenntnis der wahren Religion und das Streben nach christlicher Vollkommenheit für das geringste Anliegen hielten. Ich sprach mit einem Mann vornehmen Standes, der behauptete, der Mensch könne sowohl durch den türkischen wie durch den jüdischen Glauben selig werden. Ich kannte einen Gelehrten, der, bevor er sich zum alten wahren Glauben bekannte, daran festhielt, dass auch ohne die Heilige Schrift die Ethik des Aristoteles für die Vollkommenheit des Menschen genüge. Daraus ist zu erkennen, wie sehr Lirinensis recht hatte, wenn er sagte: Verwirft man nur ein Kapitel der Lehre der Heiligen Kirche, so macht man die gesamte christliche Wissenschaft unsicher. Denn der Glaube ist wie ein Ring, der — ist er nur an einer kleinen Stelle unterbrochen — nicht fest am menschlichen Finger bleiben kann; er ist wie eine Glocke, die mit dem kleinsten Spalt ihren Klang verliert. Sei ein Irrtum auch noch so gering, so ist er wie ein Keil, dessen Spitze schmal ist, und wenn man ihn in den Baumstamm schlägt, verursacht er eine große Spalte; wird er noch mehr und tiefer hineingeschlagen, hinterlässt er umso größere Spalten, und schließlich sprengt er auch den noch so alten Balken.

Als ich deshalb lange darüber nachdachte, wie man den Irrlehren Einhalt gebieten könnte, fiel mir der Spruch des Heiligen Augustinus ein: Der kluge Mensch kämpft nicht gegen die Klugheit, der Christ nicht gegen die Heilige Schrift und der Friedliebende nicht gegen die Heilige Kirche. Deshalb entschloss ich mich auch zu diesen drei Beweisführungen: ich wandte die Stärke dieser drei für die Vertilgung der neuen Glaubensrichtungen an und teilte mein Werk in drei Kapitel.

Im ersten Teil zeige ich, von der in der Natur gepflanzten Weisheit geleitet, dass die Welt einen Schöpfergott hat, den wir mit dem wahren Glauben und mir der wahren Religion zu ehren haben; dieser wahre Glaube ist jedoch außerhalb der Christenheit nicht zu finden. Da jedoch unter der Fahne der Christenheit verschiedene feindliche Parteien miteinander herumstreiten, werde ich auch das klar beweisen, dass jene, die den christlichen Namen führen, aus menschlicher Klugheit oder eigener Einsicht oder aus den Fundamenten der Heiligen Schrift — die sie selbst anerkennen — offen erklären, dass die von der römischen Kirche abgetrennten Religionen nicht wahr und Gott nicht gefällig sein können.

Im zweiten Teil führe ich vorerst die Wurzeln der Uneinigkeiten innerhalb der Christen an. Danach zeige ich gewisse Wege, diese zu beseitigen. Indem ich die Würde der Ecclesia zeige, beweise ich, dass allein die römische Kirche die wahre Ecclesia ist, gegen deren Lehre sich niemand auflehnen darf. Auch die Würde der römischen Päpste unterstreiche ich mit festen Beweisen.

Im dritten Teil weise ich an einigen namhaften Dingen, die besonders zu Streitigkeiten geführt haben, nach, dass die Heilige Schrift den Neuerem nirgends günstig ist, ja sogar, wenn man sie weise zusammenfasst und nicht nach unnützen Klügeleien verdreht, und wenn man sie in ihrem klaren Fluss mit ihrem ursprünglich eingewurzelten Sinn behält, in allen Fragen unsere Lehre bekräftigt.

Aus dem »Ersten Teil«
Die großen Vorteile der Luft deuten auf die Erkenntnis des weisen Schöpfers; deshalb müssten wir, sooft wir durch den Atem das Schlagen unseres Herzens erfrischen, unserem Schöpfer Dank sagen.

Das erste Wunder des Luftmeeres sind die Winde, deren Ursprung und Ursache für die Weisheit der Welt ein Rätsel bleibt. Nach dem Spruche Salomons nämlich »Ignoras quae sit via spiritus«, kann niemand den Weg der Winde kennen; wir wissen nur, daß Gott aus seiner Vorratskammer die Winde hervorlässt und
»in voluntate eius aspirat Notus«, sie wehen nach seinem Willen.

Das zweite Wunder des Lufthimmels sind Regen, Tau und Schnee; alle begießen die dürre Erde. Von ihnen sagt die Schrift, sie stammen aus Gottes Kammer, und Er ist der Urheber des Regens. Er befiehlt dem Regen, dem Schnee, daß sie beginnen, dorthin zu fallen, wohin sie Gottes Zügel lenken. Jeremias schreibt, daß Gott aus der Erde die Wolken in die Höhe zieht; bei dem Propheten Amos lesen wir, daß Gott das Wasser des Meeres aufruft und damit die Erde begießt.

Wenn der Dampf des heißen Wassers in einem vollen Topf an den Deckel drückt, so verdichtet er sich zu winzigen Tropfen; stellt man Rosenwasser oder Weinbrand her, so wird der dampfende Dunst der Feuchtigkeit von der Wärme aufgehoben, und kühlt er ab, so tropft er wieder herunter. Damit auf diese Weise der Regen in Tropfen falle, erschuf Gott den mittleren Teil des Lufthimmels kalt, was jeder feststellen kann, der im Hochsommer auf die hohen Alpen steigt. Hebt also die Sonnenwärme aus der Erde und aus den Gewässern den Dampf und den Dunst in die kalten Schichten der Luft, so kühlt er ab und fällt in Tropfen herunter. Entstehen in der Morgendämmerung so dünne Dunstteilchen, daß sie nicht aufzuheben sind, so verdichten sie sich durch die Kühle der Nacht und bringen Tau und Frost je nach dem Stand der Zeiten.

Darin sehe ich zwei Wunder Gottes. Einmal: Obwohl der mittlere Teil der Lufthülle der Sonne näher steht als der untere, ist dieser trotzdem kühler. Zweitens: Der Regen strömt nicht in Wassermassen, sondern in Tropfen herunter. Von diesen Dingen spricht die Heilige Schrift des öfteren und preist daraus die Macht und die Weisheit Gottes, da Er Wasser und Wolken an den Himmel bindet und das Wasser wie durch ein Sieb reinigt und in Tröpfchen auf die Erde läßt. Dies überlegend, sagte ein heidnischer Weiser, er kennte kein größeres Wunder, als dass die Wolken das Wasser halten können:
»Quid mirabilius aquis in coelo stantibus? «

. . . Die Wunder der fließenden Gewässer sind noch größer. Bist du irgendwo bei einer Quelle stehen geblieben, sagt der Heilige Basilius, und hast deren unendliches Fließen überlegt, hast du dann darüber nachgedacht, wo der Ursprung all dessen sei? Wo häuft sich das viele Wasser, das seit so vielen Jahren nicht versiegt? Warum kann es nicht den Raum füllen, wohin es ewiglich fließt? Daraus kannst du die Kraft Gottes verstehen, dessen Wort all das verursacht. Und der Engel ruft: Es ist würdig, Gott zu fürchten, zu preisen und mit Dankbarkeit den zu verehren, der die Quellen schuf.

. . . In der Erde und in den Früchten der Erde sind Spuren der göttlichen Weisheit und Pracht, und sie kann nur der erkennen, der diese schuf und ausgeschmückt hat. . . Die im Erdinneren entstandenen Erze, die langsamen und unauslöschlichen Feuer, welche die Warmquellen unterirdisch erwärmen, nicht zu erwähnen, kann auch ein kleiner Grashalm, der Zustand eines Fruchtbaumes die Macht der göttlichen Weisheit erkennen lassen. Betrachte einmal — sagt der Heilige Basilius — wieviel Knoten ein Weizenhalm aufweist, damit er die volle Ähre halten kann! Ein Haferhalm hat keine solche kleinen Kniee, da der Hafer leicht ist und zum Hal-en keine große Kraft nötig hat. Beobachte, mit wieviel Hüllen und mit welch spitzen Ährensperren wie mit einem Schutzzaun Er das Weizenkorn umgab, damit Vögel und Insekten nicht dazu kämen! Denke an die verästelten Wurzelfundamente der mächtigen Bäume, die gegen Wind und Sturm den Baum an die Erde fesseln, den Hunderte von Menschen nicht gerade halten könnten! Erinnere dich, auf welche Weise zur Frühlingszeit die Bäume grünen, wie die Äste in geheimnisvolle und unbegreifliche Kanäle die Feuchtigkeit aufsaugen und daraus neue Äste, Blätter und Früchte formen!

Die unvernünftigen Tiere zeugen noch klarer von der Weisheit und Vorsehung Gottes. Obwohl sie keinen Verstand besitzen, den Anfang und das Ende der Dinge nicht überlegen können, besorgen sie dennoch, wenn sie etwas beginnen, mit so viel Sinn ihre Nahrung, ihre Fortpflanzung und ihren eigenen Schutz, als ob sie mit weiser Klugheit ausgestattet wären. Der weise Gott hat es ihnen eingegeben, was sie tun sollen, und wie der Heilige Thomas schreibt, Gott lenkt und führt sie, dass sie sich so verhalten, als ob sie klug wären . . .

Wenn in den unvernünftigen Tieren die Macht und Weisheit Gottes so klar hervortreten, wie sehr dann erst beim Menschen! . . .

Es wäre ein unendliches Bemühen, Gottes leuchtende Weisheit im menschlichen Körper und in der menschlichen Seele aufzuzählen. Er formte wunderbar aus hässlicher Erde einen so schönen Körper mit so viel verschiedenen Gliedern, bereicherte ihn mir wunderbarer Empfindlichkeit und stattete ihn zu jeder Tat mit den notwendigen Mitteln aus. Wenn nur eine Minderung oder Änderung eines Teilchens eintritt, so wird er für eine bestimmte Arbeit und nützliche Tat als unfähig befunden. Galenus kann sich nicht genug über die meisterhafte Ordnung des menschlichen Auges, des Gehirnes und des Herzens verwundern; er ist erstaunt über die Ernährungsweise des menschlichen Körpers, über die Verdauungskraft des Magens, über die Verteilung des Blutes in allen Gliedern durch die vielen kleinen Aderkanäle.

Wer könnte den unendlichen Puls, die Bewegung der Arterien erklären, wonach die Ärzte über den Gesundheitszustand ihre Feststellungen machen? Dass unser Gehirn ständig arbeitet, unsere Herzspitze sich unendlich und unermüdlich ausdehnt und zusammenzieht, die Lunge Tag und Nacht in Bewegung ist wie ein Blasebalg: wir sehen und spüren es, wir haben auch nicht die Fähigkeit, es zum Stehen zu bringen, doch den Grund oder die Weise können wir nicht erklären... Wir könnten diese und noch unendlich viele Dinge in uns feststellen, doch wissen wir nicht, was und wie sie sind. Allerdings können wir daraus erlernen, wenn wir es auch nicht verstehen, dassüber der menschlichen Weisheit ein vernünftiger Schöpfer steht, der all dies erschuf ...

Die Notwendigkeit des Glaubens
Wie ein Haus nicht ohne Fundament, ein Baum nicht ohne Wurzeln bestehen kann, so kann auch niemand ohne Glauben zur Wahrheit gelangen und die Glückseligkeit erreichen. Der wahre Mensch lebt aus dem Glauben, und es ist unmöglich, ohne Glauben die Gunst Gottes zu erwerben; und wer nicht glaubt, ist schon gerichtet . . . Der Glaube besiegt nämlich die menschliche Klugheit und Weisheit: Wenn auch das äußere Empfinden und die innere Vernunft die Begierden im Menschen noch so sehr wecken, durch den Glauben wird er in Zügeln gehalten. S.94ff.
Enthalten in: Ungarische Geisteswelt. Von der Landnahme bis Babits. Herausgegeben von Johann Andritsch, Holle Verlag , Darmstadt