Paulus (röm. »der Kleine«), jüd. Name: Saulus (um 10 - 64)
Jüdischer
Vertiefer und Verbreiter des Urchristentums, der
aus einer streng jüdischen Familie stammte und das tarsische und das
römische Bürgerrecht erbte. Nach Apg 22,3 war er ein Schüler des berühmten Rabbi Gamaliel
I..Als »Eiferer für die väterlichen
Satzungen« verfolgte er zunächst die ersten Christen (Phil
3, 6; Gal 1, 13 f.), wurde dann aber im Jahre
30 auf dem Wege nach Damaskus in einer Lichtvision, in der
er die Stimme Jesu vernahm, zum christlichen Glauben bekehrt
(Apg 9, 1-20; 22, 6-16; 26, 1-20; Gal. 1, 15). Das Erlebnis hinterließ
einen so tiefgreifenden Eindruck in ihm, dass er nicht nur seine Bekehrung
zum Urchristentum, sondern auch seine Berufung zum Apostel, insbesondere
aber seinen inneren Antrieb zur unermüdlichen Missionstätigkeit
als »Heidenapostel« darauf zurückführte (1.Kor
9, 1; Gal 1, 16). Nach etwa zehnjähriger Missionstätigkeit in Tarsus entsandte ihn die Gemeinde von Antiochia als Begleiter des
Barnabas zur Mission über Zypern nach Süd-Kleinasien
(1. Missionsreise). Auf dem Apostelkonzil gelang es Paulus, die Zustimmung der in der Urgemeinde führenden Männer zur Freiheit
der Heiden vor dem Gesetz (Heidenchristentum). Die
Jahre danach brachten die Ausweitung der Mission nach Makedonien, Korinth
und Ephesus (2. Missionsreise). Als er den Ertrag der von ihm in Mazedonien und Achaia initierten und geförderten
Spendensammlung für die offenbar arme Gemeinde in Jerusalem überbrachte (Röm 15, 26) kam es zur Konfrontation
mit Juden, denen er wegen seiner Lehre von der Freiheit vom Gesetz als gefährlicher
Feind des von Moses überlieferten jüdischen
Gesetzes betrachtet wurde, den es unter allen Umständen zu eliminieren
galt. Er wurde von der römischen Besatzungsmacht verhaftet, dem Statthalter
nach Caesarea überstellt und nach Haft (58—60) und Berufung an den Kaiser zu leichter Haft nach Rom gebracht und dort schließlich (64 unter Nero?)
hingerichtet. Paulus hat den Glauben an Jesus
Christus in die einleuchtende Klaheit überzeugender theologischer
Gedanken gefasst und zugleich die christliche Lehre zu eigener Selbständigkeit
gegenüber der religiösen jüdischen Besonderheit geführt. Der Kreuzestod Christi hatte den alttestamentlich-jüdischen Heilsweg des mosaischen Gesetzes ein für alle Mal außer Kraft gesetzt.
Allein der Tod am Kreuz und die Auferstehung Jesu sind als Heilsgeschehen Grund der Erlösung (Röm 3, 22-25; Gal 3,
13ff.). Auf Geheiß des Vaters ist Jesus auf die Erde gestiegen, hat Menschengestalt angenommen und damit die Herrschaft
von Sünde und Tod zerbrochen (Phil 2, 5-11). Der Glaube, in dem der Mensch in Beziehung zu diesem überweltlichen
Geschehen tritt, ist das Bewusstwerden eines objektiven Vorgangs. Allein durch den Glauben an Jesu Christi kann der
sündige Mensch gerechtfertigt und erlöst werden (Röm 5, 18). Das Heil besteht negativ in der Rettung vor dem
göttlichen Gericht, positiv in der Mitteilung des neuen Lebens in der
Taufe. Durch sie tritt der Gläubige in Lebensgemeinschaft mit dem erhöhten
Herrn und mit ihr in Gemeinschaft mit allen Gläubigen; so entstehe der »Christusleib« der Kirche. Durch
seine Leistung als Missionar, kirchlicher Organisator und Theologe ist Paulus die wohl bedeutendste Gestalt des Urchristentums. Nachwirkungen seiner Theologie finden sich bei Augustinus und Martin
Luther, in neuerer Zeit besonders in der Dialektischen
Theologie (Karl
Barth, Emil Brunner). — Das Fest des heiligen Paulus wird in
der Katholischen Kirche mit dem des heiligen Petrus
seit dem 3. Jahrhundert am 29. 6. begangen. Siehe auch Wikipedia, Heiligenlexikon und Kirchenlexikon |
Inhaltsverzeichnis
Die Berufung
des Paulus
Die
Berufungsvision und Bekehrung des Saulus (Apostelgeschichte
9, 1-19)
Saulus aber schnaubte noch
mit Drohen und Morden gegen die Jünger des Herrn und ging zum Hohenpriester
und bat ihn um Briefe nach Damaskus an die Synagogen, damit er Anhänger
des neuen Weges, Männer und Frauen, wenn er sie dort fände, gefesselt
nach Jerusalem führe.
Als er aber auf dem Wege war und in die Nähe von Damaskus kam, umleuchtete
ihn plötzlich ein Licht vom Himmel; und er fiel auf die Erde und
hörte eine Stimme, die sprach zu ihm:
Saul, Saul, was verfolgst du mich?
Er aber sprach: Herr, wer bist du?
Der sprach:
Ich bin Jesus, den du verfolgst. Steh
auf und geh in die Stadt; da wird man dir sagen, was du tun sollst.
Die Männer aber, die seine Gefährten waren, standen sprachlos da;
denn sie hörten zwar die Stimme, aber sahen niemanden.
Saulus aber richtete sich auf von der Erde; und
als er seine Augen aufschlug, sah er nichts. Sie nahmen ihn aber bei der Hand
und führten ihn nach Damaskus; und er konnte drei Tage nicht sehen und
aß nicht und trank nicht.
Es war aber ein Jünger in Damaskus mit Namen Hananias;
dem erschien der Herr und sprach: Hananias! Und
er sprach: Hier bin ich, Herr.
Der Herr sprach zu ihm: Steh auf und geh in die Straße,
die die Gerade heißt, und frage in dem Haus des Judas nach einem Mann
mit Namen Saulus von Tarsus. Denn siehe, er betet und hat in einer Erscheinung
einen Mann gesehen mit Namen Hananias, der zu ihm hereinkam und die Hand auf
ihn legte, damit er wieder sehend werde.
Hananias aber antwortete: Herr,
ich habe von vielen gehört über diesen Mann, wie viel Böses er
deinen Heiligen in Jerusalem angetan hat; und hier hat er Vollmacht von den
Hohenpriestern, alle gefangen zu nehmen, die deinen Namen anrufen.
Doch der Herr sprach zu ihm: Geh nur hin; denn dieser
ist mein auserwähltes Werkzeug, dass er meinen Namen trage vor Heiden und
vor Könige und vor das Volk Israel. Ich will ihm zeigen, wie viel er leiden
muss um meines Namens willen.
Und Hananias ging hin und kam in das Haus und legte
die Hände auf ihn und sprach: Lieber Bruder Saul,
der Herr hat mich gesandt, Jesus, der dir auf dem Wege hierher erschienen ist,
dass du wieder sehend und mit dem Heiligen Geist erfüllt werdest.
Und sogleich fiel es von seinen Augen wie Schuppen und er wurde wieder sehend;
und er stand auf, ließ sich taufen und nahm Speise zu sich und stärkte
sich.
Die
Lichtvision in der Verteidigungsrede des Paulus
(Apostelgeschichte
22, 1-16)
Ihr Männer, liebe Brüder und Väter, hört mir zu, wenn ich
mich jetzt vor euch verantworte. Als sie aber hörten, dass er auf Hebräisch
zu ihnen redete, wurden sie noch stiller. Und er sprach: Ich bin ein jüdischer
Mann, geboren in Tarsus in Zilizien, aufgewachsen aber in dieser Stadt und mit
aller Sorgfalt unterwiesen im väterlichen Gesetz zu Füßen Gamaliels,
und war ein Eiferer für Gott, wie ihr es heute
alle seid. Ich habe die neue Lehre verfolgt bis auf den Tod; ich band Männer
und Frauen und warf sie ins Gefängnis, wie mir auch der Hohepriester und
alle Ältesten bezeugen. Von ihnen empfing ich auch Briefe an die Brüder
und reiste nach Damaskus, um auch die, die dort waren, gefesselt nach Jerusalem
zu führen, damit sie bestraft würden.
Es geschah aber, als ich dorthin zog und in die Nähe von Damaskus kam,
da umleuchtete mich plötzlich um die Mittagszeit ein
großes Licht vom Himmel.
Und ich fiel zu Boden und hörte eine Stimme, die sprach zu mir:
Saul, Saul, was verfolgst du mich?
Ich antwortete aber: Herr, wer bist du? Und er sprach
zu mir:
Ich bin Jesus von Nazareth, den du verfolgst.
Die aber mit mir waren, sahen zwar das Licht,
aber die Stimme dessen, der mit mir redete, hörten sie nicht.
Ich fragte aber: Herr, was soll
ich tun?
Und der Herr sprach zu mir: Steh auf und geh nach Damaskus.
Dort wird man dir alles sagen, was dir zu tun aufgetragen ist.
Als ich aber, geblendet von der Klarheit dieses
Lichtes, nicht sehen konnte, wurde ich an der Hand geleitet
von denen, die bei mir waren, und kam nach Damaskus.
Da war aber ein gottesfürchtiger Mann, der sich an das Gesetz hielt, mit
Namen Hananias, der einen guten Ruf bei allen Juden
hatte, die dort wohnten.
Der kam zu mir, trat vor mich hin und sprach zu mir: Saul,
lieber Bruder, sei sehend. Und zur selben Stunde konnte ich ihn sehen.
Er aber sprach: Der Gott
unserer Väter hat dich erwählt, dass du seinen Willen erkennen sollst
und den Gerechten sehen und die Stimme aus seinem Munde hören; denn du
wirst für ihn vor allen Menschen Zeuge sein von dem, was du gesehen und
gehört hast. Und nun, was zögerst du? Steh auf und rufe seinen Namen
an und lass dich taufen und deine Sünden abwaschen.
Paulus
schildert Agrippa seine Bekehrung (Apostelgeschichte
26, 1-20)
Agrippa aber sprach zu
Paulus:
Es ist dir erlaubt, für dich selbst zu reden.
Da streckte Paulus die Hand aus und verantwortete
sich:
Es ist mir sehr lieb, König Agrippa, dass
ich mich heute vor dir verantworten soll wegen all der Dinge, deren ich von
den Juden beschuldigt werde, vor allem weil du alle Ordnungen und Streitfragen
der Juden kennst. Darum bitte ich dich, mich geduldig anzuhören.
Mein Leben von Jugend auf, wie ich es von Anfang an unter meinem Volk und in
Jerusalem zugebracht habe, ist allen Juden bekannt, die mich von früher
kennen, wenn sie es bezeugen wollten. Denn nach der allerstrengsten Richtung
unsres Glaubens habe ich gelebt als Pharisäer. Und nun stehe ich hier und
werde angeklagt wegen der Hoffnung auf die Verheißung, die unsern Vätern
von Gott gegeben ist. Auf ihre Erfüllung hoffen die zwölf Stämme
unsres Volkes, wenn sie Gott bei Tag und Nacht
beharrlich dienen. Wegen dieser Hoffnung werde ich, o König, von den Juden
beschuldigt. Warum wird das bei euch für unglaublich
gehalten, dass Gott Tote auferweckt?
Zwar meinte auch ich selbst, ich müsste viel gegen den Namen Jesu
von Nazareth tun. Das habe ich in Jerusalem auch getan; dort brachte
ich viele Heilige ins Gefängnis, wozu ich Vollmacht von den Hohenpriestern
empfangen hatte. Und wenn sie getötet werden sollten, gab ich meine Stimme
dazu. Und in allen Synagogen zwang ich sie oft durch Strafen zur Lästerung
und ich wütete maßlos gegen sie, verfolgte sie auch bis in die fremden
Städte.
Als ich nun nach Damaskus reiste mit Vollmacht und im Auftrag der Hohenpriester,
sah ich mitten am Tage, o König, auf dem Weg ein
Licht vom Himmel, heller als der Glanz der Sonne, das mich und
die mit mir reisten umleuchtete.
Als wir aber alle zu Boden stürzten, hörte ich eine Stimme zu mir
reden, die sprach auf Hebräisch:
Saul, Saul, was verfolgst du mich? Es wird dir schwer sein, wider den Stachel
zu löcken.
Ich aber sprach: Herr, wer bist du?
Der Herr sprach: Ich bin Jesus,
den du verfolgst; steh nun auf und stell dich auf deine Füße.
Denn dazu bin ich dir erschienen, um dich zu erwählen zum Diener und zum
Zeugen für das, was du von mir gesehen hast und was ich dir noch zeigen
will. Und ich will dich erretten von deinem Volk und von den Heiden, zu denen
ich dich sende, um ihnen die Augen aufzutun, dass sie sich bekehren von der
Finsternis zum Licht und von der Gewalt des Satans zu Gott. So werden sie Vergebung
der Sünden empfangen und das Erbteil samt denen, die geheiligt sind durch
den Glauben an mich.
Daher, König Agrippa, war ich der himmlischen
Erscheinung nicht ungehorsam, sondern verkündigte zuerst denen in
Damaskus und in Jerusalem und im ganzen jüdischen Land und dann auch den
Heiden, sie sollten Buße tun und sich zu Gott bekehren
und rechtschaffene Werke der Buße tun.
Die
Offenbarung durch Jesu Christi (Galater
1, 11-17)
Denn ich tue euch kund,
liebe Brüder, dass das Evangelium, das von mir gepredigt ist, nicht von
menschlicher Art ist. Denn ich habe es nicht von einem Menschen empfangen oder
gelernt, sondern durch eine Offenbarung Jesu Christi.
Denn ihr habt ja gehört von meinem Leben früher im Judentum, wie ich
über die Maßen die Gemeinde Gottes verfolgte und sie zu zerstören
suchte und übertraf im Judentum viele meiner Altersgenossen in meinem Volk
weit und eiferte über die Maßen für die Satzungen der Väter.
Als es aber Gott wohlgefiel, der mich von meiner Mutter Leib an ausgesondert
und durch seine Gnade berufen hat, dass er seinen Sohn offenbarte in mir, damit
ich ihn durchs Evangelium verkündigen sollte unter den Heiden, da besprach
ich mich nicht erst mit Fleisch und Blut, ging auch nicht hinauf nach Jerusalem
zu denen, die vor mir Apostel waren, sondern zog nach Arabien und kehrte wieder
zurück nach Damaskus.
Wer ist Gott?
Das unsichtbare
Wesen Gottes (1.
Röm 18-21)
Denn Gottes Zorn vom Himmel
wird offenbart über alles gottlose Wesen und Ungerechtigkeit der Menschen,
die die Wahrheit in Ungerechtigkeit aufhalten.
Denn was man von Gott weiß,
ist ihnen offenbar; denn Gott hat
es ihnen offenbart, damit daß Gottes unsichtbares
Wesen, das ist seine ewige Kraft und Gottheit,
wird ersehen, so man des wahrnimmt, an den Werken, nämlich an der
Schöpfung
der Welt;
also daß sie keine Entschuldigung haben, dieweil sie wußten, daß
ein Gott ist, und haben ihn nicht gepriesen als
einen Gott noch ihm gedankt, sondern sind in ihrem
Dichten eitel geworden, und ihr unverständiges Herz ist verfinstert.
Aus: Die Bibel nach der Übersetzung Martin Luthers
mit Apokryphen in der revidierten Fassung von 1984) Deutsche Bibelgesellschaft
In
ihm leben, weben und sind wir (Apostelgeschichte
17, 24-30)
Gott, der die Welt gemacht hat und alles, was darin
ist, er, der Herr des Himmels und der Erde, wohnt nicht in Tempeln, die mit
Händen gemacht sind. Auch lässt er sich nicht von Menschenhänden
dienen wie einer, der etwas nötig hätte, da er doch selber jedermann
Leben und Odem und alles gibt.
Und er hat aus einem Menschen das ganze Menschengeschlecht gemacht, damit sie
auf dem ganzen Erdboden wohnen, und er hat festgesetzt, wie lange sie bestehen
und in welchen Grenzen sie wohnen solle, damit sie Gott suchen sollen, ob sie
ihn wohl fühlen und finden könnten; und fürwahr, er
ist nicht ferne von einem jeden unter uns. Denn
in ihm leben, weben und sind wir; wie auch einige Dichter bei
euch gesagt haben: Wir sind seines Geschlechts.
Da wir nun göttlichen Geschlechts
sind, sollen wir nicht meinen, die Gottheit sei
gleich den goldenen, silbernen und steinernen Bildern, durch menschliche Kunst
und Gedanken gemacht.
Zwar hat Gott über die Zeit der Unwissenheit hinweggesehen; nun aber gebietet
er den Menschen, dass alle an allen Enden Buße tun.
Gott ist
nicht allein der Juden Gott! (Röm.
3, 29-31)
Ist Gott allein der Juden Gott? Ist er nicht auch der
Heiden Gott? Ja freilich, auch der Heiden Gott.
Sintemal es ist ein einiger Gott, der da gerecht macht die Beschnittenen aus
dem Glauben und die Unbeschnittenen durch den Glauben.
Wie? Heben wir denn das Gesetz auf durch den Glauben? Das sei ferne! sondern
wir richten das Gesetz auf.
Aus: Die Bibel nach der Übersetzung Martin Luthers
mit Apokryphen in der revidierten Fassung von 1984 Deutsche Bibelgesellschaft
Von
der Weisheit Gottes, die im Geheimnis verborgen ist (1.
Kor. 2, 6-9)
Wovon wir aber reden, das ist dennoch Weisheit bei den
Vollkommenen; nicht eine Weisheit dieser Welt, auch
nicht der Herrscher dieser Welt, die vergehen.
Sondern wir reden von der Weisheit Gottes, die
im Geheimnis verborgen ist, die Gott
vorherbestimmt hat vor aller Zeit zu unserer Herrlichkeit, die keiner
von den Herrschern dieser Welt erkannt hat; denn wenn sie die erkannt hätten,
so hätten sie den Herrn der Herrlichkeit nicht
gekreuzigt.
Sondern es ist gekommen, wie geschrieben steht: »Was
kein Auge gesehen hat und kein Ohr gehört hat und in keines Menschen Herz
gekommen ist, was Gott bereitet hat denen, die ihn lieben.«
(Jesaja 64,3)
Der Geist
erforscht auch die Tiefen der Gottheit (1.
Kor. 2, 10-15)
Uns aber hat es Gott
offenbart durch seinen Geist;
denn der Geist erforscht alle Dinge, auch die Tiefen
der Gottheit.
Denn welcher Mensch weiß, was im Menschen ist, als der Geist
des Menschen, der in ihm ist? Also auch weiß niemand, was in Gott
ist, als der Geist Gottes.
Wir aber haben nicht empfangen den Geist
der Welt, sondern den Geist aus Gott, daß
wir wissen können, was uns von Gott gegeben
ist; welches wir auch reden, nicht mit Worten, welche menschliche Weisheit lehren
kann, sondern mit Worten, die der heilige Geist
lehrt, und richten geistliche Sachen geistlich.
Der natürliche Mensch aber vernimmt nichts
vom Geist Gottes; es ist ihm eine Torheit,
und er kann es nicht erkennen; denn es muß
geistlich gerichtet sein.
Der geistliche aber richtet alles, und wird von niemand
gerichtet.
Aus: Die Bibel nach der Übersetzung Martin Luthers
mit Apokryphen in der revidierten Fassung von 1984 Deutsche Bibelgesellschaft
Unbegreiflichkeit
und Unerforschlichkeit der Wege Gottes (Römer
3, 33-36)
O welch eine Tiefe des Reichtums, beides, der Weisheit
und der Erkenntnis Gottes! Wie unbegreiflich
sind seine Gerichte und unerforschlich seine Wege!
Denn »wer hat des Herrn
Sinn erkannt, oder wer ist sein Ratgeber gewesen«? (Jesaja 40,13)
Oder »wer hat ihm etwas zuvor gegeben, dass
Gott es ihm vergelten müsste«? (Hiob
41,3)
Denn von ihm und durch ihn und zu ihm sind alle Dinge. Ihm sei Ehre in Ewigkeit!
Amen.
Das Reich
Gottes steht in der Kraft (1.
Kor. 4, 20)
Das Reich Gottes steht
nicht in Worten, sondern
in Kraft.
Aus: Die Bibel nach der Übersetzung Martin Luthers
mit Apokryphen in der revidierten Fassung von 1984 Deutsche Bibelgesellschaft
Es
ist ein Geist, ein Herr und ein Gott, der in allem mit seiner Kraft wirkt
(1. Kor. 12, 4-6)
Es sind mancherlei Gaben; aber
es ist ein Geist.
Und es sind mancherlei Ämter; aber es ist
ein HERR.
Und es sind mancherlei Kräfte; aber es ist ein
Gott, der da wirket alles in allem.
Die
Weisheit der Welt ist Torheit vor Gott (1.
Kor. 1, 18-25; 1.Kor. 3, 19-20)
Das Wort vom Kreuz ist eine Torheit denen, die verloren
werden; uns aber, die wir selig werden, ist's eine Gotteskraft.
Denn es steht geschrieben (Jesaja 29,14):
»Ich will zunichte machen die Weisheit der Weisen,
und den Verstand der Verständigen will ich verwerfen.«
Wo sind die Klugen? Wo sind die Schriftgelehrten? Wo sind die Weisen dieser
Welt? Hat nicht Gott die Weisheit der Welt zur Torheit gemacht?
Denn weil die Welt, umgeben von der Weisheit Gottes, Gott durch ihre Weisheit
nicht erkannte, gefiel es Gott wohl, durch die Torheit der Predigt selig zu
machen, die daran glauben.
Denn die Juden fordern Zeichen und die Griechen fragen nach Weisheit, wir aber
predigen den gekreuzigten Christus, den Juden ein Ärgernis
und den Griechen eine Torheit; denen aber, die berufen sind, Juden und Griechen,
predigen wir Christus als
Gottes Kraft und Gottes Weisheit.
Denn die Torheit Gottes ist weiser,
als die Menschen sind, und die Schwachheit Gottes
ist stärker, als die Menschen sind. 1.
Kor. 1, 18-25
Denn die Weisheit dieser Welt ist Torheit bei Gott. Denn es steht geschrieben
(Hiob 5,13): »Die
Weisen fängt er in ihrer Klugheit«,
und wiederum (Psalm 94,11): »Der
Herr kennt die Gedanken der Weisen, dass sie nichtig sind.« 1.Kor.
3, 19-20
Warnung
vor dem leeren Trug der Philosophie
(Kolosser 2, 8-9)
Seht zu, dass euch niemand einfange durch Philosophie
und leeren Trug, gegründet auf die Lehre von Menschen und
auf die Mächte der Welt und nicht auf Christus. Denn
in ihm wohnt die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig.
Sünde,
Tod und Erlösung
Durch
die Sünde eines Menschen ist der Tod für Alle in die Welt gekommen
(Römer
5, 12-20)
Deshalb, wie durch einen Menschen
die Sünde in die Welt gekommen ist und der Tod durch die Sünde, so
ist der Tod zu allen Menschen durchgedrungen, weil sie alle gesündigt haben.
Denn die Sünde war wohl in der Welt, ehe das Gesetz kam; aber wo kein Gesetz
ist, da wird Sünde nicht angerechnet. Dennoch herrschte der Tod von Adam
an bis Mose auch über die, die nicht gesündigt
hatten durch die gleiche Übertretung wie Adam,
welcher ist ein Bild dessen, der kommen sollte.
Aber nicht verhält sich's mit der Gabe wie mit der Sünde. Denn wenn
durch die Sünde des Einen die Vielen gestorben sind,
um wie viel mehr ist Gottes Gnade und Gabe den Vielen überreich zuteil
geworden durch die Gnade des einen Menschen Jesus
Christus.
Und nicht verhält es sich mit der Gabe wie mit dem, was durch den einen
Sünder geschehen ist. Denn das Urteil hat von dem Einen her zur Verdammnis
geführt, die Gnade aber hilft aus vielen Sünden zur Gerechtigkeit.
Denn wenn wegen der Sünde des Einen der Tod geherrscht
hat durch den Einen, um wie viel mehr werden die, welche die Fülle
der Gnade und der Gabe der Gerechtigkeit empfangen, herrschen im Leben durch
den Einen, Jesus Christus.
Wie nun durch die Sünde des Einen die Verdammnis
über alle Menschen gekommen ist, so ist auch durch die Gerechtigkeit des
Einen für alle Menschen die Rechtfertigung gekommen, die zum Leben führt.
Denn wie durch den Ungehorsam des einen Menschen die Vielen zu Sündern
geworden sind, so werden auch durch den Gehorsam des Einen die Vielen zu Gerechten.
Das Gesetz aber ist dazwischen hineingekommen, damit die Sünde mächtiger
würde. Wo aber die Sünde mächtig geworden ist, da ist doch die
Gnade noch viel mächtiger geworden, damit, wie die Sünde geherrscht
hat zum Tode, so auch die Gnade herrsche durch die Gerechtigkeit zum ewigen
Leben durch Jesus Christus, unsern
Herrn.
Der
Ursprung der Versuchung (Jakobus
1, 13-18)
Niemand sage, wenn er versucht wird, dass er von Gott versucht werde. Denn Gott
kann nicht versucht werden zum Bösen, und er selbst versucht niemand. Sondern
ein jeder, der versucht wird, wird von seinen eigenen
Begierden gereizt und gelockt. Danach, wenn die Begierde empfangen hat,
gebiert sie die Sünde; die Sünde aber, wenn sie vollendet ist, gebiert
den Tod.
Irrt euch nicht, meine lieben Brüder.
Alle gute Gabe und alle vollkommene Gabe kommt
von oben herab, von dem Vater
des Lichts, bei dem keine Veränderung
ist noch Wechsel des Lichts und der Finsternis. Er hat uns geboren nach seinem
Willen durch das Wort der Wahrheit, damit wir Erstlinge seiner Geschöpfe
seien.
Taufe
und neues Leben
(Römer 6, 1-23)
Was sollen wir nun sagen? Sollen wir denn in der Sünde beharren, damit
die Gnade umso mächtiger werde? Das sei ferne! Wie sollten wir in der Sünde
leben wollen, der wir doch gestorben sind? Oder
wisst ihr nicht, dass alle, die wir auf Christus Jesus getauft sind, die sind
in seinen Tod getauft. So sind wir ja mit ihm begraben durch die Taufe in den
Tod, damit, wie Christus auferweckt ist von den Toten durch die Herrlichkeit
des Vaters, auch wir in einem neuen Leben wandeln.
Denn wenn wir mit ihm verbunden und ihm gleich geworden sind in seinem Tod,
so werden wir ihm auch in der Auferstehung gleich sein.
Wir wissen ja, dass unser alter Mensch mit ihm gekreuzigt ist, damit der Leib
der Sünde vernichtet werde, so dass wir hinfort der Sünde nicht dienen.
Denn wer gestorben ist, der ist frei geworden von der Sünde. Sind wir aber
mit Christus gestorben, so glauben wir, dass wir auch mit ihm leben werden,
und wissen, dass Christus, von den Toten erweckt, hinfort nicht stirbt; der
Tod kann hinfort über ihn nicht herrschen. Denn was er gestorben ist, das
ist er der Sünde gestorben ein für alle Mal; was er aber lebt, das
lebt er Gott. auch ihr, haltet dafür, dass ihr der Sünde gestorben
seid und lebt Gott in Christus Jesus.
So lasst nun die Sünde nicht herrschen in eurem sterblichen Leibe, und
leistet seinen Begierden keinen Gehorsam. Auch gebt nicht der Sünde eure
Glieder hin als Waffen der Ungerechtigkeit, sondern gebt euch selbst Gott hin
als solche, die tot waren und nun lebendig sind, und eure Glieder Gott als Waffen
der Gerechtigkeit. Denn die Sünde wird nicht herrschen können über
euch, weil ihr ja nicht unter dem Gesetz seid, sondern unter der Gnade.
Wie nun? Sollen wir sündigen, weil wir nicht unter dem Gesetz, sondern
unter der Gnade sind? Das sei ferne! Wisst ihr nicht: wem ihr euch zu Knechten
macht, um ihm zu gehorchen, dessen Knechte seid ihr und müsst ihm gehorsam
sein, es sei der Sünde zum Tode oder dem Gehorsam zur Gerechtigkeit? Gott
sei aber gedankt, dass ihr Knechte der Sünde gewesen seid, aber nun von
Herzen gehorsam geworden der Gestalt der Lehre, der ihr ergeben seid. Denn indem
ihr nun frei geworden seid von der Sünde, seid ihr Knechte geworden der
Gerechtigkeit.
Ich muss menschlich davon reden um der Schwachheit eures Fleisches willen: Wie
ihr eure Glieder hingegeben hattet an den Dienst der Unreinheit und Ungerechtigkeit
zu immer neuer Ungerechtigkeit, so gebt nun eure Glieder hin an den Dienst der
Gerechtigkeit, dass sie heilig werden. Denn als ihr Knechte der Sünde wart,
da wart ihr frei von der Gerechtigkeit.
Was hattet ihr nun damals für Frucht? Solche, deren ihr euch jetzt schämt;
denn das Ende derselben ist der Tod. Nun aber, da ihr von der Sünde frei
und Gottes Knechte geworden seid, habt ihr darin eure Frucht, dass ihr heilig
werdet; das Ende aber ist das ewige Leben.
Denn der Sünde Sold ist der Tod; die Gabe
Gottes aber ist das ewige Leben in Christus
Jesus, unserm Herrn.
Freiheit
vom Gesetz
(Römer 7, 1-6)
Wisst ihr nicht, liebe Brüder - denn ich rede mit denen, die das Gesetz
kennen -, dass das Gesetz nur herrscht über den Menschen, solange er lebt?
Denn eine Frau ist an ihren Mann gebunden durch das Gesetz, solange der Mann
lebt; wenn aber der Mann stirbt, so ist sie frei von dem Gesetz, das sie an
den Mann bindet. Wenn sie nun bei einem andern Mann ist, solange ihr Mann lebt,
wird sie eine Ehebrecherin genannt; wenn aber ihr Mann stirbt, ist sie frei
vom Gesetz, sodass sie nicht eine Ehebrecherin ist, wenn sie einen andern Mann
nimmt. Also seid auch ihr, meine Brüder, dem Gesetz getötet durch
den Leib Christi, sodass ihr einem andern angehört, nämlich dem, der
von den Toten auferweckt ist, damit wir Gott Frucht bringen.
Denn solange wir dem Fleisch verfallen waren, da waren die sündigen Leidenschaften,
die durchs Gesetz erregt wurden, kräftig in unsern Gliedern, sodass wir
dem Tode Frucht brachten. Nun aber sind wir vom Gesetz frei geworden und ihm
abgestorben, das uns gefangen hielt, sodass wir dienen im
neuen Wesen des Geistes und nicht im alten Wesen des Buchstabens.
Der Mensch
unter dem Gesetz (Römer
7, 7-25)
Was sollen wir denn nun sagen? Ist das Gesetz Sünde? Das sei ferne! Aber
die Sünde erkannte ich nicht außer durchs Gesetz. Denn ich wusste
nichts von der Begierde, wenn das Gesetz nicht gesagt hätte (2.Mose
20,17): »Du sollst nicht begehren!«
Die Sünde aber nahm das Gebot zum Anlass und erregte in mir Begierden aller
Art; denn ohne das Gesetz war die Sünde tot. Ich lebte einst ohne Gesetz;
als aber das Gebot kam, wurde die Sünde lebendig, ich aber starb. Und so
fand sich's, dass das Gebot mir den Tod brachte, das doch zum Leben gegeben
war. Denn die Sünde nahm das Gebot zum Anlass und betrog mich und tötete
mich durch das Gebot. So ist also das Gesetz heilig, und das Gebot ist heilig,
gerecht und gut. Ist dann, was doch gut ist, mir zum Tod geworden? Das sei ferne!
Sondern die Sünde, damit sie als Sünde sichtbar werde, hat mir durch
das Gute den Tod gebracht, damit die Sünde überaus sündig werde
durchs Gebot.
Denn wir wissen, dass das Gesetz geistlich ist; ich aber bin fleischlich, unter
die Sünde verkauft. Denn ich weiß nicht, was ich tue. Denn ich tue
nicht, was ich will; sondern was ich hasse, das tue ich. Wenn ich aber das tue,
was ich nicht will, so gebe ich zu, dass das Gesetz gut ist. So tue nun nicht
ich es, sondern die Sünde, die in mir wohnt. Denn ich weiß, dass
in mir, das heißt in meinem Fleisch, nichts Gutes wohnt.
Wollen habe ich wohl, aber das Gute vollbringen kann ich nicht. Denn das Gute,
das ich will, das tue ich nicht; sondern das Böse, das ich nicht will,
das tue ich. Wenn ich aber tue, was ich nicht will, so tue nicht ich es, sondern
die Sünde, die in mir wohnt.
So finde ich nun das Gesetz, dass mir, der ich das Gute tun will, das Böse
anhängt. Denn ich habe Lust an Gottes Gesetz nach dem inwendigen Menschen.
Ich sehe aber ein anderes Gesetz in meinen Gliedern, das widerstreitet dem Gesetz
in meinem Gemüt und hält mich gefangen im Gesetz der Sünde, das
in meinen Gliedern ist.
Ich elender Mensch! Wer wird mich erlösen
von diesem todverfallenen Leibe? Dank sei Gott durch
Jesus Christus, unsern Herrn!
So diene ich nun mit dem Gemüt dem Gesetz Gottes, aber mit dem Fleisch
dem Gesetz der Sünde.
Die
Gotteskindschaft
(Galater 3, 23-29; 4, 3-7; Römer 8, 14-23)
Ehe aber der Glaube kam, waren wir unter dem Gesetz verwahrt und verschlossen
auf den Glauben hin, der dann offenbart werden sollte. So ist das Gesetz unser
Zuchtmeister gewesen auf Christus hin, damit wir durch den Glauben gerecht würden.
Nachdem aber der Glaube gekommen ist, sind wir nicht mehr unter dem Zuchtmeister.
Denn ihr seid alle durch den Glauben Gottes Kinder
in Christus Jesus.
Denn ihr alle, die ihr auf Christus getauft seid, habt Christus angezogen.
Hier ist nicht Jude noch Grieche, hier ist nicht
Sklave noch Freier, hier ist nicht Mann noch Frau; denn ihr seid allesamt einer
in Christus Jesus.
Gehört ihr aber Christus an, so seid ihr ja Abrahams
Kinder und nach der Verheißung Erben.
(Galater 3, 23-29)
Als wir unmündig waren, waren wir in der Knechtschaft der Mächte der
Welt. Als aber die Zeit erfüllt war, sandte
Gott seinen Sohn, geboren von einer Frau und unter das Gesetz getan, damit er
die, die unter dem Gesetz waren, erlöste, damit wir die Kindschaft empfingen.
Weil ihr nun Kinder seid, hat Gott den Geist seines Sohnes gesandt in unsre
Herzen, der da ruft: Abba, lieber Vater!
So bist du nun nicht mehr Knecht, sondern Kind; wenn aber Kind, dann auch Erbe
durch Gott. (Galater 4, 3-7)
Denn welche der Geist Gottes treibt, die sind
Gottes Kinder. Denn ihr habt nicht einen knechtischen Geist
empfangen, dass ihr euch abermals fürchten müsstet; sondern ihr habt
einen kindlichen Geist empfangen, durch den wir rufen: Abba,
lieber Vater!
Der Geist selbst gibt Zeugnis unserm Geist, dass wir Gottes Kinder sind.
Sind wir aber Kinder, so sind wir auch Erben, nämlich Gottes Erben und
Miterben Christi, wenn wir denn mit ihm leiden, damit wir auch mit zur Herrlichkeit
erhoben werden.
Denn ich bin überzeugt, dass dieser Zeit Leiden nicht ins Gewicht fallen
gegenüber der Herrlichkeit, die an uns offenbart werden soll. Denn das
ängstliche Harren der Kreatur wartet darauf, dass die Kinder Gottes offenbar
werden.
Die Schöpfung ist ja unterworfen der Vergänglichkeit - ohne ihren
Willen, sondern durch den, der sie unterworfen hat -, doch auf Hoffnung; denn
auch die Schöpfung wird frei werden von der Knechtschaft der Vergänglichkeit
zu der herrlichen Freiheit der Kinder Gottes.
Denn wir wissen, dass die ganze Schöpfung bis zu diesem Augenblick mit
uns seufzt und sich ängstet. Nicht allein aber sie, sondern auch wir selbst,
die wir den Geist als Erstlingsgabe haben, seufzen in uns selbst und sehnen
uns nach der Kindschaft, der Erlösung unseres Leibes. (Römer
8, 14-23)
Das Leben
im Geist (Römer
8, 1-13)
So gibt es nun keine Verdammnis für die,
die in Christus Jesus sind. Denn das Gesetz des Geistes, der
lebendig macht in Christus Jesus, hat dich frei gemacht von dem Gesetz der Sünde
und des Todes. Denn was dem Gesetz unmöglich war, weil es durch das Fleisch
geschwächt war, das tat Gott: Er sandte seinen Sohn in der Gestalt des
sündigen Fleisches und um der Sünde willen und verdammte die Sünde
im Fleisch, damit die Gerechtigkeit, vom Gesetz gefordert, in uns erfüllt
würde, die wir nun nicht nach dem Fleisch leben, sondern nach dem Geist.
Denn die da fleischlich sind, die sind fleischlich gesinnt; die aber geistlich
sind, die sind geistlich gesinnt. Aber fleischlich gesinnt sein ist der Tod,
und geistlich gesinnt sein ist Leben und Friede. Denn fleischlich gesinnt sein
ist Feindschaft gegen Gott, weil das Fleisch dem Gesetz Gottes nicht untertan
ist; denn es vermag's auch nicht. Die aber fleischlich sind, können Gott
nicht gefallen. Ihr aber seid nicht fleischlich, sondern geistlich, wenn denn
Gottes Geist in euch wohnt. Wer aber Christi Geist nicht hat, der ist nicht
sein. Wenn aber Christus in euch ist, so ist der Leib zwar tot um der Sünde
willen, der Geist aber ist Leben um der Gerechtigkeit will. Wenn nun der Geist
dessen, der Jesus von den Toten auferweckt hat, in euch wohnt, so wird er, der
Christus von den Toten auferweckt hat, auch eure sterblichen Leiber lebendig
machen durch seinen Geist, der in euch wohnt.
So sind wir nun, liebe Brüder, nicht dem Fleisch schuldig, dass wir nach
dem Fleisch leben.
Denn wenn ihr nach dem Fleisch lebt, so werdet ihr sterben müssen; wenn
ihr aber durch den Geist die Taten des Fleisches tötet, so werdet ihr leben.
Hoffnung für die Schöpfung und Gewissheit des
Heils (Römer
8, 18-39)
Denn ich bin überzeugt, dass dieser Zeit Leiden nicht ins Gewicht fallen
gegenüber der Herrlichkeit, die an uns offenbart werden soll. Denn das
ängstliche Harren der Kreatur wartet darauf, dass die Kinder Gottes offenbar
werden. Die Schöpfung ist ja unterworfen der Vergänglichkeit - ohne
ihren Willen, sondern durch den, der sie unterworfen hat -, doch auf Hoffnung;
denn auch die Schöpfung wird frei werden von der Knechtschaft der Vergänglichkeit
zu der herrlichen Freiheit der Kinder Gottes. Denn wir wissen, dass die ganze
Schöpfung bis zu diesem Augenblick mit uns seufzt und sich ängstet.
Nicht allein aber sie, sondern auch wir selbst, die wir den Geist als Erstlingsgabe
haben, seufzen in uns selbst und sehnen uns nach der Kindschaft, der Erlösung
unseres Leibes. Denn wir sind zwar gerettet, doch
auf Hoffnung. Die Hoffnung aber, die man sieht, ist nicht Hoffnung;
denn wie kann man auf das hoffen, was man sieht? Wenn wir aber auf das hoffen,
was wir nicht sehen, so warten wir darauf in Geduld.
Desgleichen hilft auch der Geist unsrer Schwachheit auf. Denn wir wissen nicht,
was wir beten sollen, wie sich's gebührt; sondern der Geist selbst vertritt
uns mit unaussprechlichem Seufzen. Der aber die Herzen erforscht, der weiß,
worauf der Sinn des Geistes gerichtet ist; denn er vertritt die Heiligen, wie
es Gott gefällt.
Wir wissen aber, dass denen, die Gott lieben,
alle Dinge zum Besten dienen, denen, die nach seinem Ratschluss berufen sind.
Denn die er ausersehen hat, die hat er auch vorherbestimmt, dass sie gleich
sein sollten dem Bild seines Sohnes, damit dieser der Erstgeborene sei unter
vielen Brüdern. Die er aber vorherbestimmt hat, die hat er auch berufen;
die er aber berufen hat, die hat er auch gerecht gemacht; die er aber gerecht
gemacht hat, die hat er auch verherrlicht.
Was wollen wir nun hierzu sagen? Ist Gott für
uns, wer kann wider uns sein? Der auch seinen eigenen Sohn nicht verschont hat,
sondern hat ihn für uns alle dahingegeben - wie sollte er uns mit ihm nicht
alles schenken?
Wer will die Auserwählten Gottes beschuldigen?
Gott ist hier, der gerecht macht. Wer will verdammen? Christus Jesus ist hier,
der gestorben ist, ja vielmehr, der auch auferweckt ist, der zur Rechten Gottes
ist und uns vertritt.
Wer will uns scheiden von der Liebe Christi? Trübsal oder Angst oder Verfolgung
oder Hunger oder Blöße oder Gefahr oder Schwert? Wie geschrieben
steht (Psalm 44,23): »Um
deinetwillen werden wir getötet den ganzen Tag; wir sind geachtet wie Schlachtschafe.«
Aber in dem allen überwinden wir weit durch den, der uns geliebt hat. Denn
ich bin gewiss, dass weder Tod noch Leben, weder
Engel noch Mächte noch Gewalten, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges,
weder Hohes noch Tiefes noch eine andere Kreatur uns scheiden kann von der Liebe
Gottes, die in Christus Jesus ist, unserm Herrn.
Das Bad der Wiedergeburt (Titus
3, 1-8)
Erinnere sie daran, dass sie der Gewalt der Obrigkeit untertan und gehorsam
seien, zu allem guten Werk bereit, niemanden verleumden, nicht streiten, gütig
seien, alle Sanftmut beweisen gegen alle Menschen.
Denn auch wir waren früher unverständig, ungehorsam, gingen in die
Irre, waren mancherlei Begierden und Gelüsten dienstbar und lebten in Bosheit
und Neid, waren verhasst und hassten uns untereinander. Als aber erschien die
Freundlichkeit und Menschenliebe Gottes, unseres Heilands, machte er uns selig
- nicht um der Werke der Gerechtigkeit willen, die wir getan hatten, sondern
nach seiner Barmherzigkeit - durch das Bad der
Wiedergeburt und Erneuerung im Heiligen Geist, den er über
uns reichlich ausgegossen hat durch Jesus Christus, unsern Heiland, damit wir,
durch dessen Gnade gerecht geworden, Erben des ewigen Lebens würden nach
unsrer Hoffnung. Das ist gewisslich wahr.
Das
Hohelied der Liebe (1.
Korinther 13, 1-13)
Wenn ich mit Menschen- und mit Engelzungen redete und
hätte die Liebe nicht, so wäre ich ein tönendes Erz oder eine
klingende Schelle.
Und wenn ich prophetisch reden könnte und wüsste alle Geheimnisse
und alle Erkenntnis und hätte allen Glauben, so dass ich Berge versetzen
könnte, und hätte die Liebe nicht, so wäre ich nichts. Und wenn
ich alle meine Habe den Armen gäbe und ließe meinen Leib verbrennen
und hätte die Liebe nicht, so wäre mir's nichts nütze.
Die Liebe ist langmütig und freundlich, die Liebe eifert nicht, die Liebe
treibt nicht Mutwillen, sie bläht sich nicht auf, sie verhält sich
nicht ungehörig, sie sucht nicht das Ihre, sie lässt sich nicht erbittern,
sie rechnet das Böse nicht zu, sie freut sich nicht über die Ungerechtigkeit,
sie freut sich aber an der Wahrheit; sie erträgt alles, sie glaubt alles,
sie hofft alles, sie duldet alles.
Die Liebe hört niemals auf, wo doch das prophetische Reden aufhören
wird und das Zungenreden aufhören wird und die Erkenntnis aufhören
wird. Denn unser Wissen ist Stückwerk und unser prophetisches Reden ist
Stückwerk. Wenn aber kommen wird das Vollkommene, so wird das Stückwerk
aufhören.
Als ich ein Kind war, da redete ich wie ein Kind und dachte wie ein Kind und
war klug wie ein Kind; als ich aber ein Mann wurde, tat ich ab, was kindlich
war. Wir sehen jetzt durch einen Spiegel ein dunkles Bild; dann aber von Angesicht
zu Angesicht. Jetzt erkenne ich stückweise; dann aber werde ich erkennen,
wie ich erkannt bin.
Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese
drei; aber die Liebe ist die größte unter ihnen.
Sehnsucht
nach der himmlischen Heimat (2.
Korinther 5, 1-10)
Denn wir wissen: wenn unser irdisches Haus, diese Hütte, abgebrochen wird,
so haben wir einen Bau, von Gott erbaut, ein Haus, nicht mit Händen gemacht,
das ewig ist im Himmel.
Denn darum seufzen wir auch und sehnen uns danach, dass wir mit unserer Behausung,
die vom Himmel ist, überkleidet werden, weil wir dann bekleidet und nicht
nackt befunden werden.
Denn solange wir in dieser Hütte sind, seufzen wir und sind beschwert,
weil wir lieber nicht entkleidet, sondern überkleidet werden wollen, damit
das Sterbliche verschlungen werde von dem Leben.
Der uns aber dazu bereitet hat, das ist Gott, der uns als Unterpfand den Geist
gegeben hat.
So sind wir denn allezeit getrost und wissen: solange wir im Leibe wohnen, weilen
wir fern von dem Herrn; denn wir wandeln im Glauben
und nicht im Schauen.
Wir sind aber getrost und haben vielmehr Lust, den Leib zu verlassen und daheim
zu sein bei dem Herrn. Darum setzen wir auch unsre Ehre darein, ob wir daheim
sind oder in der Fremde, dass wir ihm wohlgefallen. Denn wir
müssen alle offenbar werden vor dem Richterstuhl Christi, damit jeder seinen
Lohn empfange für das, was er getan hat bei Lebzeiten, es sei gut oder
böse.
Der
neue Leib bei der Auferstehung
(1. Korinther 15, 35- 57)
Es könnte aber jemand fragen: Wie werden
die Toten auferstehen und mit was für einem Leib werden sie kommen?
Du Narr: Was du säst, wird nicht lebendig, wenn es nicht stirbt.
Und was du säst, ist ja nicht der Leib, der werden soll, sondern ein bloßes
Korn, sei es von Weizen oder etwas anderem.
Gott aber gibt ihm einen Leib, wie er will, einem jeden Samen seinen eigenen
Leib.
Nicht alles Fleisch ist das gleiche Fleisch, sondern ein anderes Fleisch haben
die Menschen, ein anderes das Vieh, ein anderes die Vögel, ein anderes
die Fische.
Und es gibt himmlische Körper und irdische Körper; aber eine andere
Herrlichkeit haben die himmlischen und eine andere die irdischen.
Einen andern Glanz hat die Sonne, einen andern Glanz hat der Mond, einen andern
Glanz haben die Sterne; denn ein Stern unterscheidet sich vom andern durch seinen
Glanz.
So auch die Auferstehung der Toten. Es wird gesät
verweslich und wird auferstehen unverweslich. Es wird gesät in Niedrigkeit
und wird auferstehen in Herrlichkeit. Es wird gesät in Armseligkeit und
wird auferstehen in Kraft. Es wird gesät ein natürlicher Leib und
wird auferstehen ein geistlicher Leib. Gibt es einen natürlichen Leib,
so gibt es auch einen geistlichen Leib.
Wie geschrieben steht: Der erste Mensch, Adam,
»wurde zu einem lebendigen Wesen«,
und der letzte Adam zum Geist, der lebendig macht.
Aber der geistliche Leib ist nicht der erste, sondern der natürliche; danach
der geistliche.
Der erste Mensch ist von der Erde und irdisch; der zweite Mensch ist vom Himmel.
Wie der irdische ist, so sind auch die irdischen; und wie der himmlische ist,
so sind auch die himmlischen. Und wie wir getragen haben das Bild des irdischen,
so werden wir auch tragen das Bild des himmlischen.
Das sage ich aber, liebe Brüder, dass Fleisch und Blut das Reich Gottes
nicht ererben können; auch wird das Verwesliche
nicht erben die Unverweslichkeit.
Siehe, ich sage euch ein Geheimnis: Wir werden nicht alle entschlafen, wir werden
aber alle verwandelt werden; und das plötzlich, in einem Augenblick, zur
Zeit der letzten Posaune. Denn es wird die Posaune erschallen und die Toten
werden auferstehen unverweslich, und wir werden verwandelt werden.
Denn dies Verwesliche muss anziehen die Unverweslichkeit, und dies Sterbliche
muss anziehen die Unsterblichkeit. Wenn aber dies Verwesliche anziehen wird
die Unverweslichkeit und dies Sterbliche anziehen wird die Unsterblichkeit,
dann wird erfüllt werden das Wort, das geschrieben steht »Der
Tod ist verschlungen vom Sieg. Tod, wo ist dein Sieg? Tod, wo ist dein Stachel?«
Der Stachel des Todes aber ist die Sünde, die Kraft aber der Sünde
ist das Gesetz.
Gott aber sei Dank, der uns den Sieg gibt durch
unsern Herrn Jesus Christus!
Über
die Erlangung der Gottesmenschschaft und den Unsterblichen, der in einem Licht
wohnt, zu dem niemand aus eigener Kraft gelangen kann. (1.
Tim. 6, 2-16)
Mahnung an Timotheus und alle
Brüder
Dies lehre und dazu ermahne!
Wenn jemand anders lehrt und bleibt nicht bei den heilsamen Worten unseres Herrn
Jesus Christus und bei der Lehre, die dem Glauben gemäß ist, der
ist aufgeblasen und weiß nichts, sondern hat die Seuche der Fragen und
Wortgefechte. Daraus entspringen Neid, Hader, Lästerung, böser Argwohn,
Schulgezänk solcher Menschen, die zerrüttete Sinne haben und der Wahrheit
beraubt sind, die meinen, Frömmigkeit sei ein Gewerbe.
Die Frömmigkeit aber ist ein großer
Gewinn für den, der sich genügen lässt.
Denn wir haben nichts in die Welt gebracht; darum werden wir auch nichts hinausbringen.
Wenn wir aber Nahrung und Kleider haben, so wollen
wir uns daran genügen lassen.
Denn die reich werden wollen, die fallen in Versuchung und Verstrickung und
in viele törichte und schädliche Begierden, welche die Menschen versinken
lassen in Verderben und Verdammnis.
Denn Geldgier ist eine Wurzel alles Übels; danach hat einige
gelüstet und sie sind vom Glauben abgeirrt und machen sich selbst viel
Schmerzen.
Aber du, Gottesmensch, fliehe
das! Jage aber nach der Gerechtigkeit, der Frömmigkeit, dem Glauben, der
Liebe, der Geduld, der Sanftmut!
Kämpfe den guten Kampf des Glaubens; ergreife
das ewige Leben, wozu du berufen bist und bekannt hast das gute Bekenntnis vor
vielen Zeugen.
Ich gebiete dir vor Gott, der alle Dinge lebendig macht, und vor Christus Jesus,
der unter Pontius Pilatus bezeugt hat das gute
Bekenntnis, dass du das Gebot unbefleckt, untadelig haltest bis zur Erscheinung
unseres Herrn Jesus Christus, welche uns zeigen wird zu seiner Zeit der Selige
und allein Gewaltige, der König aller Könige
und Herr aller Herren, der allein Unsterblichkeit hat, der da wohnt in einem
Licht, zu
dem niemand kommen kann, den kein Mensch gesehen hat noch sehen kann. Dem sei
Ehre und ewige Macht! Amen.
Das Leben im Licht (Epheser
5, 1-18)
So folgt nun Gottes Beispiel als die geliebten Kinder und lebt in der Liebe,
wie auch Christus uns geliebt hat und hat sich selbst für uns gegeben als
Gabe und Opfer, Gott zu einem lieblichen Geruch.
Von Unzucht aber und jeder Art Unreinheit oder Habsucht soll bei euch nicht
einmal die Rede sein, wie es sich für die Heiligen gehört. Auch schandbare
und närrische oder lose Reden stehen euch nicht an, sondern vielmehr Danksagung.
Denn das sollt ihr wissen, dass kein Unzüchtiger oder Unreiner oder Habsüchtiger
- das sind Götzendiener - ein Erbteil hat im Reich Christi und Gottes.
Lasst euch von niemandem verführen mit leeren Worten; denn um dieser Dinge
willen kommt der Zorn Gottes über die Kinder des Ungehorsams.
Darum seid nicht ihre Mitgenossen.
Denn ihr wart früher Finsternis; nun aber
seid ihr Licht in dem Herrn. Lebt als Kinder des Lichts; die
Frucht des Lichts ist lauter Güte und Gerechtigkeit und Wahrheit.
Prüft, was dem Herrn wohlgefällig ist, und habt nicht Gemeinschaft
mit den unfruchtbaren Werken der Finsternis; deckt sie vielmehr auf. Denn was
von ihnen heimlich getan wird, davon auch nur zu reden ist schändlich.
Das alles aber wird offenbar, wenn's vom Licht
aufgedeckt wird; denn alles, was offenbar wird, das ist
Licht. Darum heißt es: Wach
auf, der du schläfst, und steh auf von den Toten, so wird dich Christus
erleuchten.
So seht nun sorgfältig darauf, wie ihr euer Leben führt, nicht als
Unweise, sondern als Weise, und kauft die Zeit
aus; denn es ist böse Zeit. Darum werdet nicht unverständig,
sondern versteht, was der Wille des Herrn ist. Und sauft euch nicht voll Wein,
woraus ein unordentliches Wesen folgt, sondern lasst euch vom Geist erfüllen.
Ermuntert einander mit Psalmen und Lobgesängen und geistlichen Liedern,
singt und spielt dem Herrn in eurem Herzen und sagt Dank Gott, dem Vater, allezeit
für alles, im Namen unseres Herrn Jesus Christus.
Widersprüchliches über Zölibat und Ehe
Der heilige Paulus sagt selbst, daß
einige Leute die Ehe verbieten werden (1. Tim. 4,3), und er selbst
spricht darüber zu den Korinthern in einer Art, die eine Fallgrube ist
(1. Kor. 7). Denn hätte ein Prophet etwas und der heilige Paulus
hierauf etwas anderes gesagt, so hätte man ihn verklagt.
Aus: Blaise Pascal, Gedanken über die Religion
und einige andere Themen. Herausgegeben von Jean-Robert Armogathe . Aus dem
Französischen übersetzt von Ulrich Kunzmann
Reclams Universalbibliothek Nr. 1622 (S. 438) © 1997 Philipp Reclam jun.,
Stuttgart Veröffentlichung auf Philos-Website mit freundlicher Erlaubnis
des Reclam Verlags
Falsche
Enthaltsamkeit (
1. Tim 4, 1-5)
Der Geist aber sagt deutlich, dass in den letzten Zeiten einige von dem Glauben
abfallen werden und verführerischen Geistern und teuflischen
Lehren anhängen, verleitet durch Heuchelei der Lügenredner,
die ein Brandmal in ihrem Gewissen haben.
Sie gebieten, nicht zu heiraten
und Speisen zu meiden, die Gott geschaffen hat, dass sie mit Danksagung empfangen
werden von den Gläubigen und denen, die die Wahrheit erkennen.
Denn alles, was Gott
geschaffen hat, ist gut, und nichts ist verwerflich, was mit Danksagung empfangen
wird; denn es wird geheiligt durch das Wort Gottes
und Gebet.
Ehe
und Ehelosigkeit (1.
Kor 7, 1-9)
Wovon ihr aber geschrieben habt, darauf antworte ich: Es
ist gut für den Mann, keine Frau zu berühren.
Aber um Unzucht zu vermeiden, soll jeder seine eigene Frau haben und jede Frau
ihren eigenen Mann.
Der Mann leiste der Frau, was er ihr schuldig ist, desgleichen die Frau dem
Mann.
Die Frau verfügt nicht über ihren Leib, sondern der Mann. Ebenso verfügt
der Mann nicht über seinen Leib, sondern die Frau.
Entziehe sich nicht eins dem andern, es sei denn eine Zeit lang, wenn beide
es wollen, damit ihr zum Beten Ruhe habt; und dann kommt wieder zusammen, damit
euch der Satan nicht versucht, weil ihr euch nicht enthalten könnt.
Das sage ich aber als Erlaubnis und nicht als
Gebot.
Ich wollte zwar lieber, alle Menschen wären, wie ich bin, aber jeder hat
seine eigene Gabe von Gott, der eine so, der andere so.
Den Ledigen und Witwen sage ich: Es ist gut für sie, wenn sie bleiben wie
ich.
Wenn sie sich aber nicht enthalten können,
sollen sie heiraten; denn es ist besser zu heiraten, als sich in Begierde zu
verzehren.
Eindeutiges
Anforderungsprofil für Bischöfe und Diakone (
1. Tim 3, 1-13)
Das ist gewisslich wahr: Wenn jemand ein Bischofsamt begehrt, der begehrt eine
hohe Aufgabe.
Ein Bischof aber
soll untadelig sein, Mann einer einzigen Frau,
nüchtern, maßvoll, würdig, gastfrei, geschickt im Lehren, kein
Säufer, nicht gewalttätig, sondern gütig, nicht streitsüchtig,
nicht geldgierig, einer, der seinem eigenen Haus
gut vorsteht und gehorsame Kinder hat in aller Ehrbarkeit.
Denn wenn jemand seinem eigenen Haus nicht vorzustehen
weiß, wie soll er für die Gemeinde Gottes sorgen?
Er soll kein Neugetaufter sein, damit er sich nicht aufblase und dem Urteil
des Teufels verfalle.
Er muss aber auch einen guten Ruf haben bei denen, die draußen sind, damit
er nicht geschmäht werde und sich nicht fange in der Schlinge des Teufels.
Desgleichen sollen die Diakone ehrbar
sein, nicht doppelzüngig, keine Säufer, nicht schändlichen Gewinn
suchen; sie sollen das Geheimnis des Glaubens mit reinem Gewissen bewahren.
Und man soll sie zuvor prüfen und wenn sie untadelig sind, sollen sie den
Dienst versehen.
Desgleichen sollen ihre Frauen ehrbar sein,
nicht verleumderisch, nüchtern, treu in allen Dingen.
Die Diakone sollen ein jeder der Mann einer einzigen
Frau sein und ihren Kindern und ihrem eigenen Haus gut vorstehen.
Welche aber ihren Dienst gut versehen, die erwerben sich selbst ein gutes Ansehen
und große Zuversicht im Glauben an Christus Jesus.
Ehescheidung
(1. Kor 7, 10-16)
Den Verheirateten aber gebiete nicht ich, sondern der Herr, dass die Frau sich
nicht von ihrem Manne scheiden soll - hat sie sich aber geschieden, soll sie
ohne Ehe bleiben oder sich mit ihrem Mann versöhnen - und dass der Mann
seine Frau nicht verstoßen soll.
Den andern aber sage ich, nicht der Herr: Wenn ein Bruder eine ungläubige
Frau hat und es gefällt ihr, bei ihm zu wohnen, so soll er sich nicht von
ihr scheiden.
Und wenn eine Frau einen ungläubigen Mann hat und es gefällt ihm,
bei ihr zu wohnen, so soll sie sich nicht von ihm scheiden. Denn der ungläubige
Mann ist geheiligt durch die Frau und die ungläubige Frau ist geheiligt
durch den gläubigen Mann. Sonst wären eure Kinder unrein; nun aber
sind sie heilig.
Wenn aber der Ungläubige sich scheiden will, so lass ihn sich scheiden.
Der Bruder oder die Schwester ist nicht gebunden in solchen Fällen. Zum
Frieden hat euch Gott berufen.
Denn was weißt du, Frau, ob du den Mann retten wirst? Oder du, Mann, was
weißt du, ob du die Frau retten wirst?
Philosophische Elemente
der Lehre des Apostel Paulus
Das
traditionelle Element: der Christus für uns
Der Apostel sagt 1.Kor. 2,10: »Der
Geist erforschet alle Dinge, auch die Tiefen der Gottheit.«
Er versteht darunter den Geist Gottes, sofern er sich im Menschen offenbart,
während er über die Weisheit dieser Welt eine sehr ungünstige
Meinung hat; 1. Kor. 3,19:
»Dieser Welt Weisheit ist Torheit bei
Gott«; 1. Kor. 2,14:
»Der natürliche Mensch aber vernimmt nichts
vom Geist Gottes: es ist ihm eine Torheit, und kann es nicht erkennen, denn
es muss geistlich gerichtet sein«; 1.
Kor. 1,20: »Wo sind die
Klugen? Wo sind die Schriftgelehrten? Wo sind die Weltweisen? Hat nicht Gott
die Weisheit dieser Welt zur Torheit gemacht?«
Kolosser 2,8: »Sehet zu,
dass euch niemand beraube durch die Philosophia und lose Verführung nach
der Menschen Lehre.« - Bedürfte es noch eines Beweises,
so würden diese Stellen ihn erbringen dafür, dass Paulus
die griechische Philosophie, deren herrlichste Erzeugnisse zu seiner Zeit fertig
vorlagen und jedem leicht zugänglich waren, weder näher gekannt, noch
auch kennen zu lernen für der Mühe wert gehalten hat. Ein leichter
Anflug von stoischem Pantheismus,
wie er damals in der Luft lag, lässt sich in der Rede zu Athen (namentlich
Apostelgesch. 17,28), deren Authentizität allerdings nicht
gesichert ist, auch wohl in Stellen wie Röm.
11,36 verspüren; im übrigen aber kann von einem
Einflusse der griechischen Philosophie auf die Gedanken des Apostels
Paulus keine Rede sein.
Um so mehr ist sein Denken von der althebräischen und jüdischen Tradition
abhängig. Das Alte Testament hat er nach Messiasverheißungen fleißig
durchforscht; die unter iranischem Einflusse stehende Fortentwicklung des Judentums
in Dämonologie, Auferstehungslehre und Messiaserwartungen hat, wie oben
gezeigt wurde, auch er als Pharisäerzögling sich zu eigen gemacht,
und auch die schöne und tröstliche Vorstellung der Iranier von den
Fravashi's scheint, wie bei Jesu (Matth. 18,10),
so auch bei Paulus in dem Gedanken von der himmlischen
Behausung, mit welcher überkleidet zu werden ihn verlangt (2.
Kor. 5,2), nicht undeutlich durchzublicken. Ein drittes traditionelles
Element neben diesen althebräischen und iranischen Einflüssen liegt
in dem Wenigen, aber sehr Bedeutsamen, was diesem Apostel von dem historischen
Leben und Wirken Jesu bekannt gewesen ist. Wer
es versuchen wollte, aus den Briefen des Paulus
ein Leben Jesu zusammenzustellen, der würde
erstaunen über das geringe Material, welches ihm dabei zu Gebote stünde.
Es sind immer nur dieselben Gedanken, dass der Sohn Gottes in Christo Mensch
geworden, von den Juden gekreuzigt, von Gott wieder auferweckt worden ist und
in, nächster Zeit -wiederkommen wird, welche den Inhalt der Predigt des
Apostels bildeten und in zahlreichen Wendungen sich durch alle seine Briefe
durchziehen.
Dieser Tatsache, dass der allmächtige Gott die Menschen nicht gehindert
hatte, an seinem von ihm gesandten Sohne nach qualvollen Martern die schmählichste
Todesstrafe zu vollziehen, stand die erste Christenheit, stand vor allem der
Apostel Paulus als einer schwer zu begreifenden Fügung gegenüber.
Sie wurde für ihn das Problem, zu dessen Lösung die Worte Jesu: »Das
ist mein Leib, der für euch gebrochen wird« (1.
Kor. 11,24) die Anleitung gaben. Er fand diese Lösung
in der seltsamen Theorie, dass Gott absichtlich und mit Vorbedacht seinen Sohn
in Leiden und Tod hingegeben habe als ein Sühnopfer (Gnadenstuhl,
wie Luther übersetzt, Röm. 3,25),
um für die Sünden der ganzen Menschheit Genugtuung zu leisten. Der
Stammvater der Menschheit, so gestaltete sich diese Theorie im Geiste des Paulus,
der erste Mensch, Adam, hat gesündigt und ist dafür gestorben; diese
erste Sünde, als Erbsünde, und mit ihr der Tod, ist »zu
allen Menschen durchgedrungen« (Röm.
5,12); sie sind allzumal Sünder, wie die Erfahrung zeigt (Röm.
3,12), und wie es auch daraus sich ergibt, dass alle Menschen sterben
müssen, welches nicht der Fall sein würde, wenn sie nicht Sünder
wären, »denn der Tod ist der Sünden Sold« (Röm. 6,23).
Zwar hat Gott den Juden das mosaische Gesetz und den Heiden als Ersatz das Gesetz
ihres Gewissens gegeben (Röm. 2,15), beides aber nicht, als wenn sie es
zu halten vermöchten, sondern nur, damit sie zur Erkenntnis ihrer Sünde
gelangen, »darum, dass kein Fleisch durch des Gesetzes Werke vor ihm gerecht
sein mag, denn durch das Gesetz kommt Erkenntnis der Sünde« (Röm.
3,20). Eine Sühnung der Sünde erfolgt erst durch den Opfertod Jesu
und nur für die, welche die Begnadigung im Glauben annehmen; »so
halten wir es nun, dass der Mensch gerecht werde, ohne des Gesetzes Werke, [allein]
durch den Glauben« (Röm. 3,28), während das Gesetz nur
eine vorbereitende Bedeutung hat, nur ein Erzieher oder Zuchtmeister (Gal.
3,24) auf Christum gewesen ist. Die größte Schwierigkeit
dieser paulinischen Vorstellung liegt darin, dass die Gnade durch Christum nicht
schon immer da war, sondern erst in einem bestimmten Zeitpunkte eingetreten
ist, nachdem das Gesetz viele Jahrhunderte vorher gegeben wurde, während
man, da der Erlösungsprozess jeden einzelnen Menschen betrifft, erwarten
sollte, dass jedem Individuum die Erkenntnis der Sünde durch das Gesetz
und zugleich die Rechtfertigung durch die Gnade dargeboten werden müsste.
Der Apostel hat eben nur den gegenwärtigen Zustand vor Augen, wo Gesetz
und Evangelium, Erkenntnis der Sünde und Begnadigung gleichzeitig an jeden
Menschen herantreten; was aus all den zwischen Mose und Jesu abgelaufenen Generationen
wird, welchen zwar die Erkenntnis ihrer Sünde, durch das Gesetz zum Bewusstsein
ge¬bracht wurde, aber der allein mögliche Weg zum Heil in Christo versagt
blieb, darauf findet sich in der Theorie des Apostels keine befriedigende Antwort.
Hingegen lässt sich gegen die paulinische Rechtfertigungs¬lehre nicht
der Vorwurf erheben, dass sie es den Menschen allzu leicht macht, wenn sie das
Heil bloß an die eine Bedingung des Glaubens knüpft; denn, wenn Paulus
das Wort Glaube gebraucht, so versteht er darunter nicht nur (wie
der Verfasser des Hebräerbriefes 11,1) ein gläubiges Annehmen
äußerer Tatsachen, sondern einen Glauben, wie er ihn selbst besaß,
einen lebendigen Glauben, bei welchem Kreuzigung und Auferstehung Jesu das Gemüt
so tief ergreifen, dass sie zur Kreuzigung des eigenen Fleisches und zur Auferstehung
in einem neuen Leben werden; Röm. 6,4:
»So sind wir ja mit ihm begraben durch die Taufe
in den Tod: auf dass gleich wie Christus ist auferwecket von den Toten, durch
die Herrlichkeit des Vaters, also sollen auch wir in einem neuen Leben wandeln.«
Aus einem solchen Glauben folgt, in dem Maße wie er im Menschen sich lebendig
erhält, mit Notwendigkeit das sittliche Wohlverhalten, er ist »in
Glaube, der sich durch die Liebe betätigt« (Gal.
5,6).
Das
originelle Element: der Christus in uns
In diese auf althebräischer, jüdischer und historischer Tradition
beruhenden Gedanken wie in eine Schale gleichsam eingebettet ist dasjenige,
was wir als das originelle Element der Lehre Pauli
bezeichnen können, und was sich als die unmittelbare Fortsetzung des gleichnamigen
Elements im Gedankenkreise Jesu betrachten lässt,
ohne dass es darum nachweisbar von Jesu übernommen wäre, vielmehr
von dem einen wie von dem andern unmittelbar aus der Natur geschöpft sein
konnte. Denn das feine moralische Gefühl für den Unterschied des Guten
und Bösen, welches wir oben (S. 53) als den
die Hebräer vor allen andern Völkern auszeichnenden Charakter hervorhoben,
erscheint bei Jesu und Paulo, in welchen beiden der hebräische Genius zum
hellsten Bewusstsein über sich selbst und die Welt in betreff des moralischen
Empfindens gelangt war, als eine zweifache Erkenntnis, sofern beide große
Lehrer der Menschheit aus der Betrachtung der sie umgebenden Menschenwelt die
Überzeugung von der Unfreiheit des Willens und aus den Tiefen des eigenen
Gemüts die Gewissheit von der Verantwortlichkeit, Imputabilität und
folglich Freiheit des Willens schöpften, und diese beiden philosophischen,
antinomisch
entgegengesetzten Grundlehren jeder tiefern Ethik schärfer und deutlicher
aussprachen, als es je vorher, sei es in der indischen oder griechischen oder
auch hebräischen Welt (vgl. jedoch Jerem. 10,23)
der Fall gewesen war. Beide, Jesus und Paulus,
sind einerseits Anhänger des Determinismus,
und beide lassen sich doch dadurch nicht abhalten, andererseits Imperative
aufzustellen, welche kategorische
heißen müssen, weil sie, wenn auch (ähnlich
wie bei Kant) hin und wieder begleitet von der
Aussicht auf künftige Seligkeit oder Verdammnis, doch nicht auf diese gegründet
werden, sondern aus den metaphysischen Tiefen des Gemüts als sittliche
Forderungen unmittelbar entspringen. Wir haben gesehen, wie diese beiden Fundamentalsätze
bei Jesu aus der naiven Göttlichkeit seiner
Natur hervorquellen, ohne dass ein deutliches Bewusstsein ihrer Unvereinbarkeit
oder auch nur Gegensätzlichkeit vorhanden gewesen wäre, und haben
nunmehr zu zeigen, wie Paulus vermöge der
mehr systematischen Anlage seines Geistes eben dieselben beiden ethischen Grundwahrheiten
mit einander und mit seinen anderweitigen Anschauungen, nicht immer mit Glück,
zu verknüpfen bemüht ist.
Zunächst ist Paulus nicht weniger als Jesus
von der empirischen Unfreiheit oder, wie er sich ausdrückt, von der Unmöglichkeit
des fleischlichen Menschen, das Gute zu voll bringen, überzeugt; Röm.
7,23: »Ich sehe aber ein
ander Gesetz in meinen Gliedern, das da widerstreitet dem Gesetz in meinem Gemüte,
und nimmt mich gefangen in der Sünden Gesetz, welches ist in meinen Gliedern.«Aber
diese richtige philosophische Erkenntnis verbindet sich bei Paulus
mit dem aus dem Alten Testament überkommenen Theismus. Hier aber wie überall
gilt die Formel:
Determinismus
+ Theismus
= Prädestination,
und dementsprechend gibt Paulus an zahlreichen
Stellen der Überzeugung Ausdruck, dass alle, welche der Gnade teilhaft
werden, von Anfang an durch Gott dazu vorausbestimmt sind, wie er denn auch
von sich selbst erklärt, dass Gott ihn »von
Mutterleibe durch seine Gnade ausgesondert und berufen« habe
(Gal. 1,15). Diese grauenhafte
Lehre findet ihren deutlichsten, man darf wohl sagen krassesten Ausdruck im
neunten Kapitel des Römerbriefes, namentlich in dem Gleichnis von dem Töpfer
und seinen Gefäßen, Röm. 9,21:
»Hat nicht ein Töpfer Macht aus
einem Klumpen zu machen ein Fass zu Ehren und das andere zu Unehren?«
9,16: »So
liegt es nun nicht an jemandes Wollen oder Laufen, sondern an Gottes Erbarmen.«
Ebenso heißt es noch im Philipperbrief
2,12: »Schaffet, dass ihr
selig werdet mit Furcht und Zittern. Denn Gott ists, der in euch wirket beide,
das Wollen und das Vollbringen, nach seinem Wohlgefallen.«Dass
wir unsere Seligkeit mit Furcht und Zittern schaffen sollen, beruht darauf,
dass Gott allein nach Willkür uns begnadigen oder verdammen kann, und doch
ruft der Apostel uns in imperativer Form zu: »Schaffet
eure Seligkeit!«, und ähnliche Imperative treten
uns aus hundert Stellen seiner Werke entgegen, in welcher der Apostel seine
Leser unermüdlich ermahnt und auffordert, das Gute zu tun und das Böse
zu meiden. Gilt nicht auch hier der Kantische, von Schiller
so glücklich formulierte Satz: »Du
kannst, denn du sollst«? Müssen wir nicht, und
musste nicht der Apostel selbst annehmen, dass diejenigen, an welche er seine
Ermahnungen richtet, auch irgendwie imstande sein mussten, dieselben zu befolgen?
- Ehe wir dieser Frage weiter nachgehen, wollen wir die wie bei Jesu, so auch
bei Paulo neben seinem Determinismus bestehende
imperative Form seiner Ethik noch etwas näher ins Auge fassen.
Was das Gute sei, was wir tun sollen, wissen wir, denn Gott hat es uns offenbart,
den Juden durch das Gesetz Mosis, den Heiden durch das in ihren Herzen geschriebene
Gesetz des Gewissens. Aber weder von den Juden noch von den Heiden konnte dieses
Gesetz befolgt werden, »sintemal es durch das Fleisch geschwächet
war (unwirksam war, Röm. 8,3)«. Hier
wie auch Gal. 3,21 fg. und anderweit begegnen wir
der seltsamen Auffassung, dass das mosaische Gesetz gar nicht gegeben worden
sei, um gehalten zu werden, ja dass der Mensch überhaupt nicht imstande
sei es zu halten. Aber alle fünf Bücher Mosis
enthalten nichts, was den Menschen etwas Unmögliches zumutete oder von
ihnen forderte, und sicherlich wäre das alttestamentliche Gesetz nicht
gegeben worden, wenn es nicht selbst bis zu den minutiösesten Vorschriften
herab auch gehalten werden könnte. Aber selbst die pünktlichste Befolgung
dieses Gesetzes würde der Apostel für ungenügend erklären,
weil er nominell das mosaische, auf die Erfüllung äußerer Werke
gerichtete Gesetz, in Wahrheit aber das Sittengesetz versteht, welches nicht
Legalität, sondern Moralität, nicht nur die guten Werke, sondern auch
die gute, d. h. selbstverleugnende (»das Fleisch kreuzigende«) Gesinnung
fordert, welche sich zu geben nicht in der Macht des natürlichen Menschen
steht. Darum sagt er Röm. 2,29: »Das ist ein Jude, der inwendig verborgen
ist; und die Beschneidung des Herzens ist eine Beschneidung, die im Geist und
nicht in Buchstaben geschieht.« Wird. das jüdische Gesetz so verstanden,
so wird es begreiflich, dass der Apostel es auf dieselbe Linie stellt mit dem
Sittengesetze, welches auch den Heiden gegeben ist, »damit,
dass sie beweisen, des Gesetzes Werk sei beschrieben in ihren Herzen, sintemal
ihr Gewissen sie bezeuget, dazu auch die Gedanken, die sich unter einander verklagen
oder entschuldigen« (Röm. 2,15).
Daher bezieht es sich auf beide, Juden wie Heiden, wenn es
Röm. 7, 22-25 heißt:
»Denn ich habe Lust an Gottes Gesetz, nach dem
inwendigen Menschen; ich sehe aber ein anderes Gesetz in meinen Gliedern, das
da widerstreitet dem Gesetz in meinem Gemüte, und nimmt mich gefangen in
der Sünden Gesetz, welches ist in meinen Gliedern. , - Ich elender Mensch,
wer wird mich erlösen von dem Leibe dieses Todes? Ich danke Gott durch
Jesum Christum!«
Christus also ist es, durch den allein Rettung möglich ist, der Christus,
welcher sich dem Apostel in den Einöden Arabiens offenbarte, möglicherweise
nicht der, welchen Petrus in Jerusalem verkündigte; darum sagt Paulus 2.
Kor. 5,16: »Darum von nun an kennen wir niemand nach dem Fleisch; und
ob wir auch Christum gekannt haben nach dem Fleisch, so kennen wir ihn doch
jetzt nicht mehr. Darum, ist jemand in Christo, so ist er eine neue Kreatur«
(derselbe Ausdruck Gal. 6,15; vgl. auch Tit. 3,5 ). An Stellen wie diesen sehen
wir, wie als Resultat schwerer innerer Gedankenkämpfe des Apostels Paulus
das tiefsinnige Fundamentaldogma des Christentums sich ans Licht emporwindet,
die Lehre von der Wieder¬geburt, d. h. die große Wahrheit, dass Heil
und Rettung zu erwarten ist nicht von einem bloßen Tun und Lassen, welche
nur eine Folgeerscheinung darstellen, sondern von einer völligen Umwandlung
des natürlichen Menschen, welche dieser als solcher aus eigenen Kräften
nicht zu vollbringen vermag, denn, wie Paulus Röm. 7,18 sagt: »ich
weiß, dass in mir, das ist in meinem Fleisch, wohnet nichts Gutes«.
Die Kraft, welche das Wunder dieser Umwandlung vollbringt, wird von dem Apostel
unter Christus verstanden; dieser Christus muss in uns geboren werden, in uns
»Gestalt gewinnen«
(Gal. 4,19), wir müssen mit Christo
begraben werden durch die Taufe in den Tod (Röm.
6,4), unser alter Mensch muss mit Christo gekreuzigt werden (Röm.
6,6), wir müssen unser Fleisch kreuzigen samt den Lüsten
und Begierden (Gal. 5,24), wir sollen
der Welt gekreuzigt werden und die Welt uns (Gal.
6,14), sollen den alten Menschen ausziehen und den neuen Menschen
anziehen (Kol. 3,9), sollen Christum anziehen
(Gal. 3,27), und gleich wie Christus
ist auferstanden von den Toten, also sollen auch wir in einem neuen Leben wandeln,
so dass wir mit Paulus
Gal. 2,20 sagen können: »Ich
lebe, aber doch nun nicht ich, sondern Christus lebet in mir.«
Verstehen wir unter Monergismus die Lehre, dass der Mensch als solcher nur egoistische,
d. h. sündliche Handlungen vollbringen kann, und dass alles Gute in uns
durch Gott oder Christum gewirkt wird, hingegen unter Synergismus die Meinung,
dass der Mensch irgendwie mitwirken muss, wäre es auch nur, sofern er der
Gnade entgegenkommt, sein Herz ihr öffnet, ihr nicht widerstrebt usw.,
so wird aus allem Gesagten klar sein, dass Paulus,
soweit er konsequent ist, auf dem Standpunkte des Monergismus steht, und dass
diese Lehre, wonach Gott allein, und nur er, alles Gute, sowohl das Wollen als
auch das Vollbringen in uns wirkt, die einzige Auffassung ist, welche der Konsequenz
des Systems entspricht. Wenn man von jeher Bedenken getragen hat, diese Konsequenz
zu ziehen und immer wieder zum Synergismus abgewichen ist, so geschah es aus
Furcht vor dem Schreckgespenst der Prädestination, und allerdings ist diese
unvermeidlich, solange wir dem semitischen Realismus huldigen und aus Gott und
Mensch zwei individuell einander gegenüberstehende und sich gegenseitig
ausschließende Wesen machen. Hier ist der Punkt, wo das Christentum eine
notwendige Ergänzung oder Berichtigung aus der indischen Lehre entnehmen
muss, dass Gott, das Prinzip der Welt, der Atman, wie die Inder sagen, nicht
ein uns als ein anderer gegenüberstehendes Wesen, sondern unser eigenes
metaphysisches Selbst ist, aus welchem die das Gute wirkenden Kräfte in
die von ihm abgeirrte Er¬scheinung dringen, um dieselbe umzuwandeln und
zu ihrer wahren und ewigen Wesenheit zurückzuführen. Sonach wird das
Gute in gewissem Sinne ganz ohne unser Zutun gewirkt, und ist doch im gewissem
Sinne ganz und gar unser eigenes Werk, und es wird begreiflich, wie Jesus und
Paulus, obgleich sie alle moralischen Handlungen auf Gott als ihren Ursprung
zurückführen, doch unermüdlich dem Menschen ein¬schärfen,
das Gute zu tun und das Böse zu meiden, in dem unbestimmten, aber sichern
Gefühl, dass der Mensch auch im¬stande sein muss, das Gebotene zu vollbringen.
S.262ff.
Aus: Paul Deussen, Allgemeine Geschichte der Philosophie mit besonderer Berücksichtigung
der Religionen, Zweiter Band, Zweite Abteilung: Die Biblisch-Mittelalterliche
Philosophie, Leipzig: F. A. Brockhaus. 1919
Kritische
Stimmen
Friedrich Nietzsche
Paulus
– das Genie in Hass!
Man sieht, was mit dem Tode am Kreuz zu Ende war: ein neuer, ein durchaus ursprünglicher
Ansatz zu einer buddhistischen Friedens-Bewegung, zu einem tatsächlichen,
nicht bloß verheißenen
Glück auf Erden. Denn dies
bleibt - ich hob es schon hervor – der Grundunterschied zwischen den beiden
décadence-Religionen: der Buddhismus verspricht
nicht, sondern hält, das Christentum verspricht alles, aber hält
nichts. –
Der »frohen Botschaft«
folgte auf dem Fuß die allerschlimmste:
die des Paulus.
In Paulus verkörpert sich der Gegensatz-Typus
zum »frohen Botschafter«, das Genie
im Hass, in der Vision des Hasses, in der unerbittlichen Logik
des Hasses. Was hat dieser Dysangelist
alles dem Hasse zum Opfer gebracht! Vor allem den Erlöser: er schlug ihn
an sein Kreuz. Das Leben, das
Beispiel, die Lehre, der Tod, der Sinn und das Recht des ganzen Evangeliums
- nichts war mehr vorhanden, als dieser Falschmünzer aus Hass begriff,
was allein er brauchen konnte. Nicht
die Realität, nicht die historische Wahrheit!...Und noch einmal verübte
der Priester-Instinkt des Juden das gleiche große Verbrechen an der Historie
– er strich das Gestern, das Vorgestern des Christentums einfach durch,
er erfand sich eine Geschichte des ersten Christentums.
Mehr noch: er fälschte die Geschichte Israels nochmals
um, um als Vorgeschichte für seine Tat zu erscheinen: alle Propheten haben
von seinem »Erlöser«
geredet... Die Kirche fälschte später sogar die Geschichte der Menschheit
zur Vorgeschichte des Christentums... Der Typus des Erlösers, die Lehre,
die Praktik, der Tod, der Sinn des Todes, selbst das Nachher des Todes - nichts
blieb unangetastet, nichts blieb auch nur ähnlich der Wirklichkeit.
S.241-242
Der »Gott«,
den Paulus sich erfand . . .
Paulus begriff, dass die Lüge - dass »der
Glaube« nottat; die Kirche begriff später wieder Paulus.
- Jener »Gott«, den
Paulus sich erfand,
ein Gott, der »die Weisheit der Welt«
(im engern Sinn die beiden großen Gegnerinnen alles
Aberglaubens, Philologie und Medizin) »zuschanden macht«,
ist in Wahrheit nur der resolute Entschluss des Paulus
selbst dazu: »Gott« seinen eignen Willen zu nennen,
thora, das ist urjüdisch. Paulus
will »die Weisheit der Welt« zuschanden
machen: seine Feinde sind die guten Philologen und Ärzte alexandrinischer
Schulung -, ihnen macht er den Krieg. In der Tat, man ist nicht Philolog und
Arzt, ohne nicht zugleich auch Antichrist
zu sein. Als Philolog schaut man nämlich hinter die »heiligen
Bücher«, als Arzt hinter
die physiologische Verkommenheit des
typischen Christen. Der Arzt sagt »unheilbar«
der Philolog »Schwindel«.
S.252-253
Kröner Stuttgart, Kröners Taschenausgabe Band 77, Friedrich Nietzsche.
Götterdämmerung. Der Antichrist. Ecce homo. Gedichte © 1990 by
Alfred Kröner Verlag in Stuttgart
Der
Verfolger Gottes. -
Paulus hat den Gedanken ausgedacht, Calvin
ihn nachgedacht, dass Unzähligen seit Ewigkeiten die Verdammnis zuerkannt
ist und dass dieser schöne Weltenplan so eingerichtet wurde, damit die
Herrlichkeit Gottes sich daran offenbare; Himmel und Hölle und Menschheit
sollen also da sein, - um die Eitelkeit Gottes zu befriedigen! Welch grausame
und unersättliche Eitelkeit muss in der Seele dessen geflackert haben,
der so etwas sich zuerst oder zu zweit ausdachte! - Paulus ist also doch Paulus
geblieben - der Verfolger Gottes.
S.219
Kröner Stuttgart, Kröners Taschenausgabe Band 72, Friedrich Nietzsche:
Menschliches, Allzu Menschliches II © 1990 by Alfred Kröner Verlag
in Stuttgart
Der erste
Christ. –
Alle Welt glaubt noch immer an die Schriftstellerei des »heiligen
Geistes« oder steht unter der Nachwirkung dieses Glaubens:
wenn man die Bibel aufmacht, so geschieht es, um sich zu »erbauen«,
um in seiner eigenen, persönlichen großen oder kleinen Not einen
Fingerzeig des Trostes zu finden, - kurz, man liest sich hinein und sich heraus.
Dass in ihr auch die Geschichte einer der ehrgeizigsten und aufdringlichsten
Seelen und eines ebenso abergläubischen als verschlagenen Kopfes beschrieben
steht, die Geschichte des Apostels Paulus, - wer
weiß das, einige Gelehrte abgerechnet? Ohne diese merkwürdige Geschichte
aber, ohne die Verwirrungen und Stürme eines solchen Kopfes, einer solchen
Seele, gäbe es keine Christenheit; kaum würden wir von einer kleinen
jüdischen Sekte erfahren haben, deren Meister am Kreuze starb. Freilich:
hätte man eben diese Geschichte zur rechten Zeit begriffen, hätte
man die Schriften des Paulus nicht als die Offenbarungen
des »heiligen Geistes«, sondern mit
einem redlichen und freien eigenen Geiste, und ohne an alle unsere persönliche
Not dabei zu denken, gelesen, wirklich gelesen
- es gab anderthalb Jahrtausend keinen solchen Leser -, so würde es auch
mit dem Christentum längst vorbei sein: so sehr legen diese Blätter
des jüdischen Pascal den Ursprung des Christentums
bloß, wie die Blätter des französischen Pascal sein Schicksal
und das, woran es zugrunde gehen wird, bloßlegen.
Dass das Schiff des Christentums einen guten Teil des jüdischen Ballastes
über Bord warf, dass es unter die Heiden ging und gehen konnte, - das hängt
an der Geschichte dieses einen
Menschen, eines sehr gequälten, sehr bemitleidenswerten, sehr unangenehmen
und sich selber unangenehmen Menschen. Er litt an einer
fixen Idee, oder deutlicher: an einer fixen, stets gegenwärtigen,
nie zur Ruhe kommenden Frage: welche
Bewandtnis es mit dem jüdischen Gesetze habe? und zwar mit der Erfüllung
dieses Gesetzes? In seiner Jugend
hatte er ihm selber genugtun wollen, heißhungrig nach dieser höchsten
Auszeichnung, welche die Juden zu denken vermochten, - dieses Volk, welches
die Phantasie der sittlichen Erhabenheit höher als irgendein anderes Volk
getrieben hat und welchem allein die Schöpfung eines heiligen Gottes, nebst
dem Gedanken der Sünde als eines Vergehens an dieser Heiligkeit, gelungen
ist. Paulus war zugleich der fanatische Verteidiger
und Ehrenwächter dieses Gottes und seines Gesetzes geworden und fortwährend
im Kampfe und auf der Lauer gegen die Übertreter und Anzweifler desselben,
hart und böse gegen sie und zum äußersten der Strafen geneigt.
Und nun erfuhr er an sich, dass er - hitzig, sinnlich, melancholisch, bösartig
im Hass, wie er war - das Gesetz selber nicht erfüllen konnte,
ja, was ihm das Seltsamste schien: dass seine ausschweifende
Herrschsucht fortwährend gereizt wurde, es zu übertreten, und dass
er diesem Stachel nachgeben musste. Ist
es wirklich die »Fleischlichkeit«,
welche ihn immer wieder zum Übertreter macht? Und nicht vielmehr, wie er
später argwöhnte, hinter ihr das Gesetz selber, welches sich fortwährend
als unerfüllbar beweisen muss und mit unwiderstehlichem Zauber zur Übertretung
lockt?
Aber damals hatte er diesen Ausweg noch nicht. Vielerlei lag ihm auf dem Gewissen
- er deutet hin auf Feindschaft, Mord, Zauberei, Bilderdienst, Unzucht, Trunkenheit
und Lust an ausschweifenden Gelagen - und wie sehr er auch diesem Gewissen,
und noch mehr seiner Herrschsucht, durch den äußersten Fanatismus
der Gesetzes-Verehrung und -Verteidigung wieder Luft zu machen suchte: es kamen
Augenblicke, wo er sich sagte: »Es ist alles
umsonst! Die Marter des unerfüllten Gesetzes ist nicht zu überwinden.«
Ähnlich mag Luther empfunden haben, als er der
vollkommene Mensch des geistlichen Ideals in seinem Kloster werden wollte: und
ähnlich wie Luther, der eines Tages das geistliche
Ideal und den Papst und die Heiligen und die ganze Klerisei zu hassen begann,
mit einem wahren tödlichen Hass, je weniger er ihn sich eingestehen durfte,
- ähnlich erging es Paulus. Das Gesetz war
das Kreuz, an welches er sich geschlagen fühlte: wie hasste er es! Wie
trug er es ihm nach! wie suchte er herum, um ein Mittel zu finden, es zu vernichten,
- nicht mehr es für seine Person zu erfüllen! Und endlich leuchtete
ihm der rettende Gedanke auf, zugleich mit einer Vision, wie es bei diesem Epileptiker
nicht anders zugehen konnte: ihm, dem wütenden Eiferer
des Gesetzes, der innerlich dessen todmüde war, erschien auf einsamer Straße
jener Christus, den Lichtglanz
Gottes auf seinem Gesichte, und Paulus
hörte die Worte: »warum verfolgst du mich?«
Das Wesentliche, was da geschah, ist aber dies: sein Kopf war auf
einmal hell geworden; »es ist unvernünftig,«
hatte er sich gesagt, »gerade diesen Christus
zu verfolgen! Hier ist ja der Ausweg, hier ist ja die vollkommene Rache, hier
und nirgends sonst habe und halte ich ja den Vernichter
des Gesetzes!« Der Kranke des gequältesten
Hochmutes fühlt sich mit einem Schlage wieder hergestellt, die moralische
Verzweiflung ist wie fortgeblasen, denn die Moral ist fortgeblasen, vernichtet,
- nämlich erfüllt, dort am Kreuze! Bisher hatte ihm jener schmähliche
Tod als Hauptargument gegen die
»Messianität«,
von der die Anhänger der neuen Lehre sprachen, gegolten: wie aber, wenn
er nötig war, um das Gesetz
abzutun! –
Die ungeheuren Folgen dieses Einfalls, dieser Rätsellösung wirbeln
vor seinem Blicke, er wird mit einem Male der glücklichste Mensch, - das
Schicksal der Juden, nein, aller Menschen scheint ihm an diesen Einfall, an
diese Sekunde seines plötzlichen Aufleuchtens gebunden, er hat den Gedanken
der Gedanken, den Schlüssel der Schlüssel, das Licht der Lichter;
um ihn selber dreht sich fürderhin die Geschichte! Denn er ist von jetzt
ab der Lehrer der Vernichtung des Gesetzes!
Dem Bösen absterben - das heißt, auch dem Gesetz absterben; im Fleische
sein - das heißt, auch im Gesetze sein! Mit Christus
eins geworden - das heißt,
auch mit ihm der Vernichter des Gesetzes geworden; mit ihm gestorben - das heißt,
auch dem Gesetze abgestorben! Selbst wenn es noch möglich wäre, zu
sündigen, so doch nicht mehr gegen das Gesetz, »ich bin außerhalb
desselben«.
»Wenn ich jetzt das Gesetz wieder aufnehmen und mich ihm unterwerfen wollte,
so würde ich Christus zum Mithelfer der Sünde
machen«; denn das Gesetz war dazu da, dass gesündigt werde, es trieb
die Sünde immer hervor, wie ein scharfer Saft die Krankheit; Gott hätte
den Tod Christi nie beschließen können, wenn überhaupt ohne
diesen Tod eine Erfüllung des Gesetzes möglich gewesen wäre;
jetzt ist nicht nur alle Schuld abgetragen, sondern die Schuld an sich vernichtet;
jetzt ist das Gesetz tot, jetzt ist die Fleischlichkeit, in der es wohnt, tot
- oder wenigstens in fortwährendem Absterben, gleichsam verwesend.
Noch kurze Zeit inmitten dieser Verwesung! - das ist das Los des Christen, bevor
er, eins geworden mit Christus,
aufersteht mit Christus, an der göttlichen
Herrlichkeit teilnimmt mit Christus und »Sohn
Gottes« wird, gleich Christus. -
Damit ist der Rausch des Paulus auf seinem Gipfel,
und ebenfalls die Zudringlichkeit seiner Seele, - mit dem Gedanken des Einswerdens
ist jede Scham, jede Unterordnung, jede Schranke von ihr genommen, und der unbändige
Wille der Herrschsucht offenbart sich als ein vorwegnehmendes Schwelgen in göttlichen
Herrlichkeiten. - Dies ist der erste
Christ, der Erfinder der Christlichkeit! Bis dahin gab es nur
einige jüdische Sektierer. – S.57ff.
Kröner Stuttgart, Kröners Taschenausgabe Band 73, Friedrich Nietzsche:
Morgenröte © 1991 by Alfred Kröner Verlag in Stuttgart
Die Lüge
vom »wiederauferstandenen« Jesus
Paulus verlegte einfach das Schwergewicht jenes
ganzen Daseins hinter dies Dasein
- in die Lüge vom »wiederauferstandenen«
Jesus.
Er konnte im Grunde das Leben des Erlösers überhaupt nicht brauchen
– er hatte den Tod am Kreuz nötig und etwas mehr noch...
Einen Paulus, der seine Heimat an dem Hauptsitz
der stoischen Aufklärung hatte, für ehrlich halten, wenn er sich aus
einer Halluzination den Beweis
vom Noch-Leben
des Erlösers zurechtmacht, oder auch nur seiner Erzählung, dass er
diese Halluzination gehabt hat, Glauben schenken, wäre eine wahre niaiserie
[Albernheit, Dummheit, Einfältigkeit]
seitens eines Psychologen: Paulus wollte den Zweck,
folglich wollte er auch die Mittel...
Was er selbst nicht glaubte, die Idioten, unter die er seine Lehre warf, glaubten
es. - Sein Bedürfnis war die Macht; mit Paulus
wollte nochmals der Priester zur Macht - er konnte nur Begriffe, Lehren, Symbole
brauchen, mit denen man Massen tyrannisiert, Herden bildet.
Was allein entlehnte später
Mohammed dem Christentum? Die Erfindung
des Paulus, sein Mittel zur Priester-Tyrannei,
zur Herden-Bildung: den Unsterblichkeits-Glauben
– das heißt die Lehre vom »Gericht«...
S.242ff.
Die
unverschämte Lehre von der Personal-Unsterblichkeit
Von nun an tritt schrittweise in den Typus des Erlösers hinein: die Lehre
vom Gericht und von der Wiederkunft, die Lehre vom Tod als einem Opfertode,
die Lehre von der Auferstehung, mit
der der ganze Begriff »Seligkeit«,
die ganze und einzige Realität des Evangeliums, eskamotiert ist - zugunsten
eines Zustandes nach dem Tode!... Paulus
hat diese Auffassung, diese Unzucht von Auffassung mit jener rabbinerhaften
Frechheit, die ihn in allen Stücken auszeichnet, dahin logisiert: »wenn
Christus nicht auferstanden ist von den Toten, so ist unser Glaube eitel«.
- Und mit einem Male wurde aus dem Evangelium die verächtlichste
aller unerfüllbaren Versprechungen, die unverschämte
Lehre von der Personal-Unsterblichkeit... Paulus
selbst lehrte sie noch als Lohn!...
S.241
Wenn man das Schwergewicht des Lebens nicht ins Leben, sondern ins »Jenseits«
verlegt - ins Nichts -,
so hat man dem Leben überhaupt das Schwergewicht genommen. Die
große Lüge von der Personal-Unsterblichkeit
zerstört jede Vernunft, jede Natur im Instinkte - alles, was wohltätig,
was lebenfördernd, was zukunftverbürgend in den Instinkten ist, erregt
nunmehr Misstrauen. So zu leben,
dass es keinen Sinn mehr hat zu leben, das wird
jetzt zum »Sinn« des
Lebens... Wozu Gemeinsinn, wozu Dankbarkeit noch für Herkunft und Vorfahren,
wozu mitarbeiten, zutrauen, irgendein Gesamtwohl fördern und im Auge haben?...
Ebenso viele »Versuchungen«, ebenso
viele Ablenkungen vom »rechten Weg«
- »eins ist not«...
Dass jeder als »unsterbliche Seele«
mit jedem gleichen Rang hat, dass in der Gesamtheit aller Wesen das »Heil«
jedes einzelnen eine ewige Wichtigkeit in Anspruch nehmen darf, dass kleine
Mucker und Dreiviertels-Verrückte sich einbilden dürfen, dass
um ihretwillen die Gesetze der Natur beständig durchbrochen
werden - eine solche Steigerung jeder Art Selbstsucht ins Unendliche,
ins Unverschämte kann man
nicht mit genug Verachtung brandmarken. Und doch verdankt das Christentum dieser
erbarmungswürdigen Schmeichelei vor der Personal-Eitelkeit
seinen Sieg - gerade
alles Missratene, Aufständisch-Gesinnte, Schlecht-weg-gekommne,
den ganzen Auswurf und Abhub der Menschheit hat es damit zu sich überredet.
Das »Heil der Seele« -
auf deutsch: »die Welt dreht sich um mich«...
Das Gift der Lehre »gleiche
Rechte für alle« - das Christentum hat es am grundsätzlichsten
ausgesät; das Christentum hat jedem Ehrfurchts- und Distanz-Gefühl
zwischen Mensch und Mensch, das heißt der Voraussetzung
zu jeder Erhöhung, zu jedem Wachstum der Kultur einen Todkrieg
aus den heimlichsten Winkeln schlechter Instinkte gemacht - es hat aus
dem ressentiment der Massen sich
seine Hauptwaffe geschmiedet gegen
uns, gegen alles Vornehme, Frohe, Hochherzige
auf Erden, gegen unser Glück auf Erden... Die »Unsterblichkeit«
jedem Petrus und Paulus
zugestanden, war bisher das größte, das bösartigste
Attentat auf die vornehme Menschlichkeit.
- Und unterschätzen wir das Verhängnis nicht, das vom Christentum
aus sich bis in die Politik eingeschlichen hat! Niemand hat heute mehr den Mut
zu Sonderrechten, zu Herrschaftsrechten, zu einem Ehrfurchtsgefühl vor
sich und seinesgleichen - zu einem Pathos der
Distanz... Unsre Politik ist krank
an diesem Mangel an Mut! -
Der Aristokratismus der Gesinnung wurde durch die Seelen-Gleichheits-Lüge
am unterirdischsten untergraben; und wenn der Glaube
an das »Vorrecht der Meisten« Revolutionen
macht und machen wird
- das Christentum ist es, man zweifle nicht daran, christliche
Werturteile sind es, welche jede Revolution bloß in Blut
und Verbrechen übersetzt! Das Christentum ist ein Aufstand alles Am-Boden-Kriechenden
gegen das, was Höhe hat:
das Evangelium der »Niedrigen« macht
niedrig...
- Die Evangelien sind unschätzbar als Zeugnis für die bereits unaufhaltsame
Korruption innerhalb der ersten
Gemeinde. Was Paulus später mit dem
Logiker- Zynismus eines Rabbiners zu Ende führte, war trotzdem bloß
der Verfalls-Prozess, der mit dem Tode des Erlösers begann. -
S.243f.
Kröner Stuttgart, Kröners Taschenausgabe
Band 77, Friedrich Nietzsche. Götterdämmerung. Der Antichrist. Ecce
homo. Gedichte
© 1990 by Alfred Kröner Verlag in Stuttgart Veröffentlichung
auf Philos-Website mit freundlicher Erlaubnis des Alfred Kröner Verlages,
Stuttgart
Georg Brandes:
Paulus
ist eigentliche Verbreiter der christlichen Religion
Paulus, der der eigentliche Verbreiter der christlichen Religion war, kann nicht
das geringste über die Persönlichkeit Jesu melden, er hat ihn nie
gesehen, ebensowenig, wie die, im übrigen namenlosen, Evangelisten ihn
je gesehen haben. Wenn er (1. Korinther 9,
1) ausruft: »Habe ich nicht
unsern Herrn Jesus Christus gesehen?«, so bezieht sich das
auf die Vision bei Damaskus. Und was man populär als Evangelium des Markus,
des Lukas usw. bezeichnet, will ja nach den Worten
des Textes (Katà) nur ausdrücken, dass
das Evangelium von jemand aufgezeichnet wurde, der dem Kreise des genannten
Jüngers angehörte, keineswegs, dass dieser selbst der Urheber war.
Nichts wird zudem von diesen Evangelisten niedergeschrieben, ehe Paulus
schon jahrelang gewirkt hat.
Dieser Paulus mit all seiner Feurigkeit ist, soweit
man sehen kann, eine unheimliche Persönlichkeit gewesen, einer
jener krankhaften Menschen, bei denen die Begeisterung in Abscheu, der Hass
dagegen in aufbrausende Schwärmerei umschlägt.
Alles historische Wissen ist ja unsicher, das Wort ist wahr, dass die historische
Sicherheit auf der Schweigsamkeit des Todes beruht.
Aber was die Quellen uns melden, ist folgendes:
Als der unglückliche Stephanus wegen seines
abweichenden Messiasglaubens gesteinigt werden sollte, legten die ersten von
den Henkern die Mäntel, die sie bei der Steinigung störten, einem
jungen Fanatiker Saul zu Füßen, der
Gefallen an dem Morde fand, und deshalb nach seiner eigenen Aussage gern die
Kleider derer verwahrte, die ihn ausführten. Er sah es in seiner blinden
Leidenschaft für seine Schuldigkeit an, etwas gegen die Nazaräer zu
tun. Das tat er denn auch in Jerusalem, wo er sich vom Hohenpriester eine Vollmacht
verschaffte, um viele von den Heiligen ins Gefängnis werfen zu lassen;
er soll, wenn sie gesteinigt wurden, seine Stimme dafür abgegeben haben.
Man nimmt an, dass dies im Jahre 37 geschehen sei.
Im Jahre 38 erfolgte
seine plötzliche Bekehrung. Sowohl vor wie nach ihr war er ein Eiferer
von Fach.
Der
Apostel der Heiden
Er war im Jahre 10 oder 12 in Tarsus in Kilikien
geboren. Erst, als er sich zum Apostel der Heiden
machte, latinisierte er seinen Namen Saul in Paulus.
Seine Familie stammte aus Gischala in Galiläa und glaubte, dem Stamm Benjamin
anzugehören. Sein Vater war römischer Bürger, hatte diesen Titel
entweder durch erwiesene Dienste erworben oder auch vielleicht von einem seiner
Vorfahren geerbt, der ihn sich gekauft hatte. Die Familie gehörte, wie
alle besseren jüdischen Familien, zur Partei der Pharisäer. Selbst
als er mit der Partei gebrochen hatte, behielt er doch noch ihren Eifer, ihre
seelische Spannung, die Schärfe ihrer Ausdrucksweise.
Tarsus war damals eine blühende Stadt, die Bevölkerung griechisch
und aramäisch. Die Juden waren dort wie in allen Handelsstädten zahlreich.
Der Sinn für Literatur war verbreitet, und keine Stadt, selbst nicht Athen
oder Alexandria, war reicher an wissenschaftlichen Institutionen. Nicht, dass
Saul eine sorgfältige hellenische Erziehung genossen hätte. Die Juden
besuchten selten die Schulen, in denen weltliche Kenntnisse verbreitet wurden.
In den Schulen wurde in erster Reihe ein reines Griechisch gelehrt. Hätte
Saul es gelernt, so hätte Paulus
nicht seine eigenartige, so ungriechische Sprache geschrieben — oder wohl
eher diktiert —, die so von aramäischen und syrischen Redensarten
wimmelt, dass ein gebildeter Grieche seiner Zeit sie wohl kaum verstehen konnte.
Ohne sich über den Mangel dessen zu schämen, was die damalige Zeit
unter Bildung verstand, nennt er sich selbst (2. Korinther
11, 6) idiotes to logo, nicht
kundig der Rede, natürlich nur, um zu behaupten, wie wenig darauf ankäme.
Er hat offenbar in der syrochaldäischen Sprache gedacht, wie sie denn auch
seine Muttersprache war, die er am liebsten redete, auch wenn er Selbstgespräche
führte oder Stimmen in seinem Ohre hörte.
Was er verkündet, hat denn auch nicht das geringste Verhältnis zu
griechischer Philosophie. Das so oft erwähnte Zitat aus Menanders
verloren gegangenem Schauspiel Thais, »Schlechter
Umgang verdirbt gute Sitten«, war eine Redensart, die von
unzähligen angewendet wurde, welche nie Menander
gelesen hatten.
Die beiden griechischen Zitate, die man sonst noch findet, kommen in Briefen
vor, die kaum echt sind. Die eine Stelle (Titus 1,
12), wo es heißt:
»Es hat einer aus ihnen gesagt, ihr eigener
Prophet: >Die Kreter sind immer Lügner, böse Tiere und faule Bäuche<«,
wurde Epimenides zugeschrieben, der im
6. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung lebte und im Altertum
als ein großer Wahrsager angesehen wurde. Die andere Stelle (Apostelgeschichte
17, 28) lautet: »Denn in ihm leben,
weben und sind wir, wie auch etliche Poeten bei euch gesagt haben.«
Die Dichter, an die er hier denkt, sind Aratos
aus Kilikien und Kleanthes aus Lykien. Mit dem
Worte ihm ist bei ihnen Zeus gemeint.
Man sieht, dass der junge Saul fast seine ganze
Bildung dem Talmud verdankt, er lässt sich
mehr von Worten als von Gedanken leiten, ein Wort bringt ihn dazu, eine Gedankenreihe
zu verfolgen, die weit vom Ausgangspunkt entfernt ist.
An einer einzigen Stelle (Kapitel 13) hebt
sich der Korintherbrief zu so hohem Fluge,
dass wenige Stellen ihm nahe kommen an glühender Begeisterung und strömender
Beredsamkeit. Es muss eingeräumt werden, dass die Stelle allerdings von
einem so gewiegten Kenner wie van Manen als spätere
Einschiebung bezeichnet wird. Es sind die schönen Worte: »Wenn
ich mit Menschen- und mit Engelzungen redete und hätte der Liebe nicht,
so wäre ich ein tönend Erz oder eine klingende Schelle. Und wenn ich
weissagen könnte und wüsste alle Geheimnisse und alle Erkenntnis und
hätte allen Glauben, also dass ich Berge versetzte, und hätte der
Liebe nicht, so wäre ich nichts.« Es folgen noch ein
Dutzend ebenso wertvolle Ausbrüche, Funken eines Feuers, desgleichen jahrhundertelang
nicht gewesen war und nicht kommen sollte.
Aber man untersuche, wie seltsam dieser schöne Abschnitt eingerahmt ist.
In langweilige, spitzfindige Beschreibungen wie das lang ausgedehnte Gleichnis
des vorigen Kapitels, dass wie im menschlichen Körper die Glieder zusammenhängen,
so auch die Gemeinde zusammenhalten soll, und dazu Argumente, wie: »So
aber der Fuß spräche: Ich bin keine Hand, darum bin ich des. Leibes
Glied nicht, sollte er um deswillen nicht des Leibes Glied sein? Und so das
Ohr spräche: Ich bin kein Auge, darum bin ich nicht des Leibes Glied, sollte
es um deswillen nicht des Leibes Glied sein?« usw., bis ins
Unendliche. Oder man schlage nach, was auf die erhabene Lobpreisung der Liebe
folgt. Ein Kapitel, das gedanklich so schwach und so lose im Gedankengang ist:
»Denn der mit Zungen redet, der redet nicht
den Menschen, sondern Gott, denn ihm hört niemand zu, im Geist aber redet
er die Geheimnisse. Wer aber weissagt, der redet den Menschen zur Besserung
und zur Ermahnung und zur Tröstung. Wer mit Zungen redet, der bessert sich
selbst« usw. — die leersten Redensarten.
Zum
Rabbi bestimmt?
Sauls Vater hatte ihn früh zum Rabbi bestimmt,
ihm aber, wie üblich, einen Beruf gegeben. Er wurde Zeitmacher, arbeitete
mit dem groben Leinen, das selbst aus Kilkien kam, oder mauerte Hütten.
Er war unbemittelt und äußerst höflich. Wenn Leidenschaft ihn
nicht zornig und wild machte, war er wohlerzogen, sogar herzlich, im übrigen
jedoch reizbar und zur Eifersucht geneigt.
Sein Äußeres scheint schwächlich gewesen zu sein. Nach alten
christlichen Schriften, deren Glaubwürdigkeit zwar unsicher, deren Schilderung
jedoch immerhin nicht ganz aus der Luft gegriffen scheint, war er
hässlich, klein, vierschrötig, buckelig.
Wo er von seinem Körper spricht (wie in
2. Korinther 11, 30; 12, 5, 9, 11), macht er auf seine Körperschwäche
aufmerksam, die einen so ausgeprägten Gegensatz zu seiner Geistesstärke
bildet. Er schildert sich als einen Mann, der trotz seiner geistigen Überlegenheit
krank und erschöpft ist und in seinem Auftreten nichts besitzt, was eine
Wirkung ausübt, der aber so beschaffen ist, dass er in seinem Innern Verzückungszustände
erlebt hat, in denen er nicht wusste, ob er sich innerhalb oder außerhalb
seines Körpers befand. Er hat zudem ein heimliches Gebrechen, »einen
Pfahl im Fleische«, der ihm von Gott gegeben ist, um ihn zu verhindern,
dem Hochmut zu verfallen. Der Pfahl besteht darin, dass »Satans
Engel ihn mit Fäusten schlägt« (2.
Korinther 12, 7). Dreimal hat er Gott gebeten, ihn davon zu befreien,
und dreimal hat er die ablehnende Antwort erhalten: »Lass dir an meiner
Gnade genügen.« Der Pfahl im Fleische ist kein Ausdruck für
irgendwelche geschlechtliche Anfechtung, er lässt uns oft genug wissen,
wie kalten Temperamentes er ist. Siehe besonders 1.
Korinther 7, 7: »Ich wollte aber
lieber, alle Menschen wären, wie ich bin,« d.
h. ohne Verlangen nach einem Weibe.
Er kam jung nach Jerusalem, und man vermutet, dass er jung die Schule Gamaliels
besucht hat. Dieser wurde Pharisäer genannt, war aber milde, wenn auch
streng. Saul hingegen entwickelte sich zu einem
wilden, aufgehetzten und aufhetzenden Fanatiker, bis zur Raserei klammerte er
sich an die nationale Vergangenheit. Als die erste Gemeinde sich in Jerusalem
zerstreute, durchwanderte er das Land und besuchte die andern Städte.
In Damaskus scheint sich zu einem Zeitpunkt, als die römische Herrschaft
beim Ausbruch von Kaligulas Tollheit zusammengebrochen
war, eine Gruppe gebildet zu haben, die glaubte, dass der Messias
gekommen wäre. Saul scheint sich hingegen
vom Hohenpriester Theophilus, dem Sohn des
Hanan, eine Vollmacht verschafft zu haben, diese Abtrünnigen zu
verhaften und in Banden nach Jerusalem zu bringen.
Lichtvision
oder epileptischer Anfall?
Da endlich scheint es, dass ihn in dem irdischen Paradies, das die Gärten
bei Damaskus waren, selbst seine Henkerrolle anekelte, dass er sich derer erinnerte,
die er hatte verfolgen und foltern lassen, und dass er glaubte, eine lichte
Vision am Himmel zu sehen und eine Stimme zu hören, die
ihn in seiner Muttersprache warnte und ermahnte. Er hatte einen epileptischen
Anfall, aus dem er umgestimmt, bekehrt erwachte.
Auf jeden Fall ist er nach seinem Aufenthalt in Damaskus verwandelt, er ist
selbst lauter Hoffnung und Glauben, er wandert den Scharen, die er an sich zieht,
wie eine Feuersäule voran. Flammt er von der Liebe, die er so schön
gepriesen hat? Sie kommt über ihn wie Hitzeschauer, brennt durchaus nicht
in ihm wie eine heilige Lampe.
Das erste beste Beispiel wird es beweisen. Es hatte sich eine kleine Gemeinde
in Korinth gebildet, aber dort wie überall war viel Fleischlichkeit im
Schwange. Die Messiasgläubigen, die man gelehrt hatte, dass das Gesetz
Mose jetzt keine Gültigkeit mehr hätte,
sondern dass ihnen alles erlaubt wäre, führten ein höchst unzüchtiges
Leben. Die Frauen zeigten sich ohne Schleier. Das gemeinsame Liebesmahl, an
das sich das Abendmahl anschloss, war zu wilden Schmausereien ausgeartet. Man
kaufte auf dem Markte von dem Fleisch, das von den den griechischen Göttern
dargebrachten Opfern übrig geblieben war, und ließ es sich gut schmecken,
viele entblödeten sich nicht einmal, an heidnischen Opferfestlichkeiten
teilzunehmen. Doch die scheußlichste Botschaft, die Paulus
erhielt, war, dass einer von der Gemeinde sich noch zu Lebzeiten seines Vaters
mit seiner geschiedenen Stiefmutter verheiratet hatte. Paulus
ist außer sich. Er rast. Obwohl der Sünder aufrichtig bereut, beruhigt
ihn das keineswegs. In demselben Brief (1. Korinther
5, 3 - 5), der von Hymnen zum Preis der Liebe überströmt,
stellt er ein strafendes Wunder in Aussicht. Er hat beschlossen im Namen des
Herrn vor versammelter Gemeinde mit seinem Geist und mit der Kraft des Herrn
Jesu Christi den Sünder zum Verderb seines Fleisches Satan
zu übergeben, auf dass sein Geist später am Tage des Herrn selig werden
kann.
Sein Zorn ist zügellos. Aber das schlimmste beinahe war, dass er sich lächerlich
machte, da das Wunder ausblieb. Jetzt wurde er auf jede Art und Weise als Prahlhans
verhöhnt: er wolle durch Briefe schrecken, komme aber nicht selber (2.
Korinther 10, 9). — Wahrlich, er machte sich das Leben sauer
durch sein ewiges Agitieren und Ermahnen, seinen unablässigen Kampf gegen
Feinde innerhalb und außerhalb des Lagers der Heiligen.
Er ist rechthaberisch, zänkisch, man dürfte das Wort Querulant wagen.
Man sehe ihn selbst sein Verhältnis zu Petrus darstellen (im
Galaterbrief 2, 11ff.). Kein Wort ist verletzend genug für
den Rivalen. Er beschuldigt ihn sowohl der Feigheit wie der Heuchelei:
»Da aber Petrus gen Antiochien kam, widerstand ich ihm unter Augen, denn
es war Klage über ihn gekommen. Denn zuvor, ehe etliche von Jakobus kamen,
aß er mit den Heiden, da sie aber kamen, entzog er sich und sonderte sich
ab, darum dass er die aus den Juden fürchtete. Und mit ihm heuchelten die
andern Juden, also dass auch Barnabas verführt ward, mit ihnen zu heucheln.
Aber da ich sah, dass sie nicht richtig wandelten nach der Wahrheit des Evangeliums,
sprach ich zu Petrus vor allen öffentlich: »So
du, der du ein Jude bist, heidnisch lebst und nicht jüdisch, warum zwingst
du denn die Heiden, jüdisch zu leben?« Und nun folgt
ein fast unverständliches Donnerwetter.
Doch alles dies, worauf Ideenassoziationen den Gedankengang geführt haben,
diese Streitigkeiten in den ältesten messiasgläubigen Gemeinden zwischen
denen, die aus jüdischem Geschlecht, und denen, die es nicht waren, sowie
zahlreiche andere Tatsachen oder Fragen sind von untergeordneter Bedeutung im
Vergleich mit der einen großen Wahrheit, die seit langer Zeit Forschern
gedämmert hat, welche sich von den professoralen Vorurteilen der Fachtheologen
freigemacht hatten, also Männern wie Arthur
Drews in Deutschland, J.
M. Robertson in England, Alfred Loisy
und Paul Louis Couchoud in Frankreich.
Das Christentum existierte in seinem Keim und seinem Wesen von dem Augenblick
an, da der Messias der Propheten, der Diener des Herrn bei Jesaia, der verfolgte
Gerechte der Psalmen und Weisheitsbücher zu einer einzigen Gestalt, zu
Jahve selbst verschmolzen, in einen Gott verwandelt wurde, der starb, wieder
auferstand und sich wiederum offenbaren wollte, um die Welt zu richten.
Von dieser Grundanschauung des Daseins, dieser Verdoppelung Jahves zu einem
Jahve-Messias oder Jahve-Jesus nimmt das Christentum seinen Ausgang. »Dieser
Jesus wird nicht von Joseph und Maria gezeugt, sondern von Glauben, Hoffnung
und Liebe« (Couchoud).
Die so genannte Offenbarung des Johannes, die aus
einer jüdischen Apokalypse, einer Nachahmung des so genannten Buches Daniel,
zu einer christlichen Apokalypse gemacht wurde, etwa wie ein Operateur der Jetztzeit
aus einem Hahn eine Henne macht, kennt nur einen solchen Jahve-Messias.
Auch Paulus hat keinen andern gekannt.
Später haben dann die Fragelust und Wissbegier des gemeinen Volkes, sein
Mangel an Fähigkeit, sich in solche geistigen Höhen zu heben, verursacht,
dass man überlieferte Anekdoten, eine mystische oder mythische Erzählung
von der Entstehung Jesu, eine Nachstellung des Neugeborenen durch Herodes, nachgeahmt
der des neugeborenen Moses durch Pharao (auch ihm ist
nie nachgestellt worden, und er hat wohl nie gelebt), eine Mythe von
seiner Versuchung durch den Teufel, eine Menge treffender Aussagen und Gleichnisse,
die von damaligen Weisen stammten, die Erzählungen von einem hochsinnigen,
überlegenen Manne aus dem Volke, eine Menge Heilungsmirakel, Wunder, Symbole,
Visionen zusammengescharrt und daraus das aus zahlreichen Elementen bestehende
Gebräu gekocht, das Markus zufolge das Evangelium
genannt wird.
Aus diesem entstanden dann die anderen Evangelien.
Ohne
Glauben an die Auferstehung – ist der Gaube vergeblich!
Die Messiashoffnung und der Messiasglaube sind nicht die einzige Quelle des
ursprünglichen Christentums. Gleich daneben liegt eine andere, verschiedene,
der für uns so sonderbare Glaube nicht an die von einem begeisterten Jüngling
aus Galiläa verkündete Lehre, sondern an die Auferstehung dieses Jünglings
aus dem Grabe.
Für einen heute Lebenden ist es äußerst schwer, sich in den
paradoxalen Vorstellungskreis zu versetzen, in. dem Menschen, die ohne Beziehung
zu griechisch-römischer Bildung waren, vor 2000 Jahren in Anatolien, in
Syrien und Ägypten, also in den östlichen Mittelmeerländern lebten.
Wir stutzen, wenn wir im 1. Korintherbrief 15, 4—15
finden, dass Paulus seine ganze Verkündigung
auf der Überzeugung aufbaut, dass ein junger Mann, der nach der Voraussetzung
Gottes Sohn, also selbst ein göttliches Wesen, unanfechtbar, unsterblich
ist, sich — scheinbar eine Leiche — hat begraben lassen, und gleich
darauf, am dritten Tage, aus dem Grabe auferstanden ist. Paulus sagt: Dass er
auferstanden ist am dritten Tage, nach der Schrift, und dass er gesehen worden
ist von Kephas, danach von den Zwölfen. Danach ist er gesehen worden von
mehr denn fünfhundert Brüdern auf einmal. Dann von Jakobus,
danach von allen Aposteln. Am letzten nach allen ist er auch von mir gesehen
worden usw. — Es heißt weiter:
»So aber Christus gepredigt wird, dass er sei von
den Toten auferstanden, wie sagen denn etliche unter euch, die Auferstehung
der Toten sei nichts? Ist aber die Auferstehung der Toten nichts, so ist auch
Christus nicht auferstanden. Ist aber Christus nicht auferstanden, so ist unsere
Predigt vergeblich, so ist auch euer Glaube vergeblich.«
Mit anderen Worten: Der Adonis-, Attis-, Osiriskult führt
zu dem springenden Punkt im ursprünglichen Christentum: dem Glauben an
die Auferstehung. Der Kern des Adonis- und Attisglaubens
in Syrien und Palästina und ähnlicher religiöser Vorstellungen
in Anatolien und Ägypten war der, dass
ein junger Gott durch ein hartes Geschick in seiner blühenden Jugend sterben
musste, von Frauen beweint, in die Erde oder den Nil versenkt und wieder zum
Leben erweckt wurde, so dass die Klage von Jubel abgelöst ward.
S.45-60
Aus: Georg Brandes: Die Jesus-Sage, Erich Reiss Verlag
Berlin 1925