Napoleon I. (1769 – 1821)
Napoleon,
Spross einer korsischen Familie, hieß ursprünglich Napoleon
Bonaparte und war von 1804 bis 1814/1815
selbst gekrönter Kaiser der Franzosen. Seine
Feldzüge, in die er ganz Europa verwickelte, sind hinlänglich
bekannt. Im Innern löste er die in der Revolution eingeführte
- gegeneinander konkurrierende - Gewaltenteilung durch ein vorzüglich
organisiertes, streng zentralistisches Herrschafts- und Verwaltungssystem
ab. Den Kirchenkampf der Revolution beendete er 1801
durch den Abschluss eines Konkordats mit Papst Pius
VII. , in dem er sich die Oberhohheit über die vom Staat besoldete
Kirche sicherte. 1806 erließ er den »Code
Civile«, ein vorbildliches Gesetzeswerk, dessen essentiellen
Grundzüge noch heute in nahezu allen Gesetzbüchern Europas zu
finden sind. » Da war Napoleon ein Kerl! Immer erleuchtet, immer klar und entschieden und zu jeder Stunde mit der hinreichenden Energie begabt, um das, was er als vorteilhaft und notwendig erkannt hatte, sogleich ins Werk zu setzen. Sein Leben war das Schreiten eines Haibgottes von Schlacht zu Schlacht und von Sieg zu Sieg. Von ihm könnte man sehr wohl sagen, daß er sich in dem Zustande einer fortwährenden Erleuchtung befunden, weshalb auch sein Geschick ein so glänzendes war, wie es die Welt vor ihm nicht sah und vielleicht auch nach ihm nicht sehen wird.« Goethe zu Eckermann (1828). Die letzte politische Vornehmheit, die es in Europa gab, die des siebzehnten und achtzehnten französischen Jahrhunderts, brach unter den volkstümlichen Ressentiments-Instinkten zusammen — es wurde niemals auf Erden ein größerer Jubel, eine lärmendere Begeisterung gehört! Zwar geschah mitten darin das Ungeheuerste, das Unerwartetste: das antike Ideal selbst trat leibhaft und mit unerhörter Pracht vor Auge und Gewissen der Menschheit, — und noch einmal, stärker, einfacher, eindringlicher als je, erscholl, gegenüber der alten Lügen-Losung des Ressentiment vom Vorrecht der Meisten, gegenüber dem Willen zur Niederung, zur Erniedrigung, zur Ausgleichung, zum Abwärts und Abendwärts des Menschen, die furchtbare und entzückende Gegenlosung vom Vorrecht der Wenigsten! Wie ein letzter Fingerzeig zum anderen Wege erschien Napoleon, jener einzelnste und spätestgeborene Mensch, den es jemals gab, und in ihm das fleischgewordene Problem des vornehmen Ideals an sich — man überlege wohl, was es für ein Problem ist: Napoleon, diese Synthesis von Unmensch und Übermensch... S.281 Kröner Stuttgart, Kröners Taschenausgabe Band 76, Friedrich Nietzsche: Jenseits von Gut und Böse / Zur Genealogie der Moral |
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Inhaltsverzeichnis
Proklamation An Se. Heiligkeit den Papst Pius VII. An den Grafen Laplace |
An
Alexander I., Kaiser von Rußland Entsagungsakte |
Proklamation
Hauptquartier Alexandrien,
3. Juli 1798
Seit zu lange schon wird das französische Volk von den Beys, welche Ägypten
regieren, beleidigt, werden seine Kaufleute mit Erpressungen erdrückt:
die Stunde ihrer Bestrafung ist gekommen.
Seit zu lange schon bedrückt dieser in Georgien und Tschirkassien gekaufte
Haufe Sklaven den schönsten Teil der Welt; aber Gott, von dem alles abhängt,
hat befohlen, daß ihr Reich endige.
Völker Ägyptens, man wird euch sagen, daß ich eure Religion
abschaffen will, glaubt es nicht! Antwortet, daß ich komme, um euch euer
Recht wieder zu verschaffen, die Usurpatoren zu bestrafen, und daß ich
Gott, seinen Propheten und den Koran tiefer verehre als die Mameluken.
Sagt ihnen, daß alle Menschen vor Gott gleich sind; Weisheit, Talente
und Tugenden bedingen allein eine Verschiedenheit zwischen ihnen.
Aber durch welche Weisheit, welche Talente, welche Tugenden zeichnen sich die
Mameluken aus, daß sie ausschließlich alles das haben sollen, was
das Leben lieblich und angenehm macht?
Ist wo ein schönes Landgut, es gehört den Mameluken. Ist irgendwo
eine schöne Sklavin, ein schönes Pferd, ein schönes Haus, alles
dies gehört den Mameluken.
Wenn sie Ägypten gepachtet haben, so mögen sie ihren Pachtvertrag
zeigen, den Gott mit ihnen eingegangen ist. Aber Gott ist gegen das Volk gerecht
und barmherzig.
Alle Ägypter sollen zu allen Ämtern berufen werden, die Weisesten,
die Kenntnisreichsten, die Tugendhaftesten sollen regieren und das Volk wird
glücklich sein.
Es waren früher bei euch große Städte, große Kanäle,
ein großer Handel. Wer hat alles dies zugrunde gerichtet, wenn nicht der
Geiz, die Ungerechtigkeit und die Tyrannei der Mameluken?
Kadis, Scheiks, Imams, Tschorbadschis, sagt dem Volke, daß wir Freunde
der wahren Muselmänner sind.
Haben wir nicht den Papst abgesetzt, der da sagte, daß man die Muselmänner
bekriegen müsse? Haben wir nicht die Malteserritter vernichtet, weil diese
Unsinnigen glaubten, Gott wolle, daß sie die Muselmänner bekriegten?
Sind wir nicht in allen Jahrhunderten die Freunde des Großherrn gewesen
(Gott möge seine Wünsche erfüllen!) und der Feind seiner Feinde?
Haben sich dagegen die Mameluken nicht immer gegen den Grollherrn empört,
dessen Gewalt sie auch jetzt noch nicht anerkennen? Sie handeln nur nach ihren
Launen.
Dreimal glücklich diejenigen, die mit uns sein werden! Sie werden in ihrem
Vermögen und in ihrem Rang gedeihen. Glücklich diejenigen, die neutral
bleiben! Sie werden Zeit haben, uns kennen zu lernen, und sie werden unsere
Partei ergreifen.
Aber wehe, dreimal wehe denen, die sich für die Mameluken bewaffnen und
gegen uns kämpfen! Für sie gibt es keine Hoffnung: sie werden zugrunde
gehen. S.128-130
Aus: Napoleon Briefe, Siebente Auflage, Gesammelt
und herausgegeben von Hans Landsberg, Parnasso Verlag, Berlin
An
Se. Heiligkeit den Papst Pius VII.
Mailand, 24. Mai 1805.
Ich habe den Brief erhalten, den mir Ew. Heiligkeit unterm 18. Mai geschrieben
hat. Ich bin schon von Ihrer glücklichen Ankunft in Rom unterrichtet gewesen.
Ich habe ein wahres Vergnügen empfunden, zu erfahren, daß Sie gesund
geblieben sind, und daß weder die Veränderung des Klimas noch die
Beschwerden einer so großen Reise Sie angegriffen haben.
Eins meiner ersten Geschäfte, als ich hier angekommen bin, war die
Erlassung eines Dekrets, um das Konkordat zur Vollziehung zu bringen;
Ew. Heiligkeit kann es somit in Rom ohne jegliche Besorgnis veröffentlichen
lassen. So ist alles angemessenerweise geordnet.
Ich werde morgen den Kardinal Caprara als Ihren
Legaten empfangen, und Sonntag wird die Feier meiner Krönung
stattfinden, die ich verschoben habe, weil noch nicht alles bereit war.
Ich habe es mit dem Wetter gut getroffen; denn es war am Donnerstag sehr schlecht,
der zuerst festgesetzt war.
Ich glaube, daß der Luftballon, den man in Paris
am Tage der Salbung hatte aufsteigen lassen, und der so glücklich
nach Rom gelangt ist, zum Gedächtnis dieses außerordentlichen
Ereignisses sorgfältig aufbewahrt werden sollte; ich wünschte,
daß Ew. Heiligkeit ihn an einen besonderen Ort bringen lassen möchte,
wo die Reisenden ihn sehen könnten, und daß eine Inschrift beurkundete,
daß er in so und so viel Stunden nach Rom gelangt sei.
Ich habe mehrmals mit Ew. Heiligkeit von meinem jungen, achtzehnjährigen
Bruder gesprochen, den ich auf einer Fregatte nach Amerika geschickt hatte,
um dem dortigen Krieg beizuwohnen, und der sich nach einem vierwöchentlichen
Aufenthalt in den Vereinigten Staaten in Baltimore . . . mit einer Protestantin,
der Tochter eines Kaufmanns in dieser Stadt, verheiratet hat. Dieser junge Mann
ist eben zurückgekommen. Er sieht seinen Fehler ein. Ich habe Fräulein
Patterson, seine sogenannte Frau, nach Amerika zurückgeschickt. Die Heirat
ist nichtig. Ein spanischer Priester ist so pflichtvergessen gewesen, sie einzusegnen.
Ich wünschte eine Bulle Ew. Heiligkeit, welche die letzte Spur dieser Heirat
verlöschte. Ich schicke Ihnen mehrere Denkschriften, von denen eine vom
Kardinal Castelli ist, dessen Handschrift Sie erkennen werden. Es wäre
mir leicht, diese Heirat durch den Erzbischof von Paris für ungültig
erklären zu lassen; die gallikanische Kirche erkennt keine solchen Heiraten
an; aber es wäre angemessen, wenn das unmittelbare Einschreiten Ew. Heiligkeit
dieser Angelegenheit größere Wichtigkeit gäbe, und wäre
es nur deshalb, weil es sich um ein Glied eines souveränen Hauses handelt.
Ich bitte Ew. Heiligkeit, diese erste Mitteilung noch geheim zu halten, denn
ich will erst ein öffentliches Ansuchen stellen, wenn Sie mir mitgeteilt
haben, daß Sie damit einverstanden sind. Es ist aus vielen Rücksichten
und sogar im Interesse der Religion in Frankreich von Wichtigkeit, daß
ein protestantisches Mädchen nicht in so naher Beziehung zu mir stehe;
denn es wäre ein gefährliches Beispiel, daß ein Unmündiger,
ein Kind von hohem Rang, einer solchen Verführung gegen die bürgerlichen
Gesetze und gegen jegliche Schicklichkeit ausgesetzt wäre.
Uns so bitte ich Gott, Heiligster Vater, daß er Sie lange Jahre bei der
Leitung und Regierung unserer Mutter, der heiligen Kirche, erhalte.
Ihr andächtiger Sohn, Kaiser der Franzosen und König von Italien.
Napoleon. S.231-233
Aus: Napoleon Briefe, Siebente Auflage, Gesammelt
und herausgegeben von Hans Landsberg, Parnasso Verlag, Berlin
An
den Grafen Laplace
Vitebsk, 1. August
1812.
Herr Graf Laplace, ich erhalte mit Vergnügen
Ihre Abhandlung über die Wahrscheinlichkeitsrechnung.
Es gab eine Zeit, wo ich sie mit Interesse gelesen hätte; heute muß
ich mich darauf beschränken, Ihnen das Vergnügen zu bezeugen, das
ich immer habe, wenn ich Sie neue Werke herausgeben sehe, die diese erste von
allen Wissenschaften vervollkommnen und ausdehnen.
Sie tragen zum Ruhme der Nation bei. Die Förderung
und die Vervollkommnung der Mathematik ist mit dem Wohlstand des Staats eng
verbunden. S.383
Aus: Napoleon Briefe, Siebente Auflage, Gesammelt
und herausgegeben von Hans Landsberg, Parnasso Verlag, Berlin
An
Alexander I., Kaiser von Rußland
Moskau, 20. September
1812.
Mein Herr Bruder, da ich erfahren habe, daß der Bruder des Ministers Ew.
Kaiserlichen Majestät in Kassel sich in Moskau befinde, habe ich ihn kommen
lassen und mich eine Zeit lang mit ihm unterhalten. Ich habe ihn aufgefordert,
sich zu Ew. Majestät zu begeben und Sie von meiner Gesinnung in Kenntnis
zu setzen. Die schöne und prächtige Stadt Moskau besteht nicht mehr.
Rostopschin hat sie verbrennen lassen. Vierhundert Brandstifter sind auf frischer
Tat erwischt worden; alle haben erklärt, daß sie auf Befehl dieses
Statthalters und des Polizeidirektors Feuer anlegten; sie sind erschossen worden.
Das Feuer scheint endlich aufgehört zu haben.
Drei Viertel von den Häusern sind verbrannt; ein Viertel ist übrig
geblieben. Diese Handlungsweise ist gräßlich und zwecklos. Hat sie
zum Zweck, mich einiger Hilfsquellen zu berauben? Aber diese Hilfsquellen waren
in Kellern, die das Feuer nicht hat erreichen können.
Wie konnte man übrigens eine der schönsten Städte der Welt und
das Werk von Jahrhunderten vernichten, um einen so unbedeutenden Zweck zu erreichen?
Dies hat man seit Smolensk getan, 600.000 Familien hat man zu Bettlern gemacht.
Die Feuerspritzen der Stadt Moskau waren zerbrochen oder weggebracht, ein Teil
der Waffen war Verbrechern gegeben worden, welche genötigt haben, einige
Kanonenschüsse auf das Kremlin zu feuern, um sie daraus zu vertreiben.
Die Menschlichkeit, das Interesse Ew. Majestät und dieser großen
Stadt erheischte, daß sie mir zur Bewahrung anvertraut werde, weil die
russische Armee sie unbedeckt ließ; man hätte Verwaltungen, Behörden
und Bürgerwehren daselbst lassen sollen. So hat man in Wien zweimal, in
Berlin, in Madrid getan. So sind auch wir in Mailand verfahren, als Suwarow
dort einzog. Die Brandlegungen ermächtigten zur Plünderung, welcher
der Soldat sich hingibt, um den Flammen Trümmer zu entreißen. Wenn
ich voraussetzte, daß solches auf Befehl Ew. Majestät getan worden
ist, würde ich Ihnen diesen Brief nicht schreiben; aber ich halte es für
unmöglich, daß Sie bei Ihren Grundsätzen, Ihrem Herzen, und
der Richtigkeit Ihrer Anschauungen zu solchen Schändlichkeiten ermächtigt
haben, die eines großen Fürsten und einer großen Nation unwürdig
ist. Zu der nämlichen Zeit, als man die Feuerspritzen aus Moskau wegschaffte,
ließ man 150 Feldkanonen, 60.000 neue Flinten, 1.600.000 Infanteriepatronen,
mehr als 4000 Zentner Pulver, 3000 Zentner Salpeter, ebenso viel Schwefel usw.
dort zurück.
Ich habe Ew. Majestät ohne Leidenschaftlichkeit bekriegt: einige Zeilen
von Ihnen hätten vor oder nach der letzten Schlacht meinen Marsch aufgehalten,
und ich hätte gewünscht, in der Lage zu sein, Ihnen den Triumph in
Moskau einzuziehen, aufzuopfern. Wenn Ew. Majestät mir noch etwas von Ihrer
früheren Gesinnung bewahrt, so werden Sie diesen Brief günstig aufnehmen
Jedenfalls können Sie mir dafür dankbar sein, daß ich Ihnen
mitgeteilt habe, was in Moskau vorgeht.
Napoleon. S.385ff.
Aus: Napoleon Briefe, Siebente Auflage, Gesammelt und herausgegeben von Hans
Landsberg, Parnasso Verlag, Berlin
Entsagungsakte
Fontainebleau, 11. April 1814.
Da die alliierten Mächte erklärt haben, daß der Kaiser Napoleon
das einzige Hindernis für die Wiederherstellung des Friedens in Europa
sei, so erklärt der Kaiser Napoleon seinem
Eide treu, daß er für sich und seine Erben auf die Throne von Frankreich
und Italien Verzicht leistet, und daß es kein persönliches Opfer
gibt, selbst das des Lebens, das er nicht dem Interesse Frankreichs zu bringen
bereit wäre. S.435
Aus: Napoleon Briefe, Siebente Auflage, Gesammelt und herausgegeben von Hans
Landsberg, Parnasso Verlag, Berlin