John Milton (1608 –1574)
>>>Gott
Ankündigung
der Erlösung durch den Messias
Dann fällt es einem Fremdling zu, auf daß
Messias, der gesalbte, wahre König,
Benommen seines Rechts geboren werde;
Jedoch verkündet ihn bei der Geburt
Ein neuer Stern, noch nie gesehn am Himmel,
Und lenkt die Weisen aus dem Morgenland,
Die fragen, wo er sei, um ihn mit Gaben
Von Weihrauch, Gold und Myrrhe zu beschenken:
Ein Engel aber nennt einfachen Hirten,
Die nachts bei ihrer Herde Wache halten,
Den Ort seiner Geburt, und eilend kommen
Sie froh dorthin und hören einen Chor
Von Himmelsscharen seine Hymne singen.
Aus einer Jungfrau mütterlich geboren,
Zeugt ihn die Kraft des Höchsten väterlich;
Den angeerbten Thron wird er besteigen;
Es schließt sein Reich der Erde weite Grenzen
Und seine Herrlichkeit den Himmel ein.«
Er endete und sah Adam vor Freude
So übervoll, daß ihn, wie tiefes Leid,
Der Tau der Tränen deckte, ohne Worte
Zu finden; die er hauchend also sprach:
»O froher Zeit Prophet, Erfüllender
Der letzten Hoffnung! Nun versteh ich wohl,
Was oft umsonst in meinem Sinne stand,
Wonach ich frug, warum des Weibes Same,
Wie‘s hieß, unsre Verheißung werden sollte.
Gegrüßet seist Jungfrau und Mutter, du!
In Himmelsliebe hoch, doch meinen Lenden
Wirst du entspringen, und aus deinem Schoß
Der Sohn des höchsten Gottes; so wird Gott
Eins mit dem Menschen. Und die Schlange muß
In Todesschmerz nun ihre Sterbenswunde
Erwarten: sage, wo und wann der Kampf,
Und welcher Streich des Siegers Ferse trifft,«
Dem Michael entgegnet: »Träume nicht
Von ihrem Kampf als einem Waffentreffen,
Wo Ferse oder Haupt verwundet werden:
Zu solchem Zwecke füget nicht der Sohn
Das Menschliche zum Göttlichen, um so
Noch besser deinen Feind zu Fall zu bringen,
Auch wird nicht Satan so gefällt, den schon
Der Himmelsturz viel tödlicher getroffen,
Und der dir doch die Todeswunde schuf,
Die heilen wird der als dein Heiland kommt,
Indem er nicht Satan, doch dessen Werke
In dir und deinem Stamm zerstören wird:
Und dieses wird sich anders nicht ereignen,
Als zu vollziehn, woran es dir gebrach,
Gehorsam gegen göttliches Gesetz,
Das unter Todesstrafe auferlegt,
Und so durch das Erleiden eines Todes,
Den deine Sünde nach sich zog, wie alle
Aus dir geerbte Sünde ihn erheischt:
Nur so wird der Gerechtigkeit genügt.
Gottes Gesetz wird er genau erfüllen
Durch den Gehorsam und die Liebe, doch
Erfüllt allein die Liebe das Gesetz;
So wird er deine Strafe leiden müssen,
Indem er, fleischgeworden, in ein Leben
Voll Hohn und einen Tod voll Schande tritt,
Leben verkündend allen, die da glauben
An seine Sühne, und daß sein Vollzug
im Glauben angerechnet als der ihre
Und sein Verdienst ihnen zum Heile werde,
Nicht ihre eignen Werke des Gesetzes.
Darum wird er verachtet und gelästert,
Ergriffen und gerichtet werden und
Zum Tod verurteilt, einem Tod der Schande,
Verflucht, vom eignen Volk ans Kreuz genagelt,
Dafür getötet, daß er Leben bringt;
Doch deine Feinde nagelt er ans Kreuz —
Das wider dich sich regende Gesetz
Und aller Menschheit Sünden, die mit ihm
Gekreuzigt werden dort, um nimmermehr
Zu quälen, die sich seiner Sühne trösten.
So stirbt er, aber lebet wieder auf;
Nicht lange soll der Tod sein Meister bleiben;
Bevor des dritten Tages Licht erscheint,
Sehn ihn die morgendlichen Sterne frisch
Wie Tageslicht aus seinem Grabe steigen,
Dein Loskauf so, sein Sterben für den Menschen,
Geleistet, der vom Tode ihn erlöst;
Und viele, die das Leben so erhalten,
Verschmähn es nicht und ziehen den Gewinn
Durch Glauben, der auch Werke zeigt, an sich.
Dein schwerer Spruch, der Tod, den du verdient,
Die Sünde, die auf ewig dir das Leben
Entwendet, wird durch diese Gottestat
Zu Null und Nichts; es wird die Tat das Haupt
Satans zertreten, seine Macht vernichten,
Die Sünde und den Tod, die beiden Waffen
Des Teufels, überwinden, tiefer noch
In seinen Kopf ihm ihren Stachel senken,
Als körperlicher Tod den Sieger schwächt,
Und der Tod derer, die er frei gemacht —
Ein Tod wie Schlaf nur, ein Hinübergleiten
In die Unsterblichkeit. Er wird indessen
Nach seiner Auferstehung langer sucht
Als zu gewissen Zeiten seinen Jüngern —
Männern, die ihm im Leben nachgefolgt —
Irdisch erscheinen; ihnen trägt er auf,
In aller Welt, was sie von ihm gelernt,
Zu lehren, seine Heilung zu verkünden,
Indem sie jene, welche glauben werden,
Im Strom des Wassers taufen — ein Symbol,
Daß reines Leben aus der Schuld der Sünde
Gewaschen werde und sie vorbereite
Auf einen Tod, wenn solches ihrer wartet,
Wie ihr Erlöser ihn erlitten hat.
Sie werden alle Völker lehren, denn
Von jenem Tage soll fortan das Heil
Nicht nur den Söhnen Abrahams allein
Verkündet werden, sondern allen Söhnen,
Die seines Glaubens sind in aller Welt;
Durch seinen Samen sollen alle Völker
Gesegnet werden. Jener aber wird
Auf zu den Himmeln steigen im Triumph
Siegstrahlend über alle deine Feinde
Und seine, und er wird in hoher Luft
Die Schlange, Prinz der Lüfte, überfallen
Und durch sein ganzes Reich gekettet schleifen
Und dort geschlagen lassen. Dannen kehrt
Er heim in Herrlichkeit und nimmt den Sitz
Zur Rechten Gottes ein, im Himmel hoch
Erhaben über alle andern Namen;
Von dort wird er dereinst, wenn dieser Welt
Ihr Ende reift, in Kraft und Herrlichkeit
Zu richten kommen Lebende und Tote,
Zu richten die ungläubig Toren, aber
Zu lohnen seine Gläubigen, um sie
In Seligkeit im Himmel aufzunehmen,
Oder auf Erden, denn die Erde wird
Zu jener Zeit ein einzig Paradies,
Ein glücklicherer Ort als Eden sein,
Und glücklicher bei weitem jene Tage.«
So sprach Erzengel Michael. Und schwieg,
Wie an der Welten Schluß; und unser Ahn,
Von Freude und Verwunderung erfüllt,
Erwiderte: »O unendliche Güte,
O Güte unermessen, daß aus Bösem
All dieses Gute einst erwachsen soll,
Und Böses gut soll werden — größeres Wunder,
Als jenes noch, wodurch bei der Erschaffung
Der Welt die Finsternis das Licht gebar!
Ich stehe voller Zweifel, ob mich nun
Die Sünde reuen soll, die ich beging
Und förderte, oder vielmehr mich freuen
Des viel mehr Guten, das daraus entspringt —
Gott größerer Ruhm, von Gott zum Menschen hin
Mehr guten Willens — und der Gnade, die
Den Zorn bewältigt. Aber sage mir,
Wenn unser Retter heim zum Himmel steigt,
Was wird den wenigen Gläubigen geschehen,
Zurückgelassen in ungläubiger Herde,
Der Wahrheit Widersacher? Wer wird dann
Sein Volk noch führen, wer verteidigen?
Werden sie nicht mit denen, die ihm folgen,
Schlimmer verfahren, als ihm selbst geschah?»
»Das«, sprach der Engel, »werden sie gewiß;
Doch sendet er vom Himmel einen Tröster
Den Seinen, wie der Vater es verhieß,
Der als sein Geist in ihnen wohnen wird,
Und durch der Liebe Werk in ihre Herzen
Des Glaubens Satzung schreiben, der sie stets
In aller Wahrheit leitet, um sie mit
Des Geistes Harnisch tüchtig auszurüsten,
Der Satans Sturmlauf widerstehen kann
Und alle seine Feuerpfeile löscht,
Was ihnen von dem Menschen widerfährt,
Mit Mut zu tragen, sei es in den Tod;
Daß sie, durch innerliche Tröstung stark,
So ausgestattet gegen Grausamkeiten,
Oft ihre stolzesten Verfolger schrecken:
Der Geist, der über die Apostel sich
Ergießen wird, die er, bei allen Völkern
Die frohe Botschaft zu verkünden, schickt,
Worin sich alle taufen, wird sie auch
Mit Wundergaben alle Zungen sprechen
Und alle Wunder einst verrichten lassen,
Wie sie ihr Herr getan. So werden sie
In großer Zahl aus jedem Volk gewinnen,
Die froh das Evangelium empfangen:
Zuletzt, nachdem sie ihres Amts gewaltet
Und gut gerannt die Bahn und ihre Lehre
Und Schicksalsläufte schriftlich hinterlassen,
Beenden sie ihr Leben, doch es kommen,
Wie sie vorausgewarnt, an ihre Stelle
Statt Lehrer Wölfe, fürchterliche Wölfe,
Die all des Himmels heilig-tiefste Bräuche
Zu ihrem eignen feilen Nutzen wenden,
In Ehrsucht und Gewinn, jedoch die Wahrheit
Mit Aberglauben und Gepflogenheiten
Beflecken, die in jenem Buche nur
Sich rein erhält, doch unverstanden bleibt,
Es sei denn durch den heiligen Geist gelesen.
Aus: John Milton, Das verlorene Paradies
Aus dem Englischen übertragen und herausgegeben von Hans Heinrich Meier
Reclams Universalbibliothek Nr. 2191 (S.379-384)
© 1968 Philipp Reclam jun., Stuttgart
Veröffentlichung auf Philos-Website mit freundlicher Erlaubnis des Reclam
Verlages