Matthaeus de Cracovia (? – 1410)

Polnischer Philosoph und Theologe,
der später Bischof von Worms wurde.
Gegen Ende des 14. Jahrhunderts entfaltete sich auch an der jungen Krakauer Universität die scholastische Philosophie. Einer ihrer besten Verfechter in Polen war Matthaeus de Cracovia. Sein Hauptwerk, der Dialog »Rationale operum divinorum« (Apologie der göttlichen Werke), behandelt ein zentrales Anliegen der gesamten christlichen Philosophie: die Theodizee, die Rechtfertigung des Bösen in der Welt. G. W. Leibniz, der sich mit diesem Thema intensiv beschäftigte, dürfte den Traktat des Krakauer Scholastikers vermutlich gekannt haben.

Warum aus der Minderwertigkeit oder aus der Vergänglichkeit der Dinge nicht folgt, Gott habe sie nicht gut geschaffen, sondern man vielmehr durch sie zur Erkenntnis der Wohlgeratenheit oder Gutartigkeit der Schöpfung gelangen müsse.
Aus welchen Gründen, glaubst Du, habe Gott nicht alles geschaffen?

Wie ich schon sagte: weil es viel Böses gibt und alles gleichsam voller Mängel ist. Nun haben die Dinge aber nichts, was nicht von Gott stammt; gut sind sie jedoch, wenn sie keine Mängel aufweisen, schlecht, wenn sie Gebrechen zeigen, man wird sie also als gut gemacht bezeichnen, wenn sie fehlerlos, als weniger gut dann, wenn sie mangelhaft geschaffen sind.

Ist etwas schlecht oder mangelhaft, und jemand hat es geschaffen, so hat der Betreffende es nicht gut oder nur fehlerhaft geschaffen: das ist aber kein zwingender Schluss. Es kann sein, dass es nicht durch seinen Schöpfer oder den Schöpfungsvorgang schlecht ist, sondern aus anderen Gründen, so z.B. wenn ein guter Lehrer einen Schüler gut erzogen hat, dieser aber, von jemand anderem verführt oder aus freiem Entschluss, verdorben wird und dann vom rechten Wege abweicht. Also ist die Wohlgeratenheit eines Schöpfungsaktes nicht immer aus der Güte, der Kostbarkeit oder einer anderen Qualität der geschaffenen Sache zu ersehen, denn diese ist ja andrerseits oft nur zufolge des Materials, aus dem sie besteht, wertvoll. Nehmen wir wieder ein Beispiel: Hat ein Goldschmied aus reinstem Golde ein plumpes und schwerfälliges Gefäß hergestellt, so wird dieses Gefäß wegen des edlen Rohmaterials gut und wertvoll sein, nicht aber wegen der Kunstfertigkeit des Handwerkers. Man kann dann auch nicht sagen, es wäre gut gemacht. Ebenso ist auch die Minderwertigkeit oder geringe Güte eines gewirkten Dinges nicht immer dem Wirkenden anzulasten, weil manchmal das verwendete Material oder andere Gründe die Qualität mindern können. Wodurch soll man nun also zur Erkenntnis der Wohlgeratenheit der Schöpfung gelangen?

Gewiss doch aus der Erkenntnis der Gesinnung, des Fleißes, des Eifers, der Absichten, der Artung und des Ranges des Wirkenden und des Zieles, das er sich steckt. Deswegen muss auch einem Künstler zugestanden werden, seine Statue sei gut gemacht, wenn diese nur deshalb schlecht ausgefallen wäre, weil er sie aus billigem und der Fäulnis anheimgefallenen Holze angefertigt hätte, sofern er dabei nur gemäß der Meisterschaft seiner Kunst fleißig und ordentlich, mit geeigneten Werkzeugen und Mitteln, in guter Absicht und sorgfältig vorgegangen ist; man muß ihm die Qualität seines Werkes umso eher zugestehen. wenn ihm kein anderes Material zur Verfügung stand, und wenn es notwendig oder nützlich war, auch ein solches Material zu verarbeiten. Da nun Gott in den Dingen, mögen diese auch mangelhaft sein und aus sich selbst heraus dem Nichts zustreben, ein glänzendes Meisterstück der göttlichen Weisheit seiner frommen Intentionen abgelegt hat: wer könnte denn etwas anderes von ihm behaupten, als dass er alles gut gemacht und bewirkt habe?

Warum Gott die Dinge nicht einfach unfehlbar geschaffen hat.
Wenn ein auf seinen Ruf bedachter Bildschnitzer ebenso leicht gutes Material und einwandfreies Holz haben kann, und dennoch an ein faules Holz, das bald zerfallen wird, seine meisterliche und glänzende Arbeit verwendet, wer wird dann behaupten, er habe gut gearbeitet? — Jeder wird sagen, er habe unbedacht und ohne Einsicht gehandelt. Wenn nun der allmächtige Schöpfer ein Material haben konnte, das Wohlgefallen erregt hätte, und wir jedoch von ihm sagen müssen, sein Werk sei minderwertig und aus schlechtem Material, was nur er selbst hätte vermeiden können, so wird der Glanz seiner Meisterschaft nicht offenbar, denn ein Werk, aus schlechtem Material verfertigt, wird umso sinnloser und unbedachter erscheinen, je kunstvoller es ist.

Mit dieser Überlegung willst Du wohl sagen, dass Gott unfehlbare und unvergängliche Dinge hätte schaffen müssen? Das schiene in jeder Hinsicht besser und auch die Dinge wären dann um vieles besser.

Dem konnte nicht so sein, außer Gott hätte es so eingerichtet, dass jedes beliebige Ding Gott wäre; oder aber, er hatte sich der Freiheit und Macht beraubt, die Dinge zu vernichten; er hätte sich selbst gebunden und der Notwendigkeit unterworfen, sie unverändert zu bewahren. Wenn Gott aber frei ist, so ist er frei von allem, was seiner Freiheit widerspricht. Er kann demgemäß die Dinge nach Belieben bewahren oder nicht bewahren. Wenn er sie nun vernichten oder bewahren soll, so müssen die Dinge selbst mangelhaft und vergänglich sein. Wie ein Bildschnitzer schuldlos ist, der aus schlechtem Holz eine Statue macht, falls ihm kein anderes Material zur Verfügung steht, so ist auch Gott schuldlos, weil er die Dinge nicht unvergänglich machen konnte und die Geschöpfe so schuf, wie sie allein entstehen konnten, d.h. vergänglich — nicht etwa, weil er seinen Geschöpfen eine besondere Anlage verliehen hätte, kraft derer sie vergänglich sind, sondern weil er Dinge schuf, die eo ipso, da sie eben Geschöpfe und aus Nichts geschaffen sind, nur vergänglich und in Nichts verwandelbar sein konnten. So macht auch jemand aus löchrigem Holz ein Gefäß und macht es dabei nicht löchrig, denn er bohrt kein einziges Loch. Ähnlich lehrt jemand einen Knaben, der einen angeborenen Sprachfehler hat, nicht fehlerhaft sprechen, so sehr dieser auch schwerfällig sprechen mag.

Enthalten in: Slavische Geisteswelt 3. West- und Südslavien, Mensch und Welt. (S.93ff.)
Herausgegeben von St. Hafner, O. Turecek und C. Wytrzens, Holle Verlag