Ernst Mach (1838 - 1916)
Deutscher Physiker und Philosoph, der Professuren in Graz, Prag und Wien inne hatte. Mach verbesserte das stroboskopische Verfahren, erforschte die Bewegung von Festkörpern mit Überschallgeschwindigkeit, die Absorptionslinien in Sternspektren, bestätigte experimentell die Theorie der Doppler-Verschiebung und schlug deren Anwendung zur Messung der Geschwindigkeit weit entfernter kosmischer Objekte vor (Rotverschiebung). Im wesentlichen unabhängig von Richard Avenarius, schuf er die Philosophie des Empiriokritizismus. Er gründete Erfahrung auf die funktionale Verknüpfung von Empfindungen durch das Denken nach dem Prinzip des geringsten Aufwands (Denkökonomie). Mach hatte wesentlichen Einfluss auf den Neopositivismus und bereitete die Relativitätstheorie vor. Siehe auch Wikipedia |
Inhaltsverzeichnis
Prinzip des geringsten Aufwands
Aberglaube
Menschenopfer
Prinzip
des geringsten Aufwands
Es ist sehr natürlich, dass in Zeiten geringer Schärfe der erkenntnis-theoretischen
Kritik die psychologischen Motive in die Natur projiziert und dieser selbst
zugeschrieben worden sind. Gott
oder die Natur strebt nach Einfachheit und Schönheit, dann nach strenger
Gesetzmäßigkeit und Bestimmtheit, endlich nach Sparsamkeit und Ökonomie
in allen Vorgängen, nach Erzielung aller Wirkungen mit dem kleinsten Aufwand. S.362f.
Aberglaube
Im allgemeinen ist es ja richtig, dass was sinnlich sich nahe berührt,
sich auch gedanklich verbindet. Da aber Gedanken durch Assoziation leicht in
mannigfaltige und zufällige Verbindung treten, so ist man häufigen
Irrtümern ausgesetzt, wenn man umgekehrt auch alles gedanklich Verknüpfte für sinnlich verknüpft hält. Das Wort ist ein Assoziationszentrum, in welchem vielfältige Gedankenfäden zusammenlaufen. Es wird dadurch
zur Quelle eines sonderbaren und sehr verbreiteten Aberglaubens, des Wortaberglaubens.
Wer ein Wort ausspricht, erinnert sich lebhaft des Bezeichneten und aller seiner
Beziehungen. Den genannten gefürchteten Feind sieht er herankommen; er
hütet sich denselben zu nennen. »Wenn man den Wolf nennt, kommt er
gerennt.« Man will »den Teufel nicht nennen«, den »Teufel
nicht an die Wand malen«. »Dii avertite omen« riefen die Römer,
wenn ein Wort von böser Bedeutung gesprochen wurde. Umgekehrt tritt ein
ausgesprochener Wunsch lebhafter ins Bewusstsein, erscheint der Verwirklichung
näher. Hat der Mensch doch oft den Wunsch anderer erfüllt, und haben
ja andere seinem Worte Folge geleistet. Warum sollte nicht irgend
ein Dämon, den der Naturmensch immer und überall vermutet, auch den
ausgesprochenen Wunsch erfüllen? Der Name der Person erscheint dem Wilden
als ein Teil derselben; er wird vor dem Feind geheim gehalten, um diesem keine
Macht über die Person, keinen Anknüpfungspunkt für Zaubereien
zu geben. Der Name wird bei Krankheiten geändert, um den Dämon der
Krankheit zu täuschen. Der Name des Verstorbenen und Worte, die an denselben
anklingen, dürfen nicht ausgesprochen werden; sie sind »Tapu«. Wer den großen, geheim gehaltenen Namen Gottes kennen würde, meinen
die Mohammedaner, könnte durch Aussprechen desselben die größten
Wunder verrichten. Um Missbrauch hintanzuhalten, muss derselbe geheim gehalten
werden. »Den Namen Gottes nicht eitel nennen!« Der Gedanke reicht
weit zurück bis in das alte Ägypten. Die schlaue Göttin Isis bezwingt den Gott Re, indem sie ihm durch List das Geheimnis seines eigentlichen
Namens entlockt. (A. Erman, Ägypten II, S. 359.) S.100-101
Menschenopfer
Auf Borneo werden bei der Leichenfeier eines angesehenen Mannes Sklaven zu Tode
gespeert, um dem Verstorbenen zu dienen. Auf den Fidschi-Inseln werden die Frauen,
Freunde und Sklaven des angesehenen Verstorbenen erwürgt. Untergeordnete
Diener dienen als »Gras zur Ausbettung des Grabes«. Wir alle kennen die
Leichenfeier des Patroklos, die Witwenverbrennung der Inder. Dergleichen Riten
reichen in verschiedener Form bis in »hoch zivilisierte« Zeiten herauf.
Wo tote Menschen schon nach Mord so lüstern waren, konnten Geister, Dämonen
und Gottheiten nicht bescheidener sein. »Die Karthager waren im Kriege mit
Agathokles besiegt und hart bedrängt worden und schrieben ihre Niederlage
göttlichem Zorn zu. In früheren Zeiten wählten sie die Opfer
für den Kronos (Moloch) unter ihren eigenen Söhnen aus, später
aber speisten sie ihn mit Kindern ab, die sie zu diesem Zweck kauften und aufzogen.
Sie waren damit der natürlichen Tendenz des Opfers zur Substitution gefolgt.
jetzt aber; in der Zeit des Unglücks, trat der Rückschlag ein. Um
die Rechnung auszugleichen und den aus Sparsamkeit begangenen Betrug wieder
gut zu machen, wurde ein ungeheures Opfer veranstaltet. Zweihundert Kinder aus
den edelsten Familien des Landes wurden zu dem Idol des Moloch gebracht; denn
sie hatten dort eine eherne Bildsäule des Kronos, deren ausgestreckte Arme
abwärts gerichtet waren, so daß das hineingelegte Kind herabrollte
und in einen feuergefüllten Schlund fiel.« Die große Verbreitung
der den Göttern dargebrachten Menschenopfer ist bekannt. Die wilden oder
halbkultivierten Vorfahren aller Kulturvölker übten das Menschenopfer.
Teils ist dies historisch nachgewiesen, teils deuten Sagen auf einen solchen
Gebrauch (Opfer des Isaak, Opfer der Iphigenie). Kein Volk hat da dem anderen
etwas vorzuwerfen. Es sei nur noch auf die nach Zeit und Ort weit entlegenen
Menschenopfer hingewiesen, welche die Spanier bei der Eroberung von Mexiko daselbst
vorfanden. S.105
Aus: Ernst Mach, Erkenntnis und Irrtum . Skizzen zur
Psychologie der Forschung
Digitale Bibliothek Band 2: Philosophie von Platon bis Nietzsche
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