Eliphas Lévi, Pseudonym für Alphonse-Louis Constant (1810 - 1875)
Französischer
esoterischer Schriftsteller, Kabbalist und Okkultist, der ursprünglich
katholischer Priester werden sollte, jedoch wegen seiner eigenständigen
Ansichten von der Kirche nicht akzeptiert wurde. Lévi
war ein überaus produktiver Autor, der mehr als 200 Werke verfasste.
Nahezu alle okkulten Bewegungen und insbesondere ihre Führer wurden von seinen Gedanken
inspiriert, großteils ohne Nennung seines Namens. In der »Geheimlehre« von Helena Petrovna Blavatsky und in »Morals
and Dogma of the ASSR« von Albert Pike sind z. B. ganze Absätze aus Lévis Hauptwerken mit aufgenommen worden. Siehe auch Wikipedia |
Die
Lehren der Kabbala.
Die Elemente der Kabbala in zehn Abschnitten.
Briefe von Eliphas
Lévi (diese Briefe hat Eliphas
Lévi an einen Schüler, M. Montaut,
gerichtet. Sie erschienen in der Zeitschrift »L‘Initiation«,
1891)
I. Abschnitt.
Allgemeine Prolegomena.
Verehrter Bruder!
Gestatten Sie mir, Sie so zu nennen, da Sie mit aufrichtigem Herzen die Wahrheit suchen und bereit sind, Opfer zu bringen, um sie zu finden.
Die Wahrheit, das wahre Wesen des Seins, ist nicht
schwer zu finden: sie ist in uns und wir sind in ihr. Sie ist wie das Licht und nur die Blinden sehen sie nicht.
Das Sein ist. Das ist ein unbestreitbar und absolut wahrer Satz. Die exakte
Idee des Seins ist Wahrheit; ihre Erkenntnis ist Wissenschaft; ihr idealer Ausdruck
ist die Vernunft; ihre Betätigung ist die Schöpfung und die Gerechtigkeit.
Sie möchten glauben, sagen
Sie. Dazu braucht man nur zu wissen und
die Wahrheit zu lieben. Denn der wahre Glaube ist eine übermächtige
Anziehungskraft, mit der die notwendigen Schlüsse der Wissenschaft betreffs
des vermuteten Unendlichen
den menschlichen Geist anziehen.
Die okkulten Wissenschaften allein geben
Gewissheit, weil sie Wirklichkeiten, nicht Träume als Grundlagen
benutzen.
Sie lassen in jedem religiösen Symbol die Wahrheit und den Irrtum erkennen.
Die Wahrheit ist überall dieselbe, der Irrtum aber je nach Ort, Zeit und
Person verschieden.
Es gibt drei solcher okkulten wissenschaftlichen Systeme:
die Kabbala,
die Magie und
der Hermetismus.
Die Kabbala oder die Tradition
der Hebräer könnte man auch die Mathematik des
menschlichen Denkens nennen. Sie ist die Algebra
des Glaubens. Sie löst alle Seelenprobleme wie Gleichungen, indem
sie die Unbekannten eliminiert. Sie gibt den Gedanken die Deutlichkeit und strenge
Genauigkeit der Zahlen;
sie erreicht für den Geist Unfehlbarkeit (soweit
es diese für das menschliche Erkenntnisvermögen gibt) und tiefen
Frieden für das Herz.
Die Magie oder die Wissenschaft
der Magier fand im Altertum ihre Vertreter in den Schülern und vielleicht
auch in den Lehrern Zoroasters. Sie ist die Kenntnis der geheimen und besonderen Gesetze der Natur, die die verborgenen
Kräfte erzeugen, die natürlichen oder künstlichen Magnete,
die auch ausserhalb der Welt des Metalls existieren. Kurz, sie ist die Wissenschaft
des Magnetismus im Universum.
Der Hermetismus ist die Wissenschaft
von der Natur, die die Welt des Altertums in ihren Hieroglyphen und Symbolen
angedeutet hat. Er ist das Suchen nach dem Lebens-Prinzip
mit dem Traume (für die, die noch nicht am
Ziele angelangt sind), das grosse Werk zu vollenden, das Streben des
Menschen danach, das göttliche Feuer der Natur, das die Wesen erzeugt und
wiederbelebt, selbst erzeugen zu können.
Das sind die Gegenstände, die sie zu studieren wünschen. Der Umfang
ist ein unermesslicher, aber die Prinzipien sind so einfach, dass sie in den
Zeichen der Zahlen und den Buchstaben des Alphabets eingeschlossen und enthalten
sind. »Es ist eine Herkulesarbeit, die einem Kinderspiel
ähnelt«, sagen die Meister der heiligen Wissenschaft.
Die für dieses Studium erforderlichen Anlagen sind grosse Billigkeit im
Urteil und völlige Unabhängigkeit des Geistes. Man muss sich von jedem
Vorurteil und jeder vorgefassten Meinung befreien, und deshalb sagte Jesus
Christus: »Wenn ihr nicht einfältig
seid wie Kinder, werdet ihr nicht in das »Reich« kommen«, d. h. in das Königreich des Wissens.
Wir werden mit der Kabbala beginnen, für die
ich folgende Einteilung gebe: Bereschit, Mercava, Gematria
und Lemura.
Im Zeichen der heiligen Wissenschaft usw.
2. Abschnitt.
Die Kabbala. — Zweck und Methode.
Beim Studium der Kabbala soll man tiefen Frieden für Geist
und Herz erstreben.
Die Ruhe des Geistes ist die Folge der Gewissheit, der Friede des Herzens die
Wirkung der Geduld und des Glaubens.
Ohne den Glauben führt die Wissenschaft zum Zweifel; ohne die Wissenschaft
wird der Glaube zum Aberglauben. Aber Wissenschaft und Glaube vereint geben
Gewissheit, und u m sie zu vereinigen, darf man sie nicht vermengen.
Der Gegenstand des Glaubens ist die Hypothese, und diese wird Gewissheit, wenn
sie auf Grund der Evidenz, d. h. unmittelbar einleuchtender Wahrheit oder infolge
von wissenschaftlichen Beweisen nötig erscheint.
Die Wissenschaft konstatiert Tatsachen. Aus der Wiederholung
von Tatsachen erschliesst sie Gesetze. Das allgemeine Auftreten von Tatsachen
beim Wirken der oder jener Kraft beweist die Existenz von Gesetzen. Vernünftige
Gesetze sind notwendigerweise gewollt und gelenkt durch die Vernunft. Die Einheitlichkeit
in den Gesetzen lässt die Einheitlichkeit der gesetzgebenden
Vernunft voraussetzen. Diese höchste Vernunft,
die wir angesichts ihrer deutlich sichtbaren Werke anzunehmen gezwungen sind,
die wir aber unmöglich definieren können, nennen wir — Gott!
Sie erhalten meinen Brief, das ist eine Tatsache von unmittelbar
einleuchtender Gewissheit; Sie erkennen meine Schrift und meine Gedanken,
und daraus schliessen Sie, dass ich es bin, der den Brief geschrieben hat. Das
ist eine verunftgemässe Hypothese, aber die
notwendige Hypothese ist, dass überhaupt jemand
diesen Brief geschrieben hat. Wir haben keinen vernünftigen Grund, anzunehmen,
dass die vernunftgemässe Hypothese falsch ist. Wenn Sie das grundlos annehmen,
stellen Sie eine sehr zweifelhafte Hypothese auf.
Wenn man aber behaupten wollte, dass der geschriebene Brief vom Himmel gefallen
ist, so macht man eine absurde, eine widersinnige
Hypothese.
Folgende Stufenleiter ergibt sich also nach kabbalistischer
Anschauung:
Gewissheit
Evidenz (unmittelbare einleuchtende
Wahrheit)
Wissenschaftlicher Beweis
Notwendige Hypothese
Ungewissheit
Vernünftige Hypothese (Wahrscheinlichkeit)
Zweifelhafte Hypothese (Zweifelhaftigkeit)
Absurde Hypothese (Irrtum).
Wenn er von den dargelegten Denkprinzipien nicht abgeht, gewinnt
der Geist eine Art Unfehlbarkeit, da er bejaht, was er weiss, glaubt, was er
notwendigerweise annehmen muss, nur vernünftige Annahmen zulässt,
zweifelhafte Annahmen prüft und widersinnige Annahmen verwirft.
Das Wesen der Kabbala ist nun in dem enthalten, was die Meister die zweiunddreissig
Wege und die fünfzig Tore nennen..
Die zweiunddreissig Wege
sind zweiunddreissig absolute und wirkliche Ideen,
die an den Zeichen der 10 Zahlen und den
22 Buchstaben des hebräischen Alphabets haften.
Es bedeuten:
Die Zahlen
1 2 3 4 5 |
Höchste Macht Absolute Weisheit Unendliche Vernunft Güte Gerechtigkeit oder Strenge |
6 |
Schönheit Sieg Ewigkeit Fruchtbarkeit Wirklichkeit. |
Die Buchstaben
Aleph Beth Ghimel Daleth He Vau Dzain Cheth Theth Jod Caph |
Vater Mutter Natur Gesetzmässige Macht Religion Freiheit Eigentum Verteilung Klugheit Ordnung Kraft |
Lamed Mem Nun Samech Gnain Phe Tsade Koph Resch Shin Thau |
Opfer Tod Rückfälligkeit Allgemeines Wesen Gleichgewicht Unsterblichkeit Schatten und Reflex Licht Dankbarkeit Syllepsis (Einheitlichkeit oder Einheit) Synthese. |
3. Abschnitt.
Anwendung der Methode
In dem vorausgehenden Abschnitte habe ich nur von den zweiunddreissig
Wegen gesprochen; später werde ich die fünfzig Tore behandeln.
Die in den Zahlen und Buchstaben ausgedruckten Ideen sind unbestreitbare Realitäten.
Diese Ideen verketten und vereinigen sich wie die Zahlen selbst. In logischer
Weise geht man von einem zum andern über. Der Mensch ist der Sohn des Weibes,
aber das Weib geht aus dem Manne hervor, wie die Zahlen aus der Einheit.
Das Weib versinnbildlicht die Natur, die Natur offenbart die gesetzmässige
Macht, schafft die Religion, die der Freiheit zur Grundlage dient und die den
Menschen zum Herrn über sich selbst und über das Universum macht usw.
Verschaffen Sie sich ein Spiel Tarok-Karten und ordnen und schlagen Sie davon
zwei Reihen zu 10 Karten auf. Sie werden alle die Figuren sehen, die die Buchstaben
erklären. Auch die Erklärung der Zahlen von eins bis zehn werden Sie
in vierfacher Variante finden. Das Tarok oder Tarot ist in dem hieroglyphischen
Buche der zweiunddreissig Wege enthalten und eine kurze Erklärung desselben
findet sich in dem Buche, das dem Patriarchen Abraham
zugeschrieben und Sepher-Jezira genannt
wird.
Der Gelehrte Court de Gebelin hat zuerst die Bedeutung
des Tarot entdeckt, das der Schlüssel zu den hieratischen Hieroglyphen
ist. Man findet die Symbole und Zahlen dafür in den Weissagungen des Ezechiel
und des heiligen Johannes.
Die Bibel ist ein inspiriertes Buch, aber das Tarot ist das inspirierende Buch.
Man hat es auch das Rad, lateinisch rota
genannt, woher tarot und tora
kommt. Die alten Rosenkreuzer kannten es und der Marquis
de Suchet spricht davon in seinem Buche über die Illuminaten.
Auf dieses Buch gehen unsere Kartenspiele zurück. Die spanischen Karten
tragen noch die wichtigsten Zeichen des ursprünglichen Tarot und man bedient
sich ihrer, um das Lombre-Spiel zu spielen, was eigentlich L‘Hombre-Spiel,
das heisst das Spiel des Mannes oder des Menschen bedeutet, eine unbewusste
Erinnerung an die ursprüngliche Benützung eines geheimnisvollen Buches,
das die Verheissungen und Gebote aller göttlichen Wesenheiten enthielt.
Die ältesten Tarok-Karten waren eine Art Medaillen, die man später
als Talismane benützte. Die »clavicula«
oder kleinen Schlüssel Salomons bestanden
aus sechsunddreissig Talismanen, auf denen sich zweiundsiebzig symbolische Figuren
befanden, die den hieroglyphischen Zeichen des Tarot entsprechen. Diese Figuren,
vielfach durch die Schreiber verändert, finden sich noch in den alten Clavicula-Manuskripten,
die in der National-Bibliothek und in der Bibliothek des Arsenals in Paris existieren.
Die wahrhaft authentischen, auf die echten, alten Quellen zurückgehenden
unter diesen Clavicula-Manuskripten sind die, welche die Reihe der sechsunddreissig
Talismane mit den zweiundsiebzig geheimnisvollen Namen wiedergeben; die übrigen
enthalten, so alt sie auch sein mögen, nur die Selbsttäuschungen der
schwarzen Magie.
Eine nähere Erklärung des Tarot ist in meinem Buche »Dogma
und Ritual der höheren Magie« enthalten.
Im Zeichen der heiligen Wissenschaft
ganz der Ihrige
Eliphas Lévi.
4. Abschnitt.
Die Kabbala
I.
Verehrter Bruder!
Bereschit bedeutet »Genesis«
oder Schöpfung.
Mercava bedeutet »Wagen«
in Anspielung auf den Wagen und die geheimnisvollen Tiere in den Weissagungen
des Ezechiel.
Bereschit und Mercava
enthalten das Wissen über Gott
und die Welt.
Ich sage »das Wissen über Gott«,
und doch ist uns Gott unendlich unbekannt. Seine Natur entzieht sich völlig
unseren Forschungen. Absolutes
Urprinzip des Seins und aller Wesen, darf man ihn nicht mit dem von ihm
Bewirkten verwechseln, und man kann sagen, indem man doch dabei seine Existenz
behauptet, dass er weder das Sein noch auch ein Wesen ist. Das macht alle Bemühungen
der Vernunft eitel, ohne sie auf Irrwege zu bringen, und befreit uns für
immer von aller Götzendienerei.
Gott ist ein absolutes Postulat der ganzen Wissenschaft, die absolut notwendige
Hypothese, die aller Gewissheit zur Grundlage dient, und im folgenden
Satz haben unsere alten Meister diese sichere Hypothese des Glaubens auf der
Wissenschaft aufgebaut:
Das Sein ist. Im Sein ist das Leben.
Das Leben offenbart sich in der Bewegung. Die Bewegung dauert durch das Gleichgewicht
der Kräfte. Die Harmonie
ergibt sich durch die Analogie und den Ausgleich der Gegensätze. Es gibt
in der Natur ein unveränderliches Gesetz und einen unbegrenzten Fortschritt.
Ewige Veränderung in den Formen, Unzerstörbarkeit
der Substanz — zeigt die genaue Beobachtung der physischen
Welt.
Die Metaphysik zeigt analoge Gesetze und Tatsachen, sei es in
der intellektuellen, sei es in
der moralischen Welt, einerseits die
unveränderliche Wahrheit, andererseits
die Phantasie und die Erdichtung, einerseits das
Gute, das die Wahrheit, andererseits
das Böse, das die Lüge ist. Auf diesen offenbaren
Gegensätzen beruhen Urteilskraft und
Tugend. Die Tugend setzt
sich aus Güte und Gerechtigkeit
zusammen. Als Güte ist die Tugend nachsichtig, als Gerechtigkeit streng;
gütig, weil sie gerecht ist, und gerecht, weil sie gut ist, ist sie eben
dadurch schön.
Diese grosse Harmonie in der physischen
und in der moralischen Welt, die in sich selbst eine höhere Ursache nicht
haben kann, offenbart und beweist
uns die Existenz einer unveränderlichen
Weisheit als Prinzip
und ewiges Gesetz und einer ewig
wirksamen schöpferischen Intelligenz.
Auf dieser Weisheit und Intelligenz,
die mit einander untrennbar verbunden sind, beruht
diese höchste Macht, die die alten Israeliten die
Krone nennen. Die Krone und nicht den König; denn die Vorstellung
eines Königs würde die eines Götzenbildes in sich schliessen.
Die höchste Macht ist für die Kabbalisten die Krone des Universums
und die ganze Schöpfung ist das Reich und der Besitz dieser Krone.
Niemand kann geben, was er nicht hat, und wir können nur in der Ursache virtuell, als wirkende Kraft annehmen, was sich in den Wirkungen offenbart.
Gott (oder
die höchste und erste Emanation Gottes) ist also die
Macht oder höchste Krone (Keter = die alle
Vernunftkraft in sich fassende und alle Ideen unmittelbar aus sich heraussetzende
höchste Intuition), die auf der unveränderlichen
Weisheit (chocma) und der schöpferischen
Intelligenz (bina) beruht ; in ihm ist die
Güte (hesed)
und die Gerechtigkeit (gebura),
die sich in dein Ideal des schönen Ebenmaßes
oder harmonischer Schönheit (tiphereth)
vereinigen. In ihm ist die stets siegreiche Bewegung
(netza oder nézach = Stoffprinzip)und die
grosse ewige Ruhe (hod =
Vermögen der Entwicklung oder Kraftprinzip).
Sein Wille ist eine ewige Zeugung (jésod)
und sein Reich (malchuth)
die von Welten bevölkerte Unermesslichkeit.
Halten wir ein: wir kennen Gott!
Ganz der Ihrige
im Zeichen der heiligen Wissenschaft
Eliphas Lévi.
5. Abschnitt.
II.
Verehrter Bruder!
Dieses erreichbare Erkennen der Gottheit, gegliedert nach den zehn Ziffern,
aus denen sich alle Zahlen zusammensetzen, enthält die ganze Methode der
kabbalistischen Philosophie. Diese Methode besteht aus zweiunddreissig Mitteln
oder Werkzeugen der Erkenntnis, die man die zweiunddreissig Wege nennt, und
fünfzig Gegenständen, auf welche sich die Wissenschaft beziehen kann,
die man die fünfzig Tore nennt.
Die universelle synthetische Wissenschaft wird aber wie
ein Tempel betrachtet, zu dem zweiunddreissig Wege führen
und den man durch fünfzig Tore betreten kann.
Das Zahlensystem, das man auch das dekadische oder
dezimale nennen kann, weil die Zahl 10 (Griech.
deka, Lat. decern) ihm zu Grunde liegt, stellt im Wege der
Analogie (verhältnismässige Ähnlichkeit)
eine genaue Klassifikation aller Zweige der menschlichen Erkenntnis auf. Nichts
ist sinnreicher, aber auch nichts logischer und genauer.
Geht man von den 10 absoluten Begriffen oder Ideen des Seins in der göttlichen,
metaphysischen und natürlichen Welt aus, so wiederholt sich diese Dekade
oder »Zehnzahl« dreimal und wir erhalten
so dreissig Mittel der Analyse. Fügt man noch
die Syllepsis und die Synthese dazu, das heisst die natürliche Einheit,
die sich dem Geiste von selbst aufdrängt, und jene, die man durch allgemeine
Zusammenfassung gewinnt, so erhält man zweiunddreissig
Wege.
Die fünfzig Tore sind eine Klassifikation aller Wesen oder Dinge in fünf
Zehnerreihen, die alle erdenkliche Erkenntnis umfasst.
Aber es genügt nicht, eine exakte mathematische Methode gefunden
zu haben; um vollkommen zu sein, muss sie heuristisch (auf
das Entdecken [griech. Heuriskein] neuer Erkenntnisse angelegt) sein,
d. h. muss sie uns das Mittel geben, genau alle irgend möglichen Deduktionen
abzuleiten, die geeignet sind, neue Erkenntnisse zu ergeben und den Geist zu
entwickeln, ohne dass hierbei irgend etwas den Launen der Einbildungskraft überlassen
bleibt.
Dieses Mittel bietet die Gematria und Temura,
die eine Mathematik der Ideen bilden. Die
Kabbala hat nämlich ihre Geometrie der Ideen, ihre Algebra der Philosophie
und ihre Trigonometrie der Analogien. So zwingt sie gewissermassen die
Natur, ihr ihre Geheimnisse zu enthüllen.
Hat man diese erhabenen Kenntnisse erworben, so kann man zu den letzten Offenbarungen
der transzendentalen Kabbala übergehen und im Schememamphorasch
(andere Schreibung: Schêm ha-mephorasch,
d. h. der ausgesprochene Name Gottes) die Quelle und die Grundlage aller
Dogmen studieren.
Das also, lieber Freund, wäre zu studieren. Werden Sie davor nicht erschrecken?
Meine Briefe sind nur kurz, aber es sind Auszüge, die in wenigen Worten
viel sagen. Um Ihnen Zeit zum Nachdenken zu lassen, habe ich bisher stets in
längeren Zwischenräumen geschrieben; wenn Sie es jedoch wünschen,
kann ich Ihnen öfter schreiben.
Erfüllt von dem aufrichtigen Wunsche, Ihnen nützlich zu sein,
verbleibe ich im Zeichen der heiligen Wissenschaft ganz der Ihrige
Eliphas Lévi.
6. Abschnitt.
III.
Verehrter Bruder!
Die Bibel gibt dem Menschen zwei Namen. Der erste, Adam,
bedeutet »aus Erde gemacht« oder »Mann
aus Erde«; der zweite, Enos oder Henoch,
bedeutet »göttlicher« oder »zu
Gott emporgehobener«. Nach der Genesis hat Enos
zuerst dem Urprinzip der Dinge
Huldigungen dargebracht; und dieser Enos oder Enoch wurde,
wie erzählt wird, lebend zum Himmel entrückt, nachdem er auf zwei
Steine, die man »Säulen Henochs« nennt,
die Grundelemente der Religion und des Wissens eingemeisselt hatte.
Dieser Henoch aber ist keine Person, sondern eine
Personifikation der Menschheit, die durch die Religion
und das Wissen zum Bewusstsein der Unsterblichkeit
emporgehoben wird. In jenem Zeitalter, das durch den Namen
Enos oder Henoch bezeichnet wird, begann die Verehrung Gottes und das
Priestertum auf der Erde, begann auch mit der Schrift und den hieratischen Wissenschaften
die Zivilisation.
Den Geist der Zivilisation, den die Israeliten in Henoch
personifizieren, haben die Ägypter Trismegitos
genannt und die Griechen Kadmos. Von ihrem
Kadmos erzählen die Griechen, er habe gesehen, wie die Steine der
Königsburg von Theben, durch die Klänge der Lyra Amphions gleichsam
lebendig geworden, sich von selbst erhoben und aneinander reihten.
Das älteste heilige Buch, das Buch, das Postel die
Genesis Henochs nennt, ist die Urquelle
der Kabbala, der zugleich göttlichen und menschlichen religiösen
Tradition. Darin zeigt sich uns in ihrer ganzen erhabenen Einfachheit die
Offenbarung der höchsten Intelligenz, die sich der Vernunft und
der Liebe des Menschen zu Gott enthüllt, das ewige Gesetz, das die unendliche
Ausbreitung der Unermesslichkeit regiert, die Zahlen in der Unermesslichkeit,
die Unermesslichkeit in den Zahlen, die Poesie in der Mathematik und die Mathematik
in der Poesie.
Wer hätte geglaubt, dass das Buch, das die Inspiration für alle religiösen
Theorien und Symbole enthält, uns erhalten würde und in der Gestalt
seltsamer Spielkarten bis auf uns gekommen ist? Und doch ist das ganz augenscheinlich
so; Court de GebeIin hat zuerst im verflossenen
Jahrhundert diese Entdeckung gemacht, und alle, die sich gründlich mit
der Symbolik dieser Karten befasst haben, haben dies anerkannt.
Das Alphabet und die 10 Zahlzeichen — gibt es etwas
Elementareres? Man füge noch die Zeichen für die vier Kardinalpunkte
am Himmel oder die vier Jahreszeiten hinzu — und man hat das Buch
Henochs seinem Hauptinhalte nach! Aber jedes Zeichen ist das Sinnbild
einer absoluten und wesentlichen Idee.
Die Gestalt jeder Ziffer und jedes Buchstabens hat ihren
mathematischen Grund und ihre hieroglyphische Bedeutung. Die Ideen, die
unzertrennlich mit den Zahlen verknüpft sind, folgen je nach Addition,
Multiplikation, Division u. s. w. den Zahlenoperationen und erreichen so deren
Genauigkeit. Das Buch Henochs ist also die Arithmetik
der Gedanken.
Im Zeichen der heiligen Wissenschaft
ganz der Ihrige
Eliphas Lévi.
7. Abschnitt.
IV.
Verehrter Bruder!
Court de Gebelin sah in den zweiundzwanzig
Schlüsseln des Tarot die Darstellung der ägyptischen Mysterien und
schrieb deren Erfindung dem Hermes oder Mercurius
Trismegistos zu, der auch Thaut oder
Thoth genannt wurde. Es ist gewiss, dass die Hieroglyphen des Tarot sich
auf den alten Denkmälern Ägyptens wiederfinden; es ist auch gewiss,
dass die Zeichen dieses Buches, in übersichtlicher Gesamtdarstellung auf
viereckigen Säulen oder Metalltafeln, ähnlich wie die Isistafel von
Bembo, eingraviert, auch auf geschnittenen Steinen oder Medaillen gesondert
wiedergegeben wurden, dass diese dann Amulette oder Talismane wurden.
So trennte man die Seiten dieses Buches, unerschöpflich in ihren Kombinationen,
voneinander, um sie wieder zu vereinigen oder in immer wieder anderer Art anzuordnen,
um dadurch zahllose Orakel der Wahrheit zu erhalten.
Ich besitze einen dieser alten Talismane, der mir von einem meiner Freunde aus
Ägypten mitgebracht wurde. Dieser Talisman stellt die Verbindung zweier
Kreise dar, die auf französischen Karten »le
deux de deniers« genannt wird. Das ist die figürliche Darstellung
des grossen Gesetzes der Polarisation und des Gleichgewichtes,
dass nämlich durch die Analogie der Gegensätze Harmonie erzeugt wird.
Auf den französischen Tarokkarten findet sich dieses Symbol gewöhnlich
in folgender Gestalt: S
Das Relief der Gravierung tritt infolge des Alters auf meiner Medaille weniger
scharf hervor; die Grösse ist die eines Fünf-Frank-Stückes, die
beiden polaren Kreise sind hier als Lotusblüte mit einem Strahlenkranz
zur Darstellung gebracht.
Der astrale Strom, der die beiden polaren Herde zugleich anzieht und trennt,
ist hier durch den Ziegenbock von Mendes versinnbildlicht, der sich zwischen
zwei Vipern befindet, die den Schlangen am Stabe des Gottes Hermes
oder Merkur gleichen. Auf dem Revers der
Medaille sieht man einen Adepten oder ägyptischen Priester, der, wie auf
der anderen Seite der Bock, zwischen den beiden Kreisen
des Gleichgewichtes im Universum angebracht ist und auf einer mit Bäumen
bepflanzten Strasse den Bock daherführt, der jetzt unter dem Stock des
Menschen, der der Gottheit zustrebt, ganz zahm geworden ist.
Die 10 Zahlzeichen, die 22 Buchstaben des Alphabets und
die vier astronomischen Zeichen der Jahreszeiten sind die Grundlage der Kabbala.
Die 22 Buchstaben und die 10 Zahlen ergeben die zweiunddreissig Wege des Buches
Sepher Jezira; die anderen vier Zeichen beziehen
sich auf Mercava und Schememamphorasch.
Das ist einfach wie ein Kinderspiel und doch kompliziert wie die schwierigsten
Probleme der höheren Mathematik, einfach und doch unergründlich wie
die Wahrheit und die Natur.
Die vier astronomischen Zeichen sind in den Gestalten der vier Sphinxe und der
vier Tiere bei Ezechiel und dem heiligen Johannes
erhalten.
Im Zeichen der heiligen Wissenschaft
ganz der Ihrige
Eliphas Lévi.
8. Abschnitt.
V.
Verehrter Bruder!
Die Kenntnis der Kabbala macht religiösen Zweifel unmöglich,
weil sie allein die Vernunft mit dem Glauben versöhnt, indem sie zeigt,
dass ein allgemeines Dogma, das zwar verschieden formuliert, aber im Grunde
genommen immer und überall dasselbe ist, zum reinsten Ausdruck der sehnsuchtsvollen
Erhebung des Menschengeistes zu Gott wird, wenn dieser durch den notwendigen
Glauben erleuchtet wird.
Sie lässt den Nutzen religiöser Übungen verstehen, die, die Aufmerksamkeit
fesselnd, auch den Willen stärken, und wirft gleichmässig ein neues
Licht auf alle Kulte. Sie beweist, dass der wirksamste aller dieser Kulte der
ist, der offenkundig die Gottheit dem Menschen näher bringt, sie ihn sehen,
berühren und gewissermassen in sich verkörpern lässt. Es ist
klar, dass ich damit die katholische Religion meine.
So, wie sie allerdings gewöhnlich betrachtet wird, ist sie die widersinnigste
unter allen; das scheint aber nur deshalb so, weil sie die am meisten verschleierte
ist. Sie wissen, dass es im Evangelium heisst, in der Todesstunde Christi habe
der Tempel-Vorhang einen ungeheuren Riss bekommen. Die ganze dogmatische Arbeit
der Kirche im Verlaufe der Jahrhunderte war nur darauf gerichtet, einen neuen
solchen Vorhang und Schleier zu weben.
Allerdings haben die Priester des Heiligtums selbst, da sie dessen Herren sein
wollten, seit langer Zeit die Schlüssel zur Einweihung verloren; trotzdem
ist das Dogma heilig und die Sakramente wirksam. Ich habe in meinen Werken die
Meinung ausgesprochen, dass der christlich-katholische Kultus nur höhere
Magie ist, organisiert und geregelt durch die Symbolik und die Hierarchie. Es
ist nur ein System von Hilfsmitteln, das der menschlichen Schwäche dargeboten
wird, um den Willen zum Guten zu festigen.
Und in der Tat, es fehlt nichts, weder der Tempel mit seinem geheimnisvollen
Halbdunkel, noch der Weihrauch, der zugleich beruhigt und in einen Zustand der
Verzückung versetzt, noch auch die langen monotonen Gesänge, die das
Gehirn in einen halbsomnambulen Zustand einwiegen. Das Dogma, dessen dunkel
gehaltene Formeln scheinbar die Vernunft zur Verzweiflung bringen, bildet eine
Schranke für die Dreistigkeiten einer unerfahrenen und unbesonnenen Kritik.
Unergründlich tief erscheint der Inhalt der Dogmen, um besser das Unendliche
darzustellen. Der Gottesdienst selbst, in einer Sprache abgehalten, die die
grosse Menge des Volkes nicht versteht, erhebt so die Gedanken des Betenden
in eine höhere Sphäre und lässt ihn im Gebete all das finden,
was den Bedürfnissen seines Geistes und seines Herzens entspricht.
Deshalb gleicht die katholische Religion der Sphinx der Sage, die von Jahrhundert
zu Jahrhundert gleichsam aus ihrer eigenen Asche wiedergeboren wird, und dieses
grosse Mysterium des Glaubens ist einfach das Mysterium der Natur.
Es erscheint ungeheuer paradox, wenn man behauptet, die katholische Religion
sei die einzige, die mit Recht eine natürliche genannt werden könne,
und doch ist es wahr, da sie allein vollständig das natürliche Bedürfnis
des Menschen befriedigt, soweit es sich auf sein religiöses Gefühl
bezieht.
Im Zeichen der heiligen Wissenschaft
ganz der Ihrige
Eliphas Lévi.
9. Abschnitt.
VI.
Verehrter Bruder!
Ist das christlich-katholische Dogma völlig kabbalistisch,
so muss man dasselbe auch von den Dogmen der grossen Tempel der alten Welt sagen.
Die Legende von Krishna,
wie sie das Bhagavadam gibt, ist ein wahres Evangelium,
den unsrigen ähnlich, aber einfacher und grossartiger.
Zehn sind der Inkarnationen Vishnus, wie der Sefirot
der Kabbala, und sie bilden in gewisser Beziehung eine vollkommenere Offenbarung
als die unsere.
Osiris, der, von Typhon getötet, durch
Isis aber wieder zum Leben erweckt wird, ist der von den Juden verleugnete
Christus, der dann in der Person seiner Mutter
verehrt wird.
Die Thebais ist eine grosse religiöse Epopee, die man der grossartigen
Symbolik der Prometheis an die Seite stellen muss.
Antigone ist ein ebenso reiner Typus des
göttlichen Weibes wie Maria. Überall
triumphiert das Gute infolge freiwilliger Aufopferung, nachdem es eine zeitlang
die heftigen Angriffe des Bösen erduldet hat.
Die Riten selbst sind symbolisch und übertragen sich von einer Religion
auf die andere. Die Tiaren, die Mitren, die langen Priestergewänder gehören
allen grossen Religionen an. Man schliesst daraus, dass alle falsch sind, und
doch ist es diese Schlussfolgerung, die falsch ist. Die
Wahrheit ist, dass es nur eine Menschheit und nur eine Religion gibt, fortschreitend
und doch stets dieselbe, obwohl sie sich stetig verändert.
Wenn bei den Ägyptern Jesus Christus Osiris
heisst, so wird bei den Skandinaviern Osiris Balder genannt.
Er wird durch den Wolf Jeuris getötet, aber Wodan oder 0din erweckt ihn
wieder zum Leben und die Walküren selbst kredenzen ihm in der Walhalla
den Meth. Die Skalden, Druiden und Barden besingen den Tod und die Wiederauferstehung
des Tarenis oder Tetenus,
verteilen an ihre Gläubigen die heilige Mistel, wie wir zum Fest der Sommersonnenwende
geweihte Zweige, und erweisen der inspirierten Jungfräulichkeit der Priesterinnen
von der Insel Seyna Verehrung.
Wir können also bewusst und vernünftig die Pflichten erfüllen,
die uns unsere Religion auferlegt. Die religiösen Formen und Übungen
sind einander verstärkende und mit einer bestimmten, dauernden Absicht
wiederholte Akte. Es ist stets nützlich sie auszuüben, und indem sie
den Willen stärken, dessen Gymnastik sie sind, lassen sie uns zu dem geistigen
Ziel gelangen, das wir erreichen wollen. Die magischen Gebräuche und die
magnetischen Striche haben denselben Zweck und sie ergeben analoge, aber unvollkommenere
Resultate wie die religiösen Übungen.
Wieviele Menschen haben nicht die Energie, das zu tun, was sie möchten
und was sie tun sollten? Und doch gibt es Frauen in grosser Zahl, die sich ohne
Zagen den widerwärtigen und mühseligen Arbeiten der Krankenpflege
und der Erziehung widmen! Wo finden sie die Kraft dazu? In den wiederholten
religiösen Übungen. Sie beten täglich ihren Rosenkranz, knieen
zu ihrem Gebete nieder und erforschen ihr Gewissen.
Ganz der Ihrige
im Zeichen der heiligen Wissenschaft
Eliphas Lévi.
10. Abschnitt.
VII.
Verehrter Bruder!
Die Religion ist nicht eine dem Menschen auferlegte Knechtschaft,
sie ist eine Stütze, die ihm dargeboten wird.
Die Priesterkasten haben stets danach gestrebt, diese Stütze zu verkaufen
und in ein unerträgliches Joch zu verwandeln, und das evangelische Werk
Jesu hatte nur den Zweck, die Religion vom Priester zu trennen oder wenigstens
ihn an den ihm gebührenden Platz zu stellen, d. h. ihn zum Werkzeug und
Diener der Religion zu machen, aber dem Gewissen des Menschen
Freiheit und Vernunft zu geben.
Den Beweis liefern die Parabel vom barmherzigen Samaritaner und Aussprüche
wie: »Das Gesetz ist für den Menschen gemacht
und nicht der Mensch für das Gesetz« oder »Wehe
euch, die ihr bindet und auf die Schultern der anderen Lasten legt, die ihr
nicht einmal mit der Fingerspitze anrühren wolltet«.
Die offizielle Kirche erklärt sich für unfehlbar;
aber die Apokalypse ist der kabbalistische Schlüssel
der Evangelien und stets gab es im Christentum eine okkulte
oder dschvanuitische Kirche, die zwar die Notwendigkeit
der offiziellen Kirche anerkannte, aber doch eine ganz andere Interpretation
des Dogmas sich bewahrte als die, die man gewöhnlich gibt.
Die Templer, die Rosenkreuzer,
die Freimaurer der hohen Grade gehörten schon
vor der französischen Revolution dieser Kirche an, deren Apostel Pasqualis
Martinez, Saint Martin und Madame Krüdener
gewesen sind.
Charakteristisch für diese Schule ist, dass sie die Öffentlichkeit
mied und sich niemals zu einer besonderen Sekte konstituierte. Graf
Joseph de Maistre, dieser entschiedene Katholik, sympathisierte doch
mehr als man glaubt mit den Martinisten und verkündigte eine Regeneration
des Dogmas durch das Licht, das den Tempeln des Okkultismus
entströme. Es gibt auch jetzt noch eifrige Priester, die in die
alte Lehre eingeweiht sind, und vor kurzem starb ein Bischof, der mich um Mitteilung
kabbalistischer Geheimnisse bitten liess.
Die Schüler Saint-Martins
liessen sich die unbekannten Philosophen nennen. Jesus
hat gesagt, dass der Sauerteig am Grunde des Gefässes, das den Teig enthält,
verborgen werden muss, damit der Sauerteig in aller Stille arbeite, bis die
Gährung die ganze Masse ergriffen hat, die das Brot werden soll.
Ein Eingeweihter kann in aller Aufrichtigkeit die Religion ausüben, in
welcher er geboren ist, denn alle die Riten versinnbildlichen doch nur das eine
gleiche Dogma, aber nur Gott allein braucht er sein Gewissen
zu eröffnen und niemand schuldet er Rechenschaft über seinen
innersten Glauben. Kein Priester würde das zu beurteilen wissen, was nicht
einmal der Papst versteht. Die äussren Zeichen des Eingeweihten sind bescheidenes
Wissen, stille Menschenfreundlichkeit, Gleichmässigkeit des Charakters
und unveränderliche Güte.
Im Zeichen der heiligen Wissenschaft
ganz der Ihrige
Eliphas Lévi.
Aus: Die Kabbala, Einführung in die jüdische
Geheimlehre von Papus. Autorisierte Übersetzung von Julius Nestler. k.
k. Professor. Fourier Verlag , Wiesbaden S.25ff.