Leo I. der Große (um 400 – 461)
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Italienischer
Kirchenlehrer und Papst aus etruskischem Geschlecht, der 452 Attila zur Umkehr veranlasste und Geiserich von der weiteren Plünderung Roms abhielt. Siehe auch Wikipedia, Heiligenlexikon und Kirchenlexikon |
Über die
beiden Naturen Christi
Wer einem gottlosen Lehrer anhängt, durch die, wie er weiß, schon
viele vor ihm ihren Untergang gefunden haben, geht an seiner eigenen Hartnäckigkeit
zugrunde und trennt sich durch seine eigene Torheit von Christus.
Ebenso der, welcher die falschen Glaubenssätze des Photinus,
die tollen Lehren des Mani und die wahnwitzigen Anschauungen
des Apollinaris, die unsere heiligen Väter
bekanntlich verworfen haben, für gottgefällig und katholisch hält.
Wer also das Geheimnis der Menschheit des Herrn leugnet, schließt sich zum Verderben seiner eigenen Seele einer Irrlehre an. Und doch ist sie nicht neu, sondern schon lange verurteilt. Finden wir denn im ganzen Evangelium etwas anderes, als daß gerade durch dieses Geheimnis der göttlichen Barmherzigkeit allein dem Menschengeschlechte in allen Gläubigen Rettung gebracht wurde?
Lehrt es uns nicht, daß der eingeborene Sohn Gottes, der in allem dem Vater gleich ist, unsere Natur annahm, wobei er blieb, was er war, und sich so als wahrer Gott dazu herabließ, das zu werden, was er nicht war, nämlich wahrer Mensch? Ohne irgendwie von der Sünde befleckt zu werden, vereinigte er mit sich unsere Natur voll und ganz in einem wahrhaftigen Leibe und in einer wahrhaftigen Seele.
Durch die Kraft des Heiligen Geistes wurde er von seiner hochheiligen jungfräulichen Mutter empfangen. Er verschmähte es also nicht, von einem Weibe geboren zu werden und sich ganz wie ein Kind zu entwickeln.
Daß also das »Wort des göttlichen
Vaters« zugleich auch Mensch ist, das offenbarte er durch die Macht
seiner Gottheit und die Schwäche seines Fleisches.
Mit seinem Körper hängen seine menschlichen
Handlungen zusammen, mit seinem göttlichen
Wesen dagegen seine überirdischen Kräfte. Ein Zeichen seiner
menschlichen Natur ist es, wenn ihn hungert und
dürstet und ihn der Schlaf übermannt. Den Menschen zeigt er uns, wenn
er sich fürchtet, weint und trauert, wenn er am Kreuze hängt, stirbt
und ins Grab gelegt wird.
Göttlich dagegen ist es, über das Meer dahinzuschreiten, Wasser in Wein zu verwandeln, Gestorbene
zum Leben zu erwecken, die Welt durch seinen eigenen Tod erbeben zu machen und
mit seinem auferstandenen Fleische hoch über alle Himmelshöhen emporzusteigen.
Darum können gläubige Seelen nicht darüber im Zweifel sein, was
sie seiner Menschheit, was seiner Gottheit zuzuschreiben haben.
In beiden Naturen wohnt ja der »eine«
Christus, der einerseits nicht seine göttliche
Macht verlor und andererseits durch seine Geburt
ein wahrer und vollständiger Mensch wurde.
Aus: Leo
der Grosse - Sämtliche Sermonen (Sermones), Sermo XCVI. Rede gegen die
Häresie des Eutyches. (Gehalten in der Basilika der heiligen Anastasia)