Christian Knorr von Rosenroth, Pseudonym: Rautner, Peganius (1636 - 1689)

Deutscher Theosoph, Dichter und Alchemist, der einem mystischen Spiritualismus anhing und sich insbesondere mit spekulativer Naturforschung auf dem Gebiete der experimentellen Alchemie, sowie mit hermetischem und kabbalistischem Schriftgut beschäftigte. In seiner »Kabbala Denuta« wollte er den einheitlichen Ursprung von christlicher Lehre und der Kabbala nachweisen. Das nachstehende Lied »Morgenglanz der Ewigkeit« ist von ihm verfasst: die Verse 1, 3, 4, 5 und 7 sind noch heute unter der Nummer EKG 349 im Evangelischen Kirchengesangsbuch zu finden.

Siehe auch Wikipedia und Kirchenlexikon

Morgenglanz der Ewigkeit
Morgenglanz der Ewigkeit,
Licht vom unerschöpften Lichte,
Schick uns diese Morgenzeit
Deine Strahlen zu Gesichte:
Und vertreib durch deine Macht
Unsre Nacht.

Die bewölkte Finsternis
Müsse deinem Glanz entfliegen,
Die durch Adams Apfelbiss
Uns die kleine Welt bestiegen:
Dass wir, Herr, durch deinen Schein
Selig sein.

Deiner Güte Morgentau
Fall‘ auf unser matt Gewissen;
Lass die dürre Lebens-Au
Lauter süßen Trost genießen,
Und erquick uns, deine Schar,
Immerdar.

Gib, dass deiner Liebe Glut
Unsre kalten Werke töte,
Und erweck‘ uns Herz und Mut
Bei entstandner Morgenröte,
Dass wir, eh wir gar vergehn,
Recht aufstehn.

Lass uns ja das Sündenkleid
Durch des Bundes Blut vermeiden,
Dass uns die Gerechtigkeit
Mög als wie ein Rock bekleiden:
Und wir so vor aller Pein
Sicher sein.

Ach! du Aufgang aus der Höh,
Gib, dass auch am jüngsten Tage
Unser Leichnam aufersteh
Und entfernt von aller Plage
Sich auf jener Freudenbahn
Freuen kann.

Leucht uns selbst in jener Welt,
Du verklärte Gnadensonne,
Führ uns durch das Tränenfeld
In das Land der süßen Wonne
Da die Lust, die uns erhöht,
Nie vergeht.

Aus: Deutsche Gedichte aus vier Jahrhunderten (S. 94f.). Ausgewählt von Emil Staiger und Martin Hürlimann, Atlantis Verlag Zürich