Johannes Kepler (1571 - 1630)
>>>Gott
Unterricht vom
heiligen Sakrament des Leibs und Bluts Jesu Christi, unsers Erlösers (1617)
Für meine Kinder, Hausgesinde und Angehörige
aus der Vermahnung, so in den evangelischen Kirchen vor der Austeilung vorgelesen
wird, hergenommen und frag- und antwortweise verfasset.
Wer das Reich Gottes nicht empfängt wie ein Kind, der wird nicht hineinkommen (Mark. 10, 15).
An meine
lieben Kinder, Hausgesinde und Angehörige.
Liebe Christen! Ihr höret täglich in den evangelischen Predigten,
daß von Anfang der Reformation bis auf den heutigen Tag viel Streitens
und Zankens vom heiligen Abendmahl des Herren gewesen und noch sei, davon Ihr
den wenigeren Teil verstehen oder begreifen könnt. Nun haben die treuen
Prediger und Seelsorger ihre Ursachen, warum sie dieser Streitigkeiten auf der
Kanzel gedenken müssen, dieweil sie nämlich nicht nur den Kindern
und Einfältigen, sondern auch andern predigen sollen, welche Irrtums und
Verführung halber in Gefahr stehen, auch nicht nur die Wahrheit vortragen,
sondern auch die Irrtümer widerlegen müssen. Dieweil aber die ersten
treuen Vorsteher der evangelischen Kirchen bedacht haben, daß es der gebührlichen
Andacht, die ein Christ bei Empfangung dieser himmlischen Gaben in seinem Herzen
haben soll, sehr hinderlich sei, wenn ihm seine Gedanken durch allerhand spitzfindige
Reden und Widerreden verunruhigt werden, haben sie eine ganz nützliche
und geistreiche Vermahnung gestellt, die der Gemeinde Gottes stracks vor dem
Abendmahl vorgelesen werden solle, in welcher der so verwirrten Streitigkeiten
nicht gedacht wird, hiermit die schuldige Andacht zu befördern, allerhand
Abführungen und Verleitungen der Gedanken zuvorkommen und die Gemeinde
Gottes also zu erbauen.
Weil denn solche Vermahnung nicht allein in meinem Vaterlande, sondern auch
allhier und sonst an den meisten Orten am Rhein und Donaustrom noch auf den
heutigen Tag im üblichen Gebrauch ist, aber die Einfältigen nicht
so fleißig auf alle und jede Stücke derselben Achtung geben, wenn
man es also auf einem Ton dahin abliest, als wenn sie über einem jeden
Stück besonders und verständlich gefragt und dessen hiermit erinnert
werden, mir aber als einem Hausvater gebühret, bei Euch ein besonderes
Einsehen zu haben und dahin zu trachten, daß Ihr die reine Lehre, so Euch
in der Kirche im allgemeinen vorgetragen wird, auch wohl faßt und mit
Euch nach Haus bringt:
Also habe ich Euch guter Meinung, sonderlich auch zu Bezeugung meines eigenen
Glaubens und Haltens vom heiligen Abendmahl, die mehrerwähnte Vermahnung
in folgende Fragestücke zerlegt, ausgeteilt und zum Teil erkläret,
in Hoffnung, wenn Ihr solche auswendig lernet und in dem Gedächtnis habet,
werde Euch die Vermahnung selber, in der Kirche vorgelesen, desto verständlicher
sein und vermittels der Kraft des heiligen Geistes bei Euch zu Fortsetzung eines
rechten, wahren Christentums desto mehr Frucht schaffen. Das helfe Gott! Amen.
Unterricht vom heiligen Sakrament des
Leibes und Blutes Jesu Christi, unsers Erlösers.
Warum begehet und hält man das Abendmahl
unseres Herren Christi?
Dieweil Christus uns geheißen, solch sein eingesetztes Abendmahl zum Gedächtnis
seines bittern Leidens und Sterbens zu gebrauchen, so gebührt ja einem
jeden Christen, dem Befehl seines Herren nachzukommen.
Was geschieht im heiligen Abendmahl?
Christus gibt uns darinnen seinen wahrhaftigen Leib, für uns geopfert zur
Speise, und sein eigen Blut, für uns vergossen zu einem Trank, nicht für
den leiblichen Hunger und Durst oder leibliche Krankheiten zu heilen, sondern
den Glauben damit zu stärken und die verwundeten Gewissen zu heilen.
Wie soll ein Christ sich dazu schicken?
Er soll mit großem Fleiß und inbrünstiger Andacht sich selbst
prüfen, wie St. Paulus vermahnet 1. Kor. II,
26—32.
Wie lautet die Vermahnung St. Pauli?
„Sooft ihr von diesem Brot esset und von diesem Kelch trinket, sollt (oder
tut) ihr des Herren Tod verkündigen, bis daß er kommt. Welcher nun
unwürdig von diesem Brot isset oder von dem Kelch des Herren trinket, der
ist schuldig am Leib und Blut des Herren. Der Mensch aber prüfe sich selbst,
und also esse er von diesem Brot und trinke von diesem Kelche. Denn welcher
unwürdig isset und trinket, der isset und trinket ihm selbst das Gericht
damit, daß er nicht unterscheidet den Leib des Herren. Darum sind auch
so viel Schwache und Kranke unter euch und ein gut Teil schlafen. Denn so wir
uns selber richteten, so würden wir nicht gerichtet, wenn wir aber gerichtet
werden, so werden wir von dem Herrn gezüchtigt, also daß wir nicht
samt der Welt verdammt werden.“
Wie soll ich diese Vermahnung verstehen?
Sie begreift zwei Punkte: Der eine gehet das Nachtmahl selber an, der andere
betrifft den Gast, der hinzugehet.
Was lehret uns St. Paulus in diesen Worten
von des Herren Nachtmahl?
Vom Nachtmahl will er soviel sagen: Es sei nicht eine gemeine Zeche, dieweil
es eingesetzt sei zu einer Predigt von dem unschuldigen Leiden und Sterben Christi
unsers Erlösers, welches kein Christenmensch so unachtsam halten solle,
als wenn es eine gemeine Historie wäre. Denn wer es sich nicht lässet
zu Herzen gehen und wer nicht bedenket, daß er selber mit seinen eigenen
Sünden habe Christo dazu Ursache gegeben, damit er also aus dem ewigen
Verderben errettet würde, sondern ohne alle Andacht dahin gehet, wie zu
einer gemeinen Zeche, der spottet des Herren Leidens und macht sich teilhaftig
der erschrecklichen Sünde und Mordtat, die die Juden an Christo begangen
haben.
Weiter soll das Abendmahl auch nicht für gemeines Brot und Wein gehalten
werden, denn es sei der Leib und das Blut des Herren, wie er auch im vorigen
Kapitel davon schreibet.
Sag mir auch dieselbigen Worte St. Pauli aus
dem 10. Kapitel.
Also schreibet er: ,,Der gesegnete Kelch, welchen wir segnen, ist der nicht
die Gemeinschaft des Bluts Christi? Das Brot, das wir brechen, ist das nicht
die Gemeinschaft des Leibes Christi? Denn ein Brot ist es, so sind wir viele
ein Leib, dieweil wir alle eines Brots teilhaftig sind“ (1.
Kor. 10, 16—17).
Was ist damit gesagt?
St. Paulus will soviel sagen: Ihr wisset, liebe Christen daß wir durch
den rechtschaffenen Genuß des heiligen Abendmahls alle untereinander Glieder
eines geistlichen Leibs werden, welches Leibs Haupt ist Christus. Nun könnte
aber dies durch den Genuß des heiligen Abendmahls nicht geschehen, wenn
es nur ein gemeines Brot wäre und nicht zumal auch die Gemeinschaft des
wahrhaftigen Leibs Christi und der Kelch die Gemeinschaft des wahrhaftigen Bluts
Christi, also daß wir alle insgemein dieses wahrhaftigen Leibs und Bluts
Christi im heiligen Nachtmahl teilhaftig würden. Denn wir viele können
anders nicht eins werden durch das heilige Abendmahl denn also, daß wir
alle darinnen den einigen Leib Christi empfangen und zu unserem allgemeinen
Haupt bekommen.
Was lehret St. Paulus von den Gästen
bei diesem Abendmahl?
Er zeiget an, daß Gott die unwürdigen Gäste wegen der Entheiligung
dieses hochwürdigsten Abendmahls schwer strafe mit zeitlicher und ewiger
Strafe, zeitlich zwar mit Pestilenz und andern Krankheiten, und daß er
manchen jungen Menschen vor der Zeit aus dieser Welt hinraffe. Dies alles darum,
daß er nicht ewig strafen dürfe <brauche>. Denn wenn Gott Krankheit
schickt, so gehen die sündigen Menschen in sich selber und bekehren sich,
und wenn sie dann also in rechtschaffener Buße aus dieser Welt hingenommen
werden, so machen sie ein Ende an ihrem ruchlosen sündigen Leben, fallen
nicht wiederum darein, erzürnen Gott nicht mehr, entheiligen das Abendmahl
nicht mehr. Daneben zeiget er an, wie der Mensch diesem schweren Zorn Gottes
entfliehen solle, damit er nicht unwürdig esse, item sich selbst richten
solle, damit er nicht von dem Herren gerichtet werde.
Was heißt denn sich selbst prüfen?
Prüfen heißt so viel, daß ein jeder soll in sein eigen Gewissen
gehen, sein vollführtes Leben und was ihm auch gegenwärtiger Zeit
im Sinn liegt, vor Gottes Angesicht von Stück zu Stück, soviel immer
möglich, betrachten, nicht anders als wenn er es einem Beichtvater der
Länge nach erzählete.
Was heißt sich selbst richten?
Sich selbst richten heißt so viel, daß ein solcher wahrhaftiger
Beichtender alle solche Stücke seines vollführten Lebens, ja seine
anhaltenden bösen Neigungen und ganze verderbte Natur selbst halte gegen
die Gebote Gottes und nicht etwa gegen der Welt oder gegen seiner Eltern böse
Gewohnheit. Wenn dies geschieht, wird ein jeder gewißlich nichts anders
befinden denn allerlei greuliche Sünden und den ewigen Tod, den er mit
der sündlichen Natur von seinen Eltern anererbt und selbst mit eignen Sünden
vielfältig verschuldet hat. Denn ,,der Sold der Sünde ist der Tod“,
wie St. Paulus sagt (Röm. 6, 23). Dies soll ein jeder, der zum heiligen
Nachtmahl gehen will, festiglich glauben. Darauf soll er sich selbst um solcher
begangner Sünden willen im Herzen feind sein, solche mit öffentlicher
Beichte vor dem Priester und Angesicht der Kirche Gottes bekennen, Gott dem
Allmächtigen dieselbe abbitten, alle Bosheit, Schalkheit und Ruchlosigkeit
und insonderheit allen Neid, Haß, Groll und Widerwillen aus dem Herzen
räumen, sich mit seinem Nächsten, den er beleidiget, versöhnen,
dem, der ihn beleidiget, verzeihen und in Summa sich vornehmen, sein Leben forthin
zu bessern, alle Gelegenheiten, durch die er zuvor einmal zu einer feindseligen
Tat geraten, fortan so viel wie möglich zu fliehen und hierzu Gott um Beistand
des heiligen Geistes und daß er ihn nicht wolle in Versuchung führen,
fleißig bitten.
Wessen sollen sich aber die Christen in diesem ihrem geistlichen Elend trösten,
damit sie auch dieses Orts nicht unwürdige Gäste seien?
Erstlich sollen sie erkennen, daß keiner sich selbst daraus helfen könne,
sondern fremder Hilfe hierzu notdürftig sei. Danach so sollen sie auch
nicht an Gottes Barmherzigkeit verzweifeln, sondern sollen ferner wissen und
glauben, daß unser lieber Herr Jesus Christus sich über uns erbarmet
und um unserer Sünden willen Mensch geworden ist, auf daß er das
Gesetz und alles, was wir mit unsern Sünden verschuldet hatten, für
uns und zu unserer Erledigung auf sich nähme und bezahlete.
Was sollen wir hier von dem heiligen Abendmahl
glauben?
Es ist dieses heilige Sakrament nicht für ein selbstverdienstlich Werk
oder Versöhnung mit Gott zu halten, als würden uns unsere Sünden
darum vergeben oder die zeitliche Strafe darum nachgelassen, dieweil wir des
Herren Leib und Blut mit dem Mund empfangen. Sondern es ist allein zu einem
besonderen Trost und Stärke gegeben den armen betrübten Gewissen,
die ihre Sünden im Herzen empfinden und bekennen, Gottes Zorn und den Tod
fürchten und nach der Gerechtigkeit hungrig und durstig sind. Diesen blöden
Gewissen ist das Abendmahl gegeben zu einem gewissen Pfand und Wahrzeichen dieses
gnädigen Willens Gottes, daß er den Verdienst des bittern Leidens
und Sterbens seines Sohnes, unsers Herren Christi, für unsere Sünden
annehmen und uns, wenn wir uns von ganzem Herzen bekehren, gnädig sein
wolle, daß wir je dies alles festiglich glauben sollen.
Woher weißt du das?
Aus den Worten der Einsetzung, die Christus gesprochen hat über das dargereichte
Brot und den Trank.
Wie hat er gesprochen über das Brot?
,,In der Nacht, da er verraten ward, nahm er das Brot, dankete und brach es,
gab es seinen Jüngern und sprach: Nehmet hin und esset, das ist mein Leib,
der für euch (für euch, spricht er!) dargegeben wird.“
Was ist damit gesagt?
Er will soviel sagen: Daß ich Mensch bin worden (einen lebendigen menschlichen
Leib an mich genommen habe) und alles, was ich leide und tue (in und an solchem
meinem Leib), ist alles euer eigen, für euch und euch zugute geschehen.
Des zu einem gewissen Anzeichen und Zeugnis, und daß ihr (als Glieder
meines geistlichen Leibs) immer in mir bleibet und lebet und ich (als das Haupt
im Geist) in euch, gab ich euch meinen Leib zur Speise.
Wie hat er gesprochen über den Kelch?
,,Desselbengleichen nahm er auch den Kelch nach dem Abendmahl und sprach: Nehmet
hin und trinket alle daraus, dies ist der Kelch des Neuen Testaments in meinem
Blut, das für euch und für viele vergossen wird zu Vergebung der Sünden.“
Was ist damit gesagt?
Er will soviel sagen: Dieweil ich mich euer angenommen und eure Sünde auf
mich genommen habe, will ich mich selbst für die Sünde in den Tod
opfern, mein Blut vergießen, euch Gnade und Vergebung der Sünden
erwerben und also ein neues Testament aufrichten, darinnen die Sünde vergeben
und ewiglich nicht mehr gedacht werden soll. Des zu einem gewissen Anzeichen
und Zeugnis und zur Stärkung und Förderung meines Lebens in euch,
geb ich euch mein Blut zu trinken (wie auch sonst durch das Trinken das Leben
im Leib gestärket und die Speise gefördert wird).
Was hat nun jetzt das heilige Abendmahl bei denen, so es würdig genossen,
für einen Nachdruck und Wirkung?
Wer also von diesem Brot isset und von diesem Kelch trinket, auch diesen Worten,
die er von Christo höret, und diesen Zeichen, die er von Christo empfänget,
festiglich glaubet und dieses Abenmahl zur Erinnerung und Bestätigung seines
Glaubens empfänget, der bleibet in dem Herren Christo und Christus in ihm,
und wird ewiglich leben.
Wozu dienet uns das heilige Abendmahl mehr?
Es dienet uns zu einer Erinnerung, fröhlich in unsers Herrn Christi Willen
zu leben.
Woher weißt du das?
Aus dem Namen, die dem heiligen Abendmahl gegeben werden, und aus den Umständen
der Einsetzung und äußerlichen Dingen, die dazu gebrauchet werden.
Wie wird denn das Abendmahl Christi genennet?
Das Gedächtnis Christi und die Verkündigung des Todes Christi. Denn
also sagt Christus: ,,Das tut zu meinem Gedächtnis“, und St. Paulus
sagt: ,,Sooft ihr von diesem Brot esset und von diesem Kelch trinket, so tut
ihr des Herren Tod verkündigen.“
Wie sollen wir denn seiner dabei gedenken und seinen Tod verkündigen?
Wenn wir betrachtet und bekennet haben, daß er für unsere Sünden
sei gestorben und zu unserer Rechtfertigung wieder auferstanden, sollen wir
ihm dafür mit Mund und Herzen ewiges Lob und Dank sagen, und im Werk selbst
sollen wir aus Dankbarkeit uns forthin vor Sünden und neuer Schuld hüten
und hingegen die Gebote Christi halten, die er uns gegeben hat.
Welches sind Christi vornehmste Gebote?
Daß ein jeder soll sein Kreuz auf sich nehmen und ihm nachfolgen, item
daß wir uns sollen untereinander lieben, wie er uns geliebet hat.
Wie werden wir durch das Nachtmahl erinnert,
unser Kreuz zu tragen und Christo nachzufolgen?
Dieweil Christus an unser Statt ans Kreuz geschlagen worden und sein Leben für
uns gelassen, dessen Gedächtnis uns im Nachtmahl anbefohlen wird, sollen
wir auch um seinetwillen die bösen Lüste und Begierden unsers Fleisches
kreuzigen, das ist, wir sollen nicht alles das tun, was uns gelüstet, sondern
sollen uns abbrechen und uns selber wehetun, damit wir ein heiliges, züchtiges
Leben führen, wie es unserm Herren Christo wohlgefällt. Und sonst
Gott dem Herren in Kreuz und Leiden geduldig stillhalten, auch uns nicht weigern
gegen das Bekenntnis des christlichen Glaubens, wenn es Gott verhänget,
allen Unglimpf, Spott, Ungelegenheit, Verfolgung, Nachrede, Schande, Marter
und den Tod selbst zu leiden, durch Hilfe und Beistand des heiligen Geistes.
Wie erinnert uns das heilige Abendmahl der
christlichen brüderlichen Liebe?
Erstlich, dieweil unser Herr Christus bei der Einsetzung und Haltung dieses
heiligen Abendmahls eine solche schöne herzbrechende lange Vermahnung an
seine Jünger getan, daß sie sich untereinander lieben sollen, wie
er sie geliebet hat, und hat es mit dem Werk gezeiget, worinnen diese Liebe
bestehen soll, indem er als der Meister ihnen als Dienern die Füße
gewaschen hat, hiermit uns die Sanftmut und Ehrerbietung befehlend. Fürs
andere, dieweil Christus uns geliebet hat, da wir noch seine Feinde waren, und
sein Leben für uns gelassen, zu dessen Gedächtnis das Nachtmahl eingesetzet
ist, sollen auch wir unsere Feinde lieben, ihnen verzeihen ihre Fehler, wie
Gott uns vergeben hat unsere Schuld, auch je einer um des anderen Notdurft willen
einen Teil seiner zeitlichen Güter gern und willig fahren lassen, ihm zu
helfen. Ja, wenn es Gott also schicket und die Not erfordert, soll je einer
für den anderen oder für die Christenheit alles Zeitliche und das
Leben selbst zu verlassen bereit und willig sein. Dahin deuten zum dritten auch
die Zeichen des Brots und Weins und erinnern uns des geistlichen Leibs Christi,
dessen Glieder wir werden, und unserer gebührlichen Pflicht als der Glieder.
Denn wir alle sind ein Brot und ein Leib, dieweil wir alle eines Brots teilhaltig
sind und aus einem Kelch trinken. Denn zu gleicher Weise, wie aus vielen Beerlein
zusammengekeltert ein Wein und Trank fließt und sich ineinander menget
und aus vielen Körnlein ein Mehl gemahlen ein Brot und Kuchen gebacken
wird: also sollen wir alle, so durch den Glauben Christo eingeleibt sind, durch
brüderliche Liebe um Christus unsers liebsten Heilands willen, der uns
zuvor so hoch geliebet hat, alle ein Leib, Trank, Kuchen und Brot werden, und
solches nicht allein mit leeren Worten sondern mit der Tat und Wahrheit, wie
Johannes lehret (1. Joh. 3, 18), ohne allen Trug treulich gegeneinander beweisen.
Das helfe uns der allmächtige, barmherzige Gott und Vater unsers lieben
Herren Jesu Christi durch seinen heiligen Geist. Amen!
Aus: Der Protestantismus des 17. Jahrhunderts. Herausgegeben
von Winfried Zeller (S.159f.)
In der Reihe: Klassiker des Protestantismus. Herausgegeben von Christel Matthias
Schröder Band V, Sammlung Dieterich
Carl Schünemann Verlag Bremen