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Menschensohn
- Gottessohn
Es war unmöglich, den einmal durch Ungehorsam gefallenen Menschen neu zu
erschaffen, um ihm dann den Siegespreis zu verleihen, aber ebenso unmöglich
war es, daß der in Sünde gefallene Mensch das Heil erlange. Deshalb
bewirkte der Sohn dieses beides, der Sohn, der zugleich das Wort Gottes war
— er stieg vom Vater hernieder, wurde Fleisch und ging als solches bis
in den Tod. So nur wirkte Er unsere Erlösung...
... Wer also die Sünde vernichten und den Menschen von seiner Todesschuld
erlösen wollte, der mußte zu dem werden, was jener war, der gesündigt
hatte. Denn der Mensch war von der Sünde unterjocht und wurde durch den
Tod beherrscht — daher mußte die Sünde von einem überwunden
werden, der ganz und gar Mensch war, damit der Mensch vom Tode befreit würde.
Wie nämlich durch den Ungehorsam des einen Menschen, der zuerst aus der
jungen Erde gebildet worden war, die vielen Sünder wurden, welche ihr Leben
alle wieder verloren, so mußten auch durch den Gehorsam des einen, der
als Mensch von einer Jungfrau geboren war, die vielen gerechtfertigt werden
und ihr Heil erlangen.
Auch schon Moses hatte gesagt: »Gott, wahrhaft sind Seine Werke!«
So wurde also das Wort Gottes wahrhaft zu einem Menschen. Wäre Er nicht
Fleisch geworden, sondern den Menschen nur als solches erschienen, so hätte
Sein Werk nicht wahr sein können. Was Er zu sein schien, das war Er auch:
Gott faßte in Sich das alte Menschenbild zusammen, um die Sünde zu
vernichten, den Tod niederzuwerfen und den Menschen wahrhaft lebend zu machen.
Deswegen sind auch »wahrhaft Seine Werke«.
III., 19, 1. Auch alle jene, die da behaupten, Jesus stamme als bloßer
Mensch von Joseph ab, können das ewige Leben nicht finden und verfallen
dem ewigen Tode. Denn sie verharren ja in der Knechtschaft des alten Ungehorsams,
sie sind mit dem Worte Gottes, des Vaters, noch nicht vereint, und so können
sie auch nicht durch den Sohn die Freiheit empfangen — wie der Herr selbst
es gesagt hat: »Wenn der Sohn euch erst aus der Knechtschaft befreit haben
wird, dann erst werdet ihr wirklich frei sein« (Joh. 8, 36). Solange sie
nicht den Emmanuel aus der Jungfrau kennen, berauben sie sich selbst Seines
Geschenks, welches das ewige Leben ist, sie empfangen nicht das Wort der Unverweslichkeit,
und so verharren sie auch in dem sterblichen Fleisch, sind und bleiben Schuldner
des Todes, weil sie die Arznei des Lebens nicht nehmen wollen...
Dazu nämlich ist das Wort Gottes zu uns gekommen und Mensch geworden und
der Sohn Gottes zum Menschensohn, damit der Mensch das Wort Gottes in sich aufnehme
und, an Kindes Statt angenommen, zum Sohne Gottes werde. Anders können
wir nicht die Unsterblichkeit empfangen als dadurch, daß wir mit dem Unsterblichen
vereint werden.
... Aber nur der erkennt Ihn, dem es der Vater im Himmel offenbart hat, damit
er einsehe, daß Der, welcher nicht aus dem Willen des Fleisches noch aus
dem Willen des Mannes als Mensch und als Menschensohn geboren wurde, Christus
der Sohn des lebendigen Gottes ist. Denn daß schlechthin keiner, überhaupt
keiner aus den Söhnen Adams jemals Gott genannt oder Herr geheißen
werden kann, das haben wir aus den Schriften genügend nachgewiesen.
...Wie Er Mensch war, um versucht zu werden, so ist Er auch das Wort, um verherrlicht
zu werden. Das Wort ruhte, damit Er versucht werden könne, verunehrt, geschändet,
gekreuzigt werden und sterben könne, es tat sich aber mit dem Menschen
in Ihm zusammen, damit Er siegen, ausharren, sich liebreich und gnädig
erweisen, auferstehen und in den Himmel auffahren könne. Dieser Sohn Gottes
also ist unser Herr und das Wort des Vaters und der Sohn des Menschen. Denn
insofern Er sein Dasein aus Maria empfing, die von Menschen stammte und daher
selbst ein Mensch war, ist Er der Sohn des Menschen geworden. Und deswegen gab
uns auch der Herr selbst das Zeichen, das der Mensch zu verlangen nicht gewagt
hatte, weil er gar nicht hoffen konnte, daß eine Jungfrau, die wirklich
Jungfrau ist, schwanger werden und einen Sohn gebären könne. Dieser
Sohn war der verheißene »Gott mit uns«, stieg herunter auf
die Erde, suchte das verlorene Schaf, das doch Sein eigenes Geschöpf war,
und stieg wieder in die Höhe, um Seinem Vater den Menschen wiederzubringen,
den Er gefunden hatte, und um für ihn zu bitten und stand als erster unter
den Toten auf. Und wie das Haupt, so soll auch der ganze übrige Leib des
Menschen, der das Leben empfangen hat, wiederauferstehen nach der für seinen
Ungehorsam festgesetzten Zeit der Verdammnis... denn viele Wohnungen sind bei
dem Vater wie auch viele Glieder am menschlichen Körper.
III., 20, 2.... So groß ist also Gottes Langmut: Der Mensch soll durch
alles hindurchgehen, seine sittlichen Aufgaben selbst erkennen, sich selbst
als schwach und sterblich erkennen — und schließlich zur Auferstehung
von den Toten gelangen. Er soll durch Erfahrung lernen, woher er erlöst
wurde, und immer dankbar gegenüber Gott sein, denn von Ihm hat er das Geschenk
der Unsterblichkeit empfangen, und »wem viel vergeben wurde, der liebt
mehr« ... Darum nahm Jesus auch die Ähnlichkeit mit dem sündigen
Fleisch an, um die Sünde zu verdammen, sie gleichsam aus dem Leben zu verbannen,
den Menschen aber zu Seiner Nachfolge aufzurufen... So machte das Wort Gottes,
das im Menschen gewohnt hat, den Menschen fähig, den Vater zu begreifen,
und wurde zum Menschensohn, damit der Mensch sich gewöhne, Gott in sich
aufzunehmen, und damit Gott wieder im Menschen wohne, nach dem Wohlgefallen
des Vaters.
Demgemäß ist der Herr selbst jener als Zeichen unseres Heiles aus
der Jungfrau verheißene Emmanuel... denn nicht aus uns selbst, sondern
durch Gottes Hilfe sollen wir gerettet werden. Und darum sollte auch der Erlöser
weder bloß Mensch noch ohne Leib wie die Engel sein,
»weder Prophet noch Engel, sondern der Herr selbst wird sie erlösen,
denn Er liebt sie und schonet ihrer« (Is. 63, 9).
III., 21. 1. ... Falsch ist auch die Deutung derer, die da sagen: »Ein
Mädchen wird einen Sohn gebären« (oder gar »eine junge
Frau«). So übersetzen es nämlich Theodotion aus Ephesus und
Aquilo aus Pontus, beides neubekehrte Juden, und ihnen folgen auch die Ebioniten,
die behaupten, Er sei ein natürlicher Sohn Josephs (oder eines anderen
Menschen). Damit zerstören sie den großartigen Heilsplan Gottes und
vernichten das Zeugnis der Propheten, das Gott selbst ihnen kundgetan hat...
Denn indem Gott sagte: »Höret, ihr vom Hause Davids...« (Psalm
131, 11), zeigte Er ihnen an, daß aus einer Jungfrau vom Geschlecht Davids
jener geboren werden sollte, von welchem Gott verheißen hat. .. und Er
verhieß es dem Könige David nicht aus der Frucht seiner Lenden oder
seiner Nieren, was in den Worten der Schrift immer den zeugenden Mann und das
empfangende Weib bezeichnet, sondern ausdrücklich »aus der Frucht
seines Leibes«, und das bezeichnet eindeutig die schwangere Jungfrau.
Die Schrift schloß also mit den Worten dieser Verheißung die Genitalien
des Mannes aus und erwähnt sie nicht — gegen den sonstigen Sprachgebrauch
—, da der, welcher geboren werden sollte, nicht aus dem Willen des Mannes
kam. Mit Nachdruck wird die Frucht des Leibes betont, um die Geburt dessen zu
verkünden, der aus der Jungfrau geboren werden sollte... Auch Daniel verkündete
die Ankunft des Herrn, indem er sagte, daß Er »als ohne die Hand
des Menschen losgerissener Stein in diese Welt kommen werde« (Dan. 2,
45): ohne Hand, also nicht durch das Zutun des Joseph, sondern allein... Wenn
Er bloß der Sohn Josephs gewesen wäre, wie hätte Er dann mehr
vermocht als Salomon oder David, da Er doch aus demselben Geschlecht war?
III., 22, 1. .. . Andererseits glauben jene wieder zuviel, die da behaupten,
Jesus habe nichts von der Jungfrau angenommen. Wenn sie das Erbteil des Fleisches
aus Ihm ausschließen, so leugnen sie ja auch Seine Ähnlichkeit mit
dem Menschen ab... Hätte Jesus nicht vom Menschen die Wesenheit des Fleisches
angenommen, dann wäre Er weder Mensch geworden noch Menschensohn... und
dann hätte auch Sein Leiden und Ausharren nichts Großartiges zu bedeuten.
Unwidersprochen bestehen wir alle aus dem Leib, der Erde entnommen, und einer
Seele, die von Gott den Geist erhielt. Dasselbe gilt vom Worte Gottes, der in
sich Sein Geschöpf wiederholte, und deswegen bekannte Er sich als der Sohn
des Menschen und pries die sanftmütigen Seelen...
Enthalten in: Christliche Geisteswelt, Band I, Die
Väter der Kirche . Herausgegeben von Walter Tritsch (S.60-64)
Holle Verlag , Darmstadt