Jan (Johannes) Hus (1370 – verbrannt 1415)
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Tschechischer
Kirchenreformer, der als Sohn eines Bauern geboren wurde. Hus wurde Magister der Theologie und u. a. als Prediger an der Bethlehems-Kapelle in Prag und Lehrer (1409/10 Rektor) an der Universität Prag tätig war. Seine erstaunliche Wirkungskraft ist auf die geschickte Verbindung kirchlicher Reformideen mit tschechischen
Nationalzielen zurückzuführen. Von John Wycliffe übernahm Hus die Lehre von der Prädestination, den Kampf gegen Güterbesitz und Verweltlichung des Klerus und der Klöster. Die eigentliche Bedeutung seines Wirkens war jedoch die kirchlich-nationale Verselbständigung
der Tschechen, die von ihm auch kulturell fundiert wurde, indem er an der
Tschechisierung der Universität Prag, der Schaffung einer einheitlichen
Schriftsprache und einer eigenständigen tschechischen Literatur mitwirkte. 1411 wurde Hus exkommuniziert. 1414 begab sich Hus mit freiem Geleit des
Königs Sigismund nach Konstanz, wurde dort dennoch verhaftet und -
da er sich dem Konzil nicht unterwerfen wollte - in Konstanz als Ketzer verbrannt. Als Symbol tschechischen Widerstands wurde Jan Hus zum Nationalhelden und Märtyrer der Tschechen. Siehe auch Wikipedia, Heiligenlexikon und Kirchenlexikon |
.Ketzertum
und Ämterkauf
Das Ketzertum hat drei Wurzeln, so dass es drei Arten von Ketzerei gibt; das ist: Abfall, Lästerung und Simonie. Der Abfall ist
eine Abkehr vom Gesetz Gottes. Die Lästerung ist ein Beschimpfen der göttlichen
Macht, was auf dreierlei Art vor sich gehen kann. Erstens, wenn ein Mensch Gott
beschuldigt, was ihm nicht zukommt. Denn wer wollte behaupten, dass Gott
lüge oder dass er sündigen könne. Zweitens wird gelästert,
wenn Gott hartnäckig im Gedanken beleidigt wird und wenn man sagt oder
lehrt, dass Gott nicht, wo immer er es wollte, jemanden sättigen könnte. Drittens wird gelästert, wenn man, was Gott allein gebührt, der menschlichen
Kraft oder einer anderen Kreatur zuerkennt.
In dieser Lästerung ist das Wesen des Antichrist enthalten, da er sich
über alles erhebt, was Gott heißt, d. h. auch über die Göttlichkeit
Christi und über Christus als den Menschen, da er die Macht Gottes an sich
reisst und die Demut und Armut und andere Tugenden und das Leiden Christi
verwirft. Wie also der geliebte Christus, da er unter uns weilte, dem Vater
in allem gehorsam war, so wird jener in allem Christi Widersacher sein; deshalb
heißt er Antichristus, d. h. Widersacher Christi. Von ihm werde ich mit
Gottes Gnade hier schreiben.
Und um dieser Ketzerei der Gotteslästerung willen töteten sie den
Herrn Jesus, denn sie sagten, er habe Gott gelästert; denn als sie ihn
als Lästerer steinigen wollten, sagte er ihnen: »Viele gute Werke
habe ich euch gezeigt von meinem Vater; um welches Werk unter ihnen steiniget
ihr mich?« Die Juden antworteten ihm: »Um des guten Werks willen
steinigen wir dich nicht, sondern um der Gotteslästerung willen, und dass
du ein Mensch bist und machst dich selbst zu Gott!« Und wiederum, als
Kaiphas, der Hohepriester, ihn fragte: »Ich beschwöre dich bei dem
lebendigen Gott, dass du uns sagest, ob du seist Christus, der Sohn Gottes?«,
sprach Jesus zu ihm: »Du sagst es. Doch sage ich euch: Von nun an wird
es geschehen, dass ihr sehen werdet des Menschen Sohn sitzen zur Rechten
der Kraft und kommen in den Wolken des Himmels.« Da zerriß der Hohepriester
seine Kleider und sprach: »Er hat Gott gelästert, was bedürfen
wir weiteres Zeugnis? Siehe, jetzt habt ihr seine Gotteslästerung gehört.
Was dünkt euch?« Und sie antworteten ihm: »Er ist des Todes
schuldig!« Da spieen sie aus in sein Angesicht und schlugen ihn mit Fäusten.
Etliche aber schlugen ihn ins Angesicht und sprachen: »Weissage uns, Christe,
wer ist‘s, der dich schlug?« Hier also ist es gesagt, dass
sie ihn um der Lästerung willen verurteilten; aber die bösen Gotteslästerer
verurteilten den unschuldigen Christus zum Tode.
Auch verklagten sie ihn vor Pilatus, er habe das Volk vom Gesetz Gottes abgewendet,
und sagten: »Diesen finden wir, dass er das Volk abwendet! «
Und weiter sagten sie: »Er hat das Volk erregt damit, daß er gelehrt
hat hin und her im ganzen jüdischen Land und hat in Galiläa angefangen
bis hierher.« Mit dieser Klage also beschuldigten sie ihn des Ketzertums,
das ein Abwenden vom Gesetz Gottes ist. Des Ämterkaufs aber beschuldigten
sie ihn nicht, denn sie konnten an ihm überhaupt kein Anzeichen von Habgier
erkennen.
Die dritte Ketzerei ist die Simonie, das ist die böse Einwilligung in den
Umtausch einer geistlichen Sache gegen eine weltliche, wovon noch die Rede sein
wird. Und du sollst wissen, daß diese drei Ketzereien nicht völlig
unabhängig voneinander sind, sondern daß eine die andere nach sich
zieht. So aber werden eigentlich diese Ketzereien eingeteilt: das Abwenden ist
eigentlich ein Abfall vom Gesetz Gottes, die Lästerung ist eine Schmähung
des göttlichen Glaubens, und der Ämterkauf ist eine Ketzerei, mit
der der Ämterkäufer die Ordnung Gottes stören will. Und so wird
mit diesen drei Ketzereien die ganze heilige Dreieinigkeit geschmäht: Gott
Vater wird durch die Abwendung geschmäht, denn er ist der Herr über
das reine und unverdorbene Gesetz, und er gab Christus die Gemahlin, nämlich
die Gemeinschaft aller Auserwählten; Gott Sohn, der die Weisheit Gottes
ist, wird durch die zweite Ketzerei, die Lästerung, geschmäht; und
Gott, der Heilige Geist, wird dafür von der verfluchten Simonie, die sich
seiner Ordnung widersetzt, geschmäht, daß er in seiner allerhöchsten
Güte sein Haus weise und in Frieden verwaltet, denn der Ämterkäufer
widersetzt sich dem Heiligen Geist, er beabsichtigt die gute Ordnung des Heiligen
Geistes zu stören und somit auch den Frieden. Und weil nach dem Zeugnis
Christi die Sünde gegen den Heiligen Geist weder im Diesseits noch im Jenseits
vergeben werden kann, werde ich von dieser Sünde schreiben. Die Simonie
nämlich ist eine Erkrankung der Seele, die nicht anders aus der Seele vertrieben
werden kann als durch ein eigentliches Wunder Gottes. Und da diese Krankheit
von einem auf den anderen übergeht, so dass ein Ämterkäufer
viele andere ansteckt, sollen die frommen Christen sich mit Eifer vor ihr schützen.
Und weil der Mensch sich nicht so leicht vor dem Bösen schützt, das
er nicht kennt, muß die Simonie bekannt gemacht werden.
Kann der Papst ein Ämterkäufer sein? Es scheint, als könne er
es nicht, denn er ist der Herr der ganzen Welt, dem es zukommt zu nehmen, wie
er will; dies auch, weil er der heiligste Vater ist, den die Sünde nicht
erfassen kann. Hier sollst du wissen, daß viele Päpste Ketzer und
auf andere Weise böse waren, und daß sie die Papstwürde verloren;
und hierüber wäre viel zu schreiben. Zweifle also nicht, daß
der Papst ein Ämterkäufer sein kann. Wer aber dem widerspräche
und sagte, daß der Papst nicht Simonie betreiben oder eine Todsünde
begehen könne, der gedächte, ihn über Petrus und die anderen
Apostel zu erheben. Und auf die Begründung, daß er der Herr der ganzen
Welt sei, dem es zukomme zu nehmen und zu tun, wie er will, ist zu antworten,
daß es einen einzigen Herrn der Welt gibt, der nicht sündigen kann
und dem es zukommt, über die Welt zu herrschen und zu tun, wie es ihm beliebt,
und dieser Herr ist der allmächtige Gott. Und wenn ein weiterer Grund lautet,
daß der Papst der heiligste Vater sei, den die Sünde nicht erreichen
kann, so bestreite ich dies, denn unser einziger heiligster Vater ist Gott der
Herr, den keine Sünde erreicht.
Vielleicht aber sagst du: >Hier auf Erden ist der Papst der heiligste Vater!<
Darauf entgegne ich: Wenn du beweisest, daß er auf die heiligste Weise
lebt, Christus in der Armut, in der Demut, in der Friedfertigkeit, in der Keuschheit
und in der Arbeit nachfolgt, dann räume ich dir ein, daß er der heiligste
ist; offenkundige Habgier aber, offener Hochmut und andere Sünden geben
den Menschen den Glauben, daß er nicht der heiligste Vater sei! Wenn du
aber sagst: >Alle Welt nennt ihn den heiligsten Vater, du selbst aber nicht;
soll man dir denn mehr glauben?< antworte ich, daß du zu weit gehst,
wenn du sagst >alle Welt<, und vielleicht kaum der hundertste Teil des
Volks hält ihn für den römischen Bischof. Und selbst wenn alle
Menschen ihn heilig oder den heiligsten nennen würden, wäre er, wenn
er in seinen Taten sich Christus widersetzte, durch diese Benennung keineswegs
heilig. Gott der Herr sagt nämlich: »Mein Volk! Die dich selig nennen,
verführen dich. « Und wer sind diese, wenn nicht die Schmeichler,
die vom Volk etwas haben wollen und es heilig nennen und versprechen, daß
das Volk heilig werde, wenn es ihnen nur gebe! Auch die Priester und Diakone,
die vom Papst etwas haben wollen, nennen ihn den Heiligsten und meinen, daß
es so sei und willigen ein, daß man ihn vor Angesicht so nennt und schreibt.
O wehe ihm, daß er sich so täuschen läßt!
Jan Hus: Schriften zur Glaubensreform und Briefe der
Jahre 1414-1415 (S.70-74)
Herausgegeben und eingeleitet von Walter Schamschula
Sammlung Insel si 49