Hilarius von Poitiers (315 – 367)
Lateinischer
Kirchenlehrer und Kirchenvater, der um 350
Bischof von Poitiers war. Als Gegner der Arianer wurde er 356
- 360 nach Phrygien verbannt. Hilarius
war der erste lateinische Hymnendichter und der bedeutendste lateinische
Dogmatiker vor Augustinus. Siehe auch Wikipedia , Heiligenlexikon und Kirchenlexikon |
Aus den zwölf
Büchern über die Dreieinigkeit
I ., 1. Auf die Suche ging ich nach der Aufgabe, die dem Menschenleben an sich
und gemäß dem ihm von Gott verliehenen Sinn am würdigsten angemessen
wäre und die sich uns entweder von Natur oder aus den Bemühungen des
Geistes darböte; es sollte... etwas darin zum Ausdruck kommen, das der
uns von Gott gewährten Gnade der Erkenntnis wenigstens durch die gute Absicht
entspräche. Zwar bot sich vieles an, was nach landläufiger Meinung
das Leben erstrebenswert und scheinbar auch nutzbringend machen könnte
— besonders dasjenige, was auch heute wie einst und stets als das Wichtigste
für alle Sterblichen gilt: Muße bei schönem Überfluß...
Aber wenn auch Muße und Reichtum die höchsten und besten Annehmlichkeiten
des Lebens umschließen, so unterscheiden sie sich doch nicht sehr sichtlich
vom gewöhnlichen Genügen der Tiere, die auf waldigen und besonders
futterreichen Plätzen umherschweifen, um Sicherheit vor Bedrängnis
und Sättigung aus unerschöpflichen Vorräten zu genießen.
Wenn wirklich nur dies als höchste und vollkommenste Nutzung des Lebens
betrachtet wird, müßig zu sein und Überfluß zu haben —
dann ist uns solches, je nach den Bedürfnissen der verschiedenen Arten,
mit den Tieren notwendig gemeinsam... Doch mir und, wie es scheint, auch den
meisten Menschen gilt solch müßige und tierisch-sorgenlose Lebensweise
als verächtlich, und wir haben sie schon immer bei anderen getadelt, gewiß
nur darum, weil wir — von unseren Naturanlagen selbst veranlaßt
— es für menschenunwürdig halten, uns nur für den Dienst
am Leib und für die Tatenlosigkeit bestimmt zu glauben. Im Gegenteil, wir
wünschen, in dieses Leben wegen irgendwelcher Bemühungen um hervorragende
Taten oder um einen sinnvollen Beruf eingeführt worden zu sein; anders
ausgedrückt: Wir möchten dieses Leben schon als Weg zur Ewigkeit gewährt
wissen...
I ., 9.. . .Es würde keinen Gewinn bedeuten, von Gott recht zu denken,
wenn uns der Tod jede Empfindung raubte und der Zusammenbruch versagender natürlicher
Lebenskraft alles endgültig vernichtete. Auch schon die natürliche
Einsicht hielt es stets für unwürdig, daß Gott den Menschen
in ein der Einsicht und Klugheit teilhabendes Leben eingeführt haben könnte
unter der sicheren Gewißheit, dieses Leben zu verlieren und hierauf in
aller Ewigkeit tot zu bleiben. Wir würden dann, als wir noch nicht existierten,
nur dazu in die Existenz von Gott gerufen worden sein, um — einmal eingeführt
— darin doch nicht Bestand zu erhalten, während wir als Sinn unserer
Erschaffung allein dies zu erkennen vermögen, daß ein Beginn des
Seins gegeben werde, wo vordem noch nichts war, nicht aber, daß dieses
Sein dem fortgenommnen werde, der es auf Gottes Geheiß schon begann...
I ., 17. Dem Wahn der Irrlehrer will ich entgegentreten in der Erwägung,
daß es zum Heile dienlich sei, nicht bloß an Gott geglaubt zu haben,
sondern an Gott den Vater; nicht nur auf Christus unsere Hoffnung gegründet
zu haben, sondern auf Christus als den Sohn Gottes; und nicht auf ein Geschöpf,
sondern auf Gott den Schöpfer, der aus Gott geboren ist. Deswegen kommt
es uns besonders dringend darauf an, aus den Offenbarungen der Propheten und
Evangelisten zu erweisen, wie wahnsinnig und unwissend jene sind, die —
unter Verkündigung des nur einen Gottes, die allein wirklich heilbringend
sei und allein den Namen »Glauben« verdiene, — entweder leugnen,
daß Christus der in Ewigkeit geborene Gott sei, oder aber behaupten, Er
sei gar kein wahrer Gott.
II., 1. ... Urheber von allem ist nur Einer. Denn Einer ist Gottvater, aus dem
alles Geschaffene seinen Ursprung und sein Dasein nimmt; und Einer ist unser
Herr Jesus Christus, durch den alles Geschaffene geschaffen ist, und Einer ist
der Heilige Geist... Alles ist also geordnet: eine Macht, aus der alles stammt,
ein Sproß, durch den alles ist, ein Geschenk vollkommener Hoffnung...
II., 6. Vater ist der, aus dem alles, was ist, sein Dasein und seinen Ursprung
nahm. Er ist in Christus, und durch Christus ist Er Ursprung von allem, Sein
Sein beruht in sich selbst.
II., 7... .Es entgeht mir nicht, daß jedes Wort zu schwach ist, um Sein
Wesen und Seine Eigenschaften aussprechen zu können. Wer hier erkannt werden
soll, ist unsichtbar, unfaßbar, ewig. Indes, gerade in dieser unfassbaren
Unendlichkeit besteht nur.., eine Art Umgrenzung unseres Ahnens — vor
der Überfülle Seines Wesens erliegt jede menschliche Ausdrucksfähigkeit
—, Worte erklären Ihn nicht, erreichen nicht den Sachverhalt, wie
er wirklich ist... Das Bekenntnis versagt also bei der Bezeichnung, und wie
immer jene Bezeichnungen angepaßt werden mögen, das Wesen Gottes,
die Größe Gottes werden sie nie angemessen aussagen können.
Das vollkommenste Wissen ist noch dies, Gott zwar nicht als Unkennbaren, wohl
aber als den Unaussprechlichen zu wissen ...
II., 8... . Der Vater ist, wie Er ist — und daß Er so auch Dasein
habe, wie Sein Wesen ist, das eben ist zu glauben.
Den Sohn durch Erkenntnis zu erreichen, erschrickt der Geist, und jedes Wort
zittert davor, sich darzubieten. Denn Er ist der echte Sproß des Ungeborenen,
der Eine vom Einen, der Wahre vom Wahren, der Lebendige vom Lebendigen, der
Vollkommene vom Vollkommenen, Kraft der Kraft, Weisheit der Weisheit, Herrlichkeit
aller Herrlichkeiten, Bild des unsichtbaren Gottes, Gestalt des ungewordenen
Vaters.
VI., 29. ... Bei allem, was aus dem Nichts herstammt, kann man gar nicht in
Unwissenheit über seinen Ursprung sein... Wer aber den Ursprung Christi
nicht kennt, kann Christus überhaupt nicht erkennen und vermag auch nicht,
den Sohn zu bekennen, da er dessen Geburt aus Gott leugnet und meint, Gott habe
Ihn aus dem Nichts heraus erschaffen wie die Geschöpfe alle. Aber Christus
stammt nicht aus dem Nichts — so daß die Ungläubigen nicht
einmal Seinen Ursprung kennen können.
VI., 30 ... Eine solche Glaubenslosigkeit liebt den Sohn nicht, und ein solch
ungläubiges Bekenntnis (zu Gott als Vater aller Menschen) nimmt nicht in
ehrfürchtiger Weise Gott als Vater für sich in Anspruch; wenn Gott
ihnen wirklich Vater wäre, dann müßten sie gerade deswegen auch
Christus lieben, der von Gott unmittelbar Seinen Ausgang genommen hat... Denn
von Gott her hat der Sohn Sein Dasein, nicht durch das Kommen in der Menschwerdung,
sondern durch das Geborenwerden in der Ewigkeit — und Liebe zum Vater
wird nur da ungeschmälert sein, wo man an den Ursprung des Sohnes aus Ihm
glaubt.
VIII., 4. Wir aber haben den Glauben der Evangelien und Apostel in unserer geistlichen
Lehre überliefert erhalten; durch das Bekenntnis des Vaters und des Sohnes
erstreben wir die Hoffnung auf ewige Seligkeit ... Wir lehren die wahre Geburt
des Eingeborenen Gottes aus Gott dem Vater, weil Er dadurch einerseits wahrer
Gott und andererseits vom Wesen des einen wahren Gottes nicht verschieden ist
und weil Er nur so als Gott weder geleugnet noch als ein anderer Gott genannt
werden kann, denn die Geburt stellt die Gottwesenheit sicher und das Ihm aus
Gott überkommene Wesen des einen Gottes trennt ihn nicht als einen anderen,
als einen zweiten Gott von diesem ab.
Enthalten in: Christliche Geisteswelt, Band I, Die
Väter der Kirche . Herausgegeben von Walter Tritsch (S.276-280)
Holle Verlag , Darmstadt