Moses Hess (1812 – 1875)

  Deutsch-jüdischer Autor, der philosophische, politische und naturwissenschaftliche Schriften verfasste. Hess wurde streng jüdisch erzogen und betrieb als Autodidakt philosophische Studien. Er war Mitbegründer der kommunistischen Bewegung und ein Vorläufer des Zionismus.

Siehe auch Wikipedia

Die großen Lehrer der Erkenntnis Gottes waren stets Juden.
... Die großen Lehrer der Erkenntnis Gottes waren stets Juden. Unser Volk hat nicht nur im Altertum die erhabenste Religion geschaffen, welche Gemeingut der zivilisierten Welt werden sollte: es hat sie auch in dem Maße, als die menschliche Gesellschaft fortgeschritten ist, in dem Maße, als Geist und Herz sich veredelt haben, stets fortentwickelt. Und diese Mission wird ihm bis an das Ende der Tage bleiben; ich meine bis zur Zeit, in welcher die Erkenntnis Gottes, nach dem Ausspruch unserer Propheten, die Welt erfüllen wird. Denn das Ende der Tage, von welchem das Judentum seit dem Anfange der heiligen Geschichte, in seinen guten und bösen Tagen, stets geweissagt hat, ist nicht, wie andere Völker es missverstanden haben, das Ende der Welt, sondern die Vollendung der Entwicklungsgeschichte und Erziehung des Menschengeschlechts.

Wir stehen am Vorabend des Geschichtssabbaths und haben uns auf unsere letzte Mission vorzubereiten durch das Verständnis unserer Geschichtsreligion.

Kein Wort unserer heiligen Schriften wird richtig begriffen, solange man nicht den Gesichtspunkt kennt, von welchem aus der jüdische Genius sie produziert hat. — Nichts ist dem Geiste des Judentums fremder als das egoistische Seelenheil des isolierten Individuums, der Hauptgesichtspunkt der Religion nach modernen Vorstellungen. – Das Judentum trennt nirgends das Individuum von der Familie, die Familie von der Nation, die Nation von der Menschheit, die Menschheit von der organischen und kosmischen Schöpfung und diese vom Schöpfer. Das Judentum hat kein anderes Dogma als seine Einheitslehre. Aber dieses Dogma ist bei ihm kein starres, kein äußerlich gegebenes und dabei unfruchtbares, kein toter Glaube, sondern eine stets von Neuem aus seinem Geiste sich reproduzierende, lebendige, schöpferische Erkenntnis, welche in der Familienliebe wurzelt, im Patriotismus ihre Blüten und in der modernen regenerierten menschlichen Gesellschaft ihre reifen Früchte trägt..
. [Aus: Rom und Jerusalem. Die letzte Nationalitätenfrage 1862; Neuauflage Wien und Jerusalem 1935, Zweiter Brief]
Enthalten in: Selbstzeugnisse des deutschen Judentums 1870-1945 (S.70-71)
Mit einem Geleitwort von Helmut Gollwitzer, herausgegeben von Achim von Borries
Fischerbücherei Band 439