Hermes Trismegistos (?)
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[griechisch,
»Hermes, der dreimal Größte«,
d. h. »der Allergrößte«],
späterer griechischer Name des ägyptischen Gottes der Schrift
und Gelehrsamkeit Thot; dieser spielt in der
spätantiken hermetischen Literatur die Rolle eines Weisen und Gesetzgebers.
Die hermetische Literatur ist von einem populären Platonismus mit aristotelischen und mythischen Einflüssen bestimmt. Über das Mittelalter kam das
hermetische Schriften-Corpus (erhalten sind 18 griechische
und einzelne lateinische sowie koptische Schriften) an die Renaissance (Paracelsus).
Er galt jetzt als größter Zauberer und konnte z. B. Schätze
und Gefäße unzugänglich machen (hermetischer
Verschluss). Siehe auch
Poimandres. Siehe auch Wikipedia |
Das andere (zweite)
Buch Hermetis
Das Gemüt an Hermes
Das Gemüt
1 Sei stille, du allergrößter Mercuri, und erinnere dich dessen, was
da gesprochen ist, was mir ist eingefallen, will ich dir ohne Verzug offenbaren.
Hermes
2 Wiewohl vielerhand so viele und so unterschiedliche Sachen von diesem ganzen
Wesen und von GOTT auf die Bahn gebracht, dennoch habe ich die Wahrheit davon
nicht vermocht zu lernen, erklärt mir doch solches, mein Herr, denn die
allein will ich in Erklärung dieser Dinge glauben.
Das Gemüt
3 Darauf sprach das Gemüt: Höre mir zu, mein Sohn, wie sich GOTT und
all das Wesen verhält, GOTT, die Ewigkeit, die Welt, die Zeit, die Geburt.
4 GOTT macht die Ewigkeit, die Ewigkeit macht die Welt, die Welt macht die Zeit, die Zeit macht die Geburt.
5 Das Gute, das Herrlichste, die Seligkeit, die Weisheit ist das Wesen GOTTes;
das Wesen der Ewigkeit ist die Dauersamkeit, das Wesen der Welt ist die Ordnung;
das Wesen der Zeit ist die Verwandlung, und das Wesen der Geburt ist Leben und
Tod.
6 Die Wirkung GOTTes ist das Gemüt und die Seele; die Wirkung der Ewigkeit
ist das allezeit Dauern und Unsterblichkeit; die Wirkung der Welt ist das Aufrichten
oder Machen und das Zerstören oder Brechen; die Wirkung der Zeit ist das
Ab- und Zunehmen; die Wirkung der Geburt ist die Eigenschaft.
7 Darum so ist in GOTT die Ewigkeit, in der Ewigkeit die Welt, in der Welt die
Zeit, in der Zeit die Geburt.
8 Und die Ewigkeit steht rundum um GOTT; die Welt wird in der Ewigkeit bewegt,
die Zeit in der Welt beschlossen, und die Geburt ist in der Zeit.
9 Der Ursprung aller Dinge ist GOTT, das Wesen desselben die Ewigkeit, und von
dieser ist die Materie der Welt.
10 Die Kraft GOTTes ist die Ewigkeit, und das Werk der Ewigkeit ist die Welt,
welche nicht etwa einmal gewesen, sondern noch allezeit von der Ewigkeit ist,
darum sie auch nimmermehr vergeben wird; denn die Ewigkeit ist unvergänglich,
gleichwie auch nichts von den Dingen, die in der Welt sind, vergehen wird, dieweil
die Ewigkeit die Welt in sich begreift.
Hermes
11 Aber was ist GOTTes Weisheit?
Das Gemüt
12 Das Gute und das Herrliche, Heilige und die Seligkeit und alle Tugenden und
die Ewigkeit.
13 So gibt demnach die Ewigkeit der Materie die Unsterblichkeit, und das allezeit
beständig; denn derselben Gebühr besteht von der Ewigkeit, wie die
Ewigkeit von GOTT besteht.
14 Denn die Geburt und Zeit in dem Himmel und auf Erden sind zweierlei Naturen;
in dem Himmel sind sie unveränderlich und unvergänglich, aber auf
Erden veränderlich und vergänglich.
15 Und GOTT ist die Seele der Ewigkeit, die Ewigkeit die Seele der Welt, der
Himmel die Seele der Erde.
16 Und GOTT ist in dem Gemüt, das Gemüt in der Seele, die Seele in
der Materie, und dies alles durch die Ewigkeit.
17 Und dieser ganze Leib, in welchem alle Leiber sind, ist voll von Seelen,
die Seele ist voll der Gemüter und voll GOTTes.
18 Inwendig erfüllt sie den Leib, auswendig umfaßt sie denselben
und macht das ganze Wesen lebendig, nämlich von außen dieses vollkommene
Geschöpf oder Tier, die Welt: und inwendig alle anderen Geschöpfe
oder Tiere, und über das bleibt sie in dem Himmel in ihrer Selbstheit,
und unten auf Erden verwandelt sie die Geburt.
19 Dieses alles begreift die Ewigkeit, es sei nun (wie jemand meinen möchte)
durch eine Notwendigkeit oder durch eine Vorsehung oder durch eine Natur oder
durch etwas anderes, so ist es doch alles der wirkende GOTT.
20 Es ist aber die Wirkung GOTTes eine über alle Maßen große
Kraft, welcher nichts Menschliches noch Göttliches kann verglichen werden.
21 Darum, lieber Hermes, mußt du gar nicht meinen, daß irgend etwas
von den Dingen, die hiernieden, oder etwas von denen, die da oben sind, Gott‘
gleich sei, sonst würdest du von der Wahrheit abweichen; denn demselben,
welcher keinen gleichen hat und allein einzeln und einer ist, ist nichts gleich.
22 So mußt du auch nicht meinen, daß er einem andern in der Kraft
weiche, denn wer ist ihm gleich, es sei im Leben, in der Unsterblichkeit, Veränderung
und Eigenschaft?
23 Denn was sollte er sonst machen? GOTT ist nicht ledig oder müßig,
denn sonst sollten alle Dinge ledig oder müßig sein, indem alle Dinge
voll in GOTT sind.
24 In der Welt ist auch nirgends eine Ledigkeit oder Unwirklichkeit, denn Ledigkeit
ist ein Name, welcher leer oder ledig ist von jemand, der da macht, und von
etwas, das gemacht wird.
25 Es müssen demnach durchgehend alle Dinge gemacht werden, allezeit und
nach der Natur eines jeden Ortes.
26 Denn der Schöpfer wohnt in allen Dingen und nicht in einem einzigen
allein, macht auch nicht allein ein einziges, sondern alle Dinge.
27 Denn nachdem er eine wirkende Kraft ist, so ist er genügsam oder bestandt,
alle Dinge zu machen, und die gemacht werden, sind unter ihm.
28 Siehe durch mich diese Welt an, die deinem Gesicht ist vorgestellt, und betrachte
gründlich ihre Herrlichkeit; es ist durchgehend ein unverwelklicher Leib,
von welchem nichts eher oder älter ist, allezeit jung und blühend.
29 Siehe auch die oben gesetzten oder gepflanzten sieben Welten an, welche mit
ewiger Ordnung geziert sind und mit unterschiedlichen Läufen die Ewigkeit
anfüllen, welches alles voll Licht, doch nirgends ein Feuer ist.
30 Denn die Freundschaft und die Vermischung von streitigen und ungleichen Dingen
ist ein Licht geworden, welches erleuchtet wird von der Wirkung GOTTes, dem
Gebärer alles Guten und dem Haupte aller Ordnung und dem Fürsten der
sieben Welten.
31 Siehe den Mund, den Vorläufer aller dieser Welten, an, das Werkzeug
der Natur und der die Materien hier unten verwandelt.
32 Siehe die Erde an, welche in der Mitte des ganzen Wesens ist und zu einem
Grund der herrlichen Welt ist befestigt worden, eine Ernährerin und Säug-Amme
der Dinge, welche auf Erden sind.
33 Siehe die Vielheit der unsterblichen wie auch der sterblichen Geschöpfe
oder Tiere, wie groß dieselbe ist und wie der Mond in der Mitte zwischen
beiden, den Sterblichen und Unsterblichen, rundum läuft.
34 Wie alle Dinge voll sind von Seelen und alle Dinge nach ihrer eigenen Art
bewegt werden; nämlich jene um den Himmel und diese um die Erde, und die
zur rechten Seite, nicht zur linken, noch die zur linken zu der rechten, noch
die obere zu der unteren, noch die untere zu der oberen.
35 Daß nun alle diese Dinge geboren sind, allerliebster Hermes, solches
hast du nicht nötig, ferner von mir zu lernen, denn es sind ja Leiber,
haben eine Seele und werden bewegt.
36 Aber daß dieselben ineinander können zusammengehen, ohne jemand,
der dieselben also zusammen versammelt, ist ganz unmöglich; so muß
denn da jemand sein, der solches tut; und dieser muß ein einziger sein.
37 Denn nachdem sehr unterschiedene und viele Bewegungen, wie auch die Leiber
einander nicht gleich sind, und aber in allem nur eine einzige Geschwindigkeit
ist ordiniret; so ist es unmöglich, daß zwei oder mehr Macher oder
Werkmeister können sein.
38 Denn eine einzige Ordnung allein wird bei vielen (verstehe Werkmeistern)
nicht in acht genommen oder gehalten, sondern wenn derselben viele wären,
so wurde bei den Schwächsten ein Eifer entstehen gegen denjenigen, welcher
vortrefflicher würde sein, woraus Zwist und Zwietracht erfolgen würden.
39 Und wenn ein anderer der Schöpfer wäre der veränderlichen
und unsterblichen Geschöpfe oder Tiere, so würde derselbe auch die
unsterblichen wollen schaffen, gleich wie der Schöpfer der Unsterblichen
würde begehren die Sterblichen zu schaffen.
40 Gesetzt, daß ihrer auch zwei wären (da doch nur eine Materie ist),
bei welchem von ihnen sollte das Amt der Schöpfung sein? Im Fall es vielleicht
bei allen beiden sollte sein, bei welchem sollte denn das größte
Teil sein?
41 Doch führe dir zu Gemüte, daß dieser ganze lebendige Leib
seine Zusammenknüpfung habe aus der Materie und der Seelen; sowohl als
das Sterbliche und das Unsterbliche oder das Vernünftige.
42 Denn alle lebendigen Leiber sind beseelt, aber die nicht leben, die sind
an sich selbst eine bloße Materie, gleicher Gestalt als die Seele, an
ihr selbst dem Schöpfer beigefügt, die Ursache des Lebens ist und
auch einigermaßen der Urheber von dem Unsterblichen.
43 Wie sind denn die sterblichen Tiere voneinander unterschieden? Und wie sollte
dasjenige, welches unsterblich ist und Unsterblichkeit macht, auch nicht die
Tiere machen.
44 Dass demnach jemand sei, der dies macht, das ist klar, und dass es nur ein einziger sei, solches ist das Offenbarste, denn es ist nur eine Seele,
nur ein Leben, nur eine Materie.
Hermes
45 Aber wer ist dieser?
Das Gemüt
46 Wer sollte es anders sein, als nur der einzige GOTT, denn wo ist jemand anders,
welcher sollte können beseelte Tiere machen denn GOTT alleine; deshalb
ist daraus nur ein einziger GOTT.
47 Dies ist das allerlächerlichste; du bekennst, dass da sei nur eine
Welt, nur eine Sonne, nur ein Mond, nur eine Gottheit, willst du denn, daß mehr denn ein GOTT sei? Er macht doch ja alles selbst einzig und allein in vielen.
48 Wie sollte es doch GOTT schwerfallen, das Leben, die Seele, die Unsterblichkeit
und die Veränderung zu machen, nachdem du selbst so viel Dinge machst.
49 Denn du siehst, du sprichst, du hörst, du riechst, du schmeckst, du
fühlst, du wandelst, du verstehst, du atmest, und es ist dennoch kein anderer,
der da sieht, kein anderer, der da hört, kein anderer, der da spricht,
kein anderer, der da fühlt, kein anderer, der da riecht, kein anderer,
der da geht, kein anderer, der da versteht, kein anderer, der da Atem holt,
sondern nur ein einziger ist alles dasselbe.
50 Auch ist es unmöglich, daß einige Dinge ohne GOTT könnten
sein: Denn gleich wie du, wenn du von diesen Dingen entledigt bist, nicht mehr
ein Tier bist, also auch, wenn GOTT von diesen Dingen entblößt stünde
(welches doch zu sagen unerlaubt ist), so wäre er nicht mehr GOTT.
51 Denn wenn bewiesen würde, daß er nichts vermöchte, so würde
auch bewiesen sein, daß er kein GOTT wäre.
52 Denn im Fall, da etwas wäre, das er nicht machte, so wäre er (das
auch unbillig ist zu sagen) unvollkommen: Weil er aber gar nicht leer, sondern
vollkommen ist, darum so macht er alle Dinge.
53 Lieber Hermes! Ergib dich mir eine kleine Zeit, so wirst du leicht verstehen,
daß dieses das nötige Werk GOTTes sei, daß alle Dinge werden,
die da werden; welche entweder schon geworden sind oder noch künftig werden
sollen.
54 Mein Allerliebster! Dies ist das Leben, dies ist das Herrlichste, dies ist
das Gute, dies ist in GOTT.
55 Wenn du dieses auch in der Tat willst verstehen, so besiehe das, was dir
begegnet, wenn du zeugen willst: Obwohl dieses jenem nicht gleich ist, denn
er wird von Wollust nicht gerührt und hat auch zu seinem Werke keine andere
Hilfe.
56 Denn nachdem er Werkmeister ist, so ist er allezeit wirkend und ist selbst
dasjenige, was er macht: Denn im Fall er von demselben würde abgesondert,
so müßte notwendig alles einfallen, alles sollte müssen sterben,
aus Ursach, weil dabei kein Leben wäre.
57 Aber weil alles lebt und dennoch nur ein einziges Leben ist, so ist denn
auch nur ein einziger GOTT, und wiederum nachdem alles lebt, beides, was in
dem Himmel und auf Erden ist (und dennoch nur in allem nur ein einziges Leben
ist), so wird dasselbe von GOTT sein, ja es ist selbst GOTT: Darum wird alles
von GOTT.
58 Das Leben ist eine Vereinigung des Gemütes und der Seelen: Es ist aber
der Tod nicht eine Verderbung von den zusammengesetzten Dingen, sondern eine
Auflösung von der Vereinigung.
59 Darum ist die Ewigkeit das Bild GOTTes und die Welt das Bild der Ewigkeit,
die Sonne das Bild der Welt, der Mensch das Bild der Sonne.
60 Das gemeine Volk nennt allein die Veränderung einen Tod. weil das Leben
wird aufgelöst und das Leben in das Verborgene eintritt.
61 Mein allerliebster Hermes! Ich sage demnach, gleichwie du hörst, daß
die Welt wohl wird verändert, weil täglich ein Teil derselben in das
Verborgene geht, aber nicht so, daß dieselbe wird aufgelöst.
62 Und das sind die Passionen oder Leidenschaften der Welt, nämlich die
Umläufe und die Verbergungen; das Umlaufen ist die Veränderung, und
die Verbergung ist die Erneuerung.
63 Die Welt ist allbildlich, nicht daß sie die Gestalt außer sich
hat, sondern weil sie dieselbe in sich selbst verwandelt.
64 Nachdem nun die Welt allbildlich ist, was soll dann der Schöpfer sein?
Bildlos kann er gleichwohl nicht sein, ist er denn auch allbildlich, so muß
er der Welt gleich sein, hat er denn nur eine Gestalt, so ist er in diesem Stücke
weniger als
65 Was sagen wir dann, daß er sei? Auf daß wir die Rede nicht zweifelhaft
stellen, denn daß man von GOTT versteht, ist nicht zweifelhaft.
66 Überdies hat er nur eine Gestalt, welche ihm eigen ist, welche ihm gleich,
doch als unleiblich mit den Augen nicht gesehen wird, aber durch die Leiber
alle Gestalten an den Tag legt.
67 Und verwundere dich nicht, daß da eine unleibliche Gestalt sei, denn
sie ist gleich als die Gestalt der Rede und die Ränder oder Züge der
Schriften, welche wohl scheinen, als ob sie hervorragten, aber von Natur gleich
und glatt sind.
68 Doch überlege, welches noch freier (dennoch sehr wahrhaftig) gesagt
wird: Gleichwie der Mensch ohne das Leben nicht leben kann; also sollte GOTT
auch nicht können leben, wenn er nichts Gutes machte: Denn dies ist gleichsam
das Leben und die Bewegung GOTTes, daß er alles bewegt und lebendig macht.
69 Doch etliche Dinge, von welchen wir reden, haben ihren eigenen Verstand,
darum begreife dasselbe also, wie ich dir’s sage.
70 Alle Dinge sind in GOTT: Nicht als in einem Orte beiseite gelegt: Denn ein
Ort ist ein Leib und unbeweglich; dasjenige, was in demselben ist, hat auch
keine Bewegung; denn es liegt anders in dem Unleiblichen, anders in der Einbildung.
71 Betrachte denjenigen, der alle Dinge begreift, und überlege, wie daß
da nichts sei, welches mehr begreife oder umfasse; nichts geschwinder, nichts
mächtiger sei denn das Unleibliche, so daß es das meistbegreifende,
das allergeschwindeste, das allermächtigste unter allen Dingen ist.
72 Und gedenke also von dir selbst und befehle deiner Seele, daß sie nach
Indien reise, allwo sie eher, als du befohlen, sein wird.
73 Befehle ihr über den Ozean zu fahren, sie wird alsobald geschwinde da
sein, nicht als aus dem einen in den andern Ort sich versetzende, sondern alsobald
als da selbst seiende.
74 Befehle ihr in den Himmel aufzufliegen, sie wird keine Flügel nötig
haben, ihr wird auch nichts im Wege sein, weder das Feuer der Sonne noch die
Luft, weder die Umwälzungen, weder die Leiber von den andern Gestirnen,
sondern sie wird alles durchdringen und bis an den letzten Leib auffliegen.
75 Im Fall du auch dieses ganze Wesen willst durchbrechen und das, was außerhalb
der Welt ist (wenn etwas außer ihr ist), anschauen, so ist dir solches
zugelassen.
76 Deshalb siehe, wie große Macht, wie große Geschwindigkeit du
hast; kannst du dies alles zusammen tun, und GOTT sollte dasselbe nicht tun
können?
77 Darum betrachte GOTT auf eine solche Weise, wie er alle verständigen
Geschöpfe in sich hat, nämlich die ganze Welt selbst.
78 Im Fall du dich selbst also GOTT nicht kannst gleichmachen, so kannst du
GOTT nicht verstehen, denn gleich wird verstanden von seinesgleichen.
79 Du mußt dich zu einer unermeßlichen Größe machen und
von allen Leibern ausspringen, dich über alle Zeit erheben und die Ewigkeit
werden, so wirst du GOTT verstehen.
80 Du mußt in dir nichts Unmögliches glauben zu sein, dich auch selbst
unsterblich achten und daß du mächtig seiest, zu verstehen alle Kunst,
alle Wissenschaft und Eigenschaft von allen Geschöpfen.
81 Du mußt höher werden als alle Höhen
und niedriger als alle Tiefen.
82 Fasse in dir zusammen alle Sinne der gemachten Dinge; des Feuers, des Wassers,
der Trockenheit, der Feuchte, und daß du überall zugleich seiest
auf Erden, im Meer, im Himmel, daß du noch ungeboren, daß du noch
im Mutterleibe seiest, daß du noch jung, daß du alt, daß du
tot seiest und das, was nach dem Tode folgt, so wirst du dies alles zugleich
verstehen, die Zeiten, den Raum, die Werke, die Eigenschaft und die Größe:
Solltest du denn GOTT nicht verstehen?
83 Aber wirst du deine Seele im Leibe verschließen, dieselbe verkleinern,
und wollest sagen, ich verstehe nichts, ich kann nichts, ich fürchte das
Meer, in den Himmel kann ich nicht steigen, ich weiß nicht, wer ich bin,
weiß auch nicht, wer ich werde sein: Was geht dich dann GOTT an?
84 Du kannst doch von den herrlichen und guten Dingen nichts verstehen, weil
du den Leib liebst und böse bist: Denn GOTT nicht zu kennen, ist eine dreifache
Bosheit.
85 Aber zu kennen und zu wollen bekennen und hoffen, solches ist der rechte
und göttliche Weg, der zum Guten leitet, der dir überall, wohin du
gehst, eben und leicht wird begegnen und vor dir überall wird gesehen werden,
auch wenn du nicht darauf gedenkst; es sei, du wachst oder schläfst, du
reist zu Wasser oder zu Lande, es sei bei Tage oder bei Nacht, du sprichst oder
schweigst, denn es ist nichts, welches nicht ein Bildnis der Gottheit sei.
86 Weiter, so sagst du, GOTT ist unsichtbar; wie sprichst du so? Denn wer ist
mehr offenbar als Er. Er hat deswegen alle Dinge gemacht, daß du Ihn durch
alles sollst sehen.
87 Das ist das Gute GOTTes, das ist seine Tugend, daß er sich durch alles
offenbart.
88 Denn es ist nichts unsichtbar, so gar nichts von den Dingen, welche unleiblich
sind: Das Gemüt wird in dem Verstehen gesehen und GOTT im Schöpfen.
89 Dies ist dir, Tris Megiste, soweit offenbar gemacht worden, aber das andere
allzusammen verstehe gleicher Gestalt durch dich selbst, so wirst du nicht irren.
Aus: Die XVII Bücher des Hermes Trismegistos
Neuausgabe nach der ersten deutschen Fassung von 1706 ( S.10-18)
“akasha“ Verlagsgesellschaft mbH
Das fünfzehnte
Buch Hermeti Trismegisti
3 Alle Dinge, die offenbar sind, dieselben sind und werden noch geboren, was
dennoch geboren ist, das wird nicht von selbst geboren, sondern von einem andern.
4 Es sind aber viele Dinge (oder vielmehr alle sichtbaren Dinge) geboren, welche
doch alle voneinander unterschieden und nicht gleich sind.
5 Was demnach wird, das wird von einem andern, so ist da nun jemand, der solches
macht, und derselbe ist ungeboren und älter als die geborenen Dinge, denn
ich sage, daß die geborenen Dinge von einem andern werden.
6 Nachdem denn alle wesenden Dinge geboren sind, so ist unmöglich, daß da etwas anders unter ihnen kann sein als einzig und allein dasjenige, welches
ungeboren ist.
7 Das ist derjenige, welcher soviel mächtiger ist, der Eine und der allein
wahrhaftig alles weiß, als für welchen nichts älter ist, denn
er herrscht über die Vielheit und über die Größe und über
den Unterschied der Dinge, die geworden sind, und über den Bund des gemachten
Wesens und über die Wirkung.
8 Zudem sind die Dinge, welche geboren werden, sichtbar, aber er ist unsichtbar,
denn darum macht er dieselben, auf daß er sichtbar sei, darum macht er
dieselben allezeit.
9 Also ist es billig, daß man ihn erkennt, in der Erkenntnis bewundert
und in der Bewunderung sich selbst selig schützt, dass man den rechten
Vater hat erkannt: denn was ist liebreicher als der rechte Vater?
10 Wer ist nun dieser, und wie sollen wir ihn erkennen? Ist’s recht, daß
wir ihm alleine den Namen GOTT geben oder den Namen Schöpfer oder den Namen
Vater: oder auch mit all den drei Namen.
11 Nämlich GOTT wegen der Kraft, den Schöpfer wegen der Wirkung, den
Vater wegen der Güte: Denn es ist die Kraft unterschieden von den Dingen,
die geworden sind, und der Wirkung, weil alles von ihm wird.
12 Darum müssen wir (die eitlen und überflüssigen Reden zurücksetzend)
diese beiden verstehen, das Geschaffene und den Schöpfer: Denn es ist kein
Mittelding oder drittes zwischen diesen beiden.
13 Wenn du alle Dinge verstehst, so gedenke an diese zwei und halte es dafür,
daß dieselben alles sind, und ziehe nichts in Zweifel von den Dingen,
die da oben, noch von den Dingen, welche unten sind, noch von denen, die verwandelt
werden, noch von denen, die im Verborgenen sind.
14 Denn die zwei sind alles, der Macher und das Gemachte, und das eine kann
von dem andern nicht geschieden sein, denn es ist unmöglich, daß
der Schöpfer ohne das Geschöpf könne sein.
15 Denn beide sind eben dasselbe, darum wie eben dasselbe von sich selbst nicht
abgesondert werden kann, also kann auch hier eines vom andern nicht geschieden
werden.
16 Denn wenn der Schöpfer nichts anders ist als ein Schöpfer und dieser
allein, einzeln und ohne alle Zusammensetzung, so folgt notwendig, daß
sein Schöpfen oder Machen einerlei sei mit ihm selbst, was er ist, aber
die Geburt, die kommt von dem Schöpfer, und alles, was da worden ist, ist
auch daher.
17 Denn alles, was gemacht ist, ist notwendig von jemand anders gemacht.
18 Ohne Schöpfer wird nichts geboren, was geboren wird, ja es ist nichts
ohne ihn: Denn das eine ohne das andere verliert seine eigene Natur, wenn es
von dem andern sollte beraubt sein.
19 Obwohl nun das Gemachte und das, was da macht, unleugbar zwei sind, so sind
sie dennoch eine Durchvereinigung, das erste ist vorgehend und das zweite nachfolgend,
das Vorgehende ist der Schöpfer GOTT, das Nachfo1gende ist das Geschaffene,
welcherlei dasselbe auch sei.
20 Und du mußt dich nicht fürchten, als da etwa der Unterschied der
Dinge. die gemacht sind, sollte gedeihen zur Verkleinerung und Unehre GOTTes:
Denn das ist seine eigene Ehre, daß er alles macht, und die Machung ist
gleichsam GOTTes Leib.
21 Man muß aber nicht meinen, daß von dem Macher etwas Übles
oder Schändliches geordnet sei, denn das sind Leidenschaften, welche der
Geburt folgen wie das Rosten dem Eisen und die Häßlichkeit dem Leib.
22 Denn der Schmid hat den Rost nicht gemacht, noch der Macher die Häßlichkeit,
noch GOTT das Böse; sondern die Umwechslung der Geburt hat es gleichsam
ausgespritzt, und um der Ursache willen hat GOTT die Veränderung gemacht
als eine Säuberung der Geburt.
23 Überdies kann ein und derselbe Maler den Himmel, Planeten, Erde, Meer,
Menschen, unvernünftige Tiere, Geschöpfe ohne Seele und Bäume
machen, sollte es GOTT dann unmöglich sein, diese Dinge zu machen?
24 O welche Unvernunft und Unerkenntnis in göttlichen Dingen? Denn solchen
widerfährt das allertadelhaftigste.
25 Denn wenn sie sagen, daß sie GOTT loben, weil sie ihm die Schöpfung
aller Dinge nicht zueignen, so erkennen sie ihn nicht: Und überdies, daß
sie ihn nicht kennen, so sind sie auch zum höchsten gottlos gegen ihn,
indem sie ihm Leidenschaften zueignen; es sei Hoffart oder Unvermögen oder
Unwissenheit oder Abgunst.
26 Denn wenn er nicht alles macht, so ist er entweder hoffärtig oder ohnmächtig
oder unwissend oder abgünstig, welches ungöttlich ist.
27 Denn GOTT hat nur eine einzige Leidenschaft, nämlich das Gute, wer aber
gut ist, der ist weder hoffärtig noch ohnmächtig, noch etwas anders
dergleichen, denn dies ist GOTT; denn das Gute ist die ganze Macht und Gewalt,
alle Dinge zu machen.
28 Alles, was geboren ist, dasselbe ist von GOTT geboren, das ist von dem Guten
und das da mächtig ist, alle Dinge zu machen.
29 Siehe nun, wie er macht und wie das Gemachte gemacht wird, und im Fall du
willst lernen, so kannst du dessen ein sehr schönes und gleiches Ebenbild
und Gleichnis sehen.
30 Betrachte den Ackermann, der in die Erde sät, wie er an diesem Platz
Korn, an jenem Gerste, an einem andern Platz eine andere Saat sät, betrachte
ihn, wie er Weingärten pflanzt, wie er Äpfel-, Feigen- und andere
Bäume einsetzt. Eben also sät GOTT in dem Himmel die Unsterblichkeit,
auf Erden die Verwandlung und in das ganze Wesen Leben und Bewegung.
32 Es sind aber der Dinge nicht viel, sondern wenig und leicht zu zählen,
denn alle Dinge sind Vier, und GOTT und die Geburt, in welchen alle Dinge begriffen
sind.
Aus: Die XVII Bücher des Hermes Trismegistos
Neuausgabe nach der ersten deutschen Fassung von 1706 ( S.74-76)
“akasha“ Verlagsgesellschaft mbH