Max Heindel, ursprüngl. Carl Louis von Grasshoff (1865 – 1919)

  In Dänemark geborener Schiffsingenieur, der durch seinen Beruf viel in der Welt herumkam. Von der Sinnfrage getrieben, suchte Heindel schon frühzeitig die Antwort in den verschiedenen Religionen, indem er sich intensiv mit ihren Glaubensinhalten befasste. 1903 zog er nach Los Angeles, wo er durch einen Vortrag von Charles Webster Leadbeater (1847 - 1934) nicht nur mit dem Gedankengut der Theosophie vertraut gemacht wurde, sondern kurz darauf auch Vize-Präsident einer Theosophiegruppe wurde. Auf einer Studienreise nach Deutschland lernte er Rudolf Steiner (1861 - 1925) kennen, der mit seinen Lehren maßgeblich die von Heindel später vertretene Weltanschauung beeinflusste. Franz Hartmann (1842 - 1912) gelang es schließlich, Heindel ganz für die Rosenkreuzer-Idee zu begeistern und in den Orden einzuführen, wo er auf Grund seiner Schriften bald eine wesentliche Bedeutung erlangte.

Siehe auch Wikipedia
 

Inhaltsverzeichnis

Christian Rosenkreuz
Der Orden der Rosenkreuzer
Die Rosenkreuzer-Gemeinschaft
Die Weltanschauung der Rosenkreuzer
Die sichtbaren und unsichtbaren Welten
Chemische Region der physischen Welt
Die Äther-Region der physischen Welt
1. Der chemische Äther
2. Lebens-Aether
3. Licht-Aether
4. Rückstrahlender Aether
Die Empfindungswelt
Die Gedankenwelt
Die dreifache Seele

  Tod und Fegefeuer
Die Silberschnur
Das Panorama des vergangenen Lebens
Das Reinigungsleben im Fegefeuer
Das Grenzland
Der erste Himmel
Der zweite Himmel
Der dritte Himmel
Vorbereitung zur Wiedergeburt
Geburt des dichten Körpers
Geburt des Lebens-Leibes
Geburt des Empfindungs-Leibes
Geburt des Intellektes
Das Blut als Träger des Ego
 

Christian Rosenkreuz
Im 13. Jahrhundert
erschien ein hoher geistiger Lehrer, der den symbolischen Namen Christian Rosenkreuz (Das christliche Rosen-Kreuz) trug, um diese Arbeit zu beginnen. Er gründete den Geheimorden der Rosenkreuzer mit dem Endziel, esoterisches Licht auf die missverstandene christliche Religion zu werfen und die Geheimnisse des Lebens und des Seins vom wissenschaftlichen Standpunkt in Harmonie mit der Religion zu erklären.

Jahrhunderte sind seit seiner Geburt als Christian Rosenkreuz, Begründer der Rosenkreuz-Mysterien-Schule, verstrichen. Aber seine Geburt als Christian Rosenkreuz bezeichnet den Beginn einer neuen Epoche im geistigen Leben der westlichen Welt. Dieses besondere Ego hat auch seither ununterbrochen physisch in einem oder dem anderen europäischen Land gewirkt. Er nahm einen neuen Körper an, wenn seine alten Träger verbraucht waren, oder die Umstände es erforderten, dass er den Ort seiner Wirksamkeit wechselte. Er ist auch heute als Eingeweihter hohen Grades verkörpert und ein tätiger Faktor in allen Angelegenheiten des Westens, obwohl die Welt nichts davon weiß.

Er arbeitete Jahrhunderte vor dem Erwachen der modernen Wissenschaft im Kreis der Alchemisten und regte durch einen Mittler die jetzt verstümmelten Werke des Bacon an. Jakob Boehme und andere erhielten durch ihn die Inspiration, die ihre Werke so geistig erleuchtend macht. In den Werken des unsterblichen Goethe und in den Meister-Kompositionen Richard Wagners begegnet uns derselbe Einfluss. Alle unerschrockenen Geister, die sich weder von orthodoxer Wissenschaft noch von orthodoxer Religion fesseln lassen, die die Hüllen wegwerfen und ohne Rücksicht auf Bosheit oder Schmeichelei zum geistigen Kern durchdringen, hatten und haben ihre Erleuchtung aus derselben Quelle wie der große Geist, der
Christian Rosenkreuz beseelte.

Schon sein Name ist eine Verkörperung der Art und der Mittel, durch die der Mensch unserer Tage in den
göttlichen Übermenschen umgewandelt wird.

Dieses Symbol:


»Christian Rosen Kreuz«
(das christliche Rosen-Kreuz)

zeigt uns das Ende und das Ziel der menschlichen Entwicklung, den Weg, der beschritten werden muss, und die Mittel, durch die dieses Ziel erreicht werden kann. Im schwarzen Kreuz, in dem das Kreuz umrankenden grünen Stamm der Pflanze, in den Dornen, den blutroten Rosen liegt die Lösung des Welt-Mysteriums verborgen: die ver¬gangene Entwicklung, die gegenwärtige Zusammensetzung und vor allem das Geheimnis der künftigen Entfaltung.
Es verbirgt sich dem Laien, enthüllt aber dem Eingeweihten um so klarer, wie er Tag für Tag zu arbeiten hat, um jenen seltensten aller Edelsteine, den Stein der Weisen
(der wertvoller ist als der Kohinor, nein, als alle Schätze der Welt) durch tägliche treue Arbeit für sich selbst herzustellen. Es erinnert ihn daran, wie die Menschheit in ihrer Unwissenheit stündlich das vorhandene Material verwüstet, das zur Bildung dieses preislosen Schatzes verwendet werden kann.

Damit der Mensch standhaft und treu in allen Widerwärtigkeiten des Lebens bleibe, weist das Rosenkreuz gleich einer Erleuchtung auf die glorreiche Vollendung dessen hin, der überwindet. Es weist auf
Christus als den Stern der Hoffnung, die »ersten Früchte«, der diesen wunderbaren Stein schuf, als er den Körper Jesu bewohnte. S.518-520 […]

Die sieben Rosen, die unser schönes Emblem bekränzen, und der fünfeckige, strahlende Stern dahinter, sind Sinnbilder der zwölf großen schöpferischen Hierarchien, die dem sich entwickelnden Ego während seiner vorhergehenden Stadien im mineralischen, pflanzlichen und tierischen Zustand und während seines unbewussten Zustandes, in dem es unfähig war, für sich zu sorgen, beigestanden sind. Von diesen zwölf Scharen großer Wesenheiten arbeiteten drei am Menschen aus eigenem freiem Willen und ohne irgend eine Verpflichtung.

Diese werden durch die drei aufwärts weisenden Spitzen des Sterns auf unserem Emblem versinnbildlicht. Weitere zwei große Hierarchien sind im Begriffe sich zurückzuziehen. Diese werden durch die beiden nach unten weisenden Spitzen dargestellt. Die sieben Rosen enthüllen die Tatsache, dass noch weitere sieben große schöpferische Hierarchien an der Entwicklung der Wesen auf der Erde tätig sind. Da alle diese Wesen, von den kleinsten bis zu den größten — nur Teile eines großen Ganzen, das wir Gott nennen, sind, so ist das ganze Emblem ein Sinnbild Gottes in Manifestation
. S. 522f.
Aus: Max Heindel, Die Weltanschauung der Rosenkreuzer

Der Orden der Rosenkreuzer
Der Orden der Rosenkreuzer ist nicht allein eine Geheimgesellschaft. Er ist eine der Mysterien-Schulen. Die Brüder sind Hierophanten der kleineren Mysterien, Wächter der geheiligten Lehren. Sie sind eine geistige Kraft, die mächtiger im Leben der westlichen Welt ist als irgend eine der sichtbaren Regierungen, obwohl sie nicht so auf die Menschheit einwirken dürfen, dass sie ihres freien Willens beraubt werde.

Da der Entwicklungsweg immer vom Temperament des Strebenden abhängt, gibt es zwei Wege, den mystischen und den intellektuellen. Der Mystiker lehnt für gewöhnlich die intellektuelle Schulung ab. Er folgt den Geboten seines Herzens und ist bestrebt, den Willen Gottes zu erfüllen, wie er ihn erfühlt. Er erhebt sich, ohne sich irgendeines bestimmten Zieles bewusst zu sein, und gelangt am Ende zur Erkenntnis. Im Mittelalter waren die Völker nicht so intellektuell, wie wir es heutzutage sind, und die, die den Ruf eines höheren Lebens fühlten, schlugen gewöhnlich den mystischen Pfad ein. Aber während der letzten wenigen Jahrhunderte, seit dem Aufschwung der modernen Wissenschaft, nahm der Intellektualismus auf Erden überhand. Der Kopf hat vollständig Oberherrschaft über das Herz. Der Materialismus hat alle vergeistigenden Impulse unterjocht. Die meisten Menschen glauben, was sie greifen, schmecken oder fühlen können. Es ist daher Zeit zu einem Appell an den Intellekt. Das Herz muss glauben dürfen, was es gut heißt. Auf diese Forderung hin versuchen die Mysterienlehren der Rosenkreuzer, wissenschaftliche Tatsachen mit geistigen zu verbinden.

In der Vergangenheit waren diese Lehren nur wenigen Eingeweihten bekannt, und selbst heute sind sie für die Welt des Westens noch sehr mysteriös und geheim. Alle so genannten »Enthüllungen« der Vergangenheit, die angeblich Rosenkreuzergeheimnisse preisgaben, waren entweder Betrug oder die Folge von Verrätereien Außenstehender, die vielleicht Bruchstücke von Gesprächen aufgefangen haben können, die allen unverständlich sein müssen, außer denen, die den Schlüssel dazu haben. Es ist möglich, dass man mit einem Eingeweihten irgend einer Schule unter demselben Dach und im innigsten Verhältnis lebt, das Geheimnis in seiner Brust wird aber doch verborgen bleiben, bis sein Freund die Stufe erreicht hat, auf der er ein Bruder-Eingeweihter werden kann. Die Enthüllung der Geheimnisse hängt nicht vom Willen des Eingeweihten ab, sondern von der Eignung des Strebenden.

Wie alle andern Geheimorden folgt auch der Orden der Rosenkreuzer kosmischen Gesetzen. Wenn wir Kugeln von gleicher Größe nehmen und prüfen, wie vieler wir bedürfen, um eine zu bedecken, so dass wir sie den Blicken entziehen, dann werden wir finden, dass zwölf erforderlich sind, um eine dreizehnte Kugel zu verbergen. Das letzte Teilungsglied physischen Stoffes, das wahre Atom, das im interplanetarischen Raum gefunden wird, ist ebenfalls auf einer Grundlage der Zwölf um die Eins aufgebaut. Die zwölf Tierkreiszeichen hüllen unser Sonnensystem ein. Die zwölf Halbtöne der musikalischen Skala umfassen die Oktave. Zwölf Apostel sammelten sich um Christus. So gibt es noch andere Beispiele, die uns das Gesetz der Zwölf mit der Eins lehren. Auch der Orden der Rosenkreuzer besteht aus zwölf Brüdern und einem Dreizehnten. S. 520-522 […]

Der hermetische Grundsatz sagt: »Wie oben, so unten«. Die kleineren Lehrer der Menschheit sind auch nach denselben kosmischen Richtlinien von 7, 5 und 1 geordnet. Auf der Erde gibt es sieben Schulen der kleineren Mysterien, fünf der größeren Mysterien. Das Ganze untersteht einem gemeinsamen Oberhaupt, das der Befreier (Liberator) genannt wird.

Der Orden der Rosenkreuzer entsendet sieben Brüder in die Welt, wenn immer es erforderlich ist. Sie erscheinen als Menschen unter den Menschen, oder arbeiten in ihren unsichtbaren Trägern mit oder an andern, je nachdem es benötigt wird. Man muss sich aber immer dessen bewusst sein, dass sie niemand gegen seinen Willen oder Wunsch beeinflussen, sondern sie bestärken nur das Gute, wo immer sie es finden.

Die zurückbleibenden fünf Brüder verlassen den Tempel nie. Trotzdem sie physische Körper besitzen, verrichten sie alle ihre Arbeit von den inneren Welten aus.

Der Dreizehnte ist das Haupt des Ordens, das Bindeglied zu einem höheren Zentralrat, der aus Hierophanten der größeren Mysterien besteht. Dieser Rat befasst sich gar nicht mit der gewöhnlichen Menschheit, sondern nur mit den Eingeweihten der kleineren Mysterien.

Das Haupt des Ordens wird durch die zwölf Brüder vor der Welt verborgen, wie die zentrale Kugel, die in unserem vorhergehenden Gleichnis erwähnt wurde. Sogar die Schüler der Schulen sehen ihn nie, aber bei den nächtlichen Diensten im Tempel wird seine Gegenwart von allen gefühlt, wenn er eintritt, und dies ist das Zeichen zum Beginn der Zeremonie.

Um die Brüder vom Rosenkreuz schart sich als deren Schüler eine Anzahl von »Laienbrüdern«. Es sind Menschen, die in verschiedenen Teilen der westlichen Welt leben, die aber fähig sind, ihre Körper bewusst zu verlassen. Sie wohnen dem Dienst bei und nehmen Anteil an der geistigen Arbeit im Tempel. Jeder einzelne von ihnen wurde hierin von einem der Älteren Brüder eingeweiht. Die meisten von ihnen sind fähig, sich alles dessen, was geschehen ist, zu erinnern. Es gibt aber auch einige wenige Fälle, in denen die Fähigkeit, den Körper zu verlassen, in einem vorhergehenden tugendhaften Leben erworben wurde, und in denen eine Gewohnheit, Drogen einzunehmen, oder eine Krankheit, die in diesem Leben erwor¬ben wurde, das Gehirn unfähig gemacht hat, Eindrücke dessen, was der Mensch tut, wenn er fort ist, zu empfangen. S. 523f.
Aus: Max Heindel, Die Weltanschauung der Rosenkreuzer

Die Rosenkreuzer-Gemeinschaft
Die Rosenkreuzer-Gemeinschaft ist eine Vereinigung von Anhängern und Schülern der Rosenkreuzerlehren, wie sie in diesem Buch ausgegeben wurden. Sie hat keine Mitglieder im vereinsüblichen Sinne, sondern nur Schüler, Studierende, die lernen wollen, wie sie ihr Leben am besten in Gottes Weltordnung einfügen können, um jene Gottverbundenheit und innere Freiheit zu ereichen, die zur schöpferischen Lebensmeisterung führt und der Welt tatkräftige und verständige Berater und Helfer schenkt. Die Rosenkreuzer-Gemeinschaft ist keine Sekte, keine Kirche und keine Religionsgesellschaft und hat keine religiösen Gebräuche (Kultus, Sakramente, Rituale). Sie lässt es jedem vollständig freigestellt, welcher Kirche oder christlichen Bruderschaft er angehören will.

Die Rosenkreuzer-Gemeinschaft hat keine offiziellen Führer, denen die Mitglieder zu gehorchen oder nachzufolgen hätten. Die Organisation erlässt keine Vorschriften und hat keine Dogmen. Sie überlässt es dem Einzelnen, die dargebotenen Lehren anzunehmen oder abzulehnen, und wünscht nur, dass jeder der Vernunft und der inneren Stimme des Gewissens folge. Sie empfiehlt und verlangt nicht, sich an äußerliche geistige Autoritäten zu binden, sondern sie erzieht zur geistigen Selbständigkeit. Auch verfolgt sie weder politische noch wirtschaftliche Interessen und überlässt es jedem, in einer nützlichen Weise, wohin ihn das Leben gestellt hat, für das Gesamtwohl zu wirken. Eigeninteressen liegen ihr fern.

Die Rosenkreuzer-Gemeinschaft hilft jedem, der lernen will und guten Willens ist, durch Unterricht und Rat das Leben umfassender zu verstehen.
Dem Unterricht dienen die Korrespondenzkurse, und diese sind allen zugänglich außer Hypnotiseuren, beruflichen Hellsehern, Wahrsagern, Chiromanten und Geschäftsastrologen. Anfragen um Zulassung können an das Generalsekretariat in Oceanside, California, USA, gerichtet werden. S.530a
Aus: Max Heindel, Die Weltanschauung der Rosenkreuzer

Die Weltanschauung der Rosenkreuzer
»Die Weltanschauung der Rosenkreuzer« ist nicht dogmatisch, sie wendet sich auch an keine andere Autorität als an die Vernunft des Lernenden. Sie ist nicht polemisch; sie wird aber in der Hoffnung herausgegeben, dass sie zur Klärung einiger Schwierigkeiten beitragen möge, die sich des Intellektes von Studierenden der tieferen Philosophien der Vergangenheit bemächtigt haben. Um ernsthaftes Missverstehen zu vermeiden, wird der Schüler eindringlich darauf aufmerksam gemacht, dass keine unfehlbare Offenbarung über diesen komplizierten Gegenstand, der alles unter und auch über der Sonne einschließt, möglich ist.

Eine unfehlbare Darstellung würde Allwissenheit des Verfassers voraussetzen, und selbst die Älteren Brüder sagen, dass sie manchmal in ihrem Urteile einen Fehler finden; daher gibt es kein Werk, das das letzte Wort über die Welt-Mysterien spricht, und der Verfasser gibt nichts als die elementarsten Lehren der Rosenkreuzer.

Die Rosenkreuzer-Bruderschaft hat die weitreichendste und die logischste Auffassung über das Welt-Mysterium von allen, die dem Verfasser in den vielen Jahren, während derer er sich ausschließlich diesem Gegenstande widmete, zur Kenntnis gekommen sind. Soweit es ihm möglich war, selbst zu forschen, hat er ihre Lehren in Übereinstimmung mit ihm bekannten Tatsachen gefunden. Und doch ist er überzeugt, dass auch die »Weltanschauung der Rosenkreuzer« noch weit davon entfernt ist, das letzte Wort über diesen Gegenstand zu sagen; dass sich mit unserem Weiterschreiten größere Ausblicke auf die Wahrheit eröffnen, und uns viele Dinge klarmachen werden, die wir jetzt »wie durch ein Glas und trübe« sehen. Gleichzeitig glaubt er aber fest daran, dass alle philosophischen Systeme der Zukunft denselben Hauptlinien folgen werden, denn sie scheinen absolut wahr zu sein.

Aus dem eben Gesagten ersieht man, dass der Verfasser dieses Buch nicht für das Alpha und Omega, nicht für das letzte Wort über das esoterische Wissen hält und obschon es den Namen: »Die Weltanschauung der Rosenkreuzer« trägt, möchte der Autor doch betonen, dass es keine Glaubenssätze übermittelt, die den Rosenkreuzern ein für allemal durch den Begründer des Ordens oder sonst jemanden überliefert worden sind. Es sei nochmals eindringlich betont, dass dieses Werk nur das enthält, was sein Verfasser von den Lehren der Rosenkreuzer, das Welt-Mysterium betreffend, verstand, und was durch seine persönlichen Forschungen in den inneren Welten, bezüglich des vorgeburtlichen Zustandes und des Zustandes nach dem biologischen Tode des Menschen, unterstützt wird. Der Verfasser weiß sehr gut, welche Verantwortung der auf sich nimmt, der wissentlich oder unwis¬sentlich andere irreführt und er wünscht sich, soweit er kann, gegen diese Möglichkeit zu decken und auch andere davor zu bewahren, aus Unachtsamkeit irrezugehen.

Was in diesem Werk gesagt worden ist, das möge daher vom Leser nach seiner eigenen Einsicht angenommen oder abgelehnt werden. Aller Fleiß ist auf den Versuch angewandt worden, die Lehre klar und verständlich zu machen; äußerste Sorgfalt ist verwendet worden, sie in solche Worte zu kleiden, die am leichtesten zu verstehen sind. Aus diesem Grunde ist durchweg immer nur ein Ausdruck gewählt worden, um einen Begriff wiederzugeben.

Dasselbe Wort wird dieselbe Bedeutung haben, wo immer es angewandt wird. Wenn irgendein Wort, das eine Idee vermitteln soll, zuerst gebracht wird, so gibt der Verfasser die klarste Definition, die ihm möglich ist. Es wurden nur bekannte Ausdrücke und die einfachste Sprache angewandt. Der Verfasser war immer bestrebt, so genaue und bestimmte Erklärungen über den zu behandelnden Gegenstand zu geben, als es ihm möglich war, und alle Doppelsinnigkeiten auszuschalten, um ein klares Bild zu geben. Wie weit ihm das gelungen ist, muss der Beurteilung des Lesers überlassen bleiben. Aber ebenso, wie er keine Mühe gescheut hat, die Lehre zu vermitteln, fühlt er auch die Verpflichtung, sich gegen die Möglichkeit zu verwahren, dass dieses Werk als endgültige Feststellung der Rosenkreuzerlehren angesehen werde. Eine Nichtbeachtung dieser Vorsichtsmassregel könnte diesem Werke in den Augen einiger Schüler ungebührendes Gewicht geben. Das wäre weder der Bruderschaft noch dem Leser gegenüber in der Ordnung. Denn es würde von der Absicht zeugen, die Verantwortung für, die Fehler, die hier, wie in allen menschlichen Werken erscheinen müssen, auf die Bruderschaft zu werfen. Daher diese Warnung.

Während der vier Jahre, die verflossen sind, seitdem die vorhergehenden Abschnitte geschrieben wurden, hat der Verfasser seine Forschungen in den unsichtbaren Welten fortgesetzt und erlebte die Erweiterung des Bewusstseins in Bezug auf diese Naturreiche, durch die Betätigung der in der westlichen Mysterienschule gelehrten Lehren. Auch andere, welche die hierin beschriebenen Methoden der Seelenentfaltung befolgt haben, die besonders für die Menschen des Westens angepasst sind, haben sich von der Wahrheit der vielen hier gelehrten Dinge persönlich überzeugen können. Dadurch hat das Verstehen dessen, was dem Verfasser von den Älteren Brüdern gegeben wurde, gewissermaßen eine Überprüfung erfahren, wodurch es sich zeigte, dass sie im wesentlichen als zutreffend betrachtet werden können. Dieses sei zur Ermutigung derjenigen erwähnt, welche noch nicht imstande sind, selbst sehen zu können.

Wenn wir gesagt hätten, dass der Lebensleib aus Prismen gebaut ist, anstatt aus Punkten, wäre es besser gewesen, denn infolge der Strahlenbrechung durch die winzigen Prismen verwandelt das farblose Sonnenfluidum sich in einen rosigen Hauch, was auch von anderen Forschern beobachtet worden ist:

Es sind auch noch andere neue und wichtige Entdeckungen gemacht worden; z. B. wissen wir jetzt, dass die Silberschnur in jedem Leben neu wächst. Ein Teil entspringt dem Keimatom des physischen Körpers im Herzen, der andere Teil hat seine Wurzel im Keimatom des Empfindungsleibes im Zentralwirbel der Leber; beide Teile vereinigen sich im Keimatom des Lebensleibes im Sonnengeflecht. Diese Verbindung der höheren und nie¬deren Träger verursacht die Belebung des Körpers. Die Weiterentwicklung der Silberschnur zwischen dem Herzen und dem Sonnengeflecht, während der ersten sieben Lebensjahre, hat großen Einfluss auf die Geheimnisse des Kinderlebens und ebenso ist das weitere vollere Wachstum von der Leber zum Sonnengeflecht, welches während der zweiten Siebenjahrperiode vor sich geht, mitbestimmend auf die Pubertätserscheinungen. Die Vollendung der Silberschnur fällt mit dem Ende der Kindheit zusammen, und von dieser Zeit an gibt die Sonnenenergie, die durch die Milz eintritt und die durch das prismatische Keimatom des Lebensleibes, das im Sonnengeflecht seinen Sitz hat, gebrochen und gefärbt wird, der Aura eine bestimmte und persönliche Färbung, wie wir sie bei den Erwachsenen beobachten. S.7-11
Aus: Max Heindel, Die Weltanschauung der Rosenkreuzer

Die sichtbaren und unsichtbaren Welten
Der erste Schritt in die Esoterik ist das Studium der unsichtbaren Welten. Diese Welten werden von der Mehrzahl der Menschen nicht wahrgenommen, weil ihre höheren und feineren Sinne schlafen. Und nur durch diese kann die unsichtbare Welt wahrgenommen werden, so wie die sichtbare Welt um uns nur durch unsere physischen Sinne wahrgenommen werden kann. Die Mehrzahl der Menschen steht der überphysischen Welt ebenso gegenüber wie der Blindgeborene unserer Sinnenwelt; trotzdem Licht und Farbe ihn rings umgeben, ist er unfähig, sie wahrzunehmen. Für ihn sind sie nicht vorhanden und unverständlich, nur weil ihm der Gesichtssinn zu ihrer Wahrnehmung fehlt: Gegenstände kann er fühlen; sie sind für ihn Wirklichkeiten. Aber Licht und Farbe liegen außerhalb seines Erkenntnisvermögens.

So ist der größte Teil der Menschheit. Sie fühlen und sehen Gegenstände der physischen Welt, aber die anderen Welten, die der Hellseher die höheren Welten nennt, sind ihnen ebenso unverständlich wie dem blinden Manne die Farbe. Nun ist aber das Nichtsehen des Blinden durchaus kein Beweis gegen das Bestehen und die Wirklichkeit des Lichtes. Ebensowenig ist es ein Beweis für das Nichtbestehen der überphysischen Welten, dass die Mehrzahl sie nicht wahrnehmen kann. Wenn der Blinde sehend wird, so sieht er Licht und Farbe. Wenn die höheren Sinne der für die überphysischen Welten Blinden durch geeignete Methoden geöffnet werden, so werden auch sie fähig, Welten wahrzunehmen, deren Dasein ihnen jetzt verborgen ist.
Während ein Teil der Menschheit den Fehler begeht, dem Vorhandensein überphysischer Welten ungläubig zu begegnen, verfallen auch viele in das entgegengesetzte Extrem, sobald sie von dem Bestehen übersinnlicher Welten überzeugt sind. Sie bilden sich ein, dass dem Hellsehenden alle Wahrheit mit einem Schlage erschlossen ist, und dass man auf einmal alles über die höheren Welten weiß, wenn man »sehen« kann.

Das ist ein großer Irrtum. In Angelegenheiten des täglichen Lebens erkennen wir die Irrigkeit einer solchen Ansicht gern an. Wir würden nie annehmen, dass ein Blindgeborener, der sehend wird, auf einmal alles über die physische Welt wissen kann. Ferner wissen wir sehr gut, dass selbst die unter uns, die ihr Leben lang fähig waren, alle Dinge zu sehen, weit davon entfernt sind, eine umfassende Kenntnis von ihnen zu haben. Wir wissen, dass wir eingehender Studien und jahrelanger Übung bedürfen, um nur den unendlich kleinen Teil der Dinge, die unser tägliches Leben ausmachen, zu beherrschen, und wenn wir den hermetischen Grundsatz »wie oben, so unten«, umkehren, erfassen wir sogleich, dass es in den anderen Welten ebenso sein muss. Ebenso wahr ist aber auch, dass es viel leichter ist, in den überphysischen Welten Kenntnisse zu erwerben, als in unserem gegenwärtigen dichten physischen Zustande. Es ist aber doch nicht so leicht, dass die Notwendigkeit eingehender Studien und die Möglichkeit, sich in den Beobachtungen zu irren, ausgeschlossen werden könnten. Zeugnisse von zuverlässigen und berufenen Beobachtern beweisen, dass man den Beobachtungen auf den anderen Plänen noch mehr Sorgfalt zuwenden muss, als denen auf dem physischen Plane:

Auch Hellseher müssen erst geübt werden, ehe ihr Zeugnis von wirklichem Werte ist, und je weiter sie sich entwickeln, um so bescheidener werden sie in der Mitteilung des Erschauten, desto mehr Ehrfurcht hegen sie für die Lesearten der anderen, denn sie wissen, wie viel es zu lernen gibt und sind sich dessen bewusst, wie wenig der einzelne Forscher von allen Einzelheiten seiner Forschungen ergreifen kann.

Diese Wahrnehmung erklärt auch die Verschiedenheit der Darstellungen, die von oberflächlichen Menschen für ein Argument gegen das Bestehen der höheren Welten gehalten wird. Sie bestehen darauf, dass die Forscher gleichlautende Berichte zurückbringen müssen, sofern diese Welten wirklich bestehen. Ein Beispiel aus dem Tagesleben erweist ohne weiteres die Hinfälligkeit dieser Ansicht.

Nehmen wir an, dass eine Zeitung zwanzig Berichterstatter in eine große Stadt schickt, um »sie zu erfassen«. Reporter sind geübte Beobachter oder sollten es wenigstens sein. Ihr Beruf ist, alles zu sehen. Man erwartet von ihnen, dass sie die beste Beschreibung liefern. Dennoch sind von den zwanzig Darstellungen sicher nicht zwei vollkommen gleich. Viel sicherer ist, dass sie grundverschieden sind. Vielleicht enthalten sie einige gleiche allgemeine Leitzüge; im Übrigen aber werden sie sich in der Art und Reichhaltigkeit der Beschreibung durchaus voneinander unterscheiden.

Spricht es gegen das Bestehen der Stadt, dass die Berichte darüber aus einander gehen? Gewiss nicht. Jeder sah die Stadt von seinem besonderen Gesichtspunkte aus. Das sagt alles. Statt dass man sich durch die verschiedenartigen Berichte verwirren und entmutigen lässt, täte man gut, anzunehmen, dass eine Zusammenfügung aller Berichte ein volleres und besseres Bild der Stadt ergäbe, als ein einzelner Bericht mit Ausschluss aller anderen. Jede Darstellung würde die anderen abrunden und ergänzen.

Dasselbe gilt auch für die Forscher in den höheren Welten. Jeder hat seine eigene Weise, die Dinge anzuschauen und kann nur beschreiben, was er von seinem Gesichts¬punkte aus sieht. Möge die Vorstellung jedes einzelnen immerhin von der der anderen abweichen, vom persönlichen Standpunkte jedes Beobachters aus können alle gleich wahr sein.

Mancher fragt: »Wozu diese Welten erforschen? Warum soll man sich nicht zur gegebenen Zeit nur mit einer Welt begnügen, warum nicht mit den Lehren zufrieden sein, die die Gegenwart in der physischen Welt uns bietet? Und, wenn es unsichtbare Welten gibt, warum soll man nicht warten, bis ihre Zeit da ist, statt vor der Zeit in sie einzudringen? Jedem Tage genügt seine Plage. Warum im voraus die Mühen des folgenden auf uns nehmen?«

Wenn wir schon wissen, dass wir früher oder später gewiss in ein fernes Land versetzt werden, in dem wir unter neuen, fremden Bedingungen viele Jahre leben müssen, werden wir nicht vernünftigerweise alles, was über dieses Land bekannt ist, schon im voraus lernen? Diese Kenntnisse werden uns die Anpassung an die neuen Bedingungen sehr erleichtern.

Es gibt nur eine Gewissheit im Leben. Diese ist - der Tod. Wenn wir nun ins Jenseits hinübergehen und neuen Bedingungen begegnen, muss uns deren vorherige Kenntnis die größte Hilfe sein.

Aber das ist noch nicht alles. Um die physische Welt zu verstehen, die die Welt der Wirkungen ist, ist es nötig, die überphysischen Welten zu verstehen, denn sie sind die Welten der Ursachen. Wir sehen rollende Straßenbahnen und wir hören das Geklopfe des Telegraphen, aber die geheimnisvolle Kraft, die beide in Bewegung setzt, bleibt uns verborgen. Wir sagen, es sei die Elektrizität, aber der Name gibt keine Erklärung. Wir erfahren nichts von der Kraft selbst, wir hören und sehen nur ihre Wirkungen.

Bringen wir eine Schüssel mit kaltem Wasser in eine genügend niedrige Temperatur, so werden sich sofort Eiskristalle bilden, und wir können den Bildungsvorgang beobachten. Die Gesetze, nach denen das Wasser kristallisiert, waren die ganze Zeit in Kraftlinien unsichtbar vorhanden, bis das Wasser gefror. Die schönen »Eisblumen« an den Fenstern sind sichtbare Erscheinungen der Ströme, die von den höheren Welten ausgehen und unaufhörlich auf uns einwirken. Den meisten von uns sind sie unbekannt. Das vermindert aber ihre Wirksamkeit nicht.

So sind die höheren Welten die Welten der Ursachen, die Welten der Kräfte; und wir sind tatsächlich nicht imstande diese niedere Welt zu verstehen, ehe wir die ande¬ren nicht kennen und uns über die Kräfte und Ursachen klar werden, von denen alle grobstofflichen Dinge nur die Wirkungen sind.
Was nun die Wesentlichkeit dieser Welten anbelangt, so sind diese Welten, die vielen wie Spiegelungen oder sogar noch weniger körperlich zu sein scheinen, im Vergleich mit der physischen Welt wirklicher, und die Gegenstände darin dauernder und weniger zerstörbar, als die der physischen Welt. Ein Beispiel wird das sofort erläutern. Kein Architekt beginnt einen Bau, indem er Material kauft und die Werk¬leute Stein auf Stein kunterbunt türmen lässt, ohne Leitgedanken oder Plan. Er «denkt das Bauwerk aus». Nach und nach gewinnt es in seinem Intellekte Gestalt, und endlich steht ein kleines Bild des fertigen Hauses vor seinem geistigen Auge - die Gedankenform des Hauses.

Niemand sieht das Haus außer dem Architekten. Er bringt es nun sichtbar aufs Papier. Er zeichnet die Pläne, und nach diesem sichtbaren Bilde der Gedankenform setzen nun die Handwerksleute das Haus aus Holz, Eisen oder Steinen zusammen, genau wie es die vom Architekten geschaffene Gedankenform vorschreibt.

So wird die Gedankenform zur materiellen Wirklichkeit. Der Materialist wird behaupten, dass diese viel wirklicher, viel dauernder und viel körperlicher sei, als das Urbild im Intellekte des Architekten. Machen wir die Probe. Das Haus konnte ohne die Gedankenform gar nicht gebaut werden. Das stoffliche Ding kann durch Dynamit, Erdbeben, Feuer oder Verfall zugrunde gehen, aber das gedankliche Urbild wird bleiben. Es wird so lange bestehen, wie der Architekt lebt, man kann darnach beliebig viele gleiche Häuser herstellen, wenn das eine zerstört wurde. Nicht einmal der Architekt selbst kann es vernichten. Selbst nach seinem Tode kann seine Gedankenform von denen wieder entdeckt werden, die berufen sind im Gedächtnis der Natur zu lesen. Doch davon wird später die Rede sein.

Nachdem wir uns nun vor der Vernünftigkeit der Welten um und über uns überzeugt haben, und im klaren sind über ihre Wirklichkeit, ihre Dauer und die Nützlichkeit der Erkenntnisse, die sie betreffen, wollen wir sie nun streng und einzeln prüfen und mit der physischen Welt beginnen.

Chemische Region der physischen Welt
Nach den Lehren der Rosenkreuzer zerfällt das Weltall in sieben verschiedene Welten oder Zustände der Materie, wie folgt:

1. Die Welt Gottes.
2. Die Welt der jungfräulichen oder Ur-Geister.
3. Die Welt des göttlichen Geistes.
4. Die Welt des Lebens-Geistes.
5. Die Gedanken-Welt.
6. Die Empfindungs-Welt.
7. Die physische oder Körper-Welt.


Diese Einteilung ist nicht willkürlich, sondern notwendig. Denn der Grundstoff jeder dieser Welten unterliegt Gesetzen, die, in den anderen wirkungslos sind. So untersteht zum Beispiel in der physischen Welt die Materie dem Gesetze der Schwerkraft, der Zusammenziehung und Ausdehnung. In der Empfindungs-Welt gibt es weder Hitze noch Kälte, die Körper schweben so leicht in die Höhe, wie sie niedersteigen. Auch Raum und Zeit, die in der physischen Welt bestehen, verlieren in der Empfindungs-Welt fast allen Einfluss.

Die Materie dieser Welt variiert auch in den Graden ihrer Dichtigkeit. Die physische Welt ist unter allen sieben die dichteste.

Jede Welt teilt sich wieder in sieben Regionen oder Unterabteilungen. In der physischen Welt bilden die festen Körper, Flüssigkeiten und Gase die drei dichteren Unterabteilungen, die restlichen vier sind Äther von verschiedener Dichtigkeit. In anderen Welten sind ähnliche Unterabteilungen notwendig. Denn auch die Materie, aus der sie bestehen, ist nicht von gleicher Dichtigkeit.

Man muss noch zwei weitere Unterscheidungen machen. Die drei dichten Unterabteilungen der physischen Welt, die festen Körper, Flüssigkeiten und Gase, bilden die so genannte chemische Region. Die Substanz dieser Region ist der Kern jeder dichten Form.

Auch der Äther ist physischer Stoff. Er ist nicht durchweg gleich, homogen, wie die materielle Wissenschaft annimmt, sondern besteht in vier verschiedenen Zuständen. Er ist das Eintrittsmittel für den bewegenden Geist, der allen Körpern der chemischen Region Lebenskraft verleiht. Die vier feineren oder ätherischen Unterabteilungen bilden das, was unter dem Namen Äther-Region bekannt ist.

In der Gedankenwelt sind die drei höheren Unterabteilungen die Basis der abstrakten Gedanken, sie werden daher mit einem gemeinsamen Namen die Region der abstrakten Gedanken genannt. Die vier dichteren Unterabteilungen liefern den Gedankenstoff, in welchen wir unsere Ideen verkörpern und konkret werden lassen; wir nennen diese vier Unterabteilungen daher die »Region der konkreten Gedanken«.

Die sorgfältige Betrachtung, die der Geisteswissenschaftler den Erscheinungen der physischen Welt widmet, schiene überflüssig, wenn nicht der Standpunkt, von dem aus er sie betrachtet, sich ungemein vom materialistischen unterscheiden würde. Letzterer erkennt drei Zustände der Materie: den festen, den flüssigen und den gasförmigen. Alle diese sind chemisch, da sie aus den chemischen Bestandteilen der Erde bestehen. Aus dieser chemischen Materie sind alle Körper der Mineralien, Pflanzen und Tiere aufgebaut, daher sind diese ebenso chemisch, wie die Substanzen, die man allgemein so nennt. Betrachten wir den Berg oder die Wolke, die seinen Gipfel umhüllt, den Saft der Pflanze oder das Blut des Tieres, den Spinnenfaden, den Flügel des Schmetterlings oder die Knochen des Elefanten, die Luft, die wir atmen, oder das Wasser, das wir trinken - sie sind alle aus denselben chemischen Grundstoffen zusammengesetzt.

Nun fragen wir uns: was ist es, das diese Grundsubstanz zu den unendlichen Verschiedenheiten der Formen bestimmt, die wir um uns sehen? Es ist der eine Universalgeist, der sich in der sichtbaren Welt als vier große Lebensströme in verschiedenen Stadien ihrer Entwicklung äußert. Dieser vierfache geistige Impuls formt die chemische Materie der Erde in die abwechslungsreichen Formen der vier Reiche - des Mineralreiches, des Pflanzenreiches, des Tierreiches und des Menschen. Wenn eine Form ihren Zweck als Ausdrucksträger für die drei höheren Lebensströme erfüllt hat, lösen die chemischen Kräfte diese Form so auf, dass die Materie in ihren ursprünglichen Zustand zurückgeführt wird und dadurch verwendungsfähig zum Bauen von neuen Formen werden kann. Der Geist oder das Leben, das den Stoff zu einem Ausdrucke seiner selbst formt, ist daher der Materie ebenso fremd wie ein Zimmermann verschieden und persönlich unabhängig von dem Hause ist, das er sich zu seinen Wohnzwecken erbaut hat.

Da nun aber alle Mineral-, Pflanzen-, Tier- und Menschenkörper chemisch sind, müssen sie logischerweise ebenso tot und gefühllos sein, wie die chemische Masse in ihrem Ur-Zustand, und der Rosenkreuzer behauptet, dass sie es seien.

Einige Wissenschaftler behaupten, dass jedes Gewebe, ob lebend oder tot, welchem Reiche es auch angehöre, Gefühl habe. Sie schließen selbst die Mineralien in ihre Kategorie der empfindenden Dinge ein und bringen als Beweismittel in ihrem Streite Diagramme von Kraftkurven, die sie durch Untersuchungen erhielten. Eine andere Gruppe von Forschern lehrt, dass außer dem Gehirne, dem Sitze des Gefühles, nicht einmal der menschliche Körper Empfindung besitze. Sie behaupten, es sei das Gehirn und nicht der verletzte Finger, der den Schmerz empfinde. So ist das Gebäude der Wissenschaft in Teile gespalten, die sich selbst widerlegen - wie in diesem, so in den meisten anderen Gesichtspunkten. Jeder hat teilweise recht. Alles hängt davon ab, was wir unter »Gefühl« verstehen. Wenn wir nur die Erwiderung auf einen Anstoß verstehen, etwa so, wie der Rücksprung eines aufgeworfenen Gummiballes von der Erde, so ist es gewiss richtig, sowohl mineralischem als pflanzlichem und Tiergewebe Gefühl zuzusprechen. Aber wenn wir Vergnügen und Schmerz, Liebe und Hass, Freude und Kummer meinen, wäre es widersinnig, die niederen Lebensformen damit begaben zu wollen, wie zum Beispiel abgetrenntes Gewebe oder Mineralien in ihrem Ur-Zustande oder selbst das Gehirn. Denn solche Gefühle sind nur der Ausdruck des selbstbewussten unsterblichen Geistes, und das Gehirn ist nur die Tastatur des wunderbaren Instrumentes, auf dem der menschliche Geist seine Lebenssymphonie spielt, so wie der Musiker sich auf der Violine ausdrückt.

So wie es Menschen gibt, welche ganz unfähig sind zu verstehen, dass es höhere Welten geben muss und dass es solche gibt, so gibt es auch andere, die nach der geringsten Fühlungnahme mit den höheren Welten es sich zur Gewohnheit machen, unsere physische Welt zu unterschätzen. Diese Haltung ist genau so unkorrekt wie die des Materialisten. Die großen und weisen Wesen, die berufen sind, den Willen und die Absicht Gottes zu erfüllen, setzen uns in diese irdische Umgebung, damit wir große und wichtige Lehren lernen, die unter keinen anderen Umständen erlernt werden können. Es ist unsere Pflicht, nach besten Kräften unsere Kenntnisse von den höheren Welten anzuwenden, um die Lehren, die uns diese physische Welt bietet, zu beherzigen.

In gewissem Sinne ist die physische Welt eine Art Vorschule oder Experimentierstation, damit wir lernen, in den anderen Welten richtig zu arbeiten. Diese Lehren werden uns zuteil, ob wir von der Existenz der anderen Welten wissen oder nicht, ein Beweis für die große Weisheit der Schöpfer, die diesen Plan entworfen haben. Hätten wir keine anderen Erkenntnisse, als die über die höheren Welten, so würden wir viele Fehler begehen, die erst dann sichtbar würden, wenn wir zur Probe in irdische Verhältnisse gebracht würden. Folgendes zur Erläuterung: Stellen wir uns einen Erfinder vor, der seine Idee zu einer Maschine ausarbeitet. Erst erbaut er die Maschine, in Gedanken, sein Intellekt sieht sie vollständig und an der Arbeit, ihre Leistungen befriedigen ihn aufs höchste. Nun macht er eine Zeichnung des Entwurfes und findet dabei vielleicht, dass Abänderungen seines Gedankenplanes notwendig sind. Wenn er dann durch die Zeichnung von der Ausführbarkeit seines Planes überzeugt wurde, geht er daran, die Maschine aus passendem Material herzustellen.

Es ist fast gewiss, dass noch weitere Abänderungen nötig sein werden, damit die Maschine wie beabsichtigt arbeitet. Vielleicht muss sie ganz umgeformt werden; oder sie ist überhaupt unbenutzbar, so dass sie weggeworfen werden muss und ein ganz neuer Plan ausgearbeitet wird. Nun ist folgendes festzuhalten, denn das ist der springende Punkt: Der neue Plan wird zu dem Zweck ausgearbeitet, die Fehler der nutzlosen Maschine auszumerzen. Ohne die Herstellung der Maschine aus Material, wodurch die Feh¬ler des ersten Entwurfes offenbar wurden, wäre nie eine zweite, richtige Idee entstanden.

Das lässt sich ebenso auf alle anderen Lebensgebiete anwenden: auf soziale, wirtschaftliche, als auch auf philantro¬pische. Viele Pläne erscheinen ihren Erfindern ausgezeichnet und können sogar auf dem Papier gut aussehen, versagen aber, sobald man sie verwirklichen will. Das darf uns nicht entmutigen. Denn es ist wahr, dass wir »aus unseren Fehlern mehr lernen als aus unseren Erfolgen«. Der richtige Standpunkt ist, unsere physische Welt als eine Schule wertvoller Erfahrungen zu betrachten, in der wir Lehren von der größten Wichtigkeit zu lernen haben.

Die Äther-Region der physischen Welt
Sobald wir dieses Reich der Natur betreten, sind wir in der unsichtbaren, untastbaren Welt. Hier verlassen uns unsere gewöhnlichen Sinne, darum ist dieser Teil der physischen Welt der materialistischen Wissenschaft durch Versuche nicht zu erschließen.

Die Luft ist unsichtbar, und doch weiß die moderne Wissenschaft, dass sie vorhanden ist. Ihre Bewegung als Wind, kann durch Instrumente gemessen werden. Durch Druck kann sie uns als Flüssigkeit sichtbar gemacht werden, Äther jedoch ist nicht so leicht fassbar. Die materialistische Wissenschaft stützt sich auf ihn, um die Übertra¬gung der Elektrizität mit oder ohne Draht zu erklären. Sie muss notgedrungen einen Stoff annehmen, der feiner ist als die bekannten, und sie nennt diesen Stoff «Äther». Sie weiß tatsächlich nicht, dass der Äther besteht, denn kein Genie eines Erfinders hat bisher vermocht, ein Gefäß zu entwerfen, in das er diesen Stoff einschließen könnte, der zu schlau für den »Hexenmeister des Laboratoriums« ist. Er kann ihn weder messen noch wägen, noch in irgendeiner Weise analysieren, denn kein Apparat steht ihm gegenwärtig dazu zur Verfügung.

Wahrlich, die Errungenschaften der modernen Wissenschaft sind wirklich bewundernswert. Aber der beste Weg, der Natur ihre Geheimnisse abzuringen, ist nicht der, Instrumente zu erfinden, sondern den Forscher selbst zu fördern. Der Mensch hat Kräfte in sich, die die Entfernung ausschalten und durch die die Winzigkeit der Gegenstände kein Hindernis zu deren Erforschung ist. Sie übertreffen Teleskop und Mikroskop unendlich mehr als diese das freie Auge. Diese Sinne oder Fähigkeiten sind Forschungsmittel des Esoterikers. Sie sind sein »Sesam öffne dich« auf der Suche nach Wahrheit.

Der geübte Hellseher kann den Äther ebenso ertasten, wie die Allgemeinheit der Menschen die festen, flüssigen und gasförmigen Stoffe der chemischen Region. Er sieht, dass die Lebenskräfte, die den mineralischen Körpern der Pflanzen, Tiere und Menschen Leben verleihen, in diese Formen mit Hilfe der vier Äther-Zustände fluten. Die Namen und besonderen Funktionen dieser vier Ätherarten sind folgende:

1 . Der chemische Äther
Dieser Äther ist in seiner Manifestation sowohl positiv als negativ. Die Kräfte, die die Stoffaufnahme und -ausscheidung verursachen, wirken durch ihn. Die- Aufnahme ist der Vorgang, durch den die verschiedenen ernährenden Elemente der Nahrung dem Körper der Pflanzen, Tiere und Menschen einverleibt werden. Das geht durch Kräfte vor sich, die wir noch später kennen lernen werden. Sie wirken längs des positiven Poles des chemischen Äthers und ziehen die notwendigen Elemente an, um sie in die betreffenden Formen zu bringen. Diese Kräfte arbeiten weder blind noch mechanisch, sondern nach wohldurchdachter Wahl, die der Wissenschaftler gut aus ihren Wirkungen kennt, und erfüllen damit ihren Zweck, den Körper aufzubauen und zu erhalten.

Die Ausscheidung geht durch Kräfte derselben Art vor sich, diese aber arbeiten längs des negativen Poles des chemischen Äthers. Mit Hilfe dieses Poles scheiden sie aus dem Körper aus, was zu seinem Gebrauch untauglich ist oder auch ausgediente Bestandteile, die die Zeit ihrer Nutzbar keit im Körper überlebt haben und nun entfernt werden müssen. Auch dieser Vorgang ist, wie alle anderen, die nicht vom menschlichen Willen abhängig sind, weise; er arbeitet nach genauer Wahl und auf keinen Fall mechanisch. Die Nieren zum Beispiel filtrieren den Urin nur dann, wenn diese Organe gesund sind; sind sie jedoch erkrankt, so lassen sie das wertvolle Eiweiß mit dem Urin entweichen und treffen die richtige Auslese nicht, weil sie in einem anomalen Zustande sind:

2. Lebens-Äther.
So wie der chemische Äther die Bahn ist, durch die die Kräfte zur Erhaltung der individuellen Form wirken, wirksam werden, so ist der Lebens-Äther die Bahn für die Tätigkeit der arterhaltenden Kräfte - für die Kräfte der Fortpflanzung.

Auch der Lebens-Äther hat, wie der chemische Äther, seinen positiven und seinen negativen Pol. Die Kräfte, die entlang des positiven Poles wirken, sind jene, die im Weibe während der Schwangerschaft tätig sind. Sie ermöglichen ihm die positive, aktive Arbeit des Hervorbringens eines neuen Wesens. Andrerseits ermöglichen die Kräfte, die entlang des negativen Poles des Lebensäthers wirken, den männlichen Individuen Samen hervorzubringen.
Die Kräfte, die längs des positiven Poles im befruchteten menschlichen oder tierischen Ei oder im Samen der Pflan zen wirksam sind, bringen männliche Individuen - Tiere oder Pflanzen - hervor; die Kräfte hingegen, die sich längs des negativen Poles äußern, erzeugen weibliche.

3. Licht-Äther.
Dieser Äther ist ebenfalls positiv und negativ. Die Kräfte, die längs des positiven Poles arbeiten, erzeugen in den höher organisierten Tierarten und im Menschen die Blutwärme, die sie zu individuellen Wärmequellen macht. Die Kräfte, die längs des negativen Poles des Licht-Äthers wirken, sind jene, die durch die Sinne der Tierarten und im Menschen tätig sind, sich äußernd als passive Funk¬tionen des Sehens, Hörens, Tastens, Schmeckens und Rie¬chens. Sie erbauen und ernähren auch das Auge.

Bei den Tieren mit kaltem Blut ist. der positive Pol die Bahn der blutantreibenden Kräfte, und die negativen Kräfte haben dieselbe Aufgabe bezüglich des Auges, wie die negativen bei den höheren Tieren und den Menschen. Wo Augen fehlen, erbauen oder ernähren die im negativen Pole arbeitenden Ätherkräfte wahrscheinlich andere Sinnesorgane, wie sie es bei allen Wesen tun, die Sinnesorgane haben.

Bei Pflanzen rufen die Kräfte, die längs des positiven Poles des Licht-Äthers arbeiten, den Umlauf der Säfte hervor. Daher hört im Winter, wenn der Licht-Äther nicht so mit Sonnenlicht geladen ist, wie im Sommer, der Saft zu fließen auf, bis die Sommersonne den Licht-Äther wieder mit, seiner Kraft belehnt. Die Kräfte längs des negativen Poles setzen das Chlorophyll ab und färben auch die Blumen. Alle Farbe in allen Reichen der Natur wird durch Ver¬mittlung des negativen Poles des Licht-Äthers verliehen. Darum haben Tiere die tiefste Farbe auf dem Rücken, und Pflanzen sind auf der dem Licht zugewandten Seite am sattesten gefärbt. In den Polarregionen der Erde, in denen die Sonnenstrahlen an Lichtkraft abnehmen, werden alle Farben lichter und sind in manchen Fällen so dürftig verteilt, dass sie im Winter völlig verschwinden und die Tiere weiß werden.

4. Rückstrahlender Äther.
Früher haben wir festgestellt, dass die Idee vom Hause, welche im Intellekte existiert hat, wieder im Gedächtnis der Natur aufgefunden werden kann, sogar nach dem Tode des Architekten. Alles, was sich jemals ereignete, lässt im rückstrahlenden Äther ein unauslöschliches Bild zurück. Die Riesenfarnkräuter aus der Urzeit der Erde haben ihr Bild in den Kohlenlagern zurückgelassen, die Bewegungen der Gletscher in vergangenen Tagen können aus den Spuren bemessen werden, die sie in den Felsen längs ihres Weges zurückgelassen haben. Ebenso unauslöschlich sind die Gedanken und Taten der Menschen im rückstrahlenden Äther verzeichnet, und der geübte Seher kann ihre Geschichte mit der Genauigkeit lesen, welche seiner Fähigkeit entspricht.

Der rückstrahlende Äther verdient seinen Namen in mehr als einer Hinsicht, denn die darin enthaltenen Bilder sind nur Rückstrahlungen aus dem Gedächtnis der Natur. Das wirkliche Gedächtnis der Natur ist in einer viel höheren Welt zu finden. Kein gründlich geübter Hellseher kümmert sich um das Lesen im rückstrahlenden Äther, denn im Vergleich mit der höheren Welt, sind sie verwischt und undeutlich. Jene, die im rückstrahlenden Äther lesen, haben gewöhnlich keine Wahl, denn meist wissen sie nicht worin sie lesen. In der Regel beziehen gewöhnliche Hellseher und Medien ihre Kenntnisse durch den rückstrahlenden Äther. Auch der Schüler auf den ersten Stufen der esoterischen Schulung liest in geringem Maße aus dem rückstrahlenden Äther. Aber sein Lehrer macht ihn aufmerksam, dass dieser Äther zur Erlangung vollkommen richtiger Belehrungen unzureichend ist, und dann zieht er nicht so leicht falsche Schlüsse.

Dieser Äther ist es auch, durch den die Gedanken einen Eindruck auf das menschliche Gehirn hervorrufen. Er hängt mit der vierten Unterabteilung der Gedanken-Welt aufs innigste zusammen. Diese ist die höchste der vier Unterabteilungen der Region der konkreten Gedanken; sie ist die Heimat des menschlichen Intellektes. Dort findet man eine viel klarere Wiedergabe des Gedächtnisses der Natur als im rückstrahlenden Äther.

Die Empfindungs-Welt
Wie die physische Welt und jedes andere der Natur-Reiche, zerfällt auch die Empfindungs-Welt in sieben Unterabteilungen oder Regionen, aber entgegen der physischen Welt hat sie nicht die Zweiteilung ähnlich der chemischen und der Ätherzone. Als Material für die Verkörperung der Empfindungen finden wir in allen sieben Regionen oder Unterabteilungen den Empfindungs-Stoff. Gleich wie die chemische Region das Reich der Formen ist und die Äther-Region die Heimat der Kräfte, die die Lebenstätigkeiten in diesen Formen antreiben, sie beleben, bewegen und fortpflanzen, so wirken die Kräfte in der Empfindungs-Welt auf den belebten dichten Körper und veranlassen ihn, sich in dieser oder jener Richtung zu bewegen.

Wenn nur die Tätigkeiten der chemischen und der Äther-Region der physischen Welt vorhanden wären, so hätten wir Körper, die Leben haben und sich bewegen können, die aber keinen Antrieb haben, es zu tun. Diesen Antrieb veranlassen die kosmischen Kräfte, die in der Welt der Empfindungen wirken. Ohne diesen Antrieb, der jede Fiber des belebten Körpers durchdringt und Tätigkeit nach dieser oder jener Richtung fordert, könnten wir weder Erfahrungen sammeln, noch moralisch wachsen. Wohl würden die Fähigkeiten der verschiedenen Ätherarten für das körperliche Wachstum sorgen, doch am moralischen Wachstum würde es vollständig fehlen. Die Entwicklung würde zur Unmöglichkeit, sowohl die der Form, wie die des Lebens, denn die Entwicklung der Formen zu höheren Stufen geschieht nur entsprechend der Erlangung geistigen Wachstumes. Aus diesem ersehen wir gleichzeitig die große Wichtigkeit dieses Naturreiches.

Begierden, Wünsche, Leidenschaften und Gefühle drücken sich in der Materie der verschiedenen Regionen der Empfindungs-Welt ebenso aus, wie Form und Gestalt in der chemischen Region der physischen Welt. Sie nehmen Formen an, welche länger oder kürzer andauern, je nach der Intensität der darin verkörperten Empfindung. In der Empfindungs-Welt. tritt der Unterschied zwischen Kraft und Materie nicht so begrenzt und offenbar hervor, wie in der physischen Welt. Fast könnte man sagen, dass hier die Ideen der Kraft und des Stoffes sich decken oder wechselseitig sind. Es ist nicht ganz so, doch kann man immerhin behaupten, dass die Empfindungs-Welt aus Kraft-Stoff bestehe.

Wenn wir von der Materie der Empfindungs-Welt sprechen, so müssen wir zugeben, dass sie einen Grad weniger dicht ist, als der Stoff der physischen Welt. Aber es ist vollständig falsch zu glauben, sie sei feinerer physischer Stoff. Das ist eine völlig irrige Ansicht, obwohl sie von vielen vertreten wird, die sich mit okkulten Philosophien beschäftigt haben. Der falsche Eindruck wird hauptsächlich hervorgerufen durch die Schwierigkeit, eine so vollständige und genaue Beschreibung zu geben, wie sie für das durchdringende Verständnis der höheren Welten erforderlich wäre. Leider nimmt unsere Sprache ihre Ausdrücke aus der Körperwelt und ist daher völlig ungeeignet, Zustände der überphysischen Reiche wiederzugeben. Alles, was über diese Reiche gesagt wird, muss als Versuch, als Gleichnis, weniger aber als wirkliche Beschreibung aufgefasst werden.

Obwohl der Berg und das Gänseblümchen, der Mensch, das Pferd und ein Stück Eisen aus einer und derselben atomischen Ur-Substanz zusammengesetzt sind, können wir nicht sagen, dass das Gänseblümchen eine feinere Form des Eisens sei. Ebenso unmöglich ist es in Worten den Wechsel oder den Unterschied zu erklären, der eintritt, wenn physischer Stoff in Empfindungsstoff übergeführt wird. Wenn kein Unterschied bestünde, so würde die letztere den Gesetzen der physischen Welt unterliegen, und das ist nicht der Fall.

Das Gesetz der Materie in der chemischen Region ist Trägheit - das Bestreben, im status quo zu bleiben. Eine gewisse Kraft ist erforderlich, um die Trägheit zu überwin¬den und einen Körper, der ruht, zur Bewegung und einen sich bewegenden Körper zur Ruhe zu bringen. Anders mit dem Stoffe der Empfindungs-Welt; hier lebt der Stoff beinahe selbst. Er ist in unaufhörlicher Bewegung, in beständigem Fluss und nimmt alle vorstellbaren und nicht vorstellbaren Formen mit einer Leichtigkeit und Schnelligkeit an, die sich der Beobachtung entzieht. Gleichzeitig funkelt und schimmert er in tausend immer wechselnden Farben, die sich mit nichts vergleichen lassen, was je in unser physisches Bewusstsein eindrang. Einen schwachen Abglanz der Tätigkeit und der Farbenerscheinungen von der Materie der Empfindungs-Welt gewinnen wir, wenn wir eine Perlmutterschale in die Sonne halten und hin- und herbewegen.

Das ist das Charakteristikum der Empfindungs-Welt - immer wechselndes Licht und Farbe -, in dem sich die Kräfte der Tiere und Menschen mit den Kräften ungezählter Hierarchien von geistigen Wesen vermengen, die in unserer physischen Welt nicht in Erscheinung treten, aber dort ebenso tätig sind wie wir hier. Einige davon sollen später erwähnt werden. Ihre Verbindung mit der menschlichen Entwicklung wird ebenfalls beschrieben werden.
Die Kräfte, die von den großen, verschiedenartigen Scharen von Wesen ausgehen, formen die immer veränderliche Materie der Empfindungs-Welt in unzählige und verschiedene Formen von größerer oder geringerer Dauer, entsprechend der treibenden Energie des Impulses, dem sie ihr Dasein verdankten.

Schon aus dieser flüchtigen Beschreibung ersieht man, wie schwer es dem Neophyten (Neuling), dessen geistiges Auge eben geöffnet wurde, werden mag, in der Empfindungs-Welt sein Gleichgewicht zu finden. Der geübte Hellseher hört bald auf, sich über die unmöglichsten Beschreibungen zu wundern, die die Medien liefern. Sie mögen vollkommen ehrlich sein, aber die Möglichkeiten sich zu irren, sind so zahllos und so schwierig, dass man sich wirklich wun¬dern kann, wenn sie irgendetwas richtig vermitteln. Wir alle mussten als kleine Kinder sehen lernen und können das heute noch an einem Säugling beobachten, denn das Kleine greift nach den Dingen im Zimmer, nach denen über der Strasse oder auch nach dem Mond. Es ist ihm völlig unmöglich, Entfernungen abzuschätzen. Wir können auch bemerken, dass der sehend gewordene Blinde anfangs oftmals die Augen schließt, um von einem Orte zum andern zu gelangen, wobei er, bevor er gelernt hat seine Augen zu gebrauchen, behauptet, es sei viel leichter sich tastend vorwärts zu bewegen. So muss auch der, dessen innere Organe der Wahrnehmung geöffnet wurden, sich erst üben im Gebrauch seiner neu erworbenen Fähigkeiten. So wird der Neophyt anfänglich die durch seine Erfahrung in der physischen Welt erworbenen Kenntnisse auf die Empfindungs-Welt anwenden, weil er deren eigene Gesetze noch nicht kennen gelernt hat. Das wird zur Quelle zahlloser Störungen und Verwicklungen. Ehe er verstehen lernt, muss er wie ein kleines Kind werden, das sein Wissen ohne Bezug auf vorhergehende Erfahrungen einsog.

Um zu einem korrekten Verständnis der Empfindungs-Welt zu gelangen, muss man sich dessen bewusst werden, dass sie die Welt der Gefühle, der Wünsche und der Erregungen ist. Sie alle stehen unter der Herrschaft zweier großer Kräfte: der Anziehung und der Abstoßung, die in den drei dichteren Regionen der Empfindungswelt in anderer Art tätig sind, als in den drei höheren oder oberen Regionen, während die mittlere neutraler Grund genannt werden kann.

Diese mittlere Region ist die Region des Gefühls. Hier neigt das Interesse für oder die Gleichgültigkeit gegen einen Gegenstand oder eine Idee die Waage zugunsten einer der beiden vorerwähnten Kräfte und versetzt den Gegenstand oder die Idee in die drei höheren oder in die drei niederen Regionen der Empfindungs-Welt, oder aber sie schalten sie aus. Wir werden sehen, wie das vor sich geht.

In der feinsten und besonderen Substanz der drei höheren Regionen der Empfindungs-Welt hat die Anziehung die Alleinherrschaft, aber sie ist auch in gewissem Grade in der dichteren Materie der drei unteren Regionen vorhanden und wirkt dort der Abstoßungskraft entgegen, die in diesen Unterabteilungen vorherrscht. Die auflösende Kraft der Abstoßung würde bald jede Form zerstören, die in diese drei niederen Regionen käme, wenn ihr nicht auf diese Weise entgegengewirkt würde. In der dichtesten oder nie¬dersten Region, wo sie am stärksten ist, reißt und schüttelt sie die hier erbauten Formen, dass es grauenhaft anzusehen ist, und dennoch ist sie keine vandalische Kraft. Nichts in der Natur ist vandalisch. Selbst was so zu sein scheint, arbeitet nur dem Guten in die Hand. So auch diese Kraft in der untersten Region der Empfindungs-Welt. Hier sind die Körper dämonische Schöpfungen, geschaffen von den gröbsten Leidenschaften und Begierden von Mensch und Tier.

Jede Form der Empfindungs-Welt hat die Tendenz, alles Gleichartige anzuziehen und dadurch zu wachsen. Wenn diese Tendenz der Anziehung in den niedersten Regionen vorherrschen würde, so wüchse das Böse wie Unkraut. Im Kosmos würde statt der Ordnung die Anarchie das Szepter schwingen. Dem kommt die überlegene Kraft der Abstoßung in dieser Region zuvor. Wenn eine grobe Empfindungs¬form durch eine andere gleichartige angezogen wird, entsteht eine Disharmonie in ihren Vibrationen, wodurch einer auf den anderen vernichtend wirkt. Statt dass das Übel sich mit Übel eint und vermischt, wirken sie gegenseitig mit zerstörender Gewalt, und so wird das Böse in der Welt in vernünftigen Grenzen gehalten. Wenn wir die Arbeit dieser Zwillingskräfte so auffassen, verstehen wir den esoterischen Grundsatz: »In der Empfindungs-Welt ist eine Lüge sowohl Mord wie Selbstmord.«

Alles, was sich in der physischen Welt ereignet, wirft einen Reflex in alle andere Reiche der Natur und baut sich, wie wir gesehen haben, seine geeignete Form in der Empfindungs-Welt. Sobald ein wahrer Bericht des Geschehenen gegeben wird, erbaut er sich eine neue Form, die der ersten vollkommen gleicht. Sie ziehen sich an, verschmelzen und stärken einander. Wenn nun ein unwahrer Bericht gegeben wird, so entsteht eine von der wahren Grundform verschiedene und ihr feindliche Form. Weil sie mit demselben Ereignis zu tun haben, werden sie zusammengezogen, aber weil ihre Vibrationen verschieden sind, wirken sie gegenseitig zerstörend. Darum können schlechte, boshafte Lügen alles Gute töten, wenn sie mit gehöriger Kraft und oft genug wiederholt werden. Umgekehrt wird das Suchen nach dem Guten im Bösen mit der Zeit das Böse in Gutes verwandeln. Wenn die Form, die erbaut ist, um das Böse zu verringern, schwach ist, bleibt sie wirkungslos und wird durch die böse Form zerstört. Ist sie stark und wird sie oft genug wiederholt, so wird sie die böse Form erfolgreich zerstören und die gute an ihre Stelle setzen. Man merke sich wohl, dass dieser Erfolg nicht durch Lügen erzielt wird, auch nicht durch Verneinen des Bösen, sondern dadurch, dass man das Gute aufsucht. Der esoterische Wissenschaftler wendet dieses Prinzip - in allen Dingen nach dem Guten zu suchen -sehr gewissenhaft an, denn er weiß, mit welcher Kraft das Böse dadurch niedergehalten wird.

Es gibt eine Legende von Jesus, die diesen Punkt beleuchtet. Als der Herr einst mit seinen Jüngern wanderte, kamen sie an dem verwesenden übelriechenden Leichnam eines Hundes vorüber. Die Jünger wandten sich mit Widerwillen ab und entsetzten sich vor dem ekelerregenden Anblicke, aber Jesus blickte auf den Leichnam und sagte: »Perlen sind nicht weißer als seine Zähne.« Er war entschlossen, das Gute zu finden, denn er erkannte die wohltätige Wirkung in der Empfindungs-Welt, wenn er ihm Ausdruck verlieh.

1. Region der Leidenschaften und sinnlichen Begierden

Die niederste Region der Empfindungs-Welt wird die »Region der Leidenschaften und sinnlichen Begierden« genannt.

2. Region der Eindrucksfähigkeit
Für die zweite Region ist der treffendste Name »Region der Eindrucksfähigkeit«. Hier gleichen sich die Wirkungen der Zwillingskräfte: Anziehung und Abstoßung gerade aus. Diese Region ist neutral, daher sind alle unsere Eindrücke, deren Stoff dieser Region entlehnt ist, neutral. Nur wenn die Zwillingsgefühle, denen wir in der vierten Region begegnen werden, zur Tätigkeit gelangen, kommen die Zwillingskräfte ins Spiel. Aber der bloße Eindruck irgendwelcher Art ist vom Gefühl, das er hervorruft, vollständig zu trennen. Der Eindruck ist neutral und eine Tätigkeit, die der zweiten Region der Empfindungs-Welt entspringt. Dort formen sich Bilder durch die Kraft der Sinnes-Wahrnehmungen im Lebens-Leib des Menschen.

3. Region der Wünsche
In der dritten Region der Empfindungs-Welt hat die aufbauende, zusammenziehende Anziehungskraft bereits die Oberherrschaft über die Abstoßungskraft mit ihren zerstörenden Absichten gewonnen. Wenn wir begreifen, dass der springende Punkt in der Wirkung der Abstoßung die Selbstbehauptung ist, ein Verdrängen alles anderen, um für sich Raum zu gewinnen, so verstehen wir auch, dass sie einer Begierde nach anderen Dingen sehr leicht nachgibt, so dass die Stoffmasse der dritten Region der Empfindungs-Welt hauptsächlich durch die Kraft der selbstsüchtigen Anziehung anderer Dinge beherrscht wird. Darum ist diese Region die »Region der Wünsche«.

Die Region der groben Begierden kann mit der festen Region der physischen Welt verglichen werden; die Re¬gion der Eindrucksfähigkeit mit der flüssigen und die schwankende, schwindende Region der Wünsche mit der gasförmigen Region der physischen Welt. Diese drei Regio¬nen geben die Substanzen für die Formen, die sich zu unserer Erfahrung, unserem Seelenwachstum und unserer Entwicklung bilden, die das vollständig Zerstörende aus¬scheiden und das Material zurückbehalten, was für den Fortschritt verwendbar ist.

4. Region der Gefühle
Die vierte Region der Empfindungs-Welt ist die «Region der Gefühle». Hier entspringen die Gefühle, die die bereits beschriebenen Formen betreffen. Von den Gefühlen, die hier erzeugt werden, hängt es ab, wie weit diese Formen für uns lebendig und wirksam sind. Es ist auf dieser Stufe nicht wichtig, ob die Gegenstände und Ideen an und für sich gut sind. Es ist unser eigenes Gefühl, des Interesses oder der Gleichgültigkeit, das zum bestimmenden Faktor wird für das Schicksal des Gegenstandes oder der Idee.

Wenn das Gefühl, mit dem wir dem Eindruck eines Gegenstandes oder einer Idee begegnen, Interesse ist, so hat es dieselbe Wirkung auf den Eindruck, wie auf die Pflanze das Sonnenlicht und die Luft. Eine solche Idee wächst und gedeiht in unserem Leben. Begegnen wir hingegen einem Eindruck oder einer Idee mit Gleichgültigkeit, so welken sie dahin wie die Pflanze in einem dunklen Keller.

Daher kommt aus dieser Mittelregion der Empfindungs-Welt der Impuls zu Handlungen oder die Entscheidung, sich von ihnen zu enthalten (letzteres ist im Sinne der Geisteswissenschaftler gleichwohl auch Handlung). Denn auf unserer gegenwärtigen Entwicklungsstufe sind die Zwillingsgefühle Interesse und Gleichgültigkeit der Anstoß zu den Handlungen und die Federn, die die Welt bewegen. Auf späteren Stufen werden diese Gefühle jeden Einfluss verlieren. Denn dann wird der entscheidende Faktor das Pflichtbewusstsein werden.

Das Interesse setzt die Kräfte der Anziehung und Abstoßung in Bewegung.

Die Gleichgültigkeit aber verursacht das Hinwelken des Gegenstandes oder der Idee, auf welche sie gerichtet ist, soweit es unsere Beziehung zu ihr betrifft.

Wenn unser Interesse an einem Gegenstand oder einer Idee die Kraft der Abstoßung hervorruft, so sind wir natürlich bestrebt, aus unserem Leben alles zu entfernen, was mit dem betreffenden Gegenstande oder der Idee zusammenhängt. Zwischen der Tätigkeit der Abstoßung und dem bloßen Gefühl der Gleichgültigkeit besteht jedoch ein großer Unterschied. Vielleicht erklärt ein Beispiel die Tätigkeit der Zwillingsgefühle und der Zwillingskräfte deutlicher.

Drei Männer gehen eine Straße entlang. Sie sehen einen kranken Hund. Er ist mit Schwären bedeckt und leidet sichtbar unter Qualen und Durst. Das nehmen alle drei Männer durch ihre Sinne wahr. Nun kommt das Gefühl dazu. Zwei «interessieren» sich für das Tier, den dritten »lässt es gleichgültig«. Er geht vorüber und überlässt den Hund seinem Schicksal. Die anderen beiden bleiben zurück. Sie interessieren sich beide, aber ihr Interesse äußert sich auf verschiedene Weise. Der eine Mann hegt ein sympathisches, hilfreiches Interesse, das ihn veranlasst, sich um das arme Tier zu kümmern, seine Schmerzen zu stillen und es gesund zu pflegen. In ihm hat das Gefühl des Interesses die Kraft der Anziehung wachgerufen. Das Interesse des anderen Mannes ist von anderer Art. Er sieht nur ein Bild, das ihm widerwärtig ist und wünscht, sich und die Welt so schnell als möglich davon zu befreien. Er rät, das Tier sofort zu töten und zu begraben. In ihm hat das Gefühl des Interesses die zerstörende Kraft der Abstoßung wachgerufen.

Wenn das Gefühl des Interesses die Anziehungskraft wachruft und auf niedere Gegenstände und Begierden gerichtet ist, so wirken sich diese in den niederen Regionen der Empfindungs-Welt aus, in denen, wie früher beschrieben wurde, die entgegenwirkende Kraft der Abstoßung tätig ist. Aus dem Kampf der Zwillingskräfte: Anziehung und Abstoßung, entstehen alle die Schmerzen und Leiden, die an unrechte oder missleitete Bemühungen geknüpft sind, mögen sie beabsichtigt sein oder nicht.

Daraus ersehen wir, wie äußerst wichtig das Gefühl ist, das wir in Bezug auf irgendetwas haben. Denn es erzeugt die Natur der Atmosphäre, die wir uns selbst schaffen. Lieben wir das Gute, so erhalten und ernähren wir als Schutzengel alles, was gut um uns ist. Im anderen Falle bevölkern wir unseren Weg mit Dämonen unserer eigenen Schöpfung.

Die Namen der drei höheren Regionen der Empfindungs-Welt sind: »Region des Seelen-Lebens«, »Region des Seelen-Lichtes« und »Region der Seelen-Kraft«. In diesen wohnen: Kunst, Nächstenliebe, Menschenfreundlichkeit und alle Tätigkeiten des höheren Seelen-Lebens. Wenn wir uns diese Regionen als solche denken, welche jene Eigenschaften, auf die ihre Benennungen hinweisen, in die Formen der drei niederen Regionen ausstrahlen, so verstehen wir richtig die höheren und niederen Tätigkeiten. Immerhin kann Seelen-Kraft zeitweilig für schlechte Zwecke ebenso gut angewandt werden, wie für gute, doch dann tritt die Abstoßungskraft in Tätigkeit und zerstört das Laster, während die Anziehung auf seinen zertrümmerten Ruinen die Tugend aufbaut. Im letzten Grunde arbeiten alle Dinge gemeinschaftlich am Guten.

Die physische und die Empfindungs-Welt sind voneinander nicht räumlich getrennt. Sie sind enger verbunden als »Hände und Füße«. Weder um von einer Welt in die andere, noch um von einer Region in die andere zu gelangen, braucht man sich von der Stelle zu bewegen. Gerade so, wie in unseren Körpern feste Körper, Flüssigkeiten und Gase vereint sind und einander durchdringen, verhält es sich auch mit den verschiedenen Regionen der Empfindungs-Welt. Wieder können wir die Kraftlinien, längs derer sich die Eiskristalle im Wasser bilden, mit den unsichtbaren, in der Empfindungs-Welt entstehenden Ursachen vergleichen, die in der physischen Welt in Erscheinung treten und uns den Anstoß zum Handeln nach irgend einer Richtung geben.

Die Empfindungs-Welt mit ihren unzähligen Bewohnern durchdringt die physische Welt, wie die Kraft-Linien das Wasser - unsichtbar aber allgegenwärtig und mächtig als die Ursache allen Geschehens in der physischen Welt.

Die Gedanken-Welt
Auch die Gedanken-Welt besteht aus sieben Regionen von verschiedener Eigenschaft und Dichtigkeit und sie zerfällt, wie die physische Welt, in zwei Hauptabteilungen: die Region der konkreten Gedanken, die die vier dichtesten Regionen umfasst, und die Region der abstrakten Gedanken, die die drei Regionen der feinsten Substanz umfasst. Die Gedanken-Welt ist die mittlere der fünf Welten, aus denen der Mensch die Träger (Vehikel) seines Ego erhält.

Hier begegnen sich Körper und Geist. Sie ist auch die höchste der drei Welten, in denen die gegenwärtige menschliche Entwicklung vor sich geht; während die zwei noch höheren Welten für uns Menschen praktisch noch nicht in Betracht kommen.

Wir wissen nun bereits, dass die Stoffe der chemischen Region zum Aufbau aller physischen Formen verwendet werden. Diesen Formen wird durch die in den vier Äther-Regionen wirkenden Kräfte Leben und die Kraft der Bewegung gegeben und einige dieser belebten Formen werden durch die Zwillingsgefühle der Empfindungs-Welt zur Tätigkeit angeregt. Die Region der konkreten Gedanken liefert den Gedankenstoff, worin sich die in der Region der abstrakten Gedanken entstandenen Ideen in Gedankenformen kleiden, um als Regulatoren und Balance-Räder die Impulse zu regeln, die in der Empfindungs-Welt durch Eindrücke aus der physischen Welt erzeugt werden.

Gott
So sehen wir, wie die drei Welten, in denen der Mensch sich jetzt entwickelt, einander ergänzen und ein Ganzes bilden, das die erhabene Weisheit des großen Baumeisters des Systemes offenbart, dem wir angehören. Diesen Baumeister ehren wir in dem heiligen Namen »Gott«.

Fassen wir die verschiedenen Einteilungen der Region der konkreten Gedanken einzeln ins Auge, so finden wir in der niedersten, »Kontinentale Region« genannten Abteilung, die Ur-Typen der physischen Formen, ohne Unterschied, welchem Reiche sie angehören. In dieser kontinentalen Region sind auch die Ur-Typen der Erdteile und Inseln unserer Welt; ihre äußere Form entspricht diesen Ur-Typen. Veränderungen in der Erdrinde müssen in der kontinentalen Region vorgezeichnet werden. Erst wenn das Ur-Modell verändert worden ist, können die Intelligenzen, die wir, um unsere Unwissenheit zu verbergen, »Naturgesetze« nennen - die physischen Bedingungen hervorrufen, die die physischen Züge der Erde, entsprechend jenen Abänderungen umgestalten, so wie es die mit der Evolution betrauten Hierarchien vorgezeichnet haben. Diese planen ebenso Veränderungen, wie sie der Architekt bei einem Ge¬bäude plant, bevor die Werkleute ihm seine konkrete Form geben. Ebenso sind die Umgestaltungen der Flora und Fauna den Metamorphosen in den sie betreffenden Ur-Typen zu verdanken.

Wenn wir von Ur-Typen der verschiedenen Formen der physischen Welt sprechen, dürfen wir nicht glauben, dass diese Ur-Typen bloße Modelle seien, etwa so, wie man ein Versuchsmodell verkleinert und aus einem anderen Material konstruiert als das seiner letzten Ausführung ist. Sie sind nicht nur Abbilder oder Modelle der Formen, die wir um uns sehen, sondern sie sind schöpferische Ur-Typen, d. h sie formen die Körper der physischen Welt nach ihrem Ebenbilde oder, besser gesagt, nach ihren Ebenbildern, denn oft arbeiten viele zusammen, um eine bestimmte Art zu formen, und jede Ur-Type gibt einen Teil zur Erbauung der betreffenden Form her.

Diese zweite Unterabteilung der Region der konkreten Gedanken ist die »Ozeanische Region«. Am besten beschreibt man sie als fließende pulsierende Lebens-Kraft. Hier sieht man als Ur-Typen alle die Kräfte, die durch die vier Äther-Gattungen der Äther-Region wirksam sind. Sie ist ein Strom flutenden Lebens, der durch alle Formen kreist, ähnlich dem durch den Körper pulsierenden Blute; es ist ein und dasselbe Leben in allen Formen. Hier sieht der geübte Hellseher am besten, wie wahr es ist, dass »alles Leben Eins ist«.

Die »Luft-Region« ist die dritte Abteilung der Region der konkreten Gedanken. Hier finden wir die Ur-Typen der Begierden, Leidenschaften, Wünsche, Gefühle und Gemüts-Erregungen, wie wir sie in der Empfindungs-Welt erleben. Hier erscheinen alle Tätigkeiten der Empfindungs-Welt als luftige Zustände. Wie von einem sommerlichen Zephirhauche wird der Sinn des Hellsehers von Gefühlen des Vergnügens und der Freude umweht. Wie das Seufzen das Windes in Baumwipfeln scheint das Sehnen der Seele, und die Leidenschaften kriegführender Nationen sind wie Blitzstrahlen. In dieser Atmosphäre der Region der konkreten Gedanken befinden sich auch Bilder aus dem Gefühlsleben der Menschen und Tiere.

Die »Region der Kräfte der Urtypen« ist die vierte Abteilung der konkreten Gedanken-Region. Sie ist die mittelste und allerwichtigste in den fünf Welten, worin die gesamte Evolution des Menschen vor sich geht. Auf einer Seite dieser Region stehen die. drei höheren Regionen der Gedanken-Welt, die Welt des Lebens-Geistes und die Welt des göttlichen Geistes. Auf der anderen Seite dieser »Region der Kräfte der Urtypen« sind die drei niederen Regionen der Gedanken-Welt, die Empfindungs-Welt und die physische Welt. So wird diese Region zu einer Art »Kreuz«, das an der einen Seite durch die Welten des Geistes, an der anderen durch die Welten der Form begrenzt wird. Sie ist der Brennpunkt, worin der Geist sich in der Materie widerspiegelt.

Wie schon der Name sagt, ist diese Region die Heimat der Kräfte der Urtypen, die die Tätigkeit der Ur-Typen in der Region der konkreten Gedanken lenken. Aus dieser Region wirkt der Geist formend auf die Materie. [...]

Die Gesamtheit der abstrakten Gedanken-Region spiegelt sich in der Empfindungs-Welt wider; die Welt des Lebens¬-Geistes in der Äther-Region der physischen Welt, und die Welt des göttlichen Geistes in der chemischen Region der physischen Welt.

Nachstehendes Diagramm gibt einen Überblick über die sieben Welten, die unsere Entwicklungssphäre bilden. Wir müssen aber sorgsam festhalten, dass diese Welten nicht eine über der anderen stehen, wie sie durch das Diagramm dargestellt sind. Es muss betont werden, dass sie einander durchdringen, so wie es an dem vergleichenden Beispiele der physischen und der Empfindungs-Welt gezeigt wurde, worin wir die Empfindungs-Welt mit den Kraftlinien im gefrierenden Wasser und das Wasser selbst mit der physischen Welt verglichen hatten. Das Gleiche können wir über die Kraftlinien von jedem der sieben Welten denken, und das Wasser würde, wie in unserem obigen Beispiel, der nächst dichten Welt, in dieser Abstufung entsprechen. Vielleicht kann ein anderes Beispiel dieses noch deutlicher erklären.

Die sieben Welten

Die Welt Gottes
bestehend aus sieben Regionen
Gott
Die Welt der jungfräulichen Ur-Geister
Diese Welt besteht aus sieben Regionen und ist der Aufenthaltsort der jungfräulichen Geister, nachdem sie in Gott abgeteilt worden sind, vor ihrer Pilgerfahrt durch die Materie.
Träger des Menschen
Die Welt des göttlichen Geistes
besteht aus sieben Regionen und ist die Heimat des höchsten geistigen Einflusses im Menschen
Göttlicher Geist
Die Welt des Lebensgeistes
besteht aus sieben Regionen und ist der Aufenthalt des zweiten Teils vom dreifachen Geiste des Menschen
Lebensgeist
Gedankenwelt
   
Region der abstrakten Gedanken
Die 7. Region enthält die Keimideen der Formen von Mineralien, Pflanzen, Tieren und Menschen. Die 6. Region enthält die Keimidee des Lebens von Pflanzen, Tieren und Menschen. Die 5. Region enthält die Keimidee der Begierdenund Erregungen von Tieren und Menschen. Aufenthaltsort des 3. Aspektes vom Geist im Menschen.
Menschlicher Geist
Region der konkreten Gedanken
Die 4. Region enthält die Kräfte der Ur-Typen und den menschlichen Intellekt. Sie ist der Brennpunkt, durch den der Geist sich in der Materie widerspiegelt. Die 3. Region enthält Ur-Typen der Begierden und Erregungen (Luftregion). Die 2. Region enthält Ur-Typen der universellen Lebenskraft (Ozeanische Region). Die 1. Region enthält Ur-Typen der Formen (Kontinentale Region).
 
Intellekt
Empfindungswelt

Anziehung
7. Region Seelenkraft
6. Region Seelenlicht
5. Region Seelenleben

Interesse Gleichgültigkeit
4. Region Gefühl
Abstoßung
3. Region Wünsche
2. Region Eindrucksfähigkeit
1. Region Leidenschaft und niedere Begierde

Empfindungsleib
Physische Welt
     
Äther-Region
7. Region Rückstrahlender Äther, Gedächtnis der Natur
6. Region Lichtäther, Vermittlung der Sinneswahrnehmung
5. Region Lebensäther, Vermittler der Fortpflanzung
4. Region Chemischer Äther, Vermittler der Assimilation und Ausscheidung

 
Lebensleib
Chemische Region
3. Region Gase
2. Region Flüssigkeiten
1. Region feste Körper
 
Physischer Körper



Wir wollen die dichte Erde - die chemische Region -- als einen runden Schwamm versinnbildlichen. Stellen wir uns vor, dass feiner Sand alle Poren des Schwammes durchdringt und auch eine Schicht um ihn herum bildet; der Sand kann die Äther-Region, die die dichte Erde durchdringt und sich über ihre Atmosphäre erstreckt, darstellen.

Denken wir uns ferner diesen Schwamm und Sand eingetaucht in ein mit reinem Wasser gefülltes, rundes Glasgefäß, das etwas größer ist, als der Schwamm mit dem Sande. Wir setzen Schwamm und Sand in die Mitte des Gefäßes wie den Dotter in ein Ei. Nun haben wir eine Schicht reinen Wassers zwischen dem Glasgefäß und dem Schwamm. Das Wasser als Ganzes soll die Empfindungs-Welt darstellen, denn so wie das Wasser zwischen die Sandkörner und selbst in die kleinsten Poren des Schwammes dringt und noch außerhalb eine klare Schicht bildet, so durchdringt die Empfindungs-Welt sowohl die dichte Erde wie den Äther und erstreckt sich noch über die Grenzen dieser beiden Substanzen.

Wir wissen, dass das Wasser von Luft durchdrungen wird, und wenn wir uns (in unserem Beispiele) die Luft als Repräsentantin der Gedanken-Welt vorstellen; so haben wir ein schönes geistiges Bild, wie die feinere Gedanken-Welt die zwei dichteren Welten durchdringt.

Stellen wir uns schließlich vor, dass das Glasgefäß mit Schwamm, Sand und Wasser in die Mitte eines kugelförmigen größeren Gefäßes gesetzt würde, so würde die Luftschicht zwischen den Wänden der beiden Gefäße jenen Teil der Gedanken-Welt veranschaulichen, der über die Empfindungs-Welt hinausragt.

Jeder Planet unseres Sonnensystems hat drei einander so durchdringende Welten. Stellen wir uns jeden aus drei Welten bestehenden Planeten als einen Schwamm vor und die vierte Welt, die Welt des Lebens-Geistes, als das Wasser in einem großen Gefäße; in dem diese dreifachen getrennten Schwämme schwimmen, so erfassen wir das Gleichnis: Wie das Wasser im Gefäße den Raum zwischen den Schwämmen ausfüllt und die Verbindung zwischen ihnen herstellt, so erfüllt die Welt des Lebens-Geistes den interplanetarischen Raum und verbindet und durchdringt die einzelnen Planeten. Sie ist ein gemeinsames Band zwischen ihnen, und so wie es nötig ist, ein lenkbares Schiff zu haben, das uns von Amerika nach Afrika bringt, so müssten wir auch unter bewusster Beherrschung einen Träger (Vehikel) haben; der der Eigenart der Welt des Lebensgeistes entspricht, wenn wir von einem Planeten zum anderen reisen wollten.

Gleich wie die Welt des Lebens-Geistes uns mit den anderen Planeten unseres Sonnensystemes verbindet, so verbindet uns die Welt des göttlichen Geistes mit den anderen Sonnensystemen. Wenn wir uns die Sonnensysteme als separate Schwämme vorstellen, die in der Welt des göttlichen Geistes schwimmen, so wird uns offenbar, dass um von einem Sonnensystem zum anderen zu gelangen, man fähig sein müsste, im höchsten Träger des Menschen, im göttlichen Geiste, bewusst zu wirken. S. 24-55
Aus: Max Heindel, Die Weltanschauung der Rosenkreuzer


Die dreifache Seele
Während des Lebens wirkt der dreifache Geist, das Ego, durch und im dreifachen Körper, mit dem er durch das Bindeglied des Intellektes verbunden ist. Diese Werktätigkeit bringt die dreifache Seele ins Dasein. Die Seele ist das vergeistigte Produkt des Körpers.

So wie geeignete Nahrung den Körper in materiellem Sinne aufbaut, befördert die Tätigkeit des Geistes im dichten Körper, die als «richtiges Handeln» zutage tritt, das Wachstum der Bewusstseins-Seele. Wie die Kräfte der Sonne im Lebens-Leibe spielen und ihn ernähren, damit er auf den physischen Leib einwirken kann, so befördert die Erinnerung an Taten des dichten Körpers, an Begierden, Empfindungen und Gefühle des Empfindungs-Leibes und an Gedanken und Ideen des Intellektes das Wachstum der Verstandes-Seele. Ebenso formen die höchsten Empfindungen und Erregungen des Empfindungs-Körpers die Empfindungs-Seele.

Die dreifache Seele steigert wiederum das Bewusstsein des dreifachen Geistes.

Die Empfindungs-Seele als Extrakt des Empfindungs-Leibes vermehrt die Fähigkeiten des menschlichen Geistes, der das geistige Doppelbild des Empfindungs-Leibes ist.

Die Verstandes-Seele vermehrt die Kraft des Lebens-Geistes, weil sie dem Lebens-Leibe entzogen wird, der das materielle Doppelbild des Lebens-Geistes ist.

Die Bewusstseins-Seele vermehrt das Bewusstsein des göttlichen Geistes, weil sie der Extrakt des physischen Körpers ist, welcher das Doppelbild des göttlichen Geistes ist.

Tod und Fegefeuer
So sät und baut der Mensch, bis der Augenblick des Todes herankommt. Dann ist die Zeit zu säen, zu wachsen und zu reifen vorüber. Die Erntezeit ist da, und das Knochengerippe des Todes erscheint mit Stundenglas und Hippe. Das ist ein treffliches Symbol. Das Skelett symbolisiert den verhältnismäßig dauernden Teil des Körpers. Die Sense repräsentiert die Tatsache, dass dieser dauernde Teil, der jetzt vom Geiste geerntet werden soll, die Frucht des Lebens ist, das nun seinem Ende zugeht. Das Stundenglas in seiner Hand zeigt an, dass die Stunde nicht schlägt, bevor die Zeit in Übereinstimmung mit unabänderlichen Gesetzen erfüllt ist. Wenn der Augenblick eintritt, findet eine Trennung der Träger statt. Da für die gegenwärtige Zeit das Leben in der physischen Welt beendet ist, braucht der Mensch seinen physischen Träger nicht mehr zurückzuhalten. Der Lebens-Leib, der, wie wir erklärt haben, auch der physischen Welt angehört, tritt aus dem Körper durch den Kopf hinaus und lässt den physischen Körper unbelebt zurück.

Man kann beobachten, wie die höheren Träger: der Lebens-Leib, der Empfindungs-Leib und der Intellekt, den physischen Körper in spiralförmiger Bewegung verlassen. Mit ihnen geht die Seele eines dichten Atomes. Es ist nicht das Atom selbst, sondern die Kräfte, die es durchströmen. In dieses besondere Atom wurden die Erfahrungen eingeprägt, die während des eben beendeten Lebens gemacht wurden. Während alle anderen Atome des menschlichen Körpers immerfort erneuert wurden, ist dieses eine Atom unverändert geblieben. Es hat nicht nur diesem Leben standgehalten, sondern es hat einen Teil jedes dichten Körpers gebildet, dessen sich ein einzelnes Ego jemals bediente. Es wird beim Tode nur zurückgezogen, um beim Anbruch eines neuen Lebens wieder als Kern zu dienen, um den sich ein neuer physischer Körper zur Benutzung für dasselbe Ego bildet. Es heißt darum das «Keimatom» (Samenatom). Während des Lebens sitzt das Keimatom in der linken Herzkammer, nahe der Spitze. Beim Tode steigt es auf dem Wege des pneumo-gastrischen Nervs zum Gehirn und verlässt den physischen Körper zusammen mit den höheren Trägern durch die Nähte zwischen dem Scheitel- (os parietale) und Hinterhauptbein.


Die Silberschnur
Wenn die höheren Träger den physischen Körper verlassen haben, so sind sie noch mit ihm durch eine dünne, glänzende silbrige Schnur verbunden, die zwei geschriebenen «Sechs» sehr ähnlich ist, von denen eine aufrecht, die andere verkehrt steht und die am Ende ihrer Haken aneinander hängen.
Ein Ende ist durch das Keimatom mit dem Herzen verbunden. Beim Brechen des Keimatomes hört das Herz auf zu schlagen. Die Schnur selbst wird nicht abgeschnitten, ehe nicht das Panorama des vergangenen Lebens, das im Lebens-Leibe enthalten ist, überblickt wurde. Es ist wichtig darauf zu achten, dass der Körper nicht früher als drei Tage nach dem Tode verbrannt oder einbalsamiert wird. Solange der Lebens-Leib in Verbindung mit den höheren Trägern ist, und sie mit dem physischen Körper noch durch die silberne Schnur zusammenhängen, wird jede Leichensektion oder Verletzung des physischeu Körpers nach dessen Ableben noch im gewissen Grade vom Menschen empfunden.

Besonders die Verbrennung sollte in den ersten drei Tagen nach dem Tode vermieden werden, weil sie den Lebens-Leib zerstört, der unverletzt bleiben sollte, bis das Panorama des vergangenen Lebens in den Empfindungs-Körper eingraviert ist.

Die Silberschnur bricht an der Stelle, an der sich die beiden Sechse vereinigen. Die eine Hälfte bleibt beim dichten Körper und die andere bei den höheren Trägern. Erst vom Augenblicke an, in dem die Schnur reißt, ist der physische Körper ganz tot
. S. 96-99
Aus: Max Heindel, Die Weltanschauung der Rosenkreuzer

Das Panorama des vergangenen Lebens
Wenn der Mensch vom physischen Körper befreit ist, der als schwerstes Bleigewicht an seiner geistigen Kraft hing (so wie der Handschuh an der Hand des Musikers in unserem früheren Beispiel), dann kehrt seine geistige Kraft in gewissem Maße zurück und er kann die Bilder im negativen Pole des rückstrahlenden Äthers, der einen Teil seines Lebens-Leibes bildet und der Sitz des unterbewussten Gedächtnisses ist, lesen.

Vor seinem Blicke zieht sein ganzes vergangenes Leben wie ein Panorama vorüber, aber in umgekehrter Reihenfolge. Zuerst erscheinen die Ereignisse der Tage, die dem Tode unmittelbar vorangingen, und so schreitet er zurück durch Mannes- oder Frauenalter, durch Jugend, Kindheit und Säuglingsalter. Alles ist in diesem Gedächtnisse aufbewahrt.

Vor diesem Panorama seines vergangenen Lebens steht der Mensch als Zuschauer. Er sieht die vorübergleitenden Bilder und sie prägen sich seinen höheren Trägern ein. Sie rufen jedoch in diesem Augenblick keine Empfindung in ihm hervor. Das ist seinem Eintritt in die Empfindungs-Welt vorbehalten, die die Welt der Gefühle und Erregungen ist. Gegenwärtig befindet er sich aber in der Äther-Region der physischen Welt.

Dieses Panorama dauert von einigen Stunden bis zu einigen Tagen, was von der Länge der Zeit abhängt, während derer der Mensch, wenn nötig, wach bleiben kann. Einige Menschen können nur 12 Stunden wach bleiben, andere, wenn es sein muss, mehrere Tage lang. Aber sein Panorama dauert so lange, als er fähig ist, wach zu bleiben.

Dieses Abbild des Lebens nach dem Tode gleicht dem, das man während des Ertrinkens oder des Fallens von einer Höhe hat. In solchen Fällen verlässt der Lebens-Leib auch den physischen Körper, und der Mensch sieht sein Leben blitzartig an sich vorüberziehen, denn er verliert das Bewusstsein augenblicklich. Die Silberschnur wird aber nicht abgebrochen, sonst gäbe es kein Wiederaufleben.

Wenn der Lebens-Leib die Grenze seines Widerstandes erreicht hat, bricht er zusammen, so wie es bei der Erscheinung des Schlafes beschrieben wurde. Solange das Ego während des physischen Lebens seine Träger lenkt, ist dieses Zusammenbrechen der Abschluss des Wachzustandes; nach dem Tode beschließt dieses Zusammenbrechen des Lebens-Leibes das Panorama des Lebens und zwingt den Menschen zum Eintritt in die Empfindungs-Welt. Die Silberschnur bricht an der Stelle der Vereinigung der beiden «Sechs», und es geschieht dieselbe Trennung, die wie während des Schlafes stattfindet, nur mit dem wichtigen Unterschiede, dass der Lebens-Leib, obwohl er zum physischen Körper zurückkehrt, ihn nicht mehr durchdringt, sondern bloß über ihm schwebt. Er schwebt über dem Grabe hin und her und löst sich gleichzeitig mit dem physischen Körper auf. Aus diesem Grunde ist für den geübten Hellseher ein Friedhof ein grauenerregender Anblick, und wenn auch andere dieses Geschehen beobachten könnten, so brauchte man keine langen Auseinandersetzungen, um die gegenwärtige, ungesunde Methode der Leichenbestattung mit der viel vernünftigeren des Verbrennens zu vertauschen, die die Elemente in ihren Ur-Zustand zurückführt, ohne dass sie die widerlichen Begleiterscheinungen des langsamen Zerfalles hervorruft.
S.101-103

Das Reinigungsleben im Fegefeuer
Beim Verlassen des Lebens-Leibes ist der Vorgang im großen und ganzen so wie beim Aufgeben des physischen Körpers. Auch hier werden einem Atome die Lebenskräfte entzogen, um als Kern für den Lebens-Leib in einer zukünftigen Inkarnation zu dienen. So bringt der Mensch bei seinem Eintritt in die Empfindungs-Welt die Keim-Atome des physischen und des Lebens-Leibes, zusammen mit dem Empfindungs-Körper und dem Intellekte, mit.

Wenn der Sterbende alle seine Begierden zurücklassen könnte, würde sein Empfindungs-Leib sehr rasch von ihm abfallen und ihm die Freiheit geben, in die himmlische Welt einzugehen, aber im Allgemeinen ist das nicht der Fall. Die meisten Menschen, namentlich solche, die im Frühling des Lebens sterben, werden durch viele Bande und Interessen an das Erdenleben gefesselt. Ihre Empfindungen haben sich durch den Verlust ihres physischen Körpers nicht verändert. Ja oftmals verstärken sie sich noch durch ein heftiges Sehnen, zurückzukehren. Das hat zur Folge, sie in sehr unangenehmer Weise an die Ernpfindungs-Welt zu binden, obwohl ihnen das unglücklicherweise nicht bewusst wird. Alte Menschen aber und die, die durch lange Krankheit sehr geschwächt und des Lebens müde sind, gehen sehr schnell durch die Empfindungs-Welt hindurch.

Ein Vergleich mit einem Kerne, der sehr leicht aus der reifen Frucht fällt, wobei nichts vom Fleische an ihm haften bleibt, beleuchtet diese Erscheinung. Der unreife Kern hängt mit äußerster Zähigkeit am Fruchtfleische. Menschen, die auf der Höhe ihrer physischen Gesundheit und Stärke durch einen Unglücksfall betroffen werden, sterben ganz besonders schwer, weil sie noch in zahllose Angelegenheiten des physischen Lebens verwickelt waren, weil sie durch die Bande der Ehe, der Familie, der Verwandten, der Freunde, des Hingebens an Geschäfte und Vergnügungen gehalten wurden.

Der Selbstmörder, der dem Leben zu entfliehen sucht, wird nur finden, dass er so lebendiger ist, als je; sein Zustand ist der bedauernswürdigste. Er ist imstande, die, die er vielleicht durch seine Tat schädigte, zu beobachten. Das schlimmste von allem aber ist ein unaussprechliches Gefühl, das er hat. Es ist ihm, als sei er ausgehöhlt. Der Teil seiner eiförmigen Aura, den sein physischer Körper bisher einnahm, ist leer. Wenn auch der Empfindungs-Leib die Form des abgeschiedenen physischen Körpers angenommen hat, hat der Mensch doch das Gefühl, eine leere Schale zu sein. Das kommt daher, weil der schöpferische Ur-Typus in der Region der konkreten Gedanken als leere Hülse so lange fortwirkt, als der physische Körper ursprünglich gelebt haben würde. Stirbt ein Mensch eines natürlichen Todes, wenn auch in der Blüte des Lebens, so hört auch die Tätigkeit des Ur-Typus auf. Dem passt sich der Empfindungs-Leib an und füllt die Form ganz aus. Im Falle eines Selbstmordes bleibt aber das entsetzliche Gefühl des Ausgehöhltseins bestehen, bis zum Zeitpunkte, an dem der natürliche Tod eingetreten wäre.

Solange der Mensch seine an der Erde haftenden Empfindungen behält, muss er in seinem Empfindungs-Leibe bleiben, und da der Fortschritt des Individuums fordert, dass es in höhere Regionen eingehe, muss der Aufenthalt in der Empfindungs-Welt natürlich reinigend wirken; er muss ihn von seinen ihn fesselnden Begierden befreien. Wie das vor sich geht, wird am besten an einigen Schulbeispielen erläutert.

Der Geizhals, der auf Erden sein Gold liebte, liebt es in der Empfindungs-Welt genau so; er kann nun aber unmöglich mehr Gold erwerben, da ihm der physische Körper fehlt, um es zusammenzuscharren und, was am schlimmsten ist, er kann nicht einmal das behalten, was er während des Lebens aufgehäuft hatte. Vielleicht geht er hin, setzt sich zu seinem Geldschrank und bewacht sein geliebtes Gold und seine Pfandbriefe. Nun kommen aber die Erben, scherzen über den «filzigen alten Narren» (den sie nicht sehen, der sie aber sowohl sieht wie hört) und öffnen seinen Geldschrank. Er wirft sich wohl über sein Gold, um es zu beschützen, aber sie stecken ihre Hände durch ihn hindurch, wissen nichts von seiner Anwesenheit, kümmern sich auch nicht darum und gehen dann hin, um seinen Schatz auszugeben, während er in Kummer und ohnmächtiger Wut leidet.

Er leidet schwer, denn seine Leiden sind um so schrecklicher, weil sie vollkommen mentaler Art sind. Der physische Körper dämpft solche Leiden einigermaßen. Aber in der Empfindungs-Welt haben diese Leiden freies Spiel, und der Mensch leidet, bis er zur Einsicht kommt, dass sein Geld ein Fluch sein kann. So söhnt er sich nach und nach mit seinem Lose aus und wird endlich von seinem Empfindungs-Leibe erlöst. Er ist dann bereit weiterzugehen.

Oder man nehme den Fall eines Säufers. Er liebt berauschende Getränke nach seinem Tode genau so wie vorher. Nicht der physische Körper giert nach Getränken, denn er wird durch den Alkohol nur krank und würde ihn lieber meiden. Vergebens wehrt er sich auf verschiedene Weise gegen die Aufnahme von Alkohol. Der Empfindungs-Leib des Trunkenboldes lechzt nach alkoholischen Getränken und zwingt den physischen Körper, sie aufzunehmen, damit er das Vergnügen der erhöhten Schwingungen genießen kann. Die Begierde bleibt nach dem Tode des physischen Körpers, aber der Empfindungs-Leib des Trunkenboldes hat weder einen Mund zum Trinken noch einen Magen, um die Getränke zu behalten. Vielleicht, ja gewiss, begibt sich der Säufer in Trinkstuben, wo er seinen Körper in die Körper der Trinkenden einzwängt, damit er das Lustgefühl der erhöhten Schwingungen wenigstens durch Übertragung genießen kann. Aber diese Empfindung ist zu schwach, um ihm viel Vergnügen zu bereiten. Er begibt sich auch in Whiskyfässer, aber ebenso nutzlos, weil im Fasse nicht dieselben Dünste entstehen, wie sie von den Verdauungsorganen eines Trinkers erzeugt werden. Er verspürt keine Wirkung und gleicht einem Manne, der in einem offenen Boote im Ozean schwimmt. «Wasser, überall Wasser, aber kein Tropfen zum Trinken»; und er leidet Qualen. Mit der Zeit lernt er die Erfolglosigkeit seines Sehnens aber erkennen, und, wie so viele der Begierden in unserem Erdenleben, sterben alle Begierden in der Empfindungs-Welt an der Unmöglichkeit sie zu befriedigen. Wenn der Trinker sich geläutert hat, so ist er, wenigstens was dieses Laster betrifft, bereit, diesen Zustand des «Fegefeuers» zu verlassen und in die himmlische Welt einzugehen.

Hieraus ersehen wir, dass es kein rächender Gott ist, der Fegefeuer oder Hölle für uns schafft, sondern dass es unsere eigenen üblen Gewohnheiten und Taten sind. Der Heftigkeit unserer Begierden entspricht auch die Länge der Zeit und die Intensität der Leiden, die wir zu ihrer Austilgung brauchen. Im erwähnten Falle wäre es für den Trunkenbold kein Leid gewesen, seinen weltlichen Besitz zu verlieren. Selbst wenn er Schätze besaß, hing er nicht an ihnen. Es hätte auch den Geizhals nicht geschmerzt, keine berauschenden Getränke genießen zu können. Man kann mit Sicherheit behaupten, dass ihn der Mangel jedes trinkbaren Tropfens auf der Erde gleichgültig gelassen hätte. Der Geizhals sorgte sich um sein Gold, der Trunkenbold gierte nach berauschenden Getränken, und darum gab das unfehlbare Gesetz jedem, was zur Befreiung von seinen Begierden und Lastern dienlich war.

Das ist das Gesetz, das durch die Sense des Schnitters Tod symbolisiert wird, das Gesetz, das da sagt: «Was der Mensch sät, das wird er ernten.» Es ist das Gesetz der Ursache und Wirkung, das alle Dinge der drei Welten beherrscht, dem jedes Naturreich unterworfen ist: das physische, das moralische und das geistige. Überall wirkt es unerbittlich, es gleicht alles aus, es stellt das Gleichgewicht wieder her, da wo die kleinste Handlung eine Störung hervorgerufen hat, wie es ja schließlich jede Handlung tun muss. Die Wirkung kann sich unmittelbar zeigen, sie kann nach Jahren oder nach Leben eintreten, aber irgendwann und irgendwo erfolgt gerechte und ausgleichende Wiedervergeltung. Der Schüler muss besonders darauf achten, dass die Tätigkeit dieses Gesetzes vollständig unpersönlich ist. In der Natur gibt es weder Lohn noch Strafe, alles ist die Folge eines unabänderlichen Gesetzes.
Die Wirkungsweise dieses Gesetzes wird im nächsten Kapitel eingehender auseinandergesetzt werden, wo wir es in Verbindung mit einem anderen großen, kosmischen Gesetze finden werden, das auch in die Entwicklung des Menschen eingreift. Das Gesetz, das wir jetzt betrachten, heißt: das Gesetz der Ursache und Wirkung.

In der Empfindungs-Welt reinigt es den Menschen von seinen Begierden, gleicht seine Schwächen und Laster, die ihn am Fortschritte hindern, aus und lässt ihn zu diesem Zwecke in der Art leiden, die diesen Erfolg am ehesten herbeiführt. Wenn er andere leiden ließ oder ungerecht behandelte, wird mit ihm ebenso verfahren werden. Es muss aber bemerkt werden, dass ein lasterhafter oder ungerechter Mensch, der seine Laster überwunden oder bereute, und seine Ungerechtigkeit so weit als möglich gut gemacht hat, durch solche Reue, Besserung oder Wiederherstellung sich von diesen besonderen Lastern und bösen Taten befreit hat. Das Gleichgewicht ist wiederhergestellt, und die Lehre ist in diesem Erdenleben aufgenommen worden, daher fehlt die Ursache zu leiden nach dem Tode.

In der Empfindungs-Welt vergeht das Leben ungefähr dreimal so schnell wie in der physischen Welt. Ein Mensch, der in der physischen Welt fünfzig Jahre alt geworden ist, würde dieselben Ereignisse in der Empfindungs-Welt in ungefähr 16 Jahren durchleben. Dies ist jedoch nur allgemein der Fall. Es gibt Menschen, die in der Empfindungs-Welt viel länger leben, als die ihnen zugemessene Spanne Zeit in der physischen Welt betrug, andere, deren Leben von wenigen groben Begierden erfüllt war, durchlaufen die Empfindungs-Welt in viel kürzerer Zeit, aber das oben angegebene Maß stimmt fast für alle Durchschnittsmenschen der Gegenwart.

Rufen wir uns in Erinnerung zurück, dass beim Verlassen des physischen Körpers das vergangene Leben in Bildern vorüberzieht, der Mensch aber in diesem Augenblicke kein Empfinden dafür hat.

Auch während des Lebens in der Empfindungs-Welt laufen diese Lebensbilder in umgekehrter Reihenfolge wie vorher ab. Nun hat aber der Mensch so viele Gefühle dabei, als er haben kann, während die Szenen eine nach der anderen vorüberziehen. Er durchlebt nun jeden Augenblick seines Lebens nochmals. Wenn er zu einem Punkte kommt, an dem er einem Menschen Unrecht getan hat, so empfindet er das Unrecht so, wie der betreffende Mensch es empfand. Er durchlebt allen Kummer und Schmerz, den er anderen verursachte, und lernt dabei, wie schmerzlich die Verlet¬zung, und wie schwer zu ertragen der Kummer war, den er schuf. Dazu kommt noch, dass das Leiden, wie bereits erwähnt, schärfer empfunden wird, weil der physische Körper den Schmerz nicht mehr abstumpfen kann. Vielleicht ist deshalb die Schnelligkeit des Lebens verdreifacht, damit die Leiden durch die Verkürzung das verlieren, was sie an Stärke gewinnen. Das Maß der Natur ist wunderbar gerecht und wahr.

Diesem Abschnitte des Lebens nach dem Tode ist noch ein anderes Merkmal eigentümlich, das eng mit der schon angeführten Tatsache des Nichtbestehens der Entfernungen in der Empfindungs-Welt, zusammenhängt. Wenn der Mensch stirbt, so scheint er auf einmal in seinen Lebens-Leib hineinzuschwellen, der ungeheure Ausdehnungen anzunehmen scheint. Nicht der Körper wächst wirklich, sondern die Aufnahmefähigkeit wird von vielen Eindrücken aus verschiedenen Quellen, die alle ganz nahe zu sein scheinen, getroffen. Dasselbe gilt auch vom Empfindungs-Körper. Es scheint dem Menschen so, als sei er bei allen Menschen gegenwärtig, mit denen er auf der Erde in Beziehung stand, die nun berichtigt werden müssen. Wenn er einen Menschen in San Franzisko und einen in New-York verletzt hat, so scheint es ihm, als wenn ein Teil von ihm an jedem der beiden Orte wäre, was das Gefühl des Zerstückeltseins hervorruft.

Der Schüler wird nun, wo sich das Panorama des vergangenen Lebens in scharf umgrenzte Gefühle umsetzt, auch die Wichtigkeit dieses Panoramas während des Reinigungslebens verstehen. Wenn es lange dauerte, und der Mensch nicht gestört wurde, so macht ein voll und klar dem Empfindungs-Leibe eingegrabener Eindruck das Leben in der Empfindungs-Welt lebendiger und bewusster. Die Reinigung kann dann gründlicher vor sich gehen, als wenn laute Ausbrüche der Verzweiflung und des Kummers am Totenbette nach dem Tode den Abgeschiedenen nur einen verschwommenen Eindruck seines vergangenen Lebens gewinnen lassen. Der Geist, der seinem Empfindungs-Leibe einen tiefen und klaren Eindruck eingeprägt hat, wird die Fehler seines vergangenen Lebens viel klarer und bestimmter fühlen, als wenn die Bilder verschwommen geblieben wären, weil seine Aufmerksamkeit durch die Leiden und den Kummer seiner Umgebung abgelenkt wurde. Das Gefühl betreffend die Ursachen seiner Leiden in der Empfindungs-Welt, wird viel bestimmter sein, wenn es von einem deutlichen Eindrucke des Panoramas herrührt, als wenn die Dauer des Vorganges nur kurz ist.

Dieses scharf und klar umrissene Gefühl ist für die zukünftigen Leben von größtem Werte. Es drückt dem Keimatome des Empfindungs-Leibes ein unauslöschliches Merkmal von sich auf. Die Erfahrungen werden in künftigen Leben vergessen sein, das Gefühl aber wird bleiben. Wenn sich in späteren Leben Gelegenheiten bieten, die Fehler zu wiederholen, so wird das Gefühl klar und unfehlbar davor warnen. Es ist die «stille, kleine Stimme», die uns warnt, obwohl wir nicht wissen warum. Aber je klarer und bestimmter das Panorama des vergangenen Lebens gewesen ist, desto öfter, stärker und klarer werden wir diese Stimme hören. Daraus ersehen wir, wie wichtig es ist, die hinübergehende Seele nach dem Tode völlig in Ruhe zu lassen. Handeln wir entsprechend, so helfen wir ihr, dem eben beendeten Leben den größten Nutzen zu entziehen und die Wiederholung derselben Fehler in künftigen Leben zu vermeiden, während unsere selbstsüchtigen, hysterischen Klagen ihr viel vom Nutzen des eben abgeschlossenen Lebens rauben können.

Die Aufgabe des Fegefeuers ist, die üblen Gewohnheiten dadurch auszumerzen, dass ihre Befriedigung unmöglich wird. Der Mensch leidet genau so, wie er andere durch seine Unehrlichkeit, seine Grausamkeit, seine Unduldsamkeit usw. leiden ließ. Aus diesen Leiden lernt er in künftigen Leben gegen andere gütig, ehrlich und nachsichtig zu sein. So lernt er als Folge dieses heilbringenden Zustandes Tugend und richtiges Handeln. Wenn er wieder geboren wird, ist er frei von üblen Gewohnheiten; jeder begangene Fehltritt entspringt dann dem freien Willen. Der Hang, das Böse aus vergangenen Leben zu wiederholen, bleibt zurück, denn wir müssen lernen, das Rechte bewusst und aus freiem Willen zu tun. Gelegentlich versuchen uns diese Neigungen und geben uns dadurch Gelegenheit, uns auf die, Seite der Rechtschaffenheit und Tugend oder auf die Seite des Lasters und der Grausamkeit zu stellen. Das Gefühl aber, das aus der Reinigung von den Fehlern und aus der Austilgung der üblen Taten der vergangenen Leben erwächst, hilft uns, die rechte Handlungsweise zu erkennen und widerstandsfähig gegen die Fallstricke und Ränke der Versuchung zu sein. Wenn wir dieses Gefühl beachten und uns von dem besonderen damit verbundenen Übel fernhalten, wird die Versuchung aufhören. Wir haben uns für alle Zeiten davon befreit. Geben wir nach, so werden wir schwerer leiden als vorher, bis wir endlich gelernt haben, nach der goldenen Regel zu leben, denn der Weg für den Übertreter ist hart. Aber selbst dann ist das Endziel noch nicht erreicht. Anderen Gutes tun, damit sie uns wieder Gutes tun, ist im Grunde selbstsüchtig. Wir müssen mit der Zeit lernen, das Gute ohne Rücksicht darauf zu tun, wie wir von anderen behandelt werden. Christus sagt, wir müssen selbst unsere Feinde lieben.

Eine unschätzbare Wohltat ist es, über die Methode und den Zweck dieser Reinigung unterrichtet zu sein, weil es uns dadurch möglich wird, unser Fegefeuer schon hier und jetzt Tag für Tag zu durchleben und auf diese Weise viel schneller vorwärts zu kommen, als es sonst möglich wäre. Im späteren Teile dieses Buches wird eine Übung angegeben, deren Zweck die Reinigung ist, die wir zur Entwicklung geistigen Sehens brauchen. Sie besteht darin, die Ereignisse des Tages zu überdenken, ehe man sich zur Ruhe begibt. Wir lassen alle Ereignisse des Tages in umgekehrter Reihenfolge an uns vorüberziehen, richten unser besonderes Augenmerk auf ihre moralische Seite und überlegen, ob wir in jedem einzelnen Falle, was Taten, geistige Haltung und Gewohnheiten betrifft, recht oder unrecht getan haben. Wenn wir uns auf diese Weise selbst kritisieren und suchen, Fehler und Übeltaten zu verbessern, können wir die Reinigungszeit im Fegefeuer wesentlich abkürzen, vielleicht sogar unnötig machen und nach dem Tode unmittelbar in den ersten Himmel eingehen. Wenn wir so unsere Schwächen bewusst bekämpfen, machen wir auch sehr wesentliche Fortschritte auf unserem Entwicklungswege. Selbst wenn es uns nicht gelingt, unsere Taten zu berichtigen, so ziehen wir doch außerordentlichen Vorteil aus unserer Selbstkritik, da wir dadurch Neigungen zum Guten schaffen, die sich im Laufe der Zeit unfehlbar als rechte Handlungen verwirklichen müssen.

Wenn wir die Tagesereignisse überblicken und uns für die Fehler tadeln, so dürfen wir auch nicht vergessen, auf unpersönliche Weise unsere guten Taten anzuerkennen und uns zu entschließen, noch besser zu handeln. So fördern wir das Gute durch Anerkennung und verringern das Böse durch Tadel.

Reue und Umkehr sind ebenfalls mächtige Faktoren zur Abkürzung des Reinigungszustandes, denn die Natur verschwendet niemals Anstrengungen in nutzlosen Vorgängen. Wenn wir uns des Unrechtes verschiedener Gewohnheiten und Taten aus unserem vergangenen Leben bewusst werden und den Entschluss fassen, das Unrecht gutzumachen und die üble Gewohnheit abzulegen, tilgen wir ihr Bild aus dem unterbewussten Gedächtnisse aus, und sie können nach dem Tode nicht über uns zu Gericht sitzen. Selbst wenn wir nicht fähig sind, unser Unrecht gutzumachen, so genügt die Aufrichtigkeit unserer Reue. Das Ziel der Natur ist nicht Rache. Unsere Opfer werden Genugtuung auf andere Weise erhalten.

Es können viele dem künftigen Leben vorbehaltene Fortschritte von einem Menschen erreicht werden, der der Zeit vorauseilt, indem er sich selbst richtet und seine Fehler und Laster durch Verbesserung seines Charakters austilgt. Diese Übung wird dringend empfohlen. Sie ist vielleicht die wichtigste Lehre dieses Werkes.
S.103-113

Das Grenzland
Das Fegefeuer nimmt die drei niederen Regionen der Empfindungs-Welt ein. Der erste Himmel befindet sich in den drei oberen Regionen. Die mittlere Region ist eine Art Grenzland, weder Himmel noch Hölle. Hier finden wir Menschen, die ehrlich und rechtschaffen waren, die niemand Unrecht taten, die aber so in ihre geschäftlichen Angelegenheiten vertieft waren, dass sie niemals an ein höheres Leben dachten. Für sie ist die Empfindungs-Welt ein Zustand unbeschreiblicher Einförmigkeit. Hier gibt es keine «Geschäfte» noch irgend etwas, das an ihre Stelle treten könnte. Sie machen eine harte Zeit durch, bis sie an etwas anderes denken lernen, als an Geschäftsbücher und Briefkonzepte. Auch Menschen, die über das Problem des Lebens nachdachten und zu dem Schluss kamen, dass «der Tod das Ende von allem» sei, und die das Bestehen von übersinnlichen Dingen leugneten, fühlen diese fürchterliche Einförmigkeit. Sie hatten Vernichtung des Bewusstseins erwartet und finden sich nun mit geschärfter Aufnahmefähigkeit für Menschen und Dinge ihrer Umgebung wieder. Sie waren gewohnt, diese Dinge so energisch zu leugnen, dass sie oft glauben, die Empfindungs-Welt sei eine Sinnestäuschung, und nicht selten kann man sie in tiefer Verzweiflung rufen hören: «Wann wird das enden ?»

Diese Menschen sind wirklich bedauernswert. Sie sind für gewöhnlich außerhalb des Bereiches jeder Hilfe und leiden viel länger als die meisten anderen. Sie haben außerdem fast kein Leben in der himmlischen Welt, wo der Aufbau der Körper zum künftigen Gebrauch gelehrt wird, und so werfen sie alle ihre kristallisierenden Gedanken in irgendeinen Körper, den sie für ihr zukünftiges Leben erbauen; so entsteht ein Körper, der die verhärtenden Neigungen hat, wie wir sie z. B. bei Lungenkranken sehen können. Manchmal bringen die Leiden, die einem so gebrechlichen Körper anhaften, die Gedanken des Menschen zu Gott und ihre Entwicklung kann vorwärts schreiten. Aber im materialistischen Intellekt liegt die größte Gefahr, die Verbindung mit dem Geist zu verlieren und ein Ausgestoßener zu werden. Darum waren die «Älteren Brüder» während des letzten Jahrhunderts sehr ernsthaft um das Schicksal der westlichen Welt besorgt, und wenn sie sich nicht so segenbringend bemüht hätten, hätten wir eine verheerende soziale Umwälzung gehabt, gegen die die französische Revolution nur ein Kinderspiel war. Der geübte Hellseher sieht, wie knapp die Menschheit vernichtendem Unheil entgangen ist, das ganze Erdteile ins Meer gefegt hätte.
S.113-144 […]

Der erste Himmel
Wenn die Zeit der Läuterung vorüber ist, steigt der gereinigte Geist in den ersten Himmel, in die drei höchsten Regionen der Empfindungs-Welt, in der die Resultate seiner Leiden dem Keimatome des Empfindungs-Leibes einverleibt werden. Wie bekannt, teilt dieses die Fähigkeit, richtig zu fühlen, mit und schafft einen Antrieb zum Guten und eine Abhaltung vom Bösen im künftigen Leben. Hier entrollt sich das Panorama des vergangenen Lebens abermals in umgekehrter Reihenfolge, nur sind es hier die guten Taten, die zur Grundlage der Gefühle werden. Wenn wir zu den Szenen kommen, in denen wir anderen halfen, so erleben wir nochmals die Freude des Helfens, die wir in dem Augenblick genossen und fühlen dazu noch alle Dankbarkeit des Empfängers unserer Hilfe. Wenn wir zu den Szenen kommen, in denen uns geholfen wurde, fühlen wir nochmals alle Dankbarkeit, die wir für unsere Wohltäter hegten. Daraus sehen wir die Wichtigkeit, die uns erwiesenen Guttaten dankbar anzuerkennen, denn die Dankbarkeit trägt zum Seelenwachstum bei. Unser Glück im Himmel hängt davon ab, wieviel Freude wir anderen bereiteten und dass wir anerkannten, was andere für uns taten. […]
Der erste Himmel ist der Ort der Freude, ohne einen einzigen Tropfen Bitterkeit. Der Geist schwebt über den materiellen, irdischen Zuständen und nimmt alles Gute aus seinem vergangenen Leben auf, so wie es an ihm vorüberzieht. Hier erfüllen sich ihm alle edlen Bestrebungen, die auf der Erde nur angebahnt wurden, in vollstem Maße. Er ist der Ort der Ruhe, und je härter das Leben mit dem Menschen umgesprungen ist, desto süßer wird die Ruhe empfunden werden. Krankheit, Kummer und Schmerz sind unbekannte Erscheinungen. Hier ist das Sommerland der Spiritualisten. Hier der Ort, an dem die Gedanken der frommen Christen das neue Jerusalem aufgebaut haben. Menschen, die nach dem Besitz schöner Häuser, Blumen und dergleichen strebten, haben das alles hier; sie errichten diese Dinge selbst aus dem feinen Empfindungs-Stoffe. Und trotzdem sind diese Dinge für sie ebenso wirklich und körperlich, wie uns die materiellen Häuser. Hier wird allen die Befriedigung, die ihnen im Erdenleben nicht zuteil wurde.

Eine Gruppe führt hier ein besonders schönes Leben: die Kinder. Wenn wir sie sehen könnten, hätte unser Kummer schnell ein Ende. Wenn ein Kind vor der Geburt des Empfindungs-Leibes stirbt, die ungefähr um das vierzehnte Jahr erfolgt, so steigt es nicht höher, als in den ersten Himmel, weil es für seine Handlungen so wenig verantwortlich ist als das ungeborene Kind für die Schmerzen, die es seiner Mutter durch seine Bewegungen in ihrem Schoß macht. Deshalb hat das Kind kein Leben im Fegefeuer. Was nicht lebendig wurde, kann nicht sterben, und so bleibt der Empfindungs-Leib des Kindes mit seinem Intellekte bis zu einer neuen Geburt bestehen; aus diesem Grunde können sich Kinder oft an ihr früheres Erdenleben erinnern, wie wir dieses aus einem weiterhin zu bringenden Beispiel sehen werden.

Für solche Kinder ist der erste Himmel ein Warteplatz, wo sie von einem bis zwanzig Jahre bleiben, bis sich eine Gelegenheit zu einer neuen Geburt bietet. Doch ist er nicht nur ein Warteplatz, da während dieser Zeit viele Fortschritte gemacht werden.

Stirbt ein Kind, so wird es immer von irgend einem Verwandten erwartet oder, sollte das unmöglich sein, so gibt es Menschen, die im Leben gerne Kinder «bemutterten» und sich nun freudig des kleinen herrenlosen Gutes annehmen. Die außerordentliche Bildsamkeit des Empfindungs-Stoffes macht es leicht, die herrlichsten lebenden Spielzeuge für die Kinder zu schaffen, und ihr Leben ist ein einziges schönes Spiel. Ihr Unterricht wird aber dabei nicht vernachlässigt. Sie werden je nach ihrem Temperament, ohne Rücksicht auf ihr Alter, in Klassen geteilt. In der Empfindungs-Welt ist es leicht, Anschauungsunterricht über den Einfluss von guten und bösen Leidenschaften auf das Betragen und auf das Glück zu geben. Diese Lehren prägen sich dem empfindsamen und aufnahmefähigen Empfindungs-Leibe des Kindes unauslöschlich ein und verbleiben in ihm auch nach seiner Reinkarnation, so dass mancher, der ein edles Leben lebt, den Dank dafür zum großen Teile dieser Erziehung schuldet. Oftmals, wenn ein schwacher Geist geboren wird, lassen ihn die «Mitleidigen» (die unsichtbaren Führer, die unsere Entwicklung lenken) in frühen Jahren sterben, damit er seine besondere Erziehung erhalte und fähig werde, ein hartes Leben zu führen. Das scheint besonders dann der Fall zu sein, wenn die Schrift im Empfindungs-Leibe schwach war, weil der Sterbende durch die Klagen seiner Angehörigen gestört. wurde, oder weil er auf dem Schlachtfelde oder durch einen Unglücksfall starb. Er erfuhr so nicht die nötige Intensität der Gefühle in seinem Leben nach dem Tode. Dieser Mangel wird ausgeglichen, wenn er geboren wird und im frühen Kindesalter stirbt. Oft fällt die Pflicht, im himmlischen Leben ein solches Kind zu pflegen, denen anheim, die schuld an dieser Unregelmäßigkeit waren. So bietet sich ihnen Gelegenheit, ihren Fehler gutzumachen und zu lernen vernünftiger zu handeln. Oder vielleicht werden sie die Eltern der Geschädigten und haben die Pflicht, in den wenigen Erdenjahren, die sie leben, für sie zu sorgen. Wenn sie dann bei ihrem Tode in hysterisches Wehklagen ausbrechen, so liegt nichts daran, weil im Lebens-Leibe eines Kindes doch keine be¬merkenswerten Bilder entstehen.

Dieser Himmel ist auch ein Ort des Fortschrittes für alle, die lernbegierig, künstlerisch begabt, oder menschenfreundlich waren. Der Student und der Philosoph haben unmittelbaren Zutritt zu allen Büchereien der Welt. Der Maler genießt endlose Wonnen durch die immer wechselnden Farbenzusammenstellungen. Bald lernt er, dass seine Gedanken diese Farben verbinden und nach seinem Willen formen. Seine Schöpfungen leuchten und glitzern in einem Leben, wie es die trüben Erdfarben niemals verleihen können. Er malt mit lebendigem, glühendem Material und kann seine Entwürfe mit einer Leichtigkeit ausführen, die ihn entzückt. Der Musiker hat hier noch nicht den Ort erreicht, an dem seine Kunst voll zum Ausdrucke gelangt. Die physische Welt ist die Welt der Form. Die Empfindungs-Welt, in der wir das Fegefeuer und den ersten Himmel finden, ist vorwiegend die Welt der Farbe. Aber die Gedanken-Welt, der zweite und dritte Himmel, ist die Sphäre des Tones. Himmlische Musik ist eine Tatsache, und nicht nur eine Redewendung. Pythagoras fabelte nicht, wenn er von der Musik der Sphären sprach, denn jeder der raumdurchsausenden Sterne hat seinen bestimmten Ton, und sie tönen zusammen zur himmlischen Symphonie, deren Goethe auch im Prolog zum «Faust», dessen Schauplatz im Himmel liegt, erwähnt. Der Erzengel Raphael spricht:

Die Sonne tönt nach alter Weise
In Brudersphären Wettgesang,
Und ihre vorgeschrieb'ne Reise
Vollendet sie mit Donnergang.


Selbst hier in der physischen Welt erreichen uns Wiederklänge der himmlischen Musik. Sie sind unser kostbarstes Gut, obwohl sie so flüchtig sind wie ein Irrlicht und nicht für die Dauer geschaffen werden können wie andere Kunstwerke, wie eine Statue, ein Bild oder ein Buch. In der physischen Welt stirbt und verschwindet der Ton, nachdem er geboren wurde. Im ersten Himmel sind naturgemäß diese Wiederklänge schöner und dauernder, daher hört der Musiker hier süßere Weisen als jemals in seinem Erdenleben.

Die Erfahrungen des Dichters sind denen des Musikers verwandt. Die Dichtkunst ist der wörtliche Ausdruck der innersten Seelengefühle nach denselben Gesetzen der Harmonie und des Rhythmus angeordnet, die auch die musikalischen Ergüsse des Geistes beherrschen. Hierzu kommt noch, dass der Dichter eine herrliche Anregung in den für die Empfindungs-Welt charakteristischen Bildern und Farben findet. Von dort nimmt er die Anregung zu seinen Schöpfungen im nächsten Erdenleben. Ebenso sammelt sich der Schriftsteller Fähigkeit und Material an. Der Philanthrop arbeitet seine altruistischen Pläne zur Hebung des Menschen aus. Wenn er in einem Leben Misserfolg hatte, so wird ihm im ersten Himmel klar, woran das lag, und er wird lernen, Hindernisse zu überwinden und Fehler, die seine Pläne undurchführbar machten, zu vermeiden.

Endlich ist der Zeitpunkt erreicht, wo die Leiden des Fegefeuers mit den Freuden, die den guten Werken des vergangenen Lebens entsprangen, in dem Keim des Empfindungs-Leibes niedergelegt werden. Sie bilden zusammen das, was wir Gewissen nennen, unseren Warner vor üblen Taten als den Erzeugern der Schmerzen und unseren Aneiferer zum Guten, als der Quelle von Glück und Freude. Dann überlässt der Mensch seinen Empfindungs-Leib dem Verfalle, wie er es einst mit dem physischen und Lebens-Leib tat. Er nimmt nur die Kräfte des Keimatoms mit sich, die den Kern der zukünftigen Empfindungskörper bilden werden, wie sie die dauernden Bestandteile seiner vergangenen Empfindungsträger waren.

Wie bereits erwähnt, werden die Kräfte dem Keimatome entzogen. Für den Materialisten sind Kraft und Materie untrennbar. Der Esoteriker denkt darüber anders. Ihm sind sie nicht zwei vollkommen verschiedene und getrennte Begriffe, sondern die beiden Pole eines Geistes.

Materie ist kristallisierter Geist.
Kraft ist derselbe noch unkristallisierte Geist.

Das wurde bereits gesagt, aber es kann nicht fest genug eingeprägt werden. In dieser Beziehung ist das Beispiel von der Schnecke sehr hilfreich. Die Materie, die kristallisierter Geist ist, entspricht dem Schneckenhause, das kristallisierte Schnecke ist. Die chemische Kraft, die die Materie bewegt, macht sie zum Erbauen der Form brauchbar, und auch hier ist die Schnecke, die ihr Haus bewegt, ein gutes Bild. Was jetzt Schnecke ist, wird mit der Zeit Haus werden, und was jetzt Kraft ist, wird mit der Zeit, wenn ihr Kristallisationsprozess fortschreitet, Materie werden. Auch der entgegengesetzte Vorgang, Materie wieder in Geist aufzulösen, findet fortdauernd statt. Die gröbere Phase dieses Prozesses sehen wir als Verfall, wenn ein Mensch seine Träger zurücklässt, und zu dieser Zeit lässt sich der Geist eines Atoms leichter von dem gröberen Geiste trennen, der sich als Materie manifestiert hatte.
S.114-122


Der zweite Himmel
Endlich tritt der Mensch, das Ego, der dreifache Geist, in den zweiten Himmel ein. Er ist mit der Hülle des Intellektes bekleidet, das die drei Keimatome enthält, die Quintessenz der drei verlassenen Träger.

Wenn der Mensch stirbt und seinen dichten Körper und Lebens-Leib verliert, ist er in demselben Zustande, wie beim Einschlafen. Der Empfindungs-Leib hat, wie erwähnt wurde, keine Organe gebrauchsfertig. Er macht jetzt die Umformung von seiner Eiförmigkeit in ein Gebilde durch, das dem verlassenen physischen ähnelt. Wir werden leicht verstehen, dass da ein Zwischenzustand der Unbewusstheit vorhergehen muss, ähnlich dem des Schlafes, ehe der Mensch in der Empfindungswelt wiedererwacht. Es kommt oft vor, dass solche Menschen lange Zeit sich dessen nicht bewusst sind, was mit ihnen geschah. Sie sind sich nicht klar darüber, dass sie gestorben sind. Sie wissen, dass sie fähig sind, sich zu bewegen und zu denken, und es kostet manchmal viel Anstrengung, ihnen begreiflich zu machen, dass sie «gestorben» sind. Sie merken, dass sich etwas verändert hat, aber sie verstehen nicht, was es ist.

Anders beim Übergange vorn ersten Himmel, der in der Empfindungs-Welt ist, zum zweiten Himmel, welcher in der Region der konkreten Gedanken ist. Da verlässt der Mensch seinen Empfindungs-Leib. Er ist vollständig bewusst. Er geht in eine große Stille hinüber. Für den Augenblick scheint alles zu schwinden. Er kann nicht denken. Keine Fähigkeit lebt, und er weiss doch, dass er ist. Er hat das Gefühl, «in der großen Unendlichkeit» zu stehen, vollständig allein zu stehen und sich dennoch nicht zu fürchten. Und seine Seele wird von einem wunderbaren Frieden erfüllt, der über alles Verstehen geht».

Die esoterische Wissenschaft nennt diesen Zustand «die große Stille».

Dann kommt das Erwachen. Der Geist ist nun im Himmel, in seiner Heimatwelt. Hier bringt das erste Erwachen dem Geiste den Klang «der Musik der Sphären». In unserem Erdenleben sind wir von den kleinen Geräuschen und Klängen unserer beschränkten Umgebung so betäubt, dass wir die Musik der kreisenden Weltkugeln nicht vernehmen. Aber der esoterische Wissenschaftler hört sie. Er weiß, dass die zwölf Tierkreiszeichen und die sieben Planeten den Resonanzboden und die Saiten von «Apollos siebensaitiger Leier» bilden. Er weiß, dass ein einziger falscher Akkord als Störer in der himmlischen Harmonie dieses grandiosen Instrumentes «den Zusammenbruch der Materie und den Zusammensturz des Weltalls» zur Folge hätte.

Die Kraft der rhythmischen Schwingungen ist selbst denen wohl bekannt, die dem Thema auch nur geringes Studium gewidmet haben. Wenn z. B. Soldaten über eine Brücke marschieren, so erhalten sie den Befehl, im unregelmäßigen Schritt zu gehen, weil ihr rhythmischer Tritt die stärksten Konstruktionen erschüttern würde. Für den Esoteriker ist die in der Bibel erzählte Geschichte vom Blasen der Widderhörner beim Umschreiten der Mauern von Jericho kein Unsinn. Oft sind ähnliche Dinge geschehen, ohne dass die Welt ungläubig und überlegen dazu gelächelt hätte. Vor einigen Jahren übte eine Musikkapelle in einem Garten, der an den festen Mauern eines alten Schlosses gelegen war. An einer bestimmten Stelle des Stückes befand sich ein sehr langer und durchdringender Ton. Als er ertönte, stürzte die Schloßmauer plötzlich ein. Die Musiker hatten den Grundton der Mauer angeschlagen und genügend langgezogen gespielt, um sie zu stürzen.

Wenn wir sagen, der zweite Himmel sei die Welt des Tones, so ist damit nicht gemeint, dass es dort keine Farben gäbe. Viele Leute wissen, dass zwischen Ton und Farbe eine innige Verbindung besteht; dass gleichzeitig mit dem Anschlagen eines Tones eine gewisse Farbe erscheint. So ist es auch in der himmlischen Welt. Hier ist sowohl Farbe wie Klang; gegenwärtig, der Ton ist aber der Schöpfer der Farbe. Darum sagten wir, hier sei hauptsächlich die Welt des Tones, und es ist dieser Ton, der alle Formen in der physischen Welt aufbaut. Dem Musiker erklingen aus den verschiedenen Teilen der Natur bestimmte Töne, aus dem Winde, der im Walde weht, aus dem Brechen der Wogen am Strande, aus dem Brausen des Ozeans und dem Getöse des Wasserfalles. Alle diese Geräusche verbinden sich zu einem Ganzen, das der Grundton der Erde ist - ihr «Ton». So wie sich geometrische Sand-Figuren auf einer Platte bilden, deren Rand man mit einem Violinbogen streicht, so sind die Formen, die wir um uns sehen, kristallisierte Klangfiguren der Urtypen-Kräfte, welche in die Ur-Typen der himmlischen Welt hineinspielen.

Die Arbeit, die der Mensch in der himmlischen Welt leistet, ist vielseitig. Er führt kein untätiges, träumerisches oder eingebildetes Dasein. Es ist für die Vorbereitung zum künftigen Leben die größte und wichtigste Tätigkeitsperiode, so wie der Schlaf eine tätige Vorbereitung für die Arbeit des folgenden Tages ist.

Hier wird die Quintessenz der drei Körper in den dreifachen Geist hineingebaut. Soviel vom Empfindungs-Leibe, wie der Mensch während seines Lebens durch die Reinigung seiner Begierden und Erregungen hinaufgearbeitet hat, wird dem menschlichen Geiste eingeschmolzen und gibt ihm für sein künftiges Dasein einen verbesserten Intellekt.

Soviel vom Lebens-Leibe, als der Lebens-Geist entwickelt, umgewandelt, vergeistigt und so vor dem Verfalle bewahrt hat, dem der Rest des Lebens-Leibes unterliegt, wird mit dem Lebens-Geiste verschmolzen, um einen besseren Lebens-Leib und ein besseres Temperament für das zukünftige Leben zu schaffen.

Soviel vom physischen Körper, als der göttliche Geist durch rechtes Handeln gerettet hat, wird in ihn eingebaut und wird bessere Umgebungen und bessere Gelegenheiten geben.

Diese Vergeistigung der Träger wird vollbracht durch die Pflege der Fähigkeiten der Beobachtung, der Unterscheidung und des Gedächtnisses, durch Hingabe an hohe Ideale, Gebete, Konzentration, Beharrlichkeit und rechten Gebrauch der Lebenskräfte.

Der zweite Himmel ist das wahre Heim des Menschen - des Ego, des Denkers. Hier wohnt er jahrhundertelang, die Früchte des letzten Erdenlebens aufnehmend und bereitet die irdischen Bedingungen vor, die für seine nächste Stufe des Fortschrittes am besten geeignet sind. Der Klang oder Ton, der diese Region durchflutet und überall als Farbe in Erscheinung tritt, ist sozusagen sein Werkzeug. Es ist diese harmonische Klangschwingung, die als Lebenselixier in den dreifachen Geist die Quintessenz des dreifachen Körpers hineinbaut, von dem sein Wachstum abhängig ist.

Das Leben im zweiten Himmel ist in verschiedener Beziehung außerordentlich tätig. Das Ego nimmt die Früchte des letzten Erdenlebens auf und bereitet die Umgebung für eine künftige physische Existenz vor. Es genügt nicht nur anzunehmen, dass die neuen Bedingungen durch Lebensführung und Taten im eben verflossenen Leben bestimmt werden. Die Früchte der Vergangenheit müssen in die Welt hineingearbeitet werden, die der nächste Schauplatz der Tätigkeit sein wird, während das Ego neue physische Erfahrungen und weitere Früchte sammelt. Daher arbeiten alle Bürger der himmlischen Welt an den Modellen der Erde, die alle in der Region der konkreten Gedanken sind. Sie verwandeln die physischen Züge der Erde und bringen ihre allmählichen Veränderungen hervor, die ihr Aussehen verwandeln, so dass zur nächsten Wiederkehr auf die Erde eine umgemodelte Umgebung vorbereitet wird, wo nun neue Erfahrungen gesammelt werden. Das Klima, die Flora und die Fauna werden vom Menschen unter Führung höherer Wesen, von denen später die Rede sein soll, geändert. So ist die Welt genau so, wie wir selbst, individuell und gemeinsam, sie gestaltet haben, und sie wird so sein, wie wir sie gestalten. Der esoterische Wissenschaftler sieht hinter jedem Ereignis eine Ursache geistiger Natur, die sich selbst manifestiert, und vergisst die Einflüsse und die beunruhigend zunehmende Häufigkeit der Erdbebenstörungen nicht, die er auf materialistisches Denken der modernen Wissenschaft zurückführt.

Es ist ja richtig, dass rein physische Ursachen solche Störungen verursachen können. Ist das aber auch das letzte Wort darüber ? Können wir dadurch die volle Erklärung erhalten, dass wir verzeichnen, was auf der Erdoberfläche vor sich geht ? Gewiss nicht ! Wir sehen, dass zwei Menschen auf der Strasse sprechen, dass einer den andern plötzlich zu Boden schlägt. Ein Beobachter kann sagen, dass ein zorniger Gedanke die Ursache war. Ein anderer kann sich über diese Aussage lustig machen und erklären, dass er den aufgehobenen Arm, die zusammengezogenen Muskeln, den ausholenden und mit dem niedergeschlagenen Opfer in Verbindung kommenden Arm sah. Auch das ist wahr. Man kann aber ruhig behaupten, dass ohne einen vorhergehenden zornigen Gedanken der Schlag nicht erfolgt wäre. Ebenso sagt der Esoteriker, dass ohne den Materialismus Erdbeben sich nicht ereignet hätten.

Die Tätigkeit des Menschen in der himmlischen Welt beschränkt sich nicht ausschließlich auf die Umgestaltung der Erdoberfläche, obwohl sie die Stätte zukünftiger Kämpfe um die Unterwerfung der physischen Welt sein wird. Er ist ebenso eifrig bemüht, einen Körper bauen zu lernen, der ein immer besseres Ausdrucksmittel wird. Die Bestimmung der Menschen ist, eine schöpferische Intelligenz zu werden, und er verbringt die Zeit im zweiten Himmel, um sich dazu zu schulen. Während seines Lebens im Himmel lernt er alle Arten von Körpern, einschließlich des menschlichen, zu erbauen.

Wir sprachen von den Kräften, die längs der positiven und negativen Pole der verschiedenen Ätherarten wirken. Der Mensch ist selbst ein Teil dieser Kräfte. Die, die wir «tot» nennen, helfen uns zu leben ! Diesen wird wiederum geholfen durch die sogenannten «Naturgeister», über die sie befehligen. Der Mensch wird bei seinen Arbeiten von Lehrern aus den höheren schöpferischen Hierarchien geleitet, die ihm halfen, sich seine Träger zu erbauen, ehe er Selbstbewusstsein erlangt hatte. Er baute damals so, wie er jetzt seine Körper im Schlafe wieder aufbaut. Während des himmlischen Lebens lehren sie ihn bewusst. Der Maler wird gelehrt, ein genaues Auge zu bauen, das fähig ist, eine vollkommene Perspektive, Farbe und Schatten so aufzunehmen, wie niemand es vermag, der sich nicht für Farbe und Licht interessiert.

Der Mathematiker hat es mit dem Raume zu tun. Die Fähigkeit der Raumwahrnehmung hängt mit der delikaten Anordnung der im Inneren des Ohres befindlichen drei halbkreisförmigen Kanäle zusammen, von denen jeder in eine der drei Dimensionen des Raumes zugespitzt ist. Logisches Denken und mathematische Befähigung stehen im Verhältnis zur Genauigkeit der Anordnung dieser halbkreisförmigen Kanäle. Auch die musikalische Befähigung beruht auf demselben Faktor; aber außer der Notwendigkeit der feinen Ausgestaltung der halbkreisförmigen Kanäle, bedarf der Musiker einer außerordentlichen Feinheit der «kortischen Fibern (Fasern)», von denen das menschliche Ohr ungefähr zehntausend hat. Jede von ihnen ist fähig ungefähr 25 Tonabstufungen wiederzugeben. In den Ohren der Mehrzahl der Menschen reagieren sie nur auf drei bis zehn der möglichen Abstufungen.

Unter den Durchschnitts-Musikern steigt die Zahl bis auf höchstens 15 Klänge für eine Fiber. Aber der Meister, der fähig ist, Musik aus der himmlischen Welt herunterzubringen und wiederzugeben, braucht eine höhere Empfindlichkeit, damit er die verschiedenen Noten unterscheiden und den kleinsten Missklang der äußerst komplizierten Akkorde wahrnehmen kann. Auf Menschen, die Organe von so besonderer Zartheit zum Ausdrucke für ihre Fähigkeiten brauchen, verwendet man besondere Sorgfalt, wie es die höhere Stufe ihrer Entwicklung verdient und erfordert. Kein anderer Künstler kommt an Rang dem Musiker gleich. Diese Erwägung ist verständlich, wenn wir in Betracht ziehen, dass der Maler seine Inspirationen hauptsächlich aus der Welt der Farbe – der näheren Empfindungs-Welt - schöpft, der Musiker sich aber bemüht, die Atmosphäre unserer himmlischen Heimatwelt (in der wir als Geister Bürger sind) herniederzubringen, und sie versucht, in die Klänge des Erdenlebens zu übertragen. Er hat die höchste Mission als Künstler, denn von den Ausdrucksarten des Seelenlebens steht die Musik an höchster Stelle. Dass die Musik anders und höher als die anderen Künste ist, geht auch daraus hervor, dass eine Statue oder ein Gemälde, einmal geschaffen, dauernden Bestand hat. Sie entstammen der Empfindungs-Welt, und sind daher kristallisationsfähiger, während die Musik als Botschaft aus der himmlischen Welt, flüchtiger ist und neu geschaffen werden muss, so oft wir sie hören. Man kann sie nicht einsperren, wie man aus den erfolglosen Versuchen besonders mit mechanischen Erfindungen wie Phonographen und Pianolas sehen kann. Die so erzeugte Musik verliert viel von dem seelendurchdringenden Schmelz, den sie hat, wenn sie gerade aus ihrer eigenen Welt kommt, wenn sie der Seele die Erinnerung an ihre Heimat zurückbringt und zu ihr in einer Sprache sprechend, der keine in Marmor oder auf der Leinwand ausgedrückte Schönheit gleichen kann.

Das Instrument, vermöge dessen der Mensch die Musik erfasst, ist das meist-vollkommene Sinnesorgan des menschlichen Körpers. Das Auge ist keineswegs verlässlich, aber das Ohr ist es in dem Sinne, dass es jeden Klang ohne Entstellung hört, während das Auge oft entstellt, was es sieht.
Außer dem musikalischen Ohre muss der Musiker auch lernen, eine lange, feine Hand zu erbauen, die schlanke Finger und empfindliche Nerven hat, sonst könnte er die Melodien, die er hört, nicht wiedergeben.

Es ist ein Naturgesetz, dass niemand einen tüchtigeren Körper bewohnen kann, als er zu erbauen fähig ist. Zuerst lernt er Körper von einer gewissen Abstufung zu erbauen, und dann lernt er darin zu leben. Auf diese Weise lernt er dessen Fehler kennen und erhält die Lehre, wie sie zu verbessern sind.
Alle Menschen arbeiten während des vorgeburtlichen Lebens so lange unbewusst an der Erbauung ihrer Körper, bis der Punkt erreicht ist, an dem die Quintessenz der früheren Körper - die sie bewahrt haben - hineingebaut werden soll. Dann arbeiten sie bewusst. Daraus ersieht man, dass der Mensch, je mehr er sich entwickelt und an seinen Trägern arbeitet, wodurch er sie unsterblich macht, um so mehr Macht gewinnt, für ein neues Leben zu bauen. Der vorgeschrittene Schüler einer esoterischen Schule beginnt manchmal bei seiner neuen Verkörperung für sich selbst zu bauen, sobald das Werk der ersten drei Wochen (das ausschließlich der Mutter gehört), vollendet ist. Wenn die Zeit des unbewussten Erbauens vorüber ist, hat der Mensch eine Gelegenheit, seine angeborene schöpferische Kraft zu üben, und der wahrhaft ursprünglich-schöpferische Vorgang: «Epigenesis» - beginnt.

So sehen wir, dass der Mensch seine Träger in der himmlischen Welt erbauen und sie in der physischen Welt gebrauchen lernt. Die Natur bereitet alle Phasen der Entwicklung in einer so bewundernswerten Weise und mit so vollendeter Weisheit vor, dass wir, je mehr wir lernen, tiefer und tiefer in ihre Geheimnisse einzudringen, immer mehr von unserer eigenen Bedeutungslosigkeit und von einer immer wachsenden Ehrfurcht vor Gott erfüllt werden, dessen sichtbares Symbol die Natur ist. Je mehr wir von ihren Wundern erkennen, um so mehr gewinnen wir die Überzeugung, dass das Weltsystem nicht ein ungeheures «Perpetuum mobile» ist, wie gedankenlose Menschen es uns einreden wollen.

Diese Annahme ist genau so logisch, als wenn wir uns einbildeten, dass eine in die Luft geworfene Schachtel voll loser Buchstaben sich bei ihrem Herabfallen zu einem schönen Gedichte geordnet haben werden. Je größer die Kompliziertheit des Planes ist - um so größer ist die Kraft des Argumentes zugunsten der Theorie eines intelligenten göttlichen Urhebers.
S.122-130

Der dritte Himmel
Wenn nun alle Früchte des vergangenen Lebens aufgenommen wurden und die Gestalt der Erde dermaßen verändert worden war, dass sie die nötige Umgebung für einen weiteren Schritt zur Vervollkommnung bieten kann; wenn durch Arbeit an Körpern anderer gelernt wurde, einen geeigneten eigenen Körper zu bauen, durch welchen es möglich ist, sich selbst in der physischen Welt zu betätigen, und wenn endlich der Intellekt in der Essenz aufgelöst wurde, die an dem dreifachen Geiste baut, steigt der nackte individuelle Geist in die höhere Region der Gedankenwelt - in den dritten Himmel. Hier wird er durch die unaussprechliche Harmonie dieser höheren Welt zu seinem neuen Untertauchen in die Materie gestärkt.

Nach einiger Zeit entsteht das Verlangen nach neuen Erfahrungen und die Beschauung der Möglichkeiten einer neuen Geburt wird ermöglicht. Diese lässt eine Serie von Bildern vor dem Geiste entstehen: ein Panorama des neuen Lebens, das seiner harrt. Aber man beachte wohl: das Pa¬norama enthält nur die Hauptereignisse. Was die Einzelheiten anbelangt, hat der Geist freien Willen. Es ist so, als wenn ein Mensch, der in eine fremde Stadt reisen soll, einen nur für bestimmte Zeit gültigen Fahrschein mit freier Wahl des Reiseweges hätte. Nachdem er gewählt und die Reise begonnnen hat, ist es noch nicht bestimmt, ob er nicht während der Reise seinen Reiseweg verändern wird. Er kann sich innerhalb der zulässigen Zeit an so vielen Orten aufhalten, als er will; er kann aber nicht zurück. So wird er mit fortschreitender Entfernung vom Ausgangsorte durch seine vergangene Wahl mehr und mehr beschränkt. Hat er eine Dampfbahn gewählt, die mit Kohlenstaub angeheizt wird, so kann er erwarten, beschmutzt und verrußt zu werden. Hätte er eine Eisenbahn gewählt, die mit Anthrazit geheizt oder durch Elektrizität betrieben wird, so wäre er reiner geblieben. Ebenso ist es im neuen Leben. Es kann ihm ein hartes Leben bestimmt sein; er hat aber freie Wahl, es reinlich oder im Schmutze watend zu durchleben. Auch andere Umstände des Lebens unterliegen seiner Bestimmung, soweit sie innerhalb der Grenzen seiner vergangenen Entschlüsse und Taten stehen.

Die Bilder im Panorama des zu erwartenden Lebens beginnen bei der Wiege und enden mit dem Grabe. Sie rollen in der entgegengesetzten Reihenfolge ab, wie im Panorama nach dem Tode, das vor dem Auge des Geistes unmittelbar nach seiner Befreiung vom physischen Körper vorüberzieht. Der Grund für diesen fundamentalen Unterschied der beiden Panoramen ist, dass das vorgeburtliche Panorama den Zweck hat, dem sich wiederverkörpernden Ego zu zeigen, wie bestimmte Ursachen oder Taten immer gewisse Wirkungen hervorrufen. Beim Panorama nach dem Tode liegt der Fall umgekehrt; es hat den Zweck zu zeigen, dass jedes Ereignis im verflossenen Leben die Wirkung einer weiter zurückliegenden Ursache war. Die Natur oder Gott tut nichts ohne logische Gründe, und je weiter wir suchen, um so offenbarer wird es sein, dass die Natur eine weise Mutter ist, die immer die besten Mittel anwendet, um zum Ziel zu gelangen.

Man könnte vielleicht fragen, warum müssen wir wiedergeboren werden ? Warum müssen wir in dieses begrenzte und elende Erdendasein zurückkehren ? Warum können wir nicht in jenen höheren Reichen Erfahrungen sammeln, ohne zur Erde kommen zu müssen ? Wir sind dieses traurigen, öden Erdenlebens müde!

Solche Fragen beruhen auf verschiedenen Missverständnissen. Vor allem müssen wir uns darüber klar werden und es tief in die Tafeln unseres Gedächtnisses einprägen, dass der Zweck des Lebens nicht Glück, sondern Erfahrung ist. Kummer und Schmerz sind unsere wohlwollendsten Lehrer, während die Freuden des Lebens nur flüchtig sind.

Das scheint eine düstere, strenge Lehre zu sein, und das menschliche Herz schreit schon leidenschaftlich auf bei dem Gedanken, dass sie wahrscheinlich wahr ist. Dennoch ist sie wahr, und wir werden bei näherer Prüfung finden, dass sie gar nicht eine so strenge Lehre ist.

Betrachten wir die Segnungen des Schmerzes. Wenn wir unsere Hand auf einen heißen Ofen legen würden, ohne Schmerz zu empfinden, so ließen wir sie wahrscheinlich so lange liegen, bis sie, und vielleicht sogar auch der Arm, verbrannt sind, ohne dass wir etwas davon wüssten, bis es zu spät ist, um sie zu retten. Der Schmerz, der aus der Berührung der Hand mit dem heißen Ofen hervorgeht, lässt uns die Hand zurückreißen, ehe ernstlicher Schaden erfolgt. Statt die Hand zu verlieren, kommen wir mit einer Blase davon, die schnell heilt. Das ist ein Beispiel aus der physischen Welt. Dasselbe Prinzip kann man in der seelischen und in der geistigen Welt anwenden. Wenn wir die Moral vergewaltigen, so werden uns die Beklemmungen unseres Gewissens davor bewahren, die Tat zu wiederholen, und wenn wir der ersten Lehre nicht achten, wird uns die Natur härtere und immer härtere Erfahrungen schicken, bis unserem Gewissen endlich die Lehre aufgezwungen ist, dass «der Weg des Übertreters schwer» ist. Und es bleibt so, bis wir endlich gezwungen sind, uns einer anderen Richtung zuzuwenden, zu einem besseren Leben.

Erfahrung ist «Kenntnis der Wirkungen, die den Taten folgen». Das ist der Zweck des Lebens, zusammen mit der Entwicklung des «Willens». Der Wille ist die Kraft, durch die wir die Resultate der Erfahrung anwenden. Wir müssen Erfahrungen gewinnen. Aber wir haben die Wahl, ob wir sie auf dem harten Wege der persönlichen Erfahrung oder durch die Beobachtung der Handlungen anderer, durch vernünftige Betrachtung und Überlegung im Lichte der Erfahrungen, die wir bereits gemacht haben, gewinnen wollen.

Nach dieser Methode sollte der esoterisch orientierte Schüler lernen, statt nach den Streichen der Not und des Schmerzes zu verlangen. Je williger wir sind, auf diese Weise zu lernen, um so weniger werden wir die stechenden Dornen des «Schmerzensweges» fühlen, um so früher werden wir auf «den Pfad des Friedens» gelangen.

Die Wahl ist unser. Aber solange wir noch nicht alles gelernt haben, was wir in dieser Welt lernen können, müssen wir hierher zurückkommen. Wir können nicht in den höheren Welten bleiben und dort lernen, ehe wir die Lehren des Erdenlebens bemeistern. Das wäre gerade so unvernünftig, als wenn wir ein Kind heute in den Kindergarten und morgen an die Hochschule schicken wollten. Das Kind muss Tag für Tag in den Kindergarten zurückkehren und Jahre in der Volksschule und in der Mittelschule zubringen, ehe seine Fähigkeiten zum Hochschulstudium genügend entwickelt sind.

Auch der Mensch geht in die Schule - in die Schule der Erfahrung. Er muss oftmals wiederkommen, ehe er hoffen kann, alles Wissen der Sinnenwelt zu beherrschen. Kein Leben, und sei es noch so reich an Erfahrungen, kann alle Erkenntnisse umfassen, und so gebietet die Natur, dass er nach Pausen der Ruhe zur Erde wiederkehren und seine Arbeit an dem Punkte aufnehmen muss, an dem er sie fallen ließ, so wie das Kind seine Arbeit in der Schule am nächsten Tag wieder aufnimmt, nachdem es die dazwischenliegende Nacht durchschlafen hat. Gegen diese Theorie ist auch das kein Argument, dass der Mensch keine Erinnerung an seine vergangenen Leben hat. Wir können nicht einmal alle Ereignisse unseres gegenwärtigen Lebens zurückrufen. Wir erinnern uns nicht der Bemühungen, die uns das Schreibenlernen kostete, aber wir haben die Kenntnis dieser Kunst erworben, ein Beweis, dass wir gelernt haben. Alle Fähigkeiten, die wir besitzen, sind ein Beweis dafür, dass wir sie irgendwann und irgendwo erworben haben. Manche Menschen erinnern sich ihrer vergangenen Leben, wie am Schlusse des nächsten Kapitels gezeigt werden wird, und das ist nur ein Beispiel von vielen.

Wenn es keine Wiederkehr zur Erde gäbe, was wäre dann wohl der Zweck des Lebens? Warum sich um irgend etwas bemühen? Inwiefern wäre ein glückliches Leben im ewigen Himmel die Belohnung für ein gutes Leben hier? Was für Vorteile könnte man in einem Himmel, wo jedermann sowieso schon glücklich ist, von einem guten Leben haben ? Sicher ist an einem Orte, wo jedermann glücklich und zufrieden ist, kein Platz für Sympathie, Selbstaufopferung oder weisen Rat. Keiner würde sie dort brauchen. Aber auf der Erde gibt es viele, die darnach dürsten, und solche menschenfreundliche und altruistische Eigenschaften sind für die kämpfende Menschheit von größtem Nutzen. Darum bringt das große Gesetz, das im Dienste des Guten arbeitet, den Menschen wieder zurück, um zum Segen für sich und andere zu arbeiten, ausgestattet mit seinen erworbenen Schätzen, mit Schätzen, die im Himmel brach lägen, weil keiner sie braucht.
S.130-134

Vorbereitung zur Wiedergeburt
Nachdem wir nun die Notwendigkeit wiederholter Verkörperungen gesehen haben, wollen wir zur Betrachtung der Methode übergehen, durch die diese Absicht ausgeführt wird.

Vor dem Eintauchen in die Materie ist der dreifache Geist nackt; er hat nur die Kräfte der vier Keimatome (die die Kerne des dreifachen Körpers und die Hülle des Intellektes sind). Sein Niedersteigen gleicht dem Anziehen der verschiedenen Handschuhpaare von immer größerer Dicke, wie im früher erwähnten Beispiele. Die Kräfte des Intellektes aus dem letzten Erdenleben werden aus ihrem Schlummer im Keimatome wieder erweckt. Dieses beginnt Materie aus der höchsten Unterabteilung der Region der konkreten Gedanken in ähnlicher Art anzuziehen, wie ein Magnet Eisenspäne anzieht.
Wenn wir nun einen Magnet über feine Feilspäne von Messing, Silber, Eisen, Gold, Blei und anderen Metallen halten, so werden wir finden, dass er nur Eisenspäne herauswählt, und dass er selbst von diesen nicht mehr anzieht, als seine Stärke zulässt. Seine Anziehungskraft ist von einer bestimmten Art und ist auf ein gewisses Maß innerhalb dieser Art beschränkt. Dasselbe gilt vom Keimatom. Es kann aus jeder Region nur das anziehen, wofür es Affinität hat, und auch hier nicht über ein bestimmtes Maß. So wird der Träger, der sich um diesen Kern herum bildet, ein genaues Ebenbild des entsprechenden Trägers des vergangenen Erdenlebens, vermindert um das Böse, das durch Reinigung entfernt wurde und vermehrt um die Quintessenz des Guten, das im Keimatome verkörpert wurde.

Das Material, das von dem dreifachen Geiste ausgewählt wurde, formt sich zu einer großen, glockenförmigen Gestalt, die am unteren Ende offen ist und an der Spitze das Keimatom trägt. Wir können bei dieser Darstellung an eine Taucherglocke denken, die in ein aus Flüssigkeiten von zunehmender Dichtigkeit bestehendes Meer hinabtaucht. Diese entsprechen den verschiedenen Unterabteilungen einer jeden Welt. Die Materie, die in das Gewebe des glockenförmigen Körpers aufgenommen wird, macht ihn schwerer, so dass er in die nächst niedere Unterabteilung sinkt und ihr die ihm angemessene Quantität von ihrer Materie entnimmt. So wird er noch schwerer und sinkt noch tiefer, bis er die vier Unterabteilungen der Region der konkreten
Gedanken durchschritten hat und die Hülle für den neuen Intellekt des Menschen vollendet ist. Als nächstes werden nun die Kräfte im Keimatome des Empfindungs-Leibes erweckt. Es stellt sich inwendig an die Spitze der Glocke, und die Materie der siebenten Region der Empfindungs-Welt zieht sich ringsherum zusammen, bis sie in die sechste Region sinkt und dort weitere Materie anzieht, und so fort, bis die erste Region der Empfindungs-Welt erreicht ist. Nun hat die Glocke zwei Lagen: die Wille des Intellektes von außen, und innen den neuen Empfindungs-Leib.

Das Keimatom des Lebens-Leibes wird nun als nächstes zur Tätigkeit erweckt. Hier ist aber der Vorgang nicht so einfach, wie beim Intellekte und beim Empfindungs-Leibe. Der Leser erinnert sich daran, dass diese beiden Träger verhältnismäßig unorganisiert sind, während der Lebens-Leib und der physische Körper mehr organisiert und sehr kompliziert sind. Die Materie von gegebener Quantität und Qualität wird in derselben Weise und unter Wirksamkeit desselben Gesetzes angezogen, wie irrt Falle der beiden höheren Körper, aber der Aufbau des neuen Körpers und seine Unterbringung in der richtigen Umgebung wird von vier großen Wesen von unermesslicher Weisheit besorgt, welche die berichterstattenden Engel, die «Herren des Schicksales» sind. Sie beeinflussen den rückstrahlenden Äther des Lebens-Leibes in solcher Weise, dass die Bilder des kommenden Lebens in ihn widerstrahlt werden. Der Lebens-Leib wird von den Bewohnern der himmlischen Welt und von den Elementar-Geistern in solcher Weise gebaut, dass ein besonderer Typus des Gehirns geformt wird. Aber man merke sich: das wiederkehrende Ego selbst einverleibt darin die Quintessenz seiner früheren Lebens-Leiber und schafft zusätzlich zu diesem auch ein wenig Ursprüngliches. Das geschieht, damit im zukünftigen Leben noch etwas Raum bleibt für ursprünglichen und indivi¬duellen Ausdruck, nicht vorbestimmt durch vergangene Taten.

Es ist sehr wichtig, sich dieser Tatsache zu erinnern. Sonst wäre die Neigung zu glauben, dass alles jetzt Bestehende das Resultat von etwas früher Bestehendem ist, zu groß. Wenn es wirklich so wäre, so bliebe kein Raum für neue und ursprüngliche Bemühung und für neue Ursachen. Die Kette der Ursachen und Wirkungen ist keine eintönige Wiederholung. Stets findet ein Zufluss von neuen und ursprünglichen Ursachen statt. Das ist das eigentliche Rückgrat der Evolution, das einzige, das ihr Sinn verleiht und es zu etwas anderem macht als zum Aufrollen latenter Wirklichkeiten. Das ist «Epigenesis» - der freie Wille, der Freiheit hat, etwas vollständig Neues einzuführen und nicht nur zwischen zwei Handlungsweisen zu wählen. Das ist der wichtige Faktor, der allein das System, dem wir angehören, befriedigend erklären kann. Involution und Evolution an und für sich sind unzureichend hierzu. Aber im Verein mit Epigenesis bilden sie den vollen Dreiklang der Erklärung:

Das Schicksal eines Individuums, das unter dem Gesetz der Ursache und Wirkung erzeugt wurde, ist sehr kompliziert und immer assoziiert mit Egos in und außer der physischen Existenz. Selbst die gleichzeitig Verkörperten können nicht alle an demselben Orte leben, so dass sich die Bestimmung des Individuums unmöglich in einer Lebenszeit oder an einem Orte erfüllen kann. Darum wird das Ego in eine gewisse Umgebung und Familie gebracht, mit der es bereits irgendwie in Beziehung steht. Was das abzuarbeitende Schicksal anbelangt, so kann es unter Umständen gleichgültig sein, in welcher von mehreren Umgebungen sich das Ego wieder verkörpert, und ist das der Fall, so steht ihm so viel als möglich die Wahl frei. Hat es aber einmal gewählt, so wachen die Helfer der «Herren des Schicksales» ungesehen, dass keine Tat des freien Willens die Abarbeitung des gewählten Schicksalsanteiles zunichte mache. Wenn wir irgend etwas tun, um diese Pflicht zu umgehen, so werden sie Kräfte in Bewegung setzen, die uns zur Erfüllung des Schicksals zwingen.

Wir können aber nicht oft genug wiederholen, dass das den Menschen nicht hilflos macht. Es ist nur dasselbe Gesetz, das in Wirkung tritt, wenn wir eine Pistole abgefeuert haben. Wir können diese abgefeuerte Kugel nicht aufhalten oder sie auch nur auf irgend eine Weise von ihrer Bahn ablenken. Ihre Richtung wurde von der Stellung der Pistole im Augenblicke des Abfeuerns bestimmt. Wir hätten diese Stellung jederzeit ändern können, ehe wir den Hahn abdrückten, da wir zu diesem Zeitpunkte noch volle Gewalt über diese Handlung hatten. Das gilt ebenso für neue Handlungen, die zukünftiges Schicksal schaffen. Wir können bis zu einem bestimmten Punkte gewissen schon in Bewegung gesetzten Ursachen entgegenwirken oder sie ändern, aber wenn sie einmal in Wirksamkeit sind, und keine andere Tat ihnen entgegengestellt wird, so entschwinden sie unserer Kontrolle. Man nennt das «reifes» Schicksal, und es ist diese Art des Schicksals, von dem jeder Versuch, sich davonzustehlen, von den Herren des Schicksals vereitelt wird. Unserer Vergangenheit stehen wir in großem Maße hilflos gegenüber, aber zukünftige Handlungen haben wir völlig in der Gewalt, soweit wir nicht durch unsere vergangenen Handlungen gehindert werden. Doch nach und nach erfahren wir, dass wir die Ursache un¬serer eigenen Freuden und Schmerzen sind. Diese Erfah¬rung erweckt uns zum Bewusstsein der Notwendigkeit, unser Leben mehr in Harmonie mit Gottes Gesetzen zu bringen und uns so über die Gesetze der physischen Welt zu erheben. Das ist der Schlüssel zur Befreiung, wie Goethe sagt:

«Von der Gewalt, die alle Wesen bindet,
Befreit der Mensch sich, der sich überwindet.»


Nachdem der Lebens-Leib durch die Herren des Schicksales gestaltet wurde, gibt er dem physischen Körper Organ für Organ, seine Form. Die Matrize oder Form wird hierauf in den Schoss der künftigen Mutter versetzt. Das Keimatom des physischen Körpers befindet sich im dreieckigen Kopfe einer der Spermatozoen im Samen des Vaters. Das allein macht die Befruchtung möglich, und hierin liegt die Erklärung für die Tatsache, dass geschlechtliche Verbindungen so oft unfruchtbar sind. Die chemischen Bestandteile der Samenflüssigkeit und des Eies sind zu allen Zeiten dieselben. Wenn das die einzigen Faktoren beim Zustandekommen einer Befruchtung wären, könnte die Erklärung für das Problem der Unfruchtbarkeit, die meist in der materiellen, sichtbaren Welt gesucht wird, nicht gefunden werden. Es wird klar, wenn wir bedenken, dass die Wassermoleküle nur entlang des Kraftschemas im Wasser gefrieren und sich als Eiskristalle offenbaren, statt in eine homogene Masse zusammenzuschmelzen, wie es geschähe, wenn vor dem Gefrieren noch keine Kraftlinien vorhanden wären. Ebenso kann kein fester Körper gebaut werden, ehe ein Lebens-Leib vorhanden ist, in den die Bestandteile eingebaut werden können. Auch muss ein Keimatom für den festen Körper vorhanden sein, um als Maß für Qualität und Quantität der in den festen Körper einzubauenden Materie zu dienen. Obschon im gegenwärtigen Entwicklungsstadium keine volle Harmonie in den Bestandteilen des Körpers herrscht, die ja einen vollkommenen Körper bedeuten würde, darf doch der Missklang nicht so stark sein, um den Organismus zu zerstören.

Die Theorie der Vererbung ist vornehmlich nur wahr in bezug auf die Bestandteile des festen Körpers. Die seelischen Eigenschaften sind vollständig individuell. Aber auch an seinem physischen Körper leistet das sich verkörpernde Ego einen Teil der Arbeit, indem es ihm die Quintessenz seiner vergangenen physischen Qualitäten einverleibt. Kein Körper ist eine genaue Mischung der Eigenschaften seiner Eltern, obwohl das Ego zur Entnahme seines Materials auf die Körper des Vaters und der Mutter beschränkt ist. Darum verkörpert sich der Musiker dort, wo er Material zum Aufbau der schlanken Hände und des zarten Ohres mit seinen empfindlichen kortischen Fasern (Fibern) und der genauen Anordnung der drei halbkreisförmigen Kanäle findet. Aber die Anordnung dieses Materials liegt innerhalb der angegebenen Grenzen in der Gewalt des Ego. Es ist gerade so, als wenn man einem Zimmermann eine Anzahl Balken zur Erbauung seines Wohnhauses geben würde, es aber seinem Urteil überließe, was für ein Haus er daraus errichten will.

Außer bei sehr hoch entwickelten Wesen ist diese Arbeit des Ego auf unserer jetzigen Entwicklungsstufe kaum beachtenswert. Der größte Spielraum ist für den Aufbau des Empfindungs-Leibes gegeben. Ein sehr kleiner für den des Lebens-Leibes und fast gar keiner für den des physischen Körpers. Dennoch genügt schon dieses Wenige, um jeden Menschen zum Ausdruck seines eigenen Geistes und verschieden von seinen Eltern zu machen.

Nachdem die Befruchtung des Eies stattgefunden hat, arbeitet der Empfindungs-Leib der Mutter durch achtzehn bis einundzwanzig Tage daran, während das Ego in seinem Empfindungs-Leibe und der Hülle seines Intellektes außen, aber immer in inniger Berührung mit der Mutter bleibt. Nach Ablauf dieser Zeit tritt das Ego in den Körper der Mutter ein. Die glockenförmigen Träger ziehen sich über den Kopf des Lebens-Leibes, und die Glocke schließt sich unten. Von diesem Zeitpunkte an brütet das Ego über sein werdendes Instrument bis zur Geburt des Kindes, und das neue Erdenleben des wiederkehrenden Ego beginnt.
S.134-140

Geburt des dichten Körpers
Die Träger des Neugeborenen treten nicht sogleich in Tätigkeit. Der physische Körper ist lange Zeit nach der Geburt noch hilflos. Analog können wir ersehen, dass das gleiche mit den höheren Trägern der Fall sein muss. Der wissenschaftlich geschulte Esoteriker sieht es, und die Vernunft beweist es auch ohne Hellsichtigkeit. Ebenso wie der physische Körper unter der schützenden Hülle des Mutterleibes für das getrennte persönliche Leben langsam vorbereitet wird, so werden die anderen Körper nach und nach geboren und zur Tätigkeit gebracht. Obschon die in der folgenden Beschreibung angegebene Zeit nur annähernd ist, ist sie immerhin für allgemeine Zwecke genau genug und zeigt die Verbindung zwischen Mikrokosmos und Makrokosmos - dem Individuum und der Welt.

In dem Zeitabschnitt, der der Geburt unmittelbar folgt, durchdringen die verschiedenen Träger einander, so wie in unserem früheren Beispiel der Sand den Schwamm, und das Wasser den Sand und den Schwamm durchdringt. Aber obschon sie im Grunde alle wie beim Erwachsenen vorhanden sind, so sind sie eben nur latent vorhanden. Keine einzige ihrer positiven Fähigkeiten ist in Tätigkeit. Der Lebens-Leib kann die Kräfte längs des positiven Poles der Ätherarten noch nicht benutzen. Die Stoffaufnahme, die durch den positiven Pol des chemischen Äthers vor sich geht, ist im Kindesalter sehr subtil. Sie wird hauptsächlich durch den makrokosmischen Lebens-Leib bewirkt, dessen Äther für den Lebens-Leib des Kindes als Mutter-Leib wirken, bis es sein siebentes Lebensjahr erreicht hat; während dieser Zeit bringen sie ihn nach und nach zur Reife. Die Fortpflanzungsfähigkeit, die längs des positiven Poles des Lebens-Äthers wirkt, ist ebenfalls latent. Die Erwärmung des Körpers (die durch den positiven Pol des Licht-Äthers vor sich geht) und den Blutkreislauf verdankt das Kind ebenfalls noch dem makrokosmischen Lebens-Leibe. Die Äther wirken auf das Kind und entwickeln es selbst langsam zur Herrschaft über diese Funktionen. Hingegen sind die Kräfte, die durch die negativen Pole der Äther wirken, um so tätiger. Die Ausscheidung der festen Stoffe, die entlang des negativen Poles des chemischen Äthers vor sich geht (und die der festen Unterabteilung der chemischen Region entspricht), ist sogar zu unbeschränkt, ebenso die Absonderungen der Flüssigkeit, die entlang des negativen Poles des Lebens-Äthers vor sich geht und der zweiten oder flüssigen Abteilung der chemischen Region entspricht. Auch die negativen Sinneswahrnehmungen, eine Folge der negativen Kräfte des Licht-Äthers, sind sehr stark. Das Kind ist sehr aufnahmefähig für Sinneseindrücke; es ist «ganz Auge und Ohr».

Während der ersten Jahre sind auch die entlang des negativen Poles des rückstrahlenden Äthers wirkenden Kräfte sehr tätig. In diesen Jahren können Kinder die höheren Welten «sehen» und sie plappern über das Gesehene, bis das Gelächter der Älteren oder Strafen fürs «Märchenerzählen» sie lehren, zu schweigen.

Es ist im höchsten Grade beklagenswert, dass die Kleinen gezwungen sind, zu lügen oder wenigstens die Wahrheit zu leugnen, weil die «weisen» Älteren ungläubig sind. Selbst die Arbeiten der Gesellschaft für psychische Forschung haben ergeben, dass Kinder oft unsichtbare Spielgefährten haben, die sie besuchen, bis sie einige Jahre alt sind. Während dieser Jahre trägt die Hellsichtigkeit der Kinder denselben negativen Charakter wie die der Medien.
Auch die dem Empfindungs-Leibe zugeeigneten Kräfte entwickeln sich auf gleiche Weise. Das passive Gefühl der physischen Schmerzen ist vorhanden, während das Gefühl der Erregung fast ganz fehlt. Gewiss zeigt das Kind beim geringsten Anlasse Erregung, aber die Dauer dieser Erregung ist nur kurz. Alles liegt an der Oberfläche.

Das Kind hat auch das Bindeglied des Intellektes; es ist aber zu persönlicher Denktätigkeit fast unfähig. Es ist für Kräfte des negativen Poles außerordentlich empfänglich und daher nachahmungslustig und gelehrig.

So sehen wir, dass im neugeborenen Wesen alle negativen Eigenschaften tätig sind. Ehe es aber fähig wird, seine Träger zu gebrauchen, müssen die positiven Eigenschaften zur Keife kommen.

Darum wird jeder Träger durch die Tätigkeit des entsprechenden makrokosmischen Trägers bis zu einem gewissen Grad der Reife gebracht, ihm als Mutterleib dienend, bis dieser Grad erreicht ist.

Vom 1. bis 7. Lebensjahre wächst und reift der Lebens-Leib langsam im Schoße des makrokosmischen Lebens-Leibes und wegen dessen größerer Weisheit ist der Kindeskörper runder und wohlgeformter als im späteren Leben.
S.140-143

Geburt des Lebens-Leibes

Während der makrokosmische Lebens-Leib das Wachstum des Kindeskörpers leitet, bewahrt er ihn vor Gefahren, die ihm später drohen, wenn der unkluge individuelle Lebens-Leib uneingeschränkt die Herrschaft hat. Das beginnt ungefähr mit dem siebenten Jahre. Bis zum vierzehnten Jahre besteht dann die Gefahr des übermäßigen, gefährlichen Wachstumes. Während dieser Zeit hat der makrokosmische Empfindungs-Leib die Aufgabe, dem individuellen Empfindungs-Leib als Mutterleib zu dienen.

Wenn der Lebens-Leib beim menschlichen Körper, so wie bei den Pflanzen, uneingeschränkt freie Hand hätte, so wüchsen wir zu einer ungeheuren Größe. Es gab in ferner Vergangenheit eine Zeit, in der der Mensch wie eine Pflanze gebaut war und nur einen physischen und einen Lebens-Leib hatte. Die Überlieferungen der Mythologie und der Volksmären, die über die ganze Welt verbreitet, von Riesen zu berichten wissen, sind vollkommen wahr, denn damals wurden die Menschen so groß wie die Bäume, und zwar aus demselben Grunde wie diese.
S.143

Geburt des Empfindungs-Leibes
Der Lebens-Leib der Pflanze baut Blatt für Blatt und entwickelt den Stamm höher und höher. Die Körper würden auf diese Weise unbegrenzt fortwachsen, wenn nicht der makrokosmische Empfindungs-Leib bei einem gewissen Punkte einschreiten und weiteres Wachstum verhindern würde. Die Kraft, die zum weiteren Wachstume nicht mehr nötig ist, wird nun zu anderen Zwecken verwendet. Sie muss die Blüte erbauen und den Samen entwickeln. Ebenso lässt der Lebens-Leib, wenn der physische Körper des Menschen mit sieben Jahren unter seine Herrschaft kommt, ihn sehr schnell wachsen, aber um das vierzehnte Lebensjahr herum wird der Empfindungs-Leib aus dem Mutterleibe des makrokosmischen Empfindungs-Leibes geboren und hat dann Gewalt, am physischen Körper zu arbeiten. Um diese Zeit hört das außerordentliche Wachstum auf, und die Kräfte, die dadurch frei werden, können für die Fortpflanzung verwendet werden, damit die menschliche Pflanze blühen und Früchte bringen kann. Darum leitet die Geburt des Empfindungs-Leibes die Periode der Pubertät ein. Von dieser Zeit an wird die Anziehung zum anderen Geschlecht gefühlt, die in der dritten Siebenerperiode des menschlichen Körpers besonders stark ist (vom 14. bis zum 21. Jahre), weil der zurückhaltende Intellekt noch nicht geboren wurde.
S.143-144

Geburt des Intellektes

Nach dem 14. Jahre wird nunmehr der Intellekt vom makrokosmischen Intellekte bebrütet und genährt, damit er seine latenten Möglichkeiten entwickeln kann und befähigt wird, eigene Gedanken zu haben. Die Kräfte der verschiedenen Träger des Individuums sind nunmehr bis zu einem solchen Reifegrade gelangt, dass es alle zu seiner Entwicklung gebrauchen kann. Daher kommt das Ego mit dem 21. Jahre in den vollen Besitz aller seiner Träger. Das vollzieht sich mit Hilfe der Blutwärme und durch die Entwicklung persönlichen Blutes, was in Verbindung mit der vollen Entwicklung des Licht-Äthers vor sich geht.
S.144

Das Blut als Träger des Ego
Während der Kindheit und bis zum 14. Jahre bilden die roten Markknochen nicht alle Blutkörperchen. Die meisten werden durch die Thymusdrüse geliefert, die im Fötus am größten ist und nach und nach abnimmt, während die Fähigkeit, persönliches Blut zu bilden, sich im Kinde entwickelt. Die Thymusdrüse enthält sozusagen einen Zuschuss von Blutkörperchen, die die Eltern dem Kinde mitgeben, und daher sieht sich das Kind selbst nicht als Individualität an. Nicht eher, als das Blut vom Kinde selbst gebildet wird, denkt es von sich selbst als vom «Ich», und wenn mit dem 14. Lebensjahre die Thymusdrüse verschwindet, erreicht das «Ich»-Gefühl seinen vollen Ausdruck, denn von da an wird das Blut vom Ego allein gebildet und beherrscht.
S. 144-145
Aus: Max Heindel, Die Weltanschauung der Rosenkreuzer