Johann
Georg Hamann (1730 – 1788)
>>>Gott
Das Wort vom Kreuz
In der Nachfolge Jesu, der durch Leiden Gehorsam lernte und vollkommen geworden,
besteht die Fülle aller Tugend welche gegenwärtige und zukünftige
Verheißungen hat . . . Sein und seiner Worte schämt sich ein philosophisch-politisches
Weltalter; denn das Wort vom Kreuz ist eine Torheit; ja ein Stein des Anstoßes
ist der Eckstein des christlichen Lehrgebäudes, ein Tararippus der Laufbahn,
die uns verordnet ist . . . Anstatt also die Schmach Christi und das Ärgernis
seiner Nachfolge auf sich zu nehmen, sucht man das Kreuz zu vernichten, weil
es ein leichtes ist, die Vernunft in einen Engel des Lichts und in einen Apostel
der Gerechtigkeit zu verstellen; dem Fleische angenehmer, klug in Christo, als
ein Narr um Christus willen zu sein, und weil der natürliche Mensch sich
gern durch vernünftige Reden und vergebliche Worte betrügen, aber
schwerer überzeugen lässt, einer geistlichen Erkenntnis fähig
zu sein. S. 172f
Das Zeugnis des Heiligen Geistes in unsern Seelen hängt von keinem Gedächtnis ab; und wenn wir alles vergessen, so vertritt Christus, der Gekreuzigte, alle Weisheit und alle Kraft, alle Vernunft und alle Sinne. Es ist eher möglich, ohne Herz und Kopf zu leben, als ohne den. Er ist das Haupt unserer Natur und aller unserer Kräfte, und die Quelle der Bewegung, die so wenig in einem Christen stillestehen kann, als der Puls in einem lebenden Menschen. Der Christ allein aber ist ein lebender Mensch, weil er in Gott und mit Gott lebt und da ist, ja für Gott. S. 169
... das Geständnis meines Herzens und meiner besten Vernunft, dass es ohne Glauben an Jesum Christum unmöglich ist, Gott zu erkennen, was für ein gütiges, liebreiches, unaussprechlich und wohltätiges Wesen er ist, dessen Weisheit, Allmacht und alle übrigen Eigenschaften nur gleichsam Werkzeuge seiner Menschenliebe zu sein scheinen. S. 169
... ohne das sogenannte Geheimnis der hlg. Dreieinigkeit [scheint] mir gar kein Unterricht des Christentums möglich zu sein, . . . wegen des ausdrücklichen Befehls, zu taufen im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Kurz was man für die Pudenda [Zeugungsteile] der Religion hält, und der Aberglaube, selbige zu beschneiden, und die Raserei, sie auszuschneiden, hierin besteht der Inhalt meines Embryons. S. 169
Christi Religion war Gehorsam bis zum Tode und die christliche
Religion ist nichts als Erkenntnis, Bekenntnis und Anbetung seines Namens, der über alle Namen ist, und verdient herrlich, heilig und bekanntzuwerden. S. 171
Aus: Hamann, Magus des Norden, Hauptschriften (S.169,
171, 172, 173)
Herausgegeben von Otto Mann in der Dieterich’schen Verlagsbuchhandlung,
Leipzig
Es
ist wahr . . .
Ist es wahr, daß GOtt Selbst, wie es in dem guten Bekenntnisse
lautet, das er vor Pilatus ablegte; ist es wahr, sage ich, daß Gott Selbst,
dazu ein Mensch wurde und dazu in die Welt kam, daß er die Wahrheit zeugen
möchte: so brauchte es keine Allwissenheit vorher zu sehen, daß er
nicht so gut wie ein Sokrates von der Welt kommen, sondern eines schmählichern
und grausameren Todes sterben würde, als der Vatermörder des allerchristlichsten
Königes, Ludwich des Vielgeliebten, der ein Urenkel Ludwich des Grossen
ist.
Aus: Johann Georg Hamann, Sokratische Denkwürdigkeiten
. Aesthetica in nuce
Mit einem Kommentar herausgegeben von Sven-Aage Jorgensen
Reclams Universalbibliothek Nr. 926 (S.73)
© 1968 Philipp Reclam jun., Stuttgart
Veröffentlichung auf Philos-Website mit freundlicher Erlaubnis des Reclam
Verlags