Albrecht von Haller (1749 – 1777)
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Briefe über die wichtigsten Wahrheiten
der Offenbarung
Jesus
sollte die Welt verbessern
Ich glaube nunmehr und bin gewiss, dass Jesus ein Gerechter, dass
er ein Wundertäter, dass er derjenige gewesen ist, den die alten Propheten
angekündigt hatten: kein einziges der Kennzeichen fehlte ihm, die einen
von Gott ausgesandten Lehrer der Welt <von anderen> unterscheiden können.
Es ist eine bloße Ausflucht, hier seinen Unglauben damit zu beschönigen,
die Wahrheit dessen, was unsern Trost ausmacht, könne nicht nach Art der
Mathematiker erwiesen werden. Die vereinigten Zeugnisse so vieler unabhängiger,
unverabredeter, unverwerflicher Männer, die Beweise, die vor dem Heiland
hergegangen sind, diejenigen, die nach ihm in den Wundern seiner ersten Jünger
die Welt erleuchtet haben —, so viele Kennzeichen der Wahrheit vereinigen
sich hier, daß es unmöglich ist, alle diese unverbundenen Beweise
hätten sich zur Glaublichkeit einer Unwahrheit vereinigt. Niemand, der
aufrichtig spricht, zweifelt am Dasein, an den Siegen, an dem Tode eines Cäsar.
Wenn aber Jesus der beglaubigte Abgesandte Gottes ist, so müssen ihm die
Menschen Glauben zustellen. Wenn er weder selbst hat betrügen können
noch das Werkzeug eines fremden Betruges gewesen ist, wenn Wunder seine Sendung
bestätigt haben, so sind seine Worte die Wahrheit.
Ich bin, meine Geliebte, von der unumschränkten Größe des obersten
Wesens überzeugt. Wir haben, wie uns Menschen gebühren mag, ein Maß,
die Größe des Unermeßlichen zu schätzen: die Welt, die
selbst unermessene, selbst den Gesetzen der Natur zufolge grenzenlose Welt,
die Stadt Gottes, wo Tausende von Sonnen, Zehntausende von Erden, die unzählbaren
Häuser sind — wo eine einzige Hütte, eine der kleinsten Kugeln,
Millionen von Menschen, Millionen von Tieren beherbergt, in derem jedem die
Weisheit des Schöpfers mir ebenso deutlich in die Augen strahlt, wie die
Geschicklichkeit eines Künstlers in der entfernten Nachahmung eines Tieres,
in einer Uhr. Ein anderes Maß des Ewigen ist seine Dauer, sein unbegreifliches
Alter ohne Jugend, ohne Anfang: es übersteigt zwar alle unsere Begriffe,
wir Endlichen haben alle angefangen und können uns von demjenigen keine
Vorstellung machen, das vor allen Anfängen da gewesen ist. Selbst die etwas
minder den Verstand betäubende Ewigkeit, die ohne Ende fortdauert, ist
gleichwohl ein Abgrund, worin alle Kräfte der Seele versinken. Und dennoch
ruft die Vernunft uns vernehmlich zu, Gott sei diese ewige Sonne, die ohne Aufgang,
ohne Untergang in einem unveränderlichen, nie steigenden, nie fallenden
Mittag steht. Dieses große, dieses alle Welten regierende, dieses alle
Zeiten durchherrschende Wesen malen sich die Menschen freilich oft zu klein,
ihnen selbst zu ähnlich, fast wie einen Schutzgeist der Erde oder eines
Volkes.
Mich hat die Kenntnis der Natur gelehrt, höher von Gott zu denken, vor
dem unsere Erde eines der kleinsten Stäubchen ist, die unter dem Fuße
seines Thrones in unzählbarer Menge wimmeln. Wenn also die Rede von einem
Menschen ist, mit dem die Gottheit sich verbindet, so erstaune ich billig vor
dem unbegreiflichen Geheimnisse; und niemals würde es in meine oder in
eines nachdenkenden Menschen Gedanken gekommen sein, das Unendliche mit dem
Endlichen vereinigt zu sehen. Niemals hätte ein Sterblicher sich unterstanden,
von dem Ewigen und Unermeßlichen ein solches Übermaß der Güte
zu erwarten, wenn das alle Hoffnungen übersteigende Geheimnis nicht geoffenbart
worden wäre.
Nun hat derjenige geredet, in dessen Munde kein Falsch ist. Er sagt, Jesus,
der Nazarener, ist zwar ein Mensch, ein Sohn Davids, geboren von Maria, erzogen
wie ein Menschsohn, den Schwachheiten des menschlichen Körpers, dem Hunger,
dem Durste, den Schmerzen unterworfen, der sein Leiden gefühlt und selbst
gefürchtet und mit einem schmählichen Tode geendigt hat. Als ein Mensch
hat er auch die oberste Macht des Vaters erkannt, sich vor ihm erniedrigt, vor
ihm angebetet, sich als den Weg zu ihm, als seinen Abgesandten dargestellt,
durch seinen Namen Wunder getan.
Aber man müßte der Wahrheit untreu sein und wider seine deutliche
Überzeugung handeln, wenn man in Jesu nichts als den Enkel Davids, den
Sterblichen sehen wollte. Oft habe ich mich über die heimtückische
Untreue der umfangreichen Sekte verwundert, die die Offenbarung annimmt, aber
Jesus für einen bloßen Menschen hält. Sie dünkt mich weit
weniger Aufrichtigkeit zu zeigen, als diejenigen, die alle Offenbarung verwerfen,
indem sie die deutlichsten Zeugnisse der übermenschlichen Eigenschaften
Jesu einerseits annimmt und dann gerade wider dieselben schließt.
Jesus sagt nun selber mit Worten, die ein eigenes Gepräge einer über
die Sterblichen erhobenen Würde tragen, er gedenke der Herrlichkeit, in
welcher er beim Vater war, ehe die Welt entstand (Joh. 17, 5): Ich bin eher als Abraham gewesen, ich komme aus dem Himmel, wo ich beim Vater
war, ich komme aus ihm, ich kehre wieder zu ihm, wo ich vorher war, wo er vor
der Gründung der Welt mich liebte. Ich bin der Weg zum Leben, wer an mich
glaubt, ist selig. Mir hat der Vater alles in meine Hände gegeben, ich
werde alle zu mir ziehen. Er ist in mir, und ich in ihm, wer mich gesehen hat,
der hat den Vater gesehen. Ich und der Vater sind eines. Alles das Seine ist
mein. Ich werde den heiligen Geist ausschicken, den Tröster. Vor meiner
Herrlichkeit werden alle Menschen erscheinen, ich werde sie richten und sie
zur Seligkeit erhöhen oder zur Hölle verurteilen. Taufet im
Namen Gottes des Vaters und des Sohnes. Er, der unendlich über alle Eitelkeit
erhaben war, er, der in seiner Erniedrigung nicht den Guten sich heißen
lassen wollte, weil Gott, für den der Redende ihn nicht hielt, allein gut
ist, er, der freiwillig Erniedrigte, ließ ohne Widerrede von Thomas nach
der Auferstehung sich als den Herrn und den Gott des überzeugten Jüngers
anrufen. Die versammelten Jünger beteten ihn an, dieweil er zum Himmel
erhoben wurde. So wie er selber bezeugt hat, er sei vor dem Anfange der Dinge
bei Gott gewesen, so sagt sein geliebter Johannes, das Wort war bei Gott, es
war Gott, es wurde Fleisch und wohnte unter uns (Joh. 1,14). Heil unserm Gott,
der auf dem Throne sitzt, und dem Lamme, das für die Sünden der Welt
geschlachtet ist. Alle Dinge sind durch ihn gemacht, sagt Paulus, alles, auch
die Throne und Herrschaften.
Noch ein Beweis entsteht hei mir über dem Nachdenken. Eben die unendliche
Größe Gottes des Schöpfers erhebt ihn über einen Menschen,
so daß keine Gleichheit zwischen Gott und dem Menschen Platz hat. Nimmermehr
hätte Jesus sich mit diesem Obersten, durch die Unendlichkeit vom Menschen
abgeschnittenen Wesen in eine so oft wiederholte Gleichheit gesetzt, wenn er
ein bloßer Mensch gewesen wäre. Er wäre wie Moses, wie Abraham
im Staube geblieben. Kein Sterblicher kann Gott ansehen und leben. Aber Jesus
kam aus dem Schoße seines Vaters.
Ich finde hier keine Ausflucht: Wenn Jesus wahrhaft ist, wenn er von Gott kommt,
so ist er mehr als ein Mensch, mehr als ein Engel; mit ihm ist derjenige aufs
innigste verbunden, der von Ewigkeit her war, er ist der Anbetungswürdige,
der Göttliche.
Wir begreifen diese Verbindung des Ewigen mit einem nur dreiunddreißig
Jahre lebenden Sterblichen nicht. Aber begreifen wir denn je die Verbindung
unserer eigenen Seele mit ihrem Leibe? Wir sind eine Seele und ein Leib —
jene empfindet, denkt und urteilt ohne Teile, ohne Oberfläche und Ausdehnung,
dieser widersteht, hat Teile und Oberfläche. Diese unähnlichen Wesen
sind innigst verbunden, der Klumpen Erde ist ein Teil meines Ichs, so wie es
die unsterbliche Seele ist. Ich empfinde den Stoß, den der Leib aussteht;
der Leib bewegt sich auf Befehl meines Willens. Dieses Band ist unbegreiflich,
aber es ist wahr, unser Gefühl überzeugt uns täglich davon. Doch
gröbere Dinge begreift ihr nicht: was die Bewegung ist, wie sie aus der
Oberfläche eines Körpers in die Oberfläche eines anderen übergeht,
ihn verläßt, einen anderen beseelt, ohne daß der verlassene
im allergeringsten verändert ist, ohne daß ihr begreifen und entscheiden
könnt, ob die Bewegung etwas Ausgedehntes, etwas Meßbares, etwas
Körperliches ist oder nicht. Doch von allen den Einwürfen, die ein
Ungläubiger macht, ist keiner schlechter als derjenige, der vom Mangel
des Begriffes hergenommen ist.
Wenn Gott die Gesetze der Natur stillstehen hieß, wenn er Jesu die Macht
gab, die Bande des Todes aufzulösen, wenn er das große Geheimnis
ihm auftrug, zu entwickeln, wie die Sünden der Menschen vergeben werden
sollten, so war es höchst vernünftig zu vermuten, dieser himmlische
Bote würde uns Dinge lehren, die unsere Begriffe übersteigen, unaussprechliche
Wahrheiten, die in der Sprache der Menschen nicht deutlich ausgedrückt
werden können. Wenn Jesus von den Eigenschaften des Unbegreiflichen zu
reden hatte, verwundern wir uns dann, daß er unbegreifliche Dinge von
ihm sagt?
Und dann sind endlich diese Geheimnisse keine Widersprüche. Können
wir dann (nicht zwar die Weise, wie sie sind, aber doch) die Angemessenheit
der Mittel zu den Wirkungen so gar nicht einsehen? Ich glaube an diese Blindheit
nicht. Gott verbindet die Seele mit dem Leibe, einen Engel mit einem Wurme,
ein unteilbares, einfaches, unmeßbares, unausgedehntes, von allen Eigenschaften
des Körpers entblößtes Wesen mit dem so weit unter ihm stehenden
Körper — denn von dieser Wahrheit bin ich innigst überzeugt,
obwohl hier nicht die Stelle ist, sie zu beweisen, da sie nur ein Beispiel ist.
Kann Gott (denn dieses nehmen wir als unstreitig erwiesen an) die Welt regieren,
kann der unkörperliche, unteilbare, ohne Oberfläche und ohne inwendige
Materie dennoch wirksame Gott die Welt regieren und die Quelle aller Bewegung
sein, ohne einen Körper zu berühren, warum sollte Gott nicht auf die
Geister wirken können, die wie er unkörperlich und unteilbar sind?
Warum ist es denn unmöglich, daß die Weisheit, die Güte, die
Gerechtigkeit, die Wunderkraft Gottes sich mit einem erschaffenen Geiste innigst
verbinden und auf eine nähere Weise in demselben wirksam sein können
— so wie sie in einem allgemeineren Sinne in dem ganzen Umkreise der Dinge
wirksam sind.
Ich bin kein Gottesgelehrter und scheue mich, die Kunstwörter zu gebrauchen,
die wegen der entstandenen Streitigkeiten über eben diese Verbindung Gottes
mit dem Menschen Jesu erfunden worden sind. Eben das Wort Person ist uneigentlich,
da es so offenbar ein von allen andern gänzlich verschiedenes, für
sich allein denkendes, wollendes und handelndes Ding bedeutet, dergleichen völligen
Unterschied niemand in der Gottheit lehren wird. Ich glaube auch und soll niemand
anders glauben als der heiligen Schrift — aber derselben und den heiteren
Worten des Heilandes selber muß ich glauben. Und ich glaube es freudig
und mit lebhafter Teilnahme, daß Jesu s nicht ein bloßer Mensch,
nicht ein bloßer Engel gewesen ist und noch in seiner Herrlichkeit ist,
sondern daß die Gottheit, der Schöpfer und Urheber aller Dinge, auf
eine besondere (und körperlich begreifenden Menschen unbegreifliche) Weise
sich mit der menschlichen Seele Jesu vereinigt hat — und daß in
dieser Seele die göttlichen, unermessenen, unfehlbaren und unumschränkt
heiligen Eigenschaften sich geäußert haben. So daß Jesus, der
dabei ein Mensch war, dennoch göttlich gedacht, göttlich gehandelt
und sich auch die göttliche Ehre und den göttlichen Namen hat geben
lassen können.
Mir ist dieses Geheimnis auch, desto weniger befremdend, weil ich deutliche
Gründe sehe, die den erbarmenden Gott haben bewegen können, einen Gottmenschen mit seiner Beiwohnung auszurüsten.
Daß die unermeßliche Gottheit aus den ordentlichen Schranken der
Regierung der Welt heraustritt, daß sie Wunder tut, daß sie eine
menschliche Seele auszeichnet, um sich mit derselben zu vereinigen, müssen
allerdings Vorteile bei diesen beispiellosen Ausgüssen der göttlichen
Gnade sein, die seine Weisheit dazu haben lenken können.
Ich sehe hier gleich anfangs deutlich die Notwendigkeit einer höheren Würde
ein, da Jesus zur Bekanntmachung der Wahrheit auf die Welt gekommen ist, da
er die Gewißheit eines zweiten Lebens und des Gerichtes den Sterblichen
verkündigen sollte, da er eine Sittenlehre zu lehren zu uns kam, die uns
einzig rein und Gott gefällig zu machen zureicht, da ihm eine allgemeine
Umschaffung des menschlichen Herzens zu bewirken und das Zeitliche hei uns zu
erniedrigen, das Ewige aber auf seinen wahren Wert zu erhöhen aufgetragen
war. Die Erfahrung hat gezeigt und die Natur der Dinge läßt es nicht
anders zu, daß ein irrender und fehlhafter Mensch zu dieser großen
Absicht zu schwach ist. Selbst sündlich, beraubt er sich des Ansehens,
das nötig war, die wallenden Begierden anderer Menschen zu bezwingen. Selbst
unweise, kann er in der Verkündigung des Guten irren, kann Irrtümer
glauben und wiederum lehren, kann von den Menschen zu viel oder zu wenig fordern.
Selbst irdisch und an die Lehren der Sinne gebunden, kann er keinen Glauben
erhoffen, wenn er von der Ewigkeit, vom zukünftigen Leben, von den Ratschlüssen
und Eigenschaften Gottes spricht. Er kann etwas aus der Vernunft erschließen
und ergründen, aber Stückwerk wird sein, was ihn die Vernunft lehren
kann, es wird wie lockerer Sand niemals dem Gebäude einer tätigen
Religion als Grundlage dienen können.
Es wäre nicht genug gewesen, einen reineren Sokrates oder einen beredsameren
Epiktetus mit allen Gaben des griechischen Geistes auszurüsten. Die der
Menschheit anklebenden Fehler, die Mängel, die die Welt an Marc Aurel und
an Sokrates leicht entdeckte, die bis ins Theatralische getriebene Tugend des
ersteren, die nicht genugsam von der Wollust gesäuberte Seele des letzteren
hätten ihren Lehren den Eindruck genommen, den sie in der Menschen Gemüter
machen sollten. Selbst Epiktetus war eine stille Lampe, die vor wenigen Freunden
leuchtete.
Hier wurde eine Sonne erfordert, deren Licht ganze Länder aufklären,
deren fruchtbare Wärme den Samen des Guten in Tausenden zum Leben aufwecken
sollte. Kong-fu-tse war zu kalt, er kannte das zweite Leben nicht; seine Lehre
bewegte seine Mitbürger zum Gehorsam gegen den Kaiser, aber nicht gegen
Gott. Er lieh dem ungebesserten Menschen die Larve der Tugend und der Weisheit.
Jesus sollte die Welt verbessern, sollte vielen
Geschlechtern der Menschen, vielen Millionen über die Gebote dauerhafte
Empfindungen einprägen, dadurch sie in Ewigkeit glücklich werden könnten.
Das hat Er, und niemand außer ihm hat es getan. Wir genießen nach
achtzehnhundert Jahren die Früchte seines Amtes, wir besitzen die reinsten
Begriffe von Gott, den deutlichsten Unterricht darüber, wie wir ihm gefallen
können, die zuverlässigste Versicherung eines künftigen Lebens,
die wohltätigste und vollständigste Sittenlehre.
Aber diesen großen Zweck zu erhalten, mußte Jesus untadelhaft, unfehlbar
und insbesondere der Geheimnisse der Gottheit und der Ewigkeit völlig kundig
sein. In allen den schweren Fällen seines erhabenen Lehramtes mußte
eine allen Irrtums unfähige Weisheit ihm die Reden und die Taten eingeben,
daran die sinnreiche Bosheit der Menschen, die spöttische Sophisterei des
Julian, die Hartnäckigkeit der Juden und die heutige erfindungsreiche Satire
der neueren Ungläubigen nichts auszusetzen finden sollten. Das Maß
der Wunder, die er allemal in den schicklichsten Umständen zu tun oder
zu vermeiden hatte, mußte weder durch eine heimliche, dem Besten unter
den Sterblichen anhängende Eitelkeit erweitert, noch durch Nationalwiderwillen,
dem den Juden anklebenden Laster, verengt werden. Kein Betrug der Sinne, keine
Wollust von irgendwelcher Art, keine Begierde mußte die unbefleckte Reinheit
seines Wandels besprengen, kein Zorn hei ihm aufwallen, keine Furcht vor dem
Tode seine unveränderliche Bestrebung hemmen, den erhabenen Auftrag zu
vollbringen, dessentwegen er in die Welt gekommen war.
Ein Wort sagt alles, er mußte kein Mensch sein, denn ein Mensch wäre
dem Irrtum, den Fehlern, der Sünde selber unterworfen geblieben. Aber die
bei Jesu wohnende Gottheit verklärte seine Weisheit, entfernte alle Begierden,
lenkte seine Wunderkraft, sprach aus ihm mit Worten, die keines Menschen Zunge
jemals geredet hatte, und leitete den Heiland den geradesten, den niemals abweichenden
Weg zur Vollendung seiner himmlischen Botschaft. Er, der bei Gott gewesen war,
der von Gott kam, konnte den Menschen Gottes Ratschlüsse bekannt machen,
und das Urteil der ewigen Gerechtigkeit über die Sünden konnte der
Richter der Welt allein eröffnen. Es war also eine große Gnade der
Gottheit, daß sie sich mit dem Menschen Jesu vereinigte, aber ohne diese
Gnade wäre seine Sendung fruchtlos gewesen.
Aus: Das Zeitalter der Aufklärung. Herausgegeben
von Wolfgang Philipp (S.348-357)
In der Reihe: Klassiker des Protestantismus. Herausgegeben von Christel Matthias
Schröder Band VII, Sammlung Dieterich
Carl Schünemann Verlag Bremen