Muhammad Schams ud-Din, genannt Hafis (1329 – 1390)

  Persischer Dichter, der Schiite war und als der größte lyrische Poet Persiens gilt. Hafis - was soviel wie »Bewahrer, der den Koran auswendig weiß« heißt - studierte Theologie und andere Geisteswissenschaften. Später soll er als Professor für Koranauslegung an einer islamischen Hochschule in seiner Vaterstadt Schiras gelehrt haben. In seinen unerreicht gebliebenen Ghaselen verherrlichte er die Liebe (wobei er die Knabenliebe nicht ausspart), den Wein, die Schönheit der Natur und verspottete die Heuchler und Philister. Seine Ghaselen, die in einem Diwan gesammelt wurden, werden hintergründig oftmals von tiefen philosophischen Gedanken getragen. Es gilt als sicher, dass Goethe durch die von Hammer-Purstall verfasste Übersetzung zu seinem »West-östlichen Diwan« animiert wurde.

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Ausgewählte Gedichte
Es kam ein Hauch von oben,
der mir ins Ohr die Worte blies:
Nicht wähn‘, aus eignem Innern
entströme dein Gesang, Hafis!
Vom Urbeginn der Zeiten
auf Rosen und auf Lilien
stehn seine Zauberformeln
geschrieben hoch im Paradies!

Es werde Licht! So tönete
Ruf Gottes in die dumpfe Nacht.
Und siehe da: es wurde Licht,
es wurde deines Auges Pracht!

Durch der Sonne Strahl
heiter allzumal
wird der Erde Saal,
blühen im Getal
Blumen ohne Zahl.
Doch sie selbst, die Sonne,
all in ihrer Wonne,
strahlt allein durch deines Auges Strahl!

O wär ich ein See, so spiegelhell,
und du die Sonne, die ihm blickte!
O wär ich ein klarer Wiesenquell,
und du die Blume, die ihm nickte!
O wär ich ein grüner Rosendorn,
und du die Rose, die ihn schmückte!
O wär ich ein süßes, süßes Korn,
und du der Vogel, der es pickte!

So halt ich es mit meiner Liebe:
daß ich mein eignes Sein vergesse,
daß ich mein Ich, mein ganzes, opfre;
zehntausend Seelen, wenn ich hätte,
ich würde sie vor dir verstreun.
So halt ich es mit meiner Liebe:
treu bin ich ohne Wank und Wandel.
Laß jeden höchsten Reiz der Erde
vorüberziehn vor meinem Auge,
nicht weckt er eine leise Regung;
ich sehe dich, nur dich alleine,
und jedes andre Bild verweht.
Ich bin Madschnun, der, lieberasend,
nicht Persien und nicht Arabien,
die Erde nicht mit ihren Blumen,
den Himmel nicht mit seinen Sternen,
für seine süße Laila nimmt.
Man drohe mit gehobner Klinge,
man lasse Wund auf Wunde bluten,
man schlage mir das Haupt herunter!
Ich weiche nicht von deiner Schwelle,
ich liefere dem Schwertbewehrten
nicht aus das einzig edle Kleinod,
das ich besitze: meine Liebe;
mit eisiger, erstarrter Hand noch
halt ich die schöne Perle fest!

Ich möchte dir so gern die Seele geben;
doch hast du sie durch ewigen Beschluß
schon ohnehin, und nicht bin ich imstande
zu sagen, daß sie je mein eigen war.
Geschaffen hat, soviel ich mich besinne,
der Himmel ohne Seele mich und die
mir zugehörige Seele dir geschenkt.

Fort mit dem Ich und seiner Kraft,
gebeut die Liebe, fort damit!
Vor jenem Auge ziemet ihm,
daß es verstiebe; fort damit!
Nein, geize nach der Ehre nicht,
dir selber ewig gleich zu sein;
wo ferne nur ein Schein davon
zurückebliebe, fort damit!
Sich aufzulösen ist so schön
in ungemeßner Leidenschaft,
und deiner Ichheit stolze Pracht
so trist und trübe; fort damit!
Zu Asche brenn ein liebend Herz,
und in die Lüfte streu‘s der Wind,
beweisend aller Welt, wie groß
die Macht der Liebe; fort damit!

Ich bin ein armes Lämpchen nur,
ein dämmerndes in dunkler Nacht;
du bist die lichte Morgenpracht
aufstrahlend im Azur.
Du strahle nur, du prange nur!
Wiewohl vor deinem Angesicht
des armen Lämpchens Auge bricht,
ich bebe nicht, ich bange nicht;
du leuchte nur,
und ich vergehe gern in deinem Licht!

Wähne nicht, ich sei noch!
Ging ja doch in deiner Liebe Feuer
auf in hellen Flammen
meines Seins entzündlich arme Scheuer!
Nur ein Häufchen Asche
blieb zurück; das stäubet in die Lüfte,
sinkt herab und legt sich
vor die Füße dir als Liebessteuer.

Ich gebe dir ein gut Gesetz,
ein redliches und reines hie:
Genieße, was dein Herz erfreut,
doch Bruderherzen kränke nie!

Dornen in den Weg geschleudert
werden uns von frommen Händen:
lasset uns dafür die Rosen
allgemeiner Liebe spenden!

Giere nicht nach Golde,
geizig aufgehäuftem,
andere verlocken
laß die Pracht der Ehren,
anderen mißlingen
laß erhabne Mühn!
Lieblicher, zu trinken,
seliger, zu singen
und geliebte Locken
durch die Hand zu ziehn.

Prachtbediademte Herrscher —
ungeliebte, liebelose,
nur gekrönte Bettler sind sie,
arme Bettler im Ornat.
Liebevoll geliebte Bettler —
Fürsten ohne Krone sind sie,
Kaiser ohne Kaiserstaat.

Seh ich all das Treiben auf der Erdenflur,
von Verstande seh ich auch nicht eine Spur.
Was sie Glück benennen, ist ein hohler Schaum;
glücklich ist der Trunkene, der Verliebte nur.

Weißt du, warum ich trinke?
Von Hochmut strotz ich und Eitelkeit,
und die will ich ersäufen
im Meere der Betrunkenheit!

Reicht meiner Sünde den Tugendpreis!
Wer so, wie Hafis, zu sündigen weiß,
tief in der Gottheit Gnadenmeer,
der Selige, versinket er!

Nicht verleiht dir Heuchelei
Heiterkeit und süße Ruhe;
lebe lieber frank und frei,
so wie ich, der Ketzer, tue.

Sie, die auf ihren Kanzeln
so heilig und so hehr tun,
die stets, wie wenn sie rein nur
mit Engeln im Verkehr, tun;
die öffentlich vor jeder
verpönten Wonne schaudern —
sie werden in der Stille was wir —
vielleicht noch mehr tun.

Wer verächtlich, wer von Wert,
drüber ist ein Zweifel.
Auf dem hohen Tugendpferd
sitzen viele Teufel.
Tugendglanz und Teufelei,
Millionen Ränke —
das ist alles einerlei,
wenn ich‘s recht bedenke.

Wenn meine Verse gar zu frei
und gar zu reich an Unbedacht —
dann, liebe Leute, denket euch,
ich habe sie im Rausch gemacht.
Bewundert ihr darin zugleich
die Bilder- und Gedankenpracht —
auch dann zu denken ist der Ort,
ich habe sie im Rausch gemacht.
Zwar hab ich auch, vom Trunke rein,
Vernünftiges zur Welt gebracht;
doch war es ohne Glanz und Schein,
es war ja nicht im Rausch gemacht.
Da schwur ich einen großen Eid,
nie mehr so geistlos-ungeschlacht
zu dichten eine Zeile nur,
die anders, als im Rausch gemacht.

Ihr, die ihr einst im stillen,
ruht mein Gebein im Sande,
holdseligem Verbande
die schöne Seele weiht —
an meinem Grabe findet euch,
und höhnet die Tyrannenwut,
die süßer Liebe Bund zerreißt,
und jauchzet und begütet
die schmerzlich heiße Glut!
Euch schrecke nicht, der euch umkreist
und segnet und behütet:
mein liebevoller Geist!
S.252ff.
Enthalten in: Islamische Geisteswelt. Von Mohammed bis zur Gegenwart. Herausgegeben von Rudolf Jockel , Holle Verlag , Darmstadt