Heinz Haber (1913 – 1990)
Deutscher Physiker, Raumfahrtmediziner und Schriftsteller; nach Abschluss des humanistischen Gymnasiums Physik und Astronomie an den Universitäten Leipzig, Heidelberg und Berlin studierte. Während und nach der Promotion und Habilitation war er Forschungsassistent und später Abteilungsleiter am Kaiser-Wilhelm-Institut für physikalische Chemie in Berlin-Dahlem. 1946 ging er in die USA und entwickelte an der Air University der amerikanischen Luftwaffe die »Raumfahrtmedizin«. 1952-56 lehrte er an der Universität Los Angeles. 1960 wurde er von der ARD und 1964 von ZDF mit der Produktion von wissenschaftlichen Dokumentarsendungen beauftragt. U.a. war er auch Herausgeber der Zeitschrift »Bild der Wissenschaft«. Siehe auch Wikipedia |
Der Eingriff
der Schöpfung geschah zu Beginn des Universums
Was mir schon als Gymnasiast auffiel, war die Sicherheit, mit der der Angehörige
einer jeden Religion die Meinung vertritt, dass der Gott seines Glaubens der einzige und vor allem der wahre Gott sei: für die Christen der Gottvater,
für die Juden Jehova und für die Mohammedaner Allah. Für die
Südseeinsulaner ist es die liebenswürdige Vulkangöttin Pele.
Schon als junger Mensch habe ich mich gefragt, wer denn nun recht hat. Da ich
Naturwissenschaftler bin, hatte ich immer schon großen Respekt und eine
große Bewunderung für das, was sich »die Schöpfung«
nennt. Vor diesem übergeordneten Begriff hatte ich große Achtung.
Nur eben nicht in dem Sinne, dass ich an die Genesis glaube, die ja in
allen Religionen verschieden interpretiert wird. So muss ich gestehen,
dass mir der Gottesbegriff der großen Religionen vielfach sehr naiv,
ja sogar unwürdig erscheint. Die obersten Götter der verschiedenen
Religionen werden dauernd dazu herabgewürdigt, sich um die Erschaffung,
die Erhaltung und die Fürsorge jedes einzelnen Lebewesens laufend zu kümmern.
In meinen Augen hat die »Schöpfung« das sehr befriedigend gelöst.
Mit der »Erschöpfung« der Kategorien von Raum, Zeit und Materie wurden gleichzeitig auch alle jene Gesetze geschaffen, welche dann das Weltall
und den Stoff in ihm befähigt haben, in einer großartigen Evolution Milchstraßen, Sonnen, Planeten, unsere Erde und das Leben auf ihr, einschließlich
uns Menschen, auf den Weg zu bringen. Der Eingriff der Schöpfung geschah
zu Beginn des Universums und für den weiteren Ablauf der Gesetze bedarf
es keines weiteren Eingriffs. Diese Grundidee erscheint mir erhabener als die
mehr oder minder diffizilen laufenden Eingriffe der Götter aller Religionen.
Auch in einer anderen Hinsicht kommt man mit diesem allgemeingültigen Schöpfungsbegriff nicht in Schwierigkeiten, wenn man bedenkt, dass die irdische Menschheit mit erdrückender Wahrscheinlichkeit nicht die einzige intelligente Spezies im Weltall ist. Wenn man so denkt, erscheint der Gottesbegriff der irdischen Religionen als überaus provinziell. Da spielt noch die uralte Idee eine Rolle, dass die Erde der Mittelpunkt des Weltalls sei. In allen Religionen steckt diese sehr starke egozentrische Vorstellung.
Auch das Wort aus der Schrift »Gott hat den Menschen nach seinem Ebenbild erschaffen« entstammt dieser egozentrischen Gesinnung. Es ist durchaus möglich, ja sogar überaus wahrscheinlich, dass unter den vielen anderen intelligenten Wesen im Weltall sich auch solche befinden, die uns körperlich überhaupt nicht ähnlich sind. Diese hätten dann das gleiche Recht, ihren Gott in ihrem Ebenbild zu sehen.
Mein Gottesbild — oder besser gesagt meine Vorstellung über
die Schöpfung ist eben der Schöpfung als Ganzes angepasst. In
diesem Rahmen haben alle Religionen und alle Gottvorstellungen ihren Platz.
Und das empfinde ich gerade als so überaus befriedigend.
Aus: Jan Brauers (Hrsg.), Mein Gottesbild, Fünfzig
Beiträge namhafter Autoren (S.120-122)
© 1990 by nymphenburger in der F.A. Herbig Verlagsbuchhandlung GmbH, München
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