Johann Cristoph Gottsched (1700 - 1766)

  Deutscher Dichter und Gelehrter, der erst Theologie und dann Philosophie in Königsberg studierte. Seit 1725 hielt er in Leipzig Vorlesungen über Schöne Wissenschaften und die Philosophie Christian Wolffs. 1730 wurde er zum außerordentlichen Professor für Poesie ernannt und 1734 zum ordentlichen Professor für Logik und Metaphysik. Als überzeugter Anhänger der rationalistischen Grundhaltung von Wolff wandte er sich gegen die schwülstige Sprache und ihre Verwilderung im späten Literatur-Barock. In seinem 1730 erschienen Werk »Versuch einer Critischen Dichtkunst vor die Deutschen«, beschreibt er »die allgemeinen Regeln der Poesie, hernach alle besonderen Gattungen der Gedichte«, wobei »überall aber gezeigt wird Daß das innere Wesen der Poesie in einer Nachahmung der Natur bestehe«. In die Literaturgeschichte ist er deshalb auch unter dem Namen »Regelpoetiker« eingegangen.

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Inhaltsverzeichnis

Lehrgedichte
Dass der Mensch selbst an seiner Verdammung Schuld sei
Die Notwendigkeit und Pflicht theologischer Lehrer
Die Pflichten eines Lehrers der Weltweisheit
 
Dass ein Gottesgelehrter auch in Vernunft und Weltweisheit stark sein müsse

Dass Gott der Menschen Schicksal von Ewigkeit bestimmt habe

Dass der Mensch selbst an seiner Verdammung Schuld sei
Bei Gelegenheit eines Donnerwetters. 1718.
So fahrt nur immer fort in eurer Sicherheit!
Versäumet unverschämt die kurze Gnadenzeit,
Verkehrte Sterbliche! die ihr den Höchsten hasset,
Und euer blindes Herz dem Frevel überlasset.
Wie läuft doch euer Fuß so hurtig höllenwärts!
Erweichet doch einmal das felsenharte Herz.
Auch euch will Gottes Huld sehr gern zum Himmel bringen,
Doch keinen mit Gewalt zum frommen Leben zwingen.

Zween Wege hat uns Gott in Gnaden vorgelegt,
Wo einer dornicht ist, der andre Rosen trägt.
Der eine führet uns zum unverwelkten Leben,
Der andre kann uns nichts, als Tod und Marter, geben.
Aus Huld verstattet er uns Menschen allzumal
Die unumschränkte Macht, die mehr als freie Wahl,
Den Rosen hold zu sein, die Dornen auszulesen,
Der Höllen zu zu gehn, und ewig zu genesen.
Ihr Sünder! ist die Schuld nicht euer ganz allein,
Wenn ihr so bosheitvoll, so töricht wollet sein;
Dass der verirrte Geist den Himmel von sich schiebet,
Und nach verkehrter Art die gröbsten Laster liebet.

Indessen, großer Gott! bist du so liebesvoll,
Wenn dein ergrimmter Arm die Frevler strafen soll;
Dass du die Missetat nicht gleich so völlig lohnest,
Und erst die Leiber strafst, die Seelen noch verschonest.
Gewiss, es mangelt dir an schweren Strafen nicht;
Du weist so manche Qual zu deinem Zorngericht.
Es fehlt dir, Höchster! nie an scharfen Donnerschlägen,
Ein ungehorsam Volk ins schwarze Grab zu legen.
Seht! wie der lichte Blitz der Wolken Dampf durchdringt;
Hört! wie der laute Knall in dicken Lüften klingt;
Und schließt: wie groß der sei, der euch mit seinen Wettern,
Der Mauren und Gewölb und Türme kann zerschmettern.

Verwegne! denkt dabei, was ihr für Gräuel tut!
O! macht den Glauben rein, und euren Wandel gut;
Sonst möchte Gott dereinst, mit gleichen Schwefelkeilen,
Zum wohlverdienten Lohn begangner Sünden eilen:
Ja schont die Langmut hier; so wird doch jene Pein,
Die unaufhörlich währt, der Laster Strafe sein.

Nach: Gottsched: Gedichte, S. 594 ff.Digitale Bibliothek Band 75: Deutsche Lyrik von Luther bis Rilke, S. 36312 (vgl. Gottsched-AW Bd. 1, S. 427 ff.)

Die Notwendigkeit und Pflicht theologischer Lehrer
Als Herr Joh. Gottlob Pfeifer, der heil. Schrift Licent. und Prof. die Doctorwürde zu Leipzig erlangte. 1724 den 27 April.
Ein Tor, der sich der Schar der Spötter beigesellt,
Der den Konfuzius für seine Bibel hält,
Der vom Spinoza mehr, als Moses Schriften, machet,
Und allen Gottesdienst des Christenvolks verlachet;
Ein Lästrer, der von nichts, als Aberglauben, schreit,
Und unsern Glaubensbau herum zu stoßen dräut,
Wird heute, da er sieht acht Glaubenslehrer krönen,
In seiner Phantasie, das ganze Werk verhöhnen.

Ich höre, wie mich dünkt, der frechen Mäuler Wort,
Sie rufen: Blinde Welt! was willst du fort und fort
Dem matten Christentum mehr neue Säulen schnitzen,
Und das geschwächte Reich des Unverstandes stützen?
Ach! warum willst du stets mit Maulwurfsaugen sehn?
Lass doch den freien Blick zur Wahrheitsonne drehn,
Und deine Kinder nicht, auf hundert hohen Schulen,
So eifrig um das Bild des Aberglaubens buhlen.
So bald der Doktorhut die schwachen Häupter drückt,
So bald das Mantelkleid die stolzen Schultern schmückt,
Wird auch der blöde Geist mit dunklem Flor verhangen:
Denn der verhasste Schmuck nimmt allen Witz gefangen.
Wer die Vernunft erhebt, der wird ihr ärgster Feind,
Sie lieben nichts, als das, was unbegreiflich scheint:
Und will man nicht den Tand verlachter Fabeln glauben;
So wird man uns gar bald Stand, Gut und Leben rauben.
So ruft das tolle Volk in seiner Raserei,
Und setzet sich hernach den starken Geistern bei,
Die sich an Torheit zwar, als ungeheure Riesen,
Doch am Verstande selbst noch viel zu schwach erwiesen.

Wiewohl Eusebia sieht den verdammten Wahn
Der eiteln Spötterzunft nur mit Erbarmen an.
Sie seufzet, sie beginnt die Stimme zu erheben,
Und will, voll Sanftmut, dies zur klugen Antwort geben:
Wie jammert mich, o Mensch! dein grober Unverstand?
Hat unser Glaube nicht den Aberwitz verbannt?
Ein Christ muss die Vernunft und Offenbarung lieben,
Denn beides hat ihm Gott zur Richtschnur vorgeschrieben.
Die Wahrheit ist ihm lieb, erlogne Fabeln nicht;
Er flieht, was der Natur der Seele widerspricht:
Das ganze Christentum lässt nur gesunde Lehren,
Hingegen nicht ein Wort vom Aberglauben hören.
Vergebens ist also die freche Lästerung,
Des Christenglaubens Grund ist fest und sicher gnung:
Man darf die Spötterei und das vergebne Dräuen
Verwegner Lästerer in Ewigkeit nicht scheuen.
Wenn mancher Grotius für unsre Wahrheit kämpft,
Huet und Abbadie der Gegner Hochmut dämpft,
Verstummt der feige Schwarm besiegter Atheisten.
Wie kommt das? Die Vernunft ficht selber für die Christen.

Kein Wunder, daß man jetzt der Helden Zahl vermehrt,
Wodurch die Christenheit der Spötter Heer zerstört,
Die Gläubigen beschützt, den kühnen Feind bestreitet,
Und das verirrte Volk auf bessre Wege leitet.
Weg dann! mit eurer Wut aus unserm Freudensaal,
Verberget oder hemmt des argen Herzens Qual:
Die Männer, die ihr seht zu größern Würden steigen,
Die sollen euch gar bald den schnöden Irrtum zeigen.

Drum auf! mein Pfeifer! auf! ergreife Schmuck und Hut,
Die dein Verdienst dir gibt. Was soll der blöde Mut,
Der dir bisher geraubt, was dir vorlängst gebühret,
Wenn dein gelehrter Fleiß die Lindenstadt gezieret?
Man frage nur die Schar, die deine Lehren kennt,
Und jetzt bei deinem Glück von Lust und Freude brennt:
Ich weiß, ich weiß gewiss, sie wird sogleich gestehen,
Dass nichts, als dein Verdienst und Tugend dich erhöhen.
Noch mehr, ganz Leipzig hat den Eifer längst gespürt,
Der manches Felsenherz, dem Donner gleich, gerührt,
Wenn du mit Mut und Kraft, zu jedermanns Vergnügen,
Den hohen Predigtstuhl im Tempel oft bestiegen.
Dein Vortrag ist sehr weit von jenem Wahn entfernt;
Der manchen Mund betört, dass er nur künsteln lernt.
Du suchest keinen Ruhm, du wünschest zu erbauen,
Und lässest, was du lehrst, in deinem Wandel schauen.

Glück zu, belobter Mann! zu deiner neuen Tracht!
Der Himmel, der dir selbst die Würde zugedacht,
Wird ferner seine Gunst, wird ferner seinen Segen,
Zu deinem Lehreramt, zu deiner Arbeit legen.
Dein Namen zeiget schon dein großes Wesen an;
Man weiß, was vormals hier ein Pfeifer schon getan.
Jedoch man prophezeit aus hundert guten Zeichen:
Der erste Pfeifer wird dem zweiten völlig weichen.

Nach: Gottsched: Gedichte, S. 597 ff.Digitale Bibliothek Band 75: Deutsche Lyrik von Luther bis Rilke, S. 36315 (vgl. Gottsched-AW Bd. 1, S. 429 ff.)

Die Pflichten eines Lehrers der Weltweisheit
An ein Paar seiner Zuhörer bey ihrer Magisterpromotion. 1729.
So geht und tretet denn auf die geweihten Stufen,
Dahin euch Glück und Recht, ihr werten Freunde! rufen.
Empfanget nach Verdienst der Lorbeerzweige Schmuck.
Wer sie so würdig trägt, der trägt sie würdig gnug;
Dem darf auch Momus nicht den bittern Vorwurf dräuen,
Den andre sonst mit Recht bei neuen Titeln scheuen.

Allein, verzeihet mir, wenn euch dies Blatt erklärt,
Was Pallas eurer Stirn für einen Kranz gewährt?
Und was es heißen soll, wenn sie von ihren Söhnen
Die Anstalt machen lässt, euch öffentlich zu krönen?
Wie mancher kennt dabei nicht sie, nicht seine Pflicht,
Ja selbst den hohen Wert von dieser Würde nicht;
Und geht und eilt und läuft, mit ungewaschnen Händen,
Minervens Heiligtum und Götterhain zu schänden.
Doch, wenn es ihm gelingt, so bleibt er, wer er war.
Kein Werk, kein halbes Werk, kein einzig Wort so gar,
Entdeckt hernach von ihm, daß er im Lehrerorden,
Den er vergrößert hat, ein tüchtig Glied geworden.
Ihr, Freunde! wisst es zwar, und habt es längst bedacht,
Was euren blauen Hut so ehrenwürdig macht;
Ja selber euch gescheut, mit allzukühnen Sprüngen,
Euch auf den hohen Sitz der Lehrenden zu schwingen.
Ich weiß es gar zu wohl. Doch hört mich diesmal an;
Weil das, was ihr schon wisst, doch andern nutzen kann.
Und wie? gefiel euch sonst mein treugesinntes Lehren,
So schämt euch heute nicht den Schluss davon zu hören.

Die Weisheit, der ihr hold, ja ganz ergeben seid,
Ist nicht ein schnödes Spiel der Unbedachtsamkeit,
Ist nicht ein Tockenwerk der ungeübten Jugend:
Ihr Werk ist Wissenschaft, Gelehrsamkeit und Tugend.
Minerva gleicht fürwahr den frechen Dirnen nicht,
Die den gemahlten Gips auf ihrem Angesicht
Mit unverschämter Stirn, den jüngsten Buhlern zeigen,
Und jedem, der es wünscht, ins geile Lager steigen.
Man haut kein prächtig Bild aus jedem Kieselstein:
Kein niederträchtig Herz kann ihre Wohnung sein.
Es muß ein edler Geist von ungemeinen Gaben,
Von seltnen Kräften sein, der sie zur Freundin haben,
Ihr Herz gewinnen will. Wer nicht die Wahrheit liebt,
Des Pöbels Torheit hasst, der Einfalt Abschied gibt,
Vernunft und Klugheit mehr, als Geld und Wollust achtet,
Der Dinge Grund erforscht, den Bau der Welt betrachtet,
Sich selber ausstudiert; und dann auf dieser Spur
Den unumschränkten Geist, den Meister der Natur,
In seinen Werken sucht, ergründet und entdecket;
Wem nicht ein großes Herz in starken Brüsten stecket,
So sich der Tugend weiht, die Lüste niederschlägt,
Der Menschen Bestes sucht, zu allen Liebe trägt;
Vor keinem Unfall bebt, von keinem Missvergnügen,
Verdruss und Kummer weiß, im Unglück nicht erliegen,
Nicht einmal wanken kann; wer nicht nach Ehre strebt,
Die aus der Tugend kommt, kurz, wer nicht denkt und lebt,
Wie weise Männer tun; der irrt bei offnen Sinnen,
Und schmeichelt sich umsonst die Göttin zu gewinnen.

So, so war Sokrates, Minervens echtes Kind,
So war auch Epikur, der große Mann, gesinnt;
Der darin nur gefehlt, daß er die weiten Bogen
Des Weltraums dem Geschick der Gottheit ganz entzogen.
So hat sich Zeno stets und Plato dargestellt;
So wies sich Epiktet als ein Tugendheld;
So war auch Tullius mehr in der Zahl der Weisen,
Als in der Rednerzunft, für ungemein zu preisen.
Dich, Cato, hat der Tod weit mehr, als ihn, erschreckt,
Als er sein graues Haupt dem Mörder hingestreckt.
So ist ein Seneca in Pallas Dienst gestorben;
So hat sich Antonin ein ewig Lob erworben;
So hat Boethius, das Bild der Redlichkeit,
Nicht des Tyrannen Zorn, nicht Bann und Tod gescheut;
So haben andre mehr, die noch die Welt erhebet,
Der Tugend nachgejagt, der Weisheit nachgestrebet.
Ihr Ruhm verschwindet nicht, so lange Sonn und Mond
Die Zeiten teilen wird, der Mensch auf Erden wohnt.

Das sind die Helden nun, auf die euch Pallas führet,
Ihr Freunde! wenn sie euch die muntre Scheitel zieret.
Wie sie, als Mentor dort, dem jungen Telemach
Nur von Ulyssens Mut, Ulyssens Tugend sprach:
So reizt sie einen Geist, der von dem Himmel stammet,
In dem die edle Glut der Weisheitliebe flammet,
Der fast vergessnen Spur der Alten nachzugehn,
Und sich, wie sie getan, durch Tugend zu erhöhn:
Durch Tugend, die sich zeigt durch ein vernünftig Wissen,
Die Gott und Menschen dient, und sich dem Wahn entrissen.

Ihr Freunde, folgt ihr dann! ach folgt der Führerin!
Ja, ja! ich kenne schon den ungemeinen Sinn,
Der eure Brust belebt. Ihr nehmt den Lehrertitel
Wohl nicht aus Prahlsucht an: ihr braucht ihn, als ein Mittel,
Das andern zeigen soll, was ihr euch wünscht zu sein.
Der Grund ist schon gelegt, ihr kennet Holz und Stein,
Und Marmor und Metall, die ein Gebäude zieren,
Minervens Tempelbau vollkommen aufzuführen.
Vollendet ihn beglückt, vermehrt die Wissenschaft:
Es fehlt euch nicht an Lust, es fehlt euch nicht an Kraft.
Begnügt euch daran nicht, was ihr von mir gehöret;
Forscht selber fleißig nach, was Wolf und Leibniz lehret,
Was Holl- und Engelland, und Frankreich uns entdeckt,
Und was für Fleiß und Witz in Welschland selber steckt.
Die Kunst ist nicht erschöpft: wer kann sie ganz ergründen?
Wer eine Wahrheit weiß, kann hundert andre finden.
Der Wunder sind wir selbst, Natur und Welt so voll,
Daß niemand ihre Zahl so leicht ergründen soll.
Drum lasst uns emsig sein, und keine Mühe sparen!
Was man nicht heute lernt, das kommt doch mit den Jahren.

Doch dient auch, wie ihr könnt, der Welt durch euren Fleiß,
Lehrt andre, was ihr wisst, und nicht ein jeder weiß.
Wir müssen unser Pfand, das wir vom Himmel haben,
Nicht in den lockern Sand des Müßigganges graben.
Bestreitet überall das Vorurteil der Welt,
Die Philosophen nur für Grillenfänger hält;
Und lasset künftighin in Worten, Schriften, Werken,
Ein philosophisch Tun und weises Wesen merken:
Denn wo nicht selbst die Tat von wahrer Weisheit spricht,
Da glaubt man Hut und Ring und allen Titeln nicht.

Nach: Gottsched: Gedichte, S. 602 ff.Digitale Bibliothek Band 75: Deutsche Lyrik von Luther bis Rilke, S. 36320 (vgl. Gottsched-AW Bd. 1, S. 432 ff.)


Dass ein heutiger Gottesgelehrter auch in der Vernunft und Weltweisheit stark sein müsse
Als Hr. Christian Gottlieb Jöcher den theol. Doctorhut in Leipzig erhielt. Den 23 Sept. 1734
Glück zu, berühmter Mann! und auserlesner Freund!
Wie freudig bin ich doch, indem der Tag erscheint,
Da deine Würde steigt! Nun hat mein altes Hoffen
Durch deinen Doktorhut doch völlig eingetroffen.
Besinne dich nur selbst, was ich dir oft gesagt,
Wenn du mir den Verfall der Gründlichkeit geklagt,
Der unsern Glauben schimpft. Wir sahen ganze Rotten
Den hohen Inbegriff des Christentums verspotten:
Und gleichwohl schien die Zahl der Eifrer viel zu klein,
Im Streiten ungeübt, an Waffen schwach zu sein,
Die es verfechten soll. Hier regten, von der Liebe
Zur Gottsgelehrtheit, sich in mir die alten Triebe.
Indessen war mir auch dein gründlicher Verstand,
Der Sprachen Wissenschaft und muntrer Witz bekannt.
Ich wusste, wie geübt dein süßer Mund im Lehren,
Dein Kiel im Schreiben war, der Kirche Wohl zu mehren.
So ging denn schon vorlängst mein ganzer Wunsch dahin:
(Du weißt, gelehrter Freund! daß ich kein Schmeichler bin.)
Dich, werter Jöcher! einst im Doktorschmuck zu kennen,
Und unsers Glaubens Schutz, der Spötter Trotz zu nennen.

Nunmehr trifft alles ein. Wir habens jüngst gehört,
Was du zum Probestück und öffentlich gelehrt:
Wie du von Tyndals Buch, das man so sehr gepriesen,
So bündig und gelehrt den seichten Grund gewiesen.
Wir haben auch gesehn, wie du so meisterlich
Den Woolston widerlegt; als dessen Torheit sich
Ganz frevelhaft erkühnt, an Christi Wundertaten
Die Schwäche des Gehirns und Witzes zu verraten.
O! dacht ich, dieses tun die Waffen der Vernunft;
Als deren Übung ihm in unsrer Weisen Zunft
So vielen Ruhm gebracht. Man kennt schon Jöchers Stärke!
Man lobt die Gründlichkeit in jedem seiner Werke;
Die Kenntnis der Natur, des Geistes und der Welt,
Des Schöpfers, dessen Kraft sie schaffet und erhält;
Die schnelle Fertigkeit im Denken und Erweisen,
Und was wir sonst an ihm, seit vielen Jahren, preisen.
Das alles steht ihm bei, das hat ihn stark gemacht,
Daß er der Feinde Spott in Sicherheit verlacht;
Der Glaubenslästrer Schwarm so ruhig widerleget,
Und ihrer Zweifel Heer so leicht zu Boden schläget.

So soll, so muß es gehn, wenn man den Glauben schützt!
Hier hilft die Bibel nichts, die sonst so herrlich nützt,
Wenn man mit Ketzern kämpft: denn deren freches Wagen
Kann mancher starke Spruch gewaltig niederschlagen.
Wer Gottes Wort erkennt, die Offenbarung ehrt,
Des Geistes Sinn erforscht, die Männer Gottes hört,
Der lässt sich durch die Kraft der Schrift am besten lenken;
Da darf man außer ihr an keine Gründe denken.
Wo aber die Vernunft sich selber Weihrauch streut,
Die Schrift nicht hören will, von Vorurteilen schreit,
Nur falsche Schlüsse macht, und aus vermeinten Gründen
Die zweifelhafte Spur der Wahrheit sucht zu finden;
Da muss ein Glaubensheld auch anders widerstehn;
Er selbst muß in das Feld der Weisheitlehren gehn;
Aus Quellen der Natur der Wahrheit Bäche leiten,
Und die Vernünftler selbst aus der Vernunft bestreiten.

Das fordert unsre Zeit, darin sich jene Brut
Der Spötter aufgemacht, die mit so frecher Wut
Des Glaubens Burg bestürmt. Es sind nicht Ketzereien;
Man will sich von dem Joch des Christentums befreien!
Was Celsus und Porphyr vorzeiten ausgeheckt,
Das wird gefährlicher von neuem auferweckt,
Verstärket, ausgeputzt, ergänzet und vermehret:
Dadurch wird hier und dar der Kirche Flor versehret.
Denn was ein Cherbury, ein wilder Toland schreibt,
Was Mandeville sucht, wohin es Collins treibt,
Was Woolston, Tyndal, Chubb, samt andern angesponnen,
Das ist dem Christentum zum Untergang ersonnen.
Hingegen, was Euseb und Origen getan,
Das braucht jetzt größre Kunst. So gar die gute Bahn,
Die sonst Mornäus brach, die Grotius gegangen,
Und die Huet betrat, erfüllt nicht das Verlangen.
Der bündigste Beweis scheint jetzt noch zu klein:
Er soll noch gründlicher, ja unumstößlich sein.
So mussten endlich auch die Kirchenlehrer denken,
Durch Regeln der Vernunft die Spötter einzuschränken.

Dies war schon Boylens Zweck, durch dessen Frömmigkeit
In London, jedes Jahr, in diesem Glaubensstreit
Ein Lehrer achtmal kämpft, die Wahrheit zu verfechten.
Hier wusste Bentley sich den Siegeskranz zu flechten.
So kämpfte Jaquelot, le Clerc und Abbadie,
Auch Bernard, Limborch, Clark und Scherlock wider sie.
Wo bleibt ein Cudworth noch? wo Ditton, Houteville?
Hier wies sich der Verstand in aufgeklärter Fülle!
Die lauterste Vernunft verwarf der Torheit Gift,
Und rettete die Kraft und Göttlichkeit der Schrift.
Die Weisheit schützte den, von welchem sie entsprossen,
Und führte zu dem Quell, aus welchem sie geflossen.
Der Schöpfer der Vernunft scheut ihre Prüfung nicht,
Er hasst den Aberwitz, nicht des Verstandes Licht.
Wer dieses recht gebraucht, der wird, aus guten Gründen,
Den Weg zum Christentum und zur Erleuchtung finden.

Auf denn, gelehrter Freund! dies Werk gehört für dich.
Das Luthertum steht fest, die Wahrheit freuet sich,
Weil Leipzig dich erhöht, und dich auf größre Stufen,
Dem Glauben zum Gewinn, so feierlich gerufen.
Hast du nicht vormals schon in Schriften dargetan,
Daß die Philosophie den Ketzern steuren kann?
Jetzt fährst du weiter fort, und hilfst die Spöttereien
Der starkvermeinten Brut, durch die Vernunft, zerstreuen.
Geselle dich demnach den großen Männern bei,
Die solches längst getan. Verwirf die Phantasei,
Daß ein Theologus den Menschenwitz verlassen,
Die Weisheit, die Vernunft und das Naturlicht hassen,
Ja ganz verschwören muss. Sei stets der Wahrheit Freund,
Dem Aberglauben gram, und aller Spötter Feind.
Dein Beispiel mache wahr, daß wohlerwiesne Lehren
Des Glaubens Ähnlichkeit auf keine Weise stören;
Daß Gott, der Weisheit Brunn, kein Freund der Tyrannei,
Und unser Luthertum kein Köhlerglaube sei,
Dem Licht und Ordnung fehlt: so wird in späten Tagen
Die wahre Kirche noch von deinem Ruhme sagen.

Nach: Gottsched: Gedichte, S. 634 ff.Digitale Bibliothek Band 75: Deutsche Lyrik von Luther bis Rilke, S. 36352 (vgl. Gottsched-AW Bd. 1, S. 452 ff.)

Dass Gott der Menschen Schicksal von Ewigkeit bestimmt habe
Bey der Punschel- und Hasperischen Eheverbindung. Den 16 Nov. 1734. I.f.N.
Da hast du nun die Braut, die nach des Himmels Schluss,
Sehr wertgeschätzter Freund! dein eigen werden muss.
Da hast du nun den Schatz, der im vermählten Orden,
Bereits von Ewigkeit für dich bestimmet worden.
Gestehst du mir noch nicht, was ich dir längst gesagt,
Wenn wir uns öftermals um diesen Punkt befragt:
Ob nicht der Höchste schon von Anbeginn erwählet,
Was seine Weisheit uns auf Erden zugezählet?
Ob Gott nicht ausgemacht, was uns betreffen soll?
Es schien dir dieser Satz fast immer fehlervoll.
Du glaubtest: Bloß der Mensch sei in der Schuld gewesen,
Wenn er zur Ehe sich ein böses Weib erlesen.
Es käm auch unser Glück, in solcher Dinge Zahl,
Nicht von der Vorsicht her; nur bloß von unsrer Wahl.
Und dies versprach man dir, der lautern Wahrheit wegen,
Aus Gründen der Vernunft und Schrift zu widerlegen.

Wohlan! vergiss einmal die Schönheit deiner Braut,
Bis du es ausgemacht, ob Gott sie dir vertraut?
Ich weiß, sie wird hernach, wie Gottes Tun in allen,
Als ein Geschenk von ihm dir destomehr gefallen.

Du bist ein Philosoph, mein wertgeschätzter Freund!
Der gründlich eingesehn, was andern nur so scheint.
Du weist, daß dies Gebäu des Himmels und der Erden
Nicht konnte von sich selbst so eingerichtet werden.
Der Klügling, Epikur, hat deinen Beifall nicht,
Der nur von leerem Raum und kleinen Stäubchen spricht;
Die sich von ohngefähr in eine Welt verbunden,
Als jedes nach und nach den rechten Platz gefunden.
So glaubt er keinen Gott, der was erschaffen hat:
Hier hat kein Vorbedacht und keine Weisheit statt.
Der blinde Zufall muß die toten Körper lenken,
Die sich ins weite Nichts durch ihre Schwere senken.
Gleichwohl entsteht ein Bau, der Pracht und Schönheit zeigt;
Ein Himmel, wo ein Stern den andern übersteigt;
Ein Erdball, der den Schoß mit Gras und Blumen schmücket,
Davon uns jedes Blatt durch seine Kunst entzücket;
Ein Meer, wo alles lebt, was Haut und Schuppen trägt;
Das Land, wo Tier und Wurm sich tausendfältig regt;
Die Luft, an Vögeln reich, und ungezählten Scharen,
Die jetzt geflügelt sind, und vormals Würmer waren.
Noch mehr, der Mensch entsteht; der Mensch, das kluge Tier,
Voll grübelnder Vernunft, voll lüsterner Begier;
Der durch die schwache Hand auch Elefanten zähmet,
Den schnellsten Vogel fängt, den Wallfisch selber lähmet.

O Torheit! die man sonst für Weisheit angesehn:
Von dir, gelehrter Freund! wird dieses nie geschehn.
Du weißt: es war ein Gott von Ewigkeit vorhanden,
Und bloß durch dessen Kraft ist auch die Welt entstanden.
Ganz recht! Doch sage mir, als er dies Werk gemacht,
Hat seine Weisheit denn es nicht vorher bedacht?
War es ein blinder Schluss? Hat er denn nichts erwogen,
Und irgend nichts getan, als nur ein Los gezogen?
Wie reimt sich das zu Gott? Wo hebt ein weiser Mann,
Auch unter Sterblichen, ein Werk so blindlings an?
Er überlegt ja stets den Ausgang seiner Sachen;
Und pflegt die Anstalt gern nach seinem Zweck zu machen.
Kein Mittel wählt er je, das nicht zur Absicht dient.
War Xerxes nicht ein Tor, indem er sich erkühnt,
In offenbarer See dergleichen Bau zu gründen,
Den wir zu Lande kaum recht fest und sicher finden?
In Wahrheit, werter Freund! so baut der Höchste nie!
Er setzt sich Werke vor, und er vollführet sie.
Kein Mittel mangelt ihm, er weiß es anzubringen;
Kein Vorsatz schlägt ihm fehl, kein Werk kann ihm misslingen.
Das mächtigste Geschöpf geht immer seinen Weg;
Auch wenn es widerstrebt, erfüllt es Gottes Zweck,
Den er sich vorgesetzt. Dies zeigt der Welt am Ende:
Daß Gott die Torheit selbst geschickt zum Besten wende.

Ja sprichst du, wie mich dünkt: wo bleibt die Freiheit nun?
So kann ja niemand was nach eignem Willen tun!
Warum nicht, werter Freund? wir tun ja, was wir wollen:
Und tun doch allezeit, was wir verrichten sollen.
Gott lenkt uns stets mit Glimpf, und nicht durch harten Zwang:
Das Gute lieben wir, wir fliehn den Untergang,
Und was ihn wirken kann. So kann uns Gott regieren:
Er zeigt uns beides nur; das wird uns selbst schon rühren.
So gings mit deiner Braut. Gott zwang dich nicht zu ihr;
Er ging ganz unvermerkt den besten Weg mit dir.
Er führt dich an den Ort, wo du ihm treulich dienest:
Und da du nun geneigt zum Ehestande schienest,
So wies er dir ein Kind voll Tugend und Verstand;
Sogleich ward ihr dein Herz recht kräftig zugewandt.
Der, so die Herzen prüft, hat dies vorher gesehen;
Er hat es auch gewollt: und doch ists frei geschehen.

Jedoch du liebst die Schrift: wohlan ich geh es ein,
Sie soll in unserm Streit der letzte Richter sein.
Gesteht nicht David dort: Es sei auf seiner Zungen
Kein Wort, das Gott nicht kennt, eh es hervor gedrungen;
Es habe Gottes Hand die Tage seiner Zeit
Schon in sein Buch gebracht, eh noch die Sterblichkeit
Ein Recht an ihm gehabt; Gott seh auch die Gedanken
Von ferne schon vorher. Wer kann also die Schranken
Der Vorsicht übergehn, die alles schafft und tut?
Wer macht sonst in der Stadt Glück, Unglück, Bös und Gut?
Fällt ohne Gottes Wink ein Sperling wohl zur Erden?
Kann uns, wenn er nicht will, ein Haar geraubet werden?
Der Heiland selbst spricht nein! Wer zweifelt denn daran?
Sonst niemand, als wer Gott nur menschlich richten kann:
Nach Leuten, die fast stets das Künftige nicht wissen,
Nach Schwachen, die sich oft nach andern richten müssen.

Nein, Freund! so ist Gott nicht! Bevor er dich gemacht,
Hat er dich schon gekannt; hat er schon ausgedacht,
Was er dir geben wollt. Es ist nunmehr am Tage,
Und selbst dein Herz gesteht, dass ich die Wahrheit sage.
Erwäge nur den Weg, den dich sein Rat geführt!
Sprich, hast du denn noch nie die stille Hand gespürt,
Die dich gelind und sanft, und doch gewiss geleitet?
Nun siehst du, was sie dir in dieser Welt bereitet.
Es ist unfehlbar gut, wie alles, was er schafft.
Erfülle nun sein Werk mit ungestörter Kraft;
Erkenne seine Huld: so wie ichs selbst erkenne,
Wenn ich dich meinen Freund, ja treuen Lehrer, nenne.
Ich ehre noch den Fleiß, den du an mich gewandt:
Und wünsche dir daher, daß auch dein neuer Stand
Dir tausendfache Lust und lauter Wohlfahrt bringe;
Und zwar nach Gottes Rat, doch auch nach Wunsch gelinge.

Nach: Gottsched: Gedichte, S. 640 ff.Digitale Bibliothek Band 75: Deutsche Lyrik von Luther bis Rilke, S. 36358 (vgl. Gottsched-AW Bd. 1, S. 456 ff.)