Mohandas Karamchand (genannt Mahatma) Gandhi (1869 – 1948 ermordet)
>>>Gott
Christus ist
nicht die einzige Offenbarung Gottes
Gott hat sich im Laufe der Zeiten unter verschiedenen Formen inkarniert. In
der Gita sagt Krishna:
»Wenn die Religion zerfällt,
wenn die Irreligion herrscht, dann trete ich zutage. Zum Schutz des Guten, zur
Zerstörung des Bösen und zur Aufrichtung des Dharma erstehe ich wieder
und immer wieder«. Das Christentum hat teil an meiner Theologie. Christus ist eine strahlende Offenbarung Gottes. Aber
nicht die einzige Offenbarung. Ich setze ihn nicht auf einen einsamen Thron.
Im Hinduismus ist Platz genug für Jesus ebenso wie für Mohammed, Zoroaster und Moses. Für mich
sind die verschiedenen Religionen schöne Blumen aus demselben Garten...
Deshalb sind sie alle gleichermaßen wahr, wenngleich als empfangen und
gedeutet mit menschlichen Mitteln gleichermaßen unvollkommen. Es ist mir
unmöglich, mich mit der Idee des Übertritts in der Art, wie er in
Indien und anderswo heute geschieht, zu versöhnen. Das ist ein Irrtum,
der vielleicht das größte Hindernis für das Fortschreiten der
Welt zum Frieden ist.
Zitiert aus: Romain Rolland: Mahatma Gandhi, S.27,
30 in Die Söhne Gottes, Aus den heiligen Schriften der Menschheit, (S.102)
Auswahl und Einleitungen von Gustav Mensching, R. Löwit . Wiesbaden
Über das Christentum
Es gab eine Zeit, da ich zwischen Hinduismus und Christentum schwankte. Als
ich mein seelisches Gleichgewicht wieder gefunden, war mir deutlich bewußt,
daß ich selber nur durch den Hinduismus erlöst werden könne,
und mein Glaube an diese Religion wurde immer tiefer und erleuchteter.
Meine Zuneigung zu Jesus ist wirklich groß. Seine Lehre, seine Einsicht
und sein Opfertod bewegen mich zur Verehrung. Aber ich
muß die orthodoxe Lehre, daß Jesus eine Inkarnation Gottes im feststehenden
Sinne des Wortes gewesen oder daß er der einzige Sohn Gottes ist, ablehnen.
Ich glaube auch nicht an die Lehre von der Übertragbarkeit der überschüssigen
Verdienste. Sein Opfertod ist Vorbild und Beispiel für uns. Jeder von uns
muß sich um seines Heiles willen kreuzigen lassen. Ich kann die Ausdrücke
»Gott Sohn«, »Gott Vater« und »Gott Heiliger Geist«
nicht buchstäblich nehmen. Es sind alles bildhafte Ausdrücke. Ebensowenig
kann ich die Einschränkungen gutheißen, die der Bergpredigt gegenüber
geltend gemacht werden. Ich finde im Neuen Testament keine Rechtfertigung des
Krieges. In meinen Augen ist Jesus einer der größten
Propheten und Lehrer, die der Welt je gegeben wurden. Daß ich in
der Bibel keinen unfehlbaren Bericht vom Leben Jesu sehe, brauche ich wohl nicht
besonders hervorzuheben. Ebensowenig halte ich jedes Wort im Neuen Testament
für ein Wort Gottes.
Die religiösen Ideen sind wie alles andere auf Erden dem Gesetz der Entwicklung
unterworfen. Gott allein ist unwandelbar, da aber seine Lehre verkündigt
wird durch den unvollkommenen Mittler Mensch, wird sie immer entstellt, mehr
oder weniger, je nach der Reinheit des Mittlers. Ich möchte deshalb meine
christlichen Freunde herzlich bitten, mich zu nehmen, wie ich nun einmal bin.
Ich achte ihren Wunsch, daß ich denken und handeln sollte wie sie selber
und lasse ihn gelten, wie ich den gleichen Wunsch achte und gelten lasse, den
die Mohammedaner mir gegenüber äußern. Beide Religionen sind
für mich so wahr wie meine eigene. Meine eigene aber stillt alle meine
inneren Bedürfnisse. Sie bietet mir alles, wessen ich zu meiner inneren
Entfaltung bedarf. Sie lehrt mich beten, andere möchten sich zur Fülle
ihres Wesens in ihrer eigenen Religion entfalten, nicht aber, andere möchten
glauben, was ich selber glaube. So bete ich denn für einen Christen, daß
er ein besserer Christ, für einen Mohammedaner, daß er ein besserer
Mohammedaner werden möge. Ich bin überzeugt, daß Gott dereinst
nach dem fragen wird, daß Gott heute schon nach dem fragt, was wir sind,
d.h. was wir tun, nicht nach dem Namen, den wir uns beilegen. Bei ihm ist Tun
alles, Glauben ohne Tun
nichts. Bei ihm ist Tun Glauben und Glauben Tun.
Es ist meine feste Überzeugung, daß das heutige Europa nicht den
Geist Gottes oder des Christentums verwirklicht, sondern den Geist Satans. Und
Satan hat den größten Erfolg, wo er mit dem Namen Gottes auf den
Lippen erscheint. Europa ist heute nur dem Namen nach
christlich. In Wirklichkeit betet es den Mammon an. »Es
ist leichter, daß ein Kamel durch ein Nadelöhr gehe, denn daß
ein Reicher ins Reich Gottes komme.« Das sind in Wirklichkeit die
Worte Jesu Christi. Seine sogenannten Anhänger bemessen ihren moralischen
Fortschritt nach ihrem materiellen Besitz. Schon die englische Nationalhymne
ist antichristlich. Jesus, der von seinen Anhängern verlangte, daß
sie ihre Feinde lieben wie sich selbst, hätte nicht miteinstimmen können
in die Verse: »Verdirb unsere Feinde, mach‘
ihre schlimmen Pläne zuschanden! «
Enthalten in: Indische Geisteswelt, Band I, Glaube
und Weisheit der Hindus . Herausgegeben von Helmuth von Glasenapp (S.280f.)
Holle Verlag , Darmstadt