Franz von
Assisi (1182 - 1226)
>>>Gott
Von dem Leibe
des Herrn
Jesus der Herr hat zu seinen Jüngern gesagt: »Ich
bin der Weg, die Wahrheit und das Leben. Niemand kommt zum Vater, außer
durch mich. Wenn ihr mich erkannt hattet, so würdet ihr auch meinen Vater
erkannt haben, aber von nun an werdet ihr ihn erkennen, und ihr habt ihn gesehen.
Philippus sprach zu ihm: Herr, zeige uns den Vater, und es genügt uns.
Jesus sprach zu ihm: So lange Zeit bin ich bei euch, und ihr habt mich noch
nicht erkannt, Philippus? Wer mich sieht, sieht auch den Vater.« (Joh.
14,6.—9) Der Vater »wohnt in einem unnahbaren Lichte«
(1. Tim. 6,16) und »Gott ist ein Geist«
(Joh. 4,24) und »Niemand
hat Gott je gesehen.«(Joh. 1,18) Da
Gott ein Geist ist, so kann er auch nur durch den Geist geschaut werden; denn
»der Geist ist es, der lebendig macht, das Fleisch aber nützt nichts«
(Joh. 6,64). Aber auch der Sohn, weil er
dem Vater ähnlich ist, wird von niemand anders gesehen als der Vater oder
als der Heilige Geist. Darum sind sie verdammt worden alle jene, die unsern
Herrn Jesus Christus in seiner Menschheit gesehen, ihn aber nicht nach dem Geiste
und nach der Gottheit sahen und nicht glaubten, daß er der Sohn Gottes
war. So werden auch jetzt noch alle jene verdammt, die das Sakrament des Leibes
Christi sehen, das durch die Worte des Herrn in den Händen des Priesters
unter der Gestalt des Brotes und des Weines auf dem Altare konsekriert wird,
die es aber nicht sehen nach dem Geiste und nach der Gottheit und nicht glauben,
daß dasselbe wahrhaftig der allerheiligste Leib und das Blut unseres Herrn
Jesus Christus ist. Der Allerhöchste hat dies bezeugt, indem er sagt: »Dies
ist mein Leib und das Blut des Neuen Bundes« (Mark.
14,22—24), und: »Wer mein Fleisch ißt
und mein Blut trinkt, der hat das ewige Leben.« (Joh.
6,55)
Darum ist es der Geist des Herrn, der in seinen Gläubigen wohnt, der den
allerhöchsten Leib und das Blut des Herrn empfängt; alle übrigen,
die diesen Geist nicht haben und es doch wagen, den Leib des Herrn zu empfangen,
»essen und trinken sich das Gericht.«
(1. Kor. 11,29) Deshalb »Menschenkinder,
wie lange noch seid ihr harten Herzens?«(Psalm
4,3) Warum erkennt ihr die Wahrheit nicht und glaubt
ihr nicht an den Sohn Gottes? (Joh. 9,35)
Sehet, jeden Tag erniedrigt er sich, wie damals, als er vom königlichen
Throne in den Schoß der Jungfrau kam, jeden Tag kommt er selbst zu uns
und erscheint in demütiger Gestalt, jeden Tag steigt er vom Schoße
des Vaters herab auf den Altar in die Hände des Priesters. Und wie er den
heiligen Aposteln erschien im wahren Fleische, so zeigt er sich auch jetzt uns
im geheiligten Brote. Und wie sie durch den Anblick seines Fleisches nur seine
Menschheit sahen, durch den Glauben aber ihn als ihren Gott erkannten, indem
sie ihn mit den Augen des Geistes betrachteten, so sollen auch wir, indem wir
mit den leiblichen Augen Brot und Wein sehen, erkennen und fest glauben, daß
dies sein heiligster Leib und sein lebendiges und wahrhaftiges Blut ist. Und
auf diese Weise ist der Herr immer mit seinen Gläubigen, wie er selber
sagt: »Siehe, ich bin bei euch alle Tage, bis an
das Ende der Welt.« (Matth.
28,20)
Aus: Die Schriften des Heiligen Franziskus von Assisi«.
Neue deutsche Übersetzung nebst Einleitung und Anmerkungen von P. Maternus
Rederstorff O.F.M., Generallektor der Philosophie, Apost. Pönitenziar an
der Lateranbasilika, Rom. S.100-102, © 1910 Verlag Friedrich Pustet Regensburg,
Rom, New York und Cincinnati
Auch enthalten in: Franz von Assisi, Ausgewählte Texte. Herausgegeben von
Hans Christian Meiser S.75-77, Goldmann Taschenbuch 11047
Von der Ehrfurcht gegen den
Leib des Herrn
Wir Kleriker alle, lasset uns doch die große Sünde und die Unwissenheit
bedenken, welche manche sich zuschulden kommen lassen gegen den allerheiligsten
Leib und das Blut unseres Herrn Jesu Christi, sowie gegen die allerheiligsten
Namen und die geschriebenen Worte der Wandlung. Wir wissen, daß der Leib
(des Herrn) nur sein kann durch die Worte der Wandlung. Wir haben und sehen
nämlich in dieser Welt von dem Allerhöchsten selbst nichts als seinen
Leib und sein Blut, die Namen und die Worte, durch die wir geschaffen und vom
Tode zum Leben erlöst wurden.
Alle diejenigen aber, welche so heilige Geheimnisse verwalten, und besonders
jene, die es leichtsinnig tun, sollen aufmerksam betrachten, wie die Kelche,
die Korporalien, die Leinwand, mit denen der Leib und das Blut unseres Herrn
Jesus Christus geopfert wird, sich in schlechtem Zustande befinden. Von vielen
wird er an unwürdigen Orten gelassen, ohne Ehrfurcht durch die Straßen
getragen, unwürdig genossen und ohne Unterschied andern gespendet. Seine
Namen und seine geschriebenen Worte werden manchmal mit Füßen getreten;
denn »der tierische Mensch begreift nicht, was Gottes
ist« (1. Kor.
2,14). Sollen wir uns durch all dies nicht zur Liebe bewegen lassen,
da der gute Herr selber sich unsern Händen übergibt und wir ihn behandeln
und täglich durch unsern Mund in uns aufnehmen? Wissen wir nicht, daß
auch wir einstens in seine Hände fallen müssen? Von all diesen und
andern Fehlern sollen wir uns also rasch und ernstlich bekehren, und wo immer
der allerheiligste Leib unseres Herrn Jesus Christus auf unerlaubte Weise aufbewahrt
und verlassen ist, soll er von jenem Orte entfernt und an einen kostbaren Ort
gelegt und dort eingeschlossen werden. Auf gleiche Weise sollen auch die Namen
und die geschriebenen Worte des Herrn, wo immer sie an ungeziemenden Orten gefunden,
aufgehoben und an einen ehrbaren Ort gelegt werden. Und wir wissen, daß
wir gehalten sind, dies alles besonders zu beobachten, nach den Vorschriften
des Herrn und den Bestimmungen der heiligen Mutter der Kirche. Und wer dies
nicht tut, der soll wissen, daß er am Tage des Gerichtes, vor unserem
Herrn Jesus Christus Rechenschaft ablegen wird. Und wer von diesem Schreiben
Abschriften verbreitet, damit es besser beobachtet werde, der wisse, daß
er vom Herrn gesegnet ist.
Aus: Die Schriften des Heiligen Franziskus von Assisi«.
Neue deutsche Übersetzung nebst Einleitung und Anmerkungen von P. Maternus
Rederstorff O.F.M., Generallektor der Philosophie, Apost. Pönitenziar an
der Lateranbasilika, Rom. S.117/8, © 1910 Verlag Friedrich Pustet Regensburg,
Rom, New York und Cincinnati
Auch enthalten in: Franz von Assisi, Ausgewählte Texte. Herausgegeben von
Hans Christian Meiser S.90/1, Goldmann Taschenbuch 11047