Sebastian Franck (1499 – 1542)

>>>Gott

Der historische Christus nützt uns nichts.

Das neunte Kapitel der Teutschen Theologie zeuget recht und wohl davon, dass alle Tugend und alles Gut, auch das Gut, das Gott selber ist, weder den Menschen noch die Seele nimmer tugendsam, fromm, gut und selig machen, dieweil sie auswendig der Seele sind; in gleicher Weise steht es auch um die Sünde und die Bosheit. Also ist auch Christus: weil wir allein von fern her sind und nicht in ihn versetzt zu sein glauben, ebenso allein im Fleisch ihn erkennen und anbeten und nicht auch nach dem Geist, beim Wort, in Gott ergreifen, fassen und anziehen, so geschieht es alles außer uns.

Wie nun nichts Äußerliches, außerhalb der Seele, den Menschen verunreinigt (Mark. 7), also heiligt auch den Menschen glatt nichts, das nicht von innen herausquillt und mit seiner Seele vereint ist, in ihm selbst.

Christus in uns.
Christus ist nicht, weil er außer uns ist und allein von ferne angebetet wird, gerühmt und im Munde umhergetragen. Er muss in das Herz, und muss mit unserer Seele vereint werden, damit er in uns lebe und das Wort in uns Fleisch werde. Dann erst ist Christus in uns geboren, Christus das vermenschlichte Wort, das Leben. Christus im Fleische außer uns, ja, Gott selbst außer unserer Seele, ist nichts nütz. Davon besiehe die Teutsche Theologie, Kap. 9. Die Arznei muss eingenommen werden, außer uns wirkt sie nichts. Also Gott, Christus und alles. Das Wort muss auch in uns, auf dass wir Eins und Ein Christus mit ihm seien, der darum unser Fleisch geworden ist, dass er’s vergeistige und in sich ziehe, auf dass wir sein Fleisch und Blut, ein Gebein von seinem Gebein und ein Fleisch von seinem Fleisch würden (Eph. 5). Er muss sich an unsere Natur legen, sollen wir darin erhalten werden und ewig leben und soll das Untödliche das Tödliche antun, verkochen und auflecken. Das nennt die Schrift Christum essen, in ihn und nicht an ihn glauben; das ist: ihn in unsere Seele nehmen im Glauben und Geist, und in Summa: in ihn versetzt werden (Joh. 6).
Aus: Deutsche Frömmigkeit. Stimmen deutscher Gottesfreunde. (S.143-144)
Herausgegeben von Walter Lehmann, verlegt bei Eugen Diederichs/Jena