Adam Ferguson (1724 – 1816)
Schottischer Philosoph,
der in erster Linie Sozialethiker war und als Professor in Edinburg lehrte.
Für Ferguson ist »die Moralphilosophie
die Kenntnis dessen, was sein soll« oder die Wissenschaft von
den moralischen Gesetzen des Willens, die im Gesetz der Selbsterhaltung, dem Gesetz der Geselligkeit (Wohlfahrt der Nebenmenschen) und dem Gesetz der Wertschätzung ihren sozialen Tiefengrund haben.
Im harmonischen Miteinander muss das erstrebenswerte Wohl der Gesellschaft mit dem Wohle der Einzelnen identisch sein. Siehe auch Wikipedia |
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Moralphilosophie
Abdruck aus „Grundsätze der Moralphilosophie" 1759. Deutsch
von Chr. Garve. Leipzig 1772
Die Moralphilosophie ist die Kenntnis dessen, was sein
soll oder die Anwendung von Regeln, die die Wahl freihandelnder Wesen bestimmen
sollen. Ehe sich moralische Regeln für irgendeine besondere Gattung
von Wesen festsetzen lassen, müssen erst die Fakta bekannt sein, die sich
auf diese Gattung der Wesen beziehen. Ehe wir für den Menschen moralische
Regeln geben können, muß erst die Geschichte der menschlichen Natur,
müssen erst seine Neigungen, die ihm eigenen Vergnügungen und Leiden,
sein jetziger Zustand und seine künftigen Erwartungen bekannt sein. Die Seelenlehre oder die Naturgeschichte des Geistes ist der
Grund der Moralphilosophie. S.8
Moralische Gesetze, insofern dieselben von physischen Gesetzen unterschieden
werden, sind allgemeine Ausdrücke von dem, was geschehen soll. In diesem
Verstand müssen die Regeln der Kunst, die Regeln der Schönheit und
Schicklichkeit, sie mögen sich beziehen, auf welche Sache sie wollen, unter
die moralischen Gesetze gerechnet werden. Moralische Gesetze, insofern
sie sich auf denkende Wesen beziehen, sind allgemeine
Ausdrücke von dem, was gut ist. Es ist das Unterscheidungszeichen
denkender Wesen, nach Urteilen zu handeln und das zu wählen, was nach ihrem
Urteil das Beste ist. -
Moralische Gesetze können aus verschiedenen Gesichtspunkten betrachtet
und in verschiedene Arten abgeteilt werden. Betrachtet man sie in Absicht auf
ihren Ursprung, so kann man sie in ursprüngliche oder natürliche und
verabredete oder zufällige abteilen. Betrachtet man sie in Absicht auf
ihren Inhalt, so kann man sie in Gesetze der Religion und des Staates, in Kriegs-
oder Friedensgesetze, in politische, bürgerliche oder Kriminalgesetze teilen.
Betrachtet man sie in Absicht auf die Personen, auf welche sie sich anwenden
lassen, so sind es Gesetze der Nationen oder Gesetze einzelner Staaten. Die Moralphilosophie ist die Kenntnis und Anwendung des Gesetzes der Natur oder
des ursprünglichen Gesetzes aller Menschen. Dieses Gesetz lässt
sich auf jede Person und jede Sache anwenden. Unter diesem Gesetz steht auch
die Pflicht, seine Verträge zu halten. Das erste
Grundgesetz der Natur für den Menschen ist der allgemeine Ausdruck dessen,
was für die menschliche Natur das größte Gut sei. Alle übrigen Gesetze sind Zweige oder Anwendungen von diesem. S.120
Die Wörter: gut und böse schließen
den Begriff von Lust und Schmerz in sich und haben
also eine ausschließende Beziehung auf empfindende und denkende Wesen.
Alles, was man als die Ursache von Lust ansieht,
ist ein Gegenstand der Begierde.
Alles, was man als eine Ursache des Leidens ansieht,
ist ein Gegenstand der Verabscheuung. Alles, was
man nicht als die Ursache von einem unter beiden ansieht, ist gleichgültig.
S.122
Die Gegenstände, welche die Menschen, die durch die physischen Gesetze
der Selbsterhaltung, der Geselligkeit und der Selbstschätzung regiert werden,
entweder suchen oder vermeiden, können unter folgende Titel gebracht werden: Leben und Tod, Vergnügen und Schmerz, Vollkommenheit und Fehler, Glückseligkeit
und Elend. Andere Dinge werden vermieden oder begehrt, bloß insofern
sie mit diesen in Verbindung stehen. S.126
Es erhellet, dass Tugend und Glückseligkeit
eine und dieselbe Sache sind und dass Glückseligkeit eine persönliche
Eigenschaft, nicht eine gewisse Art des äußerlichen Zustandes ist. S.139
Äußerliche Handlungen, wenn man sie abgesondert von den Gesinnungen
oder den Absichten der Seele betrachtet, sind bloße Bewegungen des Körpers,
in denen weder etwas Angenehmes noch Unangenehmes, weder ein Gut noch ein Übel
enthalten ist. Aber da die Gesinnungen und Absichten entweder
gut oder böse sind: so folgt, dass dasselbe Gesetz der Moralität,
welches eine Gesinnung befiehlt oder verbietet, auf gleiche Weise auch
diejenige äußere Aufführung befehle oder verbiete, die als eine
Folge dieser Gesinnung angesehen wird. S.154
In gleichgültigen Fällen sind wir verbunden, uns nach den Sitten unseres
Landes zu richten. In wichtigen Dingen sind wir
verbunden, auch wider die herrschende Gewohnheit und Meinung
das zu wählen, was zum Besten der Menschen gereicht. S.162
Das Verpflichtende jedes Gesetzes liegt in dem Gut oder Übel, das mit der Beobachtung oder Übertretung desselben verknüpft
ist. Die Sanktion des Grundgesetzes der Moralität liegt darin, dass in der Beobachtung desselben die Glückseligkeit,
in der Übertretung desselben das Elend besteht. S.164
Enthalten in: Arthur Liebert, Ethik S.95ff. , 6.Band
der Quellen-Handbücher der Philosophie, Pan Verlag Rolf Heise-Berlin 1925