Eznik von
Kolb (5. Jahrhundert)
Armenischer Gelehrter und Erzprister ,
der u. a. die Bibel in die armenische Sprache übersetzt hat. Sein bekanntestes
Werk ist »Wider die Irrlehren«, aus
dem auch der folgende Textabschnitt entnommen ist.
Siehe auch Wikipedia
Das Geheimnis des Bösen
Das Böse liegt nicht in den Dingen. Welcher Art die Dinge auch seien, stets
liegt das Böse in der Gesinnung, in der Absicht
des Täters. Dass nun aber die böse Gesinnung dem Menschen von
Gott eingeflößt werde, wird gewiss niemand sagen. Der Mensch
hat freie Verfügung über sich selbst erhalten, und demgemäß kann er dienen, wem er will. Die Freiheit ist eine große, von Gott empfangene Gabe; denn während
alle niederen Wesen aus natürlichem Zwang handeln, hat der Mensch Verfügung
über sich selbst erhalten, zu dienen, wem er will. Vom Gehorsam gegenüber
dem Willen Gottes empfängt er Segen, vom Ungehorsam Verderben. Ohne dies
wäre der Mensch nicht Träger des Guten. Er ist es, indem Gott ihn
nicht zum Guten zwingt, sondern ihn durch innere Mahnung
zum Guten anzieht.
Vorausgewusst freilich hat Gott von ewig alle Übel, die vom Bösen verursacht werden. Sein Vorauswissen ist nicht die Ursache der Übel. Wenn jemand voraussieht, dass der andere strauchelt, ist er damit nicht die Ursache seines Strauchelns.
Gott will durchaus das Gute: es ist »der Wille meines
Vaters« (Joh 6,40), und »das
ist der Wille dessen, der mich gesandt hat, dass niemand von denen, die
er mir gegeben hat, verloren gehe« (Joh 6,39). Sein
Liebeswille entspricht seinem Wesen und ist von ewig, und dieser sein
göttlicher Wille ist immer auf das Gute gerichtet. Da er aber vorausweiß,
dass nur ein Teil nach seinem Willen handelt, ein anderer nicht, so spricht
er von vornherein von der Seligkeit der einen und von der Verwerfung der andern.
Er hat sie nicht dazu bestimmt — sie wären sonst weder lobens- noch
tadelnswert. S.213
Aus: Otto Karrer, Jahrbuch der Seele . Aus der Weisheit der christlichen Jahrhunderte.
Verlag Ars Sacra Josef Müller München