Albrecht Dürer (1471 - 1528)

  Deutscher Maler und Graphiker, welcher in der Renaissance der erste deutsche Künstler war, der die Grenzen des Handwerklichen bewusst überschritt, indem er eine Erneuerung der Kunst durch die theoretische Erkenntnis und praktische Umsetzung der Form-Gesetze bewerkstelligte. Die apokalyptische Stimmung seiner Zeit stellte er ausdrucksstark in den Holzschnitten über die Offenbarung des Johannes dar. Sein vielfältiges Werk besticht durch proportionsgetreue und formvollendete Klarheit. Wer kennt nicht seine »betenden Hände«? Seine Landschaftsaquarelle sind die ersten in sich geschlossenen Darstellungen der Natur. Mit viel Liebe zur sachgemäßen Detailtreue sind, stellt er die Kleinwelt der Pflanzen (Rasenstück) und Tiere (Hase) dar. Weniger bekannt ist, dass er mit liebevoller Begeisterung auch Reime verfasst hat, in denen er auch christliche Themen behandelt.

Siehe auch Wikipedia , Heiligenlexikon und Kirchenlexikon

Jesus Maria 1509.
Also spricht Albrecht Dürer, Maler, der in seinen Kupferstichen das Zeichen führt [Monogramm]
Ein jegliche Seel, die da ewiglich soll leben, die wird erquickt in Jesu Christo, der da ist aus zweien Substanzen in einer Person, Gott und Mensch, der allein durch die Gnad geglaubt und durch natürlich Vernunft nimmermehr verstanden würd.
Die ersten Reime, die ich machte in obbemeldtem Jahr, der waren zween, hätt einer so viel Silben als der andere, und ich meinet, ich hätt‘s wohl troffen, als hernach steht:

Du aller Engel Spiegel und Erlöser der Welt.
Dein gro
ße Marter sei für mein Sünd ein Widergelt.

Den las Wilibaldt Pirckamer [Pirckheimer] und spottet mein und sagt, kein Reim sollte mehr denn 8 Silben haben. Da hub ich an und machte die nachfolgenden 18 Reime, welche mit 8 Silben:

Mit grosser Begier, Ehr und Lob Bitte ich Gott um die acht Gob:
Oder also:
Mit allem Fleiss darnach streb,
Dass dir Gott die acht Weisheit geb:
Billig wird der ein weis Mann gnennt,
Den Reichtum und Armut nit blend.
Der Mann pflegt auch grosser Weisheit,
Der Wollust und Trauren gleich treidt.
Auch ist der ein fast weiser Mann,
Der Ehr und Schand gleich tragen kann.
Wer sich erkennt und Uebel lat,
Der Mann ist auf der Weisheit Pfad.
Wer für Rach Erbarmd seim Freund tut,
Des Weisheit verjagt die Höllnglut.
Wer Teufels Anfechtung erkennt,
Der bsteht sie, dem Gott Weisheit send.
Wer in allem sein Herz rein bhält,
Der hat der Weisheit Kron erwählt.
Und wer Gott ganz recht hebend ist,
Der ist ein frommer weiser Christ.


Jesus Maria 1510.

Darnach macht ich die sieben Tagzeit
Das sind die sieben Tagezeit,
Darin Christus auf Erden leidt.


Zu Metten-Zeit

Des Vaters ewige Weisheit
Die göttlich Menschheit Christi leidt.
Ward verkauft den falschen Juden,
Die viel gross Lügn auf ihn luden.
Um Mettenzeit ward er gfangen,
Menschlich Natur hätt gross Bangen.
Als sein Jüngren und Bekannten
Ihm Glauben all von ihm wandten.
Allein Maria, die rein Maid,
War bständig in ihrm Herzenleid.


Zu der Prim-Zeit
Der Herr ward für Pilato gführt
Und mit viel falscher Zeugschaft grührt.
Er ward gar unrechtlich geschlagen,
Das thät Christus duldig tragen.
Auch ward der edl Herr ganz verspeit,
Als das der Prophet gschrieben geit.
Ihm ward verbunden sein Angsicht,
Und sprachen: Jesus, uns bericht,
Welcher dich do hob geschlagen,
Das sollt du uns hie weissagen.


Zu der Terz-Zeit
Merk hie auf zu der dritten Stund,
Wie alle Juden schreien thund:
Kreuzig ihn, kreuzig ihn, bald eil!
Ihn führt Pilatus an eim Seil,
Spöttlich bekleidt mit Purpurgwand,
Und zeigt auf ihn mit seiner Hand:
Sehet den Menschen in der Dornkron,
Wie sehr ich ihn gegeisselt hon.
Das hülf nit, sein Kreuz er selbst trug,
Von Ueblen litt er gross Unfug.

Zu der Sext-Zeit

An das Kreuz er genagelt ward,
Das thät seim edlen Leichnam zart
So schmerzlich weh, und sprach aus Pein:
Mich dürstt! Da gaben sie für Wein
Ihm zu Trank Essig und Gallen.
Die Juden trieben schmählichs Kallen.
Den Schächern ward er gleich geachtt,
Der link Schächer Spott sein und lacht,
Und der ander thät Gnad begehrn,
Des was ihn Jesus bald gewährn.


Zu der Non-Zeit
Zu der neunten Stund der Herr starb,
Sein Tod uns ewigs Lebn erwarb.
Er befahl seim Vater die Seel
Und fuhr gwaltiglich in die Höll.
Daraus führt er all die Seinen
Und erlöst sie aus den Peinen.
Ein Ritter sein Seiten durchstach,
Der Sunnen Schein man nimmer sach,
Und kam ein grosses Erdbiden,
Dass Todten von Gräbern schieden.

Zur Vesper-Zeit

Der Herr ward gnummen z‘Vesperzeit
Vom Kreuz und für sein Mutter gleit.
Die Kraft und Stärk verborgen lag
In Gottes Gmüt denselben Tag.
O Mensch, merk mit Fleiss diesen Tod,
Ein Arznei für die grösste Not.
O Maria, reine Jungfrau
Herr Symeons Schwert do anschau.
Hier leit die grosse Kron der Ehrn,
Die all unser Sünd thut verzehrn.


Zur Complet-Zeit

Joseph von Armathya kam,
Nicodemum er mit ihm nahm.
Von den ward der edl Herr begrabn,
Durch den wir ewigs Leben habn,
Mit wohlriechenden Würzen gut,
Als das der Juden Gwohnheit thut.
Darum sind diese Ding gethan,
Dass all Propheten wahr gseit han.
Den Tod betracht in deim Herzen
Allweg mit fast grossem Schmerzen.


Ein Gebet
O allmächtiger Herr und Gott,
Die gross Marter, die glitten hot
Jesus, dein eingeborner Suhn,
Damit er für uns gnug hat thun,
Die btrachten wir mit Innigkeit.
O Herr, gib mir wahr Reu und Leid
Ueber mein Sünd und besser mich,
Des bitt ich ganz mit Herzen dich.
Herr du hast Ueberwindung thon,
Drum mach mich theilhaft des Siegs Kron.


A.D.

Darnach macht ich den christlichen Reimen

Kein Ding hilft für den zeitling Tod,
Darum dienent Gott früh und spot.
Dann wir mögen wohl erspähen,
Dass bald um ein Mensch ist gschehen.
Und so wir heut ein Mensch haben,
Vielleicht wird er morn vergraben.
Darum, o menschlich Härtigkeit,
Warum sind dir dein Sünd nit leid?
So du doch wohl bist vernehmen,
Dass Gott all Bös würd beschämen
In Ewigkeit durch ein streng Gricht,
Do entfleucht Keinr dem Richter nicht.
Durch allein du fürchtest hie Gott,
Dardurch entrinnst dem ewing Tod.
Darum heb an, nach Christo z‘leben,
Der kann dir ewigs Lebn geben.
Deshalb kein zeitlichs Ding ansich,
Aber nach künftigem richt dich.
Und thue stets nach Gnaden werben,
Als solltest du alle Stund sterben.
Spar dein Bessrung nit bis auf morn,
Denn ungwiss Ding ist bald verlorn.
Basser ist sich von Sünden ziehen,
Denn den zeitlichen Tod fliehen.
Wer ein lauter Gewissen hat,
Der fürchtt den Tod nit früh und spat.
Und fragt nit viel nach langer Zeit,
Die uns Gott hie auf Erden geit.
Gar selten gschichts in langem Leben,
Dass sich die Leut in Bessrung geben.
Sie mehren aber dick die Sünd,
Wollt Gott, dass ich kurz wohl lebn künnt!
Wiewohl es furchtsam ist zu sterben,
Langs Leben thut nit allweg werben
Göttliche Gnad und Innigkeit,
Mehrt aber dick das höllisch Leid.
Dem die Stund seines Tods allweg
Wohlbetrachtt in seim Herzen läg,
Und sich all Tag zum Sterben schickt,
Den hätt göttlich Gnad angeblickt.
Und würd in dem rechten Fried stahn,
Den Gott gibt und Welt nit gebn kann.
Darum welcher recht leben thut,
Der überkummt ein starken Mut.
Und ihn erfreut des Todes Stund,
Darin ihm Seligkeit würd kund.
Er fürchtt auch nit Gott den Richter,
Denn er war hie sein selbs Schlichter
Durch Buss, damit er hie erwarb
Gotts Gnad auf Erdreich, eh er starb.
Welcher die Welt thut aufgeben
Und verschmacht sich in dem Leben,
Dem kummt ein solch stark Hoffnung ein,
Dass er Niemands denn Gotts muss sein.
Wer aber gute Werk will sparn,
Bis er schier von hinnen soll fahrn,
Und verlässt sich auf Messlesen
Und verhofft dadurch zu gnesen,
Den bezahlt man mit Glockentan,
Damit lauft sein Gedächtnis dorvan.
Also wird sein hie vergessen,
Wie lang Zeit er sei gesessen
In der Höll oder Fegfeuer
Und leid da gross Ungeheuer.
Wer nit nach Fürsichtigkeit stellt
Und rechte Treu bei ihm selbs hält,
Der darf Niemand kein Schuld geben,
Ob er in seim Tod und Leben
Von Gott und Menschen glassen würd,
Denn er hat sich hie selbs verführt.
Darum welcher wohl sterben will,
Der thu willig guter Werk viel
Und setz sein Trauen gar in Gott,
So kann er nit werden zu Spott.
Ihn verlässt auch nimmer Gotts Kraft,
Und führt ihn in himmlisch Gsellschaft.
Albrecht Dürer hilft den Rat geben,
Wollt Gott, ich künnt selbst also leben.


Darnach macht ich:

Mutter Gottes, du reine Maid,
Ich bitt dich durch grosses Leid,
Das du hättest mit grosser Klag,
Da dein todts Kind vor dir lag.
Komm mir zu Hilf in meiner Not
Durch Jesu deines Sohns bittern Tod.
Darnach macht ich den:
Wer recht bescheiden woll werden,
Der bitt Gott drum hie auf Erden.
Welcher nit von meiner Lehr weicht,
Dem würd sein Herz, Sinn und Mut leicht.
Und würd allweg in Frieden stahn
Gegen ihm selbs und Jedermann.
Oeffne Niemand dein Heimlichkeit,
Auf dass dir nit bring Reu und Leid.
Denn man findt also geschrieben:
Wenig Menschen sind stet blieben.
Des Menschen Gmüt ist wandelbar,
Begehrst du Fried, nach meim Rat fahr,
All bös Nachred vermeid mit Fleiss,
Auf dass du drum erwerbest Preis.
Fürkumms auch an andern Leuten,
Die Uebls vom Nächsten thun deuten.
Solchs stillt deins Herzen Grimmigkeit
Und treibt von dir all Hass und Neid.
Und thut auch die Hörer lehren,
Dass sie dein Sach in Gut kehren.
Gmessner ziemlicher Red fleiss dich,
Nit fahr die Leut an freventlich,
Und nach Bedünken sag kein Ding,
Red auch nit unbesinnt jächling,
Dass Niemand davon bleidigt werd,
Und halt dich guter sanfter Bärd (Gebärde],
Die dein schlichte Meinung anzeig.
Bleib bei der Wahrheit und nit leug,
Und erzeig dich nimmer aus List
Anders weder dass dein Herz ist.
Denn du betrügst dich selbs und Gott
Und würst vor den Menschen zu Spott.
Du sollst Niemand schnell urtheilen
Seine Werk und ihm anseilen
Rachselig Gedanken und Zorn,
Und gedenk: ich thu vielleicht morn
Ein bösers Werk weder das ist.
Damit verjagst des Teufels List.
Deim Zorn sollt du kein Statt geben,
Du habst dich denn bsunnen eben,
Ob du ganz rechtlich zürnen sollt.
Das ist dir nützer denn gross Gold.
Nit verantwort schnell all Sachen,
Willst du dir ein gruht Herz machen.
Leid und geduld ein kleine Zeit,
Bis etwan für dich Antwort geit
Ander oder es sich selber,
Darin gwinnst du gross Glimpf und Ehr,
Mehr denn das du gross Mühe hättest
Und dich feindlich darum blähtest.
Darum wo du hörst ein Zweien,
So häng dich an kein Parteien,
Und kannst du kein Mittel finden,
So beleib nun fern da hinten.
Hüt dich vor demselben Uebel,
Dass d‘nit ertrinkst im Badkübel.
Du sollst allwegen Mitleid tragen,
Wo die Menschen Beschwerd klagen.
Hab allweg lieb Gerechtigkeit,
Wo sie nit gschicht, das sei dir leid.
Lass dir kein Ding so nahe gehn,
Dadurch du dir selber machst Pen.
Und verlass nit die Bscheidenheit,
So überwindt dich kein Herzleid.
Denn wo du dich redlich willst wehrn,
So kann kein Ding dein Herz versehrn.
Spricht Albrecht Dürer im Güten:
Hütt euch All vor bösem Wüthen.


Darnach macht ich die 6:

O lebendiger Gottes-Suhn,
Herr Jesus Christus, mit was Thun
Gingst du so duldig mit Demut,
Da du dein Kreuz trugst in deim Blut!
Durch das bitt ich dich: gib mit Geduld

Wider das Uebel, das ich hab verschuldt.
S. 88-97
Aus: Albrecht Dürer, Schriften, Tagebücher, Briefe, Auswahl und Einleitung von Max Steck, W. Kohlhammer Verlag Stuttgart