Oliver Cromwell (1599 – 1658)
Großer
englischer Feldherr, unter dessen Führung die calvinistisch-puritanische Partei in der Mitte des 17. Jahrhunderts blutige Siege über die alte episkopale Partei erfocht. Die Bürgerkriege,
zu denen sich der Streit in enger Verknüpfung mit innenpolitischen
Vorgängen auswuchs, endeten mit der Hinrichtung König Karl I. durch Cromwells Partei und mit Comwells Herrschaft als Lord-Protektor von England, Schottland und
Irland. Siehe auch Wikipedia und Kirchenlexikon |
Inhaltsverzeichnis
Brief an Oberst Hammond
Rede bei der Eröffnung des »Parlaments der Heiligen«
Brief
an Oberst Hammond
Ich spüre, wie Dein Geist von einer Unruhe beschwert ist, die nicht nur
durch Deine andauernde traurige und schwere Belastung, wie Du es nennst, veranlaßt
ist, sondern auch durch den Anstoß, den Du an dem Verhalten einiger braver
Männer nimmst, die Dir herzlich lieb sind, aber die Anschauung vertreten,
daß es für eine schwächere Partei erlaubt sei, wenn sie im Recht
ist, „eine zahlenmäßige Majorität“ zu zwingen.
Dazu möchte ich zunächst bemerken: Nenne Deine Last nicht traurig
oder schwer. Wenn Dein himmlischer Vater sie Dir auferlegt, so will er keins
von beiden. Er ist der Vater des Lichts, von welchem kommt alle gute und vollkommene
Gabe [Jak. 1, 17]. Er hat uns nach seinem Willen geschaffen und uns befohlen,
es für lauter Freude zu halten, wenn solche Dinge uns anfallen; sie sind
nütze zur Übung von Glauben und Geduld, wodurch wir schließlich
vollkommen werden (Jak. 1).
Teurer Robert, unsere menschliche Vernunft betrügt uns. Sie läßt
uns sagen »schwer« und »traurig«, »lieb« und »leicht«. War das nicht auch ein wenig so, als Robert Hammond,
aus Ärger, seinen Abschied aus der Armee erbat und auf der Insel Wight
Ruhe suchte?* Fand Gott ihn aber auch nicht hier?
Ich meine, er wird dies nie vergessen! Und nun bemerke ich, daß er wieder
zu grübeln beginnt; teils wegen seiner traurigen und schweren Belastung,
teils wegen der Unzufriedenheit mit den Handlungen der Freunde.
*Hammond hatte sich, um den dauernden Konflikten seines
Pflichtgefühls zu entgehen, aus der aktiven Armee als Gouverneur auf die
Insel Wight zurückgezogen. Aber auch hier hatte ihn sein Schicksal erreicht:
er mußte den in der Gewalt der Parlamentsarmee befindlichen und auf der
Insel Wight stationierten König bewachen.
Teurer Robert, Du sowohl, wie ich selbst waren niemals wert, auch nur Türhüter
in diesem Dienst zu sein. Wenn Du durchaus grübeln willst, dann grüble
über Gottes Absicht in der Kette der Vorsehung, durch die Gott Dich dorthin
geleitete und jene Person zu Dir; darüber, wie Gott vorher und seitdem
ihn und seine Sache führte: und dann sage mir, ob in dem allem nicht eine
glänzende und hohe Absicht waltet, weit über alles, was Dir je begegnet
ist? Lasse Deine menschlichen Gedanken beiseite und suche bei Gott Belehrung
über den Sinn von dem allen; er wird sie Dir gewähren. Ich wage es
strikt zu behaupten, daß Gott sich nicht so offenbart, wie er es tat,
damit dann die Bösen triumphieren. Denn es gibt keinen Frieden für
sie. Nein, es ist in die Herzen der Gottesfürchtigen gelegt und wir haben
Beweis über Beweis, daß es den Bösen und ihren Parteigängern
schlimm ergeht. Wiederum sage ich: suche die Lehre des
Geistes, der da ist ein Geist der Erkenntnis und des Verstandes, ein Geist des
Rates und der Kraft, ein Geist der Weisheit und der Furcht Gottes [Jes.
11, 2]. Dieser Geist wird Deine Augen und Ohren schließen, auf
daß Du nicht mehr nach ihnen urteilst; sondern Du sollst urteilen zugunsten
der Armen auf Erden und sollst fähig werden, ebenso zu handeln. Der Herr
leite Dich zu dem, was seinen Augen wohlgefällig ist.
Du sagst: »Gott hat Obrigkeiten in den Nationen
errichte, denen aktiver und passiver Gehorsam zu leisten ist. In England ist
das Parlament die Obrigkeit; also sei aktiver und passiver Widerstand … usw.«
Obrigkeitliche Gewalten sind allerdings von Gott [Röm.
13, 1]. Diese oder jene spezielle Art aber ist menschliche Einrichtung
und begrenzt; die eine hat weitere, die andere engere Vollmachten, eine jede
gemäß dem Gesetz, dem sie untersteht. Aber deshalb meine ich nicht,
daß sich die Obrigkeiten alles erlauben dürfen und man ihnen doch
gehorchen muß. Vielmehr herrscht allgemeine Übereinkunft darin, daß
es Fälle gibt, in denen man das Recht hat, sich zu widersetzen. Wenn das
aber so ist, dann sind Deine Gründe sowohl wie Deine Schlussfolgerung hinfällig.
In der Tat, um mich kurz zu fassen, teurer Robert, die frage kann allein die
sein, ob unsere Lage einer von jenen Fällen ist? Das ist, frei heraus,
die w i r k l i c h e Frage.
Hierzu möchte ich selbst nichts sagen. Aber ich möchte Dir zwei oder
drei andere Fragen zur Überlegung anheimgeben.
Erstens: Ist das Wohl des Volkes mit Recht oberstes Gesetz?
Zweitens: Ist in unserm Falle tatsächlich vor dem Herrn, vor dem unser
Gewissen standhalten muß, für jenes Volkswohl gesorgt? Oder schwebt
nicht der ganze Gewinn des Krieges in Gefahr, so verloren zu gehen, daß
wieder alles wie früher, ja noch schlimmer wird?
Drittens: Ist die Armee nicht eine rechtmäßige Gewalt, von Gott dazu
berufen, sich dem König zu widersetzen und gegen ihn aus wohlbegründeten
Ursachen zu kämpfen. Und darf sie, einmal zu solchem Zweck im Besitz der
Macht, nicht gegen die eine Obrigkeit ebenso vorgehen wie gegen die andere,
wenn nur dasselbe Motiv sie leitet, da ja doch nicht die äußere Autorität,
die sie berief, den Streit zu einem rechtmäßigen machte, sondern
der Kampf sein Recht in sich selber trug?
Aus: Religionskundliche Quellenhefte. Herausgeben
von Prof. D. H. Lietzmann und Akademiedirektor Dr. K. Weidel Heft 12, Der Calvinismus
in Westeuropa von Lic. Helmuth Kittel (S.19-21)
Verlag von B. G. Teubner, Leipzig und Berlin
Rede
bei der Eröffnung des »Parlaments der Heiligen«
Als sich das alte sog.
»Lange Parlament« immer unfähiger zeigte, wurde es von
der bewaffneten Macht, die Cromwell ganz in seiner
Hand hatte, kurzerhand aufgelöst. Cromwell
berief im Juni 1653 dafür aus
eigener Machtvollkommenheit das sog. »Parlament
der Heiligen«, das, also nicht durch Wahl entstanden, nur solche
Personen enthielt, deren streng puritanischer Gesinnung ganz sicher zu sein
glaubte. Cromwell und seine Armee begrüßten in diesem Parlament die
Frucht ihrer Kämpfe und Siege. England hatte eine Regierung der Frommen.
Die folgende Rede, die Cromwell zur Eröffnung dieses Parlaments hielt,
bringt gut zur Anschauung, wie der große Feldherr auch bei diesem eigenmächtigen
Vorgehen nur Gottes Werkzeug zu sein glaubte und wie er in seinen Waffenerfolgen
einen Beweis dafür sah, daß Gott die Geschichte des englischen Volkes
in besonderer Weise seinen Zwecken dienstbar machte.
» . . . Ich gestehe: niemals glaubte ich einen solchen Tag wie den heutigen
zu sehen - vielleicht auch ihr nicht - an dem Jesus Christus
so anerkannt wird, wie heute durch dies Werk. Jesus
Christus ist an diesem Tage durch eure Berufung bekannt worden; und ihr
bekennt ihn durch eure Bereitwilligkeit, vor ihm zu erscheinen. Ihr bezeugt
auf diese Weise, soweit arme Kreaturen dies können, daß ein Tag der
Herrlichkeit Christi gekommen ist. Ich weiß, daß euch jenes Schriftwort
wohl bekannt ist: »Er macht sein Volk willfährig
am Tage seiner Herrlichkeit« (vergl. Ps 110,
3). Gott selbst bezeugt, dies sei der Tag der Herrlichkeit Christi. Denn
nach soviel Blutvergießen und so viel Wirrnis, wie sie diese Nationen
trafen, hat er dies zu einem der größten Früchte davon gemacht:
Sein Volk zur obersten Gewalt berufen zu haben. Er läßt dies seine
größte Gnade sein nächst der, daß er uns seinen eigenen
Sohn schenkte. Gott hat sich zu seinem Sohn bekannt; er hat sich zu euch bekannt
und bewirkt, daß ihr ihn bekanntet. Noch einmal muß ich gestehen:
nie dachte ich einen solchen Tag zu schauen, nie! -
Wahrscheinlich kennt ihr euch untereinander nicht von Angesicht zu Angesicht;
ihr seid ja Fremde, die aus allen Teilen des Landes kommen. Aber ich will euch
verraten, daß ich mir nicht gestattet habe, auch nur eine Person zu wählen,
bei der ich nicht guter Hoffnung sein durfte, sie an Jesus
Christus glaubt, sowie sein Volk und die Heiligen* liebt. *»Heilige« war die gängige Bezeichnung für die strengen
Puritaner.
Darum sage ich euch: bekennt euch zu eurer Berufung, weil sie von Gott ist!
Wahrlich, sie ist wunderbar und war nicht beabsichtigt. Noch ist es nicht lange
her, daß ihr und wir um sie wußten. Tatsächlich ist dies ja
immer Gottes Art gewesen, uns zu führen. Er verbarg alle Ereignisse stets
so vor unseren Augen, daß wir nichts von allen seinen Gnadenerweisen voraussahen.
Das ist in gewisser Weise auch ein Beweis für unsere Redlichkeit. Ihr seid
mit hoher Berufung erwählt; warum sollten wir deshalb davor zurückschrecken
zu sagen oder zu glauben, daß sie das Tor sei, durch welches jene Dinge
Eingang zu uns finden, die Gott versprochen hat, welche er durch Propheten verhieß
und auf welche sehnsüchtig zu harren er in die Herzen seiner Gläubigen
legte? Wir wissen, wer die sind, die zusammen mit dem »Lamm«
Krieg führen sollen »gegen seine Feinde«,
die da sein werden »ein berufenes, auserwähltes
und gläubiges Volk« (Offenb.
Joh. 17,14).
Gott ist auf kriegerische Weise - wir können, ohne uns zu
schmeicheln, davon reden, denn ich meine, ihr kennt die Tatsachen - in ihnen,
in jenem »Volk« und für dasselbe erschienen; sollte er nun
nicht auch in dieser weltlichen Obrigkeit erscheinen? Dies alles sind nicht
übliche Vorzeichen der Herrlichkeit, deren wir harren. Fürwahr, es
steht etwas vor der Tür, und wir sind auf der Schwelle; darum ziemt es
sich für uns, unser Haupt zu erheben und uns zu stärken im Vertrauen
auf den Herrn. Einige von uns haben es für ihre Pflicht gehalten, diesen
Weg zu beschreiten und nicht umsonst der Prophezeiung im Buche Daniel zu gedenken: »... und das Königreich soll keinem anderen
Volke überliefert werden« (Dan 2, 44).
Gott hat dies dadurch in eure Hände gelegt, daß er eure Berufung
anerkannte und die kriegerische Macht segnete; er hat die Herzen der Soldaten
gelenkt, daß sie Werkzeug eurer Berufung wurden. S.23ff.
Aus: Religionskundliche Quellenhefte. Herausgeben
von Prof. D. H. Lietzmann und Akademiedirektor Dr. K. Weidel Heft 12, Der Calvinismus
in Westeuropa von Lic. Helmuth Kittel
Verlag von B. G. Teubner, Leipzig und Berlin