Georg Friedrich Creuzer (1771 – 1858)

  Deutscher Philologe und Mythologe, der klassische Philologie in Marburg, Leiden und Heidelberg lehrte. Creuzer war mit Goethe und Clemens Brentano befreundet Er hatte eine Liaison mit Karoline von Günderrode, die sich das Leben nahm, nach dem er die Beziehung plötzlich beendete. Von seinem bekanntesten Werk war »Symbolik und Mythologie der alten Völker, besonders der Griechen« waren auch Hegel und Schelling beeinflusst.

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Die Elemente des Symbols
Die Merkmale, welche in den von Aristoteles angeführten Beispielen von Metapher und Bild liegen, führen uns sofort auf die Grundbegriffe der symbolischen Darstellung. Sagt der Dichter, bemerkt jener Kunstrichter, »wie ein Löwe stürmt Achilleus daher«, so hat er in einem Bilde gesprochen, dahingegen der Ausdruck »der Löwe stürmte daher« auf Achilleus bezogen, eine Metapher sein würde. Es sind nämlich hier mehrere Eigenschaften, die der Kraft, die des Mutes, der unwiderstehlichen Furchtbarkeit usw. durch die metaphorische und bildliche Bezeichnung in den Brennpunkt eines einzigen Eindrucks zusammengedrängt, der sich auf einmal der Seele darstellt. Dieses gilt von allen Arten des tropischen Ausdrucks, er mag nun entweder auf einer wahrgenommenen Ähnlichkeit beruhen (Metapher), oder in einer äußeren, oder inneren Verbindung zweier Dinge (Metonymie* und Synekdoche**). Immer bleibt es wesentliche Eigenschaft dieser Darstellungsart, daß sie ein Einziges, ein Ungeteiltes gibt. Was der sondernde und sammelnde Verstand in sukzessiver Reihe als einzelne Merkmale zur Bildung eines Begriffs zusammenträgt, und ebenso sukzessiv wieder in seine Bestandteile trennt, das gibt jene anschauliche Weise ganz und auf einmal. Es ist ein einziger Blick; mit einem Schlage ist die Intuition vollendet, wie dann die griechische Sprache, nach obiger Erläuterung, sich wirklich dieses bildlichen Worts zur Bezeichnung des Bildlichen bediente, und für die langsame Verfahrungsart des Verstandes ebenso glücklich den, an einen langen Weg erinnernden, Ausdruck erfand, dessen Übersetzung wir in dem Worte des diskursiven Denkens aus der römischen Sprache entlehnt haben. *Namensvertauschung; **Mitverstehen

Will nun die Seele das Größere versuchen, sich zur Welt der Ideen aufschwingen, und das Bildliche zum Ausdruck des Unendlichen machen, so offenbaret sich vorerst ein entschiedener, schneidender Zwiespalt. Wie könnte doch das Begrenzte so zu sagen Gefäß und Aufenthalt des Unbegrenzten werden? Oder das Sinnliche Stellvertreter dessen, was, nicht in die Sinne fallend, nur im reinen geistigen Denken erkannt zu werden vermag? Die Seele, befangen in diesem Widerspruch, und ihn wahrnehmend, siehet sich mithin vorerst in den Zustand einer Sehnsucht versetzt. Sie möchte das Wesen erfassen ganz und unverändert, und es in der Form zum Leben bringen, aber in die Schranken dieser Form will sich das Wesen nicht fügen. Es ist ein schmerzliches Sehnen, das Unendliche im Endlichen zu gebären. Der in die Nacht dieser Unterwelt gestellte Geist möchte sich erheben und hindurchdringen zu der vollen Klarheit des heiteren Tages. An sich und ohne Hülle möchte er sehen, was allein wahrhaft ist, und unveränderlich bestehet, und im Abbild es hinstellen in dieser wandelbaren Welt des schattenähnlichen Daseins.

Da die Seele demnach, so betrachtet, zwischen der Ideenwelt und dem Gebiete der Sinne schwebet, da sie beide mit einander zu verbinden und im Endlichen das Unendliche zu erringen strebt, wie kann es anders sein, als dass das, was sie erstrebt und errungen hat, die Zeichen seines Ursprungs an sich trage, und selbst in seinem Wesen jene Doppelnatur verrate? Und in der Tat lassen uns die wesentlichen Eigenschaften, und gleichsam die Elemente des Symbols, jene doppelte Herkunft deutlich erkennen.

Vorerst ist jenes Schweben selbst, sein Los. Ich meine jene Unentschiedenheit zwischen Form und Wesen. Es ist im Symbol ein allgemeiner Begriff aufgestiegen, der da kommt und fliehet, und indem wir ihn erfassen wollen, sich unserm Blick entzieht. So wie es einerseits aus der Welt der Ideen, wie aus dem vollen Glanze der Sonne abgestrahlt, sonnenähnlich heißen kann, einen platonischen Ausdruck zu gebrauchen, so ist es hingegen durch das Medium getrübt, wodurch es in unser Auge fällt. Und wie das Farbenspiel des Regenbogens durch das an der dunkelen Wolke gebrochene Bild der Sonne entsteht, so wird das einfache Licht der Idee im Symbol in einen farbigen Strahl von Bedeutsamkeit zerlegt.

Denn bedeutsam und erwecklich wird das Symbol eben durch jene Inkongruenz des Wesens mit der Form, und durch die Überfülle des Inhalts in Vergleichung mit seinem Ausdruck. Desto anregender daher, je mehr es zu denken gibt. Aus diesem Grunde haben es die Alten vorzüglich wirksam geachtet, um den Menschen aus der Gewohnheit des täglichen Lebens zu einem höheren Bestreben zu erwecken. Ein Kunstrichter, der über die Natur der Sprache mit ungemeinem Scharfsinne nachgedacht hat, bemerkt daher sehr treffend: »Alles was nur geahnet wird, ist furchtbarer, als was hüllenlos vor Augen liegt. Daher auch die Geheimlehren in Symbolen vorgetragen werden, wie in Nacht und Dunkel. Es ist aber das Symbolische dem Dunkeln und der Nacht zu vergleichen.«

Jenes Erweckliche und zuweilen Erschütternde hängt mit einer andern Eigenschaft zusammen, mit der Kürze. Es ist wie ein plötzlich erscheinender Geist, oder wie ein Blitzstrahl, der auf einmal die dunkele Nacht erleuchtet. Es ist ein Moment, der unser ganzes Wesen in Anspruch nimmt, ein Blick in eine schrankenlose Ferne, aus der unser Geist bereichert zurückkehrt. Denn dieses Momentane ist fruchtbar für das empfängliche Gemüt, und der Verstand, indem er sich das Viele, was der prägnante Moment des Bildes verschließt, in seine Bestandteile auflöset, und nach und nach zueignet, empfindet ein lebhaftes Vergnügen, und wird befriedigt durch die Fülle dieses Gewinns, den er allmählich übersiehet.

Aus: Friedrich Creuzer, Symbolik und Mythologie der alten Völker, Band 1, Leipzig und Darmstadt 1810, S.65-69
Enthalten in: Zeichen der Zeit, Ein deutsches Lesebuch in vier Bänden. Band 2: 1786 - 1832, Herausgegeben von Walther Killy Fischer Bücherei 347 (S.310ff.)