Georg Friedrich Creuzer (1771 – 1858)
Deutscher
Philologe und Mythologe, der klassische Philologie in Marburg,
Leiden und Heidelberg lehrte. Creuzer
war mit Goethe und
Clemens Brentano befreundet Er hatte eine Liaison mit Karoline
von Günderrode, die sich das Leben nahm, nach dem er die Beziehung plötzlich beendete. Von seinem bekanntesten Werk war »Symbolik
und Mythologie der alten Völker, besonders der Griechen« waren auch Hegel und Schelling beeinflusst. Siehe auch Wikipedia |
Die Elemente
des Symbols
Die Merkmale, welche in den von Aristoteles angeführten Beispielen von
Metapher und Bild liegen, führen uns sofort auf die Grundbegriffe der symbolischen
Darstellung. Sagt der Dichter, bemerkt jener Kunstrichter, »wie
ein Löwe stürmt Achilleus daher«,
so hat er in einem Bilde gesprochen, dahingegen der Ausdruck »der Löwe
stürmte daher« auf Achilleus bezogen,
eine Metapher sein würde. Es sind nämlich hier mehrere Eigenschaften,
die der Kraft, die des Mutes, der unwiderstehlichen Furchtbarkeit usw. durch
die metaphorische und bildliche Bezeichnung in den Brennpunkt eines einzigen
Eindrucks zusammengedrängt, der sich auf einmal der Seele darstellt. Dieses
gilt von allen Arten des tropischen Ausdrucks, er mag nun entweder auf einer
wahrgenommenen Ähnlichkeit beruhen (Metapher),
oder in einer äußeren, oder inneren Verbindung
zweier Dinge (Metonymie* und Synekdoche**). Immer bleibt es wesentliche Eigenschaft dieser Darstellungsart, daß sie
ein Einziges, ein Ungeteiltes gibt. Was der sondernde
und sammelnde Verstand in sukzessiver Reihe als einzelne Merkmale zur Bildung
eines Begriffs zusammenträgt, und ebenso sukzessiv wieder in seine Bestandteile
trennt, das gibt jene anschauliche Weise ganz und auf einmal. Es ist ein einziger
Blick; mit einem Schlage ist die Intuition vollendet, wie dann die griechische
Sprache, nach obiger Erläuterung, sich wirklich dieses bildlichen Worts
zur Bezeichnung des Bildlichen bediente, und für die langsame Verfahrungsart
des Verstandes ebenso glücklich den, an einen langen Weg erinnernden, Ausdruck
erfand, dessen Übersetzung wir in dem Worte des diskursiven Denkens aus
der römischen Sprache entlehnt haben. *Namensvertauschung;
**Mitverstehen
Will nun die Seele das
Größere versuchen, sich zur Welt der Ideen
aufschwingen, und das Bildliche zum Ausdruck des Unendlichen
machen, so offenbaret sich vorerst ein entschiedener, schneidender Zwiespalt. Wie könnte doch das Begrenzte so zu sagen Gefäß und Aufenthalt des Unbegrenzten werden? Oder das Sinnliche Stellvertreter
dessen, was, nicht in die Sinne fallend, nur im reinen geistigen Denken erkannt
zu werden vermag? Die Seele, befangen in diesem
Widerspruch, und ihn wahrnehmend, siehet sich mithin vorerst in den Zustand
einer Sehnsucht versetzt. Sie möchte das Wesen erfassen ganz und unverändert,
und es in der Form zum Leben bringen, aber in die Schranken dieser Form will
sich das Wesen nicht fügen. Es ist ein schmerzliches Sehnen, das
Unendliche im Endlichen zu gebären. Der in die Nacht dieser Unterwelt gestellte
Geist möchte sich erheben und hindurchdringen zu der vollen Klarheit des
heiteren Tages. An sich und ohne Hülle möchte er sehen, was allein
wahrhaft ist, und unveränderlich bestehet, und im Abbild es hinstellen
in dieser wandelbaren Welt des schattenähnlichen Daseins.
Da die Seele demnach, so betrachtet, zwischen der Ideenwelt und dem Gebiete
der Sinne schwebet, da sie beide mit einander zu
verbinden und im Endlichen das Unendliche zu erringen strebt, wie kann
es anders sein, als dass das, was sie erstrebt und errungen hat, die Zeichen
seines Ursprungs an
sich trage, und selbst in seinem Wesen jene Doppelnatur
verrate? Und in der Tat lassen uns die wesentlichen Eigenschaften, und gleichsam
die Elemente des Symbols, jene doppelte Herkunft deutlich erkennen.
Vorerst ist jenes Schweben selbst, sein Los. Ich meine jene Unentschiedenheit
zwischen Form und Wesen. Es ist im Symbol ein allgemeiner Begriff aufgestiegen,
der da kommt und fliehet, und indem wir ihn erfassen wollen, sich unserm Blick
entzieht. So wie es einerseits aus der Welt der Ideen, wie aus dem vollen Glanze der Sonne abgestrahlt, sonnenähnlich heißen
kann, einen platonischen Ausdruck zu gebrauchen,
so ist es hingegen durch das Medium getrübt, wodurch es in unser Auge fällt.
Und wie das Farbenspiel des Regenbogens durch das an der dunkelen Wolke gebrochene
Bild der Sonne entsteht, so wird das einfache Licht der
Idee im Symbol in einen farbigen Strahl von Bedeutsamkeit zerlegt.
Denn bedeutsam und erwecklich wird das Symbol eben durch jene Inkongruenz des
Wesens mit der Form, und durch die Überfülle des Inhalts in Vergleichung
mit seinem Ausdruck. Desto anregender daher, je mehr es zu denken gibt. Aus
diesem Grunde haben es die Alten vorzüglich wirksam geachtet, um den Menschen
aus der Gewohnheit des täglichen Lebens zu einem höheren Bestreben
zu erwecken. Ein Kunstrichter, der über die Natur der Sprache mit ungemeinem
Scharfsinne nachgedacht hat, bemerkt daher sehr treffend: »Alles was nur geahnet wird, ist furchtbarer, als was hüllenlos vor
Augen liegt. Daher auch die Geheimlehren in Symbolen vorgetragen werden, wie
in Nacht und Dunkel. Es ist aber das Symbolische dem Dunkeln und der Nacht zu
vergleichen.«
Jenes Erweckliche und zuweilen Erschütternde hängt mit einer andern
Eigenschaft zusammen, mit der Kürze. Es ist wie ein
plötzlich erscheinender Geist, oder wie ein
Blitzstrahl, der auf einmal die dunkele Nacht erleuchtet. Es ist ein
Moment, der unser ganzes Wesen in Anspruch nimmt, ein Blick in eine schrankenlose
Ferne, aus der unser Geist bereichert zurückkehrt. Denn dieses Momentane ist fruchtbar für das
empfängliche Gemüt, und der Verstand, indem er sich das Viele, was der prägnante Moment des Bildes verschließt, in seine Bestandteile
auflöset, und nach und nach zueignet, empfindet ein lebhaftes Vergnügen,
und wird befriedigt durch die Fülle dieses Gewinns, den er allmählich
übersiehet.
Aus: Friedrich Creuzer, Symbolik und Mythologie der
alten Völker, Band 1, Leipzig und Darmstadt 1810, S.65-69
Enthalten in: Zeichen der Zeit, Ein deutsches Lesebuch in vier Bänden.
Band 2: 1786 - 1832, Herausgegeben von Walther Killy Fischer Bücherei 347
(S.310ff.)